Science Review Letters
(Kritische Wissenschaftsbriefe)
 

64. Brief
10. Oktober 2006


 

Was macht glücklich? Banausentum in der Agro-Gentechnik?

Nicht auf „Truthiness" made by Monsanto, Syngenta, Bayer Crop Science kommt es an, sondern auf Tatsachen  - von Kanada lernen -  Die Regierung in Indien hat jetzt alle Feldversuche mit gentechnisch veränderten Sorten verboten - Es gibt keine Koexistenz, keinen Sicherheitsabstand.
Indem man Tatsachen kennenlernt, schafft man die wirksamste Moral, nicht durch moralische Grundsätze. (Rudolf Steiner)
Sicher könnte man als Ökonom der Frage nachgehen, was macht die Menschen glücklich? Man könnte darauf kommen, daß ein hohes Bruttoinlandsprodukt allein die Menschen nicht froh macht. Man könnte letztendlich zu dem Schluß kommen: „Zu einer hohen Lebensqualität gehören Gesundheit, Bildung und eine schöne Umwelt" (FAS 2006/40, p. 50) - nicht zu verwechseln mit schöne neue Umwelt.

Sicher könnte man die Taten von Monsanto, Bayer Crop Science, Karl Otrok, Produktionsleiter Pioneer Rumänien & Co als Machenschaften eines Banausentums bezeichnen, das auf Kosten und zum Schaden der Menschengemeinschaft sein Unwesen treibt. Weiter könnte man annehmen, daß diese Taten in einem „salonfähigen wissenschaftlichen Rahmen" präsentiert werden, so daß ahnungslose Politiker wie kanadische und amerikanische Regierungsvertreter und sogar die deutsche Forschungsministerin Annette Schavan ihnen auf den Leim gehen.

Sicher könnte man Herrn M. Pragnell, CEO von Syngenta, verstehen, wenn er nicht immer als Letzter hinter Monsanto und Bayer Crop Science genannt werden will, schließlich verbirgt sich hinter der Schweizer Syngenta AG „das größte Unternehmen der Welt für Pflanzenschutz, das mit einem Umsatz von gut acht Milliarden Dollar 2005 vor Bayer Crop Science und dem amerikanischen Konzern Monsanto lag" (FAZ 2006/234, p. 18). Auch wenn er mit Agro-Gentechnik nicht viel verdient, so kommt Herr Pragnell bei der „grünen" Gentechnik ins Schwärmen (s.u.) - schließlich haben ja auch Novartis und Astra-Zeneca, aus denen Syngenta entstanden ist, das berüchtigte Terminatorsaatgut mitentwickelt.

Sicher könnte man Mitleid haben mit Herrn Pragnell - „der zuvor die Agrosparte von Astra-Zeneca geleitet" (FAZ 2006/234, p. 18) hat, und ihm in Zukunft einen angemessenen Platz als Edel-Banause unter den übrigen Agro-Gentechnik-Banausen** reservieren.

Sicher könnte man versuchen auf die selbstgebastelte Wahrheit der Agro-Gentechnik-Strategen jenseits aller bekannten Fakten einzugehen. Dem Geist der Zeit folgend könnte man zeigen, wie es diesen Strategen im Zeichen von „Truthiness"* gelungen ist, ihre eigenen Märchen so zu erzählen, daß weite Teile der zumeist außereuropäischen Öffentlichkeit sie für glaubwürdig hielten. - Und nun, da sich in allen Gentechnik-Anbau-Ländern Widerstand formiert, die wirkliche Wirklichkeit sich nicht länger durch die inszenierte verdrängen läßt.

Aber es geht ja gar nicht darum, bei irgendwelchen Leuten ein eventuell vorhandenes Banausentum, Gesetztesverstöße oder sonstige Skandale anzuprangern oder gar eine Moralpredigt zu halten. Es geht schlicht und einfach darum, die Tatsachen und Zusammenhänge aufzuzeigen. Schlüsse ziehen kann jeder selbst, wenn er durchschnittliche Verstandeskräfte besitzt und nicht unter dem Schwund der Geisteskräfte im fortgeschrittenen Stadium leidet.

Man muß sich die Tatsachen der Lebensmittel- und Saatgutproduktion genau ansehen. Zum Beispiel Saatguterzeugung.

Wer weiß schon, daß Monsanto in den letzten sieben Jahren für 13 Milliarden Dollar Saatgutfirmen aufgekauft hat und nun der weltweit größte Anbieter ist. Bei Gentechnik-Saatgut hat der Konzern 90 Prozent Marktanteil. Ein kanadischer Bürgermeister und Landwirt berichtet: Kanada habe vor 10 Jahren den Anbau von genmanipuliertem Raps und Soja erlaubt. Mit der Einführung dieser Genpflanzen hätten die kanadischen Bauern jegliche Selbstbestimmung verloren. Ihr Land werde mit Genraps und Gen-Soja kontaminiert, mit allen negativen Konsequenzen: Zerstörte Ernten, zerstörte Existenzen.

„Wir hatten Sorten entwickelt, die speziell an die regionalen Bedingungen angepaßt waren. 1998 stellte sich heraus, daß unsere Rapsfelder und damit unser Saatgut mit Genraps von Monsanto verunreinigt waren. Die Arbeit von über 40 Jahren war zerstört" (itm 3/06, p. 13-15).

Monsanto hat den Bauern vor Gericht auf Patentzahlungen verklagt. Das Gericht entschied, dass es egal sei, wie der Genraps auf seine Felder gelangte. Der Raps sei das Eigentum von Monsanto.

„Wir mussten Monsanto unser gesamtes Saatgut ausliefern. Das bedeutet, du kannst als Bauer über Nacht deine gesamte Ernte und dein Saatgut verlieren, weil der Wind deine Felder mit Genpflanzen kontaminiert, die du gar nicht haben willst" (ibd.)

Letztlich mußte der Bauer 400.000 Dollar Gerichtskosten zahlen.

Monsanto lasse firmeneigene Privatdetektive ohne Erlaubnis über die Felder marschieren und dort Saatgut oder Pflanzen stehlen, um sie auf Monsanto-Gene untersuchen zu lassen.

„Wenn ein Farmer sie erwischt und mit dem Gericht droht, dann lachen sie nur und sagen: Verklag’ uns doch. Wenn wir mit dir vor Gericht fertig sind, hast du keine Farm mehr" (ibd.).

Die kanadische Regierung ist der Gentechnik-Industrie komplett auf den Leim gegangen.

„Die kanadische Regierung unterstützt die Gentechnik-Industrie bedingungslos. Monsanto arbeitet mit den zuständigen Behörden Hand in Hand" (ibd.).

Landwirte und Imker haben Probleme ihre kontaminierten Produkte zu exportieren.

„In Kanada gibt es kein gentechnikfreies Raps- und Sofasaatgut mehr. Auch die Imkerei ist zerstört, weil der gesamte kanadische Honig mit genmanipuliertem Erbgut kontaminiert ist" (ibd.).

Mit nur 13.700 Mitarbeitern übt Monsanto weltweit psychischen Druck auf Landwirte aus:

„Monsanto druckt Anzeigen, in denen Farmer eine Belohnung bekommen, wenn sie dem Konzern Nachbarn melden, die illegal Gen-Raps oder Gen-Soja anbauen" (ibd.).

Wie auch das Beispiel Indien zeigt, schafft die Agro-Gentechnik-Industrie keine Arbeitsplätze sondern vernichtet sie und schafft im Gegenteil soziale Misere. Nur wenige Mitarbeiter von Monsanto & Co sind in der Lage Landwirte auf der ganzen Erde zu tyrannisieren und in den Bankrott zu stürzen. Seit Monsanto genmanipulierte Baumwolle in Indien eingeführt hat, haben 20.000 bankrotte indische Landwirte Selbstmord begangen. Die Regierung in Indien hat jetzt alle Feldversuche mit gentechnisch veränderten Sorten verboten:

„INDIA BANS GE FIELD TESTS: India's supreme court has ordered a ban on all field trials of genetically engineered plants until further notice. The decision comes in response to widespread complaints by farmers and consumer groups, who pointed out that the safety claims made by the biotech companies were based on skewed studies the companies paid for themselves. Indian farmers are adamantly opposed to introducing any more biotech crops, in the wake of the widespread cultivation of a genetically engineered cotton variety patented by Monsanto that has caused widespread crop failures, driving thousands of Indian cotton farmers into desperate poverty. Since Monsanto's GE cotton was introduced, 20,000 bankrupt farmers have committed suicide". (OB#92)

Syngenta Chef M. Pragnell meint aber, daß die grüne Biotechnologie trotz der vielen negativen Auswirkungen, hohen Selbstmordraten unter indischen Landwirten und dem anwachsenden Widerstand auch in Süd- und Nordamerika, China und Indien weitgehend akzeptiert wird, man müsse dem Verbraucher nur eine künstliche Welt vorgaukeln („Truthiness"). Das Gaukelspiel muß möglichst echt sein und sollte zunächst kein Misstrauen erwecken, der Geschmack sollte noch besser sein als der von echten Lebensmitteln, die Inhaltsstoffe noch gesünder als die von echten Lebensmitteln - zumindest auf den ersten Blick und solange die Menschen und Tiere die ersten Bissen überlebt haben. Wörtlich sagt er:

„Insbesondere in Europa ist die Abneigung groß, während die grüne Biotechnologie in Nord- und Südamerika wie auch in Asien, zum Beispiel China und Indien, akzeptiert wird. Es wird hier noch einige Jahre dauern, bis die Verbraucher gentechnische veränderte Lebensmittel annehmen. Dazu müssen diese aber für den Endverbraucher einen wahrnehmbaren Vorteil bieten, zum Beispiel besseren Geschmack oder gesündere Inhaltsstoffe" (FAZ 2006/234, p. 18).

Auf die Frage, was die EU und Deutschland aus den kanadischen Erfahrungen lernen kann, sagt der ehemalige kanadische Bürgermeister:

„Die wichtigste Lektion ist: Es gibt keine Koexistenz, keinen Sicherheitsabstand. Die Ausbreitung genmanipulierter Organismen (GMO) lässt sich nicht kontrollieren. Die Wahlfreiheit ist verloren, wenn GMO eingeführt werden. Ich höre hier dieselben Argumente, die uns 1996 erzählt wurden: hohe Ernten, weniger Chemikalien, Bekämpfung des Hungers. Nichts davon ist wahr. Nach zwei Jahren sanken die Erträge um 15 Prozent bei Soja und 7 Prozent bei Raps. Die Qualität ist nur noch halb so gut. Hinzu kommt, dass die Getreide-Bauern jetzt dreimal so viel Pestizide brauchen, weil sich der pestizidresistente Raps ihrer Nachbarn als Super-Unkraut in Getreidefeldern ausbreitet" (itm 3/06, p. 13-15).
___________________
*) Eine Art Steigerungsform der Wahrheit. Geht auf den Satiriker Steven Colbert zurück.
**) besser: Agri- und Apikulturbanausen

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Die Gesamtausgabe der Wissenschaftsbriefe erscheint als Supplement in der Fachzeitschrift "Naturwissenschaft"

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