Science Review Letters
(Kritische Wissenschaftsbriefe)

601. Brief
7. April 2015

Die heilsgeschichtliche Verheissung (Heil für alle Geschlechter der Erde) ist von Abraham auf das Christentum übergegangen, nicht jedoch auf den Islam


In der Frühzeit des Christentums hatte die Assyrische Kirche des Ostens eine größere Verbreitung als alle anderen Kirchen. Die Kirche, die ihre Blüte in Mesopotamien erlebt hatte, ist eine der drei großen
Kirchentraditionen. Zu Beginn der drei Traditionen stehen große Namen: Paulus, der Evangelist Markus und der Apostel Thomas. Paulus hatte seine Missionsreisen in Antiochien begonnen, sie führten ihn nach
Kleinasien und bis nach Rom. Der Evangelist Markus brachte das Christentum nach Alexandrien und Nordafrika. Der Apostel Thomas hingegen reiste nach Osten, nach Mesopotamien und von dort weiter nach Indien, wo er im Jahr 72 den Märtyrertod starb. Zwei dieser drei Kirchentraditionen hielten sich über zwei Jahrtausende. Bestand hat, was auf Paulus zurückgeht: Rom ist unverändert Sitz der katholischen Kirche. In der Nachfolge des Evangelisten Markus ist der koptische Papst weiter der Patriarch von Alexandrien, auch wenn er seinen Sitz nilaufwärts nach Kairo verlegt hat.

Das Urchristentum und die Urgemeinde hatten ihre Blüte im Morgenland, das dem Abendland kulturell und zivilisatorisch damals weit voraus war. Unter Theodosius wurde das Christentum Staatsreligion in Ägypten, Syrien, Irak, Libanon, Lybien, Algerien, Tunesien, Türkei. Der Anteil an Christen betrug etwa 75 %. Von den fünf frühchristlichen Patriarchaten, der Pentarchie, lagen drei - Alexandria, Antiochien und Jerusalem - im Orient. Rom lag im Westen, Konstantinopel zwischen Ost und West. Alexandria wurde zur Kirche der Kopten und Afrikas, Antiochien zur Kirche des Ostens, und auf Jerusalem erheben alle Anspruch. Große Theologen kamen
aus dem Osten, wie Origines (185-251), Ephräm der Syrer (306-373) oder Gregor von Nyssa (335-394).

Vor dem Islam hatten in Mesopotamien Juden, Christen und Zarathustrier gelebt. Christen bauten selbst in Nadschaf und Kerbela Kirchen, in zwei Städten, die in der Gegenwart den schiitischen Muslimen heilig sind. Die Diözesen der Kirche, die der Lehre des Theologen Nestor, der von 381 bis 451 lebte, verpflichtet ist, reichten entlang der Seidenstraße von Samarkand über Karakorum bis Peking, am Golf bis an die heutigen Staaten Qatar und Bahrein, auch im jemenitischen Sanaa ernannte die Kirche Bischöfe.

Vor allem die Gemeinden im Süden Indiens gehen auf die Missionsreisen der Christen Mesopotamiens zurück. Dort leben heute 20 Millionen Christen; im Irak waren es 1987 noch 1,4 Millionen, nur ein Drittel ist
geblieben. Und jeden Tag verlassen weitere Familien den Irak und ziehen dorthin, wo die große assyrische Kirche, deren Christen sich als Nachkommen des großen Assyrischen Reiches sehen, heute ihren Sitz hat.

Immer wieder musste die einst große Assyrische Kirche des Ostens seit ihrer Gründung ihren Sitz verlegen, bedrängt durch politische Umwälzungen. In den ersten Jahrhunderten nach Christus residierte ihr Oberhaupt in Seleukia-Ktesiphon, der Hauptstadt der persischen Reiche der Parther und dann der Sassaniden. 775 zog es nach Bagdad, in die neugegründete Hauptstadt des arabisch-muslimischen Abbasidenreiches. Eine Odyssee setzte für die Mutterkirche in den Wirren des Ersten Weltkriegs ein. Der Katholikos residierte mal in Urmia, mal im Mossul, auf Zypern, schließlich in San Francisco und kurz in Teheran. Katholikos-Patriarch Mar Dinkha IV., dessen Pontifikat in der Nachfolge des Apostels Thomas fast vier Jahrzehnte dauerte, verlegte den Sitz 1980
nach Chicago, wo er nun auch verstarb. In der Stadt am Michigansee leben heute fast 100000 Mitglieder der Assyrischen Kirche des Ostens, mehr als in jeder anderen Stadt – und der Exodus aus Mesopotamien, das christlich war, lange bevor das Christentum in Europa ankam, hält unvermindert an.

Hat der Islam heute noch irgendeine Bedeutung? Er hat weder eine heilsgeschichtliche Bedeutung, noch hat er in unserer Zeit noch irgendeine Relevanz. Auch an den heiligen Orten im nahen Osten wie Jerusalem hat er nichts zu suchen; nicht einmal im Koran sind heilige Orte in Jerusalem wie der Ölberg erwähnt. Der Islam ist auch keine geoffenbarte Religion. Als Mohammed an seinem Koran schrieb, hatte er immer wieder Zweifel, er könnte einer dämonischen Einsprechung zum Opfer gefallen sein, zumal er auch psychisch krank war. Seine Frau überredete ihn aber, alles aufzuschreiben und bestärkte ihn in seinem Sendungsbewusstsein. Und so nahm das Unheil seinen Lauf.

Wie ist es überhaupt zu einer solchen Ausbreitung des Islams gekommen? Spaltungen setzten der Kirche zu. Eine Linie, die sich heute die „Alte Assyrische Kirche des Ostens“ nennt, spaltete sich 1552 ab, nahm mal in Diyarbakir, mal in Urmia und schließlich 1672 in Qodshanis im schwer zugänglichen Bergland von Hakkari ihren Sitz. Als die Jungtürken die Armenier und Assyrer verfolgten, zerstörten sie 1915 auch diesen Ort, und die Alte Assyrische Kirche suchte Zuflucht in Bagdad. Seit 1683 besteht zudem die mit Rom unierte Chaldäische Kirche, auch ihr Patriarch Louis Raphael Sakko residiert in Bagdad.

Außerdem unterhielt die syrisch-orthodoxe Kirche, die im Westen dem Byzantinischen Reich unterstand und das Patriarchat von Antiochien war, Kirchengemeinden in Mesopotamien. Ihr Oberhaupt, der Maphrian,
residierte zunächst in Tikrit, einem der bedeutendsten spirituellen Zentren jener Zeit, und zog 1095 weiter in das bereits im Jahr 363 gegründete Kloster Mar Mattai. Nie erreichte die syrisch-orthodoxe Kirche in Mesopotamien aber den Einfluss und die Größe der assyrischen Kirche.

Seit vergangenem Sommer tragen die Christen Mesopotamiens ein neues Kreuz. Der „Islamische Staat“ (IS) hat weite Teile des Nordiraks, des historischen Siedlungsgebiets der assyrischen Christen, unter seine Terrorherrschaft gebracht. Zuletzt hatte der zentralasiatische Eroberer Tamerlan, der von 1336 bis 1405 lebte, die Christen verfolgt wie der IS. Tamerlan ließ in Bagdad und Tikrit fast 200000 Christen töten, er zerstörte Städte wie Assur, die große Handelsstadt, die der assyrischen Hochkultur den Namen gab, und auch die assyrische Kirche, die damals weit nach Asien hineinreichte. Damit reduzierte er sie auf ihr historisches Kernland, wo nun der IS zur endgültigen Auslöschung der Christenheit in Mesopotamien angesetzt hat.

Bruder Issa aber, bis zum Juni 2014 Mönch im Kloster des heiligen Georg von Mossul, fand in Alqosh Zuflucht. Der IS hatte sein Kloster nach der Vertreibung der Mönche zerstört, der Friedhof um das Kloster wurde geschändet, ebenso das Kloster des heiligen Bernhard in Karakosch, der Stadt, die im 11. Jahrhundert die Christen Tikrits aufgenommen hatte. Seit dem 6. August 2014 ist sie eine Geisterstadt. Was mit vier weiteren
Klöstern geschah, die in die blutigen Hände des IS gefallen sind, ist nicht bekannt. Im Kloster Mar Behnam, das im vierten Jahrhundert gegründet wurde, ist mutmaßlich die Bibliothek mit den alten Handschriften zerstört worden. Mitte März soll das Grabmal des Märtyrers Behnam gesprengt worden sein.

Von den historischen Städten der assyrischen Christen im Nordirak blieb indes Alqosh wie durch ein Wunder verschont. Die Krieger des IS lauern noch immer 15 Kilometer vor der Stadt und dem Kloster Rabban Hormiz, das wie ein Adlernest über der Ebene hängt, von der aus der IS jederzeit angreifen könnte. Die Einwohner hatten ihre christliche Stadt im Sommer 2014 fluchtartig verlassen, nach einer Woche kehrten sie zurück. Engel
mit ihren Flügeln hätten die Krieger vertrieben, sagen die Gläubigen. Die Rettung war in der Tat aus der Luft gekommen, es waren aber amerikanische Kampfflugzeuge.

In einer Kirche von Alqosh wird das Grab des Propheten Nahum verehrt, dessen Buch Eingang in das Alte Testament gefunden hat. Es enthält die Prophezeiung, dass Ninive, die große Hure der Zeit, untergehen werde.
Bekannter als Nahum ist der Prophet Jona, der von Gott den Auftrag erhielt, nach Ninive zu gehen und dessen Bewohnern wegen ihres Sittenverfalls Gottes Strafgericht anzudrohen. Jona entzog sich dem Auftrag, wurde im Meer von einem großen Fisch verschlungen und ging nach seiner Rettung doch nach Ninive. Er ließ sie Buße tun, so dass sie vom Strafgericht verschont blieben.

Ninive löste mit seinen prächtigen Palästen Assur als Hauptstadt des Assyrischen Reiches ab. In der Bibliothek des Assurbanipal, in der 24000 Keilschrifttafeln gefunden wurden, enthielten Tafeln das Gilgamesch-Epos, das die Grundlage ist für die Erzählung der Sintflut in der Bibel. Ninive mit seinen 15 monumentalen Stadttoren wurde 612 vor Christus von den Medern zerstört; die archäologischen Stätten platt
gewalzt hat in den vergangenen Monaten der IS. So zerstörten Krieger des IS vor einem Monat mit Bulldozern die Ruinen der ausgedehnten Palastanlage, etwa die Schutzdämonen Lamassu, die menschengesichtigen
Stiere an den Pforten, auch die Reliefs auf großen Steinplatten. Gesprengt haben die Gotteskrieger des IS zudem das Grabmal Jonas. Auch Nimrud wurde Opfer der Zerstörungswut des IS. Genesis 10,11 gibt Nimrud,
den „gewaltigen Jäger vor dem Herrn“, als Erbauer von Ninive an. Nach dem biblischen König Nimrud wurde die gleichnamige spätere Hauptstadt des Assyrischen Reiches benannt.

Im Westen war bis zum Feuersturm des IS nahezu in Vergessenheit geraten, dass Mesopotamien einst christliches Kernland war. Auf die Frage der Apostelgeschichte 2,9: „Wie hören wir denn jeder seine eigene
Muttersprache?“ folgt die Antwort: „Parther und Meder und Elamiter, die wir wohnen in Mesopotamien“. Weitere Länder folgen. Ferner schreibt Petrus in seinem ersten Brief, Kapitel 5,13: „Es grüßt Euch aus Babylon
die Gemeinde, die mit Euch auserwählt ist, und mein Sohn Markus.“

Die Krieger des IS zerschlugen, zermalmten und sprengten die materiellen Zeugen einer großen historischen Vergangenheit, die eine der Wiegen der menschlichen Zivilisation ist. Sie waren bislang eines der wenigen
Bänder, die die Menschen in Mesopotamien geeint haben. Den Europäern ist in der Gegenwart die ägyptische Zivilisation der Pharaonen näher. Schließlich hatten das antike Griechenland und Rom enge Beziehungen zu
Ägypten. Im Alten Testament kommt es besser weg als Mesopotamien und vor allem Babylonien, das die Juden versklavte, das im Turmbau von Babel Gott gleichkommen wollte und das Metapher für die sündige Welt wurde.

Die Menschheit verdankt Mesopotamien – mit seinen großen Reichen der Sumerer und Akkader, der Babylonier und Assyrer – aber so vieles: das Rad wurde dort erfunden und das Segelboot; die Keilschrift entstand, Sprachen wurden verfeinert, die Geschichte und Gesetzeskodizes wurden geschrieben, der Satz des Pythagoras wurde erstmals formuliert, Metall wurde verarbeitet, die Künste und die Architektur erlebten eine
Hochblüte, es gab Philosophie.

In diesem gebildeten und toleranten Umfeld verbreitete sich das Christentum schneller als in Kleinasien und Nordafrika. Am Hof der islamischen Abbasiden, die von 750 an in Bagdad herrschten, übersetzten Christen die antiken griechischen Philosophen, vor allem Aristoteles, ins Arabische. Auch in Nisibis, dem heutigen Nusaybin, einem der bedeutendsten spirituellen Zentren der christlichen Antike, übersetzten Christen Werke der griechischen Wissenschaft ins Arabische. Aus Nisibis stammte der heute wieder rezipierte Theologe und Mystiker Ephraem der Syrer, der 373 starb.

Die Christen Mesopotamiens lebten aber außerhalb des Herrschaftsgebiets von Rom und Byzanz. Sie nahmen daher an vielen Konzilien nicht teil, akzeptierten auch deren Beschlüsse nicht, etwa nicht die des Konzils von
Ephesus von 431, das die Lehre Nestors ablehnte und diesen exkommunizierte; Nestor lehnte den aufkommenden Marienkult ab und damit die Bezeichnung „Mutter Gottes“, er sprach von „Mutter Jesu“, worauf er als Häretiker verstoßen wurde. Die Ostkirchen, die bereits 424 ihre Unabhängigkeit von den Patriarchaten des Westens erklärt hatten, beugten sich diesem Entscheid der byzantinischen Staatskirche nicht und gingen
einen eigenen Weg. Dabei schützten sie die sassanidischen Herrscher, die in Konkurrenz zu Byzanz standen. Der Bruch wurde mit dem Konzil von Chalcedon im Jahr 451 vollzogen. Es legte gegen die Lehre des Miaphysitismus der Ostkirche verbindlich fest, dass Christus wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich sei, unvermischt und ungetrennt. Noch heute folgt die in aramäischer Sprache gefeierte Liturgie der assyrischen
Kirche dem heiligen Theodor aus Mopsuetia, der Nestor nahestand und 428 starb. Die Ostkirche wandte sich von Byzanz ab und expandierte nach Asien.

Heute treten diese Meinungsverschiedenheiten in den Hintergrund. Denn es geht um das Überleben der Christen nicht allein in Mesopotamien, sondern überall im Nahen Osten. Im zehnten und elften Jahrhundert war das Christentum die Mehrheitsreligion. Erst dann verdrängte der Islam die Kopten, die bis dahin die Verwaltungselite des Staates gestellt hatte, aus dem öffentlichen Leben. Islamistische Terroristen wie der Fatimide al-Hakim, der die prachtvolle Grabeskirche in Jerusalem zerstören ließ und so zum Mitauslöser der Kreuzzüge wurde, arbeitete - wie andere islamistische Herrscher auch - unermüdlich am Untergang des nahen Ostens.  Frieden erreicht der nahe Osten nur, wenn wieder eine christliche Elite die Regierungen der Länder im nahen Osten - einschließlich Türkei - stellt.
 

Literatur
Science Review Letters 2014, 13, Nr. 568 und Frankfurter Allgemeine Zeitung 2014, Nr. 175, p. 11
Frankfurter Allgemeine Zeitung 2015, Nr. 79, p. 3 und p.11
Frieling, R. 1981: Islam und Christentum, Frankfurt a.M.
Zu falschen Propheten und ihren Predigern und zum mißbräuchlichen Gebrauch des Namens Gottes im Koran vgl. Kurse Nr. 501 Thomas von Aquin: Summa Theol, Nr. 568 Nikolaus von Kues / Nicolaus Cusanus / Nicolai de Cusa. Ib.
 
 

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