53.
Brief
28.
August 2006
Bekannt ist: Die Zerstörung der traditionellen Getreidesorten, die in ständiger Anpassung an Böden und Witterung entstanden sind, „könnte, wenn sich Firmen wie Pioneer oder Monsanto weiterhin auf Expansionskurs befinden, tatsächlich zu einer Nahrungsmittelkrise führen" [1].
„Die Nahrungsmittelindustrie ist ein verheerender politischer Faktor. Durch ihre weltumspannende Arbeit sterben Jahr für Jahr viel mehr Menschen als durch die Kriege der Erde" [2]
Kein Wunder also, daß immer mehr Tageszeitungen in Deutschland und anderswo titeln: Unser Land muß frei von Gentechnik bleiben! So heißt es zum Beispiel in der OZ: „Mecklenburg-Vorpommern muß frei von Gentechnik bleiben." Die Landwirtschaft habe nur eine Chance, wenn das Land weiterhin gentechnikfrei bleibt. Auch die Hersteller von Babynahrung, die ihre Rohstoffe aus dem Land beziehen, würden bei einem Einsatz von Gentechnisch veränderten Pflanzen hier nicht mehr einkaufen. [3]
Ebenfalls eine Binsenwahrheit ist, daß Koexistenz von konventionellen und gentechnisch veränderten Pflanzen nicht möglich ist - auch nicht in Mecklenburg-Vorpommern.
Nur Angestellte und Lobbyisten der Firma Monsanto und Gewerkschafter wie Hubertus Schmoldt, die als Sachverständige i.d.R. nicht allzuviel taugen, versuchen diese Tatsachen zu ignorieren; sie reden von „Chancen für neue Arbeitsplätze in der grünen Gentechnik" [4] - obwohl bekanntlich nur die Chance besteht, weitere Arbeitsplätze zu vernichten; sie reden von den großen Flächen Mecklenburg-Vorpommerns, die geeignet seien für die Gentechnik, da sie die notwendigen Sicherheitsabstände garantierten - obwohl schon längst feststeht, daß es keine geeigneten Flächen gibt - weder in Deutschland noch anderswo.
Selbst in Indien und China, die für die Wissenschaftler L. Willmitzer vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Golm und H.-J. Jacobson vom Institut für Pflanzengenetik der Uni Hannover Traumländer der Gentechnik darstellen (Sie hätten „verstanden, was Globalisierung ist". Dort werde die Gentechnik massiv gefördert/ [5]), wächst der Widerstand gegen die Gentechnik. Und das aus gutem Grund:
Immer mehr Unregelmäßigkeiten treten bei gentechnisch veränderter Baumwolle in Indien und China auf. Kürzlich starben Schafe und Ziegen, die davon gefressen hatten:
„GENETICALLY ENGINEERED COTTON KILLING SHEEP AND GOATS. In India's Warangal district of Andhra Pradesh, government officials have ordered an investigation into the deaths of hundreds of sheep and goats who appear to have been poisoned by eating genetically engineered (GE) cotton. "They just became very dull and lifeless and died," said one shepherd, Pendala Venkatamma. Sheep and goats regularly graze on traditional cotton, but after 4-5 days of eating Monsanto's genetically engineered bT cotton, the animals'stomachs swelled, and they died. Although Monsanto denies its cotton could have this effect, government officials have launched a scientific investigation. "We have immediately alerted the animal husbandry department to give us the details of villages where this has happened and... their findings regarding this" said Poonam Malakondaiah, Agriculture Commissioner". [6]
In China beklagt man bereits erhebliche Ertragseinbußen bei insektenresistenter Baumwolle. Diese widersteht durch einen gentechnischen Eingriff dem wichtigsten Baumwollschädling, der Baumwollkapselraupe. Die Baumwolle bildet in ihren Blättern ein Gift des Bodenbakteriums Bt., an dem die Raupen nach dem Fressen zugrunde gehen. „China war eines der weltweit ersten Länder, das die neue Baumwollsorte großflächig anbaute. In den ersten Jahren erzielten die Bauern einen um 36 Prozent höheren Gewinn als ihre Kollegen mit dem Anbau konventioneller Baumwolle. Doch wie Per Pinstrup-Andersen von der Cornell University unlängst auf einem Kongress der American Agricultural Economics Association in Long Beach (Kalifornien) ausführte, begann der Gewinn nach drei Jahren zurückzugehen und liegt inzwischen unter dem der Bauern mit konventionellem Anbau. Die Ursache liegt in nachrückenden Schädlingen, gegen die das Bakterientoxin nicht wirkt. Um diese zu bekämpfen, mußten die Landwirte bis zu zwanzigmal Pestizide spritzen, was ihre Gewinnmarge erheblich schmälerte" [7].
Es mag ja noch angehen, daß Milliardäre wie Bill und Melinda Gates, die ihr Geld für angeblich gute Zwecke spenden möchten, nicht genug Sachverstand mitbringen, zu beurteilen, was sinnvoll ist oder nicht und ihre „Global Developement" - Programme starten um herauszufinden, „wie die Biotechnik den Leuten helfen kann, beispielsweise trockenresistente Kulturen anzubauen" [8]. Es nutzt ja nichts, daß der Zweitreichste Mann der Welt dem Reichsten 30 Milliarden Dollar spendet - man muß auch genug Sachverstand besitzen um wirklich helfen zu können!
Aber wenn selbst Universitäten wie die Uni Göttingen nicht genügend Sachverständige für Agro-Gentechnik besitzen, ist dies für den Laien verwunderlich. Erstaunlich ist, daß das Institut für Landwirtschaftsrecht der Uni Göttingen Expertinnen mit derart geringem Sachverstand beschäftigen wie Frau Ines Härtel. Sie kritisiert „diese strenge, ja unverhältnismäßige Haftung" im deutschen Gentechnikgesetz und fürchtet, „daß die meisten Landwirte auf den Anbau genveränderter Pflanzen verzichten, weil das Risiko für sie nicht kalkulierbar ist." Sie fordert, es müsse genügen, wenn man die Landwirte gentechnisch verändertes Saatgut „nach guter fachlicher Praxis" ausbringen lassen würde und sie dann nicht weiter behelligte - ähnlich wie es in den USA, Kanada, Australien (sprich: in allen Ländern, in denen sich die Gentechnik bereits unkontrolliert ausbreitet) üblich ist. Sie vergleicht die irreversiblen Schäden der Gentechnik mit Schäden durch Verkehrsunfälle: „das wäre so, als ob die gesamte Autoindustrie für Verkehrsunfälle zahlen müßte" [9]. Die Autoindustrie ist natürlich nicht für die Verkehrsunfälle verantwortlich, für die Verbreitung der Gentechnik zum Teil aber schon wie wir gleich sehen werden.
Es ist eine Binsenwahrheit, daß das Risiko der Agro-Gentechnik nicht kalkulierbar ist. Trotzdem kümmert sich die Auto- und Reifenindustrie nicht darum. Der Reifenhersteller Michelin betreibt ein eigenes Labor für Genveränderte Pflanzen (Gummibäume). „Eine Millionen genveränderte Bäume wollen sie jedes Jahr pflanzen" - im atlantischen Regenwald [10].
Die gesamte europäische Autoindustrie riskiert viel, wenn ihr die Ausbreitung der Agro-Gentechnik gleichgültig ist - die Verbraucher könnten die Autoindustrie durch Boykott abstrafen und ihr damit einen empfindlichen Schaden zufügen. Denn was passiert wirklich?
„Wo demnächst Bio draufsteht, muß längst nicht mehr Bio drin sein. Die EU steht nicht nur unter dem Druck der eigenen Nahrungsmittelkonzerne. Vor allem aus den USA kommt Druck - nicht direkt, aber über den Umweg über die europäische Automobilindustrie. Denn die sieht sich mit folgendem Bedrohungsszenario konfrontiert: Die USA wollen Einfuhrsteuern für die vierrädrige Ware erheben, wenn die EU sich weiterhin weigert, ihre als Agrarerzeugnisse getarnten Chemieprodukte auf die Märkte zu lassen. ... Die USA drohen seit Jahren damit, europäische Autos durch hohe Einfuhrsteuern zu verteuern, wenn Europa nicht endlich gentechnisch veränderte Rohstoffe und Nahrungsmittel, die wesentlich auf gentechnisch veränderten Rohstoffen basieren, ohne Hindernisse auf den Kontinent lässt. Das wiederum führt zu der absurden Situation, daß speziell Deutschlands Autokonzerne Druck auf die eigene Regierung ausüben, sich nicht so zu zieren, wenn es um genau jene US-Interessen geht." [11]
Die Autoindustrie sollte sich lieber fragen, ob ihre Produkte nicht zu teuer sind beziehungsweise Lebensmittel eindeutig zu billig: denn hätten Autos eine ähnliche Entwicklung in Deutschland durchgemacht wie unsere Lebensmittel, „würden Neuwagen heute weniger als 500 Euro kosten" [12].
In Deutschland hat die Agro-Gentechnik ohnehin keine Chance: Sobald eine Firma mit genmanipulierten Produkten aufwartet, wird sie kräftig ausgepfiffen - die Umsätze stagnieren von heute auf morgen. Namhafte Produzenten sind längst ausgestiegen. Kürzlich stellte der größte Futtermittelhersteller in Süddeutschland (Raiffeisen) auf gentechnikfreie Ware um [13].
Auch weltweit werden immer mehr genmanipulierte Produkte gebannt: „Steriles Saatgut darf weltweit auch in Zukunft nicht ausgebracht werden - weder für Forschungs- noch für kommerzielle Zwecke" [14]. Die Artenschutzkonvention verlängerte das Moratorium gegen die Terminator-Technologie. Durch gentechnische Eingriffe werden die Pflanzen ihrer Vermehrungsfähigkeit beraubt. Landwirte müssten den Agrarkonzernen jedes Jahr neues Saatgut abkaufen.
So möchte auch niemand den genmanipulierten Reis, der versehentlich in der US-Reisversorgung aufgetaucht ist, kaufen. Folge: Der 1 Billionen US $ Reis Exportmarkt in den USA ( „U.S. $1 billion rice export market") bricht zusammen:
„USDA ANNOUNCES U.S. RICE SUPPLY HAS BEEN CONTAMINATED. USDA Secretary Mike Johanns has announced that domestic and export stocks of long grain rice has been contaminated by a genetically engineered variety of rice that is not approved for human consumption. Johanns said that the contamination was admitted to be the fault of Bayer Corporation, but the USDA doesn't know how widespread the contamination is. According to Johanns the biotech rice poses no health risks, but could damage the U.S. $1 billion rice export market, since many nations refuse to import genetically engineered rice. Japan has already announced a ban on long grain rice imports from the US. Last year, Japan and the EU banned US corn imports as a result of yet another GE contamination scandal". [15]
Inzwischen ist bekannt
geworden, daß sich Genreis schon in europäischen Supermärkten
befindet; alles was nicht Bio ist, könnte gentechnisch verändert
sein. „In der EU könnte gentechnisch veränderter amerikanischer
Reis auf den Markt gelangt sein. Darauf hat die Europäische Kommission
hingewiesen" [16]. In der FAS wird Genreis als absoluter „Flop" bezeichnet:
„Einige amerikanische Reisbauern klagen gegen Bayer. Sie werfen Bayer CropScience
vor, nicht verhindert zu haben, daß nicht zugelassener Genreis in
die Nahrungskette gelangt sei. Die EU und Japan hätten darauf mit
Einfuhrbeschränkungen reagiert [17].
_______________________
[1]
Wagenhofer et al. 2006: We feed the World p. 161.
[2]
Ibd. p. 165
[3]
OZ vom 04.08.2006, p.4
[4]
FAS 2006/26, p. 40
[5]
FAZ 2006/153, p. N1
[6]
Organic Bytes #83, Organisation for Consumer Protection, USA
[7]
FAZ 2006/172, p. 30
[8]
FAZ 2006/162, p. 42
[9]
FAZ 2006/159, p. N2
[10]
FAZ 2006/150, p. 15
[11]
Wagenhofer et al. 2006: We feed the World, p. 51/115
[12]
Ibd. p. 60
[13]
Greenpeace 2006: EN 2/06, p.3
[14]
Ibd. p.4)
[15]
Organic Bytes 8/06, Organisation for Consumer Protection, USA
[16]
FAZ 2006/203, p. 9
[17]
FAS 2006/35, p. 41
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