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Kurs Nr. 662 Gottfried von StrassburgTristan und Isolde |
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Aus dem Inhalt:
1. Leben und Werk
Die Vorgeschichte
des Tristan: Das britische Königreich Cornwall, das von König
Marke beherrscht wird, ist dem Königreich Irland zinspflichtig. Der
irische Fürst Morold segelt nach Cornwall, um dort den fälligen
Zins einzuholen. Es kommt zum Unabhängigkeitskrieg des Landes gegen
Irland, und Morold wird von Markes Neffen und treuem Vasallen Tristan getötet.
Statt des Zinses schickt Tristan Morolds Haupt nach Irland, an dessen Verlobte,
die irische Königstochter Isolde. Später schwören die Herrscher
von Irland und Cornwall sich „Urfehde“, also den Verzicht auf weitere Kämpfe.
Tristan ist bei dem Kampf gegen Morold schwer verwundet worden. Tristan
weiß um Isoldes Heilkunde und lässt sich unter dem Pseudonym
(und Anagramm) Tantris in einem Boot an die Küste Irlands treiben,
um von ihr geheilt zu werden. Isolde pflegt ihn und erkennt in ihm den
Mörder ihres Verlobten, da der Splitter, den sie aus Morolds Haupt
gezogen hatte, genau in die Scharte in Tristans Schwert passt. Sie beschließt,
den Wehrlosen mit seiner Waffe zu töten. Als Tristan ihr jedoch in
die Augen blickt, verliebt sie sich in ihn und lässt das Schwert sinken.
Sie heilt Tristan und lässt ihn inkognito nach Cornwall zurückkehren.
Wieder in Cornwall überredet Tristan seinen Herrn und Onkel König
Marke, Isolde zu heiraten, um den Frieden mit Irland zu besiegeln. Als
Brautwerber kehrt Tristan nach Irland zurück; das irische Königspaar
willigt ein, Isolde, die ihr Geheimnis niemandem anvertraut hat, als Unterpfand
des Friedens nach Cornwall an Marke zu geben. Mit Isolde an Bord segelt
Tristan nach Cornwall zurück. Auf dem Schiff vermeidet er jeden Kontakt
mit ihr. Isolde ist tief gedemütigt, dass sie dem „müden König“
von Cornwall als Friedenspfand zugeführt wird, vor allem aber, dass
ausgerechnet Tristan, in den sie sich verliebt und dem sie das Leben geschenkt
hat, die Rolle des Brautwerbers übernommen hat. [2]
2. "Tristan und Isolde" von Richard WagnerEs ist nicht nur die Kirchen-Musik seit Palästrina, Monteverdi, Bach, Mozart, Beethoven Träger des Christlichen, sondern die Musik schlechthin hat in sich das "Christliche" aufgenommen. "Wie unter der römischen Universal-Zivilisation das Christentum hervortrat, so bricht jetzt aus dem Chaos der modernen Zivilisation die Musik hervor. Beide sagen aus: 'Unser Reich ist nicht von dieser Welt'. Das heißt eben: Wir kommen von innen, ihr von außen; wir entstammen dem Wesen, ihr dem Scheine der Dinge... Der Geist des Christentums war es, der die Seele der Musik neu wieder belebte." (Wagner) Richard Wagner hat die Geschichte von Gottfried von Strassburg in seinem Musikdrama "Tristan und Isolde" in Musik gefasst, so dass das Drama auch für die heutige Zeit aktuell bleibt. Er sah im Tristan-Drama "einen Ergänzungsakt des großen, ein ganzes Weltverhältnis umfassenden Nibelungenmythos." Das Drama bzw. der Mythos zeigt auch dieses Herauswachsen der neuen Persönlichkeitsbewussten Marke-Kultur aus dem alten Kollektiv-Bewusstsein in dem Abhängigkeitsverhältnis der neuen gegenüber der alten Kulturauf: Cornwall ist Irland tributpflichtig. Aber mit dem fortschreitenden Erstarken der neuen Bewusstseinskräfte, deren hervorragendster Vertreter und Wegbereiter eben Tristan war, lehnte sich die neue Welt notwendigerweise gegen die alte auf. Ein altes Bewusstsein bekämpften auch Odysseus und Achileus, als sie gegen Troja zogen, oder Alexander, als er Kleinasien und Persien eroberte. Cornwall verweigert den Tribut, Tristan zieht siegreich gegen Morold zu Feld; der "Abnabelungsprozess" vom alten, magischen Bewusstseinszustand ist vollendet. Kurwenal ruft: "Hei! unser Held Tristan! Wie der Zins zahlen kann!" Das reflektierende Bewusstsein vom Ich ist hier schon weit stärker ausgeprägt als bei Siegfried beispielsweise. Tristans Kampf mit Morold bedeutet gleichzeitig ein übermächtiges Heraufschlagen dieses alten Bewusstseins, ähnlich wie der Kampf des Christentum gegen den Islam mit der Devise der Erneuerung des alten orientalischen Zustands. Isolde verliebt sich in Tristan: "Er sah mit in die Augen..." Was vollzieht sich in diesem Augenblick? Dieses Ahnen um den Einzug kosmischer Liebeskräfte in das Innerste der Seele wandelt auch den weiten, noch ungeformten Seelengrund ihres eigenen Wesens. Was bisher altes Seelenerbe war, wird zu "Herzenskräften, die unzertrennlich mit Isoldes eigenem Wesen verbunden sind." Sie singt: "Er schwur mit tausednd Eiden / Mir ew'gen Dank und Treue!" Auch in der Harmonie liegen offenbare Geheimnisse, nämlich wenn eine As-Dur-Kadenz auftritt; sie ist für Wagner immer der Ausdruck des Jungfräulichen, des Unirdischen. Das bezeugt die Verwendung dieser Tonart zur Charakterisierung des Wesens von Elisabeth, von Elsa, oder Eva Pogner in den "Meistersingern". Es ist die Seelenhaltung der Devotion, der Hinneigung zum wahrhaft Göttlichen. Dieser groß angelegte Dialog über die "Tagwelt" im zweiten Akt ist die eigentliche Basis zur kommenden Liebesszene. Nach der Analyse von Alfred Lorenz bildet er einen Bar, der aus 85 Takten besteht. Das Ende seines ersten Stollens (31 Takte) ist durch die As-Dur-Kadenz markiert. Der zweite Bar (23 Takte) endet mit As-Dur. Man kann auch von "dionysischer Mysterienweisheit" sprechen. Der dionysische Weg führt zwar durch die Triebgewalten, die als noch nicht vom Wesen des Ich durchdrungene Gewalten gewertet werden müssen, doch hat er das wahre Menschen-Urbild zum Ziele. Das Erwachen der Seelenleidenschaft ist nur der erste Akt dieses dionysisch-romantischen Dramas. Es ist die Basis, von der ausgegangen wird, doch nicht das Ziel. Dieses heißt vielmehr: Katharsis der Sinnesnatur und Wiedergewinnung des wahren Wesens. Auch im Scheidegesang haben wir wieder As-Dur: "Wie es fassen? / Wie es lassen, / Diese Wonne, / Fern der Sonne, / Fern der Tage / Trennungsklage?..." [3]Im dritten Akt kommen
wir zum Herz des Werkes und Tristans Vision. Die Ich-Werdung ist an ein
Ende gekommen. Nur eine aus innerster Freiheit heraus wirkende Kraft, die
unberührt blieb von allen bisherigen Wirkenskräften der Evolution
und "luziferischer Korrumpierung der Seele" - wie sie vor allem bei
Muslimen durch ihre luziferische Gottheit gefördert wird - , könnte
dieses Wunder bewirken. Und um dieses Wunder geht es Wagner, der damit
das Drama Gottfried von Strassburgs auf eine höhere Ebene hebt. Von
Kurwenal ist die Heilerin längst gerufen. In einer an Schönheit
und Weihe nicht zu übertreffenden Vollendung hat Wagner jene Vision
Tristans gestaltet, die ihm das Nahen Isoldes offenbart. Lorenz fasst das
Einzigartige dieser Stelle in die Worte: "Musikalisch ist sie wohl das
höchste, was Wagner an apollinisch schönen Klängen hervorgezaubert
hat. Kein Mensch kann ungerührt diesen überirdischen Tönen
lauschen." Diese Stelle lässt zum erstenmal in dem Werk ein E-Dur
erklingen: "Wie sie selig, / Hehr und milde / Wandelt durch / Des Meer's
Gefilde? / Auf wonnigen Blumen / Lichten Wogen / Kommt sie sanft / Ans
Land gezogen." Hier setzt die Vision Tristans ein, in der Isolde ganz körperlos
schwebend herannaht, rein nur Idee, da hören wir auf längere
Zeit das herrliche E-Dur erklingen. "Ich schreibe die unsagbar ruhevolle
Wirkung dieser Stelle hauptsächlich dem Umstande zu, dass unser Ohr
drei Stunden lang das E-Dur umspielen gehört und damit erwartet hatte,
und jetzt erst - endlich! - die ersehnte, wahrhaft auflösende, erlösende
Tonart wahrnimmt." Als einzigen Aufklingen der Tonika darf man dieses Erscheinen
der "erlösenden Tonart" wohl als das Herz des Werkes bezeichnen. Auch
"für den Quintenkreis ist diese, im Zeichen des Löwen stehende
Tonart, das Herz. In allen Meisterwerken ist es die Verkünderin der
wahren, dem Göttlichen verbundenen Liebe." Wenn unsr also jetzt plötzlich
apollinische Klänge umgeben, dann kann das nur so verstanden werden,
dass wir durch die Katharsis geschritten sind, die uns ermöglicht,
das verlorene apollinische Sonnenreich wieder zu gewinnen. In bezug auf
die Philosophie der Geschichte bzw. Entwicklung der Menschheit spricht
man von Christus als dem "dritten Dionysos", der dieses Wiedervereinen
mit dem apollinischen Lichtreich bringen wird. Von Christus als dem wahren
Ich, der die Versöhnung beider Naturen herbeiführen wird und
damit den Durst des Ich für immer stillen wird, indem er uns den Trank
reicht, der den Zwiespalt von Liebe und Tod überwunden hat. Isolde,
die als Heilerin naht, wird zum "Tor für die Christuskraft". Bei Gottfried
von Strassburg hatte Tristan ihr neben Kunst und Harfenspiel auch Philosophie,
die christliche Scholastik und Wissenschaft beigebracht. Wie Faust bei
seinem Himmelsanstieg durch das "Ewig-Weibliche" der Christussphäre
entgegengeht, so naht sich dem Helden durch die ewig-weibliche Seelennatur
der wahre Heiler seiner Wunde. Dargestellt in einer Oboenkantilene, "einer
der süssesten Eingebungen in der ganzen Musikliteratur! - wie eine
geläuterte Seele aus der Asche aufsteigt." Was ist geläutert?
Der furchbare Schmerz, der Tristan aus seiner Erkenntnis wurde, war für
ihn wie ein Nach-Tod-Erlebnis, in dem alles selbstische Verlangen verbrannte;
"und wie ein Phönix ersteht ihm durch die Christus-Nähe in seiner
Vision die reine Liebe, die wohl Selbstheit, doch keine Selbstsucht kennt."
[4]
3. Friedrich Nietzsche über Tristan, Alexander, Empedokles, Aeschylus und Richard WagnerNietzsche stellte sich vor, wer den den dritten Akt von Wagners "Tristan und Isolde", ohne Wort und Bild "rein als ungeheuren symphonischen Satz zu perziperen imstande wäre", der hätte sein Ohr "gleichsam an die Herzkammer des Weltwillens gelegt". Das Apollinische entreiße uns der dionysischen Allgemeinheit. "Mit der ungeheuren Wucht des Bildes, des Begriffs, der ethischen Lehre, der sympathischen Erregung reisst das Apollinische den Menschen aus seiner orgiastischen Selbstvernichtung empor und täuscht ihn über die Allgemeinheit des dionysischen Vorganges hinweg zu dem Wahne, dass er ein einzelnes Weltbild, z. B. Tristan und Isolde, sehe und es, durch die Musik, nur noch besser und innerlicher sehen solle. Was vermag nicht der heilkundige Zauber des Apollo, wenn er selbst in uns die Täuschung aufregen kann, als ob wirklich das Dionysische, im Dienste des Apollinischen, dessen Wirkungen zu steigern vermöchte, ja als ob die Musik sogar wesentlich Darstellungskunst für einen apollinischen Inhalt sei? Bei jener prästabilirten Harmonie, die zwischen dem vollendeten Drama und seiner Musik waltet, erreicht das Drama einen höchsten, für das Wortdrama sonst unzugänglichen Grad von Schaubarkeit. Wie alle lebendigen Gestalten der Szene in den selbständig bewegten Melodienlinien sich zur Deutlichkeit der geschwungenen Linie vor uns vereinfachen, ertönt uns das Nebeneinander dieser Linien in dem mit dem bewegten Vorgange auf zarteste Weise sympathisirenden Harmonienwechsel: durch welchen uns die Relationen der Dinge in sinnlich wahrnehmbarer, keinesfalls abstracter Weise, unmittelbar vernehmbar werden, wie wir gleichfalls durch ihn erkennen, dass erst in diesen Relationen das Wesen eines Charakters und einer Melodienlinie sich rein offenbare. Und während uns so die Musik zwingt, mehr und innerlicher als sonst zu sehen, und den Vorgang der Szene wie ein zartes Gespinnst vor uns auszubreiten, ist für unser vergeistigtes, in's Innere blickendes Auge die Welt der Bühne eben so unendlich erweitert als von innen heraus erleuchtet. Was vermöchte der Wortdichter Analoges zu bieten, der mit einem viel unvollkommneren Mechanismus, auf indirectem Wege, vom Wort und vom Begriff aus, jene innerliche Erweiterung der schaubaren Bühnenwelt und ihre innere Erleuchtung zu erreichen sich abmüht? Nimmt nun zwar auch die musikalische Tragödie das Wort hinzu, so kann sie doch zugleich den Untergrund und die Geburtsstätte des Wortes danebenstellen und uns das Werden des Wortes, von innen heraus, verdeutlichen. Aber von diesem geschilderten Vorgang wäre doch eben so bestimmt zu sagen, dass er nur ein herrlicher Schein, nämlich jene vorhin erwähnte apollinische Täuschung sei, durch deren Wirkung wir von dem dionysischen Andrange und Uebermaasse entlastet werden sollen. Im Grunde ist ja das Verhältniss der Musik zum Drama gerade das umgekehrte: die Musik ist die eigentliche Idee der Welt, das Drama nur ein Abglanz dieser Idee, ein vereinzeltes Schattenbild derselben. Jene Identität zwischen der Melodienlinie und der lebendigen Gestalt, zwischen der Harmonie und den Charakterrelationen jener Gestalt ist in einem entgegengesetzten Sinne wahr, als es uns, beim Anschauen der musikalischen Tragödie, dünken möchte. Wir mögen die Gestalt uns auf das Sichtbarste bewegen, beleben und von innen heraus beleuchten, sie bleibt immer nur die Erscheinung, von der es keine Brücke gibt, die in die wahre Realität, in's Herz der Welt führte. Aus diesem Herzen heraus aber redet die Musik; und zahllose Erscheinungen jener Art dürften an der gleichen Musik vorüberziehn, sie würden nie das Wesen derselben erschöpfen, sondern immer nur ihre veräusserlichten Abbilder sein. Mit dem populären und gänzlich falschen Gegensatz von Seele und Körper ist freilich für das schwierige Verhältniss von Musik und Drama nichts zu erklären und alles zu verwirren; aber die unphilosophische Rohheit jenes Gegensatzes scheint gerade bei unseren Aesthetikern, wer weiss aus welchen Gründen, zu einem gern bekannten Glaubensartikel geworden zu sein, während sie über einen Gegensatz der Erscheinung und des Dinges an sich nichts gelernt haben oder, aus ebenfalls unbekannten Gründen, nichts lernen mochten." [5]In "Richard Wagner in Bayreuth" beschreibt Nietzsche das Motiv in Tristan und Isolde: "Zwei Liebende, ohne Wissen über ihr Geliebtsein, sich vielmehr tief verwundet und verachtet glaubend, begehren von einander den Todestrank zu trinken, scheinbar zur Sühne der Beleidigung, in Wahrheit aber aus einem unbewussten Drange: sie wollen durch den Tod von aller Trennung und Verstellung befreit sein. Die geglaubte Nähe des Todes löst ihre Seele und führt sie in ein kurzes schauervolles Glück, wie als ob sie wirklich dem Tage, der Täuschung, ja dem Leben entronnen wären." [6] Man müsse sich nur die Gestalten ansehen, welche ein Künstler schafft, und die Reihenfolge der Gestalten, an denen er ersichtlich mit innigster Liebe hängt; das sage etwas über den Künstler selber aus. "Nun stelle man Rienzi, den fliegenden Holländer und Senta, Tannhäuser und Elisabeth, Lohengrin und Elsa, Tristan und Marke, Hans Sachs, Wotan und Brünnhilde sich vor die Seele: es geht ein verbindender unterirdischer Strom von sittlicher Veredelung und Vergrösserung durch alle hindurch, der immer reiner und geläuterter flutet – und hier stehen wir, wenn auch mit schamhafter Zurückhaltung, vor einem innersten Werden in Wagner's eigener Seele. An welchem Künstler ist etwas Aehnliches in ähnlicher Grösse wahrzunehmen? Schiller's Gestalten, von den Räubern bis zu Wallenstein und Tell, durchlaufen eine solche Bahn der Veredelung und sprechen ebenfalls Etwas über das Werden ihres Schöpfers aus, aber der Maassstab ist bei Wagner noch grösser, der Weg länger. Alles nimmt an dieser Läuterung Theil und drückt sie aus, der Mythus nicht nur, sondern auch die Musik; im Ringe des Nibelungen finde ich die sittlichste Musik, die ich kenne, zum Beispiel dort, wo Brünnhilde von Siegfried erweckt wird; hier reicht er hinauf bis zu einer Höhe und Heiligkeit der Stimmung, dass wir an das Glühen der Eis- und Schneegipfel in den Alpen denken müssen: so rein, einsam, schwer zugänglich, trieblos, vom Leuchten der Liebe umflossen, erhebt sich hier die Natur; Wolken und Gewitter, ja selbst das Erhabene, sind unter ihr. Von da aus auf den Tannhäuser und Holländer zurückblickend, fühlen wir, wie der Mensch Wagner wurde: wie er dunkel und unruhig begann, wie er stürmisch Befriedigung suchte, Macht, berauschenden Genuss erstrebte, oft mit Ekel zurückfloh, wie er die Last von sich werfen wollte, zu vergessen, zu verneinen, zu entsagen begehrte – der gesammte Strom stürzte sich bald in dieses, bald in jenes Thal und bohrte in die dunkelsten Schluchten: – in der Nacht dieses halb unterirdischen Wühlens erschien ein Stern hoch über ihm, mit traurigem Glanze, er nannte ihn, wie er ihn erkannte: Treue, selbstlose Treue! Warum leuchtete sie ihm heller und reiner, als Alles, welches Geheimniss enthält das Wort Treue für sein ganzes Wesen? Denn in jedem, was er dachte und dichtete, hat er das Bild und Problem der Treue ausgeprägt, es ist in seinen Werken eine fast vollständige Reihe aller möglichen Arten der Treue, darunter sind die herrlichsten und selten geahnten: Treue von Bruder zu Schwester, Freund zu Freund, Diener zum Herrn, Elisabeth zu Tannhäuser, Senta zum Holländer, Elsa zu Lohengrin, Isolde, Kurwenal und Marke zu Tristan, Brünnhilde zu Wotan's innerstem Wunsche – um die Reihe nur anzufangen. Es ist die eigenste Urerfahrung, welche Wagner in sich selbst erlebt und wie ein religiöses Geheimniss verehrt: diese drückt er mit dem Worte Treue aus, diese wird er nicht müde in hundert Gestaltungen aus sich heraus zu stellen und in der Fülle seiner Dankbarkeit mit dem Herrlichsten zu beschenken, was er hat und kann – jene wundervolle Erfahrung und Erkenntniss, dass die eine Sphäre seines Wesens der anderen treu blieb, aus freier selbstlosester Liebe Treue wahrte, die schöpferische schuldlose lichtere Sphäre, der dunkelen, unbändigen und tyrannischen." [7] Zum Verständnis des Tristan muss man sich mit dem Musikdrama und Wagner auseinandersetzen, mit Geschichte, falscher Erziehung und Gedankenlosigkeit, Wissenschaft, Kunst; Wagner wurde aus einem "versuchenden Neuling ein allseitiger Meister der Musik und der Bühne und in jeder der technischen Vorbedingungen ein Erfinder und Mehrer. Niemand wird ihm den Ruhm mehr streitig machen, das höchste Vorbild für alle Kunst des grossen Vortrags gegeben zu haben. Aber er wurde noch viel mehr, und um diess und jenes zu werden, war es ihm so wenig als irgend Jemandem erspart, sich lernend die höchste Kultur anzueignen. Und wie er diess tat! Es ist eine Lust, diess zu sehen; von allen Seiten wächst es an ihn heran, in ihn hinein, und je grösser und schwerer der Bau, um so straffer spannt sich der Bogen des ordnenden und beherrschenden Denkens. Und doch wurde es selten Einem so schwer gemacht, die Zugänge zu den Wissenschaften und Fertigkeiten zu finden, und vielfach musste er solche Zugänge improvisiren. Der Erneuerer des einfachen Drama's, der Entdecker der Stellung der Künste in der wahren menschlichen Gesellschaft, der dichtende Erklärer vergangener Lebensbetrachtungen, der Philosoph, der Historiker, der Aesthetiker und Kritiker Wagner, der Meister der Sprache, der Mytholog und Mythopoet, der zum ersten Male einen Ring um das herrliche uralte ungeheure Gebilde schloss und die Runen seines Geistes darauf eingrub – welche Fülle des Wissens hatte er zusammenzubringen und zu umspannen, um das alles werden zu können! ... Die Hellenisirung der Welt und, diese zu ermöglichen, die Orientalisirung des Hellenischen – die Doppel-Aufgabe des grossen Alexander – ist immer noch das letzte grosse Ereigniss; die alte Frage, ob eine fremde Kultur sich überhaupt übertragen lasse, immer noch das Problem, an dem die Neueren sich abmühen. Das rhythmische Spiel jener beiden Factoren gegen einander ist es, was namentlich den bisherigen Gang der Geschichte bestimmt hat. Da erscheint zum Beispiel das Christenthum als ein Stück orientalischen Alterthums, welches von den Menschen mit ausschweifender Gründlichkeit zu Ende gedacht und gehandelt wurde. Im Schwinden seines Einflusses hat wieder die Macht des hellenischen Kulturwesens zugenommen; wir erleben Erscheinungen, welche so befremdend sind, dass sie unerklärbar in der Luft schweben würden, wenn man sie nicht, über einen mächtigen Zeitraum hinweg, an die griechischen Analogien anknüpfen könnte. So gibt es zwischen Kant und den Eleaten, zwischen Schopenhauer und Empedokles, zwischen Aeschylus und Richard Wagner solche Nähen und Verwandtschaften, dass man fast handgreiflich an das sehr relative Wesen aller Zeitbegriffe gemahnt wird: beinahe scheint es, als ob manche Dinge zusammen gehören und die Zeit nur eine Wolke sei, welche es unseren Augen schwer macht, diese Zusammengehörigkeit zu sehen. Besonders bringt auch die Geschichte der strengen Wissenschaften den Eindruck hervor, als ob wir uns eben jetzt in nächster Nähe der alexandrinisch-griechischen Welt befänden und als ob der Pendel der Geschichte wieder nach dem Punkte zurückschwänge, von wo er zu schwingen begann, fort in rätselhafte Ferne und Verlorenheit. Das Bild unserer gegenwärtigen Welt ist durchaus kein neues: immer mehr muss es Dem, der die Geschichte kennt, so zu mute werden, als ob er alte vertraute Züge eines Gesichtes wieder erkenne. Der Geist der hellenischen Kultur liegt in unendlicher Zerstreuung auf unserer Gegenwart: während sich die Gewalten aller Art drängen und man sich die Früchte der modernen Wissenschaften und Fertigkeiten als Austauschmittel bietet, dämmert in blassen Zügen wieder das Bild des Hellenischen, aber noch ganz fern und geisterhaft, auf. Die Erde, die bisher zur Genüge orientalisirt worden ist, sehnt sich wieder nach der Hellenisirung; wer ihr hier helfen will, der hat freilich Schnelligkeit und einen geflügelten Fuss von Nöten, um die mannichfachsten und entferntesten Punkte des Wissens, die entlegensten Welttheile der Begabung zusammenzubringen, um das ganze ungeheuer ausgespannte Gefilde zu durchlaufen und zu beherrschen. So ist denn jetzt eine Reihe von Gegen-Alexandern nöthig geworden, welche die mächtigste Kraft haben, zusammen zu ziehen und zu binden, die entferntesten Fäden heran zu langen und das Gewebe vor dem Zerblasenwerden zu bewahren. Nicht den gordischen Knoten der griechischen Kultur zu lösen, wie es Alexander tat, so dass seine Enden nach allen Weltrichtungen hin flatterten, sondern ihn zu binden, nachdem er gelöst war – das ist jetzt die Aufgabe. In Wagner erkenne ich einen solchen Gegen-Alexander: er bannt und schliesst zusammen, was vereinzelt, schwach und lässig war, er hat, wenn ein medizinischer Ausdruck erlaubt ist, eine adstringirende Kraft: in so fern gehört er zu den ganz grossen Kulturgewalten. Er waltet über den Künsten, den Religionen, den verschiedenen Völkergeschichten und ist doch der Gegensatz eines Polyhistors, eines nur zusammentragenden und ordnenden Geistes: denn er ist ein Zusammenbildner und Beseeler des Zusammengebrachten, ein Vereinfacher der Welt. Man wird sich an einer solchen Vorstellung nicht irre machen lassen, wenn man diese allgemeinste Aufgabe, die sein Genius ihm gestellt hat, mit der viel engeren und näheren vergleicht, an welche man jetzt zuerst bei dem Namen Wagner zu denken pflegt. Man erwartet von ihm eine Reformation des Theaters: gesetzt, dieselbe gelänge ihm, was wäre denn damit für jene höhere und ferne Aufgabe getan? Nun, damit wäre der moderne Mensch verändert und reformirt: so notwendig hängt in unserer neueren Welt eins an dem andern, dass, wer nur einen Nagel herauszieht, das Gebäude wanken und fallen macht. Auch von jeder anderen wirklichen Reform wäre dasselbe zu erwarten, was wir hier von der Wagnerischen, mit dem Anscheine der Uebertreibung, aussagen. Es ist gar nicht möglich, die höchste und reinste Wirkung der theatralischen Kunst herzustellen, ohne nicht überall, in Sitte und Staat, in Erziehung und Verkehr, zu neuern. Liebe und Gerechtigkeit, an Einem Punkte, nämlich hier im Bereiche der Kunst, mächtig geworden, müssen nach dem Gesetz ihrer inneren not weiter um sich greifen und können nicht wieder in die Regungslosigkeit ihrer früheren Verpuppung zurück. Schon um zu begreifen, inwiefern die Stellung unserer Künste zum Leben ein Symbol der Entartung dieses Lebens ist, inwiefern unsere Theater für Die, welche sie bauen und besuchen, eine Schmach sind, muss man völlig umlernen und das Gewohnte und Alltägliche einmal als etwas sehr Ungewöhnliches und Verwickeltes ansehn können. Seltsame Trübung des Urtheils, schlecht verhehlte Sucht nach Ergötzlichkeit, nach Unterhaltung um jeden Preis, gelehrtenhafte Rücksichten, Wichtigthun und Schauspielerei mit dem Ernst der Kunst von Seiten der Ausführenden, brutale Gier nach Geldgewinn von Seiten der Unternehmenden, Hohlheit und Gedankenlosigkeit einer Gesellschaft, welche an das Volk nur so weit denkt, als es ihr nützt oder gefährlich ist, und Theater und Koncerte besucht, ohne je dabei an Pflichten erinnert zu werden – diess alles zusammen bildet die dumpfe und verderbliche Luft unserer heutigen Kunstzustände: ist man aber erst so an dieselbe gewöhnt, wie es unsere Gebildeten sind, so wähnt man wohl, diese Luft zu seiner Gesundheit nöthig zu haben und befindet sich schlecht, wenn man, durch irgend einen Zwang, ihrer zeitweilig entraten muss. Wirklich hat man nur Ein Mittel, sich in Kürze davon zu überzeugen, wie gemein, und zwar wie absonderlich und verzwickt gemein unsere Theater-Einrichtungen sind: man halte nur die einstmalige Wirklichkeit des griechischen Theaters dagegen! Gesetzt, wir wüssten Nichts von den Griechen, so wäre unseren Zuständen vielleicht gar nicht beizukommen, und man hielte solche Einwendungen, wie sie zuerst von Wagner in grossem Style gemacht worden sind, für Träumereien von Leuten, welche im Lande Nirgendsheim zu Hause sind. Wie die Menschen einmal sind, würde man vielleicht sagen, genügt und gebührt ihnen eine solche Kunst – und sie sind nie anders gewesen! – Sie sind gewiss anders gewesen, und selbst jetzt gibt es Menschen, denen die bisherigen Einrichtungen nicht genügen – eben diess beweist die Tatsache von Bayreuth. Hier findet ihr vorbereitete und geweihte Zuschauer, die Ergriffenheit von Menschen, welche sich auf dem Höhepuncte ihres Glücks befinden und gerade in ihm ihr ganzes Wesen zusammengerafft fühlen, um sich zu weiterem und höherem Wollen bestärken zu lassen; hier findet ihr die hingebendste Aufopferung der Künstler und das Schauspiel aller Schauspiele, den siegreichen Schöpfer eines Werkes, welches selber der Inbegriff einer Fülle siegreicher Kunst-Taten ist. Dünkt es nicht fast wie Zauberei, einer solchen Erscheinung in der Gegenwart begegnen zu können? Müssen nicht Die, welche hier mithelfen und mitschauen dürfen, schon verwandelt und erneuert sein, um nun auch fernerhin, in anderen Gebieten des Lebens, zu verwandeln und zu erneuern? Ist nicht ein Hafen nach der wüsten Weite des Meeres gefunden, liegt hier nicht Stille über den Wassern gebreitet? – Wer aus der hier waltenden Tiefe und Einsamkeit der Stimmung zurück in die ganz andersartigen Flächen und Niederungen des Lebens kommt, muss er sich nicht immerfort wie Isolde fragen: "Wie ertrug ich's nur? Wie ertrag, ich's noch?" Und wenn er es nicht aushält, sein Glück und sein Unglück eigensüchtig in sich zu bergen, so wird er von jetzt ab jede Gelegenheit ergreifen, in Thaten davon Zeugniss abzulegen. Wo sind Die, welche an den gegenwärtigen Einrichtungen leiden? wird er fragen. Wo sind unsere natürlichen Bundesgenossen, mit denen wir gegen das wuchernde und unterdrückende Um-sich-greifen der heutigen Gebildetheit kämpfen können? Denn einstweilen haben wir nur Einen Feind – einstweilen! – eben jene "Gebildeten", für welche das Wort "Bayreuth" eine ihrer tiefsten Niederlagen bezeichnet – sie haben nicht mitgeholfen, sie waren wüthend dagegen, oder zeigten jene noch wirksamere Schwerhörigkeit, welche jetzt zur gewohnten Waffe der überlegtesten Gegnerschaft geworden ist. Aber wir wissen eben dadurch, dass sie Wagner's Wesen selber durch ihre Feindseligkeit und Tücke nicht zerstören, sein Werk nicht verhindern konnten, noch Eins: sie haben verrathen, dass sie schwach sind, und dass der Widerstand der bisherigen Machtinhaber nicht mehr viele Angriffe aushalten wird. Es ist der Augenblick für Solche, welche mächtig erobern und siegen wollen, die grössten Reiche stehen offen, ein Fragezeichen ist zu den Namen der Besitzer gesetzt, so weit es Besitz gibt. So ist zum Beispiel das Gebäude der Erziehung als morsch erkannt, und überall finden sich Einzelne, welche in aller Stille schon das Gebäude verlassen haben. Könnte man Die, welche thatsächlich schon jetzt tief mit ihm unzufrieden sind, nur einmal zur offenen Empörung und Erklärung treiben! Könnte man sie des verzagenden Unmutes berauben! Ich weiss es: wenn man gerade den stillen Beitrag dieser Naturen von dem Ertrage unseres gesammten Bildungswesens abstriche, es wäre der empfindlichste Aderlass, durch den man dasselbe schwächen könnte. Von den Gelehrten zum Beispiel blieben unter dem alten Regimente nur die durch den politischen Wahnwitz Angesteckten und die litteratenhaften Menschen aller Art zurück. Das widerliche Gebilde, welches jetzt seine Kräfte aus der Anlehnung an die Sphären der Gewalt und Ungerechtigkeit, an Staat und Gesellschaft nimmt und seinen Vortheil dabei hat, diese immer böser und rücksichtsloser zu machen, ist ohne diese Anlehnung etwas Schwächliches und Ermüdetes: man braucht es nur recht zu verachten, so fällt es schon über den Haufen. Wer für die Gerechtigkeit und die Liebe unter den Menschen kämpft, darf sich vor ihm am wenigsten fürchten: denn seine eigentlichen Feinde stehen erst vor ihm, wenn er seinen Kampf, den er einstweilen gegen ihre Vorhut, die heutige Kultur führt, zu Ende gebracht hat." [8] Nietzsche hält
nichts von einem oberflächlichen Kunstbetrieb, von Stumpfsinn oder
Rausch, Einschläfern oder betäuben, von einer "Schreib- und Schwatzseligkeit"
wie sie sich im gebührenfinanzierten sogenannten öffentlich-rechtlichen
Rundfunk und Fernsehen breitgemacht hat, die den Wissenschaftsbetrieb um
genmanipulierte Arzneien und Impfstoffe lobt und als große Kunstfertigkeit
feiert, dass BürgermeisterInnen in Deutschland Muezzinrufe von Moscheen
und Koranschulen erlauben, dass Filme bei Arte, 3sat, ARD, ZDF gezeigt
werden, die den Islam verherrlichen und der Geschichtsklitterung Vorschub
leisten, statt sich um echte Kunst und Wissenschaft zu kümmern: "Damit
einmal die Musik viele Menschen zur Andacht stimme und sie zu Vertrauten
ihrer höchsten Absichten mache, muss erst dem ganzen genusssüchtigen
Verkehre mit einer so heiligen Kunst ein Ende gemacht werden; das Fundament,
worauf unsere Kunst Unterhaltungen, Theater, Museen, Concertgesellschaften
ruhen, eben jener "Kunstfreund", ist mit Bann zu belegen; die staatliche
Gunst, welche seinen Wünschen geschenkt wird, ist in Abgunst zu verwandeln;
das öffentliche Urtheil, welches gerade auf Abrichtung zu jener Kunstfreundschaft
einen absonderlichen Werth legt, ist durch ein besseres Urtheil aus dem
Felde zu schlagen. Einstweilen muss uns sogar der erklärte Kunstfeind
als ein wirklicher und nützlicher Bundesgenosse gelten, da Das, wogegen
er sich feindlich erklärt, eben nur die Kunst, wie sie der "Kunstfreund"
versteht, ist: er kennt ja keine andere! Mag er diesem Kunstfreunde immerhin
die unsinnige Vergeudung von Geld nachrechnen, welche der Bau seiner Theater
und öffentlichen Denkmäler, die Anstellung seiner "berühmten"
Sänger und Schauspieler, die Unterhaltung seiner gänzlich unfruchtbaren
Kunstschulen und Bildersammlungen verschuldet: gar nicht dessen zu gedenken,
was alles an Kraft, Zeit und Geld in jedem Hauswesen, in der Erziehung
für vermeintliche "Kunstinteressen" weggeworfen wird. Da ist kein
Hunger und kein Sattwerden, sondern immer nur ein mattes Spiel mit dem
Anscheine von beidem, zur eitelsten Schaustellung ausgedacht, um das Urtheil
Anderer über sich irre zu führen; oder noch schlimmer: nimmt
man die Kunst hier verhältnissmässig ernst, so verlangt man gar
von ihr die Erzeugung einer Art von Hunger und Begehren, und findet ihre
Aufgabe eben in dieser künstlich erzeugten Aufregung. Als ob man sich
fürchtete, an sich selber durch Ekel und Stumpfheit zu Grunde zu gehen,
ruft man alle bösen Dämonen auf, um sich durch diese Jäger
wie ein Wild treiben zu lassen: man lechzt nach Leiden, Zorn, Hass, Erhitzung,
plötzlichem Schrecken, athemloser Spannung und ruft den Künstler
herbei als den Beschwörer dieser Geisterjagd. Die Kunst ist jetzt
in dem Seelen-Haushalte unserer Gebildeten ein ganz erlogenes oder ein
schmähliches, entwürdigendes Bedürfniss, entweder ein Nichts
oder ein böses Etwas. Der Künstler, der bessere und seltenere,
ist wie von einem betäubenden Traume befangen, diess Alles nicht zu
sehen, und wiederholt zögernd mit unsicherer Stimme gespenstisch schöne
Worte, die er von ganz fernen Orten her zu hören meint, aber nicht
deutlich genug vernimmt; der Künstler dagegen von ganz modernem Schlage,
kommt in voller Verachtung gegen das traumselige Tasten und Reden seines
edleren
Genossen daher und führt die ganze kläffende Meute zusammengekoppelter
Leidenschaften und Scheusslichkeiten am Strick mit sich, um sie nach Verlangen
auf die modernen Menschen loszulassen: diese wollen ja lieber gejagt, verwundet
und zerrissen werden, als mit sich selber in der Stille beisammenwohnen
zu müssen. Mit sich selber! – dieser Gedanke schüttelt die modernen
Seelen, das ist ihre Angst und Gespensterfurcht. Wenn ich mir in volkreichen
Städten die Tausende ansehe, wie sie mit dem Ausdrucke der Dumpfheit
oder der Hast vorübergehen, so sage ich mir immer wieder: es muss
ihnen schlecht zu mute sein. Für diese Alle aber ist die Kunst blos
deshalb da, damit ihnen noch schlechter zu mute werde, noch dumpfer und
sinnloser, oder noch hastiger und begehrlicher. Denn die unrichtige Empfindung
reitet und drillt sie unablässig und lässt durchaus nicht zu,
dass sie sich selber ihr Elend eingestehen dürfen; wollen sie sprechen,
so flüstert ihnen die Convention Etwas in's Ohr, worüber sie
vergessen, was sie eigentlich sagen wollten; wollen sie sich mit einander
verständigen, so ist ihr Verstand wie durch Zaubersprüche gelähmt,
so dass sie Glück nennen, was ihr Unglück ist, und sich zum eigenen
Unsegen noch recht geflissentlich mit einander verbinden. So sind sie ganz
und gar verwandelt und zu willenlosen Sclaven der unrichtigen Empfindung
herabgesetzt. Nur an zwei Beispielen will ich zeigen, wie verkehrt die
Empfindung in unserer Zeit geworden ist und wie die Zeit kein Bewusstsein
über diese Verkehrtheit hat. Ehemals sah man mit ehrlicher Vornehmheit
auf die Menschen herab, die mit Geld Handel treiben, wenn man sie auch
nöthig hatte; man gestand sich ein, dass jede Gesellschaft ihre Eingeweide
haben müsse. Jetzt sind sie die herrschende Macht in der Seele der
modernen Menschheit, als der begehrlichste Theil derselben. Ehemals warnte
man vor Nichts mehr, als den Tag, den Augenblick zu ernst zu nehmen und
empfahl das nil admirari und die Sorge für die ewigen Anliegenheiten;
jetzt ist nur Eine Art von Ernst in der modernen Seele übrig geblieben,
er gilt den Nachrichten, welche die Zeitung oder der Telegraph bringt.
Den Augenblick benutzen und, um von ihm Nutzen zu haben, ihn so schnell
wie möglich beurtheilen! – man könnte glauben, es sei den gegenwärtigen
Menschen auch nur Eine Tugend übrig geblieben, die der Geistesgegenwart.
Leider ist es in Wahrheit vielmehr die Allgegenwart einer schmutzigen unersättlichen
Begehrlichkeit und einer überallhin spähenden Neugierde bei Jedermann.
Ob überhaupt der Geist jetzt gegenwärtig sei – wir wollen die
Untersuchung darüber den künftigen Richtern zuschieben, welche
die modernen Menschen einmal durch ihr Sieb raiten werden. Aber gemein
ist diess Zeitalter; das kann man schon jetzt sehen, weil es Das ehrt,
was frühere vornehme Zeitalter verachteten; wenn es nun aber noch
die ganze Kostbarkeit vergangener Weisheit und Kunst sich angeeignet hat
und in diesem reichsten aller Gewänder einhergeht, so zeigt es ein
unheimliches Selbstbewusstsein über seine Gemeinheit darin, dass es
jenen Mantel nicht braucht, um sich zu wärmen, sondern nur um über
sich zu täuschen. Die not, sich zu verstellen und zu verstecken, erscheint
ihm dringender, als die, nicht zu erfrieren. So benutzen die jetzigen Gelehrten
und Philosophen die Weisheit der Inder und Griechen nicht, um in sich weise
und ruhig zu werden: ihre Arbeit soll blos dazu dienen, der Gegenwart einen
täuschenden Ruf der Weisheit zu verschaffen. Die Forscher der Thiergeschichte
bemühen sich, die thierischen Ausbrüche von Gewalt und List und
Rachsucht im jetzigen Verkehre der Staaten und Menschen unter einander
als unabänderliche Naturgesetze hinzustellen. Die Historiker sind
mit ängstlicher Beflissenheit darauf aus, den Satz zu beweisen, dass
jede Zeit ihr eigenes Recht, ihre eigenen Bedingungen habe, – um für
das kommende Gerichtsverfahren, mit dem unsere Zeit heimgesucht wird, gleich
den Grundgedanken der Vertheidigung vorzubereiten. Die Lehre vom Staat,
vom Volke, von der Wirthschaft, dem Handel, dem Rechte – Alles hat jetzt
jenen vorbereitend apologetischen Charakter; ja es scheint, was von Geist
noch thätig ist, ohne bei dem Getriebe des grossen Erwerb- und Machtmechanismus
selbst verbraucht zu werden, hat seine einzige Aufgabe im Vertheidigen
und Entschuldigen der Gegenwart. Vor welchem Kläger? Das fragt man
da mit Befremden. Vor dem eigenen schlechten Gewissen. Und hier wird auch
mit Einem Male die Aufgabe der modernen Kunst deutlich: Stumpfsinn oder
Rausch! Einschläfern oder betäuben! Das Gewissen zum Nichtwissen
bringen, auf diese oder die andere Weise! Der modernen Seele über
das Gefühl von Schuld hinweghelfen, nicht ihr zur Unschuld zurück
verhelfen! Und diess wenigstens auf Augenblicke! Den Menschen vor sich
selber vertheidigen, indem er in sich selber zum Schweigen-müssen,
zum Nicht-hören-können gebracht wird! – Den Wenigen, welche diese
beschämendste Aufgabe, diese schreckliche Entwürdigung der Kunst
nur einmal wirklich empfunden haben, wird die Seele von Jammer und Erbarmen
bis zum Rande voll geworden sein und bleiben: aber auch von einer neuen
übermächtigen Sehnsucht. Wer die Kunst befreien, ihre unentweihte
Heiligkeit wiederherstellen wollte, der müsste sich selber erst von
der modernen Seele befreit haben; nur als ein Unschuldiger dürfte
er die Unschuld der Kunst finden, er hat zwei ungeheure Reinigungen und
Weihungen zu vollbringen. Wäre er dabei siegreich, spräche er
aus befreiter Seele mit seiner befreiten Kunst zu den Menschen, so würde
er dann erst in die grösste Gefahr, in den ungeheuersten Kampf gerathen;
die Menschen würden ihn und seine Kunst lieber zerreissen, als dass
sie zugestünden, wie sie aus Scham vor ihnen vergehen müssen.
Es wäre möglich, dass die Erlösung der Kunst, der einzige
zu erhoffende Lichtblick in der neueren Zeit, ein Ereigniss für ein
paar einsame Seelen bliebe, während die Vielen es fort und fort aushielten,
in das flackernde und qualmende Feuer ihrer Kunst zu sehen: sie wollen
ja nicht Licht, sondern Blendung, sie hassen ja das Licht – über sich
selbst... Die ganze ästhetische Schreib- und Schwatzseligkeit brach
wie ein Fieber unter den Deutschen aus, man mass und fingerte an den Kunstwerken,
an der Person des Künstlers herum, mit jenem Mangel an Scham, welcher
den deutschen Gelehrten nicht weniger, als den deutschen Zeitungsschreibern
zu eigen ist." [9]
4. Kornwal, Engelland und IrlandDie Vorgeschichte des Tristan wird bei Wagner nur kurz erwähnt, bei Gottfried von Straßbug ist es eine lange Geschichte; beginnen wir mit Kapitel 10 über Morold aus Irland, der England und Kornwal zinspflichtig machte. Seltsamerweise findet hier eine Art Knabenlese statt, wie sie später vor allem im osmanischen Reich praktiziert wurde; d.h. christliche Kinder wurden ihren Eltern weggenommen und zu Kriegsmaschinen, den berüchtigten Janitscharen, erzogen. Dagegen wollen sich Tristan und die Engländer wehren: "Der treibt mit Gottes Willen Spott, / Der sein freigeboren Kind / Dem Zwingherrn auszuliefern sinnt, / dass es in Knechtschaft schwebe / Und er in Freiheit lebe." Wie die Länder, die sich von den Türken befreit haben, so will auch Tristan sich "Im Kampf mit diesem Teufelsmann" befreien. [10]Auch hier kämpfen der christliche Gott und das Recht gegen das Unrecht: "Nun reiten Gott und Recht zur Stelle / Nach gerechtem Urtheile; / Ihrer Rotte zum Heile, / Ihren Feinden zum Falle." Nach langem Kampf wird Morold besiegt: "Der gerechte, wahre Gott, / Siehst du, duldet keinen Spott: / Er hat dein Unrecht wohl bedacht / Und Recht an mir zu Recht gebracht. / So mög er mein auch fürder pflegen: / Doch deine Hochfahrt ist erlegen. / ... Denn Morold starb verdienten Tod: / Nur seiner Kraft hatt er getraut, / Auf Gottes Hülfe nicht gebaut, / Und sein Ding zu allen Zeiten, / In allen seinen Streiten / Auf Gewalt und Hochfahrt nur gestellt; / In diesen ward er auch gefällt." Nur die Wunde, die Tristan sich zugezogen hat, stammt von seiner vergifteten Klinge. Die Arzneikunst, die diese Wunde heilen kann, ist nur bei Isolde in Irland zu finden. [11] "Was läng ich
länger noch hieran?
So einmal im Gelingen
Nun mochten sie zu
ihrem Recht
lasst uns zurück
zur Märe kommen.
Wie sie so im Beten
sind,
»Ach«,
sprachen Alle zu Tristan,
»Herr«,
sprach die ganze Ritterschaft,
Das hörte Morold
all mit an:
Da zög ihn Marke
gern zurück
Hiemit ritt er ihn
wieder an.
Morold der listige
derweil
Morold, das trostlose
Heer,
Denn Morold starb
verdienten Tod:
5. Wirksame Arzneien für Tristan, Harfenklang, HimmelschöreWirksame Arzneien zu finden ist immer noch aktuell, gerade in Zeiten in denen den Menschen mit gentechnisch veränderten Medikamenten und Impfstoffen Heilung vorgegaukelt wird: "Nach Ärzten wurde gesandt, / Den allerbesten, die man fand / In Burg und Städten fern und nah./ Als die beisammen waren da, / Sie wandten allen Fleiß und Sinn / Und ärztliche Kunst auf ihn: / Was halfs, was war damit gethan? / Er war noch um nichts besser dran. / Was sie von Heilkunst insgemein / Wussten und von Arzenein, / Das konnt ihm keine Hilfe schaffen". Die Wunde, die Tristan sich zugezogen hat, stammt von einer vergifteten Klinge. Die Arzneikunst, die diese Wunde heilen kann, ist nur bei Isolde in Irland zu finden. [12]In Irland angekommen, lobt er Christus und erzählt er sei von Seeräubern ausgeraubt worden; nun suche er einen Arzt für seine Wunde: »Des lob ich meinen Heiland, / dass ich doch unter Leuten bin. / Denn Jemand find ich wohl darin, / Der ein gutes Werk an mir begeht / Und mir als Arzt zur Seite steht.« Die Boten der Königin berichten: "Schon eh sie hingekommen, / Aus der Ferne vernommen / Also süßen Harfenklang / Und zu der Harfe solchen Klang, / Gott möcht ihn gerne hören / In seinen Himmelschören; / Und sagten: »In dem Schifflein saß / Ein armer Märtrer leichenblass, / Ein todwunder Spielmann: / Geht hin, ihr seht es ihm wohl an, / Er stirbt morgen oder heute noch, / Und in der Marter hat er doch / Sich so frischen mut bewahrt, / Wenn ihr durch alle Reiche fahrt, / Ihr findet doch wohl nicht den zweiten, / Der so viel Widerwärtigkeiten / Erträgt mit so gelassnem Sinn." [13] "Nach Ärzten
wurde gesandt,
Hieran gedachte Tristan
6. Kunst und WissenschaftTristan wird von Isolde geheilt und er bringt ihr das Harfenspiel bei und lehrt sie schreiben, lesen, Kunst, Wissenschaft und Philosophie. Tristan und Gottfried von Straßburg waren durchaus bewandert in der bis dahin bekannten Scholastik, der Philosophie des Aristoteles und Platon. Wie Alexander der Große seiner Roxane die griechische Philosophie beibrachte, so hat Tristan Isolde in mittelalterlicher Kunst und Wissenschaft unterwiesen: "Unter allen diesen Lehren / Hielt er sie zu Einer an, / Die man Moral benennen kann: / Sie lehrt uns schöne Sitten./ Sich der zu fleißen bitten / Soll man die Jungfraun allzumal. / Die süßen Lehren der Moral / Sind so selig und rein, / dass sie mit Gott so viel gemein / Haben als mit dieser Welt. / Wer der Moral Gebote hält / Mag der Welt und Gott gefallen. / Sie ist den edeln Herzen allen / Zu einer Amme gegeben, / dass sie Nahrung und Leben / Schöpfen aus ihrer Lehre, / Denn sie haben Gut noch Ehre, / Wenn sie Moral nicht unterweist. / Der Lehre fliß sich zumeist / Isot die junge Königin: / Damit schulte sie den Sinn / Und die Gedanken immerdar, / Bis sie gar wohl gesittet war, / Rein ihr Herz und schön ihr Mut / Und ihr Gebahren süß und gut." [14]"Diese Kunde ward
vernommen
Als der an Tristan
so viel Fug
»Sieh«,
sprach die weise Königin,
Dieß ward getan
und dieß geschah.
Die Weise sprach
ihm wieder zu:
Nach seiner Harfe
ward gesandt,
Wieder sprach die
Königin:
»Ja, ist es
also bewandt«,
Unter allen diesen
Lehren
So kam die junge
süße Maid
Nun fügt' es
unterweilen sich,
Nun war auch Tristan
genesen
Da lachte ihn die
Herrin an:
Als Marke nun, sein
Oheim,
7. Durch Isoldes Medizin und Wissenschaft geheilt; DrachenkampfTristan ist geheilt und fühlt sich tatkräftig wie Alexander der Große; er hatte Isolde in mittelalterlicher Kunst und Wissenschaft unterwiesen: "Wer da in dem Kreise saß / Und in sein Herz die Worte las, / Dem versüßt' es sein Gemüte / Wie des Maien Tau die Blüte: / Sie gewannen Alle frohen Mut. / Tristan, der Jüngling wohlgemut, / Begann nun wieder aufzuleben: / Das Leben war ihm neu gegeben, / Er war ein neugeborner Mann." Aber da er kein König wie Alexander war, konnte er die Königin Isolde schlecht für sich werben. Das Verhängnis nahm seinen Lauf als er Isolde für König Marke werben soll [15]Dazu muss Tristan einen Drachenkampf bestehen: "Zu Frieden ist Tristan gekommen; / Doch hat noch Niemand vernommen, / Wie er die Braut gedenkt zu holen: / Das bleibt euch länger nicht verhohlen / Eh euch die Geduld gebricht. / Diese Märe sagt und spricht / Von einem Serpande, / Der damals haust' im Lande. / Diese leide Teufelsschlange / Hatte Land und Leute lange / Mit so schädlichem Schaden / So schädlich überladen, / dass der König einen Eid / Bei königlicher Sicherheit / Geschworen hatte, wer das Leben / Ihm nahm, sein Kind woll er ihm geben / Wär er von ritterlichem Stand. / Als dieß Verheißen ward bekannt, / Verloren Tausende den Leib / Um das wonnigliche Weib, / Die hin zum Kampfe kamen / Und da ihr Ende nahmen; / Der Märe war ganz Irland voll. / Auch unser Tristan wust es wohl: / Das gab ihm Mut und trieb ihn an, / dass er diese Fahrt begann: / Darauf stand seine Zuversicht; / Andre Hoffnung hatt er nicht. / So wäre Zeit denn, dass ers wagte." [16] Tristan rüstet sich zum Kampf und reitet zum "Höllenspalt", wo der Drache haust. An den fliehenden Rittern merkt er, dass es nicht mehr weit ist: "Tristan ward gar wohl gewahr / An der fliehenden Schar, / Der Drache wär nicht weit von dort. / Da ritt er seines Weges fort / Und ritt nicht lange bis er da / Seiner Augen Ungemach ersah, / Den scheuslichen Drachen; / Der warf aus seinem Rachen / Rauch und Flammen, glühen Wind, / Recht so wie des Teufels Kind, / Und fuhr gerad auf ihn daher." [17] Nach langem Kampf stirbt der Drache nicht ganz geräuschlos: "Einen Schrei so donnerstimmig, / So greulich und so grimmig / Aus seinem schnöden Schlunde, / Als ging' die Welt zu Grunde; / dass von dem mordlichen Schall / Das Tal erdröhnt' im Widerhall / Und Tristan selber sehr erschrak." Tristan zieht sich erschöpft zurück. [18] In der Zwischenzeit
hat ein anderer Ritter, der Truchsess der Königin, den toten Drachen
gefunden und will sich nun selbt als Drachentöter ausgeben. Dazu lässt
er den Kopf des Drachen verladen; allerdings hatte Tristan vorher die Zunge
des Drachen mitgenommen. Im Palst angekommen erklärt sich der Truchsess
als Sieger. Die Königin will sich aber selbst überzeugen und
findet den eigentlichen Drachentöter. Zum Truchsess "dagegen sprach
die Königin: / »Wahrlich, Truchsess, dein Sinn / Ist gar witzig
und schlau. / Wer deine Reden genau / Zu prüfen weiß, der sieht
wohl ein, / Sie sind in einem Kämmerlein, / In der Frauen Heimlichkeit
erdacht. / Auch hast du sie so vorgebracht, / Wie ein Frauenritter soll.
/
"Zu Frieden ist Tristan
gekommen;
Des andern Morgens,
als es tagte,
Tristan, sein Kampfgeselle,
ritt
Doch währt'
es nicht mehr lange,
8. Der Minnetrank und die ArzneiDer Minnetrank lässt sie der Arznei und Wissenschaft gedenken, "Wie er gen Develin allein / In einem kleinen Schifflein / Verwundet angefloßen kam, / Ihre Mutter ihn da zu sich nahm / Und ihm auch Heilung brachte; / Wobei sie auch gedachte, / Wie sie selbst in seiner Pflege / Schreiben lernte alle Wege, / Dazu Latein und Saitenspiel. / Solcher Dinge wurden viel / Ihm vor Augen hier gelegt; / Und welcher Mannheit er gepflegt / Hatt im Kampf mit dem Serpant, / Wie sie ihm zweimal dann erkannt, / Erst im Moor, hernach im Bade." [20]Doch nach dem Minnetrank bestand die einzige Arznei nur darin: "Er küsste sie, sie küsste ihn / Mit holdem Kuss und süßem. / Das war die Not zu büßen / Ein wonniglicher Anfang. / Jedwedes schenkte da und trank / Die Süße, die vom Herzen kam. / So oft die Hut es nicht benahm / So ging der Austausch her und hin, / Der ein Schleichhandel schien; / Denn so heimlich ward er angestellt, / dass Niemand in der ganzen Welt / Ihren Mut und Willen noch befand / Als Eine: der war er bekannt." [21] Brangäne wollte
ihnen helfen, die Arznei einzunehmen: "Brangäne bot die Treue gern:
/ Sie verhieß der Herrin und dem Herrn / Mit Eiden, dass sie ihr
Gebot / Stets leisten wolle bis zum Tod." Denn Isolde will nicht nach orientalischer
Sitte mit einem Mann vermählt werden, den sie gar nicht liebt: "Ihnen
schwebte schon die Sorge vor, / Sie besorgten schon zuvor, / Wozu es dann
auch leider kam, / Was ihnen Freude viel benahm / Und brachte sie zu mancher
not: / Dies war die Not, dass Schön Isot / Dem Manne werden sollte,
/ Dem sie nicht werden wollte." [22]
"Derweil die Reise
Tristan
Den Trank da nahm
die Weise
»Liebe Herrin«,
sprach Brangäne froh,
"Mit Frage und mit
Antwort bald
Brangäne zu
Isolden sprach:
9. König Markes leichtfertiges Versprechen, Isolde als Preis für den irischen Meistersinger; Tristan schilt Markes Leichtfertigkeit bezüglich IsoldeAls am Hofe des König Marke der Harfenspieler Gandin aus Irland erscheint und alle durch sein Spiel verzaubert, will der König großzügig erscheinen und sagt etwas leichtsinnig: "Begehrt ihr etwas, das ich habe? / Ich gewähr euch jede Gabe. / lasst uns vernehmen was ihr könnt; / Was euch beliebt, ist euch gegönnt.« »Es gilt!« sprach Der von Irenland." [23]Der Harfenspieler, nachdem er eine Leich (mittelalterliches Musikstück) gespielt hatte, wünscht sich als Preis Isolde. Die möchte König Marke nicht hergeben, doch durch sein leichtsinnigen Versprechen, muss er nun Wort halten, denn der Harfenspieler pocht auf sein Recht und sagt: »Herr, so wollt ihr Wort und Pflicht / Nicht halten, wie es euch gebührt? / Werdet ihr des überführt, / dass ihr wortbrüchig seid, / So seid ihr nun die längste Zeit / Eines Landes Herr gewesen. / Heißt des Königs Recht nur lesen: / Findet ihrs da nicht geschrieben, / So bin ich gern des Rechts vertrieben. / Und sprecht ihr, oder Wer es spricht, / Ihr gelobtet mir es nicht, / So folg ich meinem Recht dahin / Wider euch und wider ihn, / Wo mir der Hof das Urtheil fällt. / Mein Leben sei zu Kauf gestellt / Im Kampf und im Gefechte, / Bis ich kam zu meinem Rechte. / Schickt Wen ihr wollet, oder ihr / Reitet selbst in einen Ring mit mir. / Da will ichs darthun gleich zur Frist, / Das Schön Isold mein eigen ist.« [24] Da Tristan gerade nicht auf der Burg ist, findet sich keiner, der gegen Gangin kämpfen könnte, und so nimmt Gangin sie mit an den Strand um dort die Flut abzuwarten für seine Überfahrt nach Irland. Als Tristan später davon erfährt, reitet er schnell zum Strand und kann Isolde nur noch durch eine List zurückholen. Gandin bittet Tristan, der vorgibt auch nach Irland reisen zu wollen, Isolde mit seinem Harfenspiel zu unterhalten, da sie so traurig ist. "Der von Irland sprach zuhand: / »Geselle, das gelob ich dir. / Nun sitze nieder, harfe mir. / Tröstest du die Herrin mein, / dass sie ihr Weinen stellet ein, / Das beste Kleid wird dir zum Lohn, / Das ich hab in diesem Pavillon.« / »Das gelob ich gerne«, sprach Tristan. / »Auch verzweifl ich nicht daran: / Ist ihres Kummers nicht so viel, / dass sie keines Mannes Spiel / Am Weinen möchte hindern, / So muss ihr Schmerz sich lindern.« / Er verschob sein Werk nicht länger / Und begann als Harfner und als Sänger / Einen Leich so inniglich, / dass es Isotens Herz beschlich: / Es nahm ihr die Gedanken alle; / Ihr Weinen ließ sie bei dem Schalle, / Nur auf den süßen Freund bedacht." [25] Nach seinem Spiel
gibt Tristan zu bedenken, dass die Königin nicht durch das Wasser
laufen könne und bietet an, sie auf seinem Pferd zum Schiff zu geleiten:
»Wie machen wir es«, sprach Gandin, / »Wie bring ich
meine Frau hinan?« /
Ersteinmal auf dem Pferd hat Tristan leichtes Spiel Isolde wieder zu entführen: "Nun sie der Spielmann vor sich sah, / Ein wenig seitwärts sprengt' er da. / Und als Gandin des ward gewahr, / Er rief ihm nach, verächtlich gar:/ »Ei nun, du Gauch, wo willst du hin?« / »Nein, nein«, sprach Tristan, »Gauch Gandin! / Ihr, Freund, steht an des Gauches Ziel, / Denn was ihr mit dem Rottespiel / Dem König Mark abtroget dort, / Das führ ich mit der Harfe fort. / Ihr trogt, nun seid auch ihr betrogen. / Tristan ist euch nachgezogen / Und hat euch überlistet hier. / Freund, reiche Kleider schenket ihr: / Mir ward das beste Gewand, / Das sich in euerm Zelte fand.« [27] Zum Schluss schilt Tristan Markes Leichtfertigkeit, Isolde so leichtsinnig als Preis auszuloben, dass man meinen könnte, der König hätte ähnlich wie Mohammedaner, die nach Thomas von Aquin leichtfertig glauben und ihre Frauen schlecht behandeln, keine Frau verdient: "Tristan bracht Isoten wieder / Seinem Oheim, König Mark; / Dazu auch schalt er ihn stark: / »Herr«, sprach er, »Gott weiß, / Liebt ihr die Königin so heiß, / So ists ein großer Unsinn, / Gebt ihr sie so leichtlich hin / Für Harfen oder Rotten; / Des mag die Welt wohl spotten. / Wer sah je Königinnen / Mit Rottespiel gewinnen? / lasst sies zum andern Mal nicht schauen / Und hütet beser meiner Frauen.« [28] "Als zu Ende kam
der andre Leich,
Der König blickte
hin und her
Nun war eben Tristan
Als Tristan nun zu
Hofe kam
Der von Irland sprach
zuhand:
Tristan nahm das
Ross zuhand,
Nun sie der Spielmann
vor sich sah,
Tristan ritt seiner
Straßen.
10. König Marke will nicht wieder über seine Leichtfertigkeit stolpern, Tristan "bedächtig und weise", der "Cornwal schirmt und Engelland"König Marke muss auf Bittfahrt reiten, und Isolde allein zurücklassen. Er will nicht wieder als "der leichtgläubge König Mark" erscheinen, der Isolde so leichtfertig an den Harfenspieler Gangin vorübergehend verlor und der deshalb von Tristan gescholten wurde. König Marke will wissen, was sie darüber denkt; Isolde sagt »Wie fragt ihr mich das und weswegen? / Wer möchte mich wohl besser pflegen / Und hüten, mich und Leut und Land, / Als hier eures Neffen Hand, / Der uns so wohl verpflegen kann? / Euer Schwestersohn, Herr Tristan, / Der ist so mannhaft und weise / Und klug bedacht in aller Weise.« [29]Isolde klagt, dass sie von ihm immer allein gelassen werde. König Marke berühigt sie, Tristan werde sie pflegen, er sei bedächtig und weise: "»Warum doch, Schöne«, fiel er ein: / »Nun habt ihr doch zu eurer Hand / So die Leute wie das Land, / Sie sind euer so wie mein; / Darüber sollt ihr Herrin sein, / Das soll euch zu Gebote stehn. / Was ihr gebietet muss geschehn. / Auch soll euch, bin ich unterwegen, / Unterdes mein Neffe pflegen, / Der euer trefflich pflegen kann, / Der höfische Tristan: / Der ist bedächtig und weise / Und fleißt sich in aller Weise, / Wie er euch Freud und Ehre / Mache und mehre. / Dem vertrau ich also wohl / Als ich mit vollem Rechte soll. / Dem seid ihr lieb, so bin auch ich; / Er tuts für euch und tuts für mich.« [30] Zudem gibt Isolde
zu bedenken, dass Tristan sich in seiner Abwesenheit auf die Regierungsgeschäfte
konzentrieren müsse: »Auch hoff ich, ihr bedenket, / Eh ihr
von hinnen lenket, / Wer Cornwal schirmt und Engelland: / Die stehn in
eines Weibes Hand / Gar bloß vor jedem Streiche. / Wer zweier Königreiche
/ Pflegen soll nach Recht und Ehren, / Der darf nicht Sinn noch Herz entbehren.
/ Nun ist außer Tristanden / Kein Herr in beiden Landen, / Belasst
ihr nur ihn bei dem Amt, / Der frommen möge beidensamt. / Wer brächte
Jeden so dazu, / dass er das Rechte lass und tu? / Ist dass ein Feind uns
überzieht, / Des man sich jeden Tag versieht / Und immer muss versehen,
/ So mag es leicht geschehen, / dass wir den Unsieg empfahn: / So wird
mir mein Herr Tristan / Vor Augen schadenfroh gestellt / Mit Schelten von
der bösen Welt. / Da wird der Rede viel getrieben: / ›Wäre Tristan
da geblieben, / Uns wäre nicht zu dieser Frist / So misslungen als
es ist.‹ /
(...)
»Warum doch,
Schöne«, fiel er ein:
Anmerkungen [1] Wissenschaftsbriefe
/ Science Review Letters 2021,
20, Nr. 1265 und Kurse Nr.
559 Wolfram von Eschenbach,
Nr.
560 Walter von der Vogelweide, Nr.
662 Gottfried von Strassburg, Akademie der Kunst und Philosophie
Tristan wird von Isolde geheilt und er bringt ihr das Harfenspiel bei und lehrt sie schreiben, lesen, Kunst, Wissenschaft und Philosophie. Tristan und Gottfried von Straßburg waren durchaus bewandert in der bis dahin bekannten Scholastik, der Philosophie des Aristoteles und Platon. Wie Alexander der Große seiner Roxane die griechische Philosophie beibrachte, so hat Tristan Isolde in mittelalterlicher Kunst und Wissenschaft unterwiesen: "Unter allen diesen Lehren / Hielt er sie zu Einer an, / Die man Moral benennen kann: / Sie lehrt uns schöne Sitten./ Sich der zu fleißen bitten / Soll man die Jungfraun allzumal. / Die süßen Lehren der Moral / Sind so selig und rein, / dass sie mit Gott so viel gemein / Haben als mit dieser Welt. / Wer der Moral Gebote hält / Mag der Welt und Gott gefallen. / Sie ist den edeln Herzen allen / Zu einer Amme gegeben, / dass sie Nahrung und Leben / Schöpfen aus ihrer Lehre, / Denn sie haben Gut noch Ehre, / Wenn sie Moral nicht unterweist. / Der Lehre fliß sich zumeist / Isot die junge Königin: / Damit schulte sie den Sinn / Und die Gedanken immerdar, / Bis sie gar wohl gesittet war, / Rein ihr Herz und schön ihr Mut / Und ihr Gebahren süß und gut." (Gottfried von Straßburg) Richard Wagner hat die Geschichte von Gottfried von Strassburg in seinem Musikdrama "Tristan und Isolde" in Musik gefasst. Es ist nicht nur die Kirchen-Musik seit Palästrina, Monteverdi, Bach, Mozart, Beethoven Träger des Christlichen, sondern die Musik schlechthin hat in sich das "Christliche" aufgenommen. "Wie unter der römischen Universal-Zivilisation das Christentum hervortrat, so bricht jetzt aus dem Chaos der modernen Zivilisation die Musik hervor. Beide sagen aus: 'Unser Reich ist nicht von dieser Welt'. Das heißt eben: Wir kommen von innen, ihr von außen; wir entstammen dem Wesen, ihr dem Scheine der Dinge... Der Geist des Christentums war es, der die Seele der Musik neu wieder belebte." (Wagner) Richard Wagner hat die Geschichte von Gottfried von Strassburg in seinem Musikdrama "Tristan und Isolde" in Musik gefasst, so dass das Drama auch für die heutige Zeit aktuell bleibt. Er sah im Tristan-Drama "einen Ergänzungsakt des großen, ein ganzes Weltverhältnis umfassenden Nibelungenmythos." Das Drama bzw. der Mythos zeigt auch dieses Herauswachsen der neuen Persönlichkeitsbewussten Marke-Kultur aus dem alten Kollektiv-Bewusstsein in dem Abhängigkeitsverhältnis der neuen gegenüber der alten Kulturauf: Cornwall ist Irland tributpflichtig. Aber mit dem fortschreitenden Erstarken der neuen Bewusstseinskräfte, deren hervorragendster Vertreter und Wegbereiter eben Tristan war, lehnte sich die neue Welt notwendigerweise gegen die alte auf. Ein altes Bewusstsein bekämpften auch Odysseus und Achileus, als sie gegen Troja zogen, oder Alexander, als er Kleinasien und Persien eroberte. Cornwall verweigert den Tribut, Tristan zieht siegreich gegen Morold zu Feld; der "Abnabelungsprozess" vom alten, magischen Bewusstseinszustand ist vollendet. Kurwenal ruft: "Hei! unser Held Tristan! Wie der Zins zahlen kann!" Das reflektierende Bewusstsein vom Ich ist hier schon weit stärker ausgeprägt als bei Siegfried beispielsweise. Tristans Kampf mit Morold bedeutet gleichzeitig ein übermächtiges Heraufschlagen dieses alten Bewusstseins, ähnlich wie der Kampf des Christentum gegen den Islam mit der Devise der Erneuerung des alten orientalischen Zustands. Isolde verliebt sich in Tristan: "Er sah mit in die Augen..." Was vollzieht sich in diesem Augenblick? Dieses Ahnen um den Einzug kosmischer Liebeskräfte in das Innerste der Seele wandelt auch den weiten, noch ungeformten Seelengrund ihres eigenen Wesens. Was bisher altes Seelenerbe war, wird zu "Herzenskräften, die unzertrennlich mit Isoldes eigenem Wesen verbunden sind." Sie singt: "Er schwur mit tausednd Eiden / Mir ew'gen Dank und Treue!" Auch in der Harmonie liegen offenbare Geheimnisse, nämlich wenn eine As-Dur-Kadenz auftritt; sie ist für Wagner immer der Ausdruck des Jungfräulichen, des Unirdischen. Das bezeugt die Verwendung dieser Tonart zur Charakterisierung des Wesens von Elisabeth, von Elsa, oder Eva Pogner in den "Meistersingern". Es ist die Seelenhaltung der Devotion, der Hinneigung zum wahrhaft Göttlichen. Dieser groß angelegte Dialog über die "Tagwelt" im zweiten Akt ist die eigentliche Basis zur kommenden Liebesszene. Nach der Analyse von Alfred Lorenz bildet er einen Bar, der aus 85 Takten besteht. Das Ende seines ersten Stollens (31 Takte) ist durch die As-Dur-Kadenz markiert. Der zweite Bar (23 Takte) endet mit As-Dur. Man kann auch von "dionysischer Mysterienweisheit" sprechen. Der dionysische Weg führt zwar durch die Triebgewalten, die als noch nicht vom Wesen des Ich durchdrungene Gewalten gewertet werden müssen, doch hat er das wahre Menschen-Urbild zum Ziele. Das Erwachen der Seelenleidenschaft ist nur der erste Akt dieses dionysisch-romantischen Dramas. Es ist die Basis, von der ausgegangen wird, doch nicht das Ziel. Dieses heißt vielmehr: Katharsis der Sinnesnatur und Wiedergewinnung des wahren Wesens. Auch im Scheidegesang haben wir wieder As-Dur: "Wie es fassen? / Wie es lassen, / Diese Wonne, / Fern der Sonne, / Fern der Tage / Trennungsklage?..." Im dritten Akt kommen
wir zum Herz des Werkes und Tristans Vision. Die Ich-Werdung ist an ein
Ende gekommen. Nur eine aus innerster Freiheit heraus wirkende Kraft, die
unberührt blieb von allen bisherigen Wirkenskräften der Evolution
und "luziferischer Korrumpierung der Seele" - wie sie vor allem bei
Muslimen durch ihre luziferische Gottheit gefördert wird - , könnte
dieses Wunder bewirken. Und um dieses Wunder geht es Wagner, der damit
das Drama Gottfried von Strassburgs auf eine höhere Ebene hebt. Von
Kurwenal ist die Heilerin längst gerufen. In einer an Schönheit
und Weihe nicht zu übertreffenden Vollendung hat Wagner jene Vision
Tristans gestaltet, die ihm das Nahen Isoldes offenbart. Lorenz fasst das
Einzigartige dieser Stelle in die Worte: "Musikalisch ist sie wohl das
höchste, was Wagner an apollinisch schönen Klängen hervorgezaubert
hat. Kein Mensch kann ungerührt diesen überirdischen Tönen
lauschen." Diese Stelle lässt zum erstenmal in dem Werk ein E-Dur
erklingen: "Wie sie selig, / Hehr und milde / Wandelt durch / Des Meer's
Gefilde? / Auf wonnigen Blumen / Lichten Wogen / Kommt sie sanft / Ans
Land gezogen." Hier setzt die Vision Tristans ein, in der Isolde ganz körperlos
schwebend herannaht, rein nur Idee, da hören wir auf längere
Zeit das herrliche E-Dur erklingen. "Ich schreibe die unsagbar ruhevolle
Wirkung dieser Stelle hauptsächlich dem Umstande zu, dass unser Ohr
drei Stunden lang das E-Dur umspielen gehört und damit erwartet hatte,
und jetzt erst - endlich! - die ersehnte, wahrhaft auflösende, erlösende
Tonart wahrnimmt." Als einzigen Aufklingen der Tonika darf man dieses Erscheinen
der "erlösenden Tonart" wohl als das Herz des Werkes bezeichnen. Auch
"für den Quintenkreis ist diese, im Zeichen des Löwen stehende
Tonart, das Herz. In allen Meisterwerken ist es die Verkünderin der
wahren, dem Göttlichen verbundenen Liebe." Wenn unsr also jetzt plötzlich
apollinische Klänge umgeben, dann kann das nur so verstanden werden,
dass wir durch die Katharsis geschritten sind, die uns ermöglicht,
das verlorene apollinische Sonnenreich wieder zu gewinnen. In bezug auf
die Philosophie der Geschichte bzw. Entwicklung der Menschheit spricht
man von Christus als dem "dritten Dionysos", der dieses Wiedervereinen
mit dem apollinischen Lichtreich bringen wird. Von Christus als dem wahren
Ich, der die Versöhnung beider Naturen herbeiführen wird und
damit den Durst des Ich für immer stillen wird, indem er uns den Trank
reicht, der den Zwiespalt von Liebe und Tod überwunden hat. Isolde,
die als Heilerin naht, wird zum "Tor für die Christuskraft". Bei Gottfried
von Strassburg hatte Tristan ihr neben Kunst und Harfenspiel auch Philosophie,
die christliche Scholastik und Wissenschaft beigebracht. Wie Faust bei
seinem Himmelsanstieg durch das "Ewig-Weibliche" der Christussphäre
entgegengeht, so naht sich dem Helden durch die ewig-weibliche Seelennatur
der wahre Heiler seiner Wunde. Dargestellt in einer Oboenkantilene, "einer
der süssesten Eingebungen in der ganzen Musikliteratur! - wie eine
geläuterte Seele aus der Asche aufsteigt." Was ist geläutert?
Der furchbare Schmerz, der Tristan aus seiner Erkenntnis wurde, war für
ihn wie ein Nach-Tod-Erlebnis, in dem alles selbstische Verlangen verbrannte;
"und wie ein Phönix ersteht ihm durch die Christus-Nähe in seiner
Vision die reine Liebe, die wohl Selbstheit, doch keine Selbstsucht kennt."
Vgl. Kurse Nr. 662 Gottfried
von Strassburg, Nr. 559 Wolfram
von Eschenbach, Nr. 663 Artur Schopenhauer
III,
Nr. 661 Philosophie
der Geschichte,
Nr. 020 Johann
Wolfgang von Goethe I-II, Ib.
Gottfried
von Strassburg
Allgemeine
Infos zur Akademie der Kunst und Philosophie und den Kursen
Zur Philosophie und Kulturgeschichte von Byzanz, des Mittelalters, der Schule von Chartres, der Renaissance, des Barock, der Aufklärung, des Idealismus, der Romantik vgl. Kurse:Nr. 551 G.W.F. Hegel I, Nr. 660 G.W.F. Hegel II, Nr. 511 Johann Gottlieb Fichte I, Nr. 658 Johann Gottlieb Fichte II, Nr. 509 F.W.J. Schelling I, Nr. 510 F.W.J. Schelling II, Nr. 513 F.W.J. Schelling III, Nr. 505 Arthur Schopenhauer I-II, Nr. 663 Arthur Schopenhauer III, Nr. 531 Platon, Nr. 533 Aristoteles, Nr. 623 Johann Ludwig Wilhelm Müller, Nr. 020 Johann Wolfgang von Goethe I-II, Nr. 673 Johann Wolfgang von Goethe III, Nr. 553 Friedrich Schiller I-II, Nr. 675 Friedrich Schiller III, Nr. 554 Friedrich Hölderlin I-II, Nr. 512 Novalis I, Nr. 671 Novalis II, Nr. 677 Jean Paul, Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Nr. 630 Johann Ludwig Tieck, Nr. 631 Adelbert von Chamisso,Nr. 567 Gottfried Wilhelm Leibniz, Nr. 665 Molière, Nr. 622 Victor Hugo I, Nr. 674 Victor Hugo II, Nr. 629 Voltaire I-II, Nr. 679 Laurence Sterne, Nr. 621 Lord Byron I, Nr. 676 Lord Byron II, Nr. 628 Percy Bysshe Shelly, Nr. 561 Sir Walter Scott, Nr. 555 Angelus Silesius, Nr. 634 Hans Sachs, Nr. 619 Franz Werfel, Nr. 680 Nikos Kazantzakis, Nr. 588 Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Nr. 550 Fjodor M. Dostojewskij I-II, Nr. 506 Wladimir Sergejewitsch Solowjow, Nr. 664 Philosophie der Kunst, Nr. 661 Philosophie der Geschichte I, Nr. 686 Philosophie der Geschichte II, Nr. 687 Philosophie der Geschichte III, Nr. 687 Philosophie der Geschichte IV, Nr. 687 Philosophie der Geschichte V, Nr. 659 Wissenschaftslehre I, Nr. 666 Wissenschaftslehre II, Nr. 681 Wissenschaftslehre III, Nr. 682 Wissenschaftslehre IV, Nr. 683 Wissenschaftslehre V, Nr. 684 Wissenschaftslehre VI, Nr. 685 Wissenschaftslehre VII, Nr. 545 Sittenlehre I-II, Nr. 614 Sittenlehre III, Nr. 544 Staats- und Rechtslehre I-II, Nr. 641 Staats- und Rechtslehre III, Nr. 644 Staats- und Rechtslehre IV, Nr. 655 Staats- und Rechtslehre V, Nr. 618 St. Ephraim der Syrer, Nr. 617 St. Cyrill von Alexandrien, Nr. 616 St. Gregor von Nazianz, Nr. 613 St. Gregor von Nyssa, Nr. 612 St. Johannes Chrysostomos, Nr. 611 St. Johannes Cassianus, Nr. 627 St. Basilius der Große, Nr. 625 Theodorus Abucara, Nr. 624 Byzantinische Wissenschaft / Philosophie, Nr. 653 St. Cyprianus, Nr. 609 St. Athanasius der Große, Nr. 605 St. Irenaeus von Lyon, Nr. 604 St. Hildegard von Bingen, Nr. 600 St. Johannes von Damaskus,Nr. 599 St. Petrus Venerabilis, Nr. 581 Bernhard von Chartres, Nr. 580 Wilhelm von Conches, Nr. 578 Pierre Abaelard, Nr. 574 Johannes von Salisbury, Nr. 577 Petrus Lombardus, Nr. 576 Gilbert de la Porrée / Gilbert von Poitiers, Nr. 565 Johannes Scotus Eriugena, Nr. 575 Thierry de Chartres, Nr. 571 Alanus ab Insulis, Nr. 572 Anselm von Canterbury, Nr. 570 St. Hilarius von Poitiers, Nr. 568 Nicolaus Cusanus I, Nr. 568 Nicolaus Cusanus II, Nr. 568 Nicolaus Cusanus III, Nr. 564 St. Ambrosius, Nr. 564 St. Augustinus I, Nr. 601 St. Augustinus II, Nr. 654 St. Augustinus III, Nr. 579 St. Albertus Magnus, Nr. 500 St. Thomas von Aquin I, ScG, Nr. 501 St.Thomas von Aquin II, Sth I., Nr. 502 St.Thomas von Aquin III, Sth. I-II, Nr. 582 St.Thomas von Aquin IV, Sth II-II, Nr. 583 St.Thomas von Aquin V, Sth. III, Nr. 566 Meister Eckhart, Nr. 562 Dante Alighieri I-II, Nr. 672 Dante Alighieri III, Nr. 558 Calderón de la Barca, Nr. 648 Calderón de la Barca II, Nr. 650 Calderón de la Barca III, Nr. 651 Calderón de la Barca IV, Nr. 563 Miguel de Cervantes I, Nr. 645 Miguel de Cervantes II, Nr. 637 Lope de Vega I, Nr. 638 Lope de Vega II, Nr. 642 Lope de Vega III, Nr. 643 Lope de Vega IV, Nr. 652 Juan Ruiz de Alarcón, Nr. 632 Ginés Pérez de Hita, Nr. 633 Luis Vaz de Camões, Nr. 678 François Rabelais, Nr. 557 Ludovico Ariosto I-II, Nr. 668 Ludovico Ariosto III, Nr. 556 Torquato Tasso, Nr. 552 William Shakespeare I-II, Nr. 559 Wolfram von Eschenbach, Nr. 560 Walter von der Vogelweide, Nr. 662 Gottfried von Strassburg, Akademie der Kunst und Philosophie / Académie des sciences Nr. 320 Romanische Kunst und Architektur, Nr. 350 Byzantinische Kunst und Architektur, Nr. 325 Kunst und Architektur der Gothik, Nr. 326 Kunst und Architektur der Renaissance, Nr. 586 Tizian, Nr. 591 Paolo Veronese, Nr. 597 Correggio, Nr. 670 Annibale Carracci, Nr. 520 Rembrandt, Nr. 598 El Greco, Nr. 620 Giovanni Battista Tiepolo, Nr. 590 Giovanni Bellini, Nr. 656 Andrea Solari, Nr. 657 Bernadino Luini, Nr. 587 Andrea Mantegna, Nr. 595 Jan van Eyck, Nr. 635 Rogier van der Weyden, Nr. 640 Stefan Lochner, Nr. 646 Michael Pacher, Nr. 647 Peter Paul Rubens, Nr. 649 Giotto di Bondone, Nr. 626 Luca Signorelli, Nr. 610 Piero della Francesca, Nr. 596 Perugino, Nr. 522 Raffael (Raffaello Sanzio), Nr. 523 Sandro Botticelli, Nr. 602 Benozzo Gozzoli, Nr. 606 Fra Angelico, Nr. 607 Pinturicchio, Nr. 608 Domenico Ghirlandaio, Nr. 593 Filippo Lippi, Nr. 594 Filippino Lippi, Nr. 589 Albrecht Dürer, Nr. 603 Bernard van Orley, Nr. 615 Ambrogio da Fossano detto il Bergognone, Nr. 636 Eugène Delacroix, Nr. 639 Bartolomé Esteban Murillo, Nr. 690 Caspar David Friedrich, Akademie der Kunst und Philosophie
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