Science Review Letters
(Kritische Wissenschaftsbriefe)

417. Brief
26. September 2011

Was der Philosoph Hegel über die Ursachen und Folgen der Finanzkrise wusste - Geld, unberechenbares Spielergeschäft, Finanzmarktgeschäfte, Gentechnik-Roulette statt Recht

Hegel on Cause and Effect of Finance Crisis - Money, Gambling and Finance Business, Genetic Engineering Roulette Instead of Civil Rights


In seinen Vorlesungen über die Rechtsphilosophie 1821 / 22 spricht Hegel auch von einem "reichen Pöbel".

Der reiche Pöbel setzt die Souveränität seiner rein ökonomischen Macht gegen die Souveränität des Staates und seiner Institutionen. Der reiche Pöbel erhebt sich kraft der Macht seines Geldes über das Recht des Staates. In dieser Gleichgültigkeit der Reichen gegenüber dem Staat liegt eine der Ursachen der Finanzkrise. [1][2]

Nachdem, spätestens mit dem Untergang des Sowjetsystems, das Proletariat und damit die Arbeiter als der unermüdliche Motor von industrieller Entwicklung und Geschichte ausgefallen sind, wird Hegels Staats- und Rechtsphilosophie gerade auch in ihren Schwachpunkten hochaktuell. Die in seiner Zeit als konservativ geltende Philosophie Hegels ist im Kern immer "Revolutionsphilosophie" geblieben. Denn es sollten sich "Aufgeklärte und Unaufgeklärte die Hand reichen", wie es im sogenannten "Ältesten Systemfragment des deutschen Idealismus" von 1797 heißt, das als handschriftliches Manuskript in Hegels Nachlass gefunden wurde. Wichtig ist das "Ganze als das Wahre" denken. [1][2][3]

Armut oder Reichtum macht den Menschen nicht zwangsläufig zum Pöbel. Dem Pöbel haftet ein willentlicher Schritt zur Rechtsverachtung an. Ein Problem, das nicht auf den armen Pöbel beschränkt bleibt, "weil die Erzeugung des Pöbels zugleich die größte Leichtigkeit" mit sich bringt, "unverhältnismäßige Reichtümer in wenige Hände zu konzentrieren". Eine Diagnose, die noch nie so wirklich war wie in den letzten dreißig Jahren und damit eine universelle Gültigkeit erlangt hat, von der Hegel nur träumen konnte. [1][2][3]

Eine analytische Erweiterung Hegels besteht darin, dass man den armen Pöbel als Pöbel aus Notwendigkeit und den reichen Pöbel als Pöbel aus Zufall fasst, aus Lottogewinn, Finanzmarktgeschäften*, rücksichtlosen Geschäften mit den Ressourcen der Erde (zum Beispiel die Verseuchung und Verwüstung der Landwirtschaftlichen Flächen mit gentechnisch veränderten Pflanzen und Pestiziden), die immer ein unberechenbares Spielergeschäft mit Glück und Pech bleiben. In der Möglichkeit, dass wir durch sozialen Abstieg infolge hemmungsloser Reichtumsproduktion in den Händen weniger alle zum Pöbel aus Notwendigkeit werden könnten. [1][2]

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*) Darunter sind zum Beispiel hochriskante Leerverkäufe und Wetten auf Staatspleiten usw. zu verstehen, die von einigen Bankinstituten, Hedgefonds, oder Spekulanten wie Warren Buffet in Zusammenarbeit mit den Ratingagenturen durchgeführt wurden bzw. in manchen Ländern immer noch werden. Die Folge: Drohende Insolvenz von Banken, Versicherungen und sogar Staaten. Der Staat, das heißt der Steuerzahler muß dann Milliarden für die Rettung der Banken ausgeben.
[1] Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 2011, Nr. 38, p. 30
[2] Ruda, F. 2011: Hegels Pöbel. Eine Untersuchung der 'Grundlinien der Philosophie des Rechts', Konstanz University Press
[3] Buck-Morss, S. 2011: Hegel und Haiti. Für eine neue Universalgeschichte. Frankfurt / Berlin
 
 

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