Apicultural Review Letters
(Kritische Apikultur Briefe)

379. Brief
26. August 2009

Aktualisierte Fassung von: "Bienenkiste oder Top bar hive? Ist die Bienenkiste wirklich so artgerecht und wesensgemäß wie immer behauptet wird?" in:

Bienenkiste, Warré oder Top bar hive

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

"Bienenkiste" oder Top bar hive? Ist die Bienenkiste wirklich so artgerecht und wesensgemäß wie immer behauptet wird?


Die Bienenkiste wurde von Mellifera e.V. entwickelt, einem Verein, der zwar vorgibt, wesensgemäße Bienenhaltung zu betreiben, sich tatsächlich aber nicht allzusehr von der herkömmlichen Rähmchen und Zuckerfütterungsimkerei unterscheidet. Als Projektleiter hat man einen gewissen Herrn Klein eingesetzt. Letzterer hat sich schon beschwert, daß wir so streng über Bienenkiste, Mellifera, Beegood & Co. urteilen. Nur urteilen nicht wir, sondern die Fakten sprechen für sich! Schauen wir doch mal, was Herr Klein so alles auf seiner niedlichen Internetseite ausgebreitet hat. Er sagt zum Beispiel:

"Kurz auf den Punkt gebracht, die TBH erfüllt unseren Anforderungen an eine einfache Bienenhaltung für "Laien" nicht. Die TBH ist für unser Klima nicht optimal geeignet. Eine extensive Bienenhaltung mit einem Minimum an Eingriffen lässt sich aufgrund des Mobilbaues mit der TBH nicht realisieren. Hier sind sogar konventionelle Beutensysteme mit größeren Wabenflächen und Rähmchen (Einraumbeute und Dadant) überlegen. Die Einfachheit der TBH liegt alleine in der simplen Bauweise, nicht aber in der Betreuung." [1]

Warum sollen Top bar hives nicht für unser Klima geeignet sein? Man darf natürlich nicht mit den winzigen Maßen arbeiten, die in deutschen Bienenkästen üblich sind. Gerade Top bar hives sind weltweit bekannt dafür, daß man mit einem Minimum an Eingriffen auskommt. Top bar hives sind nicht nur einfacher konstruiert als die Bienenkiste, auch der Betreuungsaufwand ist viel geringer. Hier sieht man sehr gut, daß Herr Klein von der konventionellen Rähmchenimkerei kommt und von Top bar hives nur hier und da ein par Hinweise aufgeschnappt hat. Herr Klein möchte mit seiner Bienenkiste ganz groß dastehen; da vergißt man schon mal wie die Fakten wirklich aussehen:

"Die Top Bar Hive ist von Entwicklungshelfern für Afrika entwickelt worden, um den Menschen dort eine Methode an die Hand zu geben, einfach Bienen halten zu können. Das Konzept ist an die afrikanischen klimatischen Bedingungen und dortigen Bienenrassen angepasst. Der Aspekt einer wirtschaftlichen Honigernte steht im Vordergrund. Eine einfache Handhabung und Konstruktion soll den Menschen in Afrika eine zusätzliche Einkommensmöglichkeit bieten. Die Bienenkiste ist mit ganz anderen Zielen entwickelt worden. Bei der Bienenkiste steht eine möglichst extensive, artgerechte Bienenhaltung mit einem Minimum an Arbeitseinsatz im Vordergrund. Ökonomische Aspekte spielen ausdrücklich keine Rolle. In Afrika ist der (niedrige) Preis der Ausrüstung ein entscheidender Faktor. In Europa ist es dagegen der Betreuungsaufwand, vor allem, wenn man Bienen nur als Hobby halten will und damit nicht seinen Lebensunterhalt bestreiten muss." [1]

Die Konstruktion des Top bar hive ist mindestens seit 1682 überliefert. Das Prinzip ist aber schon seit tausenden von Jahren bekannt - und zwar nicht nur in Afrika sondern weltweit. Entwicklungshelfer haben lediglich Eulen nach Athen getragen. Auch die Bienenrasse spielt keine Rolle. Ökonomische Aspekte haben früher eher nicht im Vordergrund gestanden. Auch bei heutiger Betriebsweise steht bei Top bar hives die wirtschaftliche Honigernte nicht im Vordergrund, sondern - soweit es sich um zertifizierte Partner-Imkereien handelt - eine wesensgemäße Bienenhaltung und die Erzeugung apitherapeutischer Produkte. Beides ist bei der Bienenkiste nur unter äußerst erschwerten Bedingungen möglich, wenn überhaupt, wie wir gleich sehen werden.

"Die Entnahme von Waben ist die einzige Möglichkeit, in das Volk hinein zu schauen. Es wird oft als Vorteil der TBH angeführt, dass man die Waben einfach entnehmen kann (Mobilbau). Das ist aber nur aus der Perspektive des konventionellen Imkers ein Vorteil. Er ist es gewöhnt, ständig das Bienenvolk auseinander zu reißen, und durch Austausch und Umsortierung von Waben in das Leben des Bienenvolkes einzugreifen und sich einen Überblick über die Volksentwicklung zu verschaffen. Das Wabenwerk bildet aber in gewisser Weise den Körper eines Bienenvolkes. Jedes Mal, wenn dieser Körper durch Eingriffe des Imkers verletzt worden ist, braucht es mehrere Tage, bis die Wunden vollständig verheilt sind. Für die Bienen bedeutet das maximalen Stress. Das Auseinandernehmen des Wabenwerkes kennen sie evolutionär eigentlich nur von Bärenangriffen. ... Da es sehr umständlich wäre, die Kiste von unten zu bearbeiten, kippen wir sie einfach über die Stirnseite und können den Boden dann abnehmen. Ein Handgriff, und wir sehen das gesamte Wabenwerk vor uns ohne dass die Waben selbst bewegt werden müssen. Die Bienen merken davon kaum etwas. Ihr Leben spielt sich in den Gassen zwischen den Waben ab und die werden nicht bewegt und schon gar nicht auseinander gerissen." [1]

Die Entnahme einiger Waben aus dem Randbereich bedeutet nicht, daß das Brutnest gestört wird. In Top bar hives wird gerade das Brutnest am allerwenigsten gestört. In Magazinbeuten, der Mellifera-Großraum-Beute oder der Bienenkiste gerät dagegen das gesamte Volk in Aufruhr, wenn der Imker auch nur einen kleinen Einblick in das Volk erhaschen will. Zudem muß die Bienenkiste auch noch auf den Kopf gestellt werden, wenn der Imker in das Volk hineinsehen soll - ähnlich wie dies bei der Drehrahmenbeute üblich ist. [2] Dass die Bienen davon nichts merken sollen, ist reines Wunschdenken des Herrn Klein. Gerade die Veränderung des Standortes ist als besonders unnatürlich einzustufen, denn in der Natur findet diese Veränderung nur beim Schwärmen statt. Die Betriebsweise der Bienenkiste ist demnach fast als noch weniger artgerecht einzustufen als die gewöhnliche Rähmchen-Betriebsweise. Ähnlich wie bei einem "Bärenangriff" wird die Bienenkiste bei jedem Eingriff hin- und her geschleudert und das Brutnest komplett geöffnet.

"Der Umgang mit den unstabilisierten Waben ist für Anfänger handwerklich eine größere Herausforderung, als die Arbeit mit den Rähmchen in der konventionellen Imkerei. Die verhältnismäßig große Anzahl der Waben (bis zu 28 Stück) machen die Eingriffe arbeitsintensiv und zeitaufwendig. Je länger ein Bienenkasten bearbeitet wird, desto größer ist die Gefahr, dass Bienen agressiv reagieren. Unter diesem Aspekt ist die TBH für Anfänger nicht zu empfehlen! Jede Beute mit Rähmchen ist für Anfänger einfacher in der Handhabung als die TBH. Man kann aber auch einfach auf den Mobilbau und die Manipulation des Wabenwerks verzichten und den Bienen viel Stress und sich selbst viel Arbeit ersparen! Dazu muss der Bienenkasten aber entsprechend konstruiert sein. Bei der Bienenkiste haben wir uns an einer biologischen Grundbedingung des Wabenbaus von Honigbienen orientiert: Die Waben werden unten nicht angebaut. Dazu braucht es auch keine Tricks, wie die schräggestellten Wände in der TBH. Deshalb ist der Boden bei der Bienenkiste das bewegliche Element. Wir können ein Stück weit in die Wabengassen hinein schauen und sehen, ob die Bienen brüten und können Schwarmzellen leicht entdecken. Wir sehen das Bienenvolk immer /als Ganzes/ und bekommen schnell ein gutes Gefühl dafür, wie stark das Volk ist und ob es gut baut. In der Top Bar Hive sieht man das Bienenvolk immer nur scheibchenweise (Wabe für Wabe). Das Volk ist auf 28(!) Waben verteilt. Für einen Anfänger ist es kaum möglich einen Gesamteindruck von dem Bienenvolk zu bekommen und ein Gefühl für seine Bienen zu entwickeln. Die wachsende Unruhe des Bienenvolkes bei längerer Öffnung der TBH nimmt einem daran auch schnell die Freude."[1]

Sicher, TBH's sind für Anfänger nicht so leicht wie Beuten mit Rähmchen. Dafür ist das Arbeiten sowohl für die Bienen als auch für die Imker entschieden stressärmer. Man kommt grundsätzlich ohne Rauch aus. Weil aber bei Rähmchen-Beuten und der Bienenkiste das Gesamte Volk in Aufruhr gerät, wenn der Imker sich ein Bild von seinem Volk machen soll, sind die Bienen viel aggressiver als bei TBH's. Ohne Rauch (man gaukelt dem Volk ein Buschfeuer vor) geht es bei der Rähmchen- oder Bienenkistenimkerei nicht. Übrigens haben TBH's keine abgeschrägten Wände - aber solche Feinheiten sind Herrn Klein nicht geläufig. Herr Klein geht immer von den KTBH's aus, einer Spezialform des TBH. Herr Klein will sich an der "biologischen Grundbedingung des Wabenbaus von Honigbienen orientiert" haben. Mir ist noch keine Honigbiene begegnet, die sich freiwillig künstliche Mittelwände oder eine derart kompliziert konstruierte Bienenkiste ausgesucht hätte, wie die sogenannte "Bienenkiste" von Mellifera, Beegood & Co.. Bienenkistenimker "sehen das Bienenvolk immer als Ganzes". Das ist Richtig, nur die Irritierung im Bienenvolk ist maximal und kann mit der eines Bienenvolkes in einer gewöhnlichen Rähmchenbeute konkurrieren!

"Der wesentliche Grund, ein Bienenvolk zwischen Mai und Juli ca. einmal pro Woche zu öffnen, ist die Schwarmkontrolle. Bei der Bienenkiste bedeutet das: Kippen, Boden abnehmen und entspannt und aufmerksam den Blick über die Waben schweifen lassen. ... Gegen die Bienenkiste wird manchmal eingewendet, dass man als Anfänger nicht viel sehen kann, weil man keine Waben ziehen kann und deswegen auch nicht viel lernt. Außerdem hat die Bienenkiste einen mobilen Stabilbau ... In Ausnahmesituationen ist es möglich, auch die Brutnestwaben zerstörungsfrei zu entnehmen. Das ist wichtig beim Ausbruch einer Bienenseuche und wenn ein Bienenvolk einmal aufgelöst werden muss. Und ein Anfänger kann so auch mal seine Neugier befriedigen. Ebenso können die Honigwaben einfach an Oberträgerleisten entnommen werden. Im klassischen Stabilbau müssen Waben zur Honigernte oder Kontrolle stets heraus geschnitten werden. Das ist handwerklich sehr anspruchsvoll und zerstört das betroffene Wabenwerk. Die Bienenkiste hat dieses Problem durch den mobilen Stabilbau optimal gelöst: Sie verbindet die Vorteile des Stabil- mit denen des Mobilbaus. Den Bienen bleibt Manipulation am Wabenwerk erspart und dem Imker das Herausschneiden von Waben. Bei den seltenen Eingriffen in das Wabenwerk (normalerweise nur bei der Honigernte) lässt sich der Stabilbau kurzzeitig in einen Mobilbau verwandeln." [1]

Seltsamerweise kommt Herr Klein, wenn es ihm gelegen erscheint, doch auf den Mobilbau zurück. In Wirklichkeit ist die Bienenkiste nämlich nichts anderes als eine gewöhnliche Großraumbeute. Statt Rähmchen werden nur künstliche Mittelwände eingesetzt. Diese können dann genauso bewegt werden wie Rähmchen auch. Mit wesensgemäßer Bienenhaltung hat die Bienenkiste also nichts zu tun. Ob sie für Anfänger einfacher zu bewirtschaften ist, möge jeder selbst ausprobieren. Bevor er an der kompliziert konstruierten Bienenkiste verzweifelt, sei ihm aber empfohlen, sich lieber gleich einen TBH zu bauen und ggf. Partner-Imkerei des Zentrums für wesensgemäße Bienenhaltung werden.

M.T.
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[1] Webseite www.bienenkiste.de, Erhard Maria Klein | letzte Bearbeitung: 26.08.2009 09:53:16
[2] In der Drehrahmenbeute - die übrigens als Inbegriff einer nicht artgerechten Bienenhaltung angesehen werden kann - wird das Bienenvolk von Zeit zu Zeit auf den Kopf gestellt. Dieser Beutentyp ist laut Richtlinien des Zentrums für wesensgemäße Bienenhaltung nicht zugelassen; Bio-Imker dagegen dürfen diesen Beutentyp verwenden.
 
 

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Die Gesamtausgabe der Briefe erscheint in der Fachzeitschrift "Apikultur"

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