Apicultural Review Letters
(Kritische Apikultur Briefe)

485. Brief
30. August 2010

Neonicotinoide bis zu 7000 mal giftiger als DDT

Jahrelang behaupteten staatlich geförderte Bieneninstitute in Deutschland und hauseigene Bayer-Wissenschaftler Neonicotinoide wie Imidacloprid, Thiacloprid oder Clothianidin seien nicht nur für Bienen unbedenklich. Auf Brunnenvergiftung, Vergiftung von Mensch und Tier stand früher die Todesstrafe. Heute können sich die Verantwortlichen auf Gefängnisstrafen und saftige Geldbußen einstellen

Durch Panschereien mit Chemikalien werden chemisch-synthetische Gifte entwickelt, die dann von sogenannten "Phytomedizinern" als Pflanzenschutzmittel bezeichnet und in der Regel bei Sicherheitsprüfungen als harmlos durchgewunken werden. Die führenden fünf Unternehmen verkaufen große Mengen hoch gefährlicher Pestizide. Die meisten Pestizid-Portfolios von BASF, Bayer Crop Science, Union Carbide (Bhopal-Katastrophe) / Dow Agro-Science, Monsanto und Syngenta sind so giftig, daß sie verboten werden müßten. Insektizide mit bienengefährlichen Inhaltsstoffen wie Imidachloprid (Gaucho), Clothianidin (Poncho), fipronil (Regent), thiamethoxam (Cruiser), deltamethrine (Decis), methiocarb (Mesurol), sind zum Teil 6000 bis 7000 mal toxischer sind als DDT, und werden zum Beispiel bei Mais, Raps und Sonnenblume eingesetzt. Wie kommt es, daß diese Pestizide überhaupt zugelassen werden? Zu diesem Zweck wurde nicht nur von den "Phytomedizinern" eine neue Art der Wissenschaft gegründet, die sogenannte groteske oder Schrott - Wissenschaft. Diese Wissenschaft hat unbemerkt den Platz der eigentlichen, unabhängigen Wissenschaft eingenommen und liefert die passenden Ergebnisse sowohl für die Pestizid- als auch für die Biotech-Portfolios. Glücklicherweise gibt es aber auch noch unabhängige Wissenschaftler. Diese haben herausgefunden, dass die Blattguttationstropfen aller Maispflanzen, die aus mit Neonikotinoiden gebeiztem Samen gekeimt sind, Mengen des Insektizids enthalten, die bis zu 200mg/l betragen können. Die Konzentration der Neonikotinoide (Imidachloprid, Clothianidin, Thiamethoxam)  in Guttationstropfen bekommt damit Werte, wie sie bei der Anwendung von Wirkstoffen als Spritzung zur Schädlingsbekämpfung üblich sind; oder sie gehen sogar noch darüber hinaus. Wenn die Bienen Guttationstropfen aufnehmen, die von Pflanzen stammen, welche aus Samen gewachsen sind, die mit Neonikotinoiden gebeizt wurden, sterben sie innerhalb weniger Minuten. [2][3][4][5]

Langzeitrisiken von Imidacloprid wurden unterschätzt. Das zeigt auch eine neue Studie zu BAYER-Pestiziden: Der niederländische Toxikologe Dr. Henk Tennekes weist in einer aktuellen Untersuchung nach, dass die Langzeitrisiken der Insektizide Imidacloprid und Thiacloprid weitaus größer sind, als bislang angenommen. Dies könne eine der Ursachen für die Bienenvolksterben in aller Welt sein. Die Studie The toxicity of neonicotinoid insecticides to arthropods is reinforced by exposure time erschien am 23. Juli in dem Fachmagazin Toxicology (online).

Dr. Henk Tennekes zu seinen Ergebnissen: "Das Risiko von Pestiziden wie Imidacloprid und Thiacloprid wird wahrscheinlich enorm unterschätzt, besonders für Wasserlebewesen und Bodenorganismen. Die bislang gültigen Grenzwerte wurden weitgehend aus Kurzzeit-Tests abgeleitet. Würde man Langzeit-Versuche durchführen, könnten schon bei wesentlich geringeren Konzentrationen verheerende Schäden auftreten. Damit kann erklärt werden, wieso schon geringe Mengen Imidacloprid längerfristig Bienensterben verursachen können“. Tennekes zeigt sich besorgt über die hohe Belastung von Oberflächengewässern mit schwer abbaubaren Agrochemikalien. So wiesen Messungen der niederländischen Umweltbehörde bis zu 320 Mikrogramm Imidacloprid pro Liter (µg/l) nach. Der EU-Grenzwert für Trinkwasser hingegen liegt bei 0,1 µg/l.

Imidacloprid wird unter den Handelsnamen Gaucho, Provado und Admire angeboten, der Wirkstoff gilt als meistverkauftes Pestizid weltweit. Thiacloprid wird unter den Namen Biscaya, Proteus und Calypso vertrieben. Beide Wirkstoffe gehören zur umstrittenen Wirkstoffklasse der Neonicotinoide, die u.a. zur Behandlung von Saatgut verwendet wird. Hersteller ist die Bayer CropScience AG, die im vergangenen Jahr allein mit Imidacloprid 606 Millionen Euro erlöste.  Saatgutbehandlungsmittel von Bayer hatten vor zwei Jahren das großflächige Bienensterben in Süddeutschland verursacht.

Neonicotinoide können wegen ihrer hohen Persistenz mehrere Jahren im Boden verbleiben. Selbst unbehandelte Pflanzen, auf deren Feldern in den Vorjahren Imidacloprid oder Clothianidin eingesetzt wurde, können den im Boden befindlichen Giftstoff über die Wurzeln aufnehmen und eine für Bienen gefährliche Konzentration enthalten. Ähnlich wie Dr. Tennekes hatte die kanadische Zulassungsbehörde Pest Management Regulatory Agency wegen der mehrjährigen Verweildauer im Boden ein Risiko für Bienen befürchtet; die von Bayer vorgelegten Studien hatte die Behörde als mangelhaft („deficient“) bezeichnet. Die  Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert wegen der Risiken für Bienen einen Verkaufs-Stopp für Neonicotinoide. Der Verband hatte vor zwei Jahren Strafanzeige gegen den Bayer-Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning wegen der „Inkaufnahme der verheerenden Bienensterben in aller Welt“ gestellt.

Auch die vor sechs Wochen von italienischen Wissenschaftlern veröffentlichte Studie The puzzle of honey bee losses: a brief review kommt zu dem Schluss, dass der Einfluss von Pestiziden für das weltweite Bienensterben unterschätzt wird. Schon im Jahr 2003 hatte ein im Auftrag des französischen Landwirtschaftsministerium erstellter Untersuchungsbericht festgestellt, dass die Verwendung von Imidacloprid für den Tod Hunderttausender Bienenvölker mitverantwortlich ist.

Da der Patentschutz von Imidacloprid in den meisten Ländern abgelaufen ist, brachte Bayer im Jahr 2003 das chemisch verwandte Nachfolgeprodukt Clothianidin auf den Markt. Seit dem Bienensterben in Deutschland vor zwei Jahren sind Imidacloprid und Clothianidin für die Behandlung von Mais-Saatgut verboten. Auch Italien, Frankreich und Slowenien verhängten Verbote bzw. verweigerten eine Zulassung. [1][2][3]

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[1] Presse Information vom 28. Juli 2010 Coordination gegen BAYER-Gefahren. Dr. Henk Tennekes: info@toxicology.nl, Tel. +31 575 545500,  Kampagne „Bienensterben stoppen“: www.cbgnetwork.de/2556.html, Hintergrund zur Strafanzeige gegen Bayer: www.cbgnetwork.de/2561.html
[2] Zentrum für wesensgemäße Bienenhaltung 2009: Global Players und die Verseuchung unserer Lebensmittel - Bienengefährliche Pestizide und "junk science". Eine Auswahl aus Api Review Letters und Science Review Letters 2002-2010 zum Thema "Lemon-Markets", Karma der Phrase und der Gedankenlosigkeit
[3] Zentrum für Lebensmittelsicherheit 2009: Mehr Ernährungskrisen und Hunger in der Welt durch grüne Gentechnik. Giftige Nahrung - nicht nur für Kühe, Schafe und Honigbienen - made by Monsanto & Co. (More food crisis and hunger in the world due to agro genetic engineering - Toxic food - not only for cows, sheeps and honeybees - made by Monsanto & Co) Pressemitteilung. Siehe auch: Science Review Letters 2009, 8, Nr. 291 /286 und Api Review Letters 2009,8, Nr. 351
[4] itm 3/2009, p. 10 und 4/2009, p. 24
[5] Girolami, V. et al. 2009: Translocation of Neonikotinoid Insecticides from coated Seeds to Seeding Guttation Drops: A Novel Way of Intoxication for Bees. J. Econ. Entomol. 102 (5), p. 1808 - 1815.
 
 

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Die Gesamtausgabe der Briefe erscheint in der Fachzeitschrift "Apikultur"

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