Apicultural Review Letters
(Kritische Apikultur Briefe)

820. Brief
11. November 2013

Sind einige Naturwissenschaftler abergläubisch?

Ist die materialistische und neo-darwinistische Wissenschaft letzten Endes genau das, was die alten Skeptiker der Metaphysik vorwarfen: ein dogmatischer Glaube?


Eigentlich hat der Philosoph Thomas Nagel nur ausgesprochen, was schon längst bekannt ist. Dennoch ist die Aufregung im wissenschaftlichen Establishment groß. Nagels Buch richtet sich gegen das ganze Weltbild, das aus den Entdeckungen in Biologie, Physik und Chemie entstanden ist, also gegen die sogenannte naturalistische Weltanschauung. Sie beruht auf der Voraussetzung, dass eine umfassende Erklärung des Universums durch die Erkenntnisse jener Wissenschaften möglich ist. Und Thomas Nagel ist kein unbekannter Außenseiter, sondern einer der einflussreichsten Vertreter der zeitgenössischen Philosophie des Geistes im Angloamerikanischen Raum. [1][2]

Dem gesunden Menschenverstand ist sowieso klar, dass Fähigkeiten wie Wahrnehmung, Gedächtnis, Entscheidungsfindung - zum Beispiel Sinn und Unsinn der Gentechnik - zwar auf gehirnphysiologische Vorgänge bezogen werden können; "dass sie aber ohne Rest auf diese Vorgänge reduzierbar seien und diese Reduktion alle mentale Aktivität vollständig erklären könnte, sei unwahrscheinlich. Denn in dem, was wir Geist nennen, gebe es mehr, als der kognitionswissenschaftliche Mainstream zuzugeben bereit ist."  [1][2]

Kleiner Scherz am Rande: Dies gilt natürlich nur für solche Wissenschaftler, die tatsächlich Geist haben. Der Mainstream  Wissenschaftler lässt sich durchaus reduzieren: So lassen sich auch die vielen schwachsinnigen Wissenschaftler erklären, die für skrupellose Firmen wie Monsanto, Nestlé & Co allen Ernstes behaupten, sie würden nur ihre Arbeit machen.

Material für ihre Argumentation finden die Nagel-Kritiker in Dennetts "Philosophie des menschlichen Bewusstseins" (1991), dem wohl bekanntesten Werk, welches die Debatte zwischen Anti-Reduktionisten und Vertretern der materialistischen Wissenschaft hervorgebracht hat. Dennett verteidigt nicht nur die Ansicht, dass sämtliche mentalen Vorgänge dem wirken physischer Prozesse entsprächen, sondern erklärt auch, der "subjektive Aspekt" des Bewusstseins "sei nichts als eine Fiktion ohne Inhalt und ein Relikt des religiösen Glaubens an die Seele."  [2]

Nagels Buch gilt inzwischen als "meistgehasstes Wissenschaftsbuch". Dabei polemisiert das Buch gar nicht gegen die Naturwissenschaften schlechthin, sondern nur gegen diejenigen, die auf dem Universalitätsanspruch der Naturwissenschaften beharren. Nagel schreibt auch nicht gegen die Metaphysik, sondern gegen eine wissenschaftliche Praxis, die Metaphysik ausschließt und damit in ein gefährliches Fahrwasser gerät (zum Beispiel kritiklose Annahme der grünen und roten Gentechnik). Damit ist die materialistische und neo-darwinistische Wissenschaft letzten Endes genau das, was die alten Skeptiker der Metaphysik vorwarfen: ein dogmatischer Glaube. [1][2]

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[1] Nagel, T. 2013: Geist und Kosmos - Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist. New York, Frankfurt, Berlin.
[2] Frankfurter Allgemeine Zeitung 2013, Nr. 12, p.41
 
 

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Die Gesamtausgabe der Briefe erscheint in der Fachzeitschrift "Apikultur"

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