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Kurs Nr. 502 Santo Tomás de Aquino / São Tomás de Aquinas / San Tommaso d'Aquino / Hl. Thomas von Aquin / St. Thomas Aquinas / "doctor angelicus" III«Summa Theologiae» I-II |
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Aus dem Inhalt:
1. Seligkeit (beatitudo) besteht nicht in Reichtum, Ehrgeiz, Ruhm, Macht
Auf der anderen Seite besteht das Gut des Menschen mehr in der Wahrung der Seligkeit wie in dem Verlieren derselben. Boëtius aber sagt (II. de Consol.): „Die Reichtümer haben mehr Glanz, wenn sie verausgabt werden, als wenn man sie behält; denn der Geiz macht verhasst, die Freigebigkeit geschätzt.“ Also besteht in den Reichtümern nicht des Menschen Seligkeit. Unmöglich könne des Menschen Seligkeit im Reichtume bestehen. Denn eine doppelte Art Reichtum gibt es nach Aristoteles. (1 Polit. 6.) Es besteht nämlich ein natürlicher Reichtum, der dazu dient, dem natürlichen Mangel des Menschen zu begegnen; dazu gehören die Speisen, die Getränke, die Kleider, die Fuhrwerke, die Wohnungen und Ähnliches. Die andere Art ist jene, welche für sich betrachtet den Bedürfnissen des Menschen nicht abhilft, wie das Geld; sie ist von der menschlichen Kunst behufs der Leichtigkeit des Austausches erfunden worden, gleichsam als Maß der käuflichen Sachen. In der ersten Art Reichtum nun kann die menschliche Seligkeit nicht bestehen. Denn solcher Reichtum wird gesucht als Mittel, um die Natur zu stützen; er besteht also vielmehr wegen der Natur als zweckdienliches Mittel, als dass die Natur wegen seiner besteht. Im Bereiche der Natur also sind alle derartigen Dinge unter dem Menschen; weshalb der Psalmist sagt (8.): „Alles hast du ihm zu Füßen gelegt.“ Die zweite Art Reichtum wird nur gesucht wegen der ersten. Denn vermittelst des Geldes kauft man das für das Leben Notwendige. Also noch weit weniger trägt er den Charakter des letzten Zweckes. Alles Körperliche gehorcht dem Gelde, wenn die Menge der Toren berücksichtigt wird, welche nur körperliche Güter kennen; denn diese können mit Geld erworben werden. Ein maßgebendes Urteil aber rücksichtlich der wahren menschlichen Güter darf man nicht von den Toren erwarten, sondern von den Weisen; wie ein gesundes Urteil über die Farben nicht von denen erwartet wird, welche kranke Augen haben. Was käuflich ist, kann mit dem Gelde erworben werden. Geistige Güter aber sind nicht käuflich. „Was nützt dem Thoren der Reichtum,“sagt Prov. 17., „da er Weisheit nimmer kaufen kann!“ Das Verlangen nach „natürlichem Reichtume“ ist nicht unendlich; denn er genügt in gewissen Grenzen der Befriedigung natürlicher Bedürfnisse. Das Verlangen nach „künstlichem Reichtume“ aber ist ohne Maß und Ende; denn es dient der ungeordneten Begierlichkeit, welche kein Maß hat. (1 Po!it. 6.) Anders aber verhält es sich mit dem unendlichen Verlangen nach Reichtum wie mit dem unendlichen Verlangen nach dem höchsten Gute. Denn je vollkommener das höchste Gut besessen wird, desto mehr wird es geliebt und Anderes verschmäht; um so besser nämlich wird es gekannt, je mehr man es besitzt, weshalb es Ekkli. 24. heißt: „Die von mir essen,werden noch hungern.“ Umgekehrt aber liegt der Fall beim Verlangen nach Reichtum. Denn soweit er besessen wird, verachtet man ihn und will Anderes, wie der Herr selbst (Joh. 4.) dies andeutet: „Wer von diesem Wasser trinkt, der wird von neuem Durst haben,“ wo er unter „diesem Wasser“ die zeitlichen Güter meint. Der Grund ist offenbar; denn wie ungenügend und mangelhaft diese Güter sind, wird desto mehr erkannt, je mehr sie besessen werden. Dieser Umstand also zeigt gerade ihre Unvollkommenheit und dass in ihnen das höchste Gut nicht besteht. [1] Unmöglich auch könne die Seligkeit im Glanze der Ehre bestehen. Denn Ehre wird jemandem erwiesen auf Grund eines hervorragenden Vorzuges; und so ist sie Zeichen und Zeugnis eines Vorzuges, den der Geehrte besitzt. Der höchste Vorzug des Menschen ist aber eben seine Seligkeit, welche des Menschen unbeschränkte Vollendung in sich schließt; und dem fügen sich an als weitere Vorzüge die Teile der Seligkeit, soweit diese alle Vermögen durchdringt. Also kann die Ehre der Seligkeit wohl folgen; aber hauptsächlich in letzterer bestehen kann sie nicht. Die Ehre ist nicht der Preis der Tugend, um dessentwillen die Tugendhaften wirken. Wohl aber empfangen sie Ehre von den Menschen anstatt des Lohnes, gleichsam wie von jenen, die nichts Größeres geben können. Der wahre Preis der Tugend ist die Seligkeit selbst und ihrethalben wirken die Tugendhaften. Falls sie um der Ehre willen arbeiteten; so wären sie schon nicht mehr tugendhaft, sondern ehrgeizig. Die Ehre macht nicht Gott den Herrn und die ausgezeichnetsten Personen vorzüglich; sondern ist ein Zeichen und Zeugnis ihrer Vorzüglichkeit. Aus dem natürlichen Verlangen nach Seligkeit, der die Ehre folgt, fließt es, dass die Menschen im höchsten Grade nach Ehre verlangen. Und aus diesem Grunde streben die Menschen am meisten danach, dass sie von den Weisen geehrt werden; denn deren Urteil lässt sie voraussetzen, dass in ihnen wirklich ein hervorragender Vorzug sei. [2] Boëtius (3.
de Consol.) sagt: „So manche haben einen großen Namen gewonnen auf
Grund der falschen Ansichten der Menge. Was ist schändlicher? Denn
wer fälschlicherweise gepriesen wird, der muss vor seinem eigenen
Lobe erröten.“
Boëtius (3. de Cons.) schreibt, „die Pein der Kümmernisse nicht vertreiben, die Dornen der Beängstigungen nicht vermeiden… Als mächtig siehst du an jenen, der einer Wache an seiner Seite bedarf; der da jene, die er schreckt, noch mehr selber fürchtet.“ Unmöglich könne also des Menschen Seligkeit in der Macht bestehen. Denn die Macht, also das Können, hat den Charakter des Prinzips, des Anfangs; die Seligkeit aber den Charakter des Zweckes, des Endes. Dann steht von der Macht selber aus dem nichts entgegen, dass sie zum Guten oder zum Bösen dienen kann; die Seligkeit aber ist wesentlich das vollendete Gut. Vielmehr also könnte eine gewisse Seligkeit bestehen im guten Gebrauche der Macht; welchen Gebrauch nur die Tugend gibt. Fassen wir nun diese für den Menschen äusseren Güter zusammen, so können vier Gründe geltend gemacht werden dafür, dass in keinem derselben die Seligkeit sein kann: Alle diese Güter finden sich in Guten und Schlechten; die Seligkeit aber kann gar kein Übel in Verbindung mit ihr zulassen. [4] Wie oben bereits
bemerkt wurde, ist des Menschen Seligkeit eine doppelte: eine vollendete
und eine unvollendete. Die vollendete Seligkeit erreicht den wahren Grund
aller Seligkeit. Die unvollendete erreicht selben zwar nicht, nimmt aber
teil an einer gewissen Ähnlichkeit der Seligkeit. So ist die Klugheit
im Menschen vollendet, insofern der Grund im allgemeinen für die Handlungen
oder die zu wirkenden Dinge in ihm sich findet; in gewissen Tieren aber
ist sie unvollendet, insofern sie besondere beschränkte Instinkte
besitzen, um Einiges zu tun, was den von der Klugheit ausgehenden Werken
ähnlich ist. Die vollendete Seligkeit nun kann unmöglich ihrem
Wesen nach in der Betrachtung der spekulativen Wissenschaften bestehen.
Zu dessen Veranschaulichung muss man berücksichtigen, dass die Betrachtung
einer spekulativen Wissenschaft sich nicht weiter erstrecken kann, als
die Kraft der Prinzipien jener Wissenschaft reicht; weil in den Prinzipien
einer Wissenschaft gemäß der zu entwickelnden Kraft die ganze
Wissenschaft enthalten ist. Die ersten Prinzipien der spekulativen Wissenschaften
empfangen wir aber vermittelst der Sinne. Also die ganze Betrachtung der
spekulativen Wissenschaften kann sich nicht weiter erstrecken als die Kenntnis
der sichtbaren Dinge führen kann. In einer solchen Kenntnis kann jedoch
nicht die letzte Seligkeit des Menschen bestehen, die da ist seine letzte
Vollendung. Denn kein Wesen wird vervollkommnet von etwas Niedrigerem,
ausser insoweit in diesem Niedrigeren eine Teilnahme sich findet an etwas
Höherem. Offenbar nun ist die Wesensform des Steines oder sonst einer
sinnlich wahrnehmbaren Sache niedriger als der Mensch; so dass durch die
Wesensform des Steines die Vernunft nur insoweit vollendet wird als in
einer solchen Wesensform die Teilnahme und Ähnlichkeit ist, mit Rücksicht
auf etwas, was über der menschlichen Vernunft ist: die Teilnahme nämlich
am Lichte der Vernunft als etwas vernünftig Erkennbares. Was aber
nur kraft der Teilnahme an etwas Anderem ist, das lässt sich zurückführen
auf das, was dieses selbe dem Wesen nach ist; wie die Zimmerwärme
auf das Feuer. Also muss die letzte Vollendung des Menschen sich vollziehen
durch die Kenntnis eines Gegenstandes, der über der menschlichen Vernunft
steht. Vermittelst der sichtbaren Dinge aber kann man nicht kommen zur
Kenntnis der vom Stoffe und von der Sichtbarkeit getrennten kraft ihrer
Wesenssubstanz bereits vernünftigen Substanzen, wie in I. Kap. 88,
Art. 2 hervorgehoben worden; denn diese Substanzen sind ihrem Wesen nach
erhaben über die menschliche Vernunft. Also kann des Menschen letzte
Seligkeit nicht bestehen in der Betrachtung der spekulativen Wissenschaften.
Wie jedoch die sinnlich wahrnehmbaren Wesen kraft ihrer Formen an einer
gewissen Ähnlichkeit mit den stofflosen Substanzen teilnehmen, so
liegt in der Betrachtung der spekulativen Wissenschaften eine gewisse Teilnahme
an der wahren und vollendeten Seligkeit. Aristoteles spricht da von der
unvollendeten Glückseligkeit in diesem Leben. Kraft der Natur verlangen
wir nicht nur nach der vollendeten Seligkeit, sondern auch nach deren irgendwie
beschaffenen Ähnlichkeit oder Teilnahme an selbiger. Vermittelst der
Betrachtung der spekulativen Wissenschaften geht die Vernunft in eine gewisse
Tätigkeit über; nicht aber in die letzte und vollendete. [5]
2. Vorteil der Taufe"Und weil durch Christus, den Gottmenschen, die Seligkeit auf andere fortgepflanzt werden sollte, „denn viele Söhne hatte er in die Herrlichkeit geführt“ (Hebr. 2.); so war auch seine Seele von der Empfängnis an ohne vorhergehende Tätigkeit selig. Dies ist Ihm aber allein eigen. Denn den getauften Kindern hilft das Verdienst Christi, auf dass sie, obgleich sie keine guten Werke getan, in die Seligkeit eintreten. Der Apostel spricht von der Seligkeit der Hoffnung, welche der heiligmachenden Gnade gedankt wird. Sie wird nicht gegeben auf Grund vorhergehender Werke; denn sie trägt nicht den Charakter des Endpunktes, sondern ist vielmehr der Anfang oder das Prinzip der Tätigkeit, womit man nach der Seligkeit strebt. " Thomas von Aquin, I-II, q 5
3. Urteil der WeisenGregor von Nyssa sagt (de nat. hom. 34.): „Alles Beraten ist ein Untersuchen; aber nicht alles Untersuchen ist ein Beraten.“ In den Dingen, die der Mensch wirkt, ist viele Ungewissheit; denn derartiges Wirken richtet sich immer auf einzelne Verhältnisse und Einzeldinge, die auf Grund ihrer Wandelbarkeit ungewiß sind. In zweifelhaften und ungewissen Dingen aber spricht die Vernunft kein Urteil aus ohne vorhergehende Untersuchung oder Nachforschung; und deshalb ist die Nachforschung der Vernunft vor dem Urteile über das zu Erwählende notwendig. Und dieses Nachforschen nennt man Ratschlag oder Beratschlagen; weshalb Aristoteles (3 Ethic. 3.) sagt: „Die Auswahl ist das Begehren nach dem, was vorher beraten worden ist.“ So oft die Tätigkeiten zweier Vermögen zu einander Beziehung haben, ist in einer jeden dieser Tätigkeiten enthalten etwas von dem anderen Vermögen; und sonach können beiderlei Tätigkeiten von einem jeden der beiden Vermögen her benannt werden. Nun ist aber offenbar, dass die Tätigkeit der Vernunft, die da leitet im Bereiche des Zweckdienlichen, und die Tätigkeit des Willens, der gemäß der von der Vernunft ausgehenden Leitung nach dem Zweckdienlichen hinstrebt, aufeinander bezogen werden. Somit erscheint sowohl in der Tätigkeit des Willens, im Wählen, etwas von der Vernunft, nämlich die Ordnung; als auch erscheint in der Tätigkeit der Vernunft, im Ratschlage, etwas vom Willen wie als ob dies der bestimmbare Stoff, die Materie wäre, 1. weil nämlich der Mensch darüber beratschlagt, was er tun will; und 2. weil der Mensch daraus dass er den Zweck will, sich dazu bestimmt, zu beratschlagen rücksichtlich dessen, was zum Zwecke führt. Und deshalb nennt Aristoteles (6 Ethic. 2.) die Auswahl „den begehrenden Verstand“, damit er ausdrücke, beides, Vernunft und Wille, trage bei zum Auswählen; und Damascenus nennt den Ratschlag „das forschende Verlangen“; damit er ausdrücke, wie der Ratschlag angehöre der Vernunft, die da nachforscht; und dem Willen ebenfalls in einer gewissen Weise, weil dessen Bestimmung zufolge die Nachforschung geschieht und weil sie sich mit dem beschäftigt, was der Wille will. Von Gott muss alles Mangelhafte fern gehalten werden. So ist bei uns Wissenschaft nichts Anderes als: die vermittelst des Schließens von der Ursache auf die Wirkung entstandene zuverlässige Kenntnis des als Schluss sich Ergebenden. In Gott aber bezeichnet Wissen einzig und allein die Zuverlässigkeit der Kenntnis aller Wirkungen, die von der ersten Ursache ausgehen, ohne irgend ein Schließen vom einen zum anderen. Und ebenso wird Gott zugeschrieben der Ratschlag als das zuverlässige Ergebnis. Aber das Untersuchen, aus welchem bei uns der Ratschlag hervorgeht, wird Gott nicht zugeschrieben, weil dies ein Mangel wäre. Demgemäß sagt Damascenus (2. de orth. fide 22.): „Gott berät sich nicht; dem allein, der in Unkenntnis über etwas ist, steht es zu, sich zu beraten.“ Nichts steht dem entgegen, dass manche Güter äusserst zuverlässige und zweifellose sind nach dem Urteile der Weisen und geistiger Männer; die aber nicht so zweifellose Güter sind in der Meinung der Mehrheit oder fleischlich gesinnter Menschen. Über derartige also wird Rat erteilt. [7]Hilarius schreibt
(2 de Trin.): „Die Ewigkeit ist im Vater, die Schönheit oder Wesensform
im Sohne, das Gebrauchen im heiligen Geiste.“ Der heilige Geist aber als
Gott ist letzter Endzweck. „Gebrauchen“ heisst: Etwas auf ein Anderes anwenden.
Dergleichen aber ist im Bereiche des Zweckdienlichen. Also jegliches „Gebrauchen“
geht immer auf das Zweckdienliche, was deshalb auch als „brauchbar“, nützlich
bezeichnet wird. Jedoch muss hierbei berücksichtigt werden, dass der
letzte Endzweck eine doppelte Bezeichnung hat: einmal ist es in absoluter
Weise die Sache selbst, wie z. B. für den Geizigen das Geld; — und
so wird der letzte Zweck nur genossen, nicht gebraucht. Dann ist der letzte
Zweck die Sache mit Beziehung auf jemanden, also die Erreichung, der Besitz
des Geldes z. B.; — und so wird gesagt, das Geld oder den letzten Endzweck
gebrauche der Besitzende. Augustin spricht im allgemeinen, insofern das
„Gebrauchen“ einschliesst die Beziehung der Sache, die letzter Zweck ist,
zum Genießen selber, was jemand in dieser Sache sucht. Der Zweck
ist in der Gewalt des Willens, damit der Wille dann ausruht, wonach dieses
Ausruhen selber im Endzwecke, das Geniessen also, ein Gebrauchen des Zweckes
ist. Was aber als zweckdienlich in der Gewalt des Willens ist, das steht
nicht nur in Beziehung zu dem Willen, der es hat, sondern auch zu einer
anderen Sache, in deren Besitz der Wille ausruht. „Gebrauchen“ heisst hier
bei Hilarius: „Ausruhen“ im letzten Zwecke. Deshalb sagt Augustin (6 de
Trin. 10.): „Jenes Ergötzen, Glücklichsein, Seligsein wird „Gebrauchen“
genannt.“ [8]
4. Sittliches HandelnDer Gegenstand, auf den eine Handlung sich richtet, ist eine Sache. „In den Sachen aber ist kein Übel,“ wie Augustin sagt (3. de doctr. chr. 12.), „sondern darin, dass der Mensch sie sündhaft gebraucht.“ Nicht also vom Gegenstande kommt das Gute oder die Bosheit im menschlichen Handeln. Der Gegenstand steht zur Handlung im selben Verhältnisse wie der bestimmbare Stoff, aus dem durch die Form etwas werden soll. Das Gute einer Sache aber stammt nicht aus dem Stoffe, der in ihr sich findet; sondern vielmehr aus der bestimmenden Form, von welcher das bestimmte tatsächliche Sein kommt. Also „das Gute“ und „Bosheit“ kommt im menschlichen Handeln nicht vom Gegenstande. Der Gegenstand, auf den das tätig wirksame Vermögen sich richtet, steht zur Handlung des letzteren im Verhältnisse wie die Wirkung zur Ursache. Das „Gute“ der Ursache aber hängt nicht von der Wirkung ab, sondern vielmehr ist das Umgekehrte der Fall. Bei Hosea 9. steht geschrieben: „Sie wurden mir ein Greuel wie das, was sie liebten.“ Verabscheuenswert aber wird der Mensch wegen der Bosheit seines Handelns. Also ist diese Bosheit gemäß den schlechten Sachen, die er liebt; und ebenso verhält es sich mit dem „Guten“. Wie bereits gesagt, wird das Gute und das Böse im Handeln sowie in den übrigen Dingen erschlossen aus der Vollendung des gebührenden Seins oder dem Mangel daran. Was aber zuerst zur Vollendung des Seins zu gehören scheint, ist jenes Moment, von woher dem Dinge das Wesen der Gattung verliehen wird. [9]Gregor der Große (hom. 6. in Evg.): „Ein müßiges Wort ist dasjenige, dem es entweder an Rechtheit, oder an berechtigter Notwendigkeit, oder an frommer Nützlichkeit mangelt.“ Nun ist aber ein unnützes Wort ein Übel; denn "davon müssen die Menschen am Tage des Gerichts Rechenschaft geben", wie es bei Matth. 12 heisst. Wenn es nun der gerechten Notwendigkeit oder frommen Nutzens nicht entbehrt, ist ein solches Wort etwas Gutes. Also jegliches Wort ist entweder gut oder schlecht; und dasselbe gilt natürlich von jeder Handlung. Also gibt es, soweit der Einzelne in Betracht kommt, nichts Indifferentes. Nach Thomas könne wohl eine Handlung an sich in ihrem Wesen betrachtet indifferent, d. h. weder gut noch böse sein; und doch ist sie als dem Einzelnen angehörig gut oder schlecht. Denn der moralische Akt hat das Gute nicht nur vom Gegenstande her, sondern auch von den Umständen als dazu tretenden Eigenschaften; wie ja auch der einzelne Mensch als einzelner Manches hat, was dem Menschen seinem allgemeinen menschlichen Wesen gemäß nicht zukömmt. Es ist nämlich notwendig, dass jeglicher Akt einer einzelnen Person einen irgend welchen Umstand besitzt, durch welchen er den Charakter des Guten oder Bösen erhält, mag auch dieser „Umstand“ zum mindesten von seiten der auf den Zweck gerichteten Absicht herkommen. Denn da es der Vernunft zugehört, zu ordnen, so ist die Handlung selber, welche von der erwägenden Vernunft ausgeht, der Vernunft zuwider und deshalb schlecht, wenn sie nicht zum gebührenden Zwecke hingeordnet ist. Ist sie aber zum gebührenden Zwecke hingeordnet und entspricht sie so der Ordnung der Vernunft, so ist sie gut. Dass sie aber zum gebührenden Zwecke hingelenkt werde oder nicht, das ist unumgänglich erfordert. Jeglicher Akt also des Menschen, der von der erwägenden Vernunft ausgeht, ist als dem Einzelnen zugehörig betrachtet entweder gut oder schlecht. Geht aber eine Handlung nicht von der erwägenden Vernunft aus, sondern von einer gewissen Form in der Einbildungskraft (wie wenn jemand am Barte zupft, Hand oder Fuß bewegt), so hat eine solche Handlung nicht den Charakter des Moralischen; es ist keine „menschliche“ Handlung, da sie diesen Charakter nur von der Vernunft her hat. Und demnach ist sie indifferent, so jedoch, dass sie außerhalb des Bereiches der moralischen Thätigkeit steht. [10] "Der Wille richtet sich nicht immer auf das wahrhaft Gute, sondern manchmal auch auf das bloß scheinbar Gute." - Thomas von Aquin, I-II, q 19Aristoteles meint, dass das Gutsein der praktischen Vernunft "in dem wahren besteht, das in Übereinstimmung mit dem rechten Streben ist." Maßlos dagegen ist alle Hartnäckigkeit übernommener Willenshaltungen, wo der Wille nicht der Vernunft unterworfen wird. [11] "Daher gibt es keine Entscheidung ohne Verstand und Denken auf der einen Seite, ohne feste charakterliche Grundhaltung auf der anderen Seite. Denn wertvolles Handeln und dessen Gegenteil ist undenkbar innerhalb eines menschlichen Tuns, das sich ohne Denken und charakterliche Festigkeit vollzöge." - AristotelesHilarius (10. de Trin.): „Maßlos ist alle Hartnäckigkeit übernommener Willenshaltungen, wo der Wille nicht der Vernunft unterworfen wird.“ Das Gutsein des Willens aber besteht eben darin, dass er nicht maßlos ist. Somit hängt das Gutsein des Willens davon ab, dass dieser der Vernunft unterworfen wird. Das Gutsein des Willens im eigentlichen Sinn hängt vom Objekt ab. Sein Objekt wird dem Willen jedoch durch die Vernunft vorgestellt; denn das vom Intellekt erfasste Gut ist dasjenige Objekt des Willens, das diesem entspricht. Das sinnlich erfassbare oder vorstellbare Gute steht nicht in Entsprechung zum Willen, sondern zum sinnlichen Begehren, weil nur der Wille nach dem umfassenden Guten, das die Vernunft auffasst, zu streben vermag; das sinnliche Begehrungsvermögen geht demgegenüber ausschließlich auf ein partikuläres Gut, welches die Sinnlichkeit auffasst. Und deshalb hängt das Gutsein des Willens von der Vernunft in derselben Weise ab, wie es vom Objekt abhängig ist. Das Gute als das Gute, d. h. als das Erstrebenswerte, gehört ursprünglicher dem Willen an als der Vernunft; es gehört als das wahre Gute dennoch ursprünglicher der Vernunft an denn als Erstrebbares dem Willen. Das Streben des Willens kann sich nämlich nur dann auf das Gute richten, wenn dieses zuvor von der Vernunft aufgefasst wurde. [12] Thomas läßt den Psalmist fragen: "Wer zeigt uns das Gute? Du, Herr hast über uns das Licht Deines Angesichtes entzündet" Das bedeutet soviel wie "Insofern vermag das Licht der Vernunft, das in uns ist, uns das Gute zu zeigen und dem Willen ein Maß zu geben." Dieses Maß wird man im Islam allerdings vergeblich suchen, es ist durch Christus gekommen: "insofern es das Licht Deines Angesichtes ist, d.h. von Deinem Angesicht herkommend." Es sei offensichtlich, dass das Gutsein des Willens weit mehr vom ewigen Gesetz als von der menschlichen Vernunft abhängig sei; da die rein menschliche Vernunft nicht ausreiche, sei es notwendig, auf die ewige Vernunft zurückzugreifen, die durch die Offenbarung durch Christus gegeben wurde. Wenn die Wahrheit verdreht wurde, wie dies ganz offensichtlich bei Mohammed der Fall gewesen sei, "wenn Vernunft bzw. Gewissen jemandem von dem, was an sich schlecht ist, sagen, dass der Mensch dem Gebot gemäß gehalten sei, es zu tun, oder von etwas, was an sich gut ist, dass es verboten sei, würde die Vernunft bzw. das Gewissen sich im Irrtum befinden." Da nun unter "Objekt des Willens" dasjenige zu verstehen sei, was von der Vernunft vorgestellt werde, "so nimmt, wenn der Wille sich auf etwas richtet, das von der Vernunft als schlecht vorgestellt wird, dieses den Charakter des Schlechten an." Wenn es also von der Vernunft als schlecht vorgestellt werde, richte sich der Wille darauf als auf etwas Schlechtes, "nicht weil es wesentlich schlecht, sondern weil es in der Erfassung durch die Vernunft in akzidenteller Weise schlecht ist." Daher sagt Aristoteles in der Nikomachischen Ethik, dass "der im eigentlichen Sinne Unbeherrschte derjenige ist, der nicht der rechten Vernunft folgt", der in akzidenteller Weise Unbeherrschte dagegen derjenige, der einer irrenden Vernunft nicht folge und der Besserung fähig sei. Man müsse also festhalten, dass an sich jeder Wille, der von der Vernunft abweiche, sei diese eine rechte oder eine irrige, immer schlecht sei. [13] "In ähnlicher Weise ist der Glaube an Christus von seinem Wesen her gut und heilsnotwendig; und gleichwohl richtet sich der Wille nur insofern auf dieses Gut, als es von der Vernunft als dieses vorgestellt wird." - Thomas von Aquin "Auch wenn das Urteil der irrenden Vernunft sich nicht von Gott herleitet, so stellt doch die irrende Vernunft ihr Urteil als wahr und demzufolge als von Gott hergeleitet vor, von dem ja alle Wahrheit stammt." - Thomas von Aquin Das Schlechte entstehe aus einzelnen Unvollkommenheiten, das Gute jedoch erst aus der ganzen und vollständigen Sache. Richtet sich der Wille also auf das, was an sich schlecht ist, als auf etwas Gutes oder auf ein an sich Gutes als auf etwas Schlechtes, so ist der Wille in beiden Fällen schlecht. (zum Beispiel falsches Fasten wie Mohammed oder Muhammad von seinen Anhängern fordert, dass sie im Ramadan-Monat tagsüber fasten, auch nichts trinken, und nach Einbruch der Dunkelheit das Versäumte um so eifriger nachholen, so dass beispielsweise die Fleischer gerade im Ramadan Spitzenumsätze verzeichnen.) [14] Die "Bosheit der Intention" allein ist bereits hinreichend für die Bosheit des Willens. Daher gilt zwar: je schlechter die Intention, umso schlechter der Wille, aber es gilt nicht dieselbe Regel mit Bezug auf das Gutsein. [15] Man müsse also in die Betrachtung mit einschließen, dass ja dazu, dass etwas schlecht sei, schon ein einziger Mangel hinreiche; dazu hingegen, dass etwas schlechthin gut sei, sei ein einzelnes Gut nicht hinreichend; dazu sei vielmehr die "Vollständigkeit des Gutseins" erforderlich. Das Beispiel Muhammad zeigt ganz deutlich: "wenn nämlich jemand bedenkt, dass aus seiner Handlung vieles Üble folgen kann, und sie gleichwohl nicht unterlässt, dann wird hieraus deutlich, dass sein Wille um so ungeordneter ist." [16] "Das Gutsein der Intention allein ist nicht der vollständige Grund für die Güte des Willens." - Thomas von Aquin "Eine Sache wird ja nicht nach dem beurteilt, was an ihr zufällig, sondern einzig nach dem, was für sie wesentlich ist." - Thomas von Aquin Die Vernunft habe
in den Belangen der Sachkunde eine andere Funktion als in denen der Sittlichkeit.
Im Bereich der Sachkunde beziehe sich die Vernunft auf ein eingeschränktes,
von der Vernunft selbst konzipiertes Ziel. Im Sittlichen hingegen beziehe
sie sich auf das umfassende Ziel des ganzen menschlichen Lebens. In den
Belangen der Sittlichkeit, wo die Hinordnung der Vernunft auf das umfassende
Ziel des menschlichen Lebens ins Auge gefasst werde, liege das Übel
immer in der Abweichung von der Hinordnung der Vernunft auf das umfassende
Ziel des menschlichen Lebens. Daher werde jemand, insofern er Mensch und
ein sittliches Wesen sei, wegen einer solchen Verfehlung beschuldigt. Unsere
guten bzw. schlechten Handlungen haben aber vor dem christlichen Gott auf
beiderlei Weise den Charakter des Verdienstes bzw. des Strafwürdigen.
Erstens in bezug auf den christlichen Gott selbst nämlich, insofern
er das letzte Ziel des Menschen sei. Wer also eine schlechte, auf den christlichen
Gott nicht hinzuordnende Tat begehe, erweise Gott nicht die Ehre, die dem
letzten Ziel geschuldet sei. Zweitens in bezug auf die Gemeinschaft des
ganzen Universums, insofern der in jeder Gemeinschaft Herrschende vor allem
die Sorge um das Gemeinwohl trage. Daher gehöre es zu seinen Aufgaben,
all das zu vergelten, was in der Gemeinschaft an Gutem und Schlechtem geschehe.
Im Gegensatz zum islamischen Gott, ist der christliche Gott "der Lenker
und Herrscher des ganzen Universums, und insbesondere der vernunftbegabten
Geschöpfe." Daher sei offenkundig, dass die menschlichen Handlungen
auch in Hinblick auf Christus den Charakter des Verdienstes bzw. des Strafwürdigen
haben; andernfalls hieße das, dass Christus sich selbst nicht um
die Handlungen der Menschen kümmere. [17]
5. ist lobenswerter, dass jemand aus dem vernünftigen Urteile allein heraus ein Werk der Liebe vollbringt, wie wenn er es nur der Leidenschaft der sinnlichen Barmherzigkeit zufolge tutDie Stoiker nahmen an, jede Leidenschaft vermindere das moralisch Gute, weil nach ihrer Ansicht jede Leidenschaft ein Übel war. Denn jegliches Gute wird durch Beimischung des Bösen gemindert oder ganz entfernt. Nennen wir aber „Leidenschaften“ nicht allein die ungeregelten Bewegungen im sinnlichen Begehren, sondern vielmehr alle solche Bewegungen schlechthin; so gehört es zur Vollendung des menschlich Guten, dass auch solche Leidenschaften geregelt sind und ihr Maß erhalten durch die Vernunft. Denn da des Menschen Gut oder Vollendung in der Vernunft besteht wie in seiner Wurzel, so wird dieses Gut um so größer sein, je weiter es sich auf die Dinge erstreckt, die dem Menschen zukommen. Danach zweifelt niemand daran, dass es zur Vollendung des moralisch Guten gehört, die Tätigkeit der äusseren Glieder unter die Richtschnur der Vernunft zu bringen. Da also das sinnliche Begehren dem vernünftigen Gebote dienen kann, so ist es zur Vollendung des moralischen oder menschlichen Guten gehörig, dass auch die Leidenschaften selbst durch die Vernunft geregelt werden. Wie sonach es besser ist, dass der Mensch sowohl das Gute will als auch dass er mit den äusserlichen Organen wirklich es tut, so ist es eine Vollendung des moralisch Guten, dass der Mensch zum Guten hinbewegt wird nicht nur gemäß dem Willen, sondern auch gemäß dem sinnlichen Begehren, wie es Ps. 83. heisst: „Mein Herz und mein Fleisch haben gejubelt zum lebendigen Gott“, wo wir unter „Herz“ den geistig vernünftigen Willen verstehen und unter „Fleisch“ das sinnliche Begehren. Die Leidenschaften können dem Urteile der Vernunft vorhergehen; dann verdunkeln sie dasselbe und vermindern demgemäß den Charakter des guten Moralischen im Akte; "denn es ist lobenswerter, dass jemand aus dem vernünftigen Urteile allein heraus ein Werk der Liebe vollbringt, wie wenn er es nur der Leidenschaft der sinnlichen Barmherzigkeit zufolge tut. Es kann aber die Leidenschaft auch nachfolgen und zwar entweder, weil der höhere geistige Teil der Seele so stark ist in der Tätigkeit des Guten, dass davon überfliesst auf den niederen Teil; und so ist die Leidenschaft des sinnlichen Teiles ein Zeichen der starken Bewegung zum Guten hin im höheren und zeigt eine höhere moralische Güte an. Oder die Leidenschaft kann nachfolgen, weil der Mensch kraft des vernünftigen Urteils die Wahl trifft, eine Leidenschaft in sich zu erwecken, damit er, wenn der sinnliche Teil ebenfalls in Tätigkeit ist, in dieser Weise schneller zum Ziele gelange; und so fügt die Leidenschaft zum moralisch Guten hinzu. In Gott und den Engeln ist kein sinnliches Begehren und keine Tätigkeit körperlicher Glieder. Also fällt da die Regelung derselben durch die Vernunft fort. Die Leidenschaft zum Bösen hin, die dem Urteile der Vernunft vorhergeht, vermindert das moralisch Böse; folgt sie in den zwei genannten Weisen nach, so vermehrt sie dasselbe oder ist davon ein Zeichen." [18]"Leidenschaften, die auf das Gute gerichtet sind, nämlich auf das wahre Gute, sind gut; und ebenso jene, welche vom wahren Übel sich entfernen. Umgekehrt sind Leidenschaften böse, die auf das Übel sich richten oder vom wahren Guten entfernen." - Thomas von Aquin, q 24 6. Liebe (amor), Wahlverwandtschaft (dilectio), "Nun ist es aber offenbar, dass im Menschen als das Hauptsächliche der vernünftige Geist dasteht. Denken also Einzelne, sie hätten hauptsächlich Sein gemäß ihrem körperlich-sinnlichen Teile..."Vier Namen finden sich, die das Nämliche bezeichnen: Liebe (amor), Wahlverwandtschaft (dilectio), Wertschätzung (caritas), freundschaftliche Zuneigung (amicitia). Sie sind nun zuvörderst dadurch unterschieden, dass die „freundschaftliche Zuneigung“ nach Aristoteles (8 Eth. 5.) mehr einen Zustand ausdrücke; „Liebe“ und „Wahlverwandtschaft“ aber die Tätigkeit selber oder das Leiden; der Ausdruck „Wertschätzung“ werde in jeder von beiden Weisen gebraucht. Die Tätigkeit wird jedoch wieder nicht unterschiedslos durch die drei letzten Namen bezeichnet. Denn der Ausdruck „Liebe“ ist der allgemeinere unter ihnen; da jede Wahlverwandtschaft und jede Wertschätzung wohl Liebe ist, nicht aber umgekehrt. Der Ausdruck „Wahlverwandtschaft“ nämlich fügt zur „Liebe“ hinzu eine vorhergehende Wahl, wie der Name selbst (dileectio di-electio) andeutet; so dass eine solche Wahlverwandtschaft nicht in der Begehrkraft sich findet, sondern nur im Willen, also nur in der vernünftigen Natur. Die „Wertschätzung“ aber fügt zur „Liebe“ hinzu eine gewisse Vollendung derselben, insoweit das, was geliebt wird, als wertvoll erscheint. Dionysius spricht von Liebe und Wahlverwandtschaft, soweit Beides im vernünftigen Begehren sich findet; und so ist Beides das Nämliche. Der Gegenstand der Liebe ist umfassender, allgemeiner, wie eben gesagt. Gemäß dem Guten und Bösen besteht kein Unterschied zwischen Liebe und Wahlverwandtschaft; und im geistigen Teile ist Beides das Nämliche, weshalb Augustin fortfährt: „Der aufrechte gerade Wille ist die gute Liebe (bonus amor); der verkehrte Wille die falsche Liebe.“ Weil aber die Liebe in der sinnlichen Begehrkraft viele zum Bösen hinneigt; deshalb hat man Gelegenheit genommen, den erwähnten Unterschied zu machen. Manche nannten die Liebe göttlicher wie die Wahlverwandtschaft. Denn die Liebe schliesst ein gewisses Leiden, Empfangen, eine Leidenschaft ein; zumal insofern sie in der sinnlichen Begehrkraft ist. Die Wahlverwandtschaft jedoch setzt voraus ein Urteil der Vernunft. Weil nun der Mensch vorzugsweise nach Gott strebt als leidend, gleichsam von Gott selber angezogen, und nicht so sehr nach dem Urteile der Vernunft; deshalb bezeichnet man die Liebe als „göttlicher.“ [19]Das Böse wird niemals geliebt ausser auf Grund des Guten, soweit es nämlich tatsächlich nur in gewisser Beziehung ein Gut ist und trotzdem aufgefasst wird als ein Gut schlechthin. Auf diese Weise gibt es eine schlechte Liebe vermittelst deren man nach dem schlechthin strebt, was nicht ohne Bedingung und Voraussetzung ein wahres Gut schlechthin ist. So also „liebt der Mensch die Bosheit“; insofern man durch die Bosheit ein gewisses Gut erreicht, z. B. etwas Geld und Ähnliches, was aber kein Gut schlechthin ist. Die da ihre Übel eingestehen, werden nicht wegen dieser Übel geliebt, sondern weil sie dieselben eingestehen. „Schön“ ist der tatsächlichen Wirklichkeit nach dasselbe wie „gut“; nur in der Auffassung besteht da ein Unterschied. Denn da das Gute von Allem erstrebt wird, ist „gut“ seinem Wesen nach das, worin die Begehrkraft oder der Wille ruht. Zum Wesen des Schönen aber gehört es, dass in seinem Anblicke oder in seiner Kenntnis das Begehren ruht; so dass jene Sinne vorzugsweise auf das Schöne sich richten, die an erster Stelle dem Erkennen gewidmet sind, nämlich das Gehör und das Gesicht, insoweit sie der Vernunft dienen; schön nennen wir das schöne Sichtbare und schöne Töne. In den sinnlich wahrnehmbaren Gegenständen der anderen Sinne aber bedienen wir uns nicht des Namens der Schönheit, denn wir sagen nicht „schöne Düfte oder schönes Wohlschmeckende.“ So also fügt offenbar das „Schöne“ zum „Guten“ hinzu eine gewisse Beziehung zu den Erkenntnisvermögen; so dass „gut“ heisst was dem Begehren gefällt; „schön“ das, dessen Auffassung selber gefällt. [20] "Wie manchmal etwas als gut aufgefaßt wird, was in Wahrheit nicht gut ist; so wird auch oft etwas als böse aufgefasst, was nicht in Wirklichkeit böse ist. Und so trifft es sich, dass manchmal weder der Hass gegen ein wahres Übel, noch die Liebe auf ein wahres Gut sich richtet." - Thomas von Aquin, q 29Jemand lieben aber bedeutet: ihm Gutes wollen. Notwendigerweise also muss jeder sich selbst lieben; kann sonach unmöglich sich hassen. Nebensächlicherweise aber kann jemand sich hassen und zwar: 1. von seiten des Gegenstandes, insofern jemand begehrt, was nach einer gewissen Seite hin wohl ein Gut ist, an sich betrachtet aber ein Übel; wonach er also vom Scheine getäuscht für sich in Wahrheit ein Übel will, und somit sich selber hasst; — 2. von seiten des Wollenden, des Subjekts also, dem man Gutes will. Denn jegliches Wesen ist vorzugsweise das, was in ihm an erster Stelle steht, also das Hauptsächliche vorstellt; wonach man sagt, ein Staat tue das, was der König tut, als ob der König der ganze Staat sei. "Nun ist es aber offenbar, dass im Menschen als das Hauptsächliche der vernünftige Geist dasteht. Denken also Einzelne, sie hätten hauptsächlich Sein gemäß ihrem körperlich-sinnlichen Teile und lieben sie sich in der Weise gemäß ihrer falschen Meinung, so hassen sie, was sie in Wahrheit sind, da sie der Vernunft zuwider wollen. Und in jeder von beiden Weisen hasst derjenige, der die Bosheit liebt, nicht nur seine eigene Seele, sondern sich selbst." [21] „Alle Menschen verlangen kraft ihrer Natur nach Wissenschaft,“ sagt Aristoteles. Der Gegenstand der Wissenschaft ist aber nur das Wahre. Also wird kraft der Natur die Wahrheit gesucht und geliebt. Was aber von Natur aus einem Wesen innewohnt, das wohnt ihm immer inne. Also niemand kann die Wahrheit hassen. Aristoteles schreibt (2 Met. 4.): „Die Menschen lieben jene, die nicht heucheln;“ also doch nur weil sie die Wahrheit lieben. [22] Also kann das Gute seinem ganzen Wesenscharakter gemäß nicht gehasst werden, weder im allgemeinen noch im besonderen. Das Sein und das Wahre aber kann wohl, im allgemeinen aufgefasst, nicht gehasst werden; denn die Ursache für den Hass ist der Widerspruch oder die Unzukömmlichkeit, während das Sein und das Wahre Allem, was ist, zukommt. Im besonderen aufgefasst aber steht dem nichts entgegen, dass ein besonderes, beschränktes Sein und eine gewisse Wahrheit gehasst wird, insofern es den Charakter des Unzukömmlichen, des Widerstreitenden hat. Denn der Gegensatz und das Widerstreitende sind nicht gegen den Charakter des Seins und des Wahren, wie dies der Fall ist bei dem Charakter des Guten. Nun geschieht es, dass eine gewisse Wahrheit im besonderen in dreifacher Weise dem geliebten Gute widerstreitet: 1. gemäß dem dass die Wahrheit als Ursache und Ursprung der wahren Auffassung für uns in den Dingen selber ist; und so hasst der Mensch manchmal eine Wahrheit, weil er wollte, es wäre dies nicht wahr, was wahr ist; — 2. gemäß dem dass jene besondere Wahrheit in der Kenntnis des Menschen ist, die ihn hindert im Streben nach dem Besitze des geliebten Gute; wie wenn manche die Wahrheit des Glaubens nicht erkennen möchten, damit sie ungezügelt sündigten, in deren Person es bei Hiob heisst (21, 14.): „Die Kenntnis Deiner Wege wollen wir nicht;“ — 3. gemäß dem dass eine gewisse besondere Wahrheit in der Kenntnis eines anderen sich befindet; wie wenn jemand in der Sünde liegen bleiben will, er es dann hasst, dass ein anderer von seiner Sünde weiß, nach Augustin (Conf. 10, 23.): „Die Menschen lieben wohl die Wahrheit, wenn sie ihnen leuchtet; aber sie lieben dieselbe nicht, wenn sie ihnen Vorwürfe macht.“ Die Wahrheit erkennen ist an sich stets der Liebe würdig; „man liebt die leuchtende Wahrheit“ sagt Augustin. Aber mit Rücksicht auf besondere Verhältnisse, also nebensächlich, kann die Kenntnis einer Wahrheit hassenswert sein; als Hindernis nämlich für die Erreichung eines geliebten Gutes. Der Mensch liebt an und für sich, im allgemeinen, die Wahrheit und darum liebt er andere, die nicht heucheln; denn sie offenbaren ihm Wahrheit. [23] „Der Zorn erstreckt sich stets auf etwas Besonderes, der Hass aber geht auch auf das Allgemeine, auf die ganze „Art“; den Dieb z. B. und den Verleumder hasst ein jeder.“ - Aristoteles, 2 Rhet. 4 7. Ruhe begünstigt in hohem Grade den Gebrauch der Vernunft, "Sophrosyne" (Besonnenheit)Die Ruhe begünstigt in hohem Grade den Gebrauch der Vernunft, wie 7 Phys. es heisst: „Sitzend und ausruhend wird die Seele klug und weise“, oder wie Sap. 8. gesagt wird: „In mein Haus werde ich eintreten und mich ausruhen bei ihr“, nämlich bei der Weisheit. Aristoteles führt ähnlich wie Plato den Begriff der "Sophrosyne" (Besonnenheit) ein weil sie im Gegensatz zu Lust und Unlust die Möglichkeit des sittlichen Handelns nicht zerstört. Auf diese Weise kann man auch zur "Wohlberatenheit" gelangen, d.h. einem Zustand, der unseren Politikern, deren Beratern und einigen materialistischen Wissenschaftlern und Genetikern unbekannt ist. [24]:"Einem Menschen aber, der durch Lust und Unlust innerlich zerstört ist, zeigt sich schon gleich kein Ansatzpunkt des Handelns mehr und auch kein Antrieb, dass dieses bestimmte Ziel oder dieser bestimmte Grund all seine Entschlüsse und Handlungen bestimmen soll. Die Verdorbenheit nämlich ist es, die grundsätzlich die Ansatzpunkte des Handelns zerstört. So ergibt sich mit Notwendigkeit, dass die sittliche Einsicht eine mit richtigem Planen verbundene, zur Grundhaltung verfestigte Fähigkeit ist." - Aristoteles, Eth VI, 5Es besteht dagegen eine Lust an der Tätigkeit der Vernunft selber, wie wenn jemand sich daran freut, nachzuforschen und zu denken; und eine derartige Lust erhöht den Gebrauch der Vernunft. Denn das tun wir mit mehr Aufmerksamkeit, was wir gern tun; die Aufmerksamkeit aber ist eine Hilfe für das Tätigsein. Die körperliche Lust und Unlust jedoch sind aus drei Gründen ein Hindernis für den Gebrauch der Vernunft. 1. Sie zerstreuen; denn wir geben sehr acht auf das, was uns gefällt. Geben wir aber recht stark acht auf die eine Tätigkeit, so werden wir schwächer in der anderen oder ganz darin gestört. Und deshalb, wenn die körperliche Lust groß ist, hört der Gebrauch der Vernunft entweder ganz auf oder er wird in hohem Grade gehindert. 2. Zumal Lust und Unlust, welche das Maß übersteigen, sind gegen die Ordnung der Vernunft und somit im Gegensatze zu dieser. Und demnach meint Aristoteles, „die Meinung der Klugheit werde dadurch verdorben,“ nicht zwar der spekulativen, theoretischen, z. B. dass das Dreieck zwei R. enthalte, sondern die Anwendung auf die praktischen Fälle. 3. Die körperlichen Kräfte werden gebunden. Denn die Lust hat zur Folge eine Veränderung im Stofflichen, Körperlichen hin; und zwar eine um so größere je heftiger die Lust ist, und immer im Vergleiche zu allen anderen Leidenschaften die größte, weil die Lust sich mit dem gegenwärtigen Gute beschäftigt, die anderen mit dem abwesenden, Die Ruhe, welche die Lust begleitet, ist manchmal entgegengesetzt der Ordnung der Vernunft; und immer hat sie zur Folge ein körperliches Anderswerden. Nach beiden Seiten hindert es den Gebrauch der Vernunft. Die begehrende und auffassende Kraft sind zwar verschiedene Kräfte, gehören aber der nämlichen Seele an. Ist also die Aufmerksamkeit der Seele auf die Tätigkeit der einen Kraft gerichtet, so ist damit ein Hindernis für die Tätigkeit der anderen gegeben. Der Gebrauch der Vernunft erfordert den gebührenden Gebrauch der Einbildungskraft und anderer sinnlicher Kräfte, die mit körperlichen Organen verbunden sind. Und so folgt aus der körperlichen Veränderung im Organe auch ein Hindernis für den Gebrauch der Vernunft. [25]: Einige haben gesagt,
alle Lust und Unlust seien an sich schlecht. Sie sahen nämlich nur
auf die sinnliche, körperliche Lust und Unlust, die mehr offen vorliegt.
Denn auch sonst haben die älteren Philosophen nicht genau unterschieden
zwischen Sinn und Vernunft. Sie meinten nun, die körperliche Lust
und Unlust seien alle insgesamt schlecht, so dass die Menschen von denselben
sich ganz und gar zurückzuziehen hätten, um zur rechten Mitte
der Tugend zu kommen. Doch diese Meinung ist unzulässig. Denn da der
Mensch seiner Natur nach nicht leben kann ohne irgend welches sinnliche
Lust, so werden, wenn jene, die da lehren, alle Lust und Unlust seien schlecht,
von der eigenen Natur gezwungen, selber einzelne an sich zulassen, die
anderen nur um so mehr sich Lust und Unlust hingeben, angelockt durch das
Beispiel in den Werken und ohne den Zügel gesunder Lehre in den Worten.
In den menschlichen Tätigkeiten und Leidenschaften nämlich, wo
die Erfahrung einen so hohen Wert hat, bewegen die Beispiele in besonders
hohem Grade, mehr noch als Worte. Es gibt also Lust und Unlust, die gut;
und Lust und Unlust, die schlecht sind. Denn Lust und Unlust ist eben nichts
Anderes wie die Ruhe des Begehrens im geliebten Gute. Für die Bestimmung
nun des moralischen Charakters der Lust und Unlust kommt zuerst in Betracht
das Gute, worin das Begehren ruht. „Gut“ nämlich und „schlecht“ wird
im Bereiche des Moralischen ausgesagt, je nachdem etwas mit der Vernunft
übereinstimmt oder von ihr abweicht. So wird auch im Bereiche der
reinen Natur als „natürlich“ bezeichnet, was der Natur in einem Dinge
entspricht; und als „unnatürlich“, was derselben zuwider ist. Wie
es also in der Natur eine „natürliche“ Ruhe gibt, die nämlich
darin sich findet, was der Natur zukommt, wie wenn das Schwere unten in
der Tiefe ruht; und wie es da eine „unnatürliche“ Ruhe giet, die darin
sich findet, was der Natur widerspricht, wie wenn der schwere Körper
in der Höhe ruht; — so ist Lust und Unlust im Bereiche des Moralischen
ein gutes, wenn die höhere oder niedere begehrende Kraft in dem ruht,
was der Vernunft entspricht; und es ist ein schlechtes, wenn sie in dem
ruht, was von der Vernunft abweicht. Dann kommt in Betracht die Tätigkeit
selber, von denen manche gut und manche schlecht sind. Den Tätigkeiten
mehr verwandt aber sind die mit ihnen verbundenen Lust und Unlust als die
Begierlichkeiten, welche der Zeit nach vorhergehen. Da nun also die Begierden
nach guten Tätigkeiten gut sind und die nach schlechten schlecht,
so sind um so mehr die Lust an guten Tätigkeiten gut, die an schlechten
schlecht. Die Lust und Unlust, welche sich mit der Tätigkeit der Vernunft
beschäftigen, hindern zuvörderst die letztere gar nicht. Jene
körperliche Lust und Unlust, die den Gebrauch der Vernunft hindern,
sei es weil sie in einem Gegenstände ruhen, welcher der Vernunft zuwider
ist — und dann ist die Lust und Unlust moralisch schlecht — sei es dass
sie in etwa die Vernunft binden wie die eheliche geschlechtliche Verbindung,
wo trotzdem die Lust und Unlust in dem ist, was der Vernunft entspricht,
führen ebenfalls nicht immer mit sich den Charakter des moralisch
Schlechten. Denn im letzten Falle folgt ebensowenig aus der Behinderung
der Vernunft etwas moralisch Schlechtes, wie aus dem Schlafe; der Natur
nämlich unserer Vernunft wohnt es inne, dass sie manchmal untätig
sei. Bei der ehelichen Verbindung jedoch sagen wir, es sei wohl dabei kein
moralisch Schlechtes, weder Tod- noch läßliche Sünde,1jedoch
kommt diese Behinderung der Vernunft von der Sünde, nämlich von
der Erbsünde; denn vorher fand eine solche Behinderung nicht statt
(I. Kap. 98, Art. 2.) Der Mäßige flieht nur die ungeregelte
Lust und Unlust. In den Kindern und den Tieren ist aber auch die natürliche,
von Gott gegebene Neigung zu erwägen, nach der sie dahin sich bewegen,
wo ein ihnen zukömmliches Gut sich findet. [26]
8. Stoiker und Epikuräer, PlatoWie die Stoiker annahmen, alle Lust und Unlust seien an sich schlecht; so die Epikuräer, alle insgesamt seien an sich gut. Die letzteren täuschten sich, weil sie nicht unterschieden zwischen dem, was schlechthin „gut“ ist und dem, was für diesen einzelnen Fall, unter den besonderen Umständen, „gut“ ist. Denn schlechthin „gut“ ist, was an sich allein betrachtet „gut“ ist. Es kann aber etwas an sich betrachtet nicht „gut“ sein und trotzdem ist es „gut“ für diesen einzelnen Menschen in seinen besonderen Verhältnissen; wie z. B. es für den Kranken bisweilen „gut“ ist, etwas Giftiges zu essen, was sonst, die menschliche Komplexion an sich betrachtet, nicht „gut“ ist. Zudem kann etwas, was an sich nicht zukömmlich, also nicht „gut“ ist, als zukömmlich, also als „gut“ jemandem vorkommen. [27]Plato betrachtete nicht wie die Stoiker alle Lust und Unlust als schlecht und auch nicht sie alle insgesamt gleich den Epikuräern für gut. Er meinte vielmehr, die einen seien gut, die anderen schlecht; keine aber sei im höchsten Grade gut, als ob sie das höchste Gut wäre. Aber er täuschte sich da unter zwei Gesichtspunkten: Einmal darin, dass er glaubte, alle Lust und Unlust seien, wie das Anfüllen mit Speise z. B., die Folge eines gewissen Erzeugens und damit zugleich der Bewegung; denn er sah, wie die körperliche Lust und Unlust in einer gewissen Bewegung und Erzeugung beständen. Da nun Erzeugen und In-Bewegung-sein Tätigkeiten unvollendeten Seins sind, solchen Seins nämlich, was durch die Bewegung noch etwas erst werden will, so folgte natürlich, dass die Lust und Unlust in ihrem Begriffe den Charakter der Schluss-Vollendung von sich abwies. Das aber beruht offenbar auf einer falschen Voraussetzung; wir haben dafür nur die geistige Lust und Unlus zu prüfen. Denn jemand gefällt es nicht nur, dass Wissen in ihm entsteht oder erzeugt wird, dass er nämlich Neues hinzulernt oder sich wundert, sondern auch daran, dass er die bereits erlangte Wissenschaft betrachtet. Dann täuschte sich Plato darin, dass er meinte, als das höchste Gut sei nur zu betrachten, was schlechthin, seinem Wesen nach dies sei; wie Gott selber das höchste Gut ist. Wir sprechen jedoch vom „Besten“ im Bereiche des Menschlichen. Das „Beste“ aber im Bereiche jeder Seinsart ist der letzte Zweck. Als dieser letzte Zweck nun wird bezeichnet entweder die Sache selbst, die besessen wird oder der Gebrauch dieser Sache; wie der Zweck des Reichen ist das Geld oder der Besitz des Geldes. Und danach kann genannt werden letzter Zweck des Menschen entweder Gott selbst oder der Genuß, der Besitz Gottes; und dieses Letztere schliesst ein Lust und Unlust am letzten Endzwecke. In dieser Weise also kann Lust und Unlust unter aller menschlichen Lust und Unlust als das schlechthin im höchsten Grade gute bezeichnet werden. Manche Lust und Unlust sind nicht Folgen irgend welcher Bewegung; sondern begleiten das Tätigsein des in sich Tatsächlichen oder Vollendeten, wie das Erkennen, Wollen. Jener Einwurf spricht vom „Besten“ schlechthin, durch das Alles, was ist, insoweit es gut ist. Dies kann in keiner Weise, durch kein Hinzufügen besser werden. Aber im Bereiche alles anderen Guten kann jedes Gut durch Hinzufügung eines anderen besser werden. Jedoch kann auch mit Aristoteles gesagt werden (l Ethic. 8.): „Lust und Unlust ist für die Tätigkeit der Tugend nichts Fremdes, Hinzugefügtes, sondern sie immer Begleitendes.“ Lust und Unlust am letzten Endzwecke trägt nicht den Charakter des „Besten“, weil es Lust und Unlust ist, sondern weil es vollkommene allseitige Ruhe ist im „Besten“. Also ist nicht erfordert, dass nun jede Lust und Unlust im höchsten Grade gut oder auch nur gut sei. So gibt es auch eine „beste“ Wissenschaft; nicht aber eine jede ist dies. [28] „Gut“ und „schlecht“
findet sich in leitender Weise innerhalb des Willens. Ob nun der Wille
gut oder schlecht ist, kann man am besten aus dem Ende erkennen. Dies ist
nämlich jenes Ende, wo der Wille schließlich ruht. Gut ist,
wer in den Tugendwerken sein Vergnügen hat; schlecht, wer solches
in schlechten sucht. Die Lust und Unlust des sinnlichen Begehrens jedoch
sind nicht die Richtschnur für das moralisch Gute und Schlechte. Denn
die Speise, welche gemeinhin lecker erscheint, ist dies gemäß
dem sinnlichen Begehren, was sich gemeinhin auf Gutes oder Schlechtes richten
kann. Der Wille der Tugendhaften freut sich deshalb daran, weil sie der
Vernunft entspricht; während der Wille des Bösen sich darum nicht
kümmert. Denn jener ist gut, dessen Wille ruht im wahren Gute; schlecht
ist jener, dessen Wille ruht im Schlechten. Lust und Unlust vollendet in
der Weise des Zweckes oder der Vollendung des Tätigsein. Also kann
kein Wirken vollendet gut sein, wenn nicht Lust und Unlust im Guten mit
da ist. Denn die Güte einer Sache hängt ab vom letzten vollendenden
Zwecke; und so ist die Güte in Lust und Unlust gleichsam Ursache für
die Güte im Tätigsein. .[29]
9. Psychologie, psychiatrische Erkrankungen, Betrachtung der WahrheitNach Nyssenus ist „Abspannung“ oder „Mutlosigkeit“ (acedia) „eine Trauer, welche die Worte abschneidet;“ die „Angst ist eine Trauer, die schwermütig macht;“ die Scheelsucht ist eine Trauer wegen des Guten in anderen;“ das „Beileid aber ist eine Trauer um der Übel in anderen willen.“ Dies Alles aber kann zusammen jemandem begegnen, dass er kein Wort sprechen kann, traurig ist wegen der Güter in den einen, der Übel in den anderen etc.Zum Wesen einer Gattung gehöre es, dass sie sich zur „Art“ verhält wie etwas Hinzugefügtes. Zur „Art“ kann aber etwas in doppelter Weise hinzugefügt werden: einmal, insoweit es von sich aus kraft seiner Natur zur „Art“ gehört und dem Vermögen nach in ihm enthalten ist, wie „vernünftig“ hinzugefügt wird zur „Art“ des Sinnbegabten; — und solches Hinzufügen stellt wahre Gattungen her innerhalb der gemeinsamen Art. (7 Metaph.) Dann kann zur „Art“ etwas an sich Fremdes hinzugefügt werden, was nicht zur Natur der Art gehört; wie wenn zum Sinnbegabten z. B. das „Weiße“ hinzugefügt wird oder Ähnliches; — und das stellt nicht eigentliche Gattungen her, wie wir von „Art“ und Gattung gewöhnlich sprechen. Bisweilen jedoch wird etwas als Gattung einer „Art“ bezeichnet, weil es etwas Fremdartiges an sich hat, worauf die Natur der „Art“ eine etwelche Anwendung findet. So werden die Kohle und die Flamme bezeichnet als Gattungen des Feuers; weil die Natur des Feuers da Anwendung findet auf einen ihm fremden Stoff. Ähnlich werden die Perspektive und Astronomie Gattungen der Mathematik genannt, insofern die Prinzipien der Mathematik da angewandt werden auf einen ihr an sich fremden, der Natur angehörigen Stoff. Und in dieser Weise wird hier von Gattungen gesprochen, insoweit nämlich das Wesen der Traurigkeit Anwendung findet auf etwas ihm an und für sich Fremdes und Äusserliches. Letzteres nun kann genommen werden von seiten der Ursache und des Gegenstandes oder von seiten der Wirkung. Denn das der Trauer eigene Objekt ist das eigene Übel. Also als ein der Trauer an sich fremder Gegenstand kann etwas bezeichnet werden entweder rein gemäß dem Anderen, Fremden, weil es nämlich ein Übel ist, wenn auch nicht für die eigene Person — und das ist dann Mitleid, Trauer nämlich über fremdes Übel, insoweit dies als eigenes betrachtet wird; — oder dieser an sich fremde Gegenstand kann bezeichnet werden in Bezug auf Beides als ein fremder, nämlich weder als Übel noch als eigen, sondern als Gutes im Anderen, insoweit freilich das Übel im Anderen betrachtet wird als eigenes Gut und so ist es Scheelsucht. Die der Trauer eigene Wirkung nun besteht in einem gewissen Fliehen von seiten des Begehrens. Und da kann das Fremde mit Bezug auf die Wirkung der Trauer genommen werden als allein mit Rücksicht auf das Andere, Fremde, weil nämlich das Fliehen entfernt wird; und so ist da Angst, welche so den Geist beschwert, dass keine Ausflucht erscheint, so dass ein anderer Name dafür ist Beängstigung, Enge. Wenn aber diese Angst sich so weit erstreckt, dass sie auch die äusseren Glieder unbeweglich macht, so dass sie nicht tätig sind, so ist dies die acedia, Abspannung; und das ist dann etwas Fremdes mit Rücksicht auf Beides, es ist da weder tatsächlich ein Fliehen noch ist dies im Begehren. Deshalb aber wird von der Abspannung oder Mutlosigkeit gesagt, sie schneide das Wort ab, weil das Wort unter allen äusseren Bewegungen am meisten ausdrückt die innere Auffassung und Hinneigung. [30] Thomas sagt, dass, wenn die Mängel am Guten in der Auffassung der Seele sich ebenso verhielten wie in den Dingen selbst, diese ganze Frage gar keine Bedeutung hätte. Denn das Übel ist eben „Mangel an Gutem.“ Mangel aber in den Dingen will nichts Anderes besagen wie das Entbehren. Danach also wäre es ganz das Nämliche: Trauern über den Verlust eines Gutes und über das Übel, das man besitzt. Die Trauer aber ist eine Bewegung des Begehrens, welche der Auffassung folgt. In der Auffassung nun hat der Mangel selbst einen gewissen Charakter des Seins und wird eben deshalb „Vernunftding“ genannt, ens rationis. Und so trägt das Übel als Mangel den Charakter des (konträr) positiv Entgegengesetzten. Mit Rücksicht also auf das Begehren ist es ein Unterschied, ob es an erster Stelle berücksichtigt das gegenwärtige positive Übel oder den Verlust des Guten. Und da die Bewegung des sinnlichen Begehrens sich so verhält in den Tätigkeiten der Seele wie die rein natürliche Bewegung im Bereiche der Dinge der Natur, so kann von dieser letzteren aus die Wahrheit entnommen werden. Denn wenn wir in solch rein natürlichen Bewegungen das „Näherkommen“ und das „Sich-Entfernen“ berücksichtigen, so geht das Näherkommen an und für sich, kraft seiner Natur auf das der betreffenden Natur Zukömmliche. Das „Sich-Entfernen“ aber hat zum Gegenstande an und für sich das der Natur Widerstreitende; wie der schwere Körper von sich aus sich entfernt von der Höhe und ebenso naturgemäß sich nähert der Tiefe. Betrachten wir aber die Ursache beider Bewegungen, nämlich die Schwere im Körper, so neigt diese vorerst nach unten hin als sie abzieht von der Höhe. [31] „Obgleich ich in diesen Tagen vom heftigsten Zahnschmerze gequält wurde, unterließ ich es doch nicht, im Geiste darüber nachzudenken, was ich bereits in etwa gelernt hatte. Neues zu lernen aber wurde ich durchaus gehindert, denn dazu bedürfte ich der ganzen Aufmerksamkeit meines Geistes.“ - Augustinus, Solil. 12Isai. 26.: „Wenn Du Deine Gerichte vollenden wirst auf Erden, dann werden Gerechtigkeit lernen alle Bewohner der Erde;“ und 16.: „In der Trübsal des Murrens, da erscheint ihnen Deine Lehre.“ Aus den Gerichten Gottes und aus der Trübsal aber folgt Schmerz und Trauer. Also anstatt zu entfernen, vermehrt der Schmerz die Fähigkeit zu lernen. Isai. 28.: „Wen wird er Wissenschaft lehren und wen wird er verstehen lassen was gehört werden wird? Die abgewöhnt sind von der Muttermilch, die nicht mehr an der Mutterbrust liegen“. Alle Fähigkeiten der Seele haben in dem einen Wesen der Seele ihre Wurzel. Wenn also die Aufmerksamkeit der Seele mit großer Heftigkeit zur Tätigkeit eines Vermögens hingezogen wird, so ist damit nicht die Tätigkeit eines anderen Vermögens verträglich, welche große Aufmerksamkeit erfordert. Nun zieht offenbar der Schmerz in empfindlicher Weise die Aufmerksamkeit der Seele auf sich, da jegliches Vermögen im Menschen seiner Natur nach dahin strebt, das Verderbende von sich fernzuhalten. Ebenso kostet es große Aufmerksamkeit, Neues durch angestrengtes Studium zu erlernen. Ist also ein heftiger Schmerz da, so wird der Mensch gehindert, dass er zu dieser Zeit etwas Neues erlernen kann; und soweit kann es kommen, dass bei der Größe des Schmerzes er nicht einmal das in Erwägung zu ziehen vermag, was er schon gelernt hat. Freilich ist dabei die Liebe zum Studium zu erwägen. Je größer diese ist, desto mehr wird sie die Aufmerksamkeit zurückhalten, dass sie nicht ganz und gar dem Schmerze sich zuwende. Eine gemäßigte Trauer trägt dazu bei, den Geist für die Aufnahme heilsamer Lehre geeignet zu machen; und zumal insoweit derselbe dadurch hofft, von der Trauer befreit zu werden. Und so nehmen die Menschen in der Trübsal bereitwilliger die Lehre Gottes an. [32] "Ist nun die Macht des betrübenden Übels nicht so groß, dass nicht alle Hoffnung ausgeschlossen wird, ihm zu entgehen, so bleibt, insofern man in der Gegenwart nicht das Gewollte geniesst, doch immer eine Bewegung zum Abweisen des Schädlichen hin. Wächst aber bis zu dem Maße die Gewalt des Übels, dass keinerlei Hoffnung bleibt, ihm zu entgehen; dann wird vollständig die innere Bewegung der Seele gehindert, so dass sie weder dahin noch dorthin sich zu wenden vermag. Und manchmal wird auch die äußere Bewegung gehindert, so dass der Mensch abgestumpft in sich bleibt." - Thomas von Aquin, Ib..Prov. 17.: „Der frohe Geist macht blühend das Alter; der traurige Geist trocknet die Gebeine aus;“ — und Prov. 23.- „Wie die Motte dem Kleide, so schadet die Trauer dem Geiste des Mannes;“ und Ekkli. 38.: „Von der Trauer geht eilig der Tod aus.“ Mehr als alle anderen Leidenschaften schadet die Trauer dem Körper. Denn sie widerstrebt dem menschlichen Leben in der ganzen besonderen Gattung seiner Bewegung und nicht bloß mit Rücksicht auf ein gewisses Maß oder einen gewissen Umfang derselben. Denn das menschliche Leben besteht in einer gewissen Bewegung, welche vom Herzen aus sich in die übrigen Glieder verbreitet. Diese Bewegung nun kommt dem menschlichen Leben zu gemäß einem ganz bestimmten Maße. Überschreitet also die Bewegung das gebührende Maß, so widerstreitet sie dem menschlichen Leben mit Rücksicht auf den Umfang oder die Quantität der Bewegung, nicht aber mit Rücksicht auf die Ähnlichkeit der Gattung selber. Wird aber das Vorangehen dieser selben Bewegung gehindert, so widerstreitet dies dem Leben gemäß seiner innersten Gattung. Nun ist zu beachten, dass in allen übrigen Leidenschaften das körperliche Anderswerden, was in ihnen das materiale, bestimmbare Moment bildet, gleichförmig ist und in einem bestimmten Verhältnisse steht zu dem tatsächlichen Begehren, dem formalen, bestimmenden Momente; wie ja in allen Dingen der Stoff in solchem Verhältnisse steht zu seiner Form. Jene Leidenschaften der Seele also, welche in der Verfolgung von irgend etwas Gutem bestehen, widerstreiten nicht der Lebensbewegung nach ihrer Gattung, können aber dem Maße und Umfang derselben in etwa zuwider sein, wie die Liebe, die Freude u. dgl. Sie helfen an und für sich, nach ihrer Natur dem Körper; und können höchstens durch ein Übermaß schaden. Jene Leidenschaften aber, welche die Bewegung des Begehrens gemäß dem Fliehen, dem Sich-Zurückziehen in sich einschließen, widerstreiten ihrer Natur nach der Lebensbewegung, sind gegen deren Gattung und deshalb schlechthin schädlich; wie die Furcht, die Verzweiflung und vor allem die Trauer, welche entsteht aus dem Eindrucke, den das gegenwärtige Übel macht; ein Eindruck, der stärker ist als jener, der vom künftigen Übel herkommt. Die Seele bewegt kraft der Natur den Leib; also ist die geistige antreibende Bewegung der Seele kraft der Natur die Ursache von körperlichem Anderswerden. Was von jenem Sein gesagt wird, wie ein solches die Farben in der Luft haben, gilt hier nicht; denn dieses Sein hat in sich keine natürliche Beziehung dazu, andere Körper zu bewegen. Die anderen Leidenschaften haben zur Folge eine körperliche Veränderung, welche ihrer Natur nach gleichförmig ist der Gattung der Lebensbewegung, die vom Herzen in die Glieder geht. Die Trauer aber ist in ihrer Natur der ganzen Art dieser Bewegung zuwider; sie zieht zurück. Die Ursache, welche den Gebrauch der Vernunft hindert, ist nicht so stark wie jene, welche das Leben schädigt. Denn viele Krankheiten hindern wohl den Gebrauch der Vernunft, enden aber nicht mit dem Tode. Und trotzdem schaden auch die Furcht und der Zorn zumal dem Körper, weil sie vermischt sind mit Trauer infolge der Abwesenheit des Begehrten. Übrigens macht auch die Trauer manchmal sinnlos und hat Wahnsinn zur Folge. [33] „In Seufzern allein und in Tränen fand ich einige Ruhe.“ - Augustinus, 4. Conf. 4.Tränen und Seufzer mildern der Natur der Sache nach den Schmerz. Dafür sind zwei Gründe maßgebend: 1. Alles Schädigende, was im Innern verschlossen bleibt, ist in höherem Grade betrübend, denn es vervielfacht sich in der Seele in und um sich selbst; wird es nach außen abgeleitet, so zerstreut sich die Aufmerksamkeit der Seele auf Anderes hin und so mindert sich der innere Schmerz. Wenn also in Traurigkeit befindliche Menschen ihre Trauer mitteilen durch Worte, Seufzen, Klagen, so wird ihre Trauer gemildert. 2. Es ist die Tätigkeit, welche der augenblicklichen Verfassung der Seele entspricht, immer etwas angenehmes; Weinen und Seufzen aber entspricht der Seelenstimmung des Traurigen und deshalb ist es angenehm. [34] „Es schien mir, wenn sich jener Glanz der Wahrheit unserer Vernunft offen vorlegte, dass ich dann jenen Schmerz gar nicht fühlen würde oder doch ihn so betrachten, als ob er nicht wäre.“ - Augustinus, 1 Soliloq. 12In der Betrachtung der Wahrheit sei die größte Lust. Jede Lust aber mildert den Schmerz; also auch die Betrachtung der Wahrheit und zwar um so mehr, je vollkommener sie geschaut und geliebt wird. Deshalb freuen sich die Menschen, die an der Wahrheit und der künftigen Herrlichkeit sich erfreuen, mitten in ihren Trübsalen nach Jakob. 1.: „Für alle Freude erachtet, Brüder, es, wenn ihr in mannigfache Trübsal fallt.“ Und auch inmitten der gröbsten körperlichen Schmerzen wird solche Freude gefunden, wie der Märtyrer Tiburtius, als er mit nackten Füßen auf glühenden Kohlen umherging, sagte: „Es scheint mir, ich ginge im Namen Jesu Christi auf blühenden Rosen.“ Diese Stelle weist entweder auf die Schwierigkeiten hin, die es hat, wenn man eine Wissenschaft erlernen will; oder sie deutet an, wie vermittelst der Wissenschaft der Mensch viel von dem kennen lernt, was ihm entgegensteht. So verursacht also die Wissenschaft Schmerz von seiten der Gegenstände der Kenntnis her; sie verursacht Lust von seiten des Betrachtens selber der Wahrheit. Von seiten des Gegenstandes her bewegt die beschauliche Vernunft nicht, denn ihr Gegenstand ist nicht etwas Tubares; wohl aber bewegt sie von seiten des Betrachtens, was ja ein Gut ist. In den Kräften der Seele fliesst es über von den höheren in die niederen; und so fliesst die Lust der Betrachtung der Wahrheit, was in der Vernunft ist, über in den Sinn und mildert den Schmerz. [35] „Was ist der Schmerz, welcher der Seele zugehört, anders als das Entbehren der veränderlichen Güter, die man wie als letzten Endzweck genoß oder genießen zu können gehofft hatte? Und das ist im Ganzen Alles, was man Übel nennt d. i. Sünde und Strafe der Sünde.“ - Augustinus, de vera relig. 12Nach Thomas könne unmöglich ein Schmerz das höchste Übel sein. Denn jede Traurigkeit oder jeder Schmerz betrifft entweder ein wahres Übel oder etwas was Übel scheint, aber in Wahrheit ein Gut ist. Der Schmerz nun, der auf das wahre Übel geht, kann nicht größtes Übel sein; denn "es gibt ein größeres, nämlich: das nicht als wahres Übel erkennen was in Wirklichkeit ein Übel ist und es nicht zurückweisen". Geht aber die Trauer auf ein Übel dem Anscheine nach, was in Wahrheit ein Gut ist, so kann es nicht größtes Übel sein, denn größer ist das Übel, vom wahren Gute fern zu sein. Keine Trauer und kein Schmerz kann also höchstes Übel sein. Ein zweifaches Gute ist gemeinsam dem Ergötzen und der Trauer; nämlich 1. das rechte Urteil über das Gute und das Böse, 2. die gebührende Ordnung im Willen, der das Gute billigt und das Böse zurückweist. Und so ist offenbar in jedem Schmerze selber ein gewisses Gute, durch dessen Abwesenheit etwas Schlimmeres vor sich gehen kann Nicht aber in allem Ergötzen ist etwas Übles, durch dessen Entfernung das Ergötzen ein besseres wird. Also kann wohl ein Ergötzen das höchste Gut des Menschen sein; nicht aber kann ein Schmerz das höchsts Übel sein. Dies eben selbst daß der Wille einem Übel widerstrebt, ist etwas Gutes; und gerade deshalb kann kein Schmerz das höchste Übel sein, weil er immer eine Beimischung von Gutem hat. Schlechter ist das, was dem Besseren schadet als was dem Schlechteren schadet. Ein Übel wird aber, nach Augustin (Enchirid. 12.), so genannt, weil es schadet; also ist das ein schlechteres Übel, was ein Übel der Seele ist wie das, was ein Übel des Körpers ist. Der Grund Augustins also ist kein wirksamer; er stellt ihn aber auch nicht hin als seinen eigenen, sondern als einen dem Sinne eines anderen entnommenen." [36] 10. Tiere folgen einer Vernunft, die von ihnen getrennt ist, Hoffnung und Verzweiflung, „Junge Leute hoffen viel.“Der Gegenstand der Hoffnung ist das Gute, insofern dessen Erreichung möglich ist. „Unmöglich“ nun und „möglich“ sind gewisse Unterscheidungen, die in das Bereich des „Wahren“ und „Falschen“ gehören, wie Aristoteles (6 Metaph.) sagt. „Wahr“ und „falsch“ aber ist nur im vernünftigen Geiste. Also ist in den Tieren keine Hoffnung, da sie keinen vernünftigen Geist haben. Augustin schreibt (9. sup. Gen. ad litt. 14.): „Die Tiere werden in Bewegung gesetzt durch das, was ihnen erscheint, was sie sehen.“ Von der Hoffnung jedoch heisst es (Röm. 8.): „Wer aber schaut, wie soll der hoffen!“ Die inneren Leidenschaften der Seele können beurteilt werden können aus den äusserlichen Bewegungen; daraus erscheint es aber, dass in den Tieren Hoffnung ist. Denn wenn der Hund einen Hasen oder der Habicht einen Vogel in allzu großer Entfernung sieht, so setzt er sich nicht zu dieser Beute hin in Bewegung; denn er hat keine Hoffnung, sie zu erlangen. Ist aber der Hase oder der Vogel in der Nähe, so setzt sich der Hund oder der Habicht in Bewegung; denn er hofft dann auf deren Ergreifung. Das sinnliche Begehren der Tiere nämlich ebenso wie die natürliche Hinneigung der anderen Dinge folgt der Auffassung einer Vernunft wie ja ebenso das Begehren der vernünftigen Natur, das „Wille“ genannt wird. Der Unterschied besteht darin, dass der Wille in Bewegung gesetzt wird infolge der Auffassung einer Vernunft, die mit ihm kraft der Natur verbunden ist; während das sinnliche Begehren im Tiere einem gewissen natürlichen Antrieb oder Instinkt folgt, den der Urheber der Natur in dasselbe gelegt; und das rein natürliche Hinneigen der Dinge ebenfalls der Auffassung einer Vernunft folgt, die von ihnen getrennt ist, nämlich der des ersten Urgrundes. So erscheint also in den Werken der Tiere ein ähnliches Vorgehen wie in den Werken der Kunst; und ähnlich verhält sich dies mit der Tätigkeit der Natur. In dieser Weise sonach ist in den Tieren ebenfalls Hoffnung und Verzweiflung. Die Tiere erkennen wohl nicht das Zukünftige; jedoch setzt sich das Tier infolge des natürlichen Antriebes oder Instinktes in Bewegung zu etwas Zukünftigem hin, gleich als ob es das Zukünftige vorhersähe. Dieser natürliche Antrieb ist in das Tier gelegt von seiten der göttlichen Vernunft, die das Zukünftige vorhersieht. Der Gegenstand der Hoffnung ist nicht das „Mögliche“, soweit es eine gewisse Differenz des Wahren ist; denn so folgt es der Beziehung des Prädikats zum Subjekt. Der Gegenstand der Hoffnung ist vielmehr jenes „Mögliche“, was zu einem „Vermögen“ in Beziehung steht, was also erreicht werden kann; und so nimmt es Aristoteles 5 Metaph. Von dem aus, was das Tier als sich gegenwärtig sieht, wird sein Begehren hinbewegt zu etwas Zukünftigem entweder um es zu vermeiden oder um es zn erreichen. [37]Der Bewegung steht gegenüber als konträrer Gegensatz eine andere Bewegung. Die Ruhe ist ihr entgegengesetzt als Mangel (privatio). Die Verzweiflung aber besagt mehr Unbeweglichkeit wie Bewegung. Also ist sie nicht im (konträren) Gegensatze zur Hoffnung, welche eine Bewegung ist, die sich ausdehnt zum gehofften Gute hin. Auf der anderen Seite wird desperatio so genannt als Gegensatz von spes. In den Veränderungen finde sich ein doppelter Gegensatz, gemäß dem es sich handelt entweder um das Näherkommen mit Rücksicht auf entgegengesetzte Abschlußpunkte; und ein solcher Gegensatz existiert in den Leidenschaften der Begehrkraft nach „gut“ und „böse“ als Abschlusspunkten, wie der zwischen Liebe und Hass; — oder indem es sich handelt um das Näherkommen oder um das „Sich-Entfernen“ mit Rücksicht auf ein und denselben Abschlusspunkt; und ein solcher Gegensatz wohnt den Leidenschaften der Abwehrkraft inne. Der Gegenstand der Hoffnung hat nun wohl etwas Anziehendes, weil er ein schwieriges Gut ist, das möglich ist erreicht zu werden; und so strebt danach die Hoffnung. Wird aber dieser selbe Gegenstand betrachtet zugleich mit der Unmöglichkeit erreicht zu werden, so hat er den Charakter des Abstoßenden; denn, wie 3 Eth. 3. gesagt wird, „kommt der Mensch zu etwas Unmöglichem, so weicht er zurück;“ und in solcher Weise berücksichtigt diesen Gegenstand die Verzweiflung. Also schliesst sie die Bewegung des Zurückweichens, des „Sich-Entfernens“ ein; während die Hoffnung „Näherkommen“ besagt; es besteht sonach hier ein Gegensatz. Der Hoffnung steht die Furcht gegenüber gemäß dem Gegensatze zwischen den Gegenständen: des Guten und Schlechten. Denn dieser Gegensatz findet sich in den Leidenschaften der Abwehrkraft, insofern sie von den Leidenschaften der Begehrkraft sich ableiten, Die Verzweiflung und Hoffnung aber stehen im Gegensatze gemäß dem „Nah“ und „Fern“ rücksichtlich ein und desselben Gegenstandes. Die Verzweiflung hat nicht zum Gegenstände das Übel als Übel; sie geht nur auf das Übel insoweit, als sich mit dem Guten die Unmöglichkeit verbunden findet, es zu erreichen. Es kann aber Verzweiflung bestehen infolge des Übermaßes an Gutem im Gegenstande. Die Verzweiflung ist nicht einzig und allein Mangel an Hoffnung, sondern besagt die Entfernung von der ersehnten Sache, weil man es für unmöglich hält, sie zu erreichen. Die Verzweiflung setzt voraus das Verlangen gleichwie dies die Hoffnung tut; und demnach richtet sich Beides auf das Gute und hat zur gemeinsamen Grundlage ein Verlangen. [38] Aristoteles sagt wiederum (2 de coelo): „Über Alles sprechen wollen und nichts auslassen, ist bisweilen ein Zeichen der Torheit.“ Dass nun der Mensch Alles versucht, scheint zur Größe der Hoffnung zu gehören; die Torheit aber kommt aus Unerfahrenheit. Also scheint im Gegenteil Unerfahrenheit eine Ursache der Hoffnung zu sein. Aristoteles (3 Ethic. 8.): „Manche haben gute Hoffnung, weil sie oft und viele besiegt haben;“ was der Erfahrung zugehört. Der Gegenstand der Hoffnung sei das Gute, Schwierige, Zukünftige, möglich zu Erreichende. Es kann also eine Ursache der Hoffnung bestehen entweder weil sie dem Menschen etwas möglich macht oder weil sie in ihm die Meinung erweckt, es sei möglich. In der ersten Weise ist Ursache der Hoffnung alles Jenes, was die Macht des Menschen tatsächlich vermehrt wie Reichtum, Stärke und unter anderem auch die Erfahrung. Denn durch die Erfahrung lernt der Mensch, etwas mit Leichtigkeit herzustellen; und das ist die Grundlage der Hoffnung. In der anderen Weise ist Grund der Hoffnung Alles das, was die Meinung im Menschen erweckt, es sei ihm etwas möglich. Und so ist Unterricht und Überredung Ursache der Hoffnung; jedoch ebenfalls die Erfahrung, insoweit durch die Erfahrung in jemandem die Meinung erweckt wird, es sei ihm etwas möglich, was vor der Erfahrung er für unmöglich hielt. n dieser letzten Weise kann jedoch die Erfahrung auch Grund für den Mangel an Hoffnung sein; insoweit die Erfahrung ihm lehrt, es sei ihm etwas unmöglich, was er sonst für möglich erachtet hätte. Demgemäß ist die Erfahrung Ursache der Hoffnung in doppelter Weise, Ursache des Mangels an Hoffnung nur in einer Weise; so dass man also die Erfahrung eine Quelle von Hoffnung vielmehr nennen kann. Die Erfahrung ist nicht nur die Ursache davon, dass man mehr weiß; sondern sie stellt auch die Gewohnheit her, etwas leichter und schneller durch seine Tätigkeit herzustellen. In den Greisen ist die Erfahrung oft Grund für den Mangel an Hoffnung in der erwähnten Weise; deshalb wird da hinzugefügt: „denn Vieles ist ihnen begegnet, was schlechter war als sie es sich vorgestellt.“ Torheit und Unerfahrenheit können nebenbei, nicht von ihrer Natur aus, Ursache von Hoffnung sein; indem sie nämlich das Wissen entfernen, dem gemäß man urteilen würde, etwas sei unmöglich. In der gleichen Weise also ist dann Unerfahrenheit Grund für Hoffnung, wie die Erfahrung Grund ist für den Mangel an Hoffnung. [39] „Die Trunkenen sind gut geeignet, um zu hoffen“ - Aristoteles, 3 Eth. 8Die Jugend ist Ursache für die Hoffnung wegen dreierlei auf Grund der drei Bedingungen, die den Gegenstand der Hoffnung begleiten: „Zukünftig“, „schwierig“, „möglich“. Denn die jungen Leute haben wenig Vergangenheit und rechnen viel mit der Zukunft; infolge dessen haben sie wenig Gedächtnis und viel Hoffnung. Ferner haben die jungen Leute viel Wärme im Herzen; diese Wärme aber erweitert das Herz und so streben sie leichter nach schweren Dingen. Endlich wer noch wenig Widerspruch erfahren hat in seinen Versuchen, sondern vielmehr ermuntert wird von allen Seiten wie die jungen Leute, glaubt leicht, es sei ihm etwas möglich. Weil also die jungen Leute unerfahren sind in der Kenntnis der Hindernisse und Mängel, halten sie leicht etwas als für sie möglich und hoffen sonach gern und viel. Die zwei letzten Gründe gelten nun auch für die Trunkenen: 1. die Wärme des Herzens und die hohe Begeisterung wegen der Menge Wein, die sie getrunken; — 2. die Unüberlegtheit mit Rücksicht auf die Gefahren. Und so versuchen auch die Toren, weil sie nicht überlegen, alles Mögliche; und haben auf diese Weise viele Hoffnung. Diese Gattung Menschen meinen, Festigkeit zu haben, wenn sie auch in Wirklichkeit solche nicht besitzen; das genügt aber, um zu hoffen. Ebenso; sie kennen ihre Schwäche nicht, sondern meinen stark zu sein. Unerfahrenheit ist auch manchmal Ursache der Hoffnung. [40] Es komme der Hoffnung
an und für sich zu, dass sie dem Tätigsein förderlich ist,
indem sie die gespannte Aufmerksamkeit auf dasselbe lenkt. Denn 1. ist
ihr Gegenstand das mit Schwierigkeiten Verbundene Gute, das zu erreichen
möglich ist. Die Meinung nämlich, die man von diesen Schwierigkeiten
hat, spannt die Aufmerksamkeit; und weil es möglich ist, dasselbe
zu erreichen, wird die Anstrengung nicht vermindert und verzögert;
— 2. verursacht die Hoffnung Lust, was der Tätigkeit unter allen Umständen
förderlich ist. Die Hoffnung geht auf die Verfolgung des Guten; die
Sicherheit wendet sich der Vermeidung des Bösen zu. Deshalb scheint
diese Sicherheit mehr der Furcht entgegengesetzt zu sein wie dass sie zur
Hoffnung gehörte. Und doch verursacht diese Sicherheit keine Nachlässigkeit,
ausser insoweit sie die Meinung von der Größe der Schwierigkeiten
in etwa vermindert, womit dann ja auch das Wesen der Hoffnung vermindert
wird. Worin nämlich der Mensch kein Hindernis fürchtet, das wird
nicht als schwierig angesehen. An und für sich verursacht die Hoffnung
Lust und nur nebenbei mit Rücksicht auf besondere Umstände Trauer.
[41]
11. Psychologische Aspekte. Mangel an nüchternem Urteile fehlt die Fähigkeit, guten Rat zu geben, „der Zorn“ so Aristoteles „ist mit der Vernunft, nicht als ob diese geböte, sondern weil sie die Größe des Unrechts offenbart“, Zorn als HeilmittelDie Bewegung im begehrenden Teile selber sei bei den Leidenschaften das bestimmende, formale Moment; die Veränderung im körperlichen Zustande das bestimmbare, materiale. Also gemäß der maßgebenden Kraft im begehrenden Teile vollzieht sich die Veränderung im körperlichen Zustande. Nun schliesst, soweit es auf die sinnliche Bewegung im begehrenden Teile ankommt, die Furcht ein gewisses Zusammenziehen in sich ein. Und der Grund davon ist, dass die Furcht ausgeht von der Vorstellung eines drohenden Übels in der Einbildungskraft, welches schwer abgewiesen werden kann. Letzteres kann aber nur von Mangel an Kraft stammen, wie oben gezeigt worden. Je schwächer nun eine Kraft ist, auf desto weniger erstreckt sie sich. Und sonach geht von der Vorstellung in der Einbildungskraft, welche die Ursache der Furcht ist, aus ein gewisses Zusammenziehen im Begehren; wie wir auch bei den Sterbenden sehen, dass die Natur sich zurückzieht in das Innere wegen der Schwäche der Lebenskraft. Gemäß der Ähnlichkeit dieses Zusammenziehens, die zum sinnlichen Begehren gehört, folgt also bei der Furcht von seiten des Körpers das Zusammenziehen der Wärme und der Lebensgeister nach innen. Wiewohl bei den Fürchtenden die Lebensgeister nach innen zu gesammelt werden, so ist dies doch nicht die nämliche Art Bewegung wie bei den Zornigen. Denn bei den Zornigen vollzieht sich wegen der Wärme und der Feinheit der Lebensgeister, die da hervorgehen aus der Sehnsucht nach Rache, innerlich die Bewegung der Lebensgeister von unten nach oben; und deshalb sammeln sich die Lebensgeister und die Wärme um das Herz herum, wonach bei den Zornigen bewirkt wird Kühnheit und Geeignetsein zum Angreifen. Bei den Furchtsamen aber bewegen sich wegen der Kälte, die schwerfällig macht und verdickt, die Lebensgeister von oben, den höheren Teilen, nach unten; und diese Kälte geht aus von der Vorstellung des Mangels in der Einbildungskraft; deshalb vervielfältigen sich nicht die Wärme und die Lebensgeister um das Herz herum, sondern fliehen vielmehr vom Herzen. Und deshalb sind die Fürchtenden nicht kühn im Angriffe, sondern ziehen sich zurück. Einem jeden Wesen, das Schmerz hat, ist es natürlich, alles möglichen Beistandes sich zu bedienen, damit es das Schädigende von sich abtreibe, wovon der Schmerz kommt. Deshalb sehen wir, wie schmerzerfüllte Tiere mit den Hörnern und Ähnlichem herumschlagen. Der größte Beistand aber für Alles kommt den sinnbegabten Wesen von der Wärme und den Lebensgeistern; und deshalb bewahrt im Schmerze die Natur innerlich die Wärme und die Lebensgeister, damit dies diene zum Zurücktreiben des schädigenden Einflusses, wonach Aristoteles (de problem. sect. 27.) schreibt, dass bei der Vervielfältigung der Wärme und der Lebensgeister innerlich notwendigerweise dies in Worte ausbrechen müsse; demnach könnten die Schmerzerfüllten kaum sich so weit zusammennehmen, dass sie nicht schreien. Bei denen aber, die fürchten, vollzieht sich die Bewegung der innerlichen Wärme und der Lebensgeister vom Herzen aus zu den niedrigeren Teilen, wie gesagt worden; und deshalb ist die Furcht dem Formieren von Worten zuwider, das sich vollzieht auf Grund des Ausgehens der Lebensgeister nach den oberen Teilen bis zum Munde. Die Furcht macht, dass man schweigt und „dass man zittert“, wie Aristoteles sagt. Die Todesgefahren sind nicht allein entgegen dem snnlichen Begehren, soweit dies der Auffassung folgt, sondern auch der reinen Natur. In derartigen Dingen also geschieht nicht nur ein Zusammenziehen von seiten des Begehrens, sondern auch von seiten der körperlichen Natur. Denn in jene Verfassung kommt das sinnbegabte Wesen, indem es die Wärme nach innen zusammenzieht infolge der Vorstellung des Todes in der Einbildungskraft, wie wann der Tod wirklich auf natürlichem Wege droht; „die den Tod fürchten, werden bleich,“ sagt Aristoteles. (4 Ethic. 9.) [42]Ein Mensch, der von Leidenschaft bewegt wird, findet Manches bedeutender oder minder bedeutend als es wirklich ist. Dem Liebenden z. B. erscheinen die Dinge, die er liebt, als besser; und dem Fürchtenden erscheint das was er fürchtet als furchtbarer. Und deshalb hindert jede Leidenschaft infolge des Mangels an nüchternem Urteile, soweit sie im Spiele ist, die Fähigkeit, guten Rat zu geben. Je stärker eine Leidenschaft ist, desto mehr wird der damit behaftete Mensch gehindert. Wenn also die Furcht gewaltig ist, will wohl der Mensch beratschlagen, ist aber dermaßen verwirrt in seinen Gedanken, dass er keinen Rat finden kann. [43] Der Zorn aber verträgt sich durchaus mit der Vernunft. Das Begehren ist mit der Vernunft zuvörderst, insoweit diese befiehlt; und so ist es „Wille“ und wird vernünftiges Begehren genannt; — dann, insoweit die Vernunft anzeigt, was zu tun ist; und so ist der Zorn mit der Vernunft. Denn „der Zorn“ so Aristoteles (problem. 28, 3.) „ist mit der Vernunft, nicht als ob diese geböte, sondern weil sie die Größe des Unrechts offenbart.“ Der sinnliche Teil folgt nämlich der Vernunft nur vermittelst des Willens. Die Tiere haben von seiten der göttlichen Vernunft den natürlichen Antrieb als Prinzip der inneren und äusseren Bewegungen. Aristoteles sagt (7 Ethic. 6.): „Der Zorn hört in etwa auf die Vernunft, inwieweit sie kündigt, wie viel Unrecht geschehen ist; aber er hört nicht vollkommen;“ weil er im Begehren nach Rache nicht der Richtschnur der Vernunft folgt. Zum Zorne also gehört eine gewisse Tätigkeit der Vernunft; und es tritt hinzu ein Hindernis für die Vernunft. Daher sagt Aristoteles (problem. 32, 26.): „Die sehr trunken sind, zürnen nicht, denn sie haben keine Vernunft.“ [44] „Natürlich“ wird etwas genannt, insoweit es verursacht wird von der Natur. (2 Phys.) Ob also die eine Leidenschaft natürlicher sei wie die andere, das kann nur aus der betreffenden Ursache ermessen werden. Nun ist eine Ursache für die Leidenschaft auf seiten des Gegenstandes; eine andere aber auf seiten des Subjekts, des Begehrenden. Vom Gegenstande her ist die Begierlichkeit, und zumal die nach Speise und Geschlechtlichem, natürlicher wie der Zorn; denn diese Gegenstände entsprechen mehr der Natur des Menschen wie die Rache. Von seiten des Subjektes, des Begehrenden, aber her ist natürlicher der Zorn wie die Begierlichkeit in einer Beziehung; und in anderer Beziehung ist das Gegenteil der Fall. Denn wird im Menschen die Natur seiner „Art“, des Sinnbegabten betrachtet, so ist auch hier die Begierlichkeit, welche durch Begehren nach Speise und Fortpflanzung zur Erhaltung der Natur beiträgt, natürlicher wie der Zorn. Wird aber die Natur der besonderen Gattung im Menschen beachtet, also seine Vernunft, so ist der Zorn natürlicher wie die Begierlichleit; denn ersterer besteht mit der Vernunft, letztere aber, zumal wenn das geschlechtliche Zusammenleben in Betracht kommt, nicht. So sagt in diesem Sinne Aristoteles: „Es ist dem Menschen mehr angemessen, zu strafen, wie sanftmütig zu sein;“ denn jegliches Wesen steht von Natur gegen Schädliches und Verderbliches auf. Wird aber der einzelne Mensch als einzelner betrachtet gemäß der eigenen Komplexion, so ist der Zorn natürlicher wie die Begierlichkeit. Denn der natürlichen Beziehung zum Zürnen, die aus der Komplexion kommt, folgt mit größerer Leichtigkeit der Zorn wie die Begierlichkeit oder eine andere Leidenschaft. Der Mensch ist nämlich in der Verfassung zum Zürnen, insoweit er eine cholerische Komplexion hat; die cholerische Feuchtigkeit aber ist unter allen anderen derartigen humores schneller in Bewegung gesetzt, sie ist dem Feuer ähnlich. Deshalb ist, wer in seiner natürlichen Verfassung die Neigung zum Zorne hat, leichter im Zorne, wie jener, der in seiner natürlichen Verfassung die Neigung zur Begierlichleit hat, der Begierde folgt. Demgemäß sagt Aristoteles (7 Ethic. 6.): „Der Zorn wird in höherem Grade von den Eltern in die Kinder fortgepflanzt wie die Begierlichkeit. Die natürliche Komplexion sowohl kann im Menschen erwogen werden von seiten des Körpers als durch das ihr innewohnende Maß hervorragend; wie auch die Vernunft. Von seiten seiner körperlichen Komplexion ragt im Menschen, in seiner Gattung betrachtet, keine Leidenschaft in besonderem Maße hervor; weder der Zorn noch die Begierlichkeit. Die anderen sinnbegabten Wesen aber, die Tiere, weichen ab von diesem Maßvollen im Gemische der humores beim Menschen seiner Gattung nach; sie sind ihrer Natur selber, also ihrer Gattung gemäß, von vornherein für eine besondere Leidenschaft gemacht; so der Löwe für die Kühnheit, der Hund für den Zorn, der Hase für die Furcht u. s. w. Von seiten der Vernunft aber ist es dem Menschen natürlich, sowohl zu zürnen als sanftmütig zu sein; je nachdem die Vernunft gewissermaßen den Zorn hervorruft, indem sie die Ursache des Zornes anzeigt; und gewissermaßen den Zorn besänftigt, inwieweit der Zornige nicht ganz und gar hört, was die Vernunft kündet. Die Vernunft selber gehört zur Natur des Menschen. Der Zorn aber ist mit der Vernunft. Dieser Einwurf geht vom Gegenstande aus und hat somit recht." - Thomas von Aquin, q 46Der Hass nun kommt von einer beständigeren Ursache her wie der Zorn. Denn der Zorn kommt von einer gewissen Bewegung des Geistes wegen eines angetanen Unrechtes; der Hass aber rührt von einer Verfassung des Menschen, welcher gemäß er für sich nachteilig und verderblich hält das was er hasst. Und wie eine bloße Bewegung schneller vorübergeht als eine innere Verfassung oder ein Zustand, so geht der Zorn schneller vorüber als der Hass. Deshalb sagt Aristoteles (2 Rhet. 4.): „Der Hass ist unheilbarer wie der Zorn.“ [45] "Der Zorn kann auch in den Tieren sein, inwieweit sie durch den natürlichen Antrieb oder Instinkt vermittelst der Einbildung zu etwas hin bewegt werden, was den Werken der Vernunft ähnlich ist. Da also in den Menschen Vernunft ist und Einbildungskraft, so kann in doppelter Weise die Zornesbewegung erstehen: einmal nur infolge der Einbildungskraft, welche die Verletzung kündet; und so entsteht eine Zornesbewegung gegen unvernünftige Dinge, gemäß der Ähnlichkeit mit den Tieren; dann infolge der Vernunft, welche die Verletzung kündet; und so ist niemals Zorn gegen vernunftlose, leblose Dinge, sowohl weil sie keinen Schmerz empfinden, was in höchstem Grade erstreben die Zornigen in denjenigen, welchen sie zürnen, als auch weil auf diejenigen die Rache sich nicht erstreckt, denen es nicht zugehört ein Unrecht zu tun. Figürlicherweise ist nach Aristoteles (5 Ethic.) im Menschen eine Gerechtigkeit gegenüber sich selbst; insoweit nämlich der Vernunft es gebührt, die sinnliche Begehr- und Abwehrkraft zu lenken. Und danach wird vom Menschen gesagt, er räche sich gegenüber sich selbst, er strafe sich. Im eigentlichen Sinne ist da jedoch von Strafe, Gerechtigkeit, Zorn keine Rede. Der Hass, so Aristoteles (2 Rhet. 4.) kann sein gegen ein ganzes Geschlecht; wie wir z. B. das ganze Geschlecht der Räuber hassen. Der Zorn aber ist bloß gegen Einzelnes. Der Grund davon ist, dass der dadurch verursacht wird, dass wir etwas auffassen als zu uns im Gegensatze stehend oder vielmehr zu unserer ganzen Verfassung; und das kann ein ganzes Geschlecht sein. Der Zorn aber wird dadurch verursacht, weil jemand durch seine Thätigkeit verletzt hat; und Tätigsein geht die einzelnen Individuen an. Wenn aber ein ganzer Staat verletzt hat, so wird der ganze Staat als ein einiges Ganze, als Einzelwesen aufgefasst. [46] Die drei angegebenen Gattungen des Zornes werden von dem hergenommen, was dem Zorne eine gewisse Vermehrung gibt. Das geschieht in dreifacher Weise: 1. Infolge der Leichtigkeit der Bewegung; und das nennt er „Galle“, weil diese schnell entzündet wird; 2. infolge der Trauer, welche den Zorn verursacht und die lange in der Erinnerung bleibt; und das gehört zum „Wahnsinn“, welcher vom Wähnen, was vom Gedächtnisse kommt, genannt wird; — 3. infolge der Rache, welche der Zornige begehrt; und das bezeichnet er als „Wut“, welche nicht ruht, bis die Strafe erfolgt ist. Aristoteles nennt demgemäß (4 Eth. 5.) die einen unter den Zornigen: die Heftigen, weil sie schnell in Zorn geraten; die anderen die Bitteren, weil sie lange am Zorne festhalten; die dritten die schwer zu Besänftigenden, weil sie nicht ruhen, bis sie gestraft haben. Von wo dem Zorne eine Vollendung zuwächst, das ist nicht rein äusserlich für denselben; und deshalb kann man danach ganz wohl die betreffenden Gattungen unterscheiden. Das „Erglühen (excandiscentia)", gehört mehr zur ersten Gattung Zorn, welche durch die Schnelligkeit vollendet wird, wie zur Wut. Zudem kann die Wut gut Beides vereinigen: die Schnelle in der Rache und die Festigkeit des Vorsatzes, zu strafen. [47] Aristoteles (2 Rhet. 2.) sagt: „Die Menschen erzürnen sich zumeist gegen jene, die das verachten, womit sie selber am meisten sich beschäftigen; wie z. B. die da Philosophie studieren, sich erzürnen gegen jene, welche die Philosophie verachten. . .“ Die Philosophie verachten aber heißt nicht: dem, der sie studiert, schaden. Also nicht immer ist Grund unseres Zornes das, was gegen uns geschieht. Alle Ursachen des Zornes lassen sich zurückführen auf „Geringschätzung.“ Denn es gibt drei Gattungen Geringschätzung: Verachtung; Epireasmus oder Hinderung, seinen Willen zu tun; und Schmähung; und auf diese drei Gattungen lassen sich alle Beweggründe des Zornes zurückführen. Der Grund davon ist zweifach: 1. Da der Zorn nach dem Schaden des anderen strebt unter dem Gesichtspunkte gerechter Rache, gerechte Rache aber nur statthaben kann wegen etwas zu Unrecht Geschehenen; so muss das, was zum Zorne führt immer den Charakter des Ungerechten tragen. Deshalb sagt Aristoteles (2 Rhet. 3.): „Wenn die Menschen meinen, sie seien gerechterweise verletzt worden, so zürnen sie nicht.“ Nun wird einem anderen Schaden zugefügt entweder aus Unkenntnis oder aus Leidenschaft oder als Folge freier vernünftiger Wahl. Denn, sagt Aristoteles (5 Ethic. 8.), „dann tut jemand am meisten unrecht, wenn er aus freier Wahl, mit Kenntnis also, aus Bosheit Schaden tut.“ Und deshalb zürnen wir am meisten jenen, von denen wir meinen, sie hätten vorsätzlich uns Schaden angetan. Ist uns ein Schaden angetan worden aus Unkenntnis oder aus leidenschaftlicher Erregung, dann zürnen wir entweder gar nicht oder nur wenig; denn ein solches Tätigsein verdient mehr Mitleid als Vergeltung. Wer aber vorsätzlich uns unrecht tut, der scheint das zu tun, weil er uns verachtet; und deshalb zürnen wir gegen einen derartigen am meisten. Demgemäß sagt Aristoteles: „Denen, die aus Zorn etwas getan, zürnen wir nicht oder nur wenig; denn sie taten es nicht aus Geringschätzung für unsere Person.“ 2. Die Geringschätzung richtet sich gegen die hervorragende Würde des Menschen; denn was die Menschen für unwürdig halten, das schätzen sie gering. (2 Rhet. 2.) Aus allen unseren Gütern aber her suchen wir irgendwie hervorzuragen. Wer also uns in irgend einem Gute Schaden antut, der schadet diesem unserem Verlangen hervorzuragen, dem alle unsere Güter dienen; und somit gehört jeglicher solche Schaden mit zur Geringschätzung. Aus welchem anderen Grunde auch immer der Verletzte Unrecht erleide als wie wegen Verachtung, immer mindert dies das Unrecht; nur die Verachtung vermehrt das Unrecht. Das Tier strebt zwar nicht nach Ehre auf Grund der Ehre; aber auch es will kraft seiner Natur ein gewisses Ansehen, ein Unterschiedensein von anderem zu seinem Vorteile; und wird zornig gegen jenen, der dieses Ansehen nicht beachtet. [48] Aristoteles aber sagt: „Menschen, die spielen, lachen, Feste feiern, glücklich sind, ihre Werke vollendet haben, an Unbeständigem keine Freude finden und viel Hoffnung besitzen, erzürnen sich nicht.“ Auf der anderen Seite schreibt Aristoteles (2 Rhet. 3.) im selben Buche: „Die Menschen werden leicht unwillig auf Grund des Hervorragenden in ihnen.“ Aristoteles (2 Rhet. 3.): „Denen, die sich demütigen, bekennen, bereuen, zürnen wir nicht; sondern haben Mitleid; weshalb auch die Hunde jene nicht beißen, die sitzen.“ Aristoteles führt das Sprichwort an: „Der Zorn, weit süßer als herabträufelnder Honig, wächst in der Brust der Männer.“ Die körperliche Veränderung bei den Leidenschaften der Seele steht im Verhältnisse zur bestimmenden, maßgebenden Bewegung im begehrenden Teile. Nun strebt offenbar jedes Begehren, auch das natürliche, mit mehr Kraft zu dem ihm Entgegengesetzten hin, wenn dieses gegenwärtig ist; weshalb wir sehen, dass erwärmtes Wasser stärker gefriert, als ob die Kälte heftiger in selbiges einwirkte. Die Bewegung aber im Begehren des Zornes wird durch ein angetanes Unrecht hervorgebracht wie aus dem Entgegengesetzten, was gegenwärtig ist. Also strebt das Begehren an erster Stelle danach, das Unrecht von sich abzutreiben vermittelst dessen dass es auf die Rache sich richtet; und daraus folgt die große Heftigkeit und das Ungestüme in der Zornesbewegung. Da nun die Bewegung des Zornes nicht wie die der Furcht ein Zurückziehen, Zusammenziehen ist, dem Kälte entspricht, sondern vielmehr ein Drauflosgehen, dem Wärme entspricht; so verursacht folgerichtig die Zornesbewegung eine gewisse Glut des Blutes und der Geister um das Herz herum, welches ja das Werkzeug der Leidenschaften der Seele ist. Und daher rührt es, dass wegen der großen Verwirrung des Herzens, die im Zorne stattfindet, bei den Zornigen im höchsten Grade erscheinen einige Anzeichen in den äusseren Gliedern. Deshalb sagt Gregor der Große (moral. 5, 30.): „Durch die Triebe des Zornes entflammt schlägt heftig das Herz, zittert der Körper, die Zunge überstürzt sich, das Antlitz wird wie von Feuer durchströmt, die Augen rollen erbittert, Bekannte selber werden nicht erkannt, der Mund öffnet sich und bildet ein Schreien, der Sinn aber weiß nicht was gesprochen wird.“ „Die Liebe selber wird“ nach Augustin (10. de Trin. ult. c.) „nicht so tief gefühlt, wenn nicht das Bedürfnis sie offenbart.“ Wenn also der Mensch einen Verlust mit Rücksicht auf die geliebte Sache erleidet, hier beim Zorne einen Verlust des geliebten Hervorragens wegen des erlittenen Unrechts, so wird das Herz um so heftiger hinbewegt zur geliebten Sache, um das Hindernis zu heben; und so wächst die Glut der Liebe selbst durch den Zorn. Trotzdem gehört die Glut, welche der Wärme folgt, in anderer Weise der Liebe an und in anderer Weise dem Zorne. Die Glut der Liebe nämlich ist begleitet von einer gewissen Süssigkeit, denn sie richtet sich direkt auf das geliebte Gut; und darum ist sie ähnlich der Wärme der Luft und des Blutes, weshalb die Sanguiniker mehr geneigt sind zur sinnlichen Liebe, und weshalb man von der Leber, wo in gewisser Weise das Blut erzeugt wird, sagt, „sie zwinge dazu, zu lieben.“ Die Glut des Zornes aber ist begleitet von einer gewissen Bitterkeit zum Verbrennen, denn sie zielt auf die Bestrafung des Gegenparts. Deshalb wird sie als ähnlich bezeichnet der Wärme des Feuers und des cholerischen humor. Deshalb sagt Damascenus: „Der Zorn geht aus von der Ausdünstung der Galle und wird gallig genannt.“ Alles das, dessen Ursache mit der Zeit sich mindert, wird durch die Zeit geschwächt. Offenbar nun wird das Gedächtnis mit der Zeit minder; denn was vor langer Zeit geschehen ist, fällt aus der Erinnerung heraus. Der Zorn aber wird verursacht durch die Erinnerung an das erlittene Unrecht; und deshalb wird die Ursache des Zornes mit der Zeit minder, bis sie entfernt ist. Größer erscheint auch die Beleidigung gleich im Anfange, wenn sie zuerst gefühlt wird. Nach und nach verliert sich jedoch das Gefühl davon, dass sie so tief gewesen ist; je mehr man nämlich sich entfernt von da, wo sie gegenwärtig war und tatsächlich innewohnte. So ist es ja auch bei der Liebe, wenn deren Ursache in der Erinnerung allein bleibt; weshalb Aristoteles (8 Ethic. 3.) sagt: „Wenn die Abwesenheit des Freundes lange dauert, scheint sie zu bewirken, dass man der Freundschaft vergisst.“ Wenn freilich die Ursache des Zornes durch die Gegenwart des Unrechts immer vervielfältigt würde, so würde auch der Zorn selbst immer stärker werden. Dieser Umstand aber dass der Zorn schnell sich aufzehrt, bezeugt die heftige Glut desselben. Wie ein gewaltiges Feuer nämlich den brennbaren Stoff schneller verzehrt und deshalb schneller verlöscht, so fällt der Zorn gerade wegen seiner Heftigkeit bald zusammen. [49] Die Vernunft bedarf
wohl für ihre eigene Tätigkeit, für die Erkenntnis des Allgemeinen,
nicht eines körperlichen Organs. Weil sie aber, damit ihr einzelner
Gegenstand ihr vorgestellt werde, gewisser Sinneskräfte bedarf, deren
Tätigkeit durch körperliche Verwirrung gestört wird, so
ist es notwendig, dass solche körperliche Verwirrung auch die Tätigkeit
der Vernunft stört, wie das beim Schlafe und bei der Trunkenheit offenbar
ist. Der Zorn aber macht sehr große Verwirrungen um das Herz herum,
so dass er auch in den äusseren Gliedern sichtbar wird. Also unter
allen Leidenschaften stört der Zorn offenbarer das Urteil der Vernunft;
wie Ps. 30. gesagt wird: „Im Zorne ist mein Auge trübe geworden.“
Von der Vernunft her ist der Beginn und das Prinzip des Zornes, soweit
es auf die maßgebende Bewegung im begehrenden Teile ankommt, nämlich
auf den formalen Teil. Das vollkommene Endurteil der Vernunft aber wird
gestört durch den Zorn, der da nicht vollkommen auf die Vernunft hört
wegen der heftig antreibenden Bewegung der Wärme, was ja das materiale,
bestimmbare Moment im Zorne bildet; und danach stört er das Urteil
der Vernunft. Der Zornige wird als „offenbar“ bezeichnet, nicht weil es
ihm selber offenbar wäre, was er tun muss; sondern weil er „offen“
vorgeht und kein Verbergen sucht. Dies geschieht teilweise wegen der Störung
der Vernunft, so dass er nicht weiß, was zu verbergen oder was offenbar
zu machen ist und auch nicht genügend Wege ausdenken kann, um etwas
zu verbergen; und teilweise kommt dies aus der Erweiterung des Herzens,
die zur Großmut gehört und diese macht eben der Zorn. Deshalb
sagt Aristoteles (4 Ethic. 3.) vom Großmütigen: „Offen hasst
er und offen liebt er, offen spricht und wirkt er.“ Die Erhöhung des
Zornes geht zuweilen soweit, daß er die Vernunft abhält, die
Zunge zu binden; — bisweilen aber noch weiter, so dass er jede Bewegung
der Zunge und der anderen äußeren Glieder hindert. Die Verwirrung
des Herzens kann so übervoll werden, dass durch diese ungeordnete
Bewegung die der äußeren Glieder gehindert wird; und dann wird
verursacht Stillschweigen und Unbeweglichkeit der äusseren Glieder
und bisweilen der Tod. Ist die Verwirrung nicht so groß, so folgt
aus der Fülle des Herzens die (ungeordnete) Rede. [50]
12. Die Gesundheit ist ein Zustand mit Beziehung allein auf die Natur; und insofern die Natur Prinzip der Tätigkeit ist, Gesundheit und SchönheitEin Prinzip der Tätigkeit zu bilden kann dem Zustande eigen sein 1. gemäß dem Wesen des Zustandes; und 2. gemäß dem Wesen des Subjekts, welches den Zustand trägt. In der erstgenannten Weise nun kommt es jedem Zustande zu, irgendwie seiner Natur nach Beziehung zum Tätigsein zu haben. Denn es gehört zum Wesen eines Zustandes, dass er eine Beziehung einschliesst zur Natur des betreffenden Dinges, insoweit er derselben entspricht oder nicht. Die Natur jedes Dinges aber, die da zuvörderst Zweck des Erzeugens oder Werdens ist, hat weiter noch Beziehung zu einem anderen Zwecke, der da entweder das Tätigsein ist oder etwas durch das Tätigsein Erreichtes. Deshalb schliesst ein Zustand nicht nur Beziehung ein zur Natur des betreffenden Dinges, sondern auch zum Tätigsein, insofern dasselbe Zweck und Vollendung der Natur ist oder doch dazu führt. Aus diesem Grunde sagt Aristoteles (5 Met.) in der Begriffsbestimmung des „Zustandes“: „es sei danach etwas in schlechter oder guter Verfassung entweder mit Rücksicht auf die eigene Natur oder mit Rücksicht auf etwas Anderes, nämlich auf den Zweck dieser Natur.“ Es gibt jedoch Zustände, welche auch in der zweitgenannten Weise Prinzip der Tätigkeit sind, nämlich zugleich von seiten des Subjekts, das sie trägt. Denn, wie gesagt, schliesst der „Zustand“ in sich ein die Beziehung zur Natur des betreffenden Dinges, besteht also diese Natur selber in der Beziehung zum Tätigsein, so folgt, dass der entsprechende Zustand an erster Stelle Beziehung hat zum Tätigsein. Offenbar aber ist es dem Wesen und der Natur eines Vermögens oder einer Potenz eigen, Prinzip der Tätigkeit zu sein. Also jeglicher Zustand, der seinen Sitz oder sein Subjekt in einem Vermögen hat, schliesst an erster Stelle die Beziehung zum Tätigsein in sich ein. Der „Zustand“ ist etwas Tatsächliches seinem Sein nach als Eigenschaft; und danach kann er Prinzip der Tätigkeit sein. Er ist jedoch vermögend mit Rücksicht auf die Tätigkeit selbst; und deshalb nennt man denselben das erste Tatsächliche oder die erste Tätigkeit (actus primus), und das Tätigsein selber nennt man das zweite, das folgende Tatfächliche (actus secundus). Zur Natur eines Zustandes gehört es nicht, dass er auf ein Vermögen sich richtet, sondern auf die Natur selber. Und weil die Natur die erste Richtschnur ist für die Tätigkeit, welche vom Vermögen berücksichtigt wird, so steht der Zustand als Eigenschaftsgattung an erster Stelle. [51]"Die Gesundheit ist ein Zustand mit Beziehung allein auf die Natur; und insofern die Natur Prinzip der Tätigkeit ist, schliesst sie folgegemäß die Beziehung zur Tätigkeit ein. Sonach sagt Aristoteles (10. de hist. anima 1.): „Der Mensch oder ein Glied ist gesund, wenn er wie ein gesunder arbeiten kann.“ Und ähnlich verhält es sich mit dem übrigen." - Thomas von Aquin, q 49Der Zustand schliesse eine Verfassung in sich ein unter Beziehung auf die Natur des Dinges und auf die Tätigkeit oder den Zweck desselben, wonach das betreffende Ding gut oder schlecht eingerichtet ist. Dazu aber dass etwas es notwendig hat, mit Beziehung auf etwas Anderes in die rechte Verfassung gesetzt zu werden, ist dreierlei erforderlich: 1. dass jenes Ding, welches eine solche Verfassung erhalten und jenes, mit Beziehung worauf es eine solche Verfassung in sich aufnehmen soll, voneinander verschieden seien und so zwischen beiden die Beziehung sei wie zwischen Vermögen und Tätigsein. Wo also in einer Natur keine Zusammensetzung ist aus Vermögen und Tätigsein, wo vielmehr diese Natur selbst Tätigsein und somit ihr eigener Zweck und ihre eigene Vollendung ist, da besteht kein Zustand und keine besondere Anpassung. Es wird 2. erfordert, dass jenes Ding, welches vermögend ist mit Rücksicht auf etwas Anderes, in verschiedener Weise bestimmt und betätigt werden kann und nach verschiedenen Seiten. Wo also die Natur eines Dinges wohl Vermögen für das Tätigsein einschliesst, jedoch nur in ganz bestimmter einheitlicher Weise betätigt werden kann; da bedarf es wiederum keines weiteren Zustandes, um die Bethätigung und Bestimmung nach einer ganz bestimmten Seite hin zu lenken. Da also, um ein Beispiel anzuführen, der Himmelskörper wohl aus Stoff und einer Wesensform zusammengesetzt ist, dieser Stoff aber kein Vermögen einschliesst, um der bestimmenden Kraft einer anderen Wesensform zu unterliegen, wie der Stoff der vergänglichen, d. h. dem Entstehen und Vergehen unterworfenen Dinge, wo aus dem einen das andere wird und immer der Ur-Stoff der nämliche bleibt; so hat da, im Himmelskörper, ein weiterer Zustand oder eine weitere innere Verfassung keine Stelle; denn nur zu einer einzigen allseitig bestimmten Bewegung hat der Himmelskörper ein Vermögen. Erfordert wird 3. ein Zustand da, wo mehrere Einflüsse sich vereinigen müssen, um das betreffende Subjekt in die richtige Verfassung mit Rücksicht auf eine jener Kräfte zu versetzen, von denen aus es vollendet oder betätigt werden kann; und wo diese Einflüsse in verschiedener Weise gegeneinander abgemessen werden müssen, auf dass das Subjekt entweder in eine gute oder schlechte Verfassung rücksichtlich seiner Wesensform oder seines Tätigseins gesetzt werde. Und danach bezeichnen wir jene einfachen Eigenschaften der Elemente, die gemäß nur einer und zwar allseitig bestimmter Weise den Naturen der Elemente zukommen, nicht als Zustände oder Verfassungen, sondern als „einfache Eigenschaften.“ Die Gesundheit aber und die Schönheit und Ähnliches nennen wir „Zustände“, weil sie ein gegenseitiges Abmessen vieler Einflüsse einschließen. Deshalb sagt Aristoteles (5 Met.): „Der Zustand ist eine gewisse Verfassung im betreffenden Dinge“; und: „Verfassung eines Dinges will bezeichnen die Ordnung dessen oder in dem, was Teile hat, entweder gemäß dem Orte oder gemäß den Vermögen oder gemäß der inneren Natur.“ Weil also viele Dinge in der Lage sind, dass zu der Herstellung und Entwicklung ihrer Natur oder ihrer Tätigkeit notwendig mehrere Einflüsse sich vereinigen müssen, welche in verschiedener Weise gegeneinander abzumessen sind, deshalb ist auch das Bestehen von Zuständen etwas Notwendiges. Allerdings wird durch die Wesensform die Natur eines Dinges eine vollständige, tatsächlich zu existieren geeignete; aber bereits damit das Subjekt oder der Stoff in eine gewisse Beziehung zu dieser Form gebracht werde, bedarf es einer Vorbereitung, also einer Verfassung oder Ordnung der Teile in ihm. Nun hat aber jede dieser Formen noch weitere Beziehung Zur Tätigkeit, die da Zweck oder doch der Weg zum Zwecke ist. Hat also eine solche Form nur eine, allseitig bestimmte Tätigkeit, so bedarf es keiner weiteren Verfassung in ihr, damit sie tätig sei. Ist es aber eine bestimmende Wesensform, welche verschiedenartig wirken kann, wie die Seele z. B., so muss sie zu bestimmtem Tätigsein in die richtige Verfassung gebracht werden durch einige Zustände. Die Naturkräfte bedürfen keiner weiteren, vervollständigenden Zustände; weil sie Vermögen sind, die für ihr Tätigsein die ganz bestimmte Richtung in sich tragen. Handelt es sich aber um Vermögen, von welchen verschiedenartige Tätigkeiten ausgehen können, so bedürfen sie, um in einer bestimmten Richtung tätig zu sein, mancherlei Zustände, die sie für das Tätigsein vollenden. [52] Averroës schreibt (3. de anima com. 18.): „Der Zustände bedient man sich, sobald man will.“ Die körperlichen Tätigkeiten aber als mit der Natur gegebene unterliegen nicht dem Willen. Also ist da kein Zustand. Der Zustand sei, wie gesagt, eine gewisse Verfassung in einem Subjekte, das nur im Vermögen steht entweder zur bestimmenden Wesensform oder zur Tätigkeit hin. Soweit also ein Zustand die Richtung auf das Tätigsein einschliesst, ist keiner an erster Stelle im Körper als in seinem Träger oder Sitze. Denn eine jede Tätigkeit des Körpers rührt entweder von einer natürlichen Eigenschaft des Körpers her oder von der den Körper in Bewegung und in Tätigkeit setzenden Seele. Die mit der Natur gegebenen Eigenschaften des Körpers nun bedürfen keines Zustandes, der sie für die Tätigkeit vollendete; denn sie verfolgen von Natur immer die eine allseitig bestimmte Richtung, wie Kap. 49. auseinandergesetzt wurde. Geht aber die Tätigkeit des Körpers von der Seele aus, die den Antrieb gibt, so gehört eine solche Tätigkett an erster Stelle der Seele an und erst abhängig von dieser dem Körper. Da nun die Zustände entsprechen der Natur der Tätigkeiten, denn „aus ähnlichen Tätigkeiten werden entsprechende Zustände erzeugt“ (2 Eth. 2), so sind solche Zustände an erster Stelle in der Seele; im Körper aber nur an zweiter Stelle, insoweit nämlich der Körper geeigneter gemacht wird, um der Seele zu dienen. Sprechen wir aber von dem Verhältnisse des Subjekts, nicht präzis zur Tätigkeit, sondern zu seiner bestimmenden Form, dann können „Zustände“ auch im Körper sein, der ja zur Seele im Verhältnisse steht wie das bestimmbare Subjekt, wie der Stoff zur bestimmenden Form; und so nennt man die Schönheit, Gesundheit auch „Zustände“. Freilich haben sie nicht den vollkommenen Charakter von Zuständen. Denn die Ursachen derselben sind ihrer Natur nach leicht veränderlich. Der Einwurf des Averoes berücksichtigt solche Zustände, welche auf das Tätigsein gerichtet sind; und spricht vom Körper nur, insoweit rein natürliche Kräfte in ihm wirken, und nicht inwieweit er von der Seele aus in Bewegung gefetzt ist, wo doch der Wille das Prinzip des Tätigseins ist. Die körperlichen Verfassungen an sich sind nicht „schwer veränderlich“ auf Grund der Veränderlichkeit der körperlichen Ursachen. Sie können jedoch mit Rücksicht auf etwas Äußerliches „schwer veränderlich“ sein; nämlich im Vergleiche mit einem bestimmten Subjekte oder Träger, weil sie, so lange dieses Subjekt dauert, nicht verlierbar sind; oder im Vergleiche zu anderen „Verfassungen“. Die Eigenschaften der Seele aber sind an sich „schwer veränderlich“ wegen der Dauer des Trägers oder Subjekts. Und deshalb nennt Aristoteles die Gesundheit, insoweit sie schwer verlierbar ist, nicht einfach einen „Zustand“, sondern „wie einen Zustand“. Die Eigenschaften der Seele aber werden einfach „Zustände“ genannt. Körperliche Verfassungen, welche in der ersten Gattung der Seinsart „Eigenschaft“ sind, also in der Gattung der Zustände, unterscheiden sich nach einigen darin von den Eigenschaften in der dritten Gattung, dass letztere als im Werden und in der Bewegung begriffen aufgefasst werden, wonach sie als dem Einflüsse von aussen her zugängliche, als „leidende, empfangende“ Eigenschaften (passibiles qualitates) zu bezeichnen sind. Gelangen aber diese selben Eigenschaften bis zu vollendetem Sein, also gleichsam bis zur Vollendung in ihrer Gattung, dann wären sie in der ersten Gattung, also Zustände. Das missbilligt aber Simplicius (comm. in praed. qual.). Denn danach wäre das „Warmwerden“ in der dritten Gattung, die „Wärme“ aber in der ersten; wogegen Aristoteles die Wärme als zur dritten Gattung zugehörig bezeichnet. Deshalb sagt Porphurius (l. c.), dass „Leiden“ oder „dem Leiden unterliegende Eigenschaften“ und „Zustand“ oder „Verfassung“ in den Körpern unterschieden sind gemäß dem Mehr und Minder, dem Steigern und Nachlassen. Soweit nämlich etwas die Wärme nur aufnimmt, dass es selber warm wird, und nicht bis zu dem Grade, dass es auch selbst seinerseits warm machen kann; soweit ist da ein Leiden oder Bestimmtwerden, wenn es sich um schnell Vorübergehendes handelt; eine für das Leiden geeignete Eigenschaft aber, wenn Dauerndes in Frage steht. Wird jedoch etwas bis zu dem Grade warm, daß es auch Anderes warm machen kann; so wäre da bereits eine „Verfassung“. Wird dann noch hinzugefügt, dass die Wärme da als eine „schwer veränderliche“ erscheint, so würde dies einen „Zustand“ in der Wärme bedeuten; so dass in diesem Falle immer das eine den gesteigerten Grad rücksichtlich des anderen ausdrückte. Dies missbilligt jedoch Simplicius ebenfalls. Denn solches Steigern und Nachlassen bedeutet nicht eine Verschiedenheit von seiten der Form selbst, sondern eine Verschiedenheit von seiten des betreffenden Subjekts in der Teilnahme an der Form; und somit ist das keine Begründung für die Verschiedenheit in den Gattungen der „Eigenschaft“, welche immer von verschiedenen bestimmenden Formen abhängig sind. Deshalb muss man anders sagen, dass nämlich die Abmessung selber, wonach entsprechend der Natur die dem Leiden oder dem Einflüsse von aussen her unterworfenen Eigenschaften ineinander greifen, den Charakter der „Verfassung“ oder des „Zustandes“ trägt. Vollzieht sich also ein Anderswerden in diesen Eigenschaften selbst, welche sind das Kalte, Warme, Feuchte, Trockene, so tritt als Folge davon eine Änderung in der Gesundheit oder Krankheit ein. An erster Stelle und dem Wesen nach ist da kein Anderswerden gemäß derartigen Zuständen, so dass der betreffende Zustand selber maßgebendes Prinzip wäre für das Anderswerden. [53] Insoweit also ein Zustand in Beziehung steht zur Natur des betreffenden Seins, kann er nicht in der Seele sein, vorausgesetzt dass es sich um die menschliche Natur handelt; denn die Seele selbst ist eben die Wesensform, welche die menschliche Natur bestimmend vervollständigt und vollendet. Demnach kann ein Zustand mit grösserem Recht im Körper sein kraft dessen Beziehung zur Seele wie in der Seele kraft ihrer Beziehung zum Körper; denn der Körper stellt das bestimmbare Moment vor. Ist aber die Rede von einer höheren Natur, an welcher die Seele Anteil haben kann nach 2. Petr. I.: „Dass wir haben Anteil an der göttlichen Natur,“ so steht dem nichts entgegen, dass in der Seele, auch gemäß ihrem Wesen, ein Zustand sei; nämlich die Gnade, denn die Seele ist dann etwas Bestimmbares. Nimmt man jedoch die Zustände in ihrem Verhältnisse zum Tätigsein, so werden im höchsten Grade sie in der Seele vorgefunden, insofern die Seele nicht allseitig bestimmt ist für eine einzige Wirksamkeit, sondern für verschieden geartete; wozu, wie oben gesagt, Zustände erfordert werden, die mehr nach einer bestimmten Seite die Tätigkeit richten. Und weil die Seele das Prinzip für ihre Tätigkeiten ist vermittelst ihrer Vermögen, deshalb sind dem angemessen die Zustände in der Seele gemäß ihren Vermögen. [54] Die Sinneskräfte können berücksichtigt werden entweder als vom Antriebe der Natur allein bewegt oder als unter der Anordnung der Vernunft befindlich. Nach der erstgenannten Seite hin sind die Sinneskräfte von Natur auf eine allseitig bestimmte Tätigkeit gerichtet und bestehen sonach in ihnen keine Zustände. Nach der zweitgenannten Seite hin aber können sie von seiten der Vernunft auf Verschiedenartiges gerichtet werden; und so können Zustände in ihnen bestehen, wonach sie in guter oder schlechter Verfassung sind. Die Nährkräfte sind nicht geeignet, der Anordnung der Vernunft zu gehorchen; und demnach sind in ihnen keine Zustände. Die Sinneskräfte aber können der Anordnung der Vernunft folgen und werden danach gewissermaßen als „vernünftige“ bezeichnet. In den Tieren sind die sinnlichen Instinkte nicht dazu angetan, vernünftiger Anordnung, die in ihnen selbst sich fände, zu gehorchen. Deshalb bestehen da keine Zustände, die auf das Tätigsein Bezug hätten. Wohl aber ist in ihnen Gesundheit, Schönheit u. dgl., d. h. Zustände, die sich auf die Natur allein in ihnen beziehen. Weil aber die Tiere von der Vernunft des Menschen gewohnheitsmäßig verwendet werden, damit sie dies oder jenes tun, so können demgemäß in den Tieren Zustände angenommen werden. [55] Rücksichtlich der Zustände, die der Leichtigkeit des Erkennens dienen, beständen verschiedene Meinungen. Denn jene, die da meinen, es bestände nur eine einzige „mögliche“, d. h. die Ideen oder Erkenntnisformen aufnehmende und demgemäß erkennende Vernunft in allen Menschen, sind gezwungen, anzunehmen, die dem Erkennen dienenden Zustände seien nicht in der Vernunft selber, sondern in den inneren sinnlichen Erkenntniskräften. Offenbar nämlich sind die Menschen in ihren Erkenntniszuständen voneinander verschieden. Also können solche Zustände ihren Sitz oder ihr Subjekt nicht in dem haben, was als in absoluter Einheit bestehend allen Menschen gemeinsam ist. Gibt es somit nur eine einzige menschliche Vernunft, welche die Ideen als Erkenntnisformen trägt, so können die Zustände für die Wissenschaften, wonach die Menschen sich voneinander unterscheiden, nicht in der erkennenden Vernunft als ihrem tragenden Subjekte sein, sondern sie werden in den inneren sinnlichen Kräften ihren Sitz haben, die in den verschiedenen Menschen verschieden sind. Diese Annahme aber ist 1. gegen Aristoteles. Denn offenbar sind die sinnlichen Kräfte nicht ihrem Wesen nach „vernünftig“, sondern nur, weil sie an der Vernunft gewissermaßen teilnehmen, insofern sie deren Anordnungen nachkommen. Nach Aristoteles aber sind die Zustände der Weisheit, der Wissenschaft, des Verständnisses in dem was seinem Wesen nach vernünftig ist. Also können sie nur in der Vernunft selber sein. Sodann sagt Aristoteles (3. de anima) noch ausdrücklich: „Die mögliche, also die Erkenntnisformen aufnehmende Vernunft, wenn sie auf diese Weise (nämlich dadurch dass sie von den einzelnen Dingen die allgemeinen Ideen erhält und somit fähig wird, das Einzelne vernünftigerweise zu erkennen) auf Einzelnes sich richtet, wird dann etwas gemäß dem Tatsächlichen,“ in der Weise nämlich wie einer, der etwas weiß bezeichnet wird als von dem betreffenden Wissensgegenstande bereits (vermittelst der Idee) betätigt, wenn er auch dieses sein Wissen tatsächlich auf nichts anwendet, also keinen Erkenntnisakt für den Augenblick vollzieht. Er ist betätigt, weil er ohne weiteres sein Wissen anwenden kann, sobald er will. Auch dies also ist noch im Stande des Vermögens gewissermaßen; aber nicht so, ohne weiteres, wie der Wissende es war, bevor er lernte oder erfand. Innerhalb der Vernunft selbst also muss der Zustand der Wissenschaft sein, vermittelst dessen jemand ohne weiteres tatsächlich überlegen kann, wenn er auch wirklich nicht überlegt. Die erwähnte Annahme ist 2. gegen den wirklichen Tatbestand. Denn wie dem das Vermögen zugehört, an dem es ist, zu wirken; so ist auch dem der Zustand zugehörig, an dem es ist, tätig zu sein. Vernünftig erkennen aber und überlegen ist die der Vernunft eigene Tätigkeit. Also ist auch der Zustand, vermittelst dessen überlegt und erkannt wird, so recht eigentlich in der Vernunft selber. Manche meinten, wie Simplicius berichtet (comm. in praead. c. de qual.), dass, „weil“ nach 1. de anima „jegliches Tätigsein des Menschen gewissermaßen dem aus der Verbindung von Leib und Seele sich ergebenden Zusammengesetzten angehört,“ auch keinerlei Zustand in der Seele allein seinen Sitz habe, sondern nur, insoweit sie mit dem Körper verbunden ist. Daraus folgt nun, dass kein Zustand in der Vernunft seinen Sitz hat, da die Vernunft als solche ihrem Wesen nach von allem Stoffe getrennt ist. Dieser Grund aber ist kein zwingender. Denn kein Zustand ist eine „Verfassung“ des tragenden Subjekts mit Bezug auf das Vermögen oder zum Vermögen hin; sondern ist vielmehr eine weitere Bestimmung und Betätigung des Vermögens zum Gegenstände hin. Also muss wohl der Zustand innerhalb des Vermögens sein, das da Prinzip der Tätigkeit ist; nicht aber ist das Vermögen der Gegenstand, worauf er sich richtet. Das vernünftige Erkennen aber wird als gemeinsam für Seele und Leib bezeichnet nur auf Grund des Phantasiebildes. (1. de anima.) Nun steht das Phantasiebild in Beziehung zur „möglichen“ Vernunft, welche nämlich die aus den Phantasiebildern abgezogenen Ideen in sich aufnimmt und so „möglich“ wird, etwas Bestimmtes zu erkennen, wir sagen, das Phantasiebild steht in Beziehung zur „möglichen“ Vernunft wie der Gegenstand. (3. de anima.) Also hält sich ein „Zustand“ in der Vernunft immer hauptsächlich von seiten des Vernunftvermögens; nicht aber von seiten des Phantasiebildes, das da Leib und Seele gemeinsam ist, d. h. aus der Verbindung von Leib und Seele resultiert. Und deshalb muss man sagen, dass die „mögliche“ Vernunft Sitz von Zuständen ist. Denn jenem kommt es zu, Sitz eines Zustandes zu sein, was auf Vieles hin sein Vermögen erstreckt; und das kommt im höchsten Grade der „möglichen“ Vernunft, welche nämlich zuerst vermittelst der Ideen „möglich“ wird, um zu erkennen und dann tatsächlich erkennt. Die Vernunft also ist das Subjekt oder der Sitz von Erkenntniszuständen. Das Vermögen, um sinnlich wahrnehmbares Sein zu haben, kommt dem körperlichen Stoffe zu; das Vermögen aber, geistig vernünftiges Sein zu haben, kommt der „möglichen“ Vernunft zu. Also steht dem nichts entgegen, dass in der „möglichen“ Vernunft ein Zustand sich finde, der da in der Mitte stehe zwischen reinem bloßen Vermögen und vollendetem Tatsächlichsein. Weil die auffassenden sinnlichen Kräfte innerlich für die „mögliche“ Vernunft den dieser eigenen Gegenstand vorbereiten; deshalb wird infolge der guten Verfassung dieser Kräfte, zu der mitwirkt die gute Verfassung des Körpers, der Mensch geeignet zum geistigen Verstehen. Und so kann ein Erkenntniszustand an zweiter, abhängiger Stelle in diesen Kräften sich finden; an erster Stelle aber ist ein solcher in der „möglichen“ Vernunft. [56] "Kraft seiner Natur neigt der Wille als Vermögen zum Guten, wie es die Vernunft regelt, hin. Weil aber solches Gut noch vielfache Verschiedenheiten zulässt, ist es notwendig, dass zu einem allseitig bestimmten Gute der Vernunft der Wille noch durch Zustände hingeneigt werde, damit die Wirksamkeit eine bereitwilligere sei." - Thomas von Aquin, q 50 13. Zustand der Wissenschaft ("habitus scientiae"), Vergehen der Wissenschaft ("scientiae corruptio")Der Zustand der wahren Wissenschaft kann nach Aristoteles (7 Met) nimmermehr vergehen. ("habitus scientiae nullo modo corrumpi potest"). Was die heutige Wissenschaft vor allem der "Life Sciences", der grünen Gentechnik und Biotech-Medizin an den Universitäten und Forschungsinstituten betrifft, so wird sie allerdings von erheblichen Täuschungen begleitet, so dass man gerade bezüglich dieser Wissenschaft von einem "Vergehen der Wissenschaft" oder einer corrumpierten Wissenschaft reden kann. Sogar so renomierte Institutionen wie die Wissenschaftsakademien und Behörden weltweit sind betroffen, "etwa die amerikanische National Academies of Sciences, Engineering and Medicine oder die Royal Society in London." Auch über 130 Nobelpreisträger, Sir Richard Roberts, Medizin-Nobelpreisträger von 1993, eingeschlossen, sind betroffen. Ganz zu schweigen von weniger bekannten wissenschaftlichen Institutionen und "Life Sciences"- Wissenschaftler wie "Joanne Chory vom Salk Institute und Elliot Meyerowitz vom California Institute of Technology", die für die auf Täuschungen basierten Erkenntnisse ("scientiae corruptio") in der grünen und roten Gentechnik "den mit einer halben Million Dollar dotierten amerikanischen Gruber-Preis erhalten" haben oder den vollkommen irrelevanten "Breakthrough Prize in Life Sciences". Durch die neue Erfindung der Crispr-Pflanzen kann man sich vor Produkten dieser korrumpierten Wissenschaft nur noch durch eine Möglichkeit schützen: nämlich "eine strikte Ausgrenzung socher Pflanzen wäre nur über Importverbote möglich." Alle Anbauzulassungen müssen sofort zurückgezogen werden. Nur insoweit die Vernunft zusammensetzt und trennt oder vom einen auf das andere schliesst, kann sich ein Gegensatz finden, in wieweit "das Falsche im Schließen" gegenübersteht dem Wahren. "Und in dieser Weise wird die Wissenschaft bisweilen durch ihr Gegenteil verdorben, wenn jemand zu einem falschen Schlüsse gelangt und so von der Wissenschaft des Wahren abirrt". Eine Tatsache, die sich bei den heutigen "Life Sciences"-Wissenschaftlern häufig findet. Aristoteles also nimmt zwei Arten und Weisen an, wie die Wissenschaft vergeht: entweder durch Vergessen auf seiten der sinnlichen Gedächtniskraft oder durch Täuschung von seiten falscher Schlußfolgerungen her. Woran liegt es, dass die "Life Sciences"-Wissenschaftler so dermaßen in die Irre gehen? Schliesslich darf man diese Tatsache nicht verkennen: „Der heilige Geist gibt Weisheit gegen die Torheit, Verständnis gegen die stumpfe Gleichgültigkeit, die Gabe des Rates gegen die Übereilung, Stärke gegen die Furcht, Wissenschaft gegen die Unwissenheit" Wer das leugnet, muss mit folgendem rechnen: „Die Weisheit ist geringer, wenn sie des Verständnisses ermangelt; und sehr unnütz ist das Verständnis, wenn es nicht von der Weisheit her seinen Bestand ableitet. Wertlos ist der Rat, wo Stärke fehlt; und zerrüttet ist im höchsten Grade die Stärke, wenn sie nicht ihre Stütze im Rate hat. Die Wissenschaft ist nichts, wenn sie den Nutzen der Gottergebenheit nicht in sich schliesst; und sehr unnütz ist die Gottergebenheit, wenn sie der Unterscheidungsgabe, die vom Wissen kommt ermangelt." Die Frage ist ja, ob man diese verdorbenen Wissenschaftler in den Wissenschaftakademien, Gesundheitsministerien, RKI, PEI, die bezüglich der Prinzipien irren, aus ihrem Irrtum zurückholen kann oder nicht. "Wer nämlich im Wissenschaftlichen rücksichtlich der Prinzipien irrt; der kann nicht überzeugt werden. Wer aber die Wahrheit der Prinzipien festhält, der kann eben vermittelst der Prinzipien von seinem Irrtume zurückkommen." [57]„Das Vergehen der Wissenschaft ("scientiae corruptio") ist die Folge von Vergessen und Täuschungen.“ - Aristoteles, de longit. et brevit. vitae 2Eine Form oder Eigenschaft vergehe an sich infolge des Herankommens der ihr entgegengesetzten Form oder Eigenschaft; sie vergeht infolge von etwas Äusserlichem, wenn ihr Träger oder Subjekt vergeht. Hat also ein Zustand ein vergängliches Subjekt, das ihn trägt; und hat er zudem eine Ursache, der eine andere entgegengesetzt ist, so kann er auf doppelte Weise vergehen; wie dies bei allen körperlichen Zuständen, bei Gesundheit und Krankheit z. B., der Fall ist. Jene Zustände aber, deren Träger oder Subjekt unvergänglich ist, können allein infolge von etwas Äusserlichem (per accidens) vergehen. Es giebt jedoch deren, wo das hauptsächliche Subjekt wohl unvergänglich ist; was aber an zweiter Stelle als Subjekt erscheint, das ist vergänglich. Dazu gehört der Zustand der Wissenschaft, der da seinen hauptsächlichen Sitz hat in der rein geistigen „möglichen“ Vernunft; an zweiter Stelle aber auch die sinnlich auffassenden Kräfte als Subjekt besitzt. (Vgl. Kap. 50) Also von seiten der „möglichen“ Vernunft, der es zugehört, tatsächlich, kraft der in ihr befindlichen Ideen geistig zu erkennen, kann der Anlaß zum Vergehen des Zustandes der Wissenschaft nicht ausgehen; denn diese Vernunft ist unvergänglich. Es kann hier als äusserlicher Anlaß zum Vergehen des Zustandes der Wissenschaft nur das in Frage kommen, was sein Sitz oder Subjekt an zweiter Stelle ist, nämlich die sinnlich auffassenden Kräfte. Demnach muss man nachsehen, ob dergleichen Zustände an und für sich, nicht per accidens von seiten ihres Trägers oder Subjektes, vergehen können. Existiert nämlich ein Zustand, der zu etwas im Gegensatze steht, sei es von sich aus sei es von seiner Ursache aus, so kann er an und für sich, nämlich in seinem Wesen betrachtet, vergehen. Nun steht offenbar die geistige Erkenntnisform in der „möglichen“ Vernunft zu nichts in einem solchen Gegensatze, der in etwa das Erkennen hinderte; ich erkenne z. B. im Gegenteil um so besser das Weiße durch den Gegensatz des Schwarzen. Und ebensowenig steht etwas im Gegensatze zur „einwirkenden“ Vernunft, welche die Ursache davon ist, dass Erkenntnisformen in der „möglichen“ Vernunft sich finden. Besteht also in der Vernunft ein Zustand, der unmittelbar verursacht ist von der „einwirkenden“ Vernunft, so ist ein solcher Zustand unvergänglich an und für sich sowohl, als auch von seiten seines Subjektes oder seines Trägers. Dergleichen Zustände sind die Zustände des Verständnisses der ersten Grundprinzipien sowohl was das rein spekulative als was das auf die Tätigkeit gerichtete. Wissen anlangt; wie Aristoteles (6 Ethic. 5.) sagt von der Klugheit, die sich ja auf das tätige Leben richtet, „sie werde nicht gestört durch das Vergessen.“ Ein anderer Zustand aber ist in der „möglichen“ Vernunft durch den Verstand, soweit dieser von dem Einen auf das Andere schliesst, verursacht. Das ist der Zustand, welcher die gezogenen Schlussfolgerungen umfasst und der da speziell Wissenschaft genannt wird. Und hier besteht eine doppelte Ursache für sein Vergehen: 1. von seiten der Sätze selber, durch welche man zur Schlussfolgerung gelangt ist, von denen der eine entgegengesetzt sein kann dem anderen; wie z. B. dem Satze: Das Gute ist gut, entgegensteht der Satz: Das Gute ist nicht gut; 2. von seiten der Beschaffenheit des Vorgehens der Vernunft; wie nämlich der Beweisgrund, der nur zu einer Wahrscheinlichkeit führt, entgegen ist dem Beweisgrunde, der mit Notwendigkeit zum Schlüsse leitet. So kann also durch falsches schließen vom Einen auf das Andere veranlasst werden das Vergehen des Zustandes, welcher die wahre Meinung oder wahres Wissen umfasste. Deshalb sagt Aristoteles: „Die Täuschung hat zur Folge das Vergehen der Wissenschaft.“ Was nun die Tugenden betrifft, welche in der Vernunft selbst ihren Sitz haben, so gilt davon dasselbe wie vom Wissen und vom Meinen. Andere Tugenden sind im begehrenden Teile, nämlich die moralischen; und ebenso verhält es sich mit den entgegengesetzten Lastern. Dergleichen Zustände werden nun verursacht dadurch dass die Vernunft von Natur geeignet ist, den begehrenden Teil zu bewegen oder in Tätigkeit zu setzen. Wenn also, sei es wie auch immer, nämlich aus Unkenntnis oder aus Leidenschaft oder aus freier Wahl, die Vernunft zum Gegenteil hin in Bewegung setzt, so vergeht der entsprechende Zustand der Tugend und des Lasters. Zustände haben (nach 7 Ethic. 10.) „Wohl Ähnlichkeit mit der Natur; jedoch sind sie geringer.“ Die Natur also kann niemals aus einem Dinge schwinden, ohne dass dieses selbst vergeht; Zustände aber sind nur schwer veränderlich. Den reinen Erkenntnisformen gegenüber ist wohl nichts im Gegensatze; wohl aber kann zu den Sätzen und dem Vorgehen der Vernunft beim Schliessen etwas im Gegensatze stehen; siehe oben. Infolge körperlicher Bewegung kann die Wissenschaft, soweit die Wurzel ihres Bestandes in Betracht kommt, nicht vergehen; wohl aber kann ihr Tätigsein dadurch gehemmt werden, dass sie, um tätig zu sein d. h. tatsächlich zu verstehen und zu urteilen, der sinnlichen auffassenden Kräfte bedarf, denen aus körperlicher Veränderung ein Hindernis erstehen kann. Aber infolge des Vorgehens der Vernunft bei der (geistigen) Bewegung oder Tätigkeit des Schliessens vom Einen auf das Andere kann der Zustand der Wissenschaft auch in der Wurzel angegriffen werden und vergehen; und ebenso die Tugend. Was jedoch gesagt wird, die Tugenden seien dauerhafter wie die verschiedenen Wissenszweige, so gilt dies nicht von seiten des Subjektes oder der verursachenden Kraft; sondern es hat seine Wahrheit mit Rücksicht auf die Tätigkeit. Denn die Tugenden gebraucht man für das ganze Leben; nicht aber die verschiedenen Wissenszweige. [58] 14. Kunst, Wissenschaft und WeisheitDieses letztere Wahre, was am Abschlüsse der gesamten menschlichen Kenntnis steht, bildet den Inhalt der Weisheit, welche die letzten höchsten Gründe der Dinge betrachtet, die wohl ihrer Natur nach am meisten erkennbar sind; aber eben deshalb, wegen des zu großen ihnen innewohnenden Lichtes, erst schließlich am Ende von uns erkannt werden. Nach der Weisheit sonach kann man über Alles urteilen und Alles regeln. Ist aber etwas Wahres der Abschluß einer besonderen Seinsart, so geht darauf die Wissenschaft; und so wird gemäß den verschiedenen Arten der wissenswerten Gegenstände durch verschiedene Wissenschaften die Vernunft vollendet, während die Weisheit nur eine ist. "Die Weisheit hat das mit allen Wissenschaften gemeinsam, dass sie aus den Prinzipien heraus die Schlußfolgerungen zieht. Das hat sie aber mehr als alle Wissenschaften, dass sie über Alles urteilt, nicht nur über die Schlußfolgerungen, sondern auch über die ersten Prinzipien; und so ist sie eine vollkommenere Tugend wie die Wissenschaft." Fehlt einer Wissenschaft wie den "Life-Sciences" die "Weisheit , welche über die Schlussfolgerungen und die Prinzipien urteilt und Alles abmisst", so handelt es sich, wie oben erwähnt, um eine korrumpierte Wissenschaft. [59]"Wie z. B. die vernünftige Seele vollendeter ist wie die bloß sinnbegabte und diese vollendeter wie die nur mit pflanzlichen Kräften ausgestattete. In dieser Weise hängt nun auch die Wissenschaft ab vom Verständnisse der Prinzipien; und Beides hängt ab von der Weisheit, welche über die Schlussfolgerungen und die Prinzipien urteilt und Alles abmisst. Die Tugend geht auf das Gute. Also nur jene Zustände in der Vernunft werden „Tugenden“ genannt, welche immer auf das Gute der Vernunft, also auf das Wahre sich richten; und niemals auf das Falsche. Mutmaßen und Meinen aber können auch das Falsche zum Gegenstand haben; und somit sind sie keine Tugenden." - Thomas von AquinDie Kunst sei nichts Anderes wie die rechte Richtschnur für etwas, das ins Werk zu setzen ist. Hier handelt es sich also nicht um ein Gut, worauf das menschliche Begehren als solches sich richtet, sondern darum, dass das Werk selbst, welches in Rede steht, in sich gut ist. Denn der Künstler wird nicht gelobt wegen des guten Willens, den er etwa hatte, sondern demgemäß wie sein Werk ist. So ist also die Kunst recht eigentlich ein wirksam tätiger Zustand. Darin freilich kommt die Kunst überein mit den rein beschaulichen Zuständen, dass auch diese nur darauf sehen, wie die Sache, die sie betrachten, sich verhält; nicht aber wie der Wille ist. Denn wenn nur der Mathematiker Wahres beweist, kommt es nicht darauf an, ob er froh oder zornig ist; wie dies auch beim Künstler der Fall ist. Und so hat die Kunst den Charakter der Tugend wie die beschaulichen Tugenden; denn keine von beiden machen den guten Gebrauch des Gewirkten oder der Fertigkeit, wie das die eigentliche vollendete Tugend zuwege bringt; sie geben nur die Fertigkeit, gut zu wirken. Wenn jemand trotz der Kunst, die er hat, etwas Kunstloses macht, so ist das kein Werk der Kunst, sondern gegen die Kunst; ebenso wie wenn jemand, der das Wahre weiß, lügt, dies gegen das Wissen ist. Die Kunst also wie das Wissen geht immer auf das Gute; und deshalb ist da von Tugend die Rede. Aber weder Wissen noch Kunst gibt den rechten Gebrauch; obgleich wiederum ohne Kunst kein rechtes Gebrauchen ist. Damit der Mensch die Kunst, welche er hat, gut gebrauche, wird guter Wille erfordert; und um diesen zu vollenden bedarf es einer moralischen Tugend. Offenbar nämlich neigt der Künstler durch die Gerechtigkeit, welche seinen Willen gerade macht, dahin, dass er ein den übernommenen Bedingungen getreues Werk herstellt. Und danach spricht Aristoteles. Auch im Bereiche des Beschaulichen ist etwas nach der Weise eines Werkes; wie z. B. der Aufbau des Syllogismus, die gebührende Redeweise oder das Zählen und Messen. Und deshalb werden jene beschaulichen Zustände in der Vernunft, die auf solche Werke der Vernunft sich richten, gemäß einer gewissen Ähnlichkeit Künste genannt, allerdings „freie“ zum Unterschiede von denen, die vermittelst des Körpers ausgeführt werden und die danach gewissermaßen „knechtische“ genannt werden; denn der Körper dient der Seele wie ein Knecht, der Seele nach ist der Mensch frei. Jene Wissenschaften aber, welche auf kein solches Werk sich richten, werden einfach und schlechthin Wissenschaften genannt und nicht Künste. Dass aber die freien Künste an sich höher stehen, das ist kein Grund, dass ihnen in höherem Grade der Charakter der Kunst zukommt. [60] "Nun hängt im Bereiche des rein Wissenschaftlichen, Beschaulichen die Vollendung und Geradheit der Tätigkeit ab von den Prinzipien, von denen der Schliessende ausgeht; hängt ja doch, wie oben gesagt, die Wissenschaft ab vom Verständnisse der Grundprinzipien. Im Bereiche des menschlichen Tätigseins aber sind an der Stelle der Prinzipien, von denen aus geschlossen wird, die verschiedenen Zwecke. Also entspricht es der Klugheit als der rechten Richtschnur des menschlichen Wirkens, dass der Mensch in gutem Verhältnisse stehe zu den Zwecken, was nicht anders geschehen kann als durch die Geradheit im Willen. Zur Klugheit also ist erforderlich die moralische Tugend, wodurch das Begehren ein rechtes, gerades wird. Das Gute aber in den Kunstwerken sieht ab vom guten oder schlechten Willen und berücksichtigt nur, dass das Kunstwerk an sich gut ist d. h. der erfassten Form entspricht; so dass die Kunst einen guten geraden Willen nicht zur Voraussetzung hat. Deshalb wird mehr ein Künstler gelobt, der einen Fehler macht, weil er so will; als jener, der den Fehler nicht gewollt hat. Gegen die Klugheit aber ist in höherem Grade ein gewollter Fehler wie ein nicht gewollter; denn die Geradheit des Willens gehört zum Wesen der Klugheit, nicht aber zum Wesen der Kunst. Klugheit ist also verschieden von Kunst. Alle die verschiedenen Arten von Kunstwerken sind ausserhalb des Menschen. Die Klugheit aber ist die Richtschnur der menschlichen Wirksamkeit selber, soweit sie im Menschen ist. Soweit es auf den Sitz oder das Subjekt und den Gegenstand ankommt, steht die Klugheit näher der Kunst; denn beide sind im mutmaßenden, der Meinung zugänglichen Teile der Vernunft und beschäftigen sich mit dem, was auch anders sein kann. Soweit es aber auf den Charakter der Tugend ankommt, steht die Klugheit näher den rein beschaulichen Zuständen. Die Klugheit muss gut beraten sein, soweit dies der letzte Endzweck des ganzen menschlichen Lebens erfordert; wogegen das Beraten, was von den Künsten erfordert wird, durch den der betreffenden Kunst eigenen Zweck, also durch Äusserliches geleitet wird. Manche sind deshalb erfahrene Berater im Kriegswesen u. a., sind kluge Heerführer; sie sind aber nicht einfach und schlechthin klug. Dies sind nur jene, welche gut beraten sind in dem, was dem letzten Zwecke des ganzen menschlichen Lebens zukömmlich ist." - Thomas von AquinMit Rücksicht auf die Wesensformen im Körperlichen sagten manche, sie kämen ganz und gar von innen, vom Dinge heraus; wie dies jene meinten, die das Verborgensein der Formen verteidigten. Andere aber nahmen an, dieselben kämen durchaus von aussen her, wie jene, die da meinten, die körperlichen Wesensformen seien von einer wesentlich getrennt vom Körper bestehenden Ursache. Endlich waren wieder andere der Ansicht, sie beständen zwar vorher im Stoffe dem Vermögen nach, würden aber zu tatsächlichem Sein gebracht durch Einwirken von aussen her. So nun meinte man auch rücksichtlich der Wissenschaften und Tugenden, sie seien ganz von innen her, so zwar, dass sie alle der Natur nach vorherexistierten in der Seele; und dass durch Lernen und Üben bloß die Hindernisse entfernt würden, welche zur Seele auf Grund der Schwerfälligkeit des Körpers hinzuträten, wie wenn man z. B. das Eisen glatt macht. Das war die Meinung der Platoniker. Andere meinten, wie Avicenna, sie kämen ganz und gar von aussen her; nämlich von dem Einflüsse der einwirkenden Vernunftkraft. Endlich meinten wieder andere, die Anlage wohl zu den Wissenschaften und Tugenden sei von Natur; nicht aber ihr vollendetes Wesen (2 Ethic. 1.); und das hat mehr die Wahrheit für sich. Zu besserer Klarstellung ist da zu betrachten, dass einem Menschen etwas natürlich ist entweder infolge der Natur seiner Gattung; oder infolge seines einzelnen Seins. Und weil jegliches Ding das Wesen seiner Gattung hat gemäß seiner bestimmenden Wesensform, Einzelsein aber gemäß dem Stoffe; und die bestimmende Wesensform im Menschen nun ist die Seele, sein Stoff der Körper; — so ist das, was dem Menschen zukommt seiner vernünftigen Seele nach, ihm natürlich gemäß der Natur seiner Gattung; und was ihm zukommt gemäß der eigentümlichen Zusammensetzung (Komplexion) seines Körpers, ist ihm natürlich gemäß der Natur seines Einzelseins. Denn was von seiten des Körpers dem Menschen natürlich ist gemäß der Gattung, das lässt sich gewissermaßen zurückführen auf die Seele; insofern nämlich zur menschlichen Seele ein menschlicher Körper gehört. Auf beiderlei Weise aber ist dem Menschen natürlich gemäß einem gewissen Beginne die Tugend: der Natur der Gattung nach, insofern in der Vernunft des Menschen von Natur vorhanden sind als natürlicherweise gekannt gewisse allgemeine Prinzipien sowohl für das, was man wissen will als auch für das, was man tun soll, die da sind wie Samenkörner für die Tugenden in der Vernunft und für die moralischen Tugenden; und insofern ebenso im Willen eine gewisse natürliche Hinneigung besteht zum Guten, wie es der Vernunft entspricht; — der Natur des Einzelseins nach, insofern vom Körper aus manche mehr, die anderen weniger geeignet sind für gewisse Tugenden; denn manche sinnliche Kräfte sind Tätigkeiten gewisser körperlicher Organe, durch deren Zusammensetzung und Verfassung derartige Kräfte gehindert oder unterstützt werden in ihren Tätigkeiten; und infolge dessen ist dies auch mit den vernünftigen Kräften der Fall, in deren Dienst diese sinnlichen stehen. So hat nämlich der eine die natürliche Neigung zur Wissenschaft, der andere zur Stärke, der dritte zur Mäßigkeit. Auf diese Weise also ist in uns der Anfang oder die Anlage zu Wissenschaften und Tugenden von Natur aus; nicht aber ihr vollendetes Wesen. Denn die Natur ist immer auf Eines und zwar auf etwas Beschränktes gerichtet. Die Tugenden aber als solche, als vollendet nämlich, haben nicht immer die eine selbe Weise des Vorgehens; sie sind auf Verschiedenes gerichtet und sind tätig unter den verschiedensten Verhältnissen und Umständen. Von Natur also ist die Vollendung der Tugenden in uns nicht; ausgenommen die theologischen, die ganz und gar von aussen kommen. [61] "Die Tugend nun vollendet den Menschen zum Guten hin. Da aber das Wesen des Guten besteht nach Augustin (de natura boni c. 3.) im bestimmten Maße, in der gebührenden Form und Ordnung, so wird offenbar, wie auch Sap. 11. das lehrt, das Gute des Menschen gemäß einer gewissen Regel zu betrachten sein. Diese ist nun eine doppelte: die göttliche Vernunft und die menschliche. Und weil die göttliche Vernunft die höhere Regel ist; deshalb erstreckt sie sich auf Mehreres, so dass, was durch die menschliche Vernunft geregelt wird, dies auch ist durch die göttliche; nicht aber umgekehrt. Die Tugend des Menschen also, die auf das Gute ihrem inneren Wesen nach gerichtet ist, kann von den menschlichen Tätigkeiten aus verursacht werden, insoweit das Gute geregelt ist gemäß der Richtschnur der menschlichen Vernunft; denn dergleichen Tätigkeiten gehen von der Vernunft aus, unter deren Gewalt solches Gute sich findet." - Thomas von Aquin, q 63 „Der heilige Geist gibt Weisheit gegen die Torheit, Verständnis gegen die stumpfe Gleichgültigkeit, die Gabe des Rates gegen die Übereilung, Stärke gegen die Furcht, Wissenschaft gegen die Unwissenheit, Gottergebenheit gegen die Herzenshärte, Demut gegen den Stolz.“ - Gregor, 2. moral. 26Auf der anderen Seite scheint die Weisheit die höchste Gabe zu sein, die am tiefsten stehende die Furcht. Beides aber ist notwendig zum Heile, nach Sap. 7.: „Niemanden liebt Gott ausser den, der mit der Weisheit zusammenwohnt“; und Ekkli. 1.: „Wer ohne Furcht ist, wird nicht gerechtfertigt werden können.“ Also sind auch die dazwischen liegenden Gaben notwendig. Die Gaben sind gewisse Vollendungen des Menschen, vermittelst deren dieser dazu geeignet wird, dass er mit Bereitwilligkeit dem göttlichen Antriebe folge. Wo also der Antrieb seitens der Vernunft nicht genügt, da ist notwendig der des heiligen Geistes; und folgegemäß eine Gabe. Die menschliche Vernunft aber ist von seiten Gottes in doppelter Weise vollendet: 1. durch natürliche Vollendung, gemäß der Leuchte der natürlichen Vernunft; 2. durch eine gewisse übernatürliche Vollendung, vermittelst der theologischen Tugenden. (Kap. 26) Obgleich nun diese letztere Vollendung größer und umfangreicher ist wie die erste, so wird doch die natürliche Vollendung in einer mehr vollkommenen Weise besessen wie die übernatürliche; denn die erste wird voll und ganz besessen, die letztere nur mangelhaft, da wir unvollkommen Gott kennen und lieben. Offenbar aber ist es, dass jegliches Ding, welches eine Natur oder eine Eigenschaft oder eine Tugend in vollkommener Weise hat, von sich selbst aus gemäß derselben wirken kann, immer vorausgesetzt natürlich das Einwirken Gottes als erster Ursache, der in jeder Natur und innerhalb jeglichen Willens wirkt. Was aber eine Natur oder eine Eigenschaft oder eine Tugend in unvollkommener Weise besitzt, das kann nicht von sich aus wirken, sondern muss von aussen her in Tätigkeit gesetzt werden. So kann die Sonne, welche vollkommen lichtvoll ist, von sich aus erleuchten; der Mond aber, in dem die Natur des Lichtes nur unvollkommen sich findet, leuchtet nur, insoweit er selber von aussen her erleuchtet ist. Der Arzt auch, der vollkommen die Arzneikunde kennt, kann von sich aus wirken; sein Schüler aber, dessen Unterricht noch nicht vollendet worden, kann nicht von sich aus wirken ausser wenn er vorher von seinem Lehrer über den vorliegenden Fall belehrt worden ist. So kann also auch der Mensch mit Rücksicht auf das, was dem menschlichen Urteile unterliegt, in Anbetracht des seiner Natur entsprechenden Zweckes, vermittelst des Urteiles der Vernunft genügend von sich aus wirken und wird es in diesem Falle ein Zeichen überfliessender Güte sein, wenn er dazu von Gott durch speziellen Antrieb unterstützt wird, so dass selbst nach den Philosophen nicht wer auch immer erworbene moralische Tugenden hatte, damit heroische odcr gottbegeisterte Tugenden besaß. Mit Rücksicht aber auf den letzten, den übernatürlichen Zweck, zu dem hin die Vernunft bewegt, insofern sie in etwa und unvollkommen vermittelst der theologischen Tugenden herangebildet und geformt ist, genügt diese von der Vernunft ausgehende Bewegung nicht, wenn nicht damit verbunden ist der Antrieb und die Bewegung des heiligen Geistes nach Röm. 8.: „Die durch den Geist Gottes getrieben werden, diese sind Söhne Gottes… und Erben;“ und nach Ps. 142.: „Dein Geist wird mich hinabführen in das rechte Land;“ weil nämlich zur Erbschaft jenes Landes der Seligen niemand gelangen kann ausser bewegt und geführt vom heiligen Geiste. Um also jenen Zweck zu erreichen, bedarf es der Gaben des heiligen Geistes. [62] 15. Früchte des hl. Geistes; "Krieg gegen das Evangelium Christi", "im Glauben Irrende"; Irrtum in der WissenschaftWenn also die Tätigkeit vom Menschen ausgeht gemäß der Fähigkeit seiner Vernunft, so wird sie „Frucht der Vernunft“ genannt. Geht sie aber aus gemäß einer höheren Kraft, gemäß der nämlich des heiligen Geistes, so wird diese Tätigkeit „Frucht des heiligen Geistes“ genannt, als ob sie einem göttlichen Samenkorne angehörte. So steht bei Joh. 3. geschrieben: „Wer geboren ist aus Gott, tut keine Sünde; denn der Same Gottes bleibt in ihm.“ Da die Frucht gewissermaßen den Charakter des „Letzten“ und des Zweckes hat, so steht dem nichts entgegen, dass die eine Frucht eine andere habe, wie der eine Zweck auf den anderen Beziehung hat. Unsere Werke also, insoweit sie Wirkungen des heiligen Geistes sind, der in uns wirkt, haben den Charakter der Frucht; und insoweit sie hingeordnet werden zum letzten Endzwecke des Lebens, sind sie wie Blüten. [63]Weil nun die Frucht von jemandem ausgeht wie aus der Wurzel und dem Samen, deshalb müssen wir unterscheiden diese Früchte gemäß dem verschiedenen Vorgehen oder Ausgehen des heiligen Geistes in uns. Zuerst nun wird der menschliche Geist in sich selbst geordnet; sodann mit Bezug auf das, was mit ihm auf gleicher Stufe steht; endlich mit Bezug auf das, was unter ihm ist. In sich selbst ist der Menschengeist gut geordnet, wenn er sich in gebührender Weise verhält im Guten und im Bösen. Die erste Verfassung im Menschen nun rücksichtlich des Guten ist die Liebe; und so steht an erster Stelle in den Früchten die heilige Liebe, caritas, in welcher vorzugsweise der heilige Geist verliehen wird wie in der Ihm entsprechenden Ähnlichkeit, da er die Liebe ist; weshalb Röm. 5. gesagt wird: „Die heilige Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben worden.“ Der heiligen Liebe folgt mit Notwendigkeit die Freude. Denn der Liebende freut sich über die Verbindung mit dem Geliebten, die heilige Liebe aber hat immer sich gegenwärtig den Gott, den sie liebt, nach 1. Joh. 4.: „Wer in der heiligen Liebe bleibt, der bleibt in Gott.“ Die Vollendung der Freude nun ist der Friede mit Rücksicht auf zweierlei: 1. Mit Rücksicht auf die Ruhe von seiten äußerer Störungen. Denn nicht kann vollkommen über den Geliebten sich freuen, wer in diesem Genusse von anderen gestört wird; 2. Mit Rücksicht auf das auf und niederwogende Verlangen; denn nicht vollkommen freut sich jemand an einem Gute, dem dieses Gut nicht genügt. Das aber schliesst der Friede ein, dass man von aussen her nicht gestört werde und dass alles Verlangen in einem Gute seine Ruhe Finde. In den Übeln nun verhält sich der Mensch in gebührender Weise: 1. „Wenn er durch drohende Übel nicht verwirrt wird; und dafür steht die Geduld da; 2. wenn er durch den Aufschub des Guten nicht gestört wird; und dafür ist die Langmut, denn des Guten entbehren ist ein Übel. (5 Ethic. 3.) Gegenüber dem Mitmenschen ist der Geist in guter Verfassung: 1. Mit Rücksicht auf den Willen, Gutes zu tun; und das gehört zur Güte; 2. mit Rücksicht auf die Ausführung der guten Absicht; und dafür ist das Wohlwollen; 3. mit Rücksicht darauf, daß man gleichmütig die Übel erträgt, welche von Anderen angetan werden; da steht die Sanftmut, welche die Zornausbrüche verhindert; 4. mit Rücksicht darauf, dass wir nicht nur nicht durch den Zorn, sondern auch nicht durch Trug und List den Nächsten schaden; und das besorgt der Glaube als Treue“ aufgefasst; wird er aber als die theologische Tugend aufgefasst, so steht er für die Regelung der Beziehungen zu dem, was über uns ist, dass der Mensch seine Vernunft Gott unterwerfe und somit auch Alles, was ihm gehört. [64] Unentschuldbar ist der Krieg gegen das Evangelium Christi, wie er heute vor allem von Muslimen, den " im Glauben Irrendenden", geführt wird, die versuchen, den wahren Glauben auszurotten. Denn in diesen "Sünden gegen Gott" liegt eine viel größere Regellosigkeit. Man kann zwar Gott in seiner Substanz nicht schaden, "aber wohl in dem, was Gottes ist; wie wenn man den Glauben ausrottet, die Heiligtümer entweiht, was im höchsten Grade schwere Sünden sind (extirpando fidem, violando sacra, quae sunt peccata gravissima)" [65] Bezüglich der
Wissenschaft muss man schon an der "Wahrheit der Prinzipien" festhalten,
denn wer in den Prinzipien irrt; der kann nicht überzeugt werden,
und die Wissenschaft taugt nicht viel. [66]
"Die Götzendienerei, kraft deren gegen das Evangelium Christi Krieg geführt worden ist, steht gegenüber dem Frieden. (Idolorum autem servitus, propter quam bellum est gestum adversus Evangelium Dei, opponitur paci.)" - Thomas von Aquin, Ib. "Manche Sünden sind Todsünden ihrer „Art“ nach, wie Mord und Ehebruch; und manche sind läßliche ihrer „Art“ nach, wie überflüssiges Lachen, ein unnützes Wort." - Thomas von Aquin, q 72 „Wie mit Vorbedacht und Berechnung entfernten sie sich von Gott und wollten dessen Wege nicht verstehen.“ - Iob 34Von Natur begehrt der Mensch nach dem Guten. Dass er also nach dem Übel verlangt, kommt von dem "Verkehrtsein eines der Prinzipien, von welchen die menschliche Tätigkeit ausgeht." Solche Prinzipien sind die Vernunft, der Wille und das sinnliche Begehren. Also geschieht die Sünde entweder infolge eines Mangels in der Vernunft oder im sinnlichen Begehren oder im Willen." [67] „Wer von Natur einen Fehler hat, den tadelt deshalb niemand; wer aber fehlerhaft ist wegen seiner Trägheit und Nachlässigkeit, der wird getadelt.“ Aristoteles, 3 Ehtic. 5In dreifacher Weise bezeichne nach einigen die Geldgier: 1. als ungeregeltes Begehren nach Reichtum; und so ist sie eine besondere Sünde; 2) als ungeregeltes Begehren eines beliebigen zeitlichen Gutes; und so ist sie gemeinsam aller Sünde, nämlich als die „Art“, welcher alle Sünden angehören, da jede Sünde das Zuwenden ist zu einem Veränderlichen Gute; 3) als eine gewisse Neigung der verdorbenen Natur, um ungeregelterweise vergängliche Güter zu erstreben; und so soll sie dann die Wurzel aller Sünden sein; denn wie der Baum vermittelst der Wurzel seine Nahrung aus der Erde zieht, so geht aus der Liebe zu vergänglichen Gütern alle Sünde hervor. Das mag wohl wahr sein, scheint aber nicht der Absicht des Apostels zu entsprechen, der da spricht gegen jene, „welche reich werden wollen“ und sagt, „sie würden in verschiedene Versuchungen und teuflische Fallstricke fallen, weil die Geldgier die Wurzel aller Sünden ist.“ Also insofern die ungeregelte Gier nach Reichtum gerade eine besondere Sünde ist, danach ist sie die Wurzel aller Sünden und ist der Wurzel des Baumes ähnlich, durch welche dieser Nahrung zu sich zieht. Denn durch das Geld eben erhält der Mensch die Mittel, um jeder Sünde zu fröhnen; wie es Ekkle. 10. heißt: „Dem Gelde gehorcht Alles.“ [68] „Jeder ungeregelte Geist ist sich selber Strafe.“ - Augustinus, 1. Conf. 12Alles Heil der Menschen konnte nur durch Christum sein, „Kein anderer Name ist den Menschen gegeben, damit wir dadurch selig werden.“ Deshalb konnte jenes Gesetz, das in vollkommener Weise zum Heile führt, erst nach Christi Ankunft gegeben werden. Vorher aber mußte dem Volke, aus dem Christus geboren werden sollte, ein vorbereitendes Gesetz gegeben werden für die Aufnahme des Herrn, in welchem einige Grundlinien der Heilsgerechtigkeit enthalten waren. " [69] Es ist also für
den Menschen Gesetz und zwar nach seiner eigensten von Gott verliehenen
Natur, dass er gemäß der Vernunft tätig ist; welches Gesetz
bereits im Urzustände des Menschen wirksam war, so dass dem Menschen
nichts entschlüpfen konnte, was ausserhalb der Vernunft oder gegen
selbige war. Seit aber der Mensch von Gott abfiel, wird er getrieben vom
Ungestüm der Sinnlichkeit; und ein jeder unter den Menschen in desto
höherem Grade, je mehr er von der Vernunft abwich. Damit wird der
Mensch, sozusagen, den Tieren ähnlich, nach Ps. 48: „Da der Mensch
in Ehren war, hat er es nicht verstanden; den vernunftlosen Tieren ist
er vergleichbar geworden und ähnlich ward er ihnen.“ [70]
16. Menschliches Gesetz, Naturgesetz ("lege naturali"), Erziehung; Gesetze, die zu Christus und solche, die nicht zu Christus führenInsofern ein Gesetz gerecht ist, hat es Gesetzeskraft. Im Bereiche des Menschlichen aber wird etwas gerecht genannt, was der Regel der Vernunft gemäß ist. Nun ist die erste Regel der Vernunft das Gesetz der Natur. Also insoweit ein Gesetz vom Naturgesetze sich ableitet, hat es den Charakter und die Kraft eines Gesetzes. Weicht es von dieser Norm ab, so ist es kein Gesetz, sondern Verkehrtheit. Nun kann vom natürlichen Gesetze etwas sich ableiten entweder wie Schlußfolgerungen abgeleitet werden von Prinzipien oder wie gewisse Anwendungen allgemeiner Grundsätze auf besondere Fälle. Nach der ersten Weise werden in der Wissenschaft Schlußfolgerungen aus den Prinzipien abgeleitet; ähnlich der zweiten ist es, wenn der Künstler seine allgemeine Kunstform auf einen besonderen Stoff und besondere Verhältmsse anwendet. So leitet sich also Manches ab von den gemeinsamen Prinzipien des Naturgesetzes wie Schlussfolgerungen; wie z.B. dass man nicht töten soll, abgeleitet werden kann von dem Prinzip, man solle anderen nichts Böses zufügen. [71]Jedes Ding, das einer Regel und einem Maßstabe entspricht, muss eine Form haben, die im gebührenden Verhältnisse steht zu ihrer Regel und zum Maßstabe. Beides nun hat das menschliche Gesetz. Denn es ist 1. etwas zum Zwecke Hingeordnetes und es ist 2. eine gewisse Regel und Richtschnur, die geregelt und gemessen ist nach einer höheren Richtschnur; nämlich nach dem göttlichen und dem Naturgesetze. Der Zweck des menschlichen Gesetzes nun ist der Nutzen für das menschliche Leben. Deshalb gibt Isidor in der einen Bestimmung des Gesetzes drei Eigenschaften: 1. „es muss der Religion“, nämlich dem göttlichen Gesetze „entsprechen“ (Politiker müssen nach dem wahren Gott und dem Evangelium vereidigt werden und nicht auf den Koran); 2. „es muss der Erziehung, dem Unterrichte dienen“, nämlich gleichförmig sein mit dem Naturgesetze; 3. „es muss dem Besten der Bürger nützen“, nämlich auf seinen nächsten Zweck gerichtet sein. Auf diese drei Eigenschaften lassen sich die anderen zurückführen. Denn „ehrbar“ bezieht sich auf die Religion. Das „gerecht, möglich, natur- und gewohnheitsgemäß, Zeit und Ort entsprechend“ bezieht sich auf den Unterricht und die Erziehung. Der menschliche Unterricht nämlich muss zuerst vernunftgemäß sein, was ausgedrückt ist durch „gerecht“. Dann muss er den Kräften und Talenten entsprechen, also „die Möglichkeit“ bieten, nach jeder Richtung hin recht aufgefasst zu werden; nicht dasselbe legt man den Kindern auf, was den Erwachsenen. Er muss endlich „angemessen sein der Gesellschaft“ oder Gemeinschaft, welcher der einzelne Mensch angehört; denn der einzelne lebt nicht allein für sich, er muss sich den Sitten der anderen anbequemen. Ebenso muss der Unterricht oder die Erziehung unter den gebührenden Umständen von Zeit und Ort vor sich gehen. Endlich gibt Isidor an: „notwendig, nützlich“ etc., was Alles sich auf das Wohl der Menschen bezieht, dem das Gesetz zu dienen hat. Die „Notwendigkeit“ bezieht sich auf die Entfernung der Übel; der „Nutzen“ auf die Erreichung des Guten; das „Offenbarsein“ auf den Schaden, den eine falsche Auslegung des Gesetzes verursachen kann. [72] Zum Wesen des Gesetzes gehören eine Anzahl Elemente; und nach jedem derselben kann man die Richtschnur nehmen für die Einteilung des menschlichen Gesetzes. 1. Zum Wesen des menschlichen Gesetzes gehört es nämlich, dass es sich ableitet vom Naturgesetze; und danach wird eingeteilt das positive Recht 1. in das Völkerrecht, und 2. in das bürgerliche Recht. Denn zum Völkerrechte gehört, was von dem natürlichen Rechte ausgeht wie Schlussfolgerungen von Prinzipien; wie z.B. Gerechtigkeit beim Ein- und Verkauf und ähnliche Dinge, ohne welche die Menschen nicht harmonisch miteinander leben können. Letzteres jedoch kommt vom Naturgesetze, wonach seiner Natur nach der Mensch auf die Gemeinschaft mit anderen Menschen angewiesen ist. (1 Polit. 2.) Was aber vom Naturgesetze ausgeht, wie bestimmte Anwendungen der allgemeinen Prinzipien auf einzelne Fälle das gehört zum bürgerlichen Rechte; wonach jedes politische Gemeinwesen in besonderer Weise die allgemeinen Prinzipien auf seine besonderen Verhältnisse anwendet. 2. Das Gesetz hat seiner Natur nach Beziehung zum Gemeinbesten; und danach wird es eingeteilt gemäß der verschiedenen Lage jener, die in besonderer Weise für das Gemeinbeste sich abmühen; wie die Priester, die für das Volk zu Gott beten; die obrigkeitlichen Personen, welche das Volk regieren; und die SoIdaten, die für das Volk kämpfen. Für diese bestehen deshalb spezielle Abteilungen des Gesetzes. 3. Zum Wesen des Gesetzes gehört es, dass es aufgestellt wird vom Leiter des Gemeinwesens; und letzteres richtet sich dann nach den verschiedenen Arten von Staatsgewalten. "Die eine davon ist die Königsherrschaft, wenn der Staat von Einem geleitet wird; und demgemäß sind die Satzungen der Fürsten. Dann ist die Aristokratie, wenn nämlich die Vornehmsten regieren; und danach sind die responsa prudentum und die Senatsbeschlüsse. Ferner ist eine andere Art Staatsgewalt die Oligarchie, nämlich die Herrschaft von wenigen Reichen und Mächtigen; danach giebt es ein Ehrenrecht oder jus praetorium. Wieder eine andere Art Regierung ist die Demokratie oder die des Volkes; wonach den Namen haben die Volksbeschlüsse. Noch eine andere Art ist die tyrannische Gewalt; doch die ist die verdorbenste und deshalb wird nach ihr kein Gesetz benannt. Endlich besteht noch eine Gewalt, die aus allen diesen zusammengesetzt ist; dies ist die beste; und danach wird genommen „das Gesetz, welches die Vornehmen und Alteren zugleich mit dem Volke aufstellen.“ (5 Etymol. 10.) " [73] "Das Gesetz des heiligen Geistes ist höher als alles menschliche Gesetz. Soweit also geistige Männer vom heiligen Geiste geleitet werden, sind sie nicht unter dem menschlichen Gesetze, inwieweit dieses widerstreitet der Führung des heiligen Geistes. Dies aber selber kommt vom heiligen Geiste, dass solche Männer den Gesetzen gehorchen, nach 1. Petr. 2.: „Seid unterworfen aller menschlichen Kreatur um Gottes willen.“- Thomas von Aquin, q 96Das Gesetz habe insoweit Kraft und Geltung als es dem allgemeinen Besten dient. Deshalb sagt der Gesetzesgelehrte: „Kein Rechtsgrund und kein berechtigtes Wohlwollen gibt dies zu, dass das, was zum Besten der Menschen heilsam eingerichtet worden, von uns durch eine strenge und harte Erklärung zum Nachteile der Menschen verkehrt werde.“ Vielfach aber kommt es vor, dass dasjenige, was in den meisten Fällen dem Gemeinbesten dienlich ist, in wenigen einzelnen Fällen höchst gefährlich erscheint. Weil also der Gesetzgeber nicht alle einzelnen Fälle vor sich haben kann, macht er das Gesetz nach dem gewöhnlich Vorkommenden und beabsichtigt dabei den gemeinen Nutzen. [74] Das Gesetz ist eine Vorschrift der Vernunft für die Regelung der menschlichen Tätigkeiten. Also kann der Grund dasselbe zu ändern kommen: 1. Von seiten der Vernunft. Denn der menschlichen Vernunft entspricht es, dass sie nach und nach, vom Unvollkommenen zum Vollkommenen fortschreitet. So sehen wir in der reinen Wissenschaft, dass die ersten Philosophen manches Unvollkommene überliefert haben, was durch die folgenden verbessert worden. So ist es auch im praktischen Leben. Denn die da zuerst der Sorge für das allgemeine Beste sich zuwandten, konnten nicht Alles für sich allein in Erwägung ziehen und stellten deshalb manches Unvollkommene auf, was die Späteren vervollkommneten. 2. Von seiten der zu regelnden Menschen. Da kann der Grund für eine Änderung der menschlichen Gesetze vorliegen, weil die Verhältnisse der betreffenden Menschen sich geändert haben. Augustinus gibt ein Beispiel: „Wenn ein Volk von guten Sitten und seiner Aufgabe sich bewusst ist, ein äusserst sorgfältiger Wächter des gemeinen Besten, so wird mit Recht ein Gesetz aufgestellt, wonach dieses Volk sich selbst die Obrigkeit wähle, welche die Verwaltung des Staates führen soll. Wird aber dieses Volk ein verkehrtes, so dass die Stimmen käuflich sind und dass demgemäß die Staatsverwaltung verbrecherischen Menschen anvertraut wird, so wird dem Volke mit Recht die Befugnis genommen, die Ehrenstellen zu verteilen; und das maßgebende Urteil kehrt zurück zu den wenigen Guten.“ Das natürliche Gesetz ist eine gewisse Teilnahme am ewigen Gesetze; und ist sonach unbeweglich infolge der Unveränderlichkeit und Vollkommenheit der göttlichen Vernunft, welche die Naturen gegründet und eingerichtet hat. Die menschliche Vernunft aber ist unvollkommen; und sonach ist ihr Gesetz veränderlich. Ausserdem umfasst das Naturgesetz nur allgemeine Wahrheiten, die immer bleiben; das menschliche Gesetz aber berücksichtigt mehr die wechselnden Einzelheiten. [75] Jedes Gesetz geht
aus von der Vernunft und dem Willen des Gesetzgebers: das Natur- und das
göttliche Gesetz vom vernünftigen Willen Gottes, das menschliche
vom Willen des Menschen, den die Vernunft regelt. Wie aber die Vernunft
und der Wille des Menschen offenbar werden durch das Wort, wenn es gilt
etwas zu tun, so auch durch die Tat selber; denn das scheint jeder als
etwas Gutes sich zu erwählen, was er im Werke ausführt. Offenbar
jedoch kann vermittelst des Wortes das Gesetz verändert und erklärt
werden, insoweit das Wort die innere Auffassung des Menschen offenbart.
Also kann auch durch oft wiederholte Handlungen, woraus die Gewohnheit
entsteht, das Gesetz geändert und erklärt und somit etwas verursacht
werden, was Gesetzeskraft erlangt; durch die äusseren Handlungen nämlich
wird höchst wirksam der innere Wille und Gedanke offenbar. Denn da
eine häufige Wiederholung stattfindet, scheint das Urteil der Vernunft
davon die Quelle zu sein. [76]
17. Das Alte Gesetz; "der Teufel hätte kein Gesetz gegeben, wodurch die Menschen zu Christo geführt werden (Non enim Diabolus legem tulisset per quam homines adducerentur ad Christum)"Das Gute lässt nach Dionysius 4. verschiedene Grade zu. Denn es gibt ein vollkommenes Gut und ein unvollkommenes. Im Bereiche dessen nämlich, was dem Zwecke dient, ist dann ein Gut vollkommen, wenn es genügend erscheint, zur Erreichung des Zweckes zu führen; unvollkommen aber, wenn es wohl etwas zur Erreichung des Zweckes beiträgt, aber nicht dazu ausreicht, dass man zum Zwecke gelange. So ist ein Heilmittel vollkommen gut, wenn es den Menschen wirklich heilt; es ist unvollkommenerweise gut, wenn es wohl hilft, aber die Heilung nicht vollbringt. Nun ist ein anderer der Zweck des menschlichen Gesetzes und ein anderer der des göttlichen. Denn der Zweck des menschlichen Gesetzes ist die zeitliche Ruhe des Staates; dem entspricht das Gesetz, indem es jene äusseren bösen Tätigkeiten verbietet, welche die öffentliche Ruhe stören können. Der Zweck des göttlichen Gesetzes aber ist die ewige Glückseligkeit, die da gehindert wird durch jegliche Sünde; und nicht bloß durch äussere Tätigkeiten. Was also für das menschliche Gesetz genügt, um es zu einem vollendeten zu machen, dass es nämlich nach aussen hervortretende Sünden verbietet und Strafen auflegt; das genügt nicht für das göttliche, soweit es vollendet sein soll. Dieses muss nämlich den Menschen allseitig geeignet machen zur Teilnahme an der ewigen Glückseligkeit; was nur geschehen kann durch die Gnade des heiligen Geistes, durch welche die Liebe ausgegossen wird in den Herzen. „Denn Gnade Gottes ist das ewige Leben.“ Röm. 6. Diese Gnade nun hat das Alte Gesetz nicht verliehen; sie war Christo vorbehalten nach Joh. 1.: „Das Gesetz ward durch Moses gegeben, die Gnade und Wahrheit ist durch Christum gemacht worden (gratia et veritas per Iesum Christum facta est)". Und so ist das Alte Gesetz gut, aber unvollkommen; „denn nichts hat zur Vollendung geführt das Gesetz.“ Hebr. 7 [77]Das Alte Gesetz ist vom guten und wahren Gott gegeben, der da ist der Vater unseres Herrn Jesu Christi. Denn in doppelter Weise lenkte das Alte Gesetz zu Christo hin: einmal, indem es für den Herrn Zeugnis ablegte, wonach dieser selbst sagt: „Es muss Alles erfüllt werden, was in den Psalmen und in den Propheten über mich geweissagt ist;“ und Joh. 5.: „Wenn ihr dem Moses glaubtet, so würdet ihr vielleicht auch mir glauben; denn über mich hat jener gepredigt;“ dann, indem es die Menschen vom Götzendienste abzog zur Verehrung des einen einigen Gottes, von dem das Menschengeschlecht gerettet werden sollte durch Christum. Deshalb sagt Paulus Gal. 3.: „Bevor der Glaube kam, wurden wir unter dem Gesetze behütet mit Beziehung auf jenen Glauben, der da kommen sollte.“ Ein und desselben Sache aber ist es, für den gewollten Zweck von weit her vorzubereiten und zum Zwecke selber hinzugeleiten, entweder durch sich selbst, oder durch seine Untergebenen. "Denn der Teufel hätte kein Gesetz gegeben, wodurch die Menschen zu Christo geführt werden (Non enim Diabolus legem tulisset per quam homines adducerentur ad Christum)"; zu jenem nämlich, der ihn austreiben sollte, nach Matth. 26.: „Wenn der Teufel den Teufel austreibt, so ist sein Reich geteilt.“ Vom selben Gotte also, von dem das Heil der Menschen bewirkt worden ist durch Christum, stammt das Alte Gesetz. Es kann etwas schlechthin unvollkommen und doch für die gegebenen Zeitumstände vollkommen sein. So ist ein Kind vollkommen; nicht schlechthin, sondern als Kind; und auch dementsprechend sind die Gebote, welche Kindern gegeben werden, vollkommen für Kinder. Deshalb sagt mit Bezug auf das „Gesetz“ Paulus, „es war unser Erzieher zu Christo hin.“ [78] "Das Alte Gesetz bereitete vor für das Heil in Christo. Dieses Heil aber war nicht den Juden allein vorbehalten; nach Isai. 49.: „Wenig kommt es mir darauf an, dass du mir Knecht bist, um die Stämme Jakob zu erwecken und die Hefe Israels zu bekehren; als Leuchte der Völker habe ich dich hingestellt, dass du verkündest mein Heil bis zu den Grenzen der Erde.“ Allen Völkern also musste das Alte Gesetz gegeben werden und nicht allein den Juden." - Thomas von AquinMan könnte als Grund angeben, dass das Volk der Juden allein nicht in Götzendienst gefallen, sondern dem einen Gotte treu geblieben ist; und dass ihm darum vor allen Völkern die Offenbarung geworden, damit das Heilige nicht den Hunden vorgeworfen zu werden schiene. Aber dieser Grund ist nicht stichhaltig. Denn später, nachdem das Gesetz bereits gegeben worden, verfielen die Juden in Götzendienst; was weit schwerer ist, nach Exod. 32. Und der Prophet Amos sagt (5, 25.): „Habt ihr nicht mir Opfer dargebracht in der Wüste während vierzig Jahre, Haus Israel? Oder habt ihr das heilige Zelt getragen für Moloch, eueren Oott, und das Bild euerer Götter, das Gestirn eueres Gottes, was ihr euch selber gemacht habt?“ Ebenso noch ausdrücklicher Deut. 9.: „Wisse, dass nicht wegen deiner Gerechtigkeit der Herr, dein Gott, dir dieses Land hier in Besitz gegeben hat, da du ein Volk von äusserst hartem Nacken bist.“ Den wahren Grund finden wir kurz vorher: „Damit der Herr erfülle sein Wort, das Er unter Eidschwur verheissen hat deinen Vätern Abraham, Isaak und Jakob.“ Welche Verheissung nun ihnen geworden ist, zeigt Paulus (Gal. 3.) mit den Worten: „Dem Abraham sind geworden die Verheissungen und seinem Samen. Nicht sagt er: in den Samen als ob dieser Same ein vielfacher wäre, sondern: in deinem Samen nämlich in Einem, der da Christus ist.“ Das Gesetz also und andere besondere Wohltaten hat Gott diesem Volke bewilligt auf Grund der den Vätern gewordenen Verheissungen, dass Christus aus ihnen geboren werden solle. Denn es gebührte sich, dass jenes Volk, aus dem Christus geboren werden sollte, einer gewissen besonderen Heiligung sich erfreue, nach Lev. 19.: „Heilig sollt ihr sein, weil ich heilig bin.“ Und auch nicht auf Grund der Verdienste Abrahams geschah es, dass ihm verheissen wurde, Christus werde aus seinem Nachkommen geboren werden, sondern auf Grund freier Auswahl und Berufung von seiten Gottes. Daher heisst es Isai. 41.: „Wer hat erweckt den Gerechten vom Sonnenaufgange her; und ihn gerufen, dass er Ihm folge?“ Also aus freier Wahl Gottes erhielten die Väter die Verheissung und empfing das von ihnen ausgehende Volk das Gesetz. [79] "Zu Anderem ist reifes Überlegen erfordert und oft kann da ein endgültiges Urteil nur von Weisen gegeben werden; wie ja auch in der spekulativen Wissenschaft manche Schlußfolgerungen nur von Philosophen anerkannt werden können." - Thomas von Aquin, q 100Der Grund des Zweckdienlichen wird vom Zwecke hergenommen. Der Zweck aber der Zeremonialvorschriften ist: 1. der Kult Gottes für jene Zeit; und 2. Christum vorzubilden. So berücksichtigten auch die Worte der Propheten so die Gegenwart, dass sie zugleich die Figur enthielten für das Zukünftige, nach Hieronymus (sup. Osee c. 1. abiit et accipit). Erstens also müssen die Gründe für die Zeremonialvorschriften entnommen werden den Bedürfnissen des göttlichen Kult, wie er damals zu beobachten war. Und diese Gründe bilden den Wortgrund, sei es dass diese Vorschriften dazu dienten, den Götzendienst zu vermeiden oder die göttlichen Wohltaten in Erinnerung zu bringen oder die Allmacht und Majestät Gottes vorzustellen oder um die Verfassung der Seele zu bezeichnen, die damals für den göttlichen Kult erforderlich war. Ferner sind die Gründe herzunehmen aus der Beziehung der Zeremonialgebote auf Christum; und so haben sie figürliche Gründe, sei es dass sie auf Christum selbst und die Kirche sich beziehen (das sind die allegorischen); sei es dass sie Beziehung haben auf die Sitten des christlichen Volkes (das sind die moralischen); sei es dass sie auf die ewige Herrlichkeit zeigen, zu der wir durch Christum gelangen (das sind die anagogischen Gründe). Der Sinn einer an sich metaphorischen Redeweise in der Schrift ist der wörtliche; denn deshalb sind die Worte da, damit sie dieses bezeichnen; sowie in der Redeweise: „Der Fels aber war Christus“, der Fels nach dem Wortsinne Christus ist und nicht ein natürlicher Felsen, der nur figürlich auf Christum zeigte. [80] “Da aber Gott niemanden liebt, der nicht zusammen mit der Weisheit weilt ( neminem diligit Deus nisi qui cum sapientia inhabitat)“ - Sap. 7Rücksichtlich der figürlichen Bedeutung aber ist zu erwägen, dass, um hinzuweisen auf die Unvollkommenheit der einzelnen Figuren im Gesetze, mannigfaltige solche Figuren im Tempel aufgestellt waren, damit sie Christum alle insgesamt vorbildeten. Denn er wird durch die Sühnstätte ausgedrückt, „der da ist die Sühne für unsere Sünden.“ (1. Joh. 2.) Und diese Sühnstätte wird von Cherubim getragen, denn Hebr. 1. heisst es von Christo: „Ihn sollen anbeten alle seine Engel.“ Christus wieder ist die Bundeslade; denn wie diese hergestellt war von reinem Akazienholz, so hatte der Leib Christi allerreinste Glieder. Vergoldet war die Lade; denn Christus war voll Weisheit und Liebe. In der Lade war eine goldene Urne, d. i. die heilige Seele Christi, welche Manna in sich birgt, nämlich die Fülle aller Heiligkeit und Gottähnlichkeit. Der Stab war in der Lade, d. i. priesterliche Gewalt; denn er ist der Priester geworden in Ewigkeit. Und weil Christus Gesetzgeber ist, sind in der Lade die Gesetzestafeln. Weil er „das Licht der Welt ist“ nach Joh. 8. ist er vorgesinnbildet durch den Leuchter; und die sieben Arme bedeuten die sieben Gaben des heiligen Geistes. Er ist „das Lebensbrot“, nach Joh. 6.; und also deutet auf Ihn der Tisch hin und auf die zwölf Apostel die zwölf Brote. Oder auch kann der Leuchter und der Tisch bezeichnen die Lehre und den Glauben der Kirche, welche geistig erleuchtet und erquickt. Christus wird wiederum ausgedrückt durch die zwei Altäre, denn durch Ihn müssen wir Gott darbringen alle Tugendwerke; sei es jene, durch die wir das Fleisch demütigen, was durch den Brandopferaltar angedeutet wird, sei es jene, welche vermittelst höherer Vollkommenheit Gott durch die geistige Sehnsucht nach Ihm dargebracht werden, worauf der Rauchopferaltar hinweist, nach Hebr. ult.: „Durch Ihn laßt uns Gott fortwährend darbringen das Opfer des Lobes.“ Ein Altar sollte aufgestellt werden für die Darbringung von Opfern und Gaben zur Ehre Gottes und zum Lebensunterhalte der Diener des Heiligtums. Über die Herstellung des Altars aber gab der Herr ein zweifaches Gebot: Exod. 20. nämlich, wo geboten wird, „einen Altar von Erde zu machen,“ oder mindestens „aus unbehauenen Steinen;“ und ebenso, „dass man keinen hohen Altar mache, zu dem hinan man auf Stufen steigen müsse.“ Dies geschah aus Abscheu vor dem Götzendienste. Denn die Heiden bauten sehr hohe und reichgeschmückte Altäre, in denen nach ihrer Meinung etwas Heiliges und Göttliches war. Deshalb auch schreibt der Herr vor, Deut. 16.: „Du sollst keinen Hain und keinen Baum pflanzen neben dem Altare des Herrn, deines Gottes.“ Denn bei den Götzendienern war es Sitte, am Fuße von Bäumen zu opfern, wegen der Annehmlichkeit und des Schattens. Der figürliche Grund davon ist so zu erklären. In Christo, der unser Altar ist, müssen wir bekennen die Natur des Fleisches mit Rücksicht auf die heilige Menschheit; was da ist: „den Altar aus Erde machen;“ — und mit Rücksicht auf die Gottheit müssen wir bekennen die Gleichheit mit dem Vater; was da ist: „nicht auf Stufen hinansteigen.“ Und ebenso "dürfen wir nach Christo nicht die Lehren der Heiden zulassen, die zur Lüsternheit reizen". Nachdem jedoch die Stiftshütte gemacht worden war, hatte man dergleichen Gelegenheiten zum Götzendienste nicht mehr zu fürchten. Deshalb gebot da der Herr, dass der Brandopferaltar aus Erz herzustellen sei, damit das ganze Volk ihn sehen könne; und der Rauchopferaltar aus Gold, den nur die Priester sahen. Zudem war das Erz nicht dermaßen kostbar, dass durch dessen Menge das Volk zum Götzendienste veranlasst worden wäre. Die Nähe des Islams zum Götzendienst zeigt sich auch darin, dass zum Beispiel das Tor der Kaaba in Mekka oder die Kuppel des Felsendoms in Jerusalem aus purem Gold ist und in Mekka ein Stein angebetet wird. [81] Und weil Exod. 20.
hinzugefügt wird: „Du sollst nicht auf Stufen hinansteigen; damit
nicht deine Blöße gesehen werde;“ so muss man wohl berücksichtigen,
dass auch dies vorgeschrieben war, um den Götzendienst fernzuhalten;
denn die Opfer des Priapus z. B. waren unzüchtig. Nachher aber erhielten
die Priester eigene Hüftkleider, die unter den Amtskleidern getragen
wurden. Und deshalb konnte dann der Altar ganz wohl so hoch sein, dass
die Priester ohne Gefahr durch einige hölzerne, nicht festgefügte
sondern tragbare Stufen emporstiegen. Der Körper der Stiftshütte
bestand aus einzelnen Brettern, die der Länge nach aufgestellt waren.
Innen waren dieselben mit Decken oder Vorhängen verhüllt, die
in vier Farben zusammengewebt waren; nämlich aus Byssus, Hyacinth
(Himmelblau), Purpur und doppelt gefärbtem Scharlach. Das Dach war
bedeckt durch eine Decke von bläulichen Fellen; und über dieser
war eine andere von roten Widderfellen und darüber eine dritte von
Ziegenhaaren, die über das Dach hinabhing und nach aussen hin das
heilige Zelt bedeckte bis zur Erde. Der Wortgrund dieser Decken war der
Schutz des heiligen Zeltes gegen den Einfluß der Witterung und die
Ehrfurcht vor selbem. Der figürliche Grund war folgender: Die Bretter,
welche die Stiftshütte zusammensetzten, sind die Gläubigen, aus
denen die Kirche ersteht. Die vier farbigen Decken sind die vier Tugenden
in den gläubigen Herzen. Denn, sagt die Glosse zu Exod. 26., „der
gezwirnte Byssus ist das Fleisch (von der Erde kommend), was in Keuschheit
glänzt; das Himmelblaue ist der auf Himmlisches gerichtete Geist;
im Purpur wird ausgedrückt das den Leidenschaften zugängliche
Fleisch; und im doppeltgefärbten Scharlach der Geist, der mitten unter
den Leidenschaften in Gottes- und Nächstenliebe strahlt.“ Die Decken
des Daches sind die Vorsteher und Lehrer, in denen festgehalten werden
muss der himmlische Verkehr, was die himmelblauen Decken ausdrücken;
sie müssen bereit sein zum Martyrium, das Drücken die roten Decken
aus; sie müssen abgetötet sein im Fleische und geduldig Trübsale
und Gegner ertragen, das bezeichnen die Ziegenhaare, die ausgesetzt waren
Wind und Regen. Die Heiligung und Weihe der Stiftshütte und der heiligen
Geräte diente dazu, die Achtung und Ehrfurcht vor diesem Raume zu
erhöhen. Figürlich deutete sie hin auf die geistige Weihe der
gläubigen Seelen, der lebendigen Hütten, aus welchen die ewige
Stadt Gottes erwächst. Im Alten Gesetze waren sieben besondere, der
Zeit nach geschiedene Festlichkeiten und eine beständige; nach Num.
28. Es gab ein beständiges Fest, weil täglich morgens und abends
ein Lamm geopfert wurde; und dadurch ward bezeichnet das Unaufhörliche
der himmlischen Festfeier. Von den sieben besonderen Festlichkeiten war
die erste alle Wochen: die Sabbathsruhe zum Andenken an die Erschaffung
der Dinge. Die zweite war in jedem Monate: die Neumondfestlichkeit zum
Gedächtnisse der göttlichen Weltregierung; denn hier auf Erden,
im Bereiche des Entstehens und Vergehens, regelt sich das Meiste nach der
Bewegung des Mondes; diese Festlichkeit wurde nicht am Vollmonde gefeiert,
weil zu dieser Zeit die Heiden dem Monde opferten. Diese beiden Feste stellen
vor, was gemeinsam ist allen Menschen und werden sie deshalb oft wiederholt.
Die anderen fünf sind nur einmal im Jahre gefeiert. Da ist also Ostern
(Phase), zur Erinnerung an den Auszug aus Ägypten; Pfingsten zur Erinnerung
an die Verkündung des Gesetzes; das Posaunenfest, am ersten Tage des
siebenten Monats, zur Erinnerung an die Befreiung Isaaks, da Abraham den
Widder fand, der mit den Hörnern am Gestrüppe festhing und den
sie darstellten durch die Hörner oder Posaunen, in die sie bliesen;
der Versöhnungstag, für den das Posaunenfest als Vorbereitung
diente, am zehnten Tage des siebenten Monats, zur Erinnerung an die Verzeihung,
die ihnen auf Mosis Bitten Gott gewährte, nachdem sie das goldene
Kalb angebetet hatten; das Laubhüttenfest, nach dem Versöhnungstage,
durch sieben Tage hindurch, zur Erinnerung an den Schutz Gottes während
der Wanderung durch die Wüste, wo sie in Zelten oder Hütten wohnten.
Demgemäß mussten sie an diesem Feste Zweige nehmen von den schönsten
Bäumen, Palmzweige und Äste von dickbelaubten Bäumen und
Bachweiden, die immer grün bleiben, um dadurch zu bezeichnen, dass
der Herr sie, die Kinder Israels, durch die Wüste geleitete zu einem
reich gesegneten Lande. Am achten Tage wurde noch ein anderes Fest gefeiert,
das der Einsammlung (collectae) oder der Vereinigung, wo das im Volke gesammelt
ward, was notwendig war für den göttlichen Kultus; und damit
ward bezeichnet die Vereinigung des Volkes und der im Lande der Verheissung
verliehene Friede. So war der siebente Monat ein wahrer Fest- und Ruhemonat.
Der figürliche Grund dieser Feste ist: Durch das juge sacrificium,
das unaufhörliche Opfer, ward bezeichnet die Ewigkeit Christi, des
Lammes Gottes. Durch den Sabbath ward ausgedrückt die Ruhe unserer
Seelen in Christo, nach Hebr. 4. Das Neumondsfest bildete vor die Erleuchtung
der Erstlingskirche durch Christum, da dieser lehrte und Wunder wirkte.
Das Fest des fünfzigsten Tages oder Pfingsten stellte vor die Herabkunft
des heiligen Geistes in die Apostel; das Posaunenfest die Apostolische
Predigt; der Versöhnungstag die Entsündigung des christlichen
Volkes; das Laubhüttenfest das Pilgern in dieser Welt und das Fortschreiten
in den Tugenden; das Einsammlungsfest (coetus oder collectae), welches
als das heiligste bezeichnet wird, drückt aus die Einsammlung der
Auserwählten. [82]
18. Der neue Bund; es sind heute nicht nur die Atheisten, Agnostiker und Muslime, die Christus verleugnen, sondern auch Würdenträger der konfessionellen christlichen KirchenHebr. 8 sagt unter Beziehung auf Jerem. 31.: „Siehe; Tage werden kommen, spricht der Herr, und ich werde vollenden über das Haus Israel und das Haus Juda einen Neuen Bund; denn das ist der Bund, den ich vorbereite für das Haus Israel: Meine Gesetze werde ich in ihre Herzen einprägen und auf ihren Geist will ich schreiben.“ Also ist der Neue Bund, resp. sein Gesetz, den Herzen eingeprägt. Thomas sagt, dass nach Aristoteles (9 Ethic. 4.) „ein jedes Ding das zu sein scheint, was das Hauptsächlichste in ihm ist.“ Das Hauptsächlichste aber im Neuen Bunde und worin seine ganze Kraft besteht, ist die Gnade des heiligen Geistes, welche durch den Glauben Christi gegeben wird. Das Gesetz des Neuen Bundes also ist die Gnade Christi selber, die den Gläubigen Christi gegeben wird. Und das ergibt sich offenbar aus den Worten Pauli (Röm. 3.): „Wo ist also das, dessen du dich rühmest? Ausgeschlossen ist es; durch welches Gesetz? Durch das der Werke? Nein; sondern durch das Gesetz des Glaubens;“ die Gnade des Glaubens selber also nennt er Gesetz. Und noch ausdrücklicher Röm. 8.: „Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christo hat mich befreit vom Gesetze der Sünde und des Todes.“ Deshalb sagt Augustinus (de spir. et litt. c. 17. et 26.): „Wie das Gesetz der Werkgerechtigkeit geschrieben war auf steinernen Tafeln, so ist das Gesetz des Glaubens geschrieben in den Herzen der Gläubigen;“ und c. 21.: „Was sind das anders für Gesetze, die geschrieben sind von Gott selber in den Herzen, wie die Gegenwart des heiligen Geistes.“ Jedoch schliesst das Gesetz des Neuen Bundes Manches ein, was vorbereitet zur Gnade des heiligen Geistes und zu dem, was zum Gebrauche dieser Gnade gehört, was also in diesem Gesetze erst an zweiter Stelle kommt; und darüber müssen die Gläubigen in Wort und Schrift unterrichtet werden, sowohl wie weit es auf das zu Glaubende ankommt als auch auf das zu Tuende. An erster Stelle also ist das Gesetz des Neuen Bundes eingeprägt den Herzen; an zweiter Stelle ist es geschrieben. Das Evangelium enthält nur das, was vorbereitet zur Gnade des heiligen Geistes oder was den Gebrauch derselben regelt. [83]"Keiner hat je den heiligen Geist anders gehabt als vermittelst des Glaubens an Christum, sei es dass dieser in einigen äusseren Zeichen eingeschlossen war sei es dass er ausdrücklich bekannt wurde. Durch den Glauben an Christum aber gehört der Mensch zum Neuen Bunde. Wer auch immer also das Gesetz der Gnade in sich hatte, der war danach zu allen Zeiten dem Neuen Testamente angehörig." - Thomas von Aquin, q 106In Matth. 24. heisst es: „Dieses Evangelium des Himmelreiches wird gepredigt werden auf dem ganzen Erdkreise; und dann wird die Vollendung kommen.“ Das Evangelium Christi ist aber schon längst auf dem ganzen Erdkreise gepredigt worden; und trotzdem ist die Vollendung noch nicht gekommen. Also ist es nicht das Evangelium des Himmelreiches; sondern es steht noch in der Zukunft aus ein anderes Evangelium, das des heiligen Geistes nämlich und somit ein anderes „Gesetz“. In zweifacher Weise kann sich ändern ein Zustand der Welt: einmal auf Grund der Verschiedenheit des Gesetzes; und so wird dem gegenwärtigen kein anderer Gesetzeszustand mehr folgen. Denn dieser ist dem Alten Gesetze gefolgt wie das Vollkommenere folgt dem Unvollkommenen. Kein Zustand im gegenwärtigen Leben aber kann vollkommener sein wie der des Neuen Gesetzes. Denn nichts kann dem letzten Endzwecke näher stehen wie Jenes, was unmittelbar in den letzten Endzweck hineinführt. Das aber tut das Neue Gesetz. Denn Hebr. 10. heisst es: „Vertrauen also setzend, Brüder, in den Eingang der Heiligen im Blute Christi, treten wir auf den neuen Weg, den Christus vor uns gegangen.“ Um so vollkommener aber ist etwas, je näher es dem letzten Endzwecke steht. Dann wird der Zustand der Menschen in dem Falle ein anderer, dass sich dieselben zu ein und demselben „Gesetze“ in verschiedener Weise verhalten, nämlich minder oder mehr vollkommen. Und so ward der Stand des Alten Gesetzes oft ein anderer, insofern manchmal die Gebote desselben im höchsten Grade gut beobachtet, manchmal aber durchaus vernachlässigt wurden. Ähnlich wird der Stand des Neuen Bundes ein anderer nach Zeit, Ort und Personen, insofern die Gnade Christi mehr oder minder vollkommen von den einzelnen besessen wird. [84] Der heilige Geist nun lehrte den Aposteln alle Wahrheit über das, was geglaubt und gethan werden müßte; jedoch nicht über alle zukünftigen Begebenheiten, weil das nicht notwendig ist zum Heile, nach Act. 1.: „Nicht euere Sache ist es, zu kennen die Zeiten und die Augenblicke, die der Vater in seine Gewalt gelegt.“ Das Alte Gesetz ist nicht das Gesetz des Vaters allein, sondern auch Christi, dessen Figur es war, wie der Herr Joh. 5. sagt: „Würdet ihr dem Moses glauben, so möchtet ihr wohl auch mir gegenüber dies tun; denn über mich hat Moses geschrieben.“ Und der Neue Bund ist nicht nur das Gesetz Christi, sondern auch das des heiligen Geistes, nach Röm. 8.: „Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christo Jesu.“ Also ist kein anderes zu erwarten. Christus selbst sprach am Beginne seiner Predigt: „Es hat sich genaht das Reich der Himmel;“ also wäre es die größte Torheit zu meinen, sein Evangelium sei nicht das des Himmelreiches. Die Predigt des Evangeliums aber wird entweder aufgefasst als die Verbreitung der Kenntnis Christi; und so ward es verbreitet nach Chrysostomus (hom. 75.) auf der ganzen Erde zur Zeit der Apostel; und ist das: „Und dann wird das Ende sein“ zu verstehen von der Zerstörung Jerusalems; oder die Predigt des Evangeliums wird aufgefasst als mit der vollen Wirkung verbunden, so dass in jedem Volke dasselbe Wurzel gefasst hat; und so ist das Evangelium nach Augustinus (ad Hesychium) noch nicht „gepredigt worden auf dem ganzen Erdkreise.“ Ist dies geschehen, so „kommt das Ende;“ nämlich der Welt. [85] Um die Tugendwerke zu tun, dazu neigen sich jene, die noch nicht den vollkommenen Tugendzustand in sich haben, hin kraft einer äusserlichen Ursache; wie z. B. kraft der Androhung von Strafen oder kraft der Verheissungen von Ehre, Reichtum u. dgl. Und so ward das Alte Gesetz, welches den noch Unvollkommenen gegeben wurde, „Gesetz der Furcht“ genannt; denn es drohte mit Strafen, wenn man die Gebote nicht erfüllte, und verhieß zeitliche Güter, falls man sie beobachtete. Wer aber den vollkommenen Tugendzustand in sich hat, tut das Nämliche aus Liebe zur Tugend. Und so wird das Neue Gesetz, welches in erster Linie in der den Herzen eingegossenen geistigen Gnade besteht, „Gesetz der Liebe“ genannt; es enthält demgemäß Geistiges und Ewiges in seinen Verheissungen, was Gegenstand der Tugend, zumal der heiligen Liebe ist. Hier vollzieht sich also die Hinneigung nicht wie in etwas Aussenstehendes, sondern wie in das eigens dem Wesen des handelnden Entsprechende. Deshalb sagt man auch, das Alte Gesetz zügele die Hand, nicht die Seele; denn wer nur aus Furcht vor Strafe einer Sünde sich enthält, dessen Wille tritt nicht schlechthin und ohne weiteres von der Sünde zurück; wie das beim Willen desjenigen der Fall ist, der aus Liebe zur Gerechtigkeit Ungerechtes nicht tut; und deshalb zügelt das Neue Gesetz die Seele. Insoweit aber einige im Alten Testamente die heilige Liebe und die Gnade des heiligen Geistes hatten und sonach Ewiges und Geistiges als Gegenstand der Verheissungen erwarteten, gehören sie zum Neuen Bunde. Und hingegen gibt es auch im Neuen Testamente fleischlich Gesinnte, die man zur Tugend anführen muss durch die Furcht vor Strafe und durch Verheissung zeitlicher Güter. Gab nun auch das Alte Gesetz Gebote der Liebe, so verlieh es doch nicht den heiligen Geist, „durch den die Liebe sich ergiesst in unsern Herzen.“ (Röm. 5.) Das Gesetz des Neuen Bundes heisst „das Gesetz des Glaubens“, weil es hauptsächlich in der Gnade besteht, die in das Innere der Gläubigen sich ergiesst und somit „Gnade des Glaubens“ heisst. Als Folge davon enthält es moralische und sakramentale Tatsachen oder Werke, die aber nicht die erste Stelle im Neuen Bunde einnehmen, wie dies im Alten der Fall war. Die jedoch im Alten Testamente gerechtfertigt geworden sind, wurden dies durch den Glauben an Christum und gehörten demgemäß zum Neuen Testamente, nach Hebr. 11.: „Als größeren Reichtum wie die Schätze Ägyptens erachtete er (Moses) die Schmach Christi.“ [86] Das Alte Gesetz stehe zum Neuen im Verhältnisse des Unvollkommenen zum Vollkommenen; das Unvollkommene aber wird jedenfalls vollendet durch das Vollkommene. Es können nun im Alten Gesetze betrachtet werden: der Zweck und die im Gesetze enthaltenen Vorschriften. Der Zweck eines jeden Gesetzes ist, die Menschen tugendhaft zu machen. Also auch für das Alte Testament war der Zweck die Rechtfertigung. Und konnte es dieselbe nicht bewirken, so zeigte es doch auf dieselbe durch Figuren und Bilder in den Zeremonialgebräuchen hin und verhieß es die Rechtfertigung ausdrücklich in Worten. Diesbezüglich also vollendet der Neue Bund das Alte Gesetz, indem er tatsächlich rechtfertigt durch die Kraft des Leidens Christi. Deshalb sagt Paulus (Röm. 8.): „Was dem Gesetze unmöglich war, das vollendete Gott, der seinen Sohn sandte in die Ähnlichkeit des Fleisches der Sünde und so im Fleische selber verurteilte die Sünde, damit die Rechtfertigung des Gesetzes in uns vollendet werde.“ Also erfüllt hier der Neue Bund das Alte Gesetz, 1. indem er bringt das, was dieses verhieß, nach 2. Kor. 1.: „Wie viele auch immer der Verheissungen Gottes sind, in Ihm werden sie vollendet;“ 2. erfüllt der Neue Bund das, was die Figuren des Gesetzes enthielten, nach Koloss. 2., wo die Zeremonialvorschriften „Schatten der zukünftigen Dinge“ genannt werden, der Körper aber, d.i. die Wahrheit, sei der Christi; und wonach das Neue Gesetz „Gesetz der Wahrheit“ heisst, das Alte als „Figur und Schatten“ bezeichnet wird. Die Vorschriften des Gesetzes aber erfüllte Christus durch seine Werke und seine Lehre. Denn er wollte Sich beschneiden lassen und anderes zu jener Zeit Vorgeschriebene beobachten, nach Galat. 4.: „Unter dem Gesetze war er gebildet.“ Durch seine Lehre erfüllte er sodann das Gesetz: 1. weil er dessen inneren Sinn aufdeckte; wie beim Totschlage und dem Ehebruche, wo die Pharisäer meinten, nur der äussere Akt sei verboten; er vollendete also hier das Gesetz, weil er zeigte, auch die entsprechenden inneren Akte der Sünde fielen unter das Verbot; 2. weil er Vorschriften gab, um zuverlässiger das Alte Gesetz zu beobachten; wie z. B. das Gesetz gebot, keinen Meineid zu tun, Christus aber vollendete dies, indem er anordnete, gar nicht zu schwören außer im Notfalle, was zuverlässiger den Meineid vermeiden lässt; 3. weil Er einige Räte der Vollkommenheit hinzufügte, die das Gesetz zur Vollendung brachten. [87] Das Sabbathsgebot verletzte er in Wahrheit nicht, wie er Matth. 12. zeigt. Denn die Wunder tat er am Sabbathe kraft seiner göttlichen Allmacht, die immer in den Dingen wirkt; ferner diente er damit dem Wohle des Menschen, wie ja die Pharisäer auch für das Wohl der Tiere am Sabbathe sorgten; ferner entschuldigte er seine Jünger, die Ähren abpflücken am Sabbathe, auf Grund der Notwendigkeit. Das abergläubische Verständnis der Pharisäer nur wies der Heiland zurück, die da glaubten, auch von guten Werken müsse man sich am Sabbathe enthalten. [88] Chrysostomus sagt (in oper. imp. hom. 10.) zu Matth. 5. (qui solverit): „Die Gebote des Alten Bundes sind geringere, die des Neuen Bundes größere.“ Das Größere aber ist nicht im Kleineren enthalten. Es sei etwas im anderen enthalten einmal dem tatsächlichen Sein nach, wie das vom Orte Umschlossene im Orte ist; dann der Kraft nach, wie die Wirkung in der Ursache ist oder das Vollendete im Unvollendeten; wie die allgemeinere „Art“ enthält in ihrem Vermögen die mehr besonderen Gattungen und der ganze Baum enthalten ist im Samen. So ist das Neue Gesetz im Alten; denn dieses verhält sich zu jenem wie das Unvollendete zum Vollendeten. Deshalb sagt Chrysostomus zu Mark. 4.: „Von freien Stücken bringt die Erde Frucht hervor, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann die volle Frucht in der Ähre; denn zuerst hat die Erde Frucht hervorgebracht wie ein grünes Hälmchen, nämlich das Naturgesetz, dann Ähren im Gesetze Mosis, dann volle Frucht im Evangelium.“ Wie die Frucht in der Ähre also, ist das Neue Testament im Alten. Was im Neuen Testamente als ausdrücklich zu glauben vorgestellt wird, das ist in den Figuren des Alten enthalten. [89] Das Gesetz des Neuen
Bundes bestehe vorzugsweise in der Gnade des heiligen Geistes, welche sich
offenbart im Glauben, der durch die Liebe wirkt. Diese Gnade aber erlangen
die Menschen durch den menschgewordenen Sohn Gottes, dessen Menschheit
Gott mit Gnade angefüllt hat; und letztere ist dann bis zu uns abgeleitet
worden. Deshalb heisst es Joh. I.: „Das Wort ist Fleisch geworden“ und
gleich darauf: „Voll der Gnade und Wahrheit;“ später aber: „Von seiner
Fülle haben wir alle empfangen, Gnade für Gnade“, weshalb dann
folgt: „Gnade und Wahrheit ist durch Jesum Christum gemacht worden.“ Darum
also ist es zukömmlich, dass vermittelst einiger äusserlicher
Zeichen die vom fleischgewordenen Worte ausfliessende Gnade bis zu uns
hingeleitet wird; und dass von der innerlichen Gnade, durch welche das
Fleisch dem Geiste Untertan wird, ausgehen einige sinnlich wahrnehmbare
Werke. So können also äusserliche Werke in doppelter Weise zur
Gnade gehören: einmal als hinleitend und einführend in die Gnade;
und das sind die Sakramente; und dann als das Ergebnis der Gnade; und das
sind äusserliche Werke im Einzelnen. In letzteren nun gibt es einige,
welche notwendigen Zusammenhang oder Gegensatz mit der Gnade haben; und
"danach gibt es Gebote und Verbote im Neuen Bunde, wie das Bekenntnis des
Glaubens geboten und die Verleugnung desselben verboten ist." Denn Matth.
10. heisst es: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den werde ich bekennen
vor meinem himmlischen Vater; und wer mich verleugnet vor den Menschen,
den werde ich verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“ Es sind heute nicht
nur die Atheisten, Agnostiker und Muslime, die Christus verleugnen, sondern
auch Würdenträger der konfessionellen christlichen Kirchen, die
sogar ihr Kreuz ablegen, wenn sie den muslimischen Felsendom in Jerusalem
betreten! [90]
19. Also ist in den Worten Christi Alles genügenderweise vorgesehen, was zum menschlichen Heile gehört. ("Ergo in verbis Christi sufficienter sunt omnia posita quae pertinent ad salutem humanam.")Das Neue Gesetz durfte nur das im Bereiche der äusserlichen Tätigkeit vorschreiben oder verbieten, wodurch wir zur Gnade hingeleitet werden oder was zum rechten Gebrauche der Gnade notwendig gehört. Da wir also zur Gnade nur durch Christum kommen können, so hat er selbst die Sakramente eingesetzt: nämlich die Taufe, die Eucharistie, die Ordnung unter den Dienern des Neuen Bundes durch Auswahl von zwölf Aposteln und zweiundsiebzig Jüngern, die Buße und die untrennbare Ehe; die Firmung hat er verheissen, als er die Sendung des heiligen Geistes verhieß; und infolge seines Auftrages haben die Apostel nach Mark. 6. die Kranken mit Öl gesalbt. Der rechte Gebrauch der Gnade nun vollzieht sich kraft der Werke der heiligen Liebe. Soweit diese aber zur Notwendigkeit der Tugend gehören, sind sie in den Moralvorschriften des Alten Bundes vorhanden. Mit Bezug darauf durfte das Neue Gesetz zum Alten also nichts hinzufügen rücksichtlich der äusseren Tätigkeiten. Die weitere Anwendung jedoch dieser Moralvorschriften auf den Kult Gottes oder auf die Beziehungen zum Nächsten, wie eine solche in den Zeremonial- und richterlichen Vorschriften des Alten Bundes enthalten war, gehört nicht mit Notwendigkeit zur inneren Gnade, die das Wesen des Neuen Bundes bildet; und deshalb sind nähere Bestimmungen darin dem freien Willen des Menschen überlassen: die einen davon bezüglich der Untergebenen, von denen jeder dadurch betroffen wird; die anderen bezüglich der zeitlichen oder geistlichen Vorgesetzten, die auf das Gemeinbeste gerichtet sind. Nur also die Sakramente und die an sich zur Tugend gehörigen Moralgebote, wie „du sollst nicht stehlen“, „du sollst nicht ehebrechen“ etc.; sind als äussere Tätigkeiten vom Neuen Gesetze vorgeschrieben. Was zum Glauben gehört, ist erhaben über die natürliche Vernunft; nur durch die Gnade können wir Kenntnis davon gewinnen. Als die Gnade also in größerer Fülle ausgegossen wurde, da wurden auch die zu glaubenden Lehrpunkte ausdrücklicher erklärt. [91]„Das ist in den Wissenszweigen das Zuverlässigste, was so beschaffen erscheint, wie das, was von der Sonne beleuchtet wird, dass es gesehen werden könne. Gott aber selbst ist es, der Alles beleuchtet; die Vernunft „Ohne die Gnade tun die Menschen keinerlei Gutes, weder in Gedanken noch im Wollen, weder im Handeln noch im Lieben.“ - Augustinus, de corr. et grat. 2Die Natur könne betrachtet werden entweder in ihrer Unversehrtheit, wie sie im Stammvater war; oder in ihrer Verderbtheit, wie sie in uns sich findet infolge der Sünde des Stammvaters. In beiden Fällen bedarf die menschliche Natur des göttlichen Beistandes, um etwas Gutes zu tun oder zu wollen, insofern sie von Gott den ersten Anstoß zur Tätigkeit erhält. Im Stande der Unversehrtheit aber konnte der Mensch vermittelst seiner natürlichen Kräfte tun und wollen das zu seiner Natur im gebührenden Verhältnisse stehende Gute, also das der erworbenen Tugend; nicht aber das seine Kräfte übersteigende Gute, das der eingegossenen Tugend entsprechende. Im Stande der verderbten Natur jedoch kann auch der Mensch nicht hinreichenderweise alles jenes Gute wollen oder tun, wozu seine natürlichen Kräfte genügen. Da nun die Natur durch die Sünde nicht ganz und gar verderbt ist, so kann der Mensch vermittelst der Kraft seiner Natur manches beschränkte Gute noch tun oder wollen, wie Häuser bauen, Weinberge pflanzen etc. So etwa kann der kranke Mensch wohl von sich selbst einigermaßen sich bewegen; aber nicht voll selbständig, wie ein gesunder Mensch, wenn ihm nicht der Beistand der Arznei hilft. In der unversehrten Natur also bedürfte der Mensch der zu seinen natürlichen Kräften hinzugefügten Gnadenkraft nur dazu, dass er das übernatürliche Gute wolle und tue; in der verderbten Natur aber dazu, dass er auf das Übernatürliche sich richte, d. h. verdienstliche Werke tue, und zugleich dass er geheilt werde. In beiden Fällen muss immerdar der erste Anstoß zur einzelnen Tätigkeit vom göttlichen Beistande ausgehen. [92] 20. Die Natur und die gefallene Natur, Pelagianer; Weisheit und Gnade; vom Vatergott hören und lernen; Mysterium Christi„Das gehört zur Häresie der Pelagianer, daß sie glauben, der Mensch könne ohne den Beistand der Gnade alle göttlichen Gebote erfüllen.“ - Augustinus, Haer. 88Soweit es auf die Substanz der vorgeschriebenen Werke ankommt, wie das Gerechte, das Starke tun, konnte der Mensch im Stande der Unversehrtheit (nicht aber in der verderbten Natur) die göttlichen Gebote erfüllen; denn sonst hätte er in jenem Stande nicht anders können als sündigen; wird aber die Art und Weise in Betracht gezogen, diese Werke zu tun, nämlich dass sie aus heiliger Liebe vollzogen werden, so konnte weder im Stande der verderbten noch der unversehrten Natur der Mensch die göttlichen Gebote ohne die Gnadenhilfe tun. Deshalb sagt Augustin (de corr.“ et grat. 2.): „Nicht nur damit sie wissen was sie zu tun haben, da die Gnade es zeigt; sondern auch damit sie in Liebe vollziehen, was sie wissen, da die Gnade dies gibt.“ Immer bedürfen die Menschen aber ausserdem noch des Beistandes Gottes, der den Anstoß gibt zur Tätigkeit. [93] Paulus sagt (Gal. 2.): „Wenn ein Gesetz gegeben ist, welches rechtfertigen kann, dann ist unnützerweise Christus gestorben.“ Kann also der Mensch gar ohne Gnadenbeistand von der Sünde sich erheben und gerecht werden, so ist um so mehr Christus unnützerweise gestorben; was unzulässig ist. In keiner Weise könne der Mensch aus der Sünde aufstehen ohne Gnadenbeistand. Denn da der Akt der Sünde vergeht und die Schuld bleibt, so ist es nicht dasselbe: aufhören, tatsächlich zu sündigen; und: von der Sünde aufstehen. Von der Sünde aufstehen will vielmehr dies besagen, dass der Mensch wiedererlangt das, was er durch die Sünde verloren hat. Nun hat der Mensch durch die Sünde einen dreifachen Nachteil erlitten: nämlich seine Seele hat einen Flecken erhalten; das seiner Natur entsprechende Gute ist verderbt worden; und Strafe hat er verdient. Der Flecken seiner Seele rührt daher, dass er infolge der Hässlichkeit der Sünde des Glanzes der Gnade ermangelt. Das Gute seiner Natur ist verderbt, weil die Fähigkeiten in Unordnung sind, infolgedessen dass sein Wille nicht Gott unterworfen ist, denn dadurch kam Unordnung in die ganze Natur. Und zudem verliert er durch die Todsünde die ewige Höllenstrafe. Offenbar nun kann keiner dieser drei Verluste anders entfernt werden wie durch Gott. Denn der Glanz der Gnade kommt einzig und allein vom Erleuchten seitens des göttlichen Lichtes. Er kann also nur wiederkommen, wenn Gott wieder in die Seele hineinleuchtet; und danach ist erforderlich als Geschenk der innere Gnadenzustand. Die Ordnung aber kann nur dadurch wieder hergestellt werden, dass der Wille sich Gott unterwirft, wozu dieser ihn zu Sich wenden muss. [94] "Die natürliche Vernunftkraft ist kein genügendes Prinzip für diese Gesundheit, welche im Menschen durch die Gnade der Rechtfertigung bewirkt wird; dieses Prinzip ist die Gnade und diese wird entfernt durch die Sünde. Also kann der Mensch sich nicht selber wiederherstellen; sondern von neuem muss ihm das Licht der Gnade eingegossen werden, wie einem Toten bei der Auferweckung von neuem die Seele. Ist die Natur unversehrt, so kann sie aus sich heraus sich erheben zu dem, was zu dem der Natur entsprechenden Zwecke gehört. Was aber die natürlichen Verhältnisse der Natur übersteigt, kann die Natur aus eigenen Kräften nicht wiedererlangen. Die gefallene Natur kann aber nicht einmal das Erste." - Thomas von Aquin, q 109Die „Rechtfertigung“ aber geschieht nach Röm. 3, 24. „durch die Gnade“. Also wer im Stande der Gnade ist, bedarf noch einer weiteren Gnade, um gut zu leben. Der Mensch bedürfe 1. eines innerlichen Gnadenzustandes, vermittelst dessen er geheilt und zu verdienstlichen Werken befähigt wird, welche die Kraft der Natur überschreiten; und 2. bedürfe er des Beistandes der Gnade als eines Anstoßes zur heilsamen Tätigkeit. Mit Rücksicht nun auf das Erste hat der Mensch keine weitere Gnade notwendig, die etwa wie ein nochmaliger dem Innern eingeprägter Gnadenzustand wäre, vermittelst deren er nun wirken kann. Er bedarf jedoch, trotzdem er im Stande der Gnade ist, noch des Anstoßes zur Tätigkeit von seiten des Gnadenbeistandes: 1. weil im allgemeinen kein Geschöpf zur Tätigkeit kommen kann ausser kraft der von Gott ausgehenden, den Anstoß gebenden Bewegung; 2. weil insbesondere bei der menschlichen Natur wohl der vernünftige Geist geheilt wird durch die Gnade, jedoch die Verderbtheit noch im Fleische verbleibt, vermittelst deren er „dem Gesetze der Sünde dient.“ (Röm. 7.) Nicht deshalb ist die Gnade eine unvollkommene, weil sie immer wieder die Seele zu Gott hinführt, um von Ihm weiter unterstützt zu werden. Hier auf Erden ist zudem die Gnade in etwa unvollkommen, weil sie den Menschen nicht ganz und gar heilt. Das Wirken des heiligen Geistes, um uns in Tätigkeit zu setzen und zu schützen, beschränkt sich nicht auf den inneren Gnadenzustand, den er verursacht; sondern ausser dieser Wirkung beschützt er uns noch und setzt uns in Tätigkeit zugleich mit dem Vater und dem Sohne. [95] „Den Übertreter des Gesetzes verläßt verdientermaßen das Licht der Wahrheit; von dem verlassen er blind wird.“ - Augustinus, de nat. et grat. 22Nach der gewöhnlichen Redeweise nimmt man „Gnade“ in dreifachem Sinne: 1. für ein gewisses Wohlgefallen, wie man sagt, dieser Soldat steht in Gnaden beim Könige, d. h. der König will ihm wohl; 2. für ein unverdientermaßen gegebenes Geschenk; wie man sagt: diese Gnade erweise ich dir; 3. für das Umgekehrte der Gnade, nämlich für die Vergeltung der erhaltenen Wohltat; was wir im Deutschen auch durch Umkehrung des Wortes „Gnad“ in „Dank“ ausdrücken, im Lateinischen aber als ein Wirken der unverdient erhaltenen Wohltat, insoweit sie unverdient ist, bezeichnet wird „Gratias agere“. Von diesen Auffassungen hängt die zweite von der ersten ab; denn wem wir wohlwollen, dem erweisen wir Gnade; die dritte aber von der zweiten; denn nur wenn man eine Wohltat empfangen hat, ist Ursache da für den Dank. Mit Rücksicht auf die beiden letzten Auffassungen verursacht offenbar die Gnade etwas in dem, der ihr Gegenstand ist: nach der ersten nämlich das gegebene Geschenk, nach der letzten die Anerkennung des unverdient Erhaltenen in dem, der es erhalten hat. Mit Rücksicht aber auf die an leitender Stelle gesetzte Auffassung der Gnade besteht ein Unterschied zwischen der Gnade Gottes und der von einem Menschen ausgehenden. Denn das Gute in der Kreatur kommt von dem Willen Gottes her; und somit fliesst aus der Liebe Gottes, welche der Kreatur wohlwill, das Gute in die letztere. Der menschliche Wille aber wird angezogen vom Guten, was bereits in den Dingen besteht; und somit wird von der Liebe des Menschen das Gute im Dinge entweder ganz oder doch ein Teil davon vorausgesetzt und nicht verursacht. Offenbar also folgt der Liebe Gottes immer etwas Gutes in der Kreatur, was zur gewissen Zeit verursacht wird und nicht mit der ewigen Liebe gleich ewig ist. Und gemäß dem Unterschiede in solchem Guten ist die Liebe Gottes zu den Kreaturen eine verschiedentliche: Die eine nämlich ist ganz allgemein, nach Sap. 11.: „Er liebt Alles was existiert;“ gemäß dieser verleiht Gott dem Geschöpfe das geschaffene Sein. Die andere ist eine ganz besondere, wonach er die vernünftige Kreatur über ihre natürlichen Kräfte und Verhältnisse hinaus zur Teilnahme am göttlichen Gute zu sich zieht; gemäß dieser Liebe liebt Gott jemanden schlechthin, denn gemäß ihr will Gott schlechthin der Kreatur das ewige Gut, das in keiner Beziehung mehr schlecht ist oder zu Schlechtem dienen kann, d. h. sich selbst. So also wird dadurch dass man sagt, der Mensch habe die Gnade Gottes, etwas Übernatürliches im Menschen bezeichnet, was von Gott kommt. Bisweilen jedoch wird „Gnade Gottes“ genannt die ewige Liebe in Gott selbst; wonach sie auch die Gnade der Vorherbestimmung heisst, insoweit Gott frei aus sich, ohne dass es vom Menschen im geringsten verdient worden wäre, einige vorausbestimmt oder auserwählt. Auch rücksichtlich der Gnade bei einem Menschen wird etwas im Menschen, der in Gnaden steht, vorausgesetzt. Bei der Gnade Gottes aber wird es von der Gnade verursacht. Immer also ist etwas Positives unter der „Gnade“ verstanden. Gott ist das Leben der Seele als wirkende, die Seele ist das Leben des Körpers als innerlich bildende Formalursache. Zwischen der bildenden Form und dem geformten Stoffe aber ist kein Zwischensein, denn die Form hat es an sich ihrem Wesen nach, den Stoff oder überhaupt das tragende Subjekt zu bilden. Der einwirkende Grund aber wirkt ein auf den Gegenstand, nicht vermittelst seiner Substanz, die in den Gegenstand etwa träte, sondern vermittelst einer Form, die er im Stoffe verursacht. Augustin sagt (1. Retr. 25.): „Wo ich gesagt habe, die Gnade sei für den Nachlaß der Sünden, der Friede für die Aussöhnung mit Gott zu erachten, ist das nicht so zu verstehen, als ob der Friede selbst und die Aussöhnung nicht im allgemeinen zur Gnade gehöre, sondern weil man wie mit einem besonderen Namen den Nachlaß der Sünden als Gnade bezeichne.“ Viele andere Gaben also gehören zur Gnade, nicht der Nachlaß der Sünden allein. Aber auch letzterer vollzieht sich nicht, ohne dass etwas in uns von Gott verursacht worden sei. (Vgl. Kap. 113) [96] Die Kreaturen im Bereiche der Natur aber leitet er nicht nur in der Weise, dass er sie hinbewegt zu ihren natürlichen Tätigkeiten, sondern auch derart, dass er ihnen in ihrem eigenen Innern gewisse Formen und Kräfte verleiht als bleibende Prinzipien für die entsprechenden Tätigkeiten, damit sie in sich selber die Hinneigung haben für solche Tätigkeiten oder Bewegungen. Denn so wird die kreatürliche Tätigkeit für die Kreaturen selber leicht und angenehm und erfüllt sich das Wort der Weisheit (8, 1.): „Er leitet Alles in sanfter, süßer Weise.“ Um so mehr also prägt Gott denen, welche er zur Erreichung des übernatürlichen ewigen Gutes hinbewegt, gewisse Eigenschaften und Kräfte ein, gemäß denen die entsprechende Tätigkeit bereitwillig und in angenehmer Weise geschieht; und danach ist das Geschenk der Gnade eine Eigenschaft. [97] "Ich antworte, es sei die Meinung mancher gewesen, Gnade und Tugend sei wesentlich dasselbe, nur verschieden nach der Auffassung, so dass „Gnade“ genannt wird, insoweit ein Zustand den Menschen gottgefällig macht; und „Tugend“ derselbe Zustand, insoweit er die Vollendung gibt, um gut zu wirken. Dieser Meinung scheint Petrus Lombardus (2. Sent. d. 26.) zu sein. Wer jedoch recht zusieht, der findet, das könne nicht so sein. Denn Aristoteles sagt (7 Physic.), „die Tugend sei eine Verfassung in dem, was vollendet ist; ich sage aber vollendet gemäß seinem natürlichen Bestände.“ Daraus geht hervor, „Tugend“ werde angenommen mit Rücksicht auf eine vorherbestehende Natur, zu der sie vollendend für die Tätigkeit und den Zweck hinzutritt. Offenbar nun wird durch die erworbenen Tugenden der Mensch in gute Verfassung gesetzt in dem, was der menschlichen Natur beim Tätigsein entspricht. Die eingegossenen Tugenden aber stellen den Menschen in das rechte Verhältnis zu einer höheren Natur und einem höheren Zwecke: nämlich sie bereiten vor zur Teilnahme an der göttlichen Natur; und diese Teilnahme an der göttlichen Natur heisst „Licht der Gnade“, nach 2. Petr. 1.: „überaus große und kostbare Verheissungen hat er euch geschenkt, dass ihr bereits Anteil habt an der göttlichen Natur.“ Und gemäß dieser Natur, der göttlichen, werden wir wiedergeboren zu Kindern Gottes. Wie also das natürliche Licht der Vernunft etwas Anderes ist wie die erworbenen Tugenden, welche mit Beziehung darauf geregelt werden; so ist das Licht der Gnade, das da ist die Teilnahme an der göttlichen Natur, etwas Anderes wie die eingegossenen Tugenden, die von diesem Lichte sich ableiten und durch die Beziehung zu selbem geregelt werden. Deshalb sagt der Apostel (Ephes. 5.): „Ihr waret einstmals Finsternis, jetzt aber seid ihr Licht im Herrn; wie Kinder des Lichtes wandelt also.“ Wie nämlich die erworbenen Tugenden den Menschen vervollkommnen, dass er wandle entsprechend dem natürlichen Lichte der Vernunft; so vollenden die eingegossenen Tugenden den Menschen, dass er wandle entsprechend dem Lichte der Gnade." [98] Die Sprachengabe und die Bewirkung der Gesundheit sind Wunderwerke; ebenso gehört die Erklärung der Schrift zur Weisheit oder Wissenschaft, nach Dan. 1.: „Diesen Knaben gab Gott Wissenschaft und Gelehrsamkeit in jedem Buche und in jeder Weisheit.“ Also wird das Alles unzulässigerweise voneinander unterschieden. Wie Weisheit und Wissenschaft musste auch Verständnis, Rat, Frömmigkeit und die anderen Gaben des heiligen Geistes aufgezählt werden. Paulus (I. c.): „Dem einen wird durch den Geist gegeben, die Rede der Weisheit, dem anderen die Rede der Wissenschaft, dem dritten gemäß dem nämlichen Geiste der Glaube, dem vierten die Gnade Krankheiten zu heilen, dem fünften die Gabe Wunder zu wirken, dem sechsten Weissagung, dem siebenten Unterscheidung der Geister, dem achten die Sprachengabe und endlich dem letzten die Schrifterklärung.“ Diese Gnaden werden zum Besten anderer jemandem gegeben. Nicht aber kann der eine Mensch dem anderen dadurch beistehen, dass er innerlich dessen Willen bestimmt, wie dies Gott und zwar er allein vermag. Also kann dies nur in der Weise geschehen, dass der eine Mensch den anderen unterrichtet in göttlichen Dingen. Dazu sind nun drei Bedingungen erforderlich: 1. dass er selbst die Fülle der Kenntnis göttlicher Dinge erlangt hat; 2. dass er beweisen kann, was er behauptet; 3. dass er, was er weiß, in zukömmlicher Weise vortragen kann. Mit Rücksicht auf 1. muss jemand a) die Gewissheit der Prinzipien jener Wissenschaft in sich besitzen, die er anderen lehren will; und mit Rücksicht darauf steht hier der Glaube, der da ist Gewissheit über die unsichtbaren Dinge, die wie Prinzipien sind in der Heilswissenschaft; b) muss er im rechten Besitze der hauptsächlichsten Schlussfolgerungen der betreffenden Wissenschaft sein; und da steht hier die Rede der Weisheit, als der Kenntnis des Göttlichen; c) muss er Überfluss haben an Beispielen und an Kenntnis der Wirkungen, wodurch manchmal die Ursachen erläutert werden und das ist die Rede der Wissenschaft. Bekräftigt aber wird 2. die vorgetragene Lehre durch Beweise. Da ist nun im rein Göttlichen das, was göttlicher Kraft allein eigen ist; und zwar a) die Wunder mit Bezug auf die vergänglichen Körper; und dafür steht die Gnade der Heilungen; b) mit Bezug auf die Elemente und Himmelskörper; dafür wird gesetzt das Wirken der Kräfte, nämlich das Wunderbare; c) wird bekräftigt der Unterricht durch die Offenbarung dessen, was nur Gott wissen kann, nämlich durch die Prophetie und d) durch die Kenntnis der Herzen oder die Unterscheidung der Geister. Das Vortragen der Wahrheit nun 3. betrifft a) die Sprache selber; und mit Rücksicht darauf steht die Sprachengabe; b) den Sinn oder die Klarmachung dessen, was vorgetragen wird; und das ist die Schrifterklärung. Nur was die Kraft der Natur übersteigt, wird als „unverdiente“ Gnade bezeichnet; wie wenn ein Fischer im Überflusse die Gabe der Weisheit besitzt. Der Glaube bedeutet hier nicht die Rechtfertigung, sondern eine hervorragende persönliche Gewissheit von dem was geglaubt wird, wonach der Mensch geeignet wird andere zu unterrichten. Hoffnung und Liebe regeln das Begehren des einzelnen Menschen, soweit dasselbe auf Gott sich richtet. Das wunderbare Heilen hat eine besondere Beziehung, um jemanden bereitwillig zu machen, dass er auf Grund der erwiesenen Wohltat die Tugend des Glaubens empfange. So auch haben die Sprachengabe und Schrifterklärung eine besondere Kraft, jemanden zum Glauben zu führen. Nicht als Gaben des heiligen Geistes, insoweit sie den menschlichen Geist geeignet machen, vom heiligen Geiste in Tätigkeit gesetzt zu werden, sind hier Weisheit und Wissenschaft genannt; sondern insoweit sie einen gewissen Überfluss an Weisheit und Wissen einschliessen, wonach der eine den anderen belehren kann. Deshalb wird bezeichnenderweise gesagt: „Rede der Weisheit,“ „Rede der Wissenschaft;“ und Augustin (14. de Trin. 1.) schreibt: „Ein Anderes ist es, selbst nur zu wissen, was zum ewigen Leben führt; ein Anderes es so zu wissen, dass es den Frommen helfe, und gegen die Gottlosen verteidigt werde.“ und nicht wie einige christliche Würdenträger im entscheidenden Moment den christlichen Glauben leugnen und versäumen, dass er "gegen die Gottlosen verteidigt werde" [99] Die Menschheit Christi ist nach (3. de orth. fide 15.) Damascenus „ein gewisses Werkzeug der Gottheit.“ Ein solches aber wirkt nicht aus eigener Kraft, sondern kraft des Haupteinwirkenden. Kraft der mit ihr verbundenen Gottheit also verursacht die Menschheit Christi die Gnade und so werden ihre Handlungen Ursachen unseres Heiles. Ob der Mensch plötzlich oder nach und nach sich zur Gnade vorbereitet, darauf kommt es nicht an; da doch es immer Gott ist, der zum Guten hinbewegt. Deshalb heisst es Ekkli. 11.: „Gott ist es leicht, im Augenblicke den Armen zu bereichern.“ Bewegt Gott den Menschen zu einem Guten hin, das aber nicht ein vollendetes Gut ist, so geht eine solche Vorbereitung der Gnade voraus. Bisweilen aber bewegt er in vollkommener Weise zum Guten hin und dann ist im Augenblicke die Gnade da, wie es Joh. 6. heisst: „Wer vom Vater hört und gelernt hat, der kommt zu mir.“ So hörte Paulus, lernte und kam zu Christo; und ward demnach im Augenblicke bekehrt." Wenn die Muslime vom Vatergott wirklich gehört und gelernt hätten, kämen sie ja auch zu Christus; daraus ist ersichtlich, dass sie nichts vom Vatergott hören und lernen, sondern nur einem Götzen hinterherlaufen, der nur einen einzigen Propheten hat, nämlich Muhammad. [100] Anselm sagt (de casu diab. 3.): „Der Teufel wollte nicht die Gnade empfangen; deshalb gab sie Gott ihm nicht.“ Wer also die Gnade will, dem wird sie gegeben. Ephes. 4.: „Einem jeden ist die Gnade gegeben nach dem Maße des Geschenkes Christi.“ Wo aber von Maß gesprochen wird, da ist keine schlechthinnige Gleichheit. Ein Zustand kann 1. einen gewissen Umfang haben mit Rücksicht auf den Zweck oder den Gegenstand, insoweit die eine Tugend höher steht wie die andere je nachdem sie auf ein grösseres Gut gerichtet ist; und danach ist die Gnade in jedem gleicherweise; denn in jedem verbindet sie mit dem höchsten Gute. 2. Von seiten des Subjekts oder Trägers der Gnade aber kann der eine mehr Anteil haben als der andere. Denn wer sich mehr vorbereitet für das Aufnehmen des Lichtes der Gnade, der nimmt mehr daran teil. Da aber die Vorbereitung zur Gnade Sache des Menschen nur ist, insoweit Gott den freien Willen in Tätigkeit setzt, so ist der erste Grund für die Verschiedenheit der Gnade im Menschen die Weisheit Gottes, der in verschiedener Weise seine Gaben verteilt, damit vermittelst verschiedener Stufenfolgen die Schönheit und Vollendung der Kirche erstehe; wie er auch gewollt hat, dass in der Schöpfung die Dinge gemäß verschiedenen Graden im Sein seine Güte verherrlichen. Deshalb fügt der Apostel bei Ephes. 4, 12. hinzu: „Zur Vollendung der Heiligen, zum Aufbau des Körpers Christi.“ [101] "Die Weisheit aber vollendet die Vernunft (sapientia perficit intellectum). Also ohne freie Willensbewegung kann die Vernunft durch die Gabe der Weisheit erleuchtet werden. So wird Manches dem Menschen im Schlafe geoffenbart, nach Job 33.: „Wenn der Schlaf die Menschen befällt und sie eingeschlummert sind auf ihrer Lagerstätte; dann öffnet er die Ohren der Menschen und unterrichtend bildet er sie durch heilsame Lehre.“ - Thomas von Aquin, q 113Die freie Willensbewegung werde erfordert zur Rechtfertigung des Sünders, insofern der vernünftige Geist von seiten Gottes in Tätigkeit gesetzt wird. Gott aber bewegt die Seele des Menschen, indem er sie zu sich selbst wendet, nach Ps. 84, 7. Die erste Zuwendung des Geistes zu Gott geschieht nun durch den Glauben, nach Hebr. 11.: „Der zu Gott herantritt, muss zuerst glauben, dass Gott ist.“ Also wird der Glaubensakt erfordert für die Rechtfertigung. Der Glaubensakt ist nicht vollendet, wenn nicht die heilige Liebe die ihn bildende Form ist. Also ist zugleich mit dem Glaubensakt in der Rechtfertigung des Sünders ein Liebesakt. Die freie Willensbewegung zielt zudem dahin, dass sich der freie Wille Gott unterwirft. Also ist zugleich auch da ein Akt der kindlichen Furcht und der Demut. Denn der eine selbe freie Willensakt kann verschiedenen Tugenden angehören, je nachdem die eine befiehlt und die anderen folgen; der gleiche Akt nämlich kann auf verschiedene, zu einander in geregeltem Verhältnisse stehende Zwecke hin gerichtet werden. Die Barmherzigkeit aber ist mit Rücksicht auf die Rechtfertigung tätig entweder in der Weise der Genugthuung; und so folgt sie der Rechtfertigung; oder als vorbereitend, inwieweit „die barmherzigen Barmherzigkeit erlangen;“ oder als begleitend die Rechtfertigung zusammen mit den übrigen Tugenden, weil sie in der Nächstenliebe eingeschlossen erscheint. Die Gabe der Weisheit setzt den Glauben voraus. (Kap. 68) Die natürliche Kenntnis aber kann dazu nichts nützen, dass man sich zu Gott als dem Gegenstande der übernatürlichen Seligkeit und als der Ursache der Rechtfertigung bekehrt. Nach Röm. 4, 5. „wird angerechnet werden jenem der an den glaubt, welcher den Sünder rechtfertigt, sein Glaube zur Gerechtigkeit gemäß dem Vorsatze der Gnade Gottes.“ Also wird ein Glaubensakt für die Rechtfertigung erfordert, der sich erstreckt auf Gott als denjenigen, welcher die Menschen rechtfertigt durch das Mysterium Christi ("per mysterium Christi"). [102] Wie in ihrem Ursprünge bestehe die ganze Rechtfertigung in dem Eingiessen der Gnade. Denn kraft deren vollzieht sich die freie Willensbewegung und wird die Schuld nachgelassen. Das Eingiessen der Gnade aber vollzieht sich im Augenblicke ohne zeitliche Auseinanderfolge. Denn der Grund davon, dass die Form nicht im Augenblicke in eine Sache eingeprägt wird, kommt daher, dass diese Sache als tragendes Subjekt nicht hinreichend vorbereitet ist und dass die einwirkende Ursache Zeit bedarf dazu, damit sie das Subjekt hinreichend vorbereite. Ist deshalb der Stoff genügend durch die vorhergehende Änderung vorbereitet, so erlangt er ohne weiteres die substantiale Wesensform; wie aus diesem Grunde, weil nämlich das Durchscheinende an und für sich vorbereitet ist für die Aufnahme des Lichts, es im Augenblicke von seiten des tatsächlich leuchtenden Körpers erleuchtet wird. Gott nun verlangt für das Eingiessen der Gnade, nach Kap. 112 keine andere Vorbereitung als die se selbst macht; und er stellt eine solche Vorbereitung manchmal im Augenblicke, manchmal nach und nach her. (Kap. 112) Denn dass eine einwirkende Ursache im Bereiche der Natur nicht im Augenblicke den Stoff vorbereiten kann, rührt daher, dass im Stoffe etwas sich findet, was der Kraft der einwirkenden Ursache widersteht; und deshalb kommt der Stoff um so schneller in die richtige Verfassung, je stärker die einwirkende Ursache ist. Da also die göttliche Kraft unendlich ist, kann sie im Augenblicke welch auch immer geschaffenen Stoff und bei weitem mehr noch den freien Willen des Menschen vorbereiten, dessen Bewegung gemäß der Natur selber im Äugenblicke, eine urplötzliche, sein kann. Die freie Willensbewegung, welche mitwirkt bei der Rechtfertigung des Sünders, ist die Zustimmung zum Abscheu vor der Sünde und zum Hinantreten zu Gott; und diese Zustimmung vollzieht sich im Augenblicke. Geht bisweilen ein Überlegen vorher, so ist dies nicht substantiell die Rechtfertigung, sondern der Weg zur selben; wie die Bewegung von Ort zu Ort der Weg ist für die Erleuchtung, und die Änderung im Dinge der Weg ist für die Erzeugung. Wir verstehen zugleich das Prädikat und Subjekt, insoweit sie verbunden sind in ein und derselben Bejahung. Da also der Abscheu vor der Sünde eins ist gewissermaßen mit der Liebe zu Gott, weil er zu dieser hinbezogen wird, so kann der freie Wille ganz wohl die Sünde verabscheuen und zugleich sich zu Gott wenden. Der Grund für die Plötzlichkeit der Rechtfertigung ist nicht von da herzuholen, dass das Subjekt in der Teilnahme daran ein Mehr oder Minder zulässt; denn so würde auch die Luft nicht im Augenblicke erleuchtet sein bei der Gegenwart eines leuchtenden Körpers, weil sie ja darin ein Mehr oder Minder zulässt. Vielmehr ist der Grund herzunehmen von der Vorbereitung im Subjekte her, wie oben gesagt. Im selben Augenblicke, wo die betreffende Form vorhanden ist, beginnt das Ding, danach tätig zu sein; wie das Feuer im Augenblicke dass es erzeugt ist, in die Höhe steigt, und wenn seine Bewegung eine augenblicklich vollendete wäre, so würde sie im Augenblicke abgeschlossen sein. Die freie Willensbewegung nun ist aber keine solche, in welcher eine Zeitfolge herrscht, sondern eine im Augenblicke abgeschlossene. Also ist die Rechtfertigung des Sünders im Augenblicke vollzogen. Hier besteht ein Unterschied zwischen dem, was der Zeit unterliegt, und dem, was über der Zeit ist. Im Ersteren gibt es keinen letzten Augenblick, wo die frühere Form oder Eigenschaft innewohnt; da besteht eine letzte Zeit und ein erster Augenblick, wo die neue, folgende Form dem Stoffe oder dem Subjekte innewohnt. Der Grund davon ist, dass in der Zeit nicht der eine Augenblick dem anderen unmittelbar folgt, wie auch nicht die Punkte in der Linie sich unmittelbar folgen (vgl. 6 Phys); vielmehr ist der Augenblick der Endpunkt, die Grenze der Zeit. Also in der ganzen Zeit, wo etwas sich hinbewegt zu einer neuen Form oder Eigenschaft, ist das betreffende Bewegliche unter der dieser neuen entgegengesetzten Form oder Eigenschaft; und im letzten Augenblicke dieser Zeit, was also der erste Augenblick der nachfolgenden Zeit ist, erhält es bereits jene neue Form oder Eigenschaft, welche die Grenze und der Abschluss der Bewegung ist. Was aber der Zeit nicht unterliegt, darin verhält sich die Sache anders. Wenn da eine Aufeinanderfolge ist in den Hinneigungen oder Auffassungen (wie bei den Engeln z. B.), so wird eine solche Aufeinanderfolge nicht durch die in sich zusammenhängende Zeit gemessen, sondern durch eine Zeit, welche aus untereinander nicht verbundenen Augenblicken besteht; wie ja auch in diesen Wesen selber kein in sich zusammenhängender Stoff ist. (I. Kap. 53) In solchen Wesen also ist ein letzter Augenblick, wo das Frühere ist; und ein erster, wo das Neue liegt. Es liegt da zwischen diesen Augenblicken keine vermittelnde Zeit; weil da überhaupt von einer zusammenhängenden Zeit nicht die Rede ist. Der menschliche Geist nun, um dessen Rechtfertigung es hier sich handelt, ist zwar an und für sich über der Zeit. Auf Grund der Verbindung mit dem Körper aber, die nicht zu seinem inneren Wesen als vernünftiger Geist gehört, sondern ausserhalb desselben ist, wenn sie auch zum Wesen des Menschen als Menschen gehört und somit das menschliche Handeln bedingt; auf Grund seiner Verbindung mit dem Körper also, wegen deren im tatsächlichen Erkennen er an die Phantasiebilder und somit an das in sich stofflich Zusammenhängende und demgemäß an die Zeit gebunden ist, unterliegt er der Zeit; und muss man somit über ihn urteilen nach Lage der Dinge im Bereiche des Körperlichen: Es giet keinen letzten Augenblick, wo die Schuld innewohnte, sondern eine letzte Zeit; es gibt aber einen ersten Augenblick, wo die Gnade innewohnt; die ganze Zeit vorher war die Schuld da. [103] "Die Weisheit und Wissenschaft zu erwerben; dazu ist der Mensch geeignet infolge eigener Mühe und eigenen Talentes. Wer also ausserhalb des Bereiches dieser natürlichen Ursache Weisheit und Wissenschaft erlangt, der erlangt sie wunderbarerweise. Die rechtfertigende Gnade aber zu er langen, ist der Mensch von Natur aus nicht geeignet infolge eigener Mühe, sondern nur kraft des Beistandes Gottes" - Thomas von Aquin, q 113 "Unser gutes Werk habe den Charakter des Verdienstes: 1. kraft des Anstoßes zur Bewegung von seiten Gottes; und danach ist es vollauf wert des ewigen Lebens; 2. insoweit es vom freien Willen ausgeht und wir also etwas gern tun; danach hat es den Charakter des zukömmlichen Verdienstes, denn es erscheint zukömmlich, dass, während der Mensch sich gut seiner Kraft bedient, Gott auch nach seiner einzig hervorragenden Kraft in überaus höherem Grade mitwirke. Daraus erhellt, wie mit gleichwertigem Verdienste, ex condigno, niemand für den anderen die erste Gnade verdienen kann, ausser Christus allein. Denn ein jeder von uns wird von Gott vermittelst der Gnade in Bewegung gesetzt, dass er selber zum ewigen Leben gelange; weiter erstreckt sich, soweit die Gleichwertigkeit in Betracht kommt, dieser Anstoß nicht. Nur die Seele Christi ist von der Gottheit durch die Gnade in Tätigkeit gesetzt worden; nicht nur auf dass sie selber zur ewigen Herrlichkeit gelange, sondern auch dafür dass sie andere dahin führe, insoweit Christus das Haupt der Kirche ist und der Urheber des menschlichen Heiles, nach Hebr. 2.: „Der da viele Söhne in die Herrlichkeit eingeführt hatte, den Urheber des Heiles.“ - Thomas von Aquin, Ib. Anmerkungen [1] I-II, q 1
Auch nach Thomas von Aquin (s.th. I), dessen Gedenktag der 28. Januar ist, fördert die Naturwissenschaft interessante Erkenntnisse zu Tage, allerdings nicht wenn es sich um haltlose Spekulationen, um "Schein- oder Wahrscheinlichkeitsgründe" im Sinne von Steven Hawking und anderen preisgekrönten Materialisten handelt, die von Urknall und der Enstehung von Geist aus dem Stoff reden, was natürlich ein "unerträglicher Irrtum" ist; ein Irrtum, der später zu blödsinnigen Wissenschaften führte wie die Biotech-Medizin mit Nano-Bots, Gentherapie und mRNA-Impfstoffen. Dazu also, dass wir tatsächlich verstehen, genügt nicht die Bewahrung der Ideen; sondern "wir müssen uns derselben für das wirkliche Erkennen bedienen, soweit es den Dingen zukommt, deren Wesensformen sie sind; und diese Wesensformen sind Naturen, die nur als einzelne und besondere wirkliches Sein haben." Daran hapert es bei vielen Naturwissenschaftlern, vor allem bei den Wissenschaftlern der Biotech-Medizin, dass sie sich nicht der Ideen bedienen, ihr Wissen dadurch mangelhaft ist und sie dadurch zu falschen Schlussfolgerungen kommen, was auch schon Goethe bemängelt hatte. Einige besonders schlaue kalifornische Wissenschaftler wollen jetzt herausgefunden haben, dass bestimmte Gene "für die Vergrößerung des Gehirns im Laufe der Evolution hin zum Menschen verantwortlich sind." Man müsse also nur die Gen-Familie mit dem Namen NOTCH2NL nehmen, diese verzögere "die Entwicklung von sogenannten Vorläuferzellen im Großhirn. Dadurch können diese sich öfter teilen, aus ihnen entwickeln sich mehr Nervenzellen und somit wächst das Gehirn." - Und fertig ist der Mensch, zumindest nach den Vorstellungen unserer heutigen Wissenschaftler. "Der Wille richtet sich nicht immer auf das wahrhaft Gute, sondern manchmal auch auf das bloß scheinbar Gute." - Thomas von Aquin, I-II, q 19 „Das Vergehen der Wissenschaft ("scientiae corruptio") ist die Folge von Vergessen und Täuschungen.“ - Aristoteles, de longit. et brevit. vitae 2 Der Zustand der wahren
Wissenschaft kann nach Aristoteles (7 Met) nimmermehr vergehen. ("habitus
scientiae nullo modo corrumpi potest"). Was die heutige Wissenschaft vor
allem der "Life Sciences", der grünen Gentechnik und Biotech Medizin
an den Universitäten und Forschungsinstituten betrifft, so wird sie
allerdings von erheblichen Täuschungen begleitet, so dass man gerade
bezüglich dieser Wissenschaft von einem "Vergehen der Wissenschaft"
oder einer corrumpierten Wissenschaft reden kann. Wer nach Thomas von Aquin
(s.th. I-II), also die wahre Wissenschaft leugnet, muss mit folgendem rechnen:
„Die Weisheit ist geringer, wenn sie des Verständnisses ermangelt;
und sehr unnütz ist das Verständnis, wenn es nicht von der Weisheit
her seinen Bestand ableitet. Wertlos ist der Rat, wo Stärke fehlt;
und zerrüttet ist im höchsten Grade die Stärke, wenn sie
nicht ihre Stütze im Rate hat. Die Wissenschaft ist nichts, wenn sie
den Nutzen der Gottergebenheit nicht in sich schliesst; und sehr unnütz
ist die Gottergebenheit, wenn sie der Unterscheidungsgabe, die vom Wissen
kommt ermangelt." Die Frage ist ja, ob man diese verdorbenen Wissenschaftler
in den Wissenschaftakademien, Gesundheitsministerien, RKI, PEI, die bezüglich
der Prinzipien irren, aus ihrem Irrtum zurückholen kann oder nicht.
"Wer nämlich im Wissenschaftlichen rücksichtlich der Prinzipien
irrt; der kann nicht überzeugt werden. Wer aber die Wahrheit der Prinzipien
festhält, der kann eben vermittelst der Prinzipien von seinem Irrtume
zurückkommen." Vgl. Kurse Nr.
501 St.Thomas von Aquin II, Sth I.,
Nr.
502 St.Thomas von Aquin III, Sth. I-II, Nr.
659 Wissenschaftslehre I, Nr.
666 Wissenschaftslehre II, Akademie der Kunst und Philosophie
St.Thomas
Aquinas / Santo Tomás de Aquino / São Tomás de Aquinas
/ S. Tommaso d'Aquino / Hl. Thomas von Aquin
Allgemeine
Infos zur Akademie der Kunst und Philosophie und den Kursen
Zur Philosophie und Kulturgeschichte von Byzanz, des Mittelalters, der Schule von Chartres, der Renaissance, des Barock, der Aufklärung, des Idealismus, der Romantik vgl. Kurse:Nr. 551 G.W.F. Hegel I, Nr. 660 G.W.F. Hegel II, Nr. 511 Johann Gottlieb Fichte I, Nr. 658 Johann Gottlieb Fichte II, Nr. 509 F.W.J. Schelling I, Nr. 510 F.W.J. Schelling II, Nr. 513 F.W.J. Schelling III, Nr. 505 Arthur Schopenhauer I-II, Nr. 663 Arthur Schopenhauer III, Nr. 531 Platon, Nr. 533 Aristoteles, Nr. 623 Johann Ludwig Wilhelm Müller, Nr. 020 Johann Wolfgang von Goethe I-II, Nr. 673 Johann Wolfgang von Goethe III, Nr. 553 Friedrich Schiller I-II, Nr. 675 Friedrich Schiller III, Nr. 554 Friedrich Hölderlin I-II, Nr. 512 Novalis I, Nr. 671 Novalis II, Nr. 677 Jean Paul, Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Nr. 630 Johann Ludwig Tieck, Nr. 631 Adelbert von Chamisso,Nr. 567 Gottfried Wilhelm Leibniz, Nr. 665 Molière, Nr. 622 Victor Hugo I, Nr. 674 Victor Hugo II, Nr. 629 Voltaire I-II, Nr. 679 Laurence Sterne, Nr. 621 Lord Byron I, Nr. 676 Lord Byron II, Nr. 628 Percy Bysshe Shelly, Nr. 561 Sir Walter Scott, Nr. 555 Angelus Silesius, Nr. 634 Hans Sachs, Nr. 619 Franz Werfel, Nr. 680 Nikos Kazantzakis, Nr. 588 Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Nr. 550 Fjodor M. Dostojewskij I-II, Nr. 506 Wladimir Sergejewitsch Solowjow, Nr. 664 Philosophie der Kunst, Nr. 661 Philosophie der Geschichte I, Nr. 686 Philosophie der Geschichte II, Nr. 687 Philosophie der Geschichte III, Nr. 687 Philosophie der Geschichte IV, Nr. 687 Philosophie der Geschichte V, Nr. 659 Wissenschaftslehre I, Nr. 666 Wissenschaftslehre II, Nr. 681 Wissenschaftslehre III, Nr. 682 Wissenschaftslehre IV, Nr. 683 Wissenschaftslehre V, Nr. 684 Wissenschaftslehre VI, Nr. 685 Wissenschaftslehre VII, Nr. 545 Sittenlehre I-II, Nr. 614 Sittenlehre III, Nr. 544 Staats- und Rechtslehre I-II, Nr. 641 Staats- und Rechtslehre III, Nr. 644 Staats- und Rechtslehre IV, Nr. 655 Staats- und Rechtslehre V, Nr. 618 St. Ephraim der Syrer, Nr. 617 St. Cyrill von Alexandrien, Nr. 616 St. Gregor von Nazianz, Nr. 613 St. Gregor von Nyssa, Nr. 612 St. Johannes Chrysostomos, Nr. 611 St. Johannes Cassianus, Nr. 627 St. Basilius der Große, Nr. 625 Theodorus Abucara, Nr. 624 Byzantinische Wissenschaft / Philosophie, Nr. 653 St. Cyprianus, Nr. 609 St. Athanasius der Große, Nr. 605 St. Irenaeus von Lyon, Nr. 604 St. Hildegard von Bingen, Nr. 600 St. Johannes von Damaskus,Nr. 599 St. Petrus Venerabilis, Nr. 581 Bernhard von Chartres, Nr. 580 Wilhelm von Conches, Nr. 578 Pierre Abaelard, Nr. 574 Johannes von Salisbury, Nr. 577 Petrus Lombardus, Nr. 576 Gilbert de la Porrée / Gilbert von Poitiers, Nr. 565 Johannes Scotus Eriugena, Nr. 575 Thierry de Chartres, Nr. 571 Alanus ab Insulis, Nr. 572 Anselm von Canterbury, Nr. 570 St. Hilarius von Poitiers, Nr. 568 Nicolaus Cusanus I, Nr. 568 Nicolaus Cusanus II, Nr. 568 Nicolaus Cusanus III, Nr. 564 St. Ambrosius, Nr. 564 St. Augustinus I, Nr. 601 St. Augustinus II, Nr. 654 St. Augustinus III, Nr. 579 St. Albertus Magnus, Nr. 500 St. Thomas von Aquin I, ScG, Nr. 501 St.Thomas von Aquin II, Sth I., Nr. 502 St.Thomas von Aquin III, Sth. I-II, Nr. 582 St.Thomas von Aquin IV, Sth II-II, Nr. 583 St.Thomas von Aquin V, Sth. III, Nr. 566 Meister Eckhart, Nr. 562 Dante Alighieri I-II, Nr. 672 Dante Alighieri III, Nr. 558 Calderón de la Barca, Nr. 648 Calderón de la Barca II, Nr. 650 Calderón de la Barca III, Nr. 651 Calderón de la Barca IV, Nr. 563 Miguel de Cervantes I, Nr. 645 Miguel de Cervantes II, Nr. 637 Lope de Vega I, Nr. 638 Lope de Vega II, Nr. 642 Lope de Vega III, Nr. 643 Lope de Vega IV, Nr. 652 Juan Ruiz de Alarcón, Nr. 632 Ginés Pérez de Hita, Nr. 633 Luis Vaz de Camões, Nr. 678 François Rabelais, Nr. 557 Ludovico Ariosto I-II, Nr. 668 Ludovico Ariosto III, Nr. 556 Torquato Tasso, Nr. 552 William Shakespeare I-II, Nr. 559 Wolfram von Eschenbach, Nr. 560 Walter von der Vogelweide, Nr. 662 Gottfried von Strassburg, Akademie der Kunst und Philosophie / Académie des sciences Nr. 320 Romanische Kunst und Architektur, Nr. 350 Byzantinische Kunst und Architektur, Nr. 325 Kunst und Architektur der Gothik, Nr. 326 Kunst und Architektur der Renaissance, Nr. 586 Tizian, Nr. 591 Paolo Veronese, Nr. 597 Correggio, Nr. 670 Annibale Carracci, Nr. 520 Rembrandt, Nr. 598 El Greco, Nr. 620 Giovanni Battista Tiepolo, Nr. 590 Giovanni Bellini, Nr. 656 Andrea Solari, Nr. 657 Bernadino Luini, Nr. 587 Andrea Mantegna, Nr. 595 Jan van Eyck, Nr. 635 Rogier van der Weyden, Nr. 640 Stefan Lochner, Nr. 646 Michael Pacher, Nr. 647 Peter Paul Rubens, Nr. 649 Giotto di Bondone, Nr. 626 Luca Signorelli, Nr. 610 Piero della Francesca, Nr. 596 Perugino, Nr. 522 Raffael (Raffaello Sanzio), Nr. 523 Sandro Botticelli, Nr. 602 Benozzo Gozzoli, Nr. 606 Fra Angelico, Nr. 607 Pinturicchio, Nr. 608 Domenico Ghirlandaio, Nr. 593 Filippo Lippi, Nr. 594 Filippino Lippi, Nr. 589 Albrecht Dürer, Nr. 603 Bernard van Orley, Nr. 615 Ambrogio da Fossano detto il Bergognone, Nr. 636 Eugène Delacroix, Nr. 639 Bartolomé Esteban Murillo, Akademie der Kunst und Philosophie
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