Akademie der Kunst und Philosophie | Academy of Arts and Philosophy Académie des sciences | Academia de Artes y Filosofía | Accademia del Arte e Filosofia |
Kurs Nr. 685 Philosophie - Wissenschaftslehre VII |
||
|
|
Aus dem Inhalt:
1. Über den Sinn des Lebens I; Nicht ohne Grund waren große Dichter und Denker begeistert von Raffael, dem Vorherverkündiger eines interkonfessionellen Christentums: Leibniz, Goethe, Hegel, Schelling, schließlich gilt die Madonna di Sisto als die Blüte der Malerei und enthüllt ein Geheimnis des Daseins; Ungeduld, Ehrgeiz, Georg Christoph Lichtenberg über unnötige Bücher; Hildegard von Bingen; die Moralität ist ein göttliches Geschenk und liegt ursprünglich in der menschlichen Natur, so wie die geistige Kraft; geistige Verirrung ist im Laufe der Zeit eingetreten und hat sich über das moralisch Gute darüberlagert; vier Tugenden schildert Plato: Weisheit, Starkmut oder Tapferkeit, Besonnenheit oder die Mäßigkeit, Gerechtigkeit
Ungeduld, Ehrgeiz; Georg Christoph Lichtenberg über unnötige Bücher: "Der persönliche Ehrgeiz verführt uns immer mehr und mehr dazu, dasjenige, was nur persönlich ist, produzieren zu können und nicht zu uns sprechen zu lassen das, was Ausdruck des Göttlichen in uns ist. Wodurch können wir wissen, dass das Göttliche in uns spricht? Ertöten müssen wir alles dasjenige, was nur aus uns kommt, und vor allen Dingen müssen wir ertöten ein jegliches ehrgeiziges Streben. Das erzeugt dann die richtige Polarität in uns, das gibt wirkliche befruchtende Keime in der Seele. - Ungeduld ist der schlimmste Lebensführer. Sie ist dasjenige, was die Welt verdirbt. - Gelingt uns das, dann werden Sie sehen, wie das auseinandergesetzt worden ist, dass der Sinn des Lebens erreicht wird auf die angezeigte Art, durch die Befruchtung des Äußeren mit dem Innern. Dann wird uns aber auch klar sein, dass, wenn unser Inneres nicht das richtige ist, wir unrichtige Befruchtungskeime in die Welt hinausstreuen. Was ist die Folge davon? Die Folge davon ist, dass Missgeburten in der Welt entstehen. Unsere gegenwärtige Kultur ist reich an solchen Missgeburten. In aller Herren Ländern wird heute zum Beispiel, mit Dampfkraft, könnte man sagen, bald wird es mit Luftballons gehen, gedichtet und geschrieben, während ein berühmter Schriftsteller des achtzehnten Jahrhunderts schon geschrieben hat: Ein einziges Land erzeugt heute fünfmal soviel Bücher, als die Erde zu ihrem Wohle nötig hat. Und heute ist es noch viel schlimmer geworden. Das sind Dinge, welche die gegenwärtige Kultur umgeben mit geistigen Wesenheiten, die nicht lebensfähig sind, die nicht entstehen sollten und nicht entstehen würden, wenn die Menschen die entsprechende Geduld hätten. Das wird auch, wie eine Art anderer Pol, in der Menschenseele entstehen: Geduld, dass die Menschenseele nicht bloß draufloswütet, was nur Ausfluss von Ehrgeiz und Egoismus ist. Das ist nicht aufzufassen als Form einer moralischen Predigt, sondern als die Wiedergabe einer Tatsache. Es ist eine Tatsache, dass durch ehrgeizige Produktionen in unserer Seele solche Befruchtungskeime entstehen, woraus Missgeburten in der geistigen Welt hervorgehen. Diese zurückzudrängen, allmählich auch umzugestalten, ist eine fruchtbare Aufgabe für eine ferne Zukunft. Das ist die Mission der Geisteswissenschaft, diese Aufgabe zu lösen, und das ist der Sinn des Lebens, dass die geisteswissenschaftliche Weltanschauung damit sich einreiht in den ganzen Sinn des Lebens, dass überall uns Sinn im Leben entgegenströmt, dass überall im Leben alles sinnvoll ist." [1] Die Moralität ist ein göttliches Geschenk und liegt ursprünglich in der menschlichen Natur, so wie die geistige Kraft; geistige Verirrung ist im Laufe der Zeit eingetreten und hat sich über das moralisch Gute darüberlagert; viele Persönlichkeiten hatten wie Hildegard von Bingen hatten damals die Vision, dass die äußere Institution der Kirche nicht eine Hülle für das wirkliche Christentum sein konnte: "Wenn wir zurückgehen in der Menschheitsentwickelung, so kommen wir durch die nachatlantische Zeit bis zur atlantischen Katastrophe, kommen dann in die atlantische Zeit hinein, kommen dann weiter hinauf bis zur lemurischen Zeit. Wenn wir dann zum Ausgangspunkt der Erdenmenschheit kommen, so kommen wir nicht nur in eine Zeit, in welcher die Menschen in bezug auf ihre geistigen Eigenschaften noch näher der Gottheit gestanden haben, sich erst herausentwickelt haben aus dem geistigen Leben, sondern auch aus der Moralität, so dass wir im Anfange der Erdenentwickelung nicht etwa Unmoralität zu verzeichnen haben, sondern Moralität. Die Moralität ist ein ursprünglich göttliches Geschenk und liegt ursprünglich in der menschlichen Natur, so wie die geistige Kraft, als der Mensch noch nicht so weit heruntergestiegen war, überhaupt in der menschlichen Natur lag. Im Grunde genommen ist ein großer Teil des Unmoralischen gerade auf die geschilderte Weise in die Menschheit hineingekommen, nämlich durch den Verrat höherer Geheimnisse in der alten atlantischen Zeit. So ist die Moral etwas, von dem man nicht so sprechen kann, als ob es in der Menschheit erst ausgebildet worden sei, sondern etwas, was auf dem Grunde der menschlichen Seele liegt, was nur durch die spätere Kultur verdeckt, hinuntergedrängt worden ist. Wenn wir die Sache im richtigen Lichte besehen, so können wir nicht einmal sagen, dass die Unmoralität in die Welt gekommen ist durch Dummheit. Sie ist vielmehr in die Welt gekommen dadurch, dass die Menschen, als sie noch unreif waren, die Geheimnisse der Weisheit verraten erhielten. Gerade dadurch sind die Menschen versucht worden, sind unterlegen und heruntergekommen. Es bedarf daher zum Hinaufgehen vor allen Dingen desjenigen - und das können Sie auch entnehmen der heutigen Darstellung -, welches alles, was sich gegen die moralischen Impulse in der menschlichen Seele vorgelagert hat, hinwegräumt. Sagen wir das in etwas anderer Form. Nehmen wir an, wir hätten einen Verbrecher vor uns, einen Menschen, den wir im eminentesten Sinne unmoralisch nennen, so dürfen wir durchaus nicht glauben, dass in diesem unmoralischen Menschen keine moralischen Impulse sind. Die sind in ihm, und wir werden sie finden, wenn wir ihm auf den Grund seiner Seele gehen. Es gibt keine Menschenseele - mit Ausnahme von Schwarzmagiern, die uns hier nichts angehen -, in welcher nicht die Grundlage des moralisch Guten wäre. Wenn ein Mensch schlecht ist, so ist er es dadurch, dass dasjenige, was als geistige Verirrung im Laufe der Zeit eingetreten ist, sich über das moralisch Gute darüberlagert. Nicht die menschliche Natur ist schlecht. Sie war ursprünglich wirklich gut, und gerade eine konkrete Betrachtung der Menschennatur zeigt uns, dass sie im tiefsten Wesen gut ist, und dass die geistigen Verirrungen es waren, die den Menschen von dem moralischen Pfade abgebracht haben. Daher müssen die moralischen Verirrungen im Laufe der Zeit bei den Menschen wieder gut gemacht werden. Die Verirrungen selber und auch ihre Wirkungen müssen wieder gut gemacht werden. Wo aber so starke Nachwirkungen des moralisch Bösen da sind, dass schon Krankheitsdämonen existieren, da müssen auch übermoralische Kräfte wirken, wie es diejenigen des Franz von Assisi gewesen sind. Aber überall ist das Bessermachen eines Menschen darin begründet, dass wir seine geistige Verirrung wegschaffen." Vier Tugenden schildert
Plato: Weisheit, Starkmut oder Tapferkeit, Besonnenheit oder die Mäßigkeit,
Gerechtigkeit: "Gehen wir ein paar Jahrhunderte zurück in die vorchristliche
Zeit. Da finden wir bei demjenigen Volke, das vorzugsweise den Namen gegeben
hat dem vierten nachatlantischen Zeiträume, also bei den Griechen,
den Philosophen Plato. Plato hat unter anderen Dingen geschrieben auch
über die Moral, über die Tugend des Menschen, und er hat so über
die Tugend geschrieben, daß wir darin erkennen können, dass
er zwar mit den höchsten Dingen, den eigentlichen Geheimnissen zurückgehalten
hat, dass er aber das, was er hat sagen dürfen, seinem Sokrates in
den Mund gelegt hat. Da schildert nun Plato, also für eine Zeit der
europäischen Entwickelung, in welcher der Christus-Impuls noch nicht
gewirkt hatte, die höchsten Tugenden, die er anerkannte, die Tugenden,
die der Grieche als diejenigen angesehen hat, die der moralische Mensch
vor allen Dingen haben soll. Nun schildert Plato zunächst vorzugsweise
drei Tugenden. Eine vierte werden wir noch kennen lernen. Drei Tugenden
schildert Plato. Die erste ist die der Weisheit. Weisheit als solche sieht
Plato als Tugend an. Wir haben sie in der verschiedensten Weise gerechtfertigt
als dem moralischen Leben zugrunde liegend. In Indien lag zugrunde dem
Menschenleben die Weisheit der Brahminen. In Europa trat sie zwar zurück,
aber sie lebte in den nordischen Mysterien, wo die europäischen Brahminen
das wieder gut zu machen hatten, was durch jenen Verrat in der alten atlantischen
Zeit schlecht gemacht worden war. Weisheit steht, wie wir morgen sehen
werden, hinter aller Moralität. Und als Tugend schildert Plato, seinen
Mysterien entsprechend, auch den Starkmut, also dasjenige, was uns überhaupt
bei der europäischen Bevölkerung entgegentritt. Als dritte der
Tugenden bezeichnet er die Besonnenheit oder die Mäßigkeit,
das heißt den Gegensatz des leidenschaftlichen Pflegens der niederen
menschlichen Triebe. Das sind die drei Haupttugenden Piatons: Weisheit,
Starkmut oder Tapferkeit, und Mäßigkeit oder Besonnenheit -
das ist die Zügelung der sinnlichen Triebe, die im Menschen wirken.
Dann schildert Plato als vierte der Tugenden den harmonischen Ausgleich
der drei genannten Tugenden, was er die Gerechtigkeit nennt. Da haben Sie
geschildert von einem der hervorragendsten europäischen Geister der
vorchristlichen Zeit dasjenige, was man dazumal als das Wichtigste ansah
der menschlichen Natur. Der Starkmut, die Tapferkeit wird durchzogen für
die europäische Bevölkerung von dem Christus-Impulse und von
dem, was wir unser Ich nennen. Der Starkmut, der bei Plato auftritt als
Tugend, wird hier durchgeistigt, und es wird die Liebe daraus. Das ist
das Wichtigste, dass wir sehen, wie die moralischen Impulse in das Menschengeschlecht
eintreten, wie das, was früher so angesehen worden ist, wie es heute
geschildert wurde, zu etwas ganz anderem wird." [2]
2. Über den Sinn des Lebens II; die menschliche Natur kann nach zwei Seiten hin Verheerungen, Übles anrichten, dadurch ist die Möglichkeit des Bösen gegeben; das Böse ist dasjenige, was entsteht, wenn der Mensch sich entweder an die Welt verliert oder wenn die Welt den Menschen verliert; goldene Regel der alten Mysterien; ein alter Mysteriengrundsatz, den Aristoteles überliefert bekommen und seiner Philosophie einverleibt hat; die moralische Bedeutung des Interesses; Stumpfsinn und Interesselosigkeit an der Welt sind im höchsten Grade moralische Übel; aus materialistischen Erkenntnissen entsteht das, was wir heute leider so blühen sehen und was in radikaler Art als der Stumpfsinn bezeichnet werden muss, der, wenn er allein gelten würde in der Welt, ungeheures Unheil anrichten müsste; die erste Tugend bei Plato ist die Weisheit, und derjenige ist unmoralisch bei Plato, der nicht Weisheit anstrebt; Unwahrhaftigkeit eine Eigenschaft unserer gegenwärtigen Kulturepoche; Gutherzigkeit ohne Weisheit und Wahrhaftigkeit, Shakespeare's «Timon von Athen»
Die moralische Bedeutung des Interesses; Stumpfsinn und Interesselosigkeit an der Welt sind im höchsten Grade moralische Übel: "Fragen wir uns zunächst einmal: Wie kann die Empfindungsseele nach der einen oder anderen Seite abirren von dem Richtigen? Die Empfindungsseele ist dasjenige, was den Menschen in die Lage versetzt, die Welt der Dinge zu empfinden, sie in sich aufzunehmen, Anteil zu nehmen an den Dingen, nicht durch die Welt zu gehen und unwissend zu bleiben bezüglich der Dinge, sondern so, dass wir ein Verhältnis zu denselben bekommen. Das alles bewirkt die Empfindungsseele. Die eine Seite, nach der der Mensch abirren kann, werden wir finden für die Empfindungsseele, wenn wir uns fragen: Was ist es denn überhaupt, was es dem Menschen möglich macht, zu den Dingen rings herum eine Beziehung zu haben? Was dem Menschen eine Beziehung zu den Dingen rings herum verschafft, ist dasjenige, was wir nennen können das Interesse an den Dingen. Mit diesem Wort Interesse ist etwas in moralischem Sinne ungeheuer Bedeutungsvolles ausgesprochen. Es ist viel wichtiger, dass man die moralische Bedeutung des Interesses ins Auge fasst, als dass man sich hingibt an tausend und abertausend schöne, wenn auch vielleicht nur scheinheilige, kleinliche Moralgrundsätze. Unsere moralischen Impulse werden in der Tat durch nichts besser geleitet, als wenn wir ein richtiges Interesse nehmen an den Dingen und Wesenheiten. Machen Sie sich das nur einmal klar. Wir haben im tieferen Sinne von der Liebe als Impuls im gestrigen Vortrage so gesprochen, dass wir nicht missverstanden werden können, wenn wir jetzt das Folgende sagen: Selbst das gewöhnliche öftere Deklamieren von Liebe und Liebe und Liebe kann nicht ersetzen den moralischen Impuls, der in dem liegt, was man mit dem Worte Interesse bezeichnen kann. Nehmen wir an, wir haben ein Kind vor uns. Was ist die Vorbedingung, dass wir uns dem Kinde widmen, was ist die Vorbedingung dazu, dass wir das Kind vorwärts bringen? Die Vorbedingung ist, dass wir Interesse an seinem Wesen nehmen. Es gehört schon eine Ungesundheit der menschlichen Seele dazu, wenn der Mensch sich zurückzieht vor etwas, woran er Interesse nehmen soll. Immer mehr und mehr wird man es erkennen, dass der Impuls des Interesses ein ganz besonders goldener Impuls in moralischem Sinne ist, je weiter man vorschreiten wird zu den wirklichen moralischen Grundlagen und nicht bloß moralische Predigten halten will. Dass wir unser Interesse erweitern, dass wir die Möglichkeit finden, uns verständnisvoll hineinzuversetzen in die Dinge und Wesen, das ruft unsere Kräfte im Innern auf, auch den Menschen gegenüber. Selbst das Mitleid wird in entsprechend richtiger Weise wachgerufen, wenn wir Interesse an einem Wesen haben. ... Nicht durch Predigen von allgemeiner Menschenliebe können wir vorwärts kommen, sondern dadurch, dass wir unsere Interessen immer weiter und weiter treiben, so dass wir es immer mehr dazu bringen, uns für Seelen mit den verschiedensten Temperamenten, mit den verschiedensten Charakteranlagen, Rasseneigentümlichkeiten, Nationaleigentümlichkeiten, mit den verschiedensten religiösen und philosophischen Bekenntnissen zu interessieren und ihnen Verständnis entgegenzubringen. Das richtige Verständnis, das richtige Interesse ruft aus der Seele heraus die richtige moralische Tat. Hier ist es auch so, daß der Mensch sich in der Mitte zwischen zwei Extremen halten muss. Das eine Extrem ist der Stumpfsinn, der an allem vorbeigeht und das ungeheure moralische Unglück in der Welt anrichtet, der nur in sich selber lebt und eigensinnig auf seinen Prinzipien besteht, der nur immer sagt: Das ist mein Standpunkt. Das Standpunkthaben ist in moralischer Beziehung überhaupt etwas Schlimmes. Ein offenes Auge haben für alles, was uns umgibt, das ist das Wesentliche für uns. Stumpfsinn hebt uns heraus aus der Welt, während das Interesse uns in dieselbe hineinversetzt. Die Welt verliert uns durch unseren Stumpfsinn und wir werden unmoralisch. So sehen wir, dass Stumpfsinn und Interesselosigkeit an der Welt im höchsten Grade moralische Übel sind." Aus materialistischen
Erkenntnissen entsteht das, was wir heute leider so blühen sehen und
was in radikaler Art als der Stumpfsinn bezeichnet werden muss, der, wenn
er allein gelten würde in der Welt, ungeheures Unheil anrichten müsste;
die erste Tugend bei Plato ist die Weisheit, und derjenige ist unmoralisch
bei Plato, der nicht Weisheit anstrebt; Unwahrhaftigkeit eine Eigenschaft
unserer gegenwärtigen Kulturepoche; Gutherzigkeit ohne Weisheit und
Wahrhaftigkeit, Shakespeare's «Timon von Athen»: "Daher sehen
wir, dass schon in der vierten nachatlantischen Kulturperiode, im griechisch-lateinischen
Zeiträume, die Philosophen Plato und Aristoteles, aber auch die öffentliche
Meinung in Griechenland, die Weisheit als etwas betrachteten, was errungen
werden muss, als etwas, was nicht mehr Göttergabe ist, sondern erstrebt
werden muss. Die erste Tugend bei Plato ist die Weisheit, und derjenige
ist unmoralisch bei Plato, der nicht Weisheit anstrebt. ... Überall,
wo es modernes Leben gibt, ist die Unwahrhaftigkeit eine Eigenschaft unserer
gegenwärtigen Kulturepoche geworden, und es ist unmöglich, dass
Sie die Wahrhaftigkeit als eine Eigenschaft unserer Epoche nennen können.
... Die Tugend, die da besonders maßgebend ist für dieses Seelenglied,
haben wir schon öfter angeführt, es ist der Starkmut, die Tapferkeit,
das Mutvolle. Sie haben zu ihren Extremen die Tollkühnheit und die
Feigheit. Das Mutvolle, der Starkmut, die Tapferkeit ist in der Mitte zwischen
Tollkühnheit und Feigheit. Das Wort der germanischen Sprache, das
im Deutschen heißt Gemüt, drückt schon im Wortanklang aus,
dass es in Beziehung dazu steht. Mit dem Worte Gemüt wird gerade der
mittlere Teil der menschlichen Seele gemeint, das, was darin das Mutvolle,
das Starke, das Kräftige ist. Das war auch die mittlere Tugend bei
Plato und Aristoteles. Das war diejenige Tugend, die in der vierten nachatlantischen
Kulturperiode noch als ein göttliches Geschenk bei den Menschen vorhanden
war, während die Weisheit eigentlich nur noch in der dritten nachatlantischen
Kulturperiode wie instinktiv da war. Instinktive Tapferkeit und Starkmut,
das können Sie aus den ersten Vorträgen entnehmen, war wie ein
Göttergeschenk vorhanden bei den Menschen, die als Angehörige
der vierten nachatlantischen Kulturperiode entgegengekommen sind der Ausbreitung
des Christentums nach Norden. Sie zeigten, dass die Tapferkeit noch ein
Göttergeschenk bei ihnen war. Während bei den Chaldäern
die Weisheit, das weisheitsvolle Eindringen in die Geheimnisse der Sternenwelt
wie ein Göttergeschenk, als etwas Inspiriertes vorhanden war, so war
bei den Menschen des vierten nach atlantischen Kulturzeitraumes Tapferkeit
und Starkmut vorhanden, namentlich bei den Griechen und Römern, und
auch bei den Völkern, denen die Ausbreitung des Christentums übergeben
war. Diese Tapferkeit ist später verloren gegangen als die Weisheit.
Wenn wir uns jetzt umsehen im fünften nachatlantischen Kulturzeitraum,
dann müssen wir sagen: Wir sind in bezug auf diese Tapferkeit und
diesen Starkmut in einer Lage, wie die Griechen mit Bezug auf die Weisheit
es waren den Chaldäern und Ägyptern gegenüber. Wir sehen
zurück auf dasjenige, was ein Göttergeschenk im unmittelbar vorhergehenden
Zeitraum war und was wir in gewisser Weise wieder anstreben können.
Aber nun haben uns ja gerade die zwei vorangegangenen Vorträge gezeigt,
dass bei diesem Anstreben in gewisser Beziehung eine Umwandlung vor sich
gehen muss. Von dem, was als Starkmut und Tapferkeit als ein Göttergeschenk
einen äußerlichen Charakter hat, haben wir die Umwandlung gesehen
bei Franz von Assisi. Wir haben die Umwandlung gesehen als Folge einer
inneren moralischen Kraft, die wir gestern als die Kraft des Christus-
Impulses erkannt haben. Die Umwandlung von Starkmut und Tapferkeit ergibt
dann dasjenige, was echte Liebe ist. Diese echte Liebe muss aber geleitet
werden von der anderen Tugend, von dem Interesse, von der Teilnahme an
demjenigen Wesen, auf das wir die Liebe anwenden. Shakespeare hat in seinem
«Timon von Athen» gezeigt, wie auch Liebe oder Gutherzigkeit,
wenn sie leidenschaftlich auftritt, wenn sie bloß als Eigenschaft
der menschlichen Natur erscheint, ohne von Weisheit und Wahrhaftigkeit
geleitet zu werden, Schaden anrichtet. Wir finden da eine Persönlichkeit
geschildert, die nach allen Seiten Güter verschwendet. Freigebigkeit
ist eine Tugend; aber Shakespeare zeigt uns auch, dass lauter Parasiten
geschaffen werden durch das, was da verschwendet wird." [4]
3. Über den Sinn des Lebens III; Heraklit, der griechische Philosoph, Sokrates und Plato als Christen, Augustinus; ein gewaltiges Geheimnis; Wahrheiten als solche enthalten Lebenskraft; Die Zeit der Religionsstiftungen, die Zeit der Propheten ist vorbei, die Menschheit ist reif geworden; Plato über die MysterienHeraklit, der griechische Philosoph, Sokrates und Plato als Christen, Augustinus: "Es gibt einen christlichen Kirchenvater, der ziemlich allgemein anerkannt ist, und der nicht davor zurückscheute, Heraklit, den griechischen Philosophen, Sokrates und Plato Christen zu nennen, Christen, die es waren, bevor das Christentum begründet worden ist. Warum tut das dieser Kirchenvater? Ja, dasjenige, was sich heute Konfession nennt, verdunkelt so manches auch von dem, was ursprünglich leuchtende christliche Lehren waren. Hat doch Augustinus selbst gesagt: «In allen Religionen war etwas Wahres, und dasjenige, was in allen Religionen wahr war, das war das Christliche in ihnen, bevor es ein Christentum dem Namen nach gab.» Augustinus durfte das noch sagen. Heute würde mancher verketzert, der innerhalb einer christlichen Konfession das gleiche sagen würde. Wir kommen am schnellsten zum Verständnis dessen, was dieser Kirchenvater damit sagen wollte, dass er auch die alten griechischen Philosophen Christen nannte, wenn wir einmal versuchen uns hineinzuversetzen in das Gemüt derjenigen Seelen, die in den ersten Jahrhunderten verständnisvoll ihr persönliches Verhältnis zu dem Christus zu bestimmen suchten. Diese dachten den Christus nicht so, als ob er vor dem Mysterium von Golgatha ohne Verbindung mit der Erdenentwickelung gewesen wäre. Der Christus hatte immer mit der Erdenentwickelung etwas zu tun. Durch das Mysterium von Golgatha ist nur seine Aufgabe, seine Mission in bezug auf die Erdenentwickelung eine andere geworden, als sie früher war. Den Christus in der Erdenentwickelung zu suchen erst seit dem Mysterium von Golgatha, das ist nicht christlich! Wahre Christen wissen, dass der Christus immer mit der Erdenentwickelung zu tun hatte."Ein gewaltiges Geheimnis: ."Der, der den Moses führte, der dem Moses im brennenden Dornbusch erschien, der das Volk durch die Wüste führte, der Wasser aus dem Felsen herausfließen ließ, das war der Herr, Christus! Aber die Zeit war noch nicht gekommen, Moses erkannte ihn selbst nicht, Moses hielt ihn noch für einen anderen. Das bedeutet es: dass Moses nicht geglaubt habe an den, der ihm befohlen hat, mit dem Stabe an den Felsen zu schlagen. Wie erschien der Herr - Christus - dem Judenvolk? Nun, wir hören es ja, «bei Tage in einer Wolkensäule, bei Nacht in einer Feuersäule», dadurch dass er zu ihrem Heile das Wasser trennte; und vieles tat er noch, wir brauchen es nur nachzulesen im Alten Testament. Wir möchten sagen: In Wolken- und Feuererscheinungen, in der Luft, in den elementaren Ereignissen der Natur, da war er wirksam, aber niemals war den alten Juden aufgegangen: Dasjenige, was in der Wolkensäule, in der Feuersäule erschien, was Wunder wirkte wie etwa durch die Teilung des Meeres, das erscheint in seiner ureigensten Form auch in der Menschenseele. Warum war das den alten Juden niemals aufgegangen? Weil die Menschenseele die Kraft verloren hatte, ihr tiefstes Wesen in sich zu erfühlen, ihre Kraft verloren hatte durch den Hergang, den die Entwickelung der Menschheit genommen hatte. So konnte die Judenseele in die Natur schauen, sie konnte die Herrlichkeit der Elementarereignisse auf sich wirken lassen. Da überall konnte sie ihren Gott und Herrn vermuten; in sich selbst, so wie sie war, unmittelbar, konnte sie ihn nicht finden. ... Der Christus war auch da für die Heiden, aber er war für sie nur da in den Mysterien; er enthüllte sich ihnen nur, wenn die Seele außerhalb des Leibes war. Und wenn auch die Heiden ebensowenig wie die Juden, bei denen auch der Christus war, die Wesenheit, von der jetzt eben gesprochen worden ist, die Wesenheit, vor welche die Mysterienschüler hingestellt worden sind, als den Christus erkannt haben, der Christus war für die Heiden da! Man könnte sagen: Für die Heiden waren Mysterien eingerichtet. In die Mysterien wurden diejenigen aufgenommen, die bereit und reif waren. Durch diese Mysterien wirkte der Christus auf die heidnische Welt. Warum wirkte er so? Er wirkte so, weil ja die Seele der Menschen in ihrer Entwickelung seit dem Erdenanbeginn in sich die eigene Kraft verloren hatte, durch sich ihre wahre Wesenheit zu finden. Es musste diese wahre Wesenheit sich der Menschenseele enthüllen, wenn sie nicht in den Banden der Menschheit, das heißt, wenn sie nicht mit dem Leibe verbunden war. Da musste der Christus die Menschen dadurch führen, dass der Mensch gleichsam seiner Menschlichkeit entkleidet wurde als Eingeweihter in den Mysterien. Der Christus war auch für die Heiden da. Er führte sie in den Einrichtungen der Mysterien. Aber niemals war es so, dass der Mensch hätte sagen können: Wenn ich meine eigenen Kräfte entfalte, dann finde ich der Erde Sinn. Dieser Sinn war verloren, war verfinstert. Die Kräfte der Menschenseele waren in zu tiefe Regionen hinuntergedrängt worden, als dass die Seele durch ihre eigenen Kräfte sich den Sinn der Erde hätte geben können. Wenn wir auf uns wirken lassen, was in den heidnischen Mysterien den Einzuweihenden, den Mysterienschülern gegeben wurde, dann ist es Weisheit. Den Juden wurde der Wille gegeben durch die Gesetze, den heidnischen Mysterienschülern wurde die Weisheit gegeben." Wahrheiten als solche enthalten Lebenskraft: "Wahrheiten in sich aufnehmen, bedeutet nämlich nicht nur etwas für die Erkenntnis, sondern Wahrheiten als solche enthalten Lebenskraft. Und indem wir uns mit der Wahrheit durchdringen, durchdringen wir uns in unserem Seelischen mit einem Elemente der Welt, wie wir uns durchdringen müssen in unserem Leiblichen fortwährend mit der von außen aufgenommenen Luft, damit wir leben können. Das ist der Grund, warum in den religiösen Urkunden tiefe Wahrheiten ausgesprochen werden, aber in solcher Form, dass die Menschen sie oftmals ihrer eigentlich inneren Bedeutung nach erst viel, viel später erkennen können, als sie geoffenbart werden. Sehen Sie, das Neue Testament ist geschrieben worden, das Neue Testament liegt als eine Urkunde für die Menschheit, man möchte sagen, ausgebreitet da; aber die ganze Erdenentwickelung, die noch kommen soll, wird notwendig sein, um dieses Neue Testament vollständig zu verstehen. Man wird in der Zukunft noch über die äußere Welt vieles erfahren, man wird vieles erfahren auch über die geistige Welt, und alles wird dazu beitragen können, wenn man es im richtigen Lichte sehen wird, das Neue Testament zu verstehen. Das Verständnis kommt nach und nach, aber das Neue Testament ist geschrieben in einer einfachen Form, so dass es aufgenommen werden kann und später nach und nach verstanden werden kann. Denn es ist nicht bedeutungslos, wenn wir uns durchdringen mit der Wahrheit, die eben im Neuen Testament liegt, auch wenn wir diese Wahrheit noch nicht in ihrem tiefsten Innern verstehen. Später wird die Wahrheit Erkenntniskraft, vorher ist sie aber schon Lebenskraft, indem sie aufgenommen wird, man möchte sagen, in einer mehr oder weniger kindlichen Form." Die Zeit der Religionsstiftungen,
die Zeit der Propheten ist vorbei, die Menschheit ist reif geworden; Plato
über die Mysterien: "Ein Wort, das uns hart erscheinen kann, ist uns
überliefert von Plato: Die Menschenseelen leben wie im Schlamm, leben
wie im Sumpfe, solange sie nicht in die heiligen Mysterien eingeweiht sind.
Er sagte das, weil er überzeugt war, dass die Menschenseele eigentlich
ihrem Wesen nach geistig-seelisch ist, dass aber nur derjenige, der herausnimmt
seine Seele aus dem physischen Leibe, durch die Mysterien ansichtig wird
der geistigen Welt. Als jemand, der seinem wahren Wesen entzogen ist, erscheint
dem Plato der Mensch, der nicht in die Mysterien eingedrungen ist. Und
das ist das Wesentliche: Der einzige Weg, aus dem Physisch-Sinnlichen in
das Geistige hereinzugelangen, war in alten Zeiten der Weg durch die Mysterien."
[5]
4. Der Mensch im Lichte der höheren Philosophie; Mystik; Mystiker mit Herz- und Gehirnerlebnissen wie Jamblichos und Plotinos, Scotus Erigena und Meister Eckhart, Mystiker mit Herzenserlebnissen wie Franz von Assisi; Mystiker mit Gehirnerlebnissen wie Hegel; Mystiker wie die heilige Theresia, die heilige Hildegard von Bingen, Mechthild von Magdeburg; ArchimedesMystik; Mystiker mit Herz- und Gehirnerlebnissen wie Jamblichos und Plotinos, Scotus Erigena und Meister Eckhart: "Ein Mystiker kann also Gehirnerlebnisse und Herzenserlebnisse haben. Das Bewußtsein aber wird von ihm ausgelöscht. Dann erscheint uns der Mystiker so, dass wir sagen können, er geht in der Ekstase aus sich heraus; aber die Gedanken und Empfindungen sind solche, dass wir erkennen, er hat noch nicht ausgeschaltet das, was durch das Instrument des Gehirns und des Herzens gedacht und empfunden wird. Solche Mystiker, welche Herz- und Gehirnerlebnisse haben, finden wir eigentlich so recht nur, wenn wir ziemlich weit in der Geschichte zurückgehen, und zwar finden wir sie dann bei solchen Mystikern, welche, nachdem das Christentum begründet war, mit Hilfe der griechisch- platonischen Philosophie versuchten, zu dem göttlichen Selbst mystisch aufzusteigen. Das sind zum Beispiel die Neuplatoniker Jamblichos und Plotinos. Dazu gehört auch der Mystiker Scotus Erigena. Und man könnte, wenn man die Schattierung nicht streng einhält, sondern einen Mystiker dazunimmt, bei dem die Gehirnerlebnisse überwiegen und die Herzenserlebnisse geringer sind, in die Reihe dieser Mystiker auch den Meister Eckhart rechnen. Das wäre sozusagen die Klasse A, die Mystiker mit Herz- und Gehirnerlebnissen."Mystiker mit Herzenserlebnissen wie Franz von Assisi: "Es ist das der Mystiker, den Sie alle kennen: Franz von Assisi. In ihm haben wir ein ganz besonderes Beispiel eines Mystikers, der wirklich sich so verhalten hat, dass er alle Theologie als äußeres Wissen und auch alles Wissen von übersinnlichen Dingen für die Inkarnation, in der damals Franz von Assisi gelebt hat, ablehnte. Das, was bei ihm daher so groß und gewaltig herauskommt, ist das Zusammenfließen mit dem Geiste der Natur. Nur ist es nicht so wie ein pantheistisches Geistiges, das immer etwas von einem feineren Gefühl, von Affektation hat; nicht so, dass er von einem allgemeinen Geiste in der Natur schwärmt und singt, sondern von den konkreten Empfindungen kindlicher, brüderlicher, schwesterlicher Art, die seine Seele durchziehen, wenn er den Wesenheiten der Natur gegenübersteht." Mystiker mit Gehirnerlebnissen wie Hegel: "Aber nun denken Sie sich, wenn es einen Mystiker geben könnte, der nun gar ausschlösse alles persönliche Bewußtsein und außerdem die Herzenserlebnisse. Der würde den Menschen etwas geben, was nur reine Gedanken sind, Gedanken, Vorstellungen, die sich nur des Instrumentes des Gehirns bedienen. Der Mensch wird in der Regel nicht in der Lage sein, in einem solchen Zustande zu leben. Ein Franz von Assisi kann man in ausgiebigem Maße sein, weil dasjenige, was als Herzenserlebnisse erlebt wird, wirklich anwendbar ist in allgemeinmenschlicher Weise. Jemand, der nun zu seinem Bewußtsein, zu seinem persönlichen Ich-Bewußtsein auch noch die Herzenserlebnisse unterdrückt und bloß in Gedanken lebt, nur das in Gedanken ausprägt, was an das menschliche Gehirn gebunden ist, der wird erst notwendig haben, in bestimmten, man möchte sagen, feierlichen Augenblicken seines Lebens sich dieser Beschäftigung hinzugeben. Denn das Leben ruft immer wieder zum Persönlichen auf der Erde zurück; und jemand, der nur in Gedanken leben würde, der sich nur des Gehirns bedienen würde, könnte gar keine Erdenbeschäftigung verrichten. Daher kann es nur für kurze Zeit sein, nur für die Augenblicke, wo man sich ausschließlich des Gehirns bedienen kann. Aber für die anderen Menschen wird es schon mit einem solchen Menschen so sein, dass sie sich nicht einmal einen Augenblick mit ihm beschäftigen, sondern überhaupt von ihm weglaufen. Das, was die Menschen am meisten interessiert, sind die persönlichen Erlebnisse. Die unterdrückt er aber. Das Überwältigende der Herzenserlebnisse gibt er auch auf. Und so laufen denn die Menschen in Scharen davon, das heißt, sie haben überhaupt keine Lust, an ihn heranzutreten. Ein solcher Mystiker ist der Philosoph Hegel, von dem ich auch schon zu Ihnen gesprochen habe. Das, was er gibt, soll ganz absichtlich allen persönlichen, bewußten Standpunkt und auch alle Herzenserlebnisse ausschließen. Es soll bloße Gedankenkontemplation sein, so dass wir als Beispiel eines Mystikers mit bloßen Hirnerlebnissen im eminentesten Sinne Hegel zu nennen haben. Ein solcher Mensch führt uns sozusagen in die reinsten Ätherhöhen des Gedankens hinauf. Denn wahrend der Mensch im gewöhnlichen Leben nur Gedanken hat, die im persönlichen Interesse, im Selbstbewußtsein wurzeln und von ihnen durchzogen und durchdrungen sind, muss gerade das bei einem solchen philosophischen Mystiker ausgeschlossen werden. Und auch dasjenige, was das Geistige begehrenswert macht dadurch, dass es hineinspielt in Herzenserlebnisse, schließt solch ein Mystiker aus. Er widmet sich in majestätischer Resignation dem Ablauf der bloßen Hirnerlebnisse. Er hat daher von alledem, was das menschliche Herz erleben kann, nur die Gedanken. Das ist es, was die meisten an Hegel so besonders ärgert, daß er nichts hat, was an die Herzenserlebnisse erinnert, sondern alle Dinge nur in Gedankenbildern bringt. Kalt und öde fühlen sich die meisten Menschen, wenn sie das, was sie im Herzen lieben, bei Hegel bis zur Kälte des Gedankens auskristallisiert finden. Und das, worin die Persönlichkeit wurzelt, wodurch der Mensch im Erdenleben feststeht, das Selbstbewußtsein, das Ich-Bewußtsein, Hegel hat es überhaupt nur als Gedanke. Hegel widmet selbstverständlich dem Ich auch seine Aufmerksamkeit, weil es der Gedanke eines besonders wichtigen Erlebens ist, des Ich-Erlebens. Das tut er. Aber es bleibt ein Gedankenbild, und Hegel ist nicht durchdrungen von der Lebendigkeit und Unmittelbarkeit der menschlichen Persönlichkeit, die im Selbstbewußtsein wurzeln." [6] Mystiker wie die heilige Theresia, die heilige Hildegard von Bingen, Mechthild von Magdeburg: "Sodann haben wir noch eine andere Möglichkeit eines Mystikers. Das wäre der Mystiker, der nun ausschließen würde alle drei Dinge: das Erdenbewußtsein, die Herzenserlebnisse und die Gehirnerlebnisse ... Die Frau, die in der geschilderten regulären Weise Mystik erlebt hat, so dass sie nacheinander ausgelöscht und ausgerottet hat aus sich die an die Instrumente des Gehirns und des Herzens gebundenen Seelenerlebnisse und dann die Verbindung mit dem göttlichen Geiste wie eine Vermählung, wie eine Umfassung empfunden hat, ist die heilige Theresia. ... Dadurch erhalten wir eigentlich wiederum drei Gestalten von Mystikern.Wir erhalten diejenigen Mystiker, die zwar alles überwinden wollen, was in ihnen als Seelenerlebnisse lebt, aber bei denen hauptsächlich solche Erlebnisse zurückbleiben, die an das Gehirn gebunden sind. Solche Mystiker sind in der Regel, man möchte sagen - wenn man das Wort nicht trivial versteht - Naturen, die man ansprechen wird im höchsten Sinne des Wortes als praktische, weise Menschen; als Menschen, die sich gut auskennen im Leben, weil sie sich ihres Gehirns bedienen, und die, weil sie bis zu einem hohen Grade das Persönliche unterdrückt haben, auch dadurch in ihrer unpersönlichen Natur sympathisch anmuten. Solche Mystiker gibt es dann, wenn die betreffenden Menschen zwar getrachtet haben, alles zu überwinden, wenn es ihnen aber nur wenig gelungen ist, die Herzenserlebnisse zu überwinden. Merken Sie wohl den Unterschied zwischen solchen Mystikern und Mystikern, wie Franz von Assisi einer war, der nicht danach strebte, die Herzenserlebnisse zu überwinden, sondern sie in vollem Umfange behalten hat, daher er sie auch mit voller Gesundheit erhalten hat. Das ist das Majestätisch- Großartige bei Franz von Assisi, dass sich sein Herz ausgebreitet hat über sein ganzes seelisches Wesen. Ich meine also nicht Mystiker von solcher Art, die nicht danach streben, die Herzenserlebnisse zu überwinden. Ich rede vielmehr von solchen, die tatsächlich danach streben, die Herzenserlebnisse zu überwinden, die mit aller Gewalt danach ringen, sie zu unterdrücken, denen es aber nicht gelingt. Bei diesen findet man dann nicht das Außerordentliche der Vermählung mit dem Übersinnlich-Geistigen, das uns bei der heiligen Theresia entgegentrat. Wir finden bei diesen Mystikern, die gestrebt haben, über alles Persönlich-Menschlich-Irdische hinauszukommen und sich doch in hervorragendem Maße erhalten haben die Erlebnisse, die an das Herz gebunden sind, dass sich in ihr Streben etwas hineinmischt, was menschlich recht sehr begrenzt ist. Es wird dann wirklich so sein, dass dieses Vermählen, dieses Umfangenwerden von einem Göttlich- Geistigen sehr ähnlich ist den Liebesempfindungen, Liebesinstinkten der menschlichen Natur im gewöhnlichen Leben. Solche Mystiker, die sozusagen ihren Gott oder ihre göttliche Welt lieben, wie man irgend etwas Menschliches liebt, finden Sie genug, wenn Sie die Heiligengeschichte, die Geschichte der Mönche und Nonnen einmal durchblättern. Da werden Sie sehen, wie viele von diesen heiligen Mystikern in einer ganz menschlichen Inbrunst, man möchte sagen, mit menschlicher Liebe verliebt sind in die Madonna, die ihnen geradezu ein Ersatz für ein menschliches Weib wird. Oder wie Nonnen in ihren Christus-Bräutigam verliebt sind mit all den Gefühlen irdisch-menschlicher Liebe. Das ist ein Kapitel, das psychologisch sehr interessant ist, wenn es auch nicht immer sympathisch berührt; das ist ein Kapitel der kirchlich-religiösen Mystiker, die das vorhin Geschilderte anstreben, es aber nicht erreichen können, weil die menschliche Natur sie zurückhält. Dann kommen wir zu einer Art von Mystikern, die ähnlich sind wie die heilige Hildegard, die recht schöne Anlagen haben, aber daneben auch etwas von gewöhnlichem irdischem Trieb, was sich dann in ihr mystisches Erleben, in ihre mystischen Empfindungen hineinmischt. Sie kommen schon in ein Erleben, das dem erotischen Erleben sehr ähnlich ist, in die mystische Erotik hinein, die Sie aus der Geschichte der Mystiker ersehen können, wenn diese in ihren Herzensergießungen von ihrer Seelenbraut, von ihrer brünstigen Liebe zu dem Bräutigam Jesus oder dergleichen sprechen. Am leichtesten erträglich werden solche mystischen Persönlichkeiten noch dann, wenn sie sich einen guten Rest von gewöhnlichem menschlichem Bewußtsein dazu bewahrt haben, wenn sie sozusagen mit ihrem Menschlich-Persönlichen immer etwas über ihrem mystischen Erleben darüberstehen können, wenn etwas Humor und Ironie in ihr Bewußtsein hineinkommt, wenn sie sich betrachten und sehen, dass sie nicht überwunden haben, sondern daß noch etwas Menschliches in ihnen ist. Da bekommt die Sache einen persönlichen Anstrich und wird nicht so unsympathisch, weil sie einen bestimmten Zug nicht hat bei der angestrebten, aber nicht erreichten Überwindung aller Herzenserlebnisse. Das Unsympathische ist nämlich gerade, dass der Mensch strebt, etwas zu erreichen, es aber nicht erreichen kann und zurückgehalten wird gerade durch das, was er selbst am meisten überwinden möchte. Dadurch erhält das ganze dann einen gewissen unsympathischen Zug, den man wie eine Scheinheiligkeit, wie eine Heuchelei empfindet, weil wie auf einem Umweg durch Askese die Nichtüberwindung dessen ersetzt werden soll, was sich in den gewöhnlichen menschlichen Trieben auslebt. Dagegen, wenn dieser Zug von Ironie und Humor dabei ist, wo der Betreffende dann auch wieder Momente hat, in denen er sich seines gewöhnlichen menschlichen Bewußtseins bedient und sich selber anschaut, wenn er seine mystischen Momente abwechseln lässt mit solchen, wo er sich von dem gewöhnlichen menschlichen Standpunkte aus die Wahrheit sagt, dann gewinnt das Ganze doch an Sympathie, wie es der Fall ist, wenn wir eine mystische Persönlichkeit verfolgen wie Mechthild von Magdeburg." [7] Archimedes: Eines
kann jeder Mensch von diesem Ich wissen, eines, das gewissermaßen
dienen kann als Stützpunkt, so wie ihn einstmals Archimedes für
seinen Hebel verlangt hat, um die Erde aus den Angeln zu heben. Eines kann
dazu dienen, wenn wir gerade auf dieses Ich hin die Besinnung unserer Seele
richten. Aus den vielerlei Fragen und Welträtseln, die da entstehen
können, wenn Menschen sie bloß auf die Außenwelt richten,
kann nämlich eine besondere Frage sich herauslösen; und das wird
im Grunde genommen immer die Frage sein, bei der der Aspirant einer höheren
Philosophie einsetzen muss, wenn er das Bewußtsein überspringen
will. Er muss sich fragen: Siehst du da gar nichts im weiten Umkreise deines
irdischen Erlebens, was dir so erscheint, dass du sagen kannst, das Innerste
deines Wesens drückt sich in ihm aus? Findest du nirgends etwas, was
dein Ich zum Ausdruck bringt? Schon in der äußeren Gestalt des
Menschen kann das Verborgene der geistigen Welt aufgesucht werden, das
Mysterium Magnum. [8]
5. Die Welt der Sinne und die Welt des Geistes; der Sinn des Universums; Grundfrage aller Philosophie, Wie das Denken zum Wahrhaftigen kommt: Staunen, Verehrung, weisheitsvoller Einklang mit den Welterscheinungen, Ergebung in den Weltenlauf; Alles in der Sinneswelt ist waltender Wille, Schopenhauer hat in der Tonwelt diesen waltenden Willen geahntGrundfrage aller Philosophie; Empfindung, dass dies alles, alles, was uns so herrlich um uns herum im Umkreise des Universums erscheint, erst einen Sinn erhält, wenn es sich spiegelt in einem bewundernden Menschen, in einer Menschenseele: "Sehen Sie, der Mensch kann die Welt eigentlich von zwei Seiten aus anschauen. Die eine Anschauung der Welt, die ergibt sich, wenn der Mensch, sagen wir, einen wunderschönen Sonnenaufgang betrachtet, wo die Sonne aus dem Gold der Morgenröte heraus wie sich selbst gebärend erscheint, dann glanzvoll über die Erde hinzieht, und der Mensch sich dann versenkt in den Gedanken, wie der Sonnenstrahl, wie die Sonnenwärme hervorzaubert aus dem Erdengrund das Leben im alljährlich wiederkehrenden Zyklus. Oder aber es kann sich der Mensch auch der Betrachtung hingeben, wenn die Sonne hinuntergegangen und die Abendröte verglommen ist, wenn nach und nach Finsternis der Nacht eingetreten ist und zahllose Sterne aufglänzen am Himmelsgewölbe; es kann der Mensch sich versenken in die Wunder des nächtlichen Sternenhimmels. Es wird der Mensch, wenn er also betrachtet dasjenige, was Natur ist um ihn herum, zu einer Vorstellung kommen, die, man möchte sagen, ihn mit tiefster Beseligung erfüllen muss. Denn ähnlich einem Goetheschen Grundgedanken kann diese Vorstellung sein. Goethe hat einmal so wunderbar schön gesagt: Ach, wenn wir den Blick hinaufrichten in die Wunder der Sternenwelt und den Gang des Universums mit all seinen Herrlichkeiten betrachten, dann haben wir zuletzt doch die Empfindung, dass dies alles, alles, was uns so herrlich um uns herum im Umkreise des Universums erscheint, erst einen Sinn erhält, wenn es sich spiegelt in einem bewundernden Menschen, in einer Menschenseele. - Ja, der Mensch erhält nämlich den Gedanken, dass so, wie die Luft um ihn herum sein Wesen bildet, in ihn hereindringt, dass er sie atmen kann, daß sie durch den Prozess, den sie in ihm durchmacht, seine eigene Wesenheit aufbaut, daß geradeso, wie er ein Ergebnis dieser Luft und ihrer Gesetze und ihrer Zusammensetzung ist, er in einer gewissen Weise ein Ergebnis ist auch der übrigen weiten Welt, die ihn umgibt mit alledem, was in unsere Sinne hereinfließt, nicht nur in den Sinn des Gesichtes, sondern auch in den Sinn, der aufnimmt die Klangeswelt und die anderen Welten, die durch unsere Sinne einströmen. Dass der Mensch dasteht gegenüber dieser äußeren Sinneswelt wie das zusammengeflossene Ergebnis dieser Sinneswelt, so dasteht, dass er sich sagen kann: Wenn ich alles das, was da draußen ist, mir näher ansehe, mir überdenke, wenn ich es wahrnehme mit all meinen Sinnen, dann sehe ich den Sinn von alledem, was ich da überschaue, am besten dadurch erfüllt, dass zuletzt aus alledem sich herauskristallisiert hat das Wundergebilde des Menschen selber. Und wahr ist es, dass den Menschen dann das Gefühl überkommen kann, das, man möchte sagen, so urelementar der griechische Dichter ausgesprochen hat mit den Worten: «Vieles Gewaltige lebt, doch nichts ist gewaltiger als der Mensch!» Wie einseitig erscheinen einem alle Offenbarungen draußen in der Welt! Im Menschen aber scheinen diese Offenbarungen zur Allseitigkeit zusammengeflossen zu sein, wenn wir die Sinneswelt draußen betrachten und dann den Menschen selbst inmitten dieser als ein Sinneswesen, auf das alles übrige einfließt. Denn je genauer man die Welt betrachtet, desto mehr erscheint der Mensch als der Zusammenfluss aller Einseitigkeiten des übrigen Universums. Wenn man dieses Gefühl in sich entwickelt gegenüber der großen Welt und ihrem Zusammenströmen im Menschen, da erscheint dann ein von einer tief beseligenden Empfindung durchdrungener Gedanke in unserer Seele, der Gedanke von dem gottgewollten Menschen, von dem Menschen, der so erscheint, wie wenn Göttertaten und Götterabsichten ein ganzes Universum auferbaut hätten, aus dem sie die Wirkungen überall ausströmen ließen, so dass zuletzt diese Wirkungen zusammenströmen konnten in dem würdigsten Werke, das Götter von allen Seiten in den Mittelpunkt des Universums hinstellten: in dem Menschen. Göttergewolltes Werk! Das sagte auch einer, der gerade in dieser Beziehung die Sinneswelt draußen im Verhältnis zum Menschen beobachtete: Was sind alle Instrumente des Musikers gegen den Wunderbau des menschlichen Gehörorgans, dieses musikalischen Instrumentes, oder aber gegen den Wunderbau des menschlichen Kehlkopfes, dieses anderen musikalischen Instrumentes! Man kann vieles bewundern in der Welt; den Menschen nicht bewundern, so wie er mitten in der Welt drinnensteht, das ist nur möglich, wenn man ihn nicht kennt in seinem Wunderbau. Der Gedanke tritt dann in unsere Seele, wenn man sich solchen Betrachtungen hingibt: Was haben doch göttlich-geistige Wesenheiten alles getan, um diesen Menschen zustande zu bringen!... Was stellt sich hinein zwischen den gottgewollten Menschen und den gottentfremdeten Menschen? Das ist eigentlich die Grundfrage aller Philosophie. Wenn man auch diese Frage in der mannigfaltigsten Weise anders formuliert und charakterisiert hat, so liegt doch diese Frage allem menschlichen Denken und allem menschlichen Sinnen zugrunde. Wie kann der Mensch überhaupt eine Vorstellung davon gewinnen, dass eine Brücke geschlagen werden kann zwischen der zweifellos beseligenden Anschauung des Äußeren und der zweifellos uns in tiefen Zwiespalt bringenden Anschauung unserer Seele?"Vor dem Universum staunend zu stehen, Gefühl der Verehrung der Weltengründe: "Schon im alten Griechenland wurde ausgesprochen, wovon zunächst das gesunde menschliche Nachsinnen auszugehen hat, wenn es Aussicht haben will, einmal zur Wirklichkeit zu kommen. Und jener Ausspruch, der im alten Griechenland schon getan worden ist, gilt ganz gewiß noch immer. Man hat nämlich schon im alten Griechenland gesagt: Alles menschliche Nachforschen muss ausgehen von dem Staunen. Fassen wir das aber in positivem Sinne auf, meine lieben Freunde! Fassen wir es in dem positiven Sinne auf, dass tatsächlich in der Seele, die zur Wahrheit dringen will, dieser Zustand einmal vorhanden sein muss, vor dem Universum staunend zu stehen. Wer nämlich die ganze Kraft dieses griechischen Ausspruches zu fassen vermag, der kommt dazu, sich zu sagen: Wenn ein Mensch, gleichgültig, wie sonst die Verhältnisse sind, durch welche er zum menschlichen Forschen und Sinnen kommt, von dem Staunen ausgeht, also nicht von irgend etwas anderem, sondern vom Staunen über die Weltentatsachen, dann ist das so, wie wenn man ein Samenkorn in die Erde steckt und eine Pflanze daraus emporwächst. Denn alles Wissen muss in gewisser Weise zum Samenkorn das Staunen haben. Anders aber ist es, wenn ein Mensch nicht vom Staunen ausgeht, sondern vielleicht davon, dass in gewisser Jugendzeit seine braven Lehrer ihm eingebläut haben irgendwelche Grundsätze, die ihn zum Philosophen gemacht haben; oder wenn er Philosoph geworden ist, nun, weil es in dem Stande, wo er aufwuchs, Sitte ist, dass man etwas derartiges lernen muss, und er durch die gerade vorhandenen Umstände zur Philosophie kam. Bekanntlich ist auch das Examen in der Philosophie am leichtesten zu machen. Kurz, es gibt Hunderte und Tausende von Ausgangspunkten für die Philosophie, die nicht vom Staunen, sondern von etwas anderem herkommen. Alle solche Ausgangspunkte, die führen nur zu einem solchen Zusammenleben mit der Wahrheit, das sich vergleichen lässt damit, dass man aus Papiermache eine Pflanze macht und nicht aus dem Samen sie zieht. Der Vergleich gilt vollständig, denn alles wirkliche Wissen, das Aussicht haben will, überhaupt etwas zu tun zu haben mit den Weltenrätseln, das muss aus dem Samenkorn des Staunens hervorgehen. Und es kann einer ein noch so scharfsinniger Denker sein, er kann schon, man möchte sagen, an einer gewissen Überschwenglichkeit des Scharfsinns leiden: wenn er niemals durchgegangen ist durch das Stadium des Staunens - es wird nichts daraus; es wird scharfsinnige, kluge Verkettung von Ideen und nichts, was nicht richtig wäre, aber das Richtige braucht nicht auf die Wirklichkeit zu gehen. Es ist eben durchaus notwendig, dass, bevor wir zu denken beginnen, bevor wir überhaupt unser Denken in Bewegung setzen, wir durchgemacht haben den Zustand des Staunens. Und ein Denken, das sich ohne den Zustand des Staunens in Bewegung setzt, das bleibt im Grunde genommen doch ein bloßes Gedankenspiel. Also das Denken muss urständen, wenn man diesen Ausdruck gebrauchen darf, im Staunen. Und weiter. Das genügt noch nicht. Wenn das Denken nun urständet im Staunen und der Mensch gerade durch sein Karma veranlagt ist, recht scharfsinnig zu werden, und er durch einen gewissen Hochmut sehr bald dazu kommt, sich selber zu erfreuen an seinem Scharfsinn und dann nur noch den Scharfsinn entwickelt, dann hilft ihm auch das anfängliche Staunen nichts. Denn wenn, nachdem das Staunen in der Seele Platz gegriffen hatte, der Mensch nun im weiteren Verlaufe seines Denkens nur denkt, dann kann er nicht zur Wirklichkeit vordringen. Wohlgemerkt, ich betone das auch hier, ich will nicht sagen, daß der Mensch gedankenlos werden soll und daß das Denken schädlich ist. Denn das ist eine weit verbreitete Anschauung auch in theosophischen Kreisen: man hält das Denken geradezu für schlimm und schädlich, weil man sagt, der Mensch muss vom Staunen ausgehen. Aber er braucht nicht, wenn er ein bißchen angefangen hat zu denken und aufzählen kann die sieben Prinzipien des Menschen und so weiter, wiederum mit dem Denken aufzuhören, sondern das Denken muss bleiben. Es muss aber nach dem Staunen ein anderer Seelenzustand kommen, und das ist der, den wir am besten bezeichnen können mit der Verehrung für das, an was das Denken herantritt. Nach dem Zustand des Staunens muss der Zustand der Verehrung, der Ehrfurcht kommen. Und ein jegliches Denken, das sich emanzipiert von der Ehrfurcht, von dem ehrfürchtigen Aufschauen zu dem, was sich dem Denken darbietet, das wird nicht in die Wirklichkeit hineindringen können. Niemals darf das Denken sozusagen auf eigenen leichten Füßen dahintänzeln in der Welt. Es muss wurzeln, wenn es über den Standpunkt des Staunens hinweggekommen ist, in der Empfindung, in dem Gefühl der Verehrung der Weltengründe." Wie das Denken zum Wahrhaftigen kommt: Staunen, Verehrung, weisheitsvoller Einklang mit den Welterscheinungen, Ergebung in den Weltenlauf. "Es ist interessant, dass man niemals verstehen wird die Art und Weise, wie zum Beispiel Goethe seine Naturwissenschaft getrieben hat, wenn man nicht diesen Begriff von Weisheit hat, dass die Dinge selber urteilen sollen. Daher hat Goethe auch den interessanten Ausspruch getan - Sie finden ihn in meiner Einleitung zu Goethes naturwissenschaftlichen Werken - Man sollte eigentlich niemals Urteile oder Hypothesen machen über die äußeren Erscheinungen, sondern die Erscheinungen sind die Theorien, sie selber sprechen ihre Ideen aus, wenn man sich reif gemacht hat, sie in der richtigen Weise auf sich wirken zu lassen. Nicht darauf kommt es an, dass man sozusagen sich dahintersetzt und auspreßt aus seiner Seele, was man für richtig hält, sondern darauf, dass man sich reif macht und sich zuspringen lässt das Urteil aus den Tatsachen selber. So stehen muss man zum Denken, dass man das Denken nicht zum Richter über die Dinge macht, sondern zum Instrument für das Aussprechen der Dinge. Das heißt sich in Einklang mit den Dingen setzen. Wenn man diesen dritten Zustand durchgemacht hat, dann darf das Denken sich noch immer nicht auf eigene Füße stellen wollen, dann kommt erst der gewissermaßen höchste Seelenzustand, den man erreichen muss, wenn man zur Wahrheit kommen will. Und das ist der Zustand, den man gut mit dem Worte Ergebenheit bezeichnen kann. Staunen, Verehrung, weisheitsvoller Einklang mit den Welterscheinungen, Ergebung in den Weltenlauf, das sind die Stufen, die wir durchzumachen haben und die immer parallel gehen müssen dem Denken, die niemals das Denken verlassen dürfen - sonst kommt das Denken zum bloß Richtigen, nicht zum Wahrhaftigen." Alles in der Sinneswelt
ist waltender Wille, Schopenhauer hat in der Tonwelt diesen waltenden Willen
geahnt: "Alles ist strömender, waltender Wille, insofern wir der Sinneswelt
entgegentreten. Das bitte ich Sie sehr wohl zu fassen, dass derjenige,
der in einem höheren Grade die Ergebung sich angeeignet hat, überall
in der Sinneswelt waltenden Willen entdeckt. Daher verstehen Sie, dass
für einen Menschen, der auch nur bis zu einem geringen Grade diese
Ergebung in sich ausgebildet hat, es so schlimm ist, sagen wir, wenn er
irgendeine impertinente Modefarbe etwa auf der Straße sich entgegenkommen
sieht, weil er nicht anders kann, als diese innerlich regsam zu empfinden
gegenüber all dem, was da draußen ist. Er ist immer durch einen
Willen, den er in allem empfindet, in allem fühlt, mit der ganzen
Welt verbunden. Dadurch naht er sich dem Wirklichen, dass er verbunden
ist durch den Willen mit allem, was Sinneswelt ist. Und so wird das, was
Sinneswelt ist, wie zu einem Meer von in der mannigfaltigsten Weise differenziertem
Willen. Dadurch aber wird dieses, was wir sonst wie ausgebreitet nur fühlen,
wie von einer gewissen Dicke sein. Wir sehen gleichsam hinter die Oberfläche
der Dinge hin, hören hinter sie und hören überall strömenden
Willen. Für diejenigen, die einmal Schopenhauer gelesen haben, bemerke
ich, dass Schopenhauer in einseitiger Weise nur in der Tonwelt diesen waltenden
Willen geahnt hat; daher beschreibt er die Musik überhaupt als sozusagen
differenzierte Willenswirkungen. Aber in Wahrheit ist für den ergebenen
Menschen alles in der Sinneswelt waltender Wille. Wenn der Mensch dann
gelernt hat, in der Sinneswelt überall waltenden Willen zu spüren,
dann kann er nun auch weiterdringen. Dann kann er gleichsam durch die Sinneswelt
hindurch in die hinter der Sinneswelt befindlichen Geheimnisse dringen,
die ihm sonst zunächst entzogen sind." [9]
6. Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen; Dionysos und Plato, der weise Silen und Sokrates; Griechenland enthielt in seiner alten Zeit die Lehrer der Menschheit, die es hinüberschickte nach Asien in dem Zuge, den der Dionysos führte, dessen Lehrer der weise Silen war; Sinn der alten griechischen Mystik, der griechischen Geisteskultur; es ist die tiefste menschliche Pflicht gegenüber den Kräften des Makrokosmos, den Schatz, der in unserer Seele ruht, nicht verkommen zu lassen, denn dann bleibt dieser Seelenschatz unwiederbringlich für den Weltenprozess verloren; heutige Wissenschaft oberflächlich; Aristoteles hat noch aus alten Traditionen heraus gewußt, was man in noch älteren Zeiten durch ein ursprüngliches natürliches Hellsehen hat beobachten können, was man sogar in den Werken des Cartesius finden kann; Haube oder Helm der Pallas Athene, Heiligenschein; Der große makrokosmische Christus-Impuls nicht irgendein orthodoxes Bekenntnis oder Christus-loses Bewußtsein der Leerheit; Urtragödie, Urdrama in Griechenland, Äschylos, Sophokles; Aristoteles wußte, dass das Drama das Erziehungsmittel war im kleinen
Es ist die tiefste menschliche Pflicht gegenüber den Kräften des Makrokosmos, den Schatz, der in unserer Seele ruht, nicht verkommen zu lassen, denn dann bleibt dieser Seelenschatz unwiederbringlich für den Weltenprozess verloren: "Man lernt, meine lieben Freunde, dass bei jedem Menschen, der in der Welt vorhanden ist, da unten in den Seelengründen etwas liegt, was einstmals die Götter aus ihrem eigenen Leib, aus ihrer eigenen Substanz in uns hineingelegt haben. Man lernt fühlen, die Götter haben auf ein Stück ihres eigenen Daseins verzichtet, haben sich das gleichsam aus ihrem Fleische gerissen, es von sich weggenommen und es in unsere Seelen hineingelegt. Wir können nun als Menschen ein Zweifaches tun mit diesem Seelenschatze, der ein göttliches Erbteil ist. Wir können aus einer gewissen menschlichen Bequemlichkeit heraus sagen: Ach, was brauche ich Erkenntnis, die Götter werden mich schon selber zu den Zielen führen. - Das tun sie aber nicht, denn sie haben solchen Schatz in unser Inneres gesenkt, damit wir ihn durch unsere Freiheit herausheben. Wir können also diesen Seelenschatz in uns verkommen lassen. Das ist der eine Weg, den die Menschenseele einschlagen kann. Der zweite Weg ist der, daß wir uns unserer höchsten Pflicht bewußt werden gegenüber den himmlischen Mächten und uns sagen: Wir müssen ihn heben, wir müssen ihn heraufbringen aus den verborgenen Tiefen in unser Bewußtsein herein. - Was tun wir denn, wenn wir diesen Seelenschatz heraufholen aus den Tiefen unseres Bewußtseins? Dann geben wir diesem Seelenschatz eine andere Form, als er früher im Leibe der Götter gehabt hat, aber in dieser Form, die er durch uns angenommen hat, geben wir ihn wiederum auf geheimnisvolle Weise den Göttern zurück. Mit unserer Erkenntnis betreiben wir keine persönliche Angelegenheit, mit unserer Erkenntnis tun wir nicht etwas, was bloß unserem Egoismus dienen soll, wir tun nichts Geringeres, als dass wir das Gut, das edle Erbgut, das uns die Götter gegeben haben, ihnen wiederum in der veränderten Form, die es durch uns bekommen soll, zurückbringen in die höheren Welten, damit sie es mit uns wieder haben. Wenn wir aber den Seelenschatz verfallen lassen in uns, dann treiben wir im wahrsten Sinne Egoismus, denn alsdann bleibt dieser Seelenschatz unwiederbringlich für den Weltenprozess verloren: der Götter Erbteil lassen wir verwesen, wenn wir nicht erkennen wollen in uns." Heutige Wissenschaft oberflächlich; Aristoteles hat noch aus alten Traditionen heraus gewußt, was man in noch älteren Zeiten durch ein ursprüngliches natürliches Hellsehen hat beobachten können; Haube oder Helm der Pallas Athene, Heiligenschein: "Nun müssen wir uns die Frage vorlegen, meine verehrten Freunde: Warum sieht heute der Mensch gar nichts mehr, empfindet gar nichts mehr von Ätherströmungen, die von seinem Herzen gegen sein Gehirn zu fließen? Die heutige Wissenschaft ist oberflächlich. Daher nimmt sie auch die Geschichte höchst oberflächlich und nimmt das, was uralte Wahrheiten sind, oftmals als uralte Irrtümer. Wenn Sie den Aristoteles, den alten griechischen Philosophen, studieren würden, so würden Sie eine merkwürdige Menschennaturlehre finden, eine merkwürdige Darstellung des Weltenwunders der menschlichen Wesenheit. Sie würden da die Darstellung finden, dass vom Herzen feinste Ätherteile nach dem Kopfe strömen und, indem diese Ätherteile das Gehirn berühren, abgekühlt werden. Natürlich sagt die heutige Wissenschaft: Aristoteles war zwar für die alten Griechen recht gescheit, aber heute weiß jeder Schulbube, dass das ein Irrtum ist. - Ein Irrtum ist aber das, was diejenigen glauben, die so über Aristoteles sprechen. In Wahrheit hat zwar Aristoteles nicht das hellseherische Bewußtsein besessen, um über diese Dinge selbst etwas zu wissen, aber er hat noch aus alten Traditionen heraus gewußt, was man in noch älteren Zeiten durch ein ursprüngliches natürliches Hellsehen hat beobachten können. Und dies Bewußtsein von den Ätherströmungen, die vom Herzen zu dem Gehirn heraufziehen, war in einer gewissen Weise bis tief in unser Mittelalter herein noch vorhanden, bis ins 15., 16. Jahrhundert, und wir finden ein gewisses Bewußtsein dafür noch in den Werken des Cartesius. Nur dass die Geschichte der Philosophie sagt: Nun ja, das ist halt etwas, was der Cartesius da so phantastisch erzählt von den sogenannten Lebensgeistern, die vom Herzen nach dem Gehirn strömen, das sind eben alte Vorurteile. Glücklich, dass wir darüber hinaus sind! - Es sind aber nicht alte Vorurteile, es sind alte Wahrheiten, die von der Zeit herrühren, wo man durch natürliches Hellsehen dergleichen Dinge hat wahrnehmen können. Der späteren Zeit ist das Bewußtsein von diesen Dingen eben verlorengegangen. Wie müssen wir denn vom Gesichtspunkt des heutigen Hellsehens, der heutigen okkulten Wissenschaft, diese Dinge darstellen? Man kann sich vielleicht, weil Aristoteles notwendigerweise nur aus den Überlieferungen schöpfen musste, da ihm selbst nicht mehr die alten hellseherischen Kräfte zur Verfügung standen, etwas schwer abfinden mit der Art und Weise, wie er diese Dinge ausdrückt. Wenn man aber durch die heutige, seit dem 13. Jahrhundert gangbare Esoterik sich wiederum einlässt auf die Prüfung der vollen Menschenwesenheit, dann bemerkt man, dass in der Tat eine solche Ätherströmung vom Herzen nach dem Kopfe strömt. Man merkt aber noch etwas weiteres. Nicht nur eine Ätherströmung geht vom Herzen nach dem Kopfe, sondern in demjenigen, was da als Strömung vom Herzen nach dem Kopfe strömt, da sind auch Strömungen des astralischen Leibes vorhanden. Wenn man also genauer auf diese Strömungen sieht, die vom Herzen nach dem Kopfe gehen, stellt sich heraus, daß in diesen Strömungen vorhanden sind sowohl Ätherteile, Substanzen des Ätherleibes des Menschen, wie auch Substanzen des astralischen Leibes des Menschen. Es strömt also eine Substanz von dem Herzen nach dem Kopfe, in welcher Teile, substantielle Teile sowohl des Ätherleibes wie des astralischen Leibes des Menschen vorhanden sind. Nun ist das Gehirn ein höchst eigentümliches Werkzeug der menschlichen Natur; es hat nämlich durch die Art und Weise, wie es sich seit dem letzten Drittel der atlantischen Zeit gebildet hat, die Eigenschaft angenommen, dass es das, was da heraufgeht als astralische Strömung, aufhält, nicht durch sich durchlässt, während es die Ätherströmung tatsächlich durchlässt. Also wohlgemerkt: Das Gehirn ist als physisches Werkzeug etwas, worin sich zum Teil die Strömung, die vom Herzen nach aufwärts geht, staut. Das Gehirn ist durchlässig für die Ätherströmung, aber nicht durchlässig für die astralische Strömung. Die wird aufgehalten in unserem Gehirn, so dass für den hellseherischen Blick in der Region des Kopfes des Menschen das sich so zeigt, dass astralische Strömungen, welche von dem menschliehen Leib aufwärts gehen, im Gehirn sich ausbreiten, aber von diesem Gehirn aufgehalten werden, nicht oder nur zum geringsten Teil durch dieses Gehirn durchkönnen. Diese astralischen Strömungen aber, die von unten nach oben gehen und vom Gehirn aufgehalten werden, haben eine gewisse Anziehungskraft zu den äußeren astralischen Substantialitäten, die uns in der astralischen Substanz der Erde immer umgeben. Daher ist dieser astralische Leib des Menschen, insofern er die Region in der Nähe des Kopfes betrifft, wie zusammengenäht aus zwei Astralitäten: aus der Astralität, die fortwährend aus dem Kosmos zuströmt, und aus derjenigen, die von unten nach oben im menschlichen Leibe geht und angezogen wird von der äußeren Astralität. Also das, was wir als astralischen Leib um den Kopf herum finden, ganz in der Nähe unserer Kopfhaut, das hat gleichsam eine Verdickung, etwas wie eine Mütze, wenn ich mich paradox ausdrücken darf, die wir als astralische Substanz fortwährend aufhaben. Wir haben eine solche astralische Kopfbedeckung, die aus der Verdickung entsteht, durch welche die äußere und die innere Astralität hier in der Nähe des Kopfes gleichsam zusammengenäht werden. Durch diese astralische Haube oder Mütze dringen nun die Strahlen des Ätherleibes hindurch, da sie ja nicht aufgehalten werden vom Gehirn, und um so heller und glänzender erscheinen sie für den hellseherischen Blick, je reiner sie sind, das heißt, je weniger sie noch enthalten von den Trieben, Begierden und Leidenschaften, von den Affekten der menschlichen Natur. Dadurch gewinnt das, was wir als die Aura des Menschen bezeichnen, eine Art von Kranz, wenn wir es von vorne anschauen, einen Kranz von Astralität, durch welchen die Strahlen des Ätherleibes des Menschen hindurchstrahlen. Das ist die Kopfaura, welche von den alten noch hellseherisch begabten Menschen bei solchen Persönlichkeiten wahrgenommen wurde, bei denen durch die Reinheit ihres Wesens dieser Ätheraurateil hellstrahlend war: das, was als der Heiligenschein auch auf den Bildern abgebildet wird. Das ist eigentlich gemeint mit dem Heiligenschein, und das wird gesehen, wenn der hellseherische Blick die Kopfaura sehr deutlich sieht. Da haben wir also durch die Eigenart des Gehirns ein Aufhalten, ein Verteilen der inneren astralischen Aura, der inneren astralischen Substanz am Kopf herum. Bitte fassen Sie diesen Vorgang ganz genau ins Auge. Von unten herauf strömt beim Menschen ätherisch-astralische Substanz. Diese ätherisch-astralische Substanz breitet sich im Gehirn so aus, dass sie dieses Gehirn erfüllt, aber vom Gehirn aufgehalten wird, ebenso wie der Lichtstrahl aufgehalten wird, der von innen auf den Spiegel fällt und zurückgeworfen wird. Und hier haben Sie die wahre Gestaltung der Spiegelung. Indem der astralische Stoff vom Gehirn aufgehalten wird, spiegelt er sich zurück, und das, was da hineingeht und sich zurückspiegelt, das sind Ihre Gedanken, das ist Ihr bewußtes Gefühl, ist dasjenige, was Sie als Ihr Seelenleben gewöhnlich erleben. Und nur dadurch, dass gleichsam dieser astralische Teil durch die das Gehirn durchströmenden Ätherteile zusammengeknüpft oder zusammengenäht wird, wodurch nämlich bewirkt wird, dass der innere astralische Teil sich mit der äußeren Astralität verbinden will, kommt ein äußeres Wissen, eine Erkenntnis der äußeren Welt zustande. Alles, was wir von der äußeren Welt wissen, alles das kommt in uns dadurch herein, dass die äußere Astralität durch die Ihnen so paradox geschilderte astrale Mütze oder Haube, die jeder aufhat, durch diesen Helm sich zusammenfügt mit der inneren Astralität. ... Es ist daher - das bemerke ich nur in Parenthese - einer Zeit, welche dem Materialismus so verfallen ist, dass sie die Aura leugnet, ganz angemessen, dass sie auch keine Gewandung mehr haben will, die hervorgegangen ist aus der Nachahmung dessen, was der Mensch an sich trägt. Und wenn die Schrulle der Nacktkultur jetzt in unserer heutigen Zeit auftritt, so rührt das davon her, dass der materialistische Sinn nichts mehr wissen will von jenen höheren ätherischen und astralischen Aurenbildungen, die der Mensch um sich herum hat und aus denen heraus er die Formen seiner Gewandung gebildet hat. Altere Zeiten, aber gar nicht so alte Zeiten, haben noch die Färbungen der Aura nachgebildet in der Gewandung der Menschen. Und wenn Sie die Bilder der älteren Maler sich anschauen, dann können Sie ein, man möchte sagen, noch in seinen alten Resten auftretendes Bewußtsein darin erblikken, dass das Aurische in den Farben der Gewänder auftritt. Sehen Sie sich die Bilder an, wie sie die Maria in der Regel mit ganz bestimmten Farben des Unterkleides und mit ganz bestimmten Farben des Übergewandes und wie sie mit anderen Farben zum Beispiel die Magdalena darstellen! Das Kleid der Magdalena mit der gelben Farbe konnte der alte Maler nicht verwenden für das der Maria. Warum nicht? Weil die Aura einer Magdalena verschieden ist von der Aura einer Maria. Der alte Maler hat noch durchaus das Bewußtsein zum Ausdruck gebracht, dass das Gewand der Ausdruck ist für dasjenige, was der Mensch übersinnlich, wie eine Art Gewandung mit sich herumträgt. Und wenn Sie namentlich auf das blicken, was nicht nur als Gewandung, sondern als Helmgestalt oder dergleichen die griechischen Göttergestalten an sich tragen, wie zum Beispiel die Pallas Athene dieses oder jenes an sich trägt, so hängt das davon ab, wie sich der griechische Künstler die Aura bei den alten Göttergestalten nach diesen Voraussetzungen denken musste." Der große makrokosmische Christus-Impuls nicht irgendein orthodoxes Bekenntnis oder Christus-loses Bewußtsein der Leerheit: "Anders ist es, wenn wir unsere Ideen, wenn wir unsere abstrakten Gesetze überall mit dem durchdringen, was in Wahrheit der Christus-Impuls ist, von dem Sie ja alle wissen, dass nicht irgend etwas damit gemeint ist, was ein orthodoxes Bekenntnis im Auge hat, sondern der große makrokosmische Christus-Impuls. Mit dem müssen wir uns durchdringen im Paulinischen Sinn. Nicht unsere abstrakten Ideen und Begriffe, sondern das, was sie sind als unsere gegenwärtige Bewußtseinsform, durchdrungen von dem Christus-Impuls, das tragen wir hinaus in die Welt. Und hier liefert die Erfahrung etwas ganz Eigenartiges. Wie wir immer leerer und ärmer werden und unser Bewußtsein zuletzt zersprüht und zerstiebt in die Weltenleere, wenn wir mit dem Christus-losen Bewußtsein hinausdringen - sobald wir den Christus-Impuls aufgenommen haben, je weiter wir auch kommen in die Weltenfernen, in die Raumesweiten, desto reicher, voller wird unser Bewußtsein. Und wenn wir bis zur Hellsichtigkeit vordringen, dann haben wir durch die Christus-erfüllte Seele reichlichen Seelenstoff, so dass mächtig und grandios die wirklichen Ursachen der Realität als übersinnliche Realitäten zuletzt vor uns stehen. Während unser Christus-loses Bewußtsein uns vor die Leere in den Weltenweiten bringt, bringt uns das Christus-erfüllte Bewußtsein vor die wahren Ursachen der Welterscheinungen und Weltenwunder. Daher durfte ich in dem kleinen Büchelchen «Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit» sagen: So töricht das heute erscheint, es werden in der Zukunft Chemie und Physik und Physiologie und Biologie durchdrungen sein von dem Christus-Impuls, und wahre Wissenschaft wird in manchem, wovon man es sich heute nicht träumen lässt, von dem Christus-Impuls durchdrungen sein. Derjenige, der das nicht glauben will, soll nur einmal die Geschichte durchblättern und sich überzeugen, wie die Vernunft der kommenden Zeiten oftmals die Torheit der früheren Zeiten war. Möge er sich trösten darüber, wenn er uns etwa bedauern wollte, weil wir annehmen, dass das, was für Torheit in unserer Zeit gehalten wird, die Vernunft der kommenden Zeit ist! So töricht es der heutigen Menschheit erscheinen mag, an eine christliche Chemie zu denken, so vernünftig wird es der Nachwelt erscheinen. Wenn wir den Christus hinaustragen in unsere Weltanschauung, wird er uns Fülle geben statt der Leerheit." Urtragödie,
Urdrama in Griechenland, Äschylos, Sophokles; Aristoteles wußte,
dass das Drama das Erziehungsmittel war im kleinen: "Und dasjenige, was
uns in uns selbst führt und uns in die Weltenweiten führt, wir
könnten es zeichnen als einen Kreis und kämen selber zuletzt
außerhalb von uns selbst zusammen. Das, was Willensnatur ist, in
das wir sonst untertauchen wie in ein Gebiet, in dem wir verbrennen, und
das, was Raumesweiten sind, darinnen wir zerstieben wie in ein Nichts:
das kommt zusammen. - Und unsere Gedanken über die Welt vereinigen
sich mit dem Willen, der uns aus der Welt entgegentritt, wenn wir hinuntersteigen.
Willenserfüllte Gedanken, wollende Gedanken! Wir stehen durch einen
solchen Prozess nicht mehr vor abstrakten Gedanken, sondern vor den Weltengedanken,
die in sich selber schaffend sind, die wollen können. Wollende Gedanken:
das heißt aber Götterwesen, geistige Wesenheiten, denn willens
erfüllte Gedanken sind geistige Wesenheiten. So schließt sich
der Kreis. So dringen wir durch die Seelenprüfungen, die uns begegnen,
während wir sonst ins Nichts durch die Schwäche der eigenen Seele
gehen würden. So dringen wir, wenn wir in uns selber hinuntersteigen
durch die übergroße Egoität - das heißt durch die
in der Egoität, im Egoismus starke Seele - nach beiden Seiten zu dem,
was uns zu Seelenprüfungen zwar führen kann, was uns aber nimmermehr
etwas über die Welt sagen kann. Wir müssen beide Wege wandeln,
müssen beide Widerstände empfinden, sowohl die Furcht vor der
Leere wie auch den Widerstand der eigenen Egoität. Und so durch uns
hindurchdringend nach der anderen Seite der Willensnatur, der Welt uns
nähernd, werden wir ergriffen, sobald wir auf diese Weise aus uns
selber herauskommen, von dem unendlichen Mitfühlen, von dem unendlichen
Mitleiden mit allen Wesenheiten. Und dieses Mitfühlen, dieses Mitleiden,
das ist es, was sich verbindet, wenn der Kreislauf geschlossen ist, mit
den Weltengedanken, die sich sonst verflüchtigen und nun substantiellen
Gehalt empfangen. Der Christus- Impuls führt uns nach und nach zum
Schließen des Kreises, führt uns dazu, zu erkennen, was in den
Raumesweiten als willens erfüllte, das heißt wesenhafte Gedanken
weset und lebt. Dann aber, wenn uns die Seelenprüfungen in dieser
Art weitergeführt haben, sind wir geläutert in unserer Seele,
durchgedrungen durch den Läuterungsprozess, den wir durchmachen mussten.
Indem wir nach unten durch alles dringen müssen, was uns der Hüter
der Schwelle zeigt als die Veranlassung zum Egoismus, sind wir auch gefeit
vor alledem, was uns Veranlassung gibt, zu zerstieben in den Raumesweiten
und die Furcht vor der Leere zu empfinden. Solch eine Weisheit, die uns
im Grunde genommen auf das tiefste Mysterium der Seelenprüfungen führt,
herrschte in den alten griechischen Mysterien. Deshalb wurden die griechischen
Mysten, die Schüler dieser Mysterien, auf der einen Seite geführt
zu der Furcht vor dem unendlichen Abgrund und zur Erkenntnis, auf der anderen
Seite zu der Versuchung durch die Egoität und zur Überwindung
der Egoität in dem unendlichen Mitleid und Mitgefühl mit allen
Wesenheiten. Und in der Ehe, in der Vereinigung des Mitgefühls, des
Mitleidens mit den Gedanken, erlebten sie die Läuterung von allen
Seelenprüfungen. Ein schwaches, ein ganz schwaches Abbild hat die
Urtragödie, das Urdrama in Griechenland geschaffen. Die ersten Dramen
des Äschylos und auch noch - wenn auch ganz wenig nur - des Sophokles
lassen uns erkennen, wozu sie da waren. Sie waren da, um in der Art und
Weise, wie eine Handlung fortlaufend auf der Bühne dargestellt ist,
Furcht und Mitleid zu erregen und zur Läuterung, zur Katharsis von
Furcht und Mitleid zu führen. Aristoteles, der die Überlieferung
davon gehabt hat, dass das griechische Drama im kleinen abgespiegelt hat
die kolossale, grandiose Empfindung von Furcht und Egoität, von der
Überwindung der Furcht durch Furchtlosigkeit, der Egoität im
Mitleiden, im unendlichen Mitleiden - Aristoteles, der es wußte,
dass das Drama das Erziehungsmittel war im kleinen, hat die Tragödie
so definiert, dass sie sein sollte eine Darstellung zusammenhängender
Ereignisse, welche geeignet sind, Furcht und Mitleid in der Menschenseele
zu erregen und sie zu läutern in bezug auf diese Eigenschaften. Diese
grandiosen Wahrheiten sind im Laufe der Zeit den menschlichen Seelen verlorengegangen,
vergessen worden. Und als man angefangen hat, vom 18. ins 19. Jahrhundert
herauf, den Aristoteles wieder zu studieren, hat man eine ganze Bibliothek
angehäuft mit Erklärungen, was eigentlich Aristoteles damit gemeint
hat. Was er gemeint hat, wird man erst begreifen, wenn man das Hervorgehen
des Dramas aus den alten Mysterien wiederum begreifen wird. So kann Gelehrsamkeit
an die alleräußerste Oberfläche tippen, denn aus der Erklärung
des Begriffs Drama ist durch alle Arbeit in diesen Bibliotheken nicht viel
gewonnen worden für die Aristotelische Definition von Furcht und Mitleid."
[11]
7. Menschenschicksale und Völkerschicksale I; Voltaire, Corneille, Racine; der unübertroffene Moliere; der größte Schöpfer der britischen Seele, der die britischen Charaktereigentümlichkeiten bis in die tiefste Seele hinein zum Ausdruck bringt, Shakespeare; Solowjow, Russland muss westeuropäische Kultur empfangen; das Allerunnatürlichste, wenn der Russe Krieg führt, verlogener Panslawismus; Das Christentum ist mehr als was von den Menschen hat verstanden werden können; Konstantin gegen Maxentius; Der Christus-Impuls musste einfließen in die Taten des europäischen Kontinentes, deutsche Mystik, Jeanne d'Arc; Dichter des Nibelungenliedes, Walther von der Vogelweide, Goethe, Mater gloriosa; es wäre katastrophal wenn Russland durch brutale Kraft sich ausdehnen sollte nach Westen hin, über Mitteleuropa; Harmonisierung mit Europa statt russische WeltVoltaire, Corneille, Racine, der unübertroffene Moliere: "Was in der griechischen Kultur das Wesentliche war, tritt im französischen Volke zutage, sogar bis in die Charaktere der führenden Persönlichkeiten. Voltaire zum Beispiel wird man nur verstehen, wenn man ihn mit einem wirklichen Griechen vergleicht. Und wenn man sich die Formen der Kunstwerke Corneilles, Racines ansieht, so wird man sehen, wie gerungen wird mit der griechischen Form. Das hat ja eine große kulturhistorische Bedeutung. Das Ringen mit der äußeren Form, mit dem, was Aristoteles über die Form erkundet hat, das lebt in Racine und Corneille fort. Und wenn wir das, was in der vierten nachatlantischen Kulturperiode tonangebend war als Kultur der Verstandes- oder Gemütsseele, wiedersuchen in der französischen Kultur, dann müssen wir dort das finden, was sich in ihr als Größtes ausspricht, was sich, indem sich die Verstandes- oder Gemütsseele hermacht über die Welt, damit gerade befassen kann. Der größte Dichter also, der nicht seinesgleichen finden kann in solcher Form, muss ein solcher sein, dass er aus der Verstandes- oder Gemütsseele heraus gestaltet. Da erreicht ein Volk seine Größe, wo es seine Unvergleichlichen an die Oberfläche bringt. Wer ist in der französischen Dichtung der, der nicht übertroffen werden kann? Das ist Moliere! Da erreicht die französische Seele ihre eigentliche, charakterisierte Höhe; da kann sie nicht übertroffen werden. Ein Abglanz davon wirkt noch in Voltaire."Der größte Schöpfer der britischen Seele, der die britischen Charaktereigentümlichkeiten bis in die tiefste Seele hinein zum Ausdruck bringt, Shakespeare: "Was nun nicht eine Wiederholung von Altem ist, sondern hereingehört in den fünften nachatlantischen Zeitraum, was gleichsam eine Neuschöpfung dieses Zeitraumes ist, das ist die britische Seele. Dieser fünfte nachatlantische Zeitraum strebt ja vorzugsweise nach der Entfaltung der Bewußtseinsseele; stellt diese heraus. Die Bewußtseinsseele ist besonders ausgeprägt in der britischen Volkseigentümlichkeit. Das Eigentümliche der britischen Seele ist dieses Stehen gegenüber den Ereignissen. Schon vor vierzehn, fünfzehn Jahren, als ich die erste Auflage der «Rätsel der Philosophie» schrieb, habe ich danach gerungen, einen Ausdruck zu finden für die britischen Philosophen; und damals ergab sich mir: Sie sind Zuschauer des Lebens; sie stellen sich hin, wie sich die Bewußtseinsseele als Zuschauer dem Leben gegenüber hinstellt. Und wer ist der größte Schöpfer der britischen Seele, der sich hinstellt und die britischen Charaktereigentümlichkeiten bis in die tiefste Seele hinein zum Ausdruck bringt? Das ist Shakespeare! Da ist die britische Seele unvergleichlich im Zuschauerzustande." Solowjow, Russland muss westeuropäische Kultur empfangen; das ist überhaupt das Allerunnatürlichste, wenn der Russe Krieg führt, und würde er sich selbst erkennen, so würde er es auch als das Allerunnatürlichste empfinden, Krieg zu führen, verlogener Panslawismus: "Blicken wir nun nach Osten. Wir haben davon gesprochen, dass auf den südlichen zwei Halbinseln die Empfindungsseele sich auslebt, bei den Franzosen die Verstandes- oder Gemütsseele, auf den britischen Inseln die Bewußtseinsseele; in Mitteleuropa bis hinauf nach Skandinavien lebt das Nationale sich aus im Ich, wobei es sich in den einzelnen Gebieten differenziert, aber im ganzen von dem, was man Ich-Seele nennt, empfunden wird. Als Geistselbst, sagte ich, lebt es sich aus im Osten. Was ist der Charakter des Geistselbst? Es kommt heran an den Menschen, senkt sich auf ihn herunter. Im Ich strebt man; in den drei Seelengliedern strebt man auch; das Geistselbst senkt sich herunter. Es wird schon einmal über den Osten als wirkliches Geistselbst sich heruntersenken. Die Dinge sind wahr, die wir oft betont haben. Aber dazu gehört Vorbereitung, Vorbereitung von der Art, dass die Seele empfängt, dass sie sich einarbeitet in dem Empfangen. Was hat denn das russische Volk bis jetzt im Grunde genommen anderes getan als empfangen? Wir haben innerhalb unserer Bewegung den größten russischen Philosophen, Solowjow, übersetzen lassen. Wenn wir uns in ihn hineinvertiefen - es ist alles westeuropäisches Geistesleben, westeuropäische Kultur. Es ist etwas anderes dadurch, dass es aus der russischen Volksseele herausgeboren ist. Aber was schwebt da, im Gegensatz zur westeuropäischen Kultur, im russischen Volke heran? Italien, Spanien ist die Wiederholung der dritten nachatlantischen Kulturepoche, das französische Volk die Wiederholung der Kultur des alten Griechenland. Der Brite zeigt das, was neu hinzugekommen ist, aber was man ganz gewiss auf dem physischen Plan erwirbt. In Mitteleuropa ist es das Ich, das aus sich herausarbeiten muss. In Russland haben wir das Empfangende. Empfangen worden ist zunächst das byzantinische Christentum, das sich wie eine Wolke niedergelassen hat und sich dann ausbreitete; und empfangen worden ist schon unter Peter dem Ersten die westeuropäische Kultur. Erst das Material, möchte man sagen, ist da zum Empfangen. Das, was da ist, ist Spiegelung des Westeuropäischen, und die Arbeit der Seele ist Vorbereitung zum Empfangen. Erst dann wird das Russentum in seinem rechten Elemente sein, wenn es so weit ist, dass es erkennt: es muss das, was in Westeuropa ist, empfangen werden, wie etwa die Germanen das Christentum empfangen haben, oder wie die Germanen in Goethe das Griechentum in sich aufgenommen haben. Das wird noch eine Weile dauern. Und weil sich gegen das, was der Mensch im Osten aufnehmen muss, sein Physisches sträubt, so sträubt sich noch der Osten gegen das, was zu ihm kommen muss. Das Geistselbst muss herunterkommen. Nun ist das, was da von dem Westen herüberkommt, zwar nicht das Geistselbst. Aber die Seele verhält sich so dazu, bereitet sich gleichsam schon vor, um zu empfangen. Als was sieht daher der Russe den anderen an? Als den, der «gegenübersteht», als den auf sein Bewußtsein herabschwebenden. Daher ist der andere, der beim Italiener der Fremde, beim Franzosen der Barbar, beim Briten der Konkurrent, beim Deutschen der Feind ist, er ist dort der Ketzer. Daher hatte bis jetzt der Russe im Grunde genommen nur Religionskriege! Alle Kriege sind bisher nur Religionskriege gewesen. Alle Völker sollten befreit werden oder zum Christentum gebracht werden, die Balkanvölker und so weiter. Und jetzt auch empfindet der russische Bauer den anderen als das «Böse». Er empfindet den anderen als den Ketzer; er glaubt immer, Religionskriege zu führen. Jetzt auch! Diese Dinge gehen bis in die Einzelheiten hinein, und man lernt sie verstehen, wenn man den guten Willen dazu hat, wirklich in die Dinge hineinzuschauen. Und so können wir auch fragen: Wie erscheint uns nun das, was uns von Osten entgegentritt? ... Aber was bildet sich für den, der Volkscharaktere empfinden kann, denn dann im Osten? Das ist überhaupt das Allerunnatürlichste, wenn der Russe Krieg führt. Und würde er sich selbst erkennen, so würde er es auch als das Allerunnatürlichste empfinden, Krieg zu führen. Wir im Westen, wenn wir auch alles Russische noch so gut verstehen, wir können keine Tolstoianer werden. Aber dem Russen ist es unnatürlich, Krieg zu führen. Ihm muss erst der Krieg aufgedrängt werden, denn er ist etwas für den tiefsten Volkscharakter Unnatürliches. Der Russe steht dem Krieg so gegenüber wie einem Religionskrieg, wie etwas, was von außen kommt. Man kann ihm den Krieg nicht plausibel machen; denn vielmehr möchte er erbeterty was an ihn herankommen soll. Daher ist es ganz selbstverständlich, dass man gar nicht im innersten russischen Volkscharakter die Motive zum Kriege sucht, sondern in dem, was ihm von außen als solche aufgedrängt wird. Und mehr als irgendwo anders muss in diesem Falle gesagt werden: dort ist es nicht das Volk, das den Krieg macht - das Volk ist es nur äußerlich und nur seinem Glauben nach - , aber es ist das, wogegen sich das Volk am meisten wenden muss. In Russland ist ein Krieg immer im ärgsten Sinne eine Maja, eine Täuschung. ... Wahr ist es, Russland hätte Zuschauer bleiben können, und der Krieg hätte verhindert werden können. Wäre es Zuschauer geblieben, so hätte der Krieg verhindert werden können. Denn hier ist der Krieg aufgepfropft auf einen Volkscharakter, wo er im Grunde genommen ganz unnatürlich ist. Wenn man über solche Dinge spricht, dann hat man sie aus der geistigen Welt heraus, dann gehen sie daraus hervor; aber sie können immer bewahrheitet, bestätigt gefunden werden in der äußeren Welt, und was man aus dem Geistigen heraus findet, bestätigt sich in der äußeren Welt. Wir würden sagen: eine natürliche Geste wäre es für den russischen Nationalcharakter, betend zu warten auf das, was zu ihm kommen soll. Es ist sehr eigentümlich: die russischen Intellektuellen - ich habe darauf auch schon hingewiesen - erwarten auch, und sie empfinden auch, dass etwas Zukünftiges an sie herankommen muss. Nun ist zwar das noch sehr weit in der Zukunft, was an sie herankommen muss, und wir haben gesehen, wie abgelehnt wurde, was jetzt aufgenommen werden soll. Es ist vielleicht mehr als ein äußeres Symbolum, dass, während jetzt die Kämpfe im Schwarzen Meer vor sich gehen, der Russe noch immer dort hinuntersieht, um gleichsam auf eine Verkörperung dessen zu schauen, was er geistig erwarten soll, indem er hinweist auf die Hagia Sophia. Mereschkowski erzählt uns von zwei Reisen, die er zur Hagia Sophia gemacht hat. Er hat in der Hagia Sophia gleichsam ein äußeres Symbolum für das empfunden, was er in seinen Gefühlen nicht kennt, aber was er erwartet, und er hat es das an die Russen herankommende Christentum genannt. Er würde es aber richtig erkennen, wenn er wüßte, dass das durch die faustische Natur durchgegangene Christentum den Russen ergreifen muss. Das weiß er aber noch nicht. Er glaubt, es in der Hagia Sophia vor sich zu haben. Wie steht er dem Christentum gegenüber? Wenn wir auf das blicken, worüber Solowjow spricht, so ist das etwas, worüber ich sagen kann, dass er ein gewisses Verständnis dafür hat. Denn als ihm wieder einmal von Petersburg und dem Heiligen Synod Schwierigkeiten gemacht worden sind, da meinte er: Ja, so geht es einem schon einmal, wenn man schwierig durchdringt mit dem, was man sagen will. Die einen klagen mich an als einen liberalen westeuropäischen Atheisten, die andern als einen Orthodoxen, und wieder andere schauen mich gar an als einen Jesuiten. - Und er schließt damit, dass er sagt: Ja, was kann man noch alles werden, wenn man beurteilt wird von den Petersburger Halunken! - Das sind nicht meine Worte, sondern die Worte eines guten Russen, eines Russen, an dem man sehen kann, wie es nicht leicht ist, die Gefühle der Sympathie oder Antipathie so ohne weiteres abzustreifen. Aber nehmen wir an, der russische Intellektuelle überlässt sich sich selbst. Wir haben gesagt: es ist die Welt erwartungsvoller Stimmung, die natürlich ist für das, was kommen soll, und das nicht mit Schwertern und Kanonen zu erkämpfen ist. Deshalb ist der Panslawismus so verlogen. Wenn er sich sich selbst überlässt, dann überlässt sich Mereschkowski dem, was er empfand, als er der Hagia Sophia gegenüberstand. Er hat es nur verwechselt mit dem westeuropäischen Christentum, das durch das faustische Streben durchgegangen ist." [12] Menschheitsfortschritt: "Der Mensch, der durch die Pforte des Todes geht, ohne sich um die Möglichkeit, Spirituelles in unserer Zeit aufzunehmen, gekümmert zu haben, übergibt seine Seele den höheren Welten, wenn er durch die Pforte des Todes schreitet, fast so, wie er sie empfangen hat, als er durch die Geburt in das physische Dasein hereingegangen ist, und die höheren Welten haben nichts von ihm, als was sie ihm bei seiner Einkörperung übergeben haben. Wer sich aber, nicht bloß durch Glauben, sondern durch das Einleben in die geistigen Welten hier aneignet, was aus der geistigen Welt heraus zu bekommen möglich ist, der übergibt seine Seele bei seinem Tode den geistigen Welten nicht so, wie er sie bei der Geburt empfangen hat, sondern er übergibt den übersinnlichen Wesenheiten auch das, was er sich hier erarbeitet hat an Begriffen, Vorstellungen und Empfindungen, und das gehört nicht bloß ihm an, sondern das gehört den übersinnlichen Wesenheiten. Wer das nicht mitbringt, lebt selbstverständlich auch in die geistige Welt hinein, aber er trägt nichts bei zum Menschheitsfortschritt. Würde man also immer so gelebt haben oder würde man von einem bestimmten Zeitpunkt an so leben, so würde kein Fortschritt zustande gekommen sein, oder von einem bestimmten Zeitpunkt an würde die Menschheit immer so geblieben sein, wie sie war. Dass Fortschritt, dass Weiterentwickelung geschieht, dass die Seelen immer etwas Neues finden können, wenn sie in neuen Inkarnationen die Erde betreten, hängt davon ab, dass sie Gelegenheit finden, das, was die besondere Mission der Zeit ist, in sich aufnehmen zu können. Es ist also letzten Endes eine Art Entschluss, ob man sich zur geistigen Welt in ein Verhältnis bringt oder nicht. Es konnte ja zum Beispiel jemand sagen: Was liegt mir am ganzen Menschheitsfortschritt? Was liegt mir an der Erdenentwickelung? Mag die Erde stillestehen! Ich lebe darüber hinweg. - Wer keine rechte Liebe, kein Interesse zum Erdenfortschritt hat, der kann ja so reden. Wer aber Liebe zum Menschheitsfortschritt als höchste Pflicht in sich trägt, der kann diesen Weg nicht wählen. Freiheit liegt auch auf diesem Gebiete." Das Christentum ist mehr als was von den Menschen hat verstanden werden können; Konstantin gegen Maxentius: "Gegenwärtig nennt man ja so häufig Christentum nur dasjenige, was von den Menschen hat verstanden werden können. Aber ich habe es öfter betont: Was durch das Christentum in die Welt gekommen ist, das ist so groß, so gewaltig, dass die menschliche Vernunft, der menschliche Verstand, bis zu unserer Gegenwart keineswegs in der Lage waren, auch nur das Elementarste aus den Kräften des Christus-Impulses wirklich zu begreifen. Wenn der Christus nur durch das hätte wirken sollen, was die Menschen von ihm haben begreifen können, dann würde er wenig haben wirken können. Aber nicht auf das kommt es an, was durch die menschlichen Vernunftbegriffe in die Menschheit eingegangen ist, was die Menschen sich haben vorstellen können von dem Christus, sondern dass er seit dem Mysterium von Golgatha da ist, unter den Menschen unmittelbar wirksam und in ihren Handlungsweisen tätig. Nicht darauf, inwiefern er von den Menschen begriffen worden ist, kommt es an, sondern dass er als lebendiges Wesen da war und sich hat hineinfließen lassen in das, was als maßgebende Tatsachen in der Entwicklung geschehen ist. Gewiss, wir sind durch unsere Geisteswissenschaft auch heute nur imstande, ein wenig von der Tiefe des Christus-Impulses zu begreifen; kommende Zeiten werden immer mehr und mehr davon begreifen und schauen. Zum Hochmut kann uns das nicht veranlassen, was wir heute von dem Christus-Impuls begreifen können. Die Geisteswissenschaft will einiges mehr begreifen, als man in verflossenen Zeiten von dem Christus hat begreifen können. In verflossenen Zeiten hat man über den Christus nur nachdenken können mit den Mitteln, die der äußere Verstand, die äußere Vernunft, die äußere Forschung geben. Jetzt bekommen wir dazu die Geisteswissenschaft, sehen dadurch in die übersinnlichen Welten hinein, und aus den übersinnlichen Welten können wir uns manche Antwort geben über die Bedeutung des Mysteriums von Golgatha. Am wenigsten waren in der Lage, gleich zu begreifen, was der Christus ist, und was diejenigen spirituellen Mächte sind, welche als die Volksseelen und dergleichen in seinem Dienste stehen, diejenigen Menschen, in deren Gebiet sozusagen der Christus zuerst einziehen musste. Dennoch musste der Christus- Impuls hineinfließen - zum Beispiel in die römische Welt. Und gerade an einem Beispiele, das wir in einem andern Zusammenhange schon angeführt haben, können wir am allerbesten sehen, wie der Christus als eine lebendige Macht tätig ist und seine spirituellen Diener anführt, wenn es sich darum handelt, diejenigen Tatsachen zu bewirken, die einfließen müssen in die Entwicklung zum rechten Fortschritt der Menschheit. Auf die Tatsache, die ich meine, möchte ich noch einmal hinweisen. Im Jahre 312 unserer Zeitrechnung ist es geschehen, dass derjenige, durch den innerhalb des Römischen Reiches das Christentum zur Staatsreligion wurde, Konstantin, Sohn des Konstantius Chlorus, mit seinem Heere dem damaligen Beherrscher von Rom, Maxentius, gegenüberstand. Gewiss, so wie die beiden Heere sich gegenüberstanden, musste man sagen: so ungünstig wie möglich standen die Bedingungen für Konstantin, denn sein Heer war fünfmal kleiner als das des Maxentius. Wir können uns aber vorstellen, dass nach dem Stande der damaligen Kriegskunst in beiden Heeren ganz bedeutende Heeresleiter waren. Aber es kam gerade damals nicht auf Menschenkunst an, sondern darauf, dass dem fortfließenden Christus-Impuls die Möglichkeit gegeben wurde, auf die auch von der damaligen Zeit geforderte Weise in die Menschheit einzugreifen. Was man damals vom Christus-Impuls verstehen konnte, was die Herzen der Menschen vom Christus-Impuls aufgenommen hatten aus dem damaligen Zeitbewußtsein heraus, davon können wir uns überzeugen, wenn wir uns anschauen, was ein paar Jahrzehnte spater sich um Rom und aus Rom vollzogen hat: wenn wir sehen, wie Julian, der Apostat, aus der ehrlichen Überzeugung dessen, was man damals aus Menschen wissen gewinnen konnte, das Christentum bekämpft hat. Und wer sich auf die Art einlässt, wie Julian und die Seinigen das Christentum bekämpften, der wird sich sagen: Ganz gewiss, vom Menschen wissen aus waren Julian und seine Anhänger auf der Höhe ihrer Zeit; von diesem Standpunkte aus waren sie viel aufgeklärter als die Christen ihrer Zeit, trotzdem sie wieder zum Heidentum übergegangen waren. Von ihnen kann man sagen: sie vertraten, was man als Menschenwissen damals vertreten konnte. Aber was Menschenwissen ist, das durfte nicht im Jahre 312 das Entscheidende sein, sondern es mußte die Möglichkeit gegeben sein, dass der Christus und seine Diener in die geschichtliche Entwickelung der Menschheit eingriffen. Aber wenn Maxentius und die Seinigen sich noch so sehr auf die Feldherrnkunst der Ihrigen hätten stützen können wie auch auf das, was man sonst mit Menschenwissen und Menschenweisheit damals hätte erreichen können, und weiter nichts geschehen wäre, dann würde ganz zweifellos nicht das zum Vorschein gekommen sein, was damals hatte zum Vorschein kommen müssen. Was geschah also? Was geschah, war folgendes: Der fortlaufende Christus-Impuls floss hinein in diejenigen Tätigkeiten der Seelen, die nicht im Bewußtsein der Menschen lagen, von denen die Menschen nichts wußten. Und er lenkte tatsächlich die Menschen so, dass das zustande kam, was zustande kommen sollte. Denn es wurde die Schlacht zwischen Konstantin und Maxentius, die am 28. Oktober 312 am Saxa Rubra stattfand, nicht entschieden durch Menschenkunst; sondern sie wurde entschieden - so sehr sich auch die heutige Aufklärung dagegen sträuben mag, das anzuerkennen - durch Träume, das heißt, was man so «Träume» nennt, aber was sie für uns nicht sind. Denn alles dasjenige floß durch die Traume in die Seelen der beiden Feldherren hinein, was durch die menschliche Vernunft nicht in sie fließen konnte. Maxentius träumte vorher, dass er seine Stadt verlassen müsste. Er wandte sich auch noch an das Sibyllinische Orakel; das sagte ihm, er werde das, was geschehen sollte, erreichen, wenn er nicht innerhalb, sondern außerhalb der Stadt den Kampf wagen würde. Es war das Unklügste, was er hatte tun können, insbesondere noch dadurch, dass sein Heer um so viel stärker war als das des Konstantin. Er hätte wissen müssen, dass er das, was er aus den höheren Welten bekam, erst hätte deuten müssen, und dass der Orakelspruch ihn irreführen würde. Konstantin wieder hatte einen Traum, der ihm sagte, er werde siegen, wenn er unter dem Zeichen Christi sein Heer in den Kampf führen würde, und so richtete er seine Taten dementsprechend ein. Was auf dem Umwege des Traumes in die Seelen hineinfloss, das ging in die Tat über, und das führte das herbei, was damals die Welt so verändert hat, so dass man nur ein wenig nachzudenken braucht, um sich zu sagen: Was wäre aus der Welt des Abendlandes geworden, wenn eben nicht übersinnliche Mächte in einer so anschaulichen Weise in die Ereignisse eingegriffen hätten? Aber nun sehen wir uns die Ereignisse näher an. Seelen waren damals im Westen und Süden Europas inkarniert, die das Christentum annehmen sollten, die zum Träger des Christentums werden sollten. Durch ihren Verstand, durch ihre Vernunft konnten gerade die erleuchtetsten Seelen damals nicht dazu kommen, Träger des Christus-Impulses zu werden, weil die Zeit nicht dazu angebahnt war. Sie mussten durch das, was äußerlich um sie herum geschaffen worden ist, zum Christentum kommen. Man kann von diesen Menschen sagen: sie zogen das Christentum gleichsam als ein Kleid an, und sie wurden gar nicht in ihrem tieferen Wesen allzu sehr davon ergriffen. Sie wurden mehr dienende Glieder, als dass sie unmittelbar in ihrem tiefsten Wesen von dem Christus-Impuls wären ergriffen worden. So war es im Grunde genommen noch lange Zeit hindurch mit den besten Seelen im westlichen Gebiet Europas, bis ins achte, neunte Jahrhundert hinein und noch weiter. Es war für sie nötig, das Christentum als ein Kleid anzunehmen, dieses Kleid des Christentums so zu tragen, dass sie es in ihrem Ätherleibe trugen und nicht in ihrem astralischen Leibe. Sie ermessen, was es bedeutet, wenn ich sage, sie trugen das Christentum im Ätherleibe. Das heißt, sie nahmen es so an, daß sie Christen waren im Wachzustande, dass sie das Christentum aber nicht mitnehmen konnten, wenn sie aus dem physischen und ätherischen Leibe heraus waren. Und so gingen sie auch durch die Pforte des Todes, dass wir von ihnen sagen können: sie konnten aus dem Reiche, das der Mensch durchzumachen hat zwischen Tod und neuer Geburt, hinunterschauen auf das, was sie in dem verflossenen Erdenleben waren. Aber die christlichen Impulse, die aus dem damaligen Leben hervorgingen, mitzunehmen für ihr weiteres Leben, das war ihnen damals nicht unmittelbar möglich. Sie trugen eben das Christentum mehr als ein Kleid." [13] Der Christus-Impuls musste einfließen in die Taten des europäischen Kontinentes, deutsche Mystik, der durch seinen michaelischen Diener in der Jeanne d'Arc wirkende Christus-Impuls: "Wir wissen, dass die Zeit, in der wir jetzt leben, der fünfte nachatlantische Kulturzeitraum, hauptsächlich so um das fünfzehnte, sechzehnte Jahrhundert begonnen hat, damals, als sich für die europäische Welt das vorbereiten sollte, was vorzugsweise in unserer Zeit zur Entwickelung der Bewußtseinsseele führen sollte. Das ist ja das, um was es sich in unserm fünften Kulturzeitraum handelt. Was da bewirkt werden sollte, das mußte bewirkt werden im Hinblick darauf, dass auch äußerlich im Erdendasein diejenigen Erdenverhältnisse eintraten, welche gerade dem Entwickeln der Bewußtseinsseele günstig waren, jener Seele, die sich entwickeln kann, wenn sie sich hinlenkt auf das materielle Erdendasein, auf die äußeren Tatsachen des physischen Daseins. Das musste beginnen, und das begann auch. Wir brauchen uns nur daran zu erinnern, wie der Gesichtskreis Europas über die Erde hin durch die großen Entdekkungen und durch das, was sie im Gefolge hatten, erweitert wurde, so dass die Bewußtseinsseele sich vorzugsweise unter materiellem Einfluss entwickeln musste. Wir brauchen dabei nur an eines zu denken, worauf wir auch hingewiesen haben: zur Entfaltung und Entwickelung der Bewußtseinsseele ist besonders berufen, einseitig berufen, was zum Gebiete der britischen Volksseele gehört. Und man kann sich kaum denken, wenn man alle Einzelheiten prüft, dass irgend etwas so planvoll vor sich gegangen war, wie dieses Hinlenken der britischen Volksseele zu diesen materiellen Aufgaben des Lebens. Das lag im Bereiche der Entwicklung der Menschheit durchaus vorgezeichnet. Stellen wir uns nun einmal vor, dass England im fünfzehnten Jahrhundert abgelenkt worden wäre von seinem Hinneigen gerade zu denjenigen Gebieten der Erde, auf die es durch die Entdeckung der großen außereuropäischen Gebiete hingelenkt worden war, und dass die britische Volksseele im fünfzehnten Jahrhundert dahin gekommen wäre, bedeutende Gebietserweiterungen auf dem europäischen Kontinent zu erleben. Stellen wir uns vor, dass also die Landkarte Europas in dieser Weise verändert worden wäre. Unmöglich wäre es dann gewesen, erstens das zu erreichen, was eben auf dem Gebiete der materiellen Kultur erreicht werden musste, und zweitens das zu erreichen, was in Europa erreicht werden musste durch jene Verinnerlichung des Lebens, die unter mancherlei Hindernissen gerade von jenem Zeitpunkte an vor sich gegangen ist unter der Mitwirkung des ja doch durch die deutsche Mystik vielfach beeinflußten Protestantismus. Griff aber der Christus-Impuls in die Entwicklung ein, so musste er dafür sorgen, dass die britischen Interessen ferngehalten wurden von dem Gebiete, wo die Seelen noch vorbereitet werden sollten, um äußere, äußerliche Träger des Christus- Impulses zu sein. Der Christus-Impuls musste einfließen in die Taten des europäischen Kontinentes. Er musste so wirken, dass er viel mehr bewirkte als das, was durch die Menschheit, durch ihre Menschheitskünste, geschehen konnte. Und was geschah? Das Wunderbare geschah, dass alles dasjenige, was diejenigen nicht haben leisten können, die auf der Höhe ihrer Zeit standen, das arme Hirtenmädchen von Orleans, Jeanne d'Arc, leistete. Damals war es wirklich der durch seinen michaelischen Diener in der Jeanne d'Arc wirkende Christus-Impuls, der verhinderte, dass Frankreich etwa mit England zusammenfließen würde, und der bewirkte, dass England auf seine Insel zurückgedrängt wurde. Und das Doppelte wurde damit erreicht: einmal, dass Frankreich die Hände in Europa frei behielt, was wir studieren können, wenn wir die folgenden Jahrhunderte in Frankreichs Geschichte verfolgen, und dass dasjenige, was im französischen Volksgeiste noch lag, durchaus ungehindert auf die europäische Kultur wirken konnte; und das andere, was erreicht wurde, war, dass England sein Gebiet angewiesen bekam außerhalb des europäischen Kontinentes. Diese Tat, welche so durch die Jeanne d'Arc hingestellt wurde, war nicht etwa bloß für die Franzosen ein Segen, sondern auch für die Engländer selbst, indem sie auf ihr Gebiet gedrängt wurden. Wenn wir es aber im Zusammenhange betrachten mit dem, was im Fortschritt des Christus-Impulses auf der Erde liegt, so wurde durch die Tat der Jeanne d'Arc etwas bewirkt, von dem wir sagen können: Was sie davon mit einem wirklichen menschlichen Verstände verstanden hat, das ist gleich Null gegenüber dem, was der Karte von Europa die heutige Gestalt gegeben hat. So mussten eben die Ereignisse verlaufen, damit der Christus-Impuls in der richtigen Weise sich ausbreiten konnte. Da sehen wir, hereinbrechend in die geschichtlichen Ereignisse aus den unterirdischen Gründen der Menschennatur heraus, was der lebendige Christus ist; nicht der, den die Menschen verstehen. Denn wir können den Christus-Impuls in zweifacher Weise betrachten. Einmal können wir uns fragen: Was verstanden damals die Menschen von dem Christus-Impulse? Wenn wir die Geschichte aufschlagen und die Menschheitsgeschichte verfolgen, so finden wir in den verflossenen Jahrhunderten streitende Theologen, die alle möglichen Theorien verteidigen oder bekämpfen, die darzulegen versuchen, wie man die menschliche Freiheit, die göttliche Trinität und so weiter aufzufassen habe. Unzählige Theologen sehen wir so sich streiten, indem sie sich gegenseitig als rechtgläubige Theologen anerkennen oder im anderen Falle verketzern. Daher sehen wir eine christliche Lehre sich ausbreiten, ganz nach den Möglichkeiten der damaligen Zeit. Das ist das eine. Aber darauf kommt es nicht an, ebensowenig wie es jetzt darauf ankommt, was die Menschen mit dem gewöhnlichen Verstände tun können. Sondern darauf kommt es an, dass der Christus unsichtbar unter den Menschen lebt als lebendiges Wesen und aus den unsichtbaren Gründen herauf in die Taten der Menschheit einfließen kann. Und das tat er an einer Stelle, wo er eben gar nicht einzufließen brauchte durch den menschlichen Verstand, durch die menschliche Vernunft, sondern wo er einfließen konnte durch die Seele einer «Unverständigen», durch die Seele der Jungfrau von Orleans. Und als er einfloss, wie verhielten sich da diejenigen, welche das Christentum als die offizielle Lehre begreifen konnten? Nun, sie fanden, dass sie den Träger des Christus-Impulses verbrennen mussten! Es hat einige Zeit gebraucht, bis diese offizielle Lehre zu einer anderen Ansicht gekommen ist. Für die offizielle Lehre mag das von seinem Wert sein, aber für die damaligen Ereignisse ist die Heiligsprechung der Jungfrau von Orleans nicht gerade die rechte Reputation. Das ist so recht eines der Beispiele, an denen wir sehen können, wie der Christus durch seine Diener - ich sagte, durch die Jungfrau von Orleans wirkte er durch seinen michaelischen Geist - in die Menschheitsentwickelung eingriff als lebendiges Wesen, nicht bloß durch das, was die Menschen von ihm verstehen. Aber wir können auch noch etwas anderes gerade an diesem Beispiel sehen. Das Christentum war ja da. Die Leute nannten sich ja Christen, die gewissermaßen herum waren um die Jungfrau von Orleans. Sie verstanden ja etwas unter ihrem Christentum. Aber man müsste von dem, was sie verstanden, sagen: Der, den ihr sucht, der ist nicht da, und der da ist, den suchet ihr nicht, denn den kennt ihr nicht. Trotzdem müssen wir uns klar sein, dass es wichtig, dass es wesentlich war, dass die Christus-Entwickelung auch in diesem äußerlichen Gewände, in dem sie dort auftrat, durch die Entwickelung von Europa ging. Seelen gehörten dazu, die eben in diesem äußeren Gewände das Christentum annehmen konnten, die es gleichsam äußerlich tragen konnten. Sie waren noch immer die Nachzügler derjenigen Seelen, die früher dort verkörpert waren, Seelen also, die den Christus noch immer nicht in ihr Ich aufnahmen, sondern immer noch nur in den Ätherleib aufnahmen. Und der große Unterschied zwischen der Jungfrau von Orleans und den andern war der, dass sie in die tiefsten Gründe ihres astralischen Leibes den Christus- Impuls aufnahm und von den tiefsten Kräften des astralischen Leibes aus für den Christus-Impuls wirkte. Gerade hier haben wir einen der Punkte, wo wir uns klarmachen können, was uns klar werden muss: den Unterschied zwischen der fortlaufenden Entwikkelung der Völker und der fortlaufenden Entwicklung der einzelnen menschlichen Individualitäten." [14] Das mitteleuropäische Volk als ein Beispiel, wo Seelen mehrmals durch ein und dasselbe Volkstum durchgehen; Dichter des Nibelungenliedes, Walther von der Vogelweide, Goethe, Mater gloriosa; es wäre katastrophal wenn Russland durch brutale Kraft sich ausdehnen sollte nach Westen hin, über Mitteleuropa; Harmonisierung mit Europa statt russische Welt: "Das ist der Fall beim mitteleuropäischen Volke. Dieses mitteleuropäische Volk hat viele Seelen, welche heute darin leben, und die auch früher innerhalb der germanischen Völker verkörpert waren. Solcher Tatsache können wir nachgehen. Wir können sie oftmals mit den Mitteln der okkulten Forschung, wie wir sie bis jetzt haben, gar nicht völlig erklären; aber sie steht da. Eine solche Tatsache, wie sie zum Beispiel im öffentlichen Vortrag am letzten Donnerstag «Die germanische Seele und der deutsche Geist» gezeigt wurde, bekommt Licht, wenn wir wissen, dass Seelen wiederholt innerhalb der mitteleuropäischen Volksgemeinschaft erscheinen. Das ist die Tatsache, dass wir gerade innerhalb dieser Volksgemeinschaft abgerissene Kulturepochen haben. Man soll sich nur vorstellen, was es bedeutet, dass innerhalb der Morgenröte der germanischen Kultur es eine Epoche gegeben hat, wie sie da war bei den Dichtern des Nibelungenliedes, bei Walther von der Vogelweide und anderen; und man soll sich vorstellen, dass später eine Zeit begann, in welcher eine neue Blütezeit der germanischen Kultur einsetzte, und wo die erste Blüte ganz vergessen war. Denn zur Zeit, als Goethe jung war, wusste man sozusagen nichts von der ersten Blüte germanischen Kulturlebens. Gerade weil die Seelen innerhalb dieser Volksgemeinschaft wiederkehren, musste vergessen werden, was schon einmal da war, damit die Seelen etwas Neues fanden, wenn sie wiederkehrten, und nicht unmittelbar an das anknüpfen konnten, was aus den früheren Zeiten geblieben war. Bei keinem andern Volke ist es so, dass gewissermaßen solche Metamorphose durchgemacht worden wäre wie beim mitteleuropäischen Volke: von jener Höhe, welche vorhanden war im zehnten, elften, zwölften Jahrhundert, zu jener andern Höhe, die wieder da war um die Zeit vom Ende des achtzehnten und Beginn des neunzehnten Jahrhunderts und deren Fortwirken wir erhoffen dürfen. ... Wir müssen uns das Folgende klarmachen. Wir müssen uns erinnern, wie es im geraden Fortschritt des mitteleuropäischen Geisteslebens liegt, das germanische Seelenleben ganz bewußt mit dem Christentum zu verbinden, es hinaufzuführen zu den Höhen einer geraden christlichen Kultur. Dazu sind ja die Strömungen, die Wege in wunderbarer Weise seit Jahrhunderten vorgezeichnet. Das sehen wir sich anbahnen. Gerade wenn wir unsere Zeit mit allen ihren Fehlern und Irrtümern in Betracht ziehen, da sehen wir, dass keimhaft veranlagt ist in der mitteleuropäischen Kultur, dass mit allen Kräften Vorbereitungen gemacht sind im deutschen Volksgeist, in der germanischen Volksseele, damit bewußt nun ergriffen werde der Christus-Impuls. Das ist eine Tatsache von unendlich höherer Bedeutung noch als diejenige des fünfzehnten Jahrhunderts, als das Mädchen von Orleans Frankreich zu retten hatte, weil Frankreich damals eine bedeutende Mission hatte. Wir stehen also vor der bedeutsamen Tatsache, dass in der Zukunft der deutsche Geist dazu berufen ist, im vollen Wachzustande mit den Tatsachen, die in das deutsche Geistesleben eingeflossen sind, den Christus-Impuls immer bewußter aufzunehmen. Er musste wirken, dieser Christus-Impuls, durch die Jahrhunderte so, wie wir stets gezeigt haben, indem er sich in den Seelen durch die unterbewußten Vorgänge ankündigte. Und er muss sich in der Zukunft mit den Seelen in der Weise verbinden, dass es Menschen gibt - die es in Mitteleuropa geben muss - , die im Wachzustande, unter Anstrengung ihrer bewußten Geisteskräfte, nicht nur derjenigen, die im physischen Leibe und Ätherleibe sind, auch ihr Ich und ihren astralischen Leib mit dem Christus-Impuls verbinden. Wir sehen es bei den Besten angestrebt. Nehmen wir den Allerbesten: Goethe. Aber was bei Goethe als ein besonderes Beispiel angeführt werden kann, das liegt in allen Seelen, wenn sie es auch nur dunkel erstreben. Wir sehen, wie Goethe den Repräsentanten der Menschheit, den Faust, hinstellt, den er streben laßt nach dem Höchsten. In die griechische Kultur hinein führt er ihn im zweiten Teile der Dichtung, führt ihn hinein in alles, was Völker erleben, führt ihn so hinein, dass Faust in bedeutsamer Weise die Zukunft vorauslebt da, wo er Land dem Meere abringen und etwas begründen will, was ihm eine ferne Zukunft ist. Und wozu lässt er ihn zuletzt kommen? Goethe hat es selbst einmal in einem Gespräche zu Eckermann gesagt: er musste die anschaulichen Vorstellungen des Christentums zu Hilfe nehmen, um zu zeigen, wie Faust in die geistige Welt hinaufschwebt. Und wenn Sie das wunderbar schöne Bild nehmen, wie die Mater gloriosa Fausts Seele empfängt, so haben Sie das Gegenbild zu jenem, was Raffael angeregt hat zu seinem bekanntesten Bilde, der Sixtinischen Madonna: da bringt die jungfräuliche Mutter die Seele herab. Am Ende des «Faust» sehen wir, wie die Jungfrau- Mutter die Seele hinaufträgt: es ist die Todes-Geburt der Seele. So sehen wir ganz bewußt aus dem Menschengeist heraus das intimste Streben, das, was aus dem Christentum zu erringen ist, sich immer so zu erringen, dass es durch die Todespforte hindurch hineingetragen werden kann in das Leben, das der Mensch nach der Vorbereitung zwischen dem Tode und der nächsten Geburt in einem neuen Erdenleben durchlebt. Was wir so bei Goethe selbst sehen können, ist ein Charakterzug der deutschen Nation. Und an diesem können wir ermessen, welche Aufgabe für die Menschen da ist. Das ist die Aufgabe, und das können wir uns ganz klar vor die Seele hinschreiben: dass es zum wirklichen Segen des Menschheitsfortschrittes nur werden kann, wenn nun in einem bestimmten Kreise ein harmonisches Verhältnis geschaffen wird zwischen Mitteleuropa und Osteuropa. Man könnte sich denken, dass Osteuropa durch brutale Kraft sich ausdehnen konnte nach Westen hin, über Mitteleuropa. Man könnte sich denken, dass es dahin kommen könnte. Das würde aber genau dasselbe bedeuten, wie wenn im fünfzehnten Jahrhundert die Tat der Jeanne d'Arc nicht geschehen wäre und England damals Frankreich annektiert hätte. Wenn es dahin gekommen wäre, das sagte ich ausdrücklich, so wäre damit etwas geschehen, was nicht nur zum Unheile Frankreichs gewesen wäre, sondern auch England zum Unheil gereicht hätte. Und würde jetzt die deutsche Geisteskultur beeinträchtigt werden vom Osten herüber, so würde das nicht bloß die deutsche Geisteskultur schädigen, sondern auch den Osten mit. Das Schlimmste, was den Osten treffen könnte, wäre, dass er zeitweilig sich ausbreiten und die deutsche Geisteskultur schädigen könnte. Denn ich sagte: die früher in Westeuropa oder auf der italienischen Halbinsel verkörperten Seelen, die jetzt im Osten aufwachsen, sie vereinigen sich in den unterbewußten Untergründen des astralischen Leibes wie instinktiv mit dem Christus- Impuls. Was aber der Christus-Impuls in ihnen werden soll, das kann er nie werden durch eine gerade Fortentwickelung dessen, was da instinktiv unter dem Namen des orthodoxen Katholizismus, der ja im wesentlichen byzantinisch ist, in den Seelen lebt und der ein Name, nicht ein Impuls ist. Es ist ebenso unmöglich für ihn, das zu werden, was er werden soll, wie es unmöglich ist, dass eine Frau ohne einen Mann ein Kind haben könnte. Und wenn aus dem Osten selbst heraus, wie er jetzt ist, etwas werden soll, so gliche das dem törichten Bestreben, wie wenn eine Frau ohne einen Mann ein Kind bekommen wollte. Was im Osten sich vorbereitet, das kann nur dadurch etwas werden, dass in Mitteleuropa in kräftiger Weise, bewußt - das heißt im vollen Wachzustande - aus dem, was die Seelen aus der Ich-Natur heraus erstreben, die menschliche Ich- Kraft und die menschlichen Erkenntniskräfte verbunden werden mit dem Christus-Impuls. Nur dadurch, dass der deutsche Volksgeist Seelen findet, welche so den Christus-Impuls in den astralischen Leib und in das Ich hineinverpflanzen, wie er hineinverpflanzt werden kann eben im vollen Wachzustande, nur dadurch kann für eine Kultur der Zukunft das entstehen, was entstehen muss. Und es muss entstehen durch eine Harmonisierung, durch eine Verbindung mit dem, was in Mitteleuropa bewußt, immer bewußter und bewußter erreicht wird. Dazu werden nicht nur ein, zwei Jahrhunderte, sondern noch lange Zeiten notwendig sein. So lange Zeiten werden dazu gehören, dass ungefähr gerechnet werden kann, ich will sagen, vom Jahre vierzehnhundert an etwa zweitausendeinhundert Jahre. Rechnet man zum Jahre vierzehnhundert zweitausendeinhundert Jahre hinzu, dann bekommt man den Zeitpunkt, der annähernd in der Erdenentwickelung das erscheinen lassen wird, was sich keimhaft veranlagt hat im deutschen Geistesleben, seit es ein solches Geistesleben gibt. Daraus aber ersehen wir, dass wir hinblicken müssen auf eine Zukunft von nicht nur Jahrhunderten, sondern von mehr als einem Jahrtausend, in welchem der mitteleuropäische, der deutsche Volksgeist seine Aufgabe hat, seine Aufgabe, die schon daliegt und die darin besteht, dass immer mehr und mehr solche Pflege des Geisteslebens da sein muss, durch welche im Wachbewußtsein aufgenommen wird - bis in den astralischen Leib und das Ich hinein - das Verständnis dessen, was früheren Zeiten unbewußt, lebendig als der Christus-Impuls durch die europäischen Volker gegangen ist. Wenn aber die Entwicklung diesen Gang nehmen wird, dann kann nach und nach durch das Hinaufranken zu dem, was in Mitteleuropa also erreicht wird, im Osten diejenige Stufe erstiegen werden, die dort vermöge der besonderen Veranlagungen erstiegen werden kann. Das ist der Wille der Welten Weisheit. Diesen Willen der Weltenweisheit interpretieren wir nur dann im richtigen Sinne, wenn wir uns sagen: Das größte Unglück auch für den Osten Europas wäre es, wenn er diejenige geistige Macht schädigen würde, an der er sich gerade hinaufranken muss, die er gerade verehrend, freundschaftlich verehrend hegen und pflegen müsste. Er muss eben noch dazu kommen. Vorläufig fehlt ihm noch sehr, sehr vieles dazu; gerade den Besten fehlt dort noch sehr vieles dazu. In ihrer Kurzsichtigkeit lassen sie sich noch immer nicht ein auf das, was gerade das mitteleuropäische Geistesleben dem Osten geben kann." [15] Literarhistoriker,
Schiller: "Während wir in Anatole France einen Menschen haben, der
vom aufklärerischen materialistischen Standpunkt der Gegenwart auf
die Jeanne d'Arc hinblickt, ist es dem deutschen Geistesleben seit Schillers
großer Tat natürlich, das Mädchen von Orleans aus dem Milieu
des Übersinnlichen heraus zu begreifen. Selbst innerhalb Deutschlands
gibt es noch Menschen, die das als einen großen Fehler Schillers
betrachten; aber diese Menschen sind die Literarhistoriker, und bei denen
ist es zu begreifen. Denn ihre Aufgabe ist es ja, die Literatur und die
Kunst zu «verstehen» - und deshalb können sie es nicht.
Aber was wesentlich ist: wir haben dieses Werk, das es unternimmt, aus
den Untergründen des spirituellen Lebens heraus wie in Glorie auferstehen
zu lassen die Gestalt, von der Schiller sagt: «Es liebt die Welt,
das Strahlende zu schwärzen und das Erhabne in den Staub zu ziehn.»
[16]
8. Menschenschicksale und Völkerschicksale II; Maschinen haben für unseren Geist, für unsere Seele etwas Zerstörendes, ahrimanisch- dämonische Diener sind mit der Maschine vereinigt; die stärkste Attacke ausführen, das konnten die Gegner der Jeanne d'Arc ihr gegenüber, ihre Mission verhindern konnten sie nicht; Spiritualisierung der menschlichen Kultur, des menschlichen Begriffs- und Vorstellungsvermögens; deutsches Geistesleben, deutsche Mystiker wie Meister Eckhart und Jobannes Tauler, Jacob Böhme und Angelus Silesius, Lessing und die Anerkennung der Idee der wiederholten Erdenleben, Goethes «Faust» als eine Glorifizierung des Hinaufsteigens in die geistigen Welten, spirituelle WissenschaftMaschinen haben für unseren Geist, für unsere Seele etwas Zerstörendes, ahrimanisch- dämonische Diener sind mit der Maschine vereinigt; Wenn wir nun von der Geburt der Jungfrau von Orleans ungefähr 2160 Jahre (ein Sonnenzyklus) zurückgehen, so kommen wir zur Gründung Roms, Nymphe Egeria: "Ein Mechanismus, den wir auf erbaut haben, ist aber etwas ganz anderes als die Natur draußen, die auferbaut ist von den Elementargeistern. Draußen, wenn wir zum Beispiel im Walde sind, wo alles aufgebaut ist von den Naturgeistern, da sind wir in einer ganz anderen Umgebung, als wenn wir in der Umgebung der Mechanismen sind, die wir auferbaut haben. Denn was tun wir, indem wir das, was wir der Natur entnehmen, mechanisch zusammenfügen für unser Leben zu Maschinen und Geräten? Da fügen wir nicht nur die Teile der Materie zusammen. Sondern dadurch, dass wir Teile der Materie zusammenfügen, geben wir jedesmal Gelegenheit, dass ein ahrimanisch- dämonischer Diener sich mit der Maschine vereinigt. Bei jeder Maschine, bei jedem Mechanismus, bei allem, was in dieser Beziehung zum heutigen Kulturleben gehört, vollziehen wir das, dass wir dämonischen Elementargeistern, den ahrimanischen Naturen angehörenden Dienern einen Ansatzpunkt geben. Und indem wir in dieser Umgebung der Maschinen leben, leben wir dann zusammen mit diesen dämonisch-ahrimanischen Elementargeistern. Wir durchdringen uns mit ihnen; wir durchdringen uns nicht nur mit dem Gequietsche und Geknarre der Mechanismen, sondern auch mit dem, was im eminentesten Sinne für unseren Geist, für unsere Seele etwas Zerstörendes hat. Wohlgemerkt - ich habe bei ähnlichen Gelegenheiten oftmals eine ähnliche Bemerkung gemacht -, es soll das, was ich sage, nicht eine Kritik unseres ahrimanischen Zeitalters sein. Denn das muss so sein, dass wir überall Dämonen hineinströmen lassen und uns von ihnen umgeben lassen. Das liegt in der Entwickelung der Menschheit. Und weil wir es einfach als notwendig anerkennen müssen, deshalb werden wir, wenn wir den eigentlichen Impuls der Geisteswissenschaft verstehen, nun nicht etwa ein Lob anstimmen auf die, welche da sagen: Also muss man sich möglichst schützen vor den Dämonen und die Kultur fliehen, muss sich möglichst in der Einsamkeit eine Kolonie erbauen, so dass man nichts mit diesen dämonisch-ahrimanischen Elementargeistern zu tun hat. Das ist nie der Tenor gewesen, den ich bei meinen Ausführungen angeschlagen habe, sondern ich habe immer gesagt, dass das, was die Notwendigkeit der Entwickelung über uns bringt, voll hingenommen werde, dass man sich nicht zur Flucht vor der Welt dadurch verleiten lässt. Aber ins Auge gefasst, verstanden muss es werden, dass unser Zeitalter dazu angetan ist, dass wir unsere Umgebung immer mehr mit dämonischen Naturen durchdringen, dass wir immer mehr zu tun haben mit dem, was unsere Kultur mechanisiert. Ein solches Zeitalter erfordert etwas ganz anderes, als jenes Zeitalter erfordert hat, aus dem die Jungfrau von Orleans zu ihrer Wirksamkeit berufen worden ist. Dieses Zeitalter der Jungfrau von Orleans forderte, ich möchte sagen, dass aus den sanftesten, den subtilsten Kräften der Menschenseele herausgeboren wurde der Impuls, aus dem die Jungfrau von Orleans wirken sollte, aus den sanftesten Kräften der Seele. Man bedenke: ein Hirtenmädchen war sie, also umgeben von der einfachsten, idyllischsten Natur. Früh kam es über sie in Gesichten, so dass sie durch die Imaginationen, die ihr gegeben waren, den unmittelbaren Zusammenhang mit der geistigen Welt hatte. Alles sollte sie aus ihrem Innern herausbringen, aus ihrem Innern heraussprießen lassen, was sie zur Grundlage ihres Wirkens haben sollte. Ja, nicht nur das, sondern die ganz besonderen Umstände mussten herbeigeführt werden, um in ihre Seele, in ihr intimstes Inneres hinein durch die zartesten Kräfte, welche die menschliche Seele hat, ihre Mission zu prägen. Wir wissen ja, dass in der Welt alles zyklisch vor sich geht, dass sich die Dinge so abspielen, dass sich nach bestimmten Zyklen wichtige Ereignisse ergeben. Wenn wir das Geburtsjahr - 1412 - der Jungfrau von Orleans nehmen, so können wir uns da eine bestimmte Frage stellen. Wir können sagen: das Geburtsjahr dieser Jungfrau von Orleans hat selbstverständlich die Sonne an einem bestimmten Ort - astronomischen Ort - gesehen, bedeckend eines der Sternbilder des Tierkreises. Ein wichtiger Zeitabschnitt verläuft nun, indem die Sonne von einem solchen Sternbilde zum nächsten weiterschreitet. Indem sie ganz im Tierkreis herumgeht, geht sie durch die zwölf Sternbilder; aber ein wichtiger Zeitraum von ungefähr 2160 Jahren verläuft, wenn die Sonne von einem Sternbilde des Tierkreises zum andern geht, also ein Sternbild weit vorrückt. Wenn wir nun von der Geburt der Jungfrau von Orleans ungefähr 2160 Jahre zurückgehen, so kommen wir zur Gründung Roms. Wenn man zur Zeit der Gründung Roms über wichtige Angelegenheiten des eben sich begründenden Roms Aufschluss erhalten wollte, dann begab man sich zur Nymphe Egeria; da konnte man Aufschluss erlangen, von einer Seherin Aufschluss erlangen. Das war aber, wie gesagt, einen Sonnenzyklus zurück. So erneuern sich die Zeiten, und so beruht alles auf zyklischen Vorgängen. Also, wenn wir uns vorstellen: die Sonne stand an einem bestimmten Punkte des Sternbildes des Widders zur Zeit der Gründung Roms, sie schreitet dann fort, schreitet bis zu den Fischen hin, so dass sie damit ein Zwölftel des Tierkreises vorgeschritten ist, so kommen wir durch den Zyklus, der notwendig in der Entwickelung der Menschheit vor sich gehen muss, von der Nymphe Egeria zu der inspirierten Tat der Jungfrau von Orleans. Aber im alten Rom haben wir es zu tun mit heidnischer Inspiration, mit heidnischen Taten. Wenn wir uns vorstellen, dass dasselbe Seherische, das zur Zeit der Gründung Roms wirksam war, in einem christlichen Zeitalter wirken sollte, und von innen heraus durch die zartesten menschlichen Kräfte wirken sollte, was musste dann geschehen? Sie können sich vorstellen, dass etwas geschehen musste, was wieder mit den intimsten, mit den feinsten Kräften des Christentums irgendwie zusammenhängt."Die stärkste Attacke ausführen, das konnten die Gegner der Jeanne d'Arc ihr gegenüber; ihre Mission verhindern konnten sie nicht: "Es war die Zeit, in der durch den Christus-Impuls Europa geordnet worden ist, wie ich es das letztemal angedeutet habe, und in der es in jener wunderbaren Weise geschah, wie es eben durch die Jungfrau von Orleans geschehen ist. Aber es ist die Zeit eben seither anders geworden. Die Zeit ist heute nicht dazu da, dass in so intimer Weise die göttlich geistigen Kräfte an die menschliche Seele herantreten. Was war eigentlich die Aufgabe der Jungfrau von Orleans, wenn wir eine Begleiterscheinung ins Auge fassen, eine Begleiterscheinung ihres ganzen Lebens? Von innen aus wurde sie angepackt mit den Kräften der göttlich-geistigen Welt. Was diese Kräfte in der Seele antrafen, waren die luziferischen Kräfte. Diese luziferischen Kräfte waren in der damaligen Zeit mächtig und stark. Durch das, was die Jungfrau von Orleans in sich trug, wurde sie die Besiegerin der luziferischen Kräfte. Sie wurde diese Besiegerin der luziferischen Kräfte für jeden, der sehen will, ganz sichtlich. Wir haben auf ihre wunderbare Geburt einen Blick geworfen und haben gesehen, wie sie gewissermaßen die unbewußte Initiation durchmachte bis zum Tage der Epiphanie, bis zum Tage der sogenannten Offenbarung Christi. Wir können aber auch auf ihren Tod hinweisen, der dadurch eingetreten ist, dass alle luziferischen Kräfte ihrer Feinde sich zusammengetan und diesen Tod herbeigeführt hatten. Ihr Unglück in einer Schlacht wurde herbeigeführt durch die Eifersucht derjenigen, die als offizielle Leiter diese Schlacht zu lenken hatten. Dann aber tat sich alles auf, was eifersüchtig war auf solche Offenbarungen geistiger Kräfte und geistiger Mächte, wie sie durch sie zur Erscheinung kamen. Man machte ihr den Prozess. Die Prozessakten sind vorhanden, und es kann jeder durch das Studium dieser Prozessakten - wenn er nicht gerade so vernagelt ist wie Anatole France - sehen, dass diese Jungfrau von Orleans, so wie sie auf eine wunderbare Weise, durch die dreizehn Nächte, in die physische Welt hereingekommen ist, auch aus ihr hinausging. Denn in den Prozessakten steht es, es kann also historisch belegt werden, dass sie gesagt hat, dass sie zwar sterben werde, aber die Engländer werden nach ihrem Tode eine viel größere Schlappe erleiden, als sie vorher erlitten haben, und innerhalb der nächsten sieben Jahre werde es geschehen. - Wenn wir solches im richtigen spirituellen Sinne verstehen, so bedeutet es nichts anderes, als dass die Seele der Jungfrau von Orleans, als sie durch die Pforte des Todes ging, ihre Bereitschaft erklärt hat, auch mitzuarbeiten an der weiteren Gestaltung der Ereignisse nach ihrem Tode, in jeder Form ihres Daseins daran mitzuarbeiten. Das hat sie getan! Was die geistigen Kräfte auszuführen haben, das geschieht, wie auch die äußeren Verhältnisse sich gestalten. Den physischen Tod herbeiführen, also sozusagen die stärkste Attacke ausführen, das konnten die Gegner der Jeanne d'Arc ihr gegenüber; ihre Mission verhindern konnten sie nicht. In jener feinen Art, in der die Kräfte der Jeanne d'Arc wirkten, konnten sie aber nur wirken in ihrer Zeit. In allem, was sie tat, hatte sie die luziferischen Kräfte gegen sich. Wir in unserer Zeit haben es auch mit gegnerischen Kräften zu tun, aber vorzugsweise mit ahrimanischen Kräften, mit jenen ahrimanischen Kräften, die durch das materialistische Zeitalter heraufgekommen sind und die sich schon im äußeren Gefüge unseres ganzen Zeitalters zeigen, wenn wir die Mechanismen, das Mechanische unseres Zeitalters ins Auge fassen, wenn wir bedenken, dass wir im Grunde genommen, indem wir unsere Mechanismen fabrizieren, Dämonen die Wohnstätte anweisen und uns mit einer ganzen ahrimanisch-dämonischen Welt umgeben. Aber wir sehen ja auch an anderen Dingen, wie in unserer Zeit ahrimanische Kräfte überall am Werke sind. Wir sehen, wenn wir zum Beispiel einige Jahre nur zurückschauen und ein wenig die okkulten Untergründe unseres Erdendaseins ins Auge fassen, dass hereinwirken in unser physisches Erdendasein überall ahrimanische Kräfte; nicht nur diejenigen, die von der Art sind wie jene Dämonen, die wir in unseren Maschinen erzeugen, sondern auch sonstige ahrimanische Kräfte wirken in unser Erdendasein herein." Notwendigkeit, diese Zusammenhänge richtig zu erkennen; Spiritualisierung der menschlichen Kultur, des menschlichen Begriffs- und Vorstellungsvermögens: "Wir wissen ja, dass von Epoche zu Epoche immer gewissermaßen ein anderer Regent des Erdendaseins da ist; ein Regent löst den andern ab. Bis zum Jahre 1879 war aus den geistigen Welten heraus wirkend der Geist, den wir den Geist Gabriel nennen, um einen Namen zu haben. Seit dem Jahre 1879 war es jener Geist, den wir Michael nennen. Er ist derjenige, der die Zeitereignisse in unserer Zeit dirigiert; und wer bewußt in die geistigen Welten hineinzuschauen vermag, der empfindet den Geist Michael als den eigentlich dirigierenden, anführenden Geist unserer Zeit. Michael ist in einer gewissen Weise der stärkste der einander stets ablösenden führenden Geister der Zeiten. In einer gewissen Weise, sagte ich, ist er der stärkste dieser Geister. Die anderen waren vorzugsweise geistig im Geistigen wirksam. Michael hat die Stärke, den Geist durchzupressen bis in die physische Welt hinein. Er war derjenige Geist, der, bevor das Mysterium von Golgatha herangekommen ist, gleichsam dem Christus voranschreitend zur Erde hinunterstieg und damals - etwa durch vier bis fünf Jahrhunderte - die Führung der Erde hatte. Er ist wieder in unserer Zeit der führende Geist der Erde. Man möchte vergleichsweise sagen: Was das Gold unter den Metallen ist, das ist Michael unter den Geistern, die der Hierarchie der Archangeloi angehören. Wie alle anderen Metalle vorzugsweise auf den Ätherleib wirken, das Gold aber zugleich auf unseren physischen Leib wirkt als Arzneimittel, so wirken alle anderen führenden Geister in die Seele hinein, Michael dagegen ist der, welcher zugleich auf den physischen Verstand, auf die physische Vernunft wirken kann. Wenn sein Zeitalter gekommen ist, dann kann von dem Geist aus auf den physischen Verstand, auf die physische Vernunft gewirkt werden. Er musste sich, weil er im fünfzehnten Jahrhundert nicht der eigentliche führende Geist war, bei der Jungfrau von Orleans den Weg suchen ohne menschlichen Verstand, ohne menschliches Begreifen, ohne menschliches Vorstellungsvermögen, einen gewissermaßen ganz inneren Weg durch die intimsten menschlichen Seelenkräfte. Der Christus hat ja durch seinen michaelischen Geist auf die Jungfrau von Orleans gewirkt; aber durch alles andere konnte er eher wirken als durch die Verstandes- und Vernunftkräfte. Luziferische Geister sind heute auch da, die den Menschen vorzugsweise von innen angreifen. Sie wollen alle möglichen Leidenschaften erzeugen, aber nicht den Irrtum des Verstandes, den Irrtum der Vernunft, mit dem wir in unserem heutigen Zeitalter so zu kämpfen haben. Wir müssen also sagen: Was wir erreichen wollen im Geistigen, das müssen wir erreichen angemessen den Kräften, die Michael, der führende Geist des Zeitalters, innehat. Und mit Michael im innigen Bunde steht das, was wir zu begreifen versuchen, wenn wir seine Erscheinung zu begreifen versuchen, wie wir es in den letzten Tagen gemacht haben; wenn wir nämlich das zu begreifen versuchen, was wir den deutschen Volksgeist nennen - zwei Kräfte: Michael und der deutsche Volksgeist, die durchaus im Einklänge sind, und denen es übertragen ist, den Christus-Impuls gerade in unserer Zeit zum Ausdruck zu bringen, wie es dem Charakter unseres Zeitalters entsprechend ist. Denn nicht kann unser Zeitalter irgendwie glauben, dass dieselbe intime Art des Wirkens, die für das fünfzehnte Jahrhundert richtig war, seit dem Heraufkommen des fünften nachatlantischen Zeitraumes auch noch richtig sein könnte. In unserem Zeitalter handelt es sich darum, dass wir vor allem begreifen die Notwendigkeit des Gekettetseins an Ahriman, an Ahrimanisches, das wir selber in unseren Mechanismen erzeugen, und die Notwendigkeit, diese Zusammenhänge richtig zu erkennen; denn sonst leben wir in Furcht vor vielem, was in unserem Zeitalter vorhanden ist. Daher entsteht die Frage: Wodurch bieten wir diesem Ahrimanischen in unserem Zeitalter Widerstand, wie Widerstand geboten wurde dem Luziferischen in dem Zeitalter der Jungfrau von Orleans? Wir bieten dem Ahrimanischen dadurch Widerstand, dass wir gerade jenen Weg gehen, der immer wieder und wieder innerhalb unserer geisteswissenschaftlichen Strömung betont wird: den Weg der Spiritualisierung der menschlichen Kultur, des menschlichen Begriffs- und Vorstellungsvermögens. Daher haben wir es immer wieder und wieder betont: Es gibt eine Möglichkeit, alles, was uns die Geisteswissenschaft bringt, wenn es auch zunächst und zumeist aus der geistigen Welt heraus gegeben ist, wirklich mit dem der Menschheit heute seit dem sechzehnten Jahrhundert zugeteilten Verstände, mit der Vernunft restlos zu begreifen. Und wenn wir sagen, wir begreifen es nicht, so ist das nur aus dem Grunde der Fall, weil wir hinhören auf die Vorurteile, die uns aus dem landläufigen Materialismus der Zeit geboten werden. Wer nicht immer wieder und wieder auf das hinhört, was zum Teil laut, zum Teil aber auch im feinsten leisen Flüstern aus dem Materialismus unserer Zeit heraustönt, sondern wer streng ins Auge zu fassen versucht, was wir in den Verstehenskräften haben, für den erscheint eines Tages das, was die Geisteswissenschaft hervorbringt, als etwas durchaus Begreifliches, als etwas, was ebenso begriffen werden kann, wie irgendein Ereignis der äußeren Welt begriffen werden kann. Aber nur dadurch erzeugen wir in uns die starke Kraft, die wir brauchen, um den ahrimanischen Kräften Widerstand zu leisten, dass wir jetzt nicht bloß durch die intimsten Offenbarungs- und Glaubenskräfte, wie bei der Jungfrau von Orleans, an den Geist herankommen, sondern dass wir versuchen, unsere Verstehenskraft in der intensivsten Weise auf das zu konzentrieren, was aus der Geisteswissenschaft kommt. Wenn wir das tun, dann kommt die Stunde, der Augenblick, wo wir uns sagen müssen: Was uns aus der Geisteswissenschaft entgegentritt, ist das einzig Vernünftige und zugleich das, was uns die Welt um uns herum begreiflich und lichtvoll macht. Und wenn wir also ergriffen werden, dann werden wir so ergriffen werden von dem, was der Geist uns in unserer Zeit gibt, dass wir wirklich stark genug sind gegenüber den ahrimanischen Kräften." Deutsches Geistesleben,
deutsche Mystiker wie Meister Eckhart und Jobannes Tauler, Jacob Böhme
und Angelus Silesius, wie es in Lessing zu der Anerkennung der Idee der
wiederholten Erdenleben geführt hat, Goethes «Faust» als
eine Glorifizierung des Hinaufsteigens in die geistigen Welten; spirituelle
Wissenschaft: "Da handelt es sich dann darum, dass wir den Weg finden,
um durch dasselbe Begreifen, durch welches wir die Außenwelt begreifen,
auch die geistige Welt zu begreifen. Aber diesen Weg haben wir ja gerade
in diesen Tagen angegeben als den Weg, der innerlich verbunden ist mit
der ganzen Mission des deutschen Volkes, insbesondere mit dieser Mission
seit dem Ende des achtzehnten und dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts.
Aber in den vorhergehenden Jahrhunderten hat diese Mission sich vorbereitet.
Das ist das Eigentümliche, dass dasjenige, was der deutsche Geist
getrieben hat in seinen Dichtern, seinen Künstlern und Philosophen,
innig verbunden ist mit dem spirituellen Leben. Es handelt sich da wirklich
darum, ohne Sympathie und Antipathie den Tatsachen kühn ins Auge zu
schauen, wie sie sich vorbereitet haben, wie sie sich nach und nach herausgestaltet
haben. Wir selber haben es ja erleben können, wie wir eines Tages
eben einfach diese Notwendigkeit betonen mussten, im kontinuierlichen Fortschritt
des Geisteslebens zu wirken. Denn warum? ... Versuchen Sie dagegen das
deutsche Geistesleben ins Auge zu fassen, wie es sich durch die deutschen
Mystiker vorbereitet hat in Meister Eckhart und Jobannes Tauler, und dann
in Jacob Böhme und Angelus Silesius weiter sich entfaltet hat, wie
es in Lessing zu der Anerkennung der Idee der wiederholten Erdenleben geführt
hat, und wie es in Goethes «Faust» geradezu eine Glorifizierung
des Hinaufsteigens in die geistigen Welten darstellt, da haben Sie den
geraden Weg von den äußeren Welten aus in die geistige Welt.
Und wenn Sie nun dazu nehmen, was von Goethes «Märchen
von der grünen Schlange und der schönen Lilie» geführt
hat bis zur Dramatisierung der Grundkräfte der Einweihung, und beide
Strömungen zusammenhalten, dann haben Sie darin den innerlichen Zusammenhang.
Es ist ein innerlicher Zusammenhang zwischen dem, was zuletzt als Geisteswissenschaft
erscheint, und dem, was ganz exoterisch in der physischen Welt als Geistesleben
erstrebt wird. Denn selbstverständlich wird dieses Geistesleben, das
außerhalb der Geisteswissenschaft entfaltet wird, mit den Kräften
des Gehirns erstrebt, aber es drängt hin zu dem, was außerhalb
des Leibes gefunden wird. Man möchte sagen: es ist die Mission des
deutschen Volkes, dass es gar nicht anders kann als mit dem, was es erstrebt,
zuletzt einzumünden in das spirituelle Leben. Das heißt aber
nichts anderes, spirituell gesprochen, als dass das deutsche Volk dazu
berufen ist, innerlich sich zu verbinden mit dem, was in die Welt kommt
durch die Anführerschaft des Michael. Ein solches Sichverbinden wird
nicht dadurch erreicht, dass man sich passiv, wie fatalistisch, den Schicksalsmächten
überlässt, sondern dass man erkennt, welches die Aufgabe der
Zeit ist. Und nicht nur innerlich durch den Gang der deutschen Mystik,
sondern auch äußerlich durch den ganzen Gang des deutschen Lebens
in Verbindung mit dem europäischen Leben hat sich dasjenige gezeigt,
was ich da sagen will. Ich habe es im ersten der beiden letzten Öffentlichen
Vorträge, «Die germanische Seele und der deutsche Geist»,
auseinandergesetzt, wie die germanische Seelenhaftigkeit gleichsam in den
Vorposten der germanischen Völker - durch die Goten, Langobarden,
Vandalen - hineingeströmt ist in die Völker des Westens, des
Südens, wie da hingeopfert worden ist am Altare der Menschheit dasjenige,
was germanische Seelenhaftigkeit ist. Aber das hat sich später wiederholt,
nur weniger auffällig. Blicken wir zunächst hin nach dem äußersten
Osten Österreichs, zu den sogenannten Siebenbürger Sachsen. Ausgewandert
sind sie vom Rhein her, wo das Siebengebirge ist, das läßt sich
auch äußerlich nachweisen. Nach und nach haben sie ihre Eigenart
verloren. Die Seelensubstanz hat sich hingegeben, um in jenes andere Volkselement
einzufließen, und einst wird von ihnen kaum etwas anderes vorhanden
sein als einiges ihrer Sprache; aber als Volkssubstanz sind sie dort hineingeflossen.
Gehen wir dann hinunter in das Banat: Schwaben sind es, die dort eingewandert
sind; das Magyarische schlingt sich darüber. Ebenso ist es in den
Gegenden des ungarischen Berglandes, der Karpaten. Alle diese Einwanderungen
sind heute äußerlich fast verschwunden, aber überall in
den heute dort vorhandenen Volksschichten darinnen lebend und dann manchmal
wie Gerinnsel sich zeigend wie zum Beispiel in der wunderbaren Sprachinsel
der Gottschee'er in Krain. Aber sonst auch. Wir sehen - wir könnten
das viel weiter noch verfolgen - , wie dieses germanische Seelenhafte hinausgeschickt
wird in die Welt, wie es wirkt. Das geschieht durch eine innere Notwendigkeit.
Das geschah so durch die früheren Zeitalter, namentlich auch durch
das Zeitalter des Gabriel. Und durch das Zeitalter des Gabriel geschah
es in der Weise, dass mehr, ich möchte sagen, das Blut, Blut und Blutmischung
wirkte und alles, was mehr mit den äußeren Verhältnissen
des Lebens zusammenhängt, aber dennoch nicht äußerlich
greifbar ist, sondern wieder intimer sich vollzieht. Nun ist das Zeitalter
des Michael gekommen, das Zeitalter, in dem begriffen werden muss, wie
durch den ganzen Hergang des Geisteslebens der deutsche Geist sich in die
Sonnenkraft des Michael stellen kann. Das muß eben eingesehen werden.
Das kann aber nur dadurch eingesehen werden, dass man es durch die Anerkennung
der spirituellen Wissenschaft einsieht, dass man allmählich durch
die Betrachtungen der spirituellen Wissenschaft, der Geisteswissenschaft,
die Ahnung und das Bewußtsein erhält von der Wirksamkeit geistiger
Kräfte, von der Realität geistiger Kräfte. So dass man allmählich
begreift, wie unsinnig es ist, wenn die Leute sagen: Es gibt keine geistigen
Kräfte, ich kann sie nicht anerkennen; und wenn hier ein hufeisenförmiger
Eisenstab ist, so ist das eben ein Stück Eisen, und ich sehe nichts
als Eisen. - Es kann aber Magnetismus darinnen sein! So ist in der ganzen
äußeren Welt noch etwas ganz anderes als Magnetismus darinnen.
Die Anerkennung erwirbt man sich, indem man eingeht auf das, was über
die eigentümliche Gestalt der Dinge geboten wird. Dadurch erwirbt
man sich im Michael- Zeitalter diejenigen geistigen Kräfte, die notwendig
sind, um den ahrimanischen Mächten zu widerstehen, wo es eben unsere
Aufgabe ist, den ahrimanischen Mächten zu widerstehen. Denn im Grunde
genommen ist alles, was wir im Studium der Geisteswissenschaft haben, nur
Vorbereitung. Eines Tages springt aus dem Studium der Geisteswissenschaft
das Erwachen der Seele hervor, durch das die Seele weiß: Es lebt
in dir die geistige Welt, von dem Christus-Impuls herunter durch den Michael
bis zum Volksgeist, der das auswirkt, was ausgewirkt werden soll." [17]
9. Menschenschicksale und Völkerschicksale III; Absurdität des modernen Materialismus; Dostojewski; Kopfschmerzen; Astral- und Ätherhände, Flügel, naturgemäße Evolution; Initiationsprozess, Meditation; Meditationsprozess mit einem feinen Wärmeprozess und mit einem feinen Lichtprozess verknüpft; echtes Meditieren zugleich ein Weltenprozess, ein kosmischer ProzessAbsurdität des modernen Materialismus: "Man muss sich manchmal hart aussprechen, wenn man die ganze Absurdität des modernen Materialismus ins Auge fassen will, weil das Trugbild, welches durch den modernen Materialismus entsteht, eine so überwältigende Überzeugungskraft für die verkehrten Anschauungen der Gegenwart hat, so dass man schon mit starken Worten darauf hinweisen muss, worinnen eigentlich die furchtbare Verkehrtheit besteht."Dostojewski: "ungeheure Begeisterung einschlug für Dostojewski. Ich will Dostojewski damit selbstverständlich nicht verkleinern, aber was er uns vor allem darbietet, ist eine ganz nervöse, zappelige Kunst, bei aller Größe. Eine solche nervöse Kunst würde kommen, wenn der Materialismus - und materialistisch ist es, was Dostojewskische Kunst ist, wenn es auch «Psychologie» ist - weiterströmt und immer weiter." [18] Kopfschmerzen: "Im groben also ist das richtig, dass der Mensch mit seinem Ich und Astralleibe im Schlafe außerhalb seines Ätherleibes und physischen Leibes ist. Aber für einen Teil des Leibes gilt es doch, dass im wesentlichen auch vom Aufwachen bis zum Einschlafen dieser Teil des Leibes schläft, wenigstens im wesentlichen schläft. Und das ist gerade merkwürdigerweise derjenige Teil des menschlichen Leibes, den wir das Haupt, den Kopf nennen. Der schläft gerade dann, wenn wir wachen. Und obwohl man leicht glauben könnte, dass der Kopf das Allerwachste sei, so ist er in Wirklichkeit dasjenige, was am wenigsten wach ist. Denn die wache Tätigkeit des menschlichen Denkens, überhaupt der Kopfverrichtungen, beruht gerade darauf, dass auch im Wachen das Ich und der Astralleib gegenüber den Kopforganen ein solches Verhältnis haben, dass sie nicht vollständig - also der Ichteil des Kopfes, der Astralteil des Kopfes - mit dem physischen und dem ätherischen Teile des Kopfes sich verbinden können, sondern immer gewissermaßen ein Eigenleben außerhalb des physischen und des ätherischen Teiles des Kopfes erleben. Nur dann findet eine innigere Verbindung noch statt zwischen dem astralischen Kopfleib und zwischen dem physischen, wenn man Kopfschmerzen hat. Und wenn man recht starke Kopfschmerzen hat, dann ist am allermeisten Verbindung zwischen dem astralischen Teil des Kopfes und dem physischen Teil des Kopfes. Dann kann man gerade am schlechtesten denken, wenn man Kopfschmerzen hat. Das rührt davon her, weil dann eine zu starke Verbindung eintritt zwischen dem astralischen, dem physischen und dem ätherischen Teile des Kopfes. Nun beruht aber unser waches Denken und auch das übrige wache Seelenleben eben gerade darauf, dass in einer gewissen Beziehung das Ich und der Astralleib des Kopfes außerhalb des physischen und Ätherleibes sind und sich gerade dadurch in dem physischen und ätherischen Leibe des Kopfes spiegeln; wie wir uns ja auch nur im Spiegel sehen können, wenn wir außerhalb sind. Diese Spiegelung gibt ja die Bilder unseres Alltagsbewußtseins. Das sind Spiegelbilder, die wir im Alltagsleben erleben, erkennend wahrnehmen. Und durch dieses Außerhalb-des-Kopfes-Leben, durch dieses Schlafen des Kopfes, und durch die durch die Härte des Schädels bewirkte Zurückwerfung der Tätigkeit des Ich und Astralleibes wird gemacht, dass wir eben das Innere des Ich und das Innere des Astralleibes empfinden als unser eigenes. Würde so, wie es bei den anderen Teilen des Organismus der Fall ist, die Tätigkeit des Ich und Astralleibes noch mehr hineinarbeiten in die Tätigkeit des physischen und Ätherleibes, dann würden wir verdauungsorganische Tätigkeit, vielleicht auch rhythmische Tätigkeit wie im Herzen, im Kopfe wahrnehmen, vielleicht auch nicht wahrnehmen - aber von einer Denktätigkeit würde nicht die Rede sein können, denn diese beruht darauf, dass diese Tätigkeit nicht aufgenommen, sondern zurückgestrahlt wird. Das Herz, die anderen Organe, welche absorbieren, die nehmen die Tätigkeit des Ich und Astralleibes auf. Die Kopforgane nehmen sie nicht auf, sie strahlen sie vielmehr zurück; daher kann sie dann erlebt werden im seelischen Innern." [19] Astral- und Ätherhände, Flügel, naturgemäße Evolution: "Nun, in der Nacht, vom Einschlafen bis zum Aufwachen, da ist gewissermaßen das ganze Ich und der ganze Astralleib - auch das ist nicht einmal ganz richtig, aber ungefähr - , es ist also ein viel größerer Teil des Ich und des Astralleibes außerhalb des physischen und Ätherleibes. Der Mensch ist da in der Lage, vom Einschlafen bis zum Aufwachen, in bezug auf ein viel größeres Stück von Ich und Astralleib, sich so zu verhalten, wie er sich beim Wachen gegenüber seinem Kopfe verhält. Aber nun ist noch nicht der übrige Organismus so weit wie der Kopf; er ist noch nicht so weit gediehen, dass er zurückstrahlen könnte, wie es der Kopf kann. Daher kann keine Bewußtheit eintreten im Schlafe. Wenn wir die Bewegung unserer Hände betrachten, so müssen wir uns sagen: In diesen Händen haben wir, soweit wir sie bewegen können, wenn wir wach sind, natürlich die betreffenden Glieder, Ich, Astralleib, Ätherleib und physischen Leib. Das alles ist vorhanden, das alles ist in Tätigkeit, wenn wir die Hände bewegen. Nun denken Sie sich einmal, es würde ein Mensch in die Lage versetzt, dass seine Hände angebunden würden an seinen Organismus, und zwar so, dass er sie niemals würde bewegen können, sondern dass sie fest waren an dem Organismus, dass sie fest an den Organismus angebunden waren. Und nehmen wir an, es würde dem Menschen zugleich die Gabe verliehen, während er jetzt seine angebundenen physischen Hände nicht bewegen kann, dass er den Ätherleib oder wenigstens den Astralleib der Hände allein bewegen könnte. Das würde etwas sehr Bedeutendes zur Folge haben. Er würde dann gleichsam hinausstrecken seine Astral- beziehungsweise Ätherhände aus den physischen Händen, die er nicht bewegen könnte, die angebunden wären. Wir bemühen uns nicht, diese Prozedur überhaupt je auszuführen; wenn wir etwas vom Astralischen und Ätherischen der Hände bewegen, so bewegen wir eben die physischen Hände mit. Nun kann man das auf der Erde so ohne weiteres nicht gut durchführen als etwas Natürliches, aber im Laufe der Evolution wird es durchgeführt, nur etwas anders als in der groben Weise, wie ich es jetzt besprochen habe. So wird es durchgeführt, dass, indem sich der Mensch im Laufe der Erdenevolution weiter entfalten und zum Jupiter hinüberwachsen wird, in der Tat das eintreten wird, dass seine Hände, die physischen Hände, unbeweglich werden. Auf dem Jupiter wird der Mensch schon so erscheinen, dass seine physischen Hände nicht mehr bewegliche Organe sind, sondern festliegen, dafür aber eben die astralischen und auch die Ätherhände zum Teil sich heraus bewegen können. Also es wird auf dem Jupiter von den physischen Händen nur noch unbewegliche Andeutungen geben, dagegen werden sich die astralischen, respektive Ätherhände frei bewegen wie Flügel. Darauf wird es beruhen, dass dieser Jupitermensch nicht bloß ein Gehirndenker ist, sondern dass ihm dann seine festliegenden Hände die Möglichkeit geben, zurückzustrahlen in das, was jetzt mit den physischen Händen verbunden ist, und er wird dadurch ein viel lebendigeres, ein viel umfassenderes Denken haben. Dadurch, dass ein physisches Organ zur Ruhe kommt, dadurch kann das entsprechende geistig-seelische Glied, das zu dem physischen Organ dazugehört, befreit werden und kann dann eine geistig-seelische Tätigkeit entfalten. Es ist nämlich wirklich so mit unserem Gehirn: als wir noch Mondmenschen waren, da hatten wir solche Organe, die sich hier wie Hände bewegten, und diese Organe sind festgemacht worden. Auf dem Monde hatten wir noch keine feste Gehirnschale; da konnten sich die Organe, die jetzt im Gehirn zusammengefaltet sind, bewegen wie Hände. Dafür konnte der Mensch auf dem Monde noch nicht so denken wie auf der Erde. Aber für denjenigen, der hellsichtig das Denken prüft, ist es klar, dass sich da die im schlafenden Gehirn befindlichen Organe tatsächlich beim wachenden Menschen flügelartig bewegen, wie ich Ihnen beschrieben habe, dass sich Astral- und Ätherhände bewegen würden, wenn die physischen Hände festliegen könnten. Das ist also vom Übergang des Mondenzustandes zum Erdenzustand wirklich geschehen, dass hier gleichsam Hände gebändigt worden sind und jetzt noch festgehalten werden durch die feste Gehirnschale, und dass dadurch das Ätherische und Astralische frei ist. Aber die Organe müssen fortentwickelt werden. Diese Hände können nicht bleiben wie sie sind, wenn wir uns zum Jupiter entwickeln, sondern diese Hände werden in substantieller Beziehung eine Abänderung erfahren, wie sie unser Gehirn erfahren hat, so dass es zum Rückstrahlorgan geworden ist. Dieser Prozess ist der, den man bezeichnen könnte als den der naturgemäßen Evolution." Initiationsprozess,
Meditation; Meditationsprozess mit einem feinen Wärmeprozess und mit
einem feinen Lichtprozess verknüpft; echtes Meditieren zugleich ein
Weltenprozess, ein kosmischer Prozess: "Ein anderer Prozess ist nun der
Initiationsprozess. Er besteht darin, dass wir in den Mittelpunkt unseres
Bewußtseins irgendeine mantrische Meditation gedanklich stellen und
darinnen ganz aufgehen. Wenn wir das tun, so liegt wirklich viel daran,
dass wir nun nicht unser Leibliches benützen, um diesen Gedanken zu
bilden, um den Gedanken zu haben, sondern dass wir wirklich uns von dem
Leiblichen, dem Physisch-Sinnlichen mit diesem Gedanken zurückziehen,
dass wir in ihm verharren, dass wir beim Meditieren keine Hilfe haben an
der physischen Welt. Beim gewöhnlichen Alltagsdenken hilft uns der
physische Leib, hilft uns die physische Welt. Wir denken, wenn durch die
Sinne auf uns Eindrücke gemacht werden. Dadurch wird uns das Denken
bequem. Denn die Welt macht auf uns zugleich einen ätherischen und
einen physisehen Eindruck. Das ist eine Unterstützung für unser
Denken. Wenn wir meditieren, müssen wir uns gerade abseits stellen
von allem Physischen, auch von allen Vorstellungen. Wir müssen ganz
aus dem eigenen freien Willen einen Gedanken in den Mittelpunkt unseres
Bewußtseins stellen. Dadurch geschieht nun etwas höchst Eigentümliches,
das dem Wahrnehmungsprozess gegenüber ein feinerer Prozess ist. Wenn
wir es dahin bringen, dass wir gleichsam im Vergessen der ganzen übrigen
Welt - als wenn die übrige Welt nicht da wäre, es eigentlich
nichts geben würde in Raum und Zeit als den einzigen Gedanken -, wenn
wir es dahin gebracht haben, dass uns die ganze Welt gleichgültig
ist und wir nur leben im Meditationsgedanken, dann tritt dasjenige ein,
was selbstverständlich keine physische Wissenschaft konstatieren kann:
durch diesen feinen Prozess des Meditierens wird gewissermaßen ein
feiner Wärmeverbrauch erzielt; Wärme wird verbraucht, wird weggebracht.
Es ist ein Prozess, den man selbstverständlich nicht physisch konstatieren
kann, aber der Verbrauch findet statt, und wir werden einmal darüber
bei Gelegenheit sprechen. Dann werden wir sehen, wie durch Vorgänge,
die jeder beobachten kann, man nachweisen kann der physischen Wissenschaft,
dass der Meditationsprozess mit einem feinen Wärmeprozess und mit
einem feinen Lichtprozess verknüpft ist. Von dem Licht, das wir aufgenommen
haben, verbrauchen wir innerlich etwas; wir verbrauchen Licht. Wir verbrauchen
auch noch etwas anderes, aber wir wollen dabei stehenbleiben, dass wir
Wärme und Licht verbrauchen. Das, was wir verbrauchen, das macht eben,
dass dasjenige eintritt, was ich vor acht Tagen hier besprochen habe, dass
aus dem Prozess des Meditierens sich etwas bildet wie ein feines Lebendiges.
Wenn wir im gewöhnlichen Alltagsprozesse denken, lebt auch in uns
etwas, was sich eindrückt in unseren Organismus und einen Prozess
bewirkt, der auch mit Wärme zu tun hat; das drückt sich da ein,
und das, was sich da abspielt, das bewirkt, dass wir Erinnerung haben.
Aber dazu darf es beim Meditieren nicht kommen. Wenn wir abgeschlossen
leben in dem reinen Gedanken oder Empfindungsinhalte, dann drückt
sich nicht in unserem Leib dasjenige ab, was wir da verbrauchen, sondern
das drückt sich ab im allgemeinen Äther. Das verursacht außerhalb
einen Prozess. Ja, meine lieben Freunde, wenn Sie wirklich ernstlich, wahrhaftig
meditieren, dann drücken Sie dem allgemeinen Äther Ihre Gedankenform
ein; die ist da drinnen. Und wenn Sie dann auf einen Meditationsprozess
zurückschauen, ist es nicht ein gewöhnliches Erinnern, sondern
ein Zurückschauen zu dem, was sich eingedrückt hat dem Weltenäther.
Das ist wichtig, dass wir das beachten. Das ist ein feiner Prozess, den
wir so ausführen, dass er eine Beziehung darstellt zwischen uns und
der umgebenden ätherischen und astralischen Welt. Der Mensch, der
das gewöhnliche, alltägliche Wahrnehmen und Denken entwickelt,
hat nur mit sich selbst etwas zu tun; es ist ein Prozess, der sich in uns
nur abspielt. Derjenige aber, der sich einlässt auf das wahre, echte
Meditieren, lebt in einem Prozess, der zugleich ein Weltenprozess, ein
kosmischer Prozess ist. Da geschieht etwas, wenn es auch etwas außerordentlich
Feines nur ist. Und was geschieht, ist das folgende: Beim Meditieren wird
etwas Wärme verbraucht. Wenn sie verbraucht wird, entsteht Kälte;
es wird der allgemeine Weltenäther, wenn wir meditieren, abgekühlt.
Und da auch Licht verbraucht wird, wird er gedämpft; es entsteht Dunkelheit,
abgedämpftes Licht. So dass, wenn ein Mensch an einer Stelle der Welt
meditiert und dann weggeht, er an dieser Stelle zurücklässt eine
schwache Abkühlung und zu gleicher Zeit eine Dämpfung des Lichtes.
Der allgemeine Lichtzustand ist herabgedämpft, ist dunkler geworden.
Hellsichtig kann man immer verfolgen, wenn ein Mensch an einer Stelle meditiert
hat, wo er wirklich den Meditationsprozess ausgeführt hat. Wenn er
wieder weggeht, ist ein Schattenbild von ihm da, das sogar kühler
ist als die Umgebung. Es ist also ein kühles dunkles Gespenst an die
Stelle hingebracht; das haben wir dort eingraviert. Und es ist im feinen,
im ganz feinen wirklich etwas vollzogen an der Stelle, was Sie vergleichen
können im groben mit dem, was auf der photographischen Platte entsteht.
Es ist wirklich eine Art Gespenst da gebildet. Es ist das also ein Prozess,
der sich nicht bloß im Menschen, sondern kosmisch wirklich abspielt,
wodurch der Mensch sich einfügt in den Kosmos. Nun gibt es allerdings
einen Gedanken, den der Mensch meditiert, auch wenn er gar nicht Meditant
ist, wenn er gar nichts weiß von irgendwelcher Geisteswissenschaft.
Einen Gedanken meditiert der Mensch schon. Und dieser eine Gedanke, es
ist ja scheinbar ein recht kleiner, aber ein für das Leben unendlich
wichtiger, das ist der Gedanke des Ich. Der Gedanke des Ich wird nämlich
immer so gefasst, dass er leibfrei gefasst wird. Und insofern wir mit unserem
Ich ein Verhältnis zur Welt haben, werden auch gewisse Dinge, die
mit unserem Ich zusammenhängen, wenn es auch der Mensch nicht merkt
im Leben, so gedacht, dass sie eben, ich möchte sagen, wie Zweige
an einem Baume sind. So werden gewisse Gedanken, Empfindungen, Willensimpulse
wie Zweige oder auch wie Fühlhörner, bewegliche Fühlhörner;
die werden um das Ich herumgruppiert sein. So dass in der Tat der Mensch
immerfort, sein ganzes Leben hindurch, hinter sich hergehen lässt
dasjenige, was er als Ich denkt und was solche bewegliche Fangarme nach
allen Seiten ausstreckt. Eine gespensterartige Qualle läßt der
Mensch immer hinter sich, sein ganzes Leben hindurch. Aber das ist eine
sehr reale Sache, denn die enthält zu gleicher Zeit alles das, was
der Mensch - insofern er es in seinem Ich erdenkt, erfühlt - durchlebt
hat. Das bleibt bestehen. Und wenn der Mensch durch die Pforte des Todes
gegangen ist, lernt er allmählich auf dieses Zurückgelassene
zurückschauen, und das macht die Möglichkeit, daß ein Zusammenhang
besteht zwischen dem, was er nach dem Tode erlebt und was er zurückgelassen
hat. Im Meditieren müssen wir als Erdenmenschen zunächst erreichen
das Festhalten unserer Organe durch den Willen; und es beruht ja die Möglichkeit,
richtig zu meditieren, darauf, dass wir wirklich unser Denken, Fühlen
und Empfinden in der Meditation freimachen, so dass der Leib nicht mittut
und wir dadurch so stark uns innerlich konzentrieren können, dass
bloß das, was wir wollen, nicht was wir nicht wollen, sich eingräbt,
sich abphotographiert gleichsam in den Weltenäther. Das müssen
wir immer betonen, dass wirkliches, richtiges Meditieren ein realer Prozess
ist, ein wirklich realer Prozess ist. Wenn wir bedenken, dass der Mensch
das zurücklässt und im Grunde die ganzen Erlebnisse in dem drinnen
sind, was er zurücklässt, und dass das bleibt, so werden wir
auch einsehen, dass, wenn der Mensch durch die Zeit hindurchgegangen ist,
die zwischen dem Tod und einer neuen Geburt liegt, und wieder herunterkommt
auf die Erde - , dass er dann noch im Weltenäther drinnen das vorfindet,
was er da zurückgelassen hat. Da haben wir das real, wie sich Karma
bewirkt. Es ist ja da dasjenige, was der Mensch erzeugt hat als sein Gespenst
und was auf ihn nun wirkt und im Zusammenhang mit dem späteren Leben
eben das bildet, was im Karma sich abspielt. Man kann erst langsam und
allmählich zu der Erkenntnis dieser Dinge kommen. Weil das so ist,
weil ein wirklicher Prozess sich abspielt, der über uns hinausgeht,
der in den Kosmos eingreift, daher bekommt der Meditant das Gefühl:
es ist das Meditieren etwas anderes als das gewöhnliche Denken. Bei
dem letzteren haben wir das Gefühl: wir sind es, die die Gedanken
zusammenfügen, die den einen Gedanken zum anderen bringen; wir sind
es, die da urteilen. Beim Meditieren bekommt man allmählich das Gefühl:
das bist nicht bloß du, der da denkt, der meditiert, sondern da geschieht
etwas, worin du zwar stehst, was aber auch sich außerhalb von dir
als etwas bleibend Geschehenes abspielt. Und dieses Gefühl muss man
bekommen. Gerade so, wie wenn man das Gefühl hat, dass, wenn man einen
zerbrechlichen Gegenstand an die Wand wirft, nicht nur dasjenige geschieht,
was vor dem Fliegen geschehen ist, sondern nachher etwas, was damit im
Zusammenhange steht: er zerbricht, das geschieht, wenn er sich losgelöst
hat von uns -, so bekommt man das Gefühl im Meditieren: das bist nicht
du, der denkt, sondern du fachst zwar deine Gedanken an, aber dann wirbeln
sie weiter, sie wirbeln und wesen. Du bist dann nicht mehr bloß der
Herr von ihnen, sondern sie beginnen ein selbständiges Eigenleben
und Eigenwesen. Und dieses sich wie in der Atmosphäre, wie in der
Webe- und Wesens-Atmosphäre seiner Gedanken Darinnenfühlen, wie
wenn die Gedanken sich sogar wie Wellen durch unser Gehirn hindurchbewegen
würden -, anfangen dieses zu fühlen, das ist das, was das feste,
sichere Gefühl ergibt: du stehst in einer geistigen Welt darinnen;
du bist selbst nur ein webendes Glied in dem allgemeinen Weben darinnen.
Und das ist wichtig, dass wir wirklich zu solcher Stille, zu solcher Seelenruhe
im Meditieren kommen, dass wir zu diesem bedeutsamen Gefühl kommen:
du bist nicht allein, der das macht; es wird gemacht. Du hast angefangen,
diese Wellen zu bewegen, aber sie breiten sich aus um dich herum. Sie haben
ein Eigenleben, dessen Mittelpunkt du nur bist. Sie sehen daran, meine
lieben Freunde, daß es ein Erlebnis ist, das eigentlich die Erkenntnis
der geistigen Welt gibt. Und dieses Erlebnis, das muss man in aller Ruhe
abwarten. Er ist von außerordentlicher Bedeutung, aber es gehört
Geduld, Ausdauer, Entsagung dazu, es in aller Ruhe abzuwarten. Denn es
genügt dieses Erlebnis, um die volle Überzeugung zu bekommen
von dem objektiven Vorhandensein der geistigen Welt." [20]
10. Menschenschicksale und Völkerschicksale IV; Meditationen, Arbeiten am übersinnlichen Menschen, Verbindung mit den Wesenheiten der höheren Hierarchien; der italienische, französische, englische, deutsche, russische Volksgeist; Fichtesche Philosophie; Russland muss im Zusammenhange mit dem Westen eine Kultur begründen, weil es aus sich selbst niemals eine Kultur entfalten kann; statt dessen kommt in ungeordneten, chaotischen Instinkten etwas ganz Sonderbares zustande, nämlich dass sie wie die Muslime durch ahrimanische und luziferische Impulse nicht schnell genug Europa totmachen können; Nationalistisch-imperialistische Idiologien wie sie heute in Russland grassieren, gab es schon früher bei Jushakow
Der italienische Volksgeist: "Wir können ein Wesen der höheren Hierarchien ansprechen, wenn wir sprechen von dem italienischen Volksgeist. Dieser italienische Volksgeist macht seine Entwicklung durch, und wir können wirklich genau einen Zeitpunkt angeben, in dem dieser Volksgeist eine wichtige Etappe überschritten hat. Wir wissen ja, dass der Zusammenhang zwischen dem italienischen Volksgeist und dem einzelnen Italiener so ist, dass der italienische Volksgeist durch die Empfindungsseele des Italieners wirkt. Nun ist aber dieses Wirken durch die Empfindungsseele zuerst so, dass der Volksgeist gleichsam nur auf das Seelische wirkt, und dann erst später, in seiner weiteren Entwicklung, greift dieser Volksgeist mit seinem Willen immer mehr und mehr ein in das, wie die Seele sich auslebt auch durch das Leiblich-Physische. Wenn Sie die italienische Geschichte verfolgen, so finden Sie ein wichtiges Jahr, etwa 1530. Dieses Jahr ist dasjenige, wo der italienische Volksgeist so mächtig wird, dass er jetzt anfängt, auch auf das Leibliche zu wirken, und von da anfängt, den Nationalcharakter ganz spezifiziert zu entwickeln. Okkult stellt sich das so dar, daß der Volksgeist einen mächtigeren Willen bekommt; er fängt an, seine Eingravierungen auch in das Leibliche zu machen und bis in das Leibliche hinein den Volkscharakter auszubilden. Während unser Ich immer unabhängiger vom Leibe wird, macht der Volksgeist die entgegengesetzte Entwickelung durch. Wenn er auf das Seelische eine Zeitlang gewirkt hat, fängt er an, bis in das Leibliche hinein zu wirken." Der französische und der englische Volksgeist: "Bei dem französischen Volksgeiste finden wir dasselbe, wenn wir etwa in das Jahr 1600 gehen, und beim englischen Volksgeiste ungefähr um das Jahr 1650. Während vorher der Volksgeist mehr nur das Seelische ergriffen hat, greift er von da ab ins Leibliche über. Sein Wille wird mächtiger, und die Seele kann weniger Widerstand leisten einer Konfiguration ins Nationale hinein. Daher beginnt um diese Zeiten der Nationalcharakter sich scharf auszuprägen. Das rührt davon her, weil der Volksgeist heruntersteigt. Er ist höher gelagert, wenn er mehr ins Seelische hineinwirkt; er steigt herunter, wenn er mehr ins Leibliche hineinwirkt. So haben wir ein Senken des Volksgeistes bei der italienischen Halbinsel etwa um das Jahr 1530, in Frankreich im Beginne des siebzehnten Jahrhunderts und in England in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts. Shakespeare hat gewirkt, bevor der Volksgeist diese Etappe durchgemacht hat. Das ist das Bedeutsame. Daher dieser eigentümliche Bruch, der in bezug auf die Auffassung der Engländer gegenüber Shakespeare Platz gegriffen hat und der zur Folge hatte, dass gerade innerhalb Deutschlands Shakespeare mehr gepflegt wird als in England selber. Wir haben es zu tun mit einem immer mehr zu den einzelnen Menschen Heruntersteigen des Volksgeistes." Der deutsche Volksgeist: "Wenn wir nun auf die Entwickelung des deutschen Volksgeistes sehen, so nehmen wir etwas Ähnliches wahr in der Zeit ungefähr zwischen den Jahren 1750 bis 1850. Aber wir müssen hier kurioserweise sagen: dieser Volksgeist steigt da herunter, aber er steigt wieder hinauf. Und das ist das Bedeutsame. Einen Prozess, der sich abgespielt hat bei den westlichen Völkern, können wir nur so verfolgen, dass wir die Volksgeister sich senken und die Völker ergreifen sehen. Beim deutschen Volke sehen wir, wie der Volksgeist sich auch senkt um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, wie aber dieser Volksgeist in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wieder hinaufsteigt, so dass hier ein ganz anderes Verhältnis da ist. Es wird nur ein Anlauf genommen, den deutschen Charakter zu einem eminenten Volkscharakter auszubilden, aber das wird nur eine Weile gemacht. Nachdem einiges hierin getan ist, steigt der Volksgeist wiederum zurück, hinauf, um wiederum bloß auf das Seelische zu wirken. Die Blütezeit des deutschen Geisteslebens fällt in die Zeit, wo der Volksgeist am tiefsten heruntergestiegen war. Selbstverständlich bleibt der Volksgeist seinem Volke. Aber er hält sich jetzt wieder in geistigen Höhen auf. Das ist das Eigentümliche des deutschen Volksgeistes. Auch früher ist er schon heruntergestiegen, hat aber dann wieder abgelassen von einem zu starken Nationalisieren. Ein solches Kristallisieren in der Nationalität, wie bei den westlichen Völkern, kann beim deutschen Volke durch die Eigentümlichkeit des deutschen Volksgeistes gar nicht eintreten. Daher muss das deutsche Wesen immer universeller bleiben als andere Volkswesen. Es hängen diese Dinge in der Tat mit tiefen Wahrheiten der geistigen Welten zusammen. Würde man in der Zeit Goethes den deutschen Volksgeist gesucht haben, würde man ihn etwa auf demselben Niveau gefunden haben, wo man den englischen oder französischen oder italienischen Volksgeist gefunden hätte. Sucht man ihn heute, dann muss man höher hinaufsteigen. Es werden wieder Zeiten kommen, wo er heruntersteigt, es werden wieder Zeiten kommen, wo er hinaufsteigt. Das Hin- und Herschwingen ist das Eigentümliche des deutschen Volksgeistes." Fichtesche Philosophie: "Fichte hat sich nur entwickeln können in einer Zeit, in der der Volksgeist heruntergestiegen war. Daher wird Fichte in seiner Philosophie kaum verstanden werden können oder nur falsch. Dieses ganze Leben und Weben in solchen Begriffen und Ideen, dass in diese die Ich-Wesenheit so hereingekommen ist wie in der Fichteschen Philosophie, das war in der Zeit möglich, in der der Volksgeist auf ein tieferes Niveau heruntergekommen war. Nun müssen wir ihn höher suchen und können ihn nur mit der Geisteswissenschaft finden. Das entspricht dem Verhältnis des Volksgeistes zum deutschen Volke. Es ist in der ganzen Natur der deutschen Entwicklung das darinnen, was ich genannt habe ein tiefes verwandtschaftliches Verhältnis zwischen dem deutschen Geistesleben und dem Weg, der in die Geisteswissenschaft hineinführt. Man möchte so sehr wünschen, dass wirklich diese Dinge nach und nach immer mehr und mehr verstanden werden können." [21] Der russische Volksgeist; Russland muss im Zusammenhange mit dem Westen eine Kultur begründen, muss in die Schule gehen bei Mitteleuropa, weil es aus sich selbst niemals eine Kultur entfalten kann; statt dessen kommt in ungeordneten, chaotischen Instinkten etwas ganz Sonderbares zustande, nämlich dass sie wie die Muslime durch ahrimanische und luziferische Impulse nicht schnell genug Europa totmachen können: "Beim russischen Volksgeist ist es so, dass er überhaupt nicht heruntersteigt, um das Volk durchzukristallisieren, sondern immer etwas bleibt wie eine über dem Volkstum schwebende Wolke, so dass man ihn immer wird oben zu suchen haben, und daher kann dieses Volk erst dann eine geistige Entwickelung durchmachen, wenn es sich bequemen wird, das, was erarbeitet wird im Westen, mit seinem eigenen Wesen zu vereinigen, um im Zusammenhange mit dem Westen eine Kultur zu begründen, weil es aus sich selbst niemals eine Kultur entfalten kann. ... Ich habe Ihnen öfters gesagt, dass man die europäischen Völker dadurch erkennt, dass man versteht, wie die Volksseele spricht zu den Italienern durch die Empfindungsseele, zu den Franzosen durch die Verstandes- oder Gemütsseele, zu den Engländern durch die Bewußtseinsseele, zu den Deutschen durch das Ich, zu den Russen durch das Geistselbst. Aber dieses Sprechen durch das Geistselbst bedingt, dass bei den Russen heute Instinkte sind, welche sich erst entwikkeln werden in der Zukunft. In einer fernen Zukunft wird erst zutage treten, was die russische Volksseele zu sagen hat, wenn einmal die Menschenseele hinentwickelt ist bis zum Geistselbst. Darum hat alles, was im Osten zutage tritt, noch etwas Keimhaftes. Nun fühlen aber diese Völker des Ostens instinktiv, dass sie einer anderen Kulturströmung angehören. Sie fühlen, dass sie zu warten haben. Aber kein Mensch wartet gern, wenn er sich auf sein Gegenwartsbewußtsein besinnt. Das ist ja dasjenige, dass sie warten sollen und bewusst aufnehmen, was europäische Kultur ist. Dagegen lebt in ihnen der Instinkt, dass sie zu lenken und zu leiten haben, dass sie nicht schnell genug Europa totmachen können, während der natürliche Gang ist, dass sich in Mitteleuropa entwickelt, was sich entwickeln kann aus dem Zwiegespräche der Volksseele mit dem Ich. Bei der russischen Volksseele liegt es so, dass sie in die Schule zu gehen hat bei Mitteleuropa, und wenn sie verarbeitet hat, was in Mitteleuropa vorgearbeitet wird, dann wird sie einmal beitragen können, was sie beizutragen hat zur europäischen Kultur. Statt dessen kommt in ungeordneten, chaotischen Instinkten etwas ganz Sonderbares zustande, woraus wir ersehen können, dass diese Instinkte in dem Träumer angeregt werden von allerhand ahrimanischen und luziferischen Impulsen. Diese ahrimanischen und luziferischen Impulse sind überhaupt die Ursache, dass sich der Osten jetzt in solch schauerlicher Weise gegen Deutschland gewendet hat." Nationalistisch-imperialistische
Idiologien wie sie heute in Russland grassieren, gab es schon früher
bei Jushakow: "Ich möchte Sie auf die Ideen dieses Geistes, der 1885
über die Beziehungen der russischen Kultur zur englischen Kultur sich
ausgesprochen hat, aufmerksam machen, und man möchte jetzt gern, dass
recht vielen Leuten der Gegenwart aufgingen solche Ideen, die vor nicht
sehr langer Zeit aus einem russischen Kopf entsprungen und von ihm aufgeschrieben
sind. Wir müssen diese Ideen betrachten nicht ihrem Inhalt nach, sondern
als Symptome dessen, was im ganzen russischen Volke lebt. Jushakow sagt:
Da haben wir den verfaulten Westen, der reif ist zum Untergange. Alles,
was im Westen ist, hat seine Zeit überstanden, muss sich auflösen.
Da muss Russland eintreten. Aber Russland muss nicht allein den Westen
kultivieren, den Westen erlösen von seiner Barbarei, sondern Russland
muss überhaupt die ganze Welt, insbesondere Asien, erlösen. Und
diese Erlösung Asiens für die Seele stellt Jushakow in folgender
Weise dar. Sehen wir hinüber nach Asien. Die eigentlich asiatische
Kultur ist von Iran ausgegangen. Diese Iran-Kultur ist von Ormuzd ausgegangen,
diese Iraner haben erkannt den Kampf zwischen Ormuzd und Ahriman, und man
hat da immer gesehen, wie die Iraner alles getan haben, um die Segnungen
des Ormuzd in Iran zu verbreiten. Da aber kamen die turanischen Völker,
die abhängig waren von Ahriman, und die haben fortwährend die
Ormuzd-Kultur bedrängt, bekämpft, überwunden. Erst kämpften
Ormuzd und Ahriman im Iran. Aber wenn wir sehen, wie sich die Völker
Europas benommen haben gegen diese Ormuzd-Kultur, da sehen wir, wie die
schöne Ormuzd-Kultur sich ausgebreitet hat in den Gegenden, derer
sich vor allen die Engländer bemächtigt haben. Die Engländer
haben sich gegen die Ormuzd-Kultur als die schlimmsten Barbaren gezeigt.
Da hat Russland in Asien viel gutzumachen an dem, was diese verruchten
Engländer in Asien verbrochen haben. Die Engländer sind dahin
gegangen, haben sich ganzer Teile Asiens bemächtigt, haben die Ormuzd-Kultur
ausgenutzt und ausgesogen. Was haben sich die Engländer vorgestellt?
So ein Engländer, er hat sich vorgestellt, dass diese Kultur für
ihn da ist, ein solcher Engländer sagt, dass dieses ganze Asien für
nichts anderes da sei, als sich in englische Gewebe zu kleiden, untereinander
mit englischen Waffen zu kämpfen, mit englischen Werkzeugen zu arbeiten,
aus englischen Gefäßen zu essen und mit englischem Flitter zu
spielen. Asiens Kultur sei für nichts anderes da. Ganz Asien wäre
eine Beute Englands. Er drückt sich sehr genau aus: «England
beutet Millionen von Hindus aus, seine ganze Existenz aber hängt von
dem Gehorsam der verschiedenen Völker ab, von denen die reiche Halbinsel
bewohnt wird; ich wünsche meinem Vaterlande nichts Ähnliches
- ich kann mich nur freuen, dass es von diesem so glänzenden wie traurigen
Zustande hinreichend entfernt ist.» 1885 in russischer Sprache geschrieben
von Jushakow. Was haben die Russen getan? - sagt Jushakow - die Russen
konnten es bisher nicht so machen, wie es die westeuropäischen Völker,
wie es die Engländer gemacht haben, dass sie widerrechtlicherweise
hergefallen sind und sich angemaßt haben das, was in Asien als Ormuzd-Kultur
war. Sie sind nur da hingegangen, wo Ahriman-Kultur war und haben die Völker,
in denen Ahriman gewirkt hat, zurückgehalten, dass sie nicht weiter
schädlich werden konnten für das, was Ormuzd für Asien geleistet
hat. Nachdem die Russen die Völker Asiens von dem bösen Ahriman
befreit haben, haben sie sie zu befreien von dem, was die Engländer
in jenen Gegenden an der Ormuzd-Kultur gesündigt haben. Damit sie
vorbereiten können, was sie weiter als Aufgabe haben für Asien,
nachdem sie Asien von Ahriman befreit haben, haben sie noch gutzumachen,
was die europäischen Volker, namentlich die Engländer, der Ormuzd-Kultur
getan haben. Und fragt man, warum diese Völker die Ormuzd-Kultur nicht
fortsetzen können, so beantwortet er diese Frage damit, dass diese
Völker dem Industrialismus und dem Individualismus verfallen sind,
dass sie zuerst nur immer an sich selbst denken, während die Russen
erst zuletzt an sich selbst denken. Solche Menschen könne man nicht
brauchen; und indem sie den Industrialismus mit ihrem Individualismus verwoben,
wurden sie die Blutsauger Asiens. Russland wird andere Verbindungen bringen;
die Verbindung der glänzenden militarisehen Kosaken mit dem die Natur
bebauenden Landmann. Und aus dieser Verbindung werden die Befreier der
Menschheit in Asien entstehen. Der Befreier der Menschenentwickelung wird
in Asien entstehen. - Das ist das Ideal Jushakows, dass aus der Verbindung
der Kosaken mit dem die Erde bebauenden Landmann der Befreier der Welt
entsteht. Sie sehen, meine lieben Freunde, ein Ideal aufgebaut, das Sie
kaum in Zweifel darüber lassen wird, dass von dem Geiste des Ahriman
etwas in den eigenen Geist des Jushakow, und zwar in den Träumer,
hineingewirkt hat. Aber dieses Hineinwirken in den Träumer hat nach
und nach als ganze Volksstimmung dasjenige hervorgerufen, was eben in diesem
Osten Europas als Volksstimmung jetzt zu finden ist; denn man hat es hier
mit einer solchen Volksstimmung zu tun, wie sie in den Worten des Jushakow
zum Ausdruck gekommen ist." [22]
11. Mystik I; Valentin Weigel, Meister Eckhart, Johannes Tauler; er hätte nicht von einer nach Menschenmuster gedachten «Zweckmäßigkeit» in der Natur gesprochen; er wußte, dass da, wo wir mit den Sinnen wahrnehmen, keine «Schöpfungsgedanken» zu finden sind, er will dieses Christentum durch seine Anschauung vertiefen, vergeistigen«Solches Zeug, sagt man, die Abstraktionen, die wir betrachten, wenn wir so in unserem Kabinett die Philosophen sich zanken und streiten lassen, und es so oder so ausmachen, sind Wort-Abstraktionen. - Nein! Nein! Es sind Taten des Weltgeistes, und darum des Schicksals. Die Philosophen sind dabei dem Herrn näher, als die sich nähren von den Brosamen des Geistes; sie lesen oder schreiben die Kabinettsordres gleich im Original: sie sind gehalten, diese mitzuschreiben. Die Philosophen sind die Mysten, die beim Ruck im innersten Heiligtum mit und dabei gewesen» Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie IWeil es ja weiter oben auf die Mystik und die Spiritualisierung der menschlichen Kultur, des menschlichen Begriffs- und Vorstellungsvermögens eingegangen wurde, soll es hier noch weiter vertieft werden: "Nur wer den Geist im Sinne der wahren Mystik erkennt, kann ein volles Verständnis der Tatsachen in der Natur gewinnen. Man darf wahre Mystik nur nicht verwechseln mit dem «Mystizismus» verworrener Köpfe." In seinem Buch «Erkenne dich selbst» schreibt der Mystiker Valentin Weigel: «Wir lesen bei den alten Weisen dies nützliche Sprichwort ,Erkenne dich selbst', welches, ob es schon recht von weltlichen Sitten gebraucht wird, als: siehe dich selbst recht an, was du seiest, forsche in deinem Busen, urteile über dich selbst, und lass andere ungetadelt, ob es schon, sage ich, auf das menschliche Leben, als von den Sitten gebraucht worden ist, dennoch mögen wir solchen Spruch ,Erkenne dich selbst' auch recht und wohl ziehen auf die natürliche und übernatürliche Erkenntnis des ganzen Menschen, also, dass sich der Mensch nicht allein selber ansehe, und hiermit erinnere, wie er sich in den Sitten vor den Leuten halten solle, sondern dass er auch seine Natur erkenne, inwendig und auswendig, im Geist und in der Natur; von wannen er komme, und woraus er gemacht sei, wozu er geordnet sei.» Valentin Weigel ist, von ihm eigenen Gesichtspunkten aus, zu Erkenntnissen gelangt, die sich ihm in den Wahrspruch Apollons zusammenfassten. Einer Reihe von tiefangelegten Geistern, die mit dem Meister Eckhart (1250-1327) anhebt und mit Angelus Silesius (1624-1677) abschließt, und zu denen Valentin Weigel gehört, kann ein ähnlicher Erkenntnisweg und eine gleiche Stellung zu dem «Erkenne dich selbst» zugeschrieben werden. "Man wird nicht leicht eine bessere Darstellung von der Bedeutung dieses neuen Sinnes erhalten, als sie J. G. Fichte in seinen Berliner Vorlesungen, im Jahre 1813, gegeben hat. «Denke man eine Welt von Blindgeborenen, denen darum allein die Dinge und ihre Verhältnisse bekannt sind, die durch den Sinn der Betastung existieren. Tretet unter diese, und redet ihnen von Farben und den andern Verhältnissen, die nur durch das Licht für das Sehen vorhanden sind. Entweder ihr redet ihnen von nichts, und dies ist das Glücklichere, wenn sie es sagen; denn auf diese Weise werdet ihr bald den Fehler merken, und falls ihr ihnen nicht die Augen zu öffnen vermögt, das vergebliche Reden einstellen. - Oder sie wollen aus irgendeinem Grunde eurer Lehre doch einen Verstand geben: so können sie dieselbe nur verstehen von dem, was ihnen durch die Betastung bekannt ist: sie werden das Licht und die Farben, und die andern Verhältnisse der Sichtbarkeit fühlen wollen, zu fühlen vermeinen, innerhalb des Gefühles irgend etwas sich erkünsteln und anlügen, was sie Farbe nennen. Dann missverstehen, verdrehen, missdeuten sie,» wie man ja heute in den Theorien der materialistischen Naturwissenschaften beobachten kann. [23] Meister Eckhart: "Ganz durchglüht von der Empfindung, dass im Geiste des Menschen die Dinge als höhere Wesenheiten wiedergeboren werden, ist die Vorstellungswelt des Meisters Eckhart. Er gehörte dem Orden der Dominikaner an wie der größte christliche Theologe des Mittelalters, Thomas von Aquino, der von 1225 bis 1274 lebte. Eckhart war unbedingter Verehrer des Thomas. Das muss durchaus begreiflich erscheinen, wenn man die ganze Vorstellungsart des Meisters Eckhart ins Auge fasst. Er glaubte sich selbst mit den Lehren der christlichen Kirche ebenso in Einklang, wie er für Thomas eine solche Übereinstimmung annahm. Eckhart wollte von dem Inhalte des Christentums nichts wegnehmen, und auch zu ihm nichts hinzufügen. Aber er wollte diesen Inhalt auf seine Art neu hervorbringen. Es liegt nicht in den geistigen Bedürfnissen einer Persönlichkeit, wie er eine war, neue Wahrheiten dieser oder jener Art an die Stelle von alten zu setzen. Er war mit dem Inhalte, den er überliefert erhalten hatte, ganz verwachsen. Aber er wollte diesem Inhalte eine neue Gestalt, ein neues Leben geben. Er wollte, ohne Zweifel, rechtgläubiger Christ bleiben. Die christlichen Wahrheiten waren die seinigen. Nur in anderer Weise ansehen wollte er sie, als dies z.B. Thomas von Aquino getan hatte. Dieser nahm zwei Erkenntnisquellen an: die Offenbarung in dem Glauben und die Vernunft in der Forschung. Die Vernunft erkennt die Gesetze der Dinge, also das Geistige in der Natur. Sie kann sich auch über die Natur erheben, und im Geiste die aller Natur zugrunde liegende göttliche Wesenheit von einer Seite erfassen. Aber sie gelangt auf diese Art nicht zu einer Versenkung in die volle Wesenheit Gottes. Ein höherer Wahrheitsgehalt muss ihr entgegenkommen. Er ist in der Heiligen Schrift gegeben. Sie offenbart, was der Mensch durch sich selbst nicht erreichen kann. Der Wahrheitsgehalt der Schrift muss von dem Menschen hingenommen werden; die Vernunft kann ihn verteidigen, sie kann ihn durch ihre Erkenntniskräfte möglichst gut verstehen wollen; aber sie kann ihn aus dem menschlichen Geiste heraus nimmermehr selbst erzeugen. Nicht was der Geist erschaut, ist höchste Wahrheit, sondern ein gewisser Erkenntnisinhalt, der dem Geiste von außen zugekommen ist." Manche Gläubige lieben Gott eben wie eine Kuh: «Etliche Leute wollen Gott mit den Augen ansehen, als sie eine Kuh ansehen, und wollen Gott lieb haben, als sie eine Kuh lieb haben. Also haben sie Gott lieb, um auswendigen Reichtum und um inwendigen Trost; aber diese Leute haben nicht Gott recht lieb ... Einfältige Leute wähnen, sie sollen Gott ansehen, als stünde er dort und sie hier. So ist es nicht. Gott und ich sind eins im Erkennen.» Es liegt solchen Bekenntnissen bei Eckhart nichts anderes zugrunde, als die Erfahrung des inneren Sinnes. Und diese Erfahrung zeigt ihm die Dinge in einem höheren Lichte. Er glaubt daher eines äußeren Lichtes nicht zu bedürfen, um zu den höchsten Einsichten zu kommen: «Ein Meister spricht: Gott ist Mensch geworden, davon ist erhöhet und gewürdigt das ganze menschliche Geschlecht. Dessen mögen wir uns freuen, dass Christus unser Bruder ist gefahren von eigener Kraft über alle Chöre der Engel und sitzet zur Rechten des Vaters. Dieser Meister hat wohl gesprochen; aber wahrlich, ich gebe nicht viel darum. Was hülfe es mir, hätt' ich einen Bruder, der da wäre ein reicher Mann, und ich wäre dabei ein armer Mann? Was hülfe es mir, hätte ich einen Bruder, der ein weiser Mann wäre, und ich wäre ein Tor? ... Der himmlische Vater gebiert seinen eingebornen Sohn in sich und in mir. Warum in sich und in mir? Ich bin eins mit ihm; und er vermag mich nicht auszuschließen. In demselben Werk empfängt der Heilige Geist sein Wesen und wird von mir, wie von Gott. Warum? Ich bin in Gott, und nimmt der Heilige Geist sein Wesen nicht von mir, nimmt er es auch nicht von Gott. Ich bin auf keine Weise ausgeschlossen.» Wenn Eckhart an das Wort des Paulus erinnert: «Ziehet euch Jesum Christum an», so will er diesem Worte den Sinn unterlegen: versenket euch in euch, tauchet hinunter in die Selbstbeschauung: und aus den Tiefen eures Wesens wird euch der Gott entgegenleuchten; er überstrahlet euch alle Dinge; ihr habt ihn in euch gefunden; ihr seid einig geworden mit Gottes Wesenheit. «Gott ist Mensch geworden, dass ich Gott werde.» In seinem Traktat « Über die Abgeschiedenheit» spricht sich Eckhart über die Beziehung der äußeren Wahrnehmung zu der inneren aus: «Hier sollst du wissen, dass die Meister sprechen, dass an einem jeden Menschen zweierlei Menschen sind: der eine heißt der äußere Mensch, das ist die Sinnlichkeit; dem Menschen dienen fünf Sinne, und er wirkt doch durch die Kraft der Seele. Der andere Mensch heißt der innere Mensch, das ist des Menschen Inneres. Nun sollst du wissen, dass ein jeder Mensch, der Gott liebt, die Kräfte der Seele in dem äußeren Menschen nicht mehr gebraucht, als die fünf Sinne zur Not bedürfen; und das Innere kehrt sich nicht zu den fünf Sinnen, als nur insofern es der Weiser und Leiter der fünf Sinne ist und sie hütet, damit sie nicht ihrem Streben nach der Tierheit frönen.» Wer in dieser Art über den inneren Menschen spricht, der kann nicht mehr auf ein sinnlich außer ihm gelegenes Wesen der Dinge sein Auge richten. Denn er ist sich klar darüber, dass aus keiner Art der sinnlichen Außenwelt dieses Wesen ihm entgegentreten kann. Man könnte ihm einwenden: was geht die Dinge in der Außenwelt dasjenige an, was du ihnen aus deinem Geiste hinzufügst. Baue doch auf deine Sinne. Sie allein geben dir Kunde von der Außenwelt. Verfälsche nicht durch eine geistige Zutat, was dir die Sinne in Reinheit, ohne Zutat, als Bild der Außenwelt geben. Dein Auge sagt dir, wie die Farbe ist; was dein Geist über die Farbe erkennt, davon ist in der Farbe nichts. Vom Standpunkte des Meisters Eckhart müsste man antworten: Die Sinne sind physische Apparate. Ihre Mitteilungen über die Dinge können somit nur das Physische an den Dingen betreffen. Und dieses Physische in den Dingen teilt sich mir so mit, dass in mir selbst ein physischer Vorgang erregt wird. Die Farbe als physischer Vorgang der Außenwelt erregt einen physischen Vorgang in meinem Auge und in meinem Gehirn. Dadurch nehme ich die Farbe wahr. Ich kann auf diesem Wege aber nur das von der Farbe wahrnehmen, was an ihr physisch, sinnlich ist. Die sinnliche Wahrnehmung schaltet alles Nichtsinnliche von den Dingen aus. Die Dinge werden durch sie alles dessen entkleidet, was an ihnen nichtsinnlich ist. Schreite ich dann zu dem geistigen, dem ideellen Inhalt fort, so stelle ich nur dasjenige wieder her, was die sinnliche Wahrnehmung an den Dingen ausgelöscht hat. Somit zeigt mir die sinnliche Wahrnehmung nicht das tiefste Wesen der Dinge; sie trennt mich vielmehr von diesem Wesen. Die geistige, ideelle Erfassung verbindet mich aber wieder mit diesem Wesen. Sie zeigt mir, dass die Dinge in ihrem Innern genau von demselben geistigen Wesen sind, wie ich selbst. Die Grenze zwischen mir und der Außenwelt fällt durch die geistige Erfassung der Welt dahin. Ich bin von der Außenwelt getrennt, insofern ich ein sinnliches Ding unter sinnlichen Dingen bin. Mein Auge und die Farbe sind zwei verschiedene Wesenheiten. Mein Gehirn und die Pflanze sind zweierlei. Aber der ideelle Inhalt der Pflanze und der Farbe gehören mit dem ideellen Inhalt meines Gehirns und des Auges einer einheitlichen ideellen Wesenheit an. - Es darf diese Anschauung nicht verwechselt werden mit der weit verbreiteten anthropomorphosierenden (vermenschlichenden) Weltanschauung, welche die Dinge der Außenwelt dadurch zu erfassen glaubt, dass sie ihnen Eigenschaften psychischer Art beilegt, die den Eigenschaften der menschlichen Seele ähnlich sein sollen. Diese Ansicht sagt: wir nehmen an einem andern Menschen, wenn wir ihm äußerlich gegenübertreten, nur sinnliche Merkmale wahr. Ich kann meinem Mitmenschen nicht ins Innere schauen. Ich schließe aus dem, was ich von ihm sehe und höre, auf sein Inneres, auf seine Seele. Die Seele ist also niemals etwas, was ich unmittelbar wahrnehme. Eine Seele nehme ich nur in meinem eigenen Innern wahr. Meine Gedanken, meine Phantasiegebilde, meine Gefühle sieht kein Mensch. Ebenso wie ich nun ein solches Innenleben habe neben dem, was äußerlich wahrzunehmen ist, so müssen ein solches alle anderen Wesen haben. So schließt, wer auf dem Standpunkt der anthropomorphosierenden (vermenschlichenden) Weltanschauung steht. Was ich an der Pflanze äußerlich wahrnehme, muss ebenso nur die Außenseite eines Inneren, einer Seele sein, die ich mir hinzulenken muss zu dem, was ich wahrnehme. Und da es für mich nur eine einzige Innenwelt gibt, nämlich meine eigene, so kann ich mir auch die Innenwelt der anderen Wesen nur ähnlich meiner Innenwelt vorstellen. Dadurch kommt man zu einer Art Allbeseelung aller Natur (Panpsychismus). Diese Anschauung beruht auf einer Verkennung dessen, was der entwickelte innere Sinn wirklich darbietet. Der geistige Inhalt eines äußeren Dinges, der mir in meinem Innern aufgeht, ist nichts zu der äußeren Wahrnehmung Hinzugedachtes. Er ist dies ebensowenig, wie der Geist eines anderen Menschen. Ich nehme durch den inneren Sinn diesen geistigen Inhalt ebenso wahr, wie durch die äußeren Sinne den physischen Inhalt. Und was ich mein Innenleben in obigem Sinne nenne, ist gar nicht, im höheren Sinne, mein Geist. Dieses Innenleben ist nur das Ergebnis rein sinnlicher Vorgänge, gehört mir nur als ganz individuelle Persönlichkeit an, die nichts ist als das Ergebnis ihrer physischen Organisation. Wenn ich dieses Innere auf die äußeren Dinge übertrage, so denke ich tatsächlich ins Blaue hinein. Mein persönliches Seelenleben, meine Gedanken, Erinnerungen und Gefühle sind in mir, weil ich ein so und so organisiertes Naturwesen bin, mit einem ganz bestimmten Sinnesapparat, mit einem ganz bestimmten Nervensystem. Diese meine menschliche Seele darf ich nicht auf die Dinge übertragen. Ich dürfte das nur, wenn ich irgendwo ein ähnlich organisiertes Nervensystem fände. Aber meine individuelle Seele ist nicht das höchste Geistige an mir. Dieses höchste Geistige muß in mir erst durch den inneren Sinn erweckt werden. Und dieses erweckte Geistige in mir ist zugleich ein und dasselbe mit dem Geistigen in allen Dingen. Vor diesem Geistigen erscheint die Pflanze unmittelbar in ihrer eigenen Geistigkeit. Ich brauche ihr nicht eine Geistigkeit zu verleihen, die ähnlich meiner eigenen ist. Für diese Weltanschauung verliert alles Reden über das unbekannte « Ding an sich» jeglichen Sinn. Denn es ist eben das «Ding an sich», das sich dem inneren Sinn enthüllt. Alles Reden über das unbekannte « Ding an sich» rührt nur davon her, dass diejenigen, die so reden, nicht imstande sind, in den geistigen Inhalten ihres Innern die «Dinge an sich» wieder zu erkennen. Sie glauben in ihrem Innern wesenlose Schatten und Schemen, « bloße Begriffe und Ideen» der Dinge zu erkennen. Da sie aber doch eine Ahnung von dem «Ding an sich» haben, so glauben sie, dass sich dieses « Ding an sich» verberge, und dass dem menschlichen Erkenntnisvermögen Grenzen gesteckt seien. Man kann solchen, die in diesem Glauben befangen sind, nicht beweisen, daß sie das « Ding an sich» in ihrem Innern ergreifen müssen, denn sie würden dieses «Ding an sich», wenn man es ihnen vorwiese, doch niemals anerkennen. Um dieses Anerkennen aber handelt es sich. - Alles, was der Meister Eckhart sagt, ist von dieser Anerkennung durchdrungen. «Dessen nimm ein Gleichnis. Eine Tür geht in einem Angel auf und zu. Wenn ich nun das äußere Brett an der Türe dem äußeren Menschen vergleiche, so vergleiche ich den Angel dem inneren Menschen. Wenn nun die Türe auf und zu geht, so bewegt sich das äußere Brett hin und her, während doch der Angel beständig unbeweglich bleibt, und dadurch keineswegs verändert wird. In gleicher Weise ist es auch hier.» Ich kann als individuelles Sinneswesen die Dinge nach allen Seiten erforschen - die Tür geht auf und zu -; wenn ich die Wahrnehmungen der Sinne nicht geistig in mir erstehen lasse, dann kenne ich nichts von ihrem Wesen - der Angel bewegt sich nicht -. Die durch den inneren Sinn vermittelte Erleuchtung ist, nach Eckharts Anschauung, der Einzug Gottes in die Seele. Er nennt das Licht der Erkenntnis, das durch diesen Einzug aufflackert, das «Fünklein der Seele». Die Stelle des menschlichen Innern, an der dieses «Fünklein» aufleuchtet, ist « so lauter, und so hoch, und so edel in sich selber, dass darin keine Kreatur sein mag, sondern nur Gott allein wohnt darin mit seiner bloßen göttlichen Natur». Wer dieses «Fünklein» in sich hat aufgehen lassen, der sieht nicht mehr bloß so, wie der Mensch mit den äußeren Sinnen sieht, und mit dem logischen Verstande, der die Eindrücke der Sinne ordnet und klassifiziert, sondern er sieht, wie die Dinge an sich sind. Die äußeren Sinne und der ordnende Verstand sondern den einzelnen Menschen von den anderen Dingen ab; sie machen ihn zu einem Individuum im Raum und in der Zeit, das auch die anderen Dinge im Raum und in der Zeit wahrnimmt. Der von dem « Fünklein» erleuchtete Mensch hört auf, ein Einzelwesen zu sein. Er vernichtet seine Absonderung. Alles, was den Unterschied zwischen ihm und den Dingen bewirkt, hört auf. Dass er, als Einzelwesen, es ist, der wahrnimmt, kommt gar nicht mehr in Betracht. Die Dinge und er sind nicht mehr geschieden. Die Dinge und somit auch Gott sehen sich in ihm. «Dies Fünklein, das ist Gott, also, daß es ist ein einig Ein, und das Bild in sich trägt aller Kreaturen, Bild ohne Bild, und Bild über Bild.» Mit den herrlichsten Worten spricht Eckhart die Auslöschung des Einzelwesens aus: « Es ist daher zu wissen, dass das Eines ist nach den Dingen, Gott erkennen und von Gott erkannt zu sein. In dem erkennen wir Gott und sehen, dass er uns macht sehend und erkennend. Und wie die Luft, die erleuchtet, nichts anderes ist, als was sie erleuchtet; denn davon leuchtet sie, daß sie erleuchtet ist: also erkennen wir, dass wir erkannt sind und dass er uns sich machet erkennend.» Freiheit: "Die Seele, die sich der inneren Erleuchtung hingibt, erkennt nicht bloß in sich das, was sie vor der Erleuchtung war; sondern sie erkennt das, was sie erst durch diese Erleuchtung wird. «Wir sollen mit Gott vereinigt werden wesentlich; wir sollen mit Gott vereinigt werden einlich; wir sollen mit Gott vereinigt werden gänzlich. Wie sollen wir wesentlich mit Gott vereinigt werden? Das soll geschehen an der Schauung und nicht an der Wesung. Sein Wesen mag nicht unser Wesen werden, sondern soll unser Leben sein.» Nicht ein schon vorhandenes Leben - eine Wesung - soll im logischen Sinne erkannt werden; sondern das höhere Erkennen - die Schauung - soll selbst Leben werden; das Geistige, das Ideelle soll von dem schauenden Menschen so empfunden werden, wie von der individuellen Menschennatur das gewöhnliche, alltägliche Leben empfunden wird. Von solchen Ausgangspunkten gelangt der Meister Eckhart auch zu einem reinen Freiheitsbegriffe. Die Seele ist im gewöhnlichen Leben nicht frei. Denn sie ist eingesponnen in das Reich der niederen Ursachen. Sie vollbringt, wozu sie von diesen niederen Ursachen genötigt wird. Durch die «Schauung» wird sie aus dem Gebiet dieser Ursachen hinausgehoben. Sie handelt nicht mehr als Einzelseele. Es wird in ihr die Urwesenheit freigelegt, die durch nichts mehr verursacht werden kann, denn durch sich selbst. «Gott zwingt den Willen nicht, sondern er setzt ihn vielmehr in Freiheit, also dass er nichts anderes will, denn das Gott selber will. Und der Geist mag nichts anderes wollen, denn was Gott will: und das ist nicht seine Unfreiheit; es ist seine eigentliche Freiheit. Denn Freiheit ist, dass wir nicht gebunden sind, dass wir also frei und lauter und also unvermengt seien, als wir waren in unserem ersten Ausfluss, und da wir gefreiet wurden in dem heiligen Geist. »Von dem erleuchteten Menschen darf gesagt werden, er sei selbst die Wesenheit, welche aus sich das Gute und das Böse bestimmt. Er kann gar nicht anders, als das Gute vollbringen. Denn er dienet nicht dem Guten, sondern das Gute lebt sich in ihm aus. «Der gerechte Mensch dienet weder Gott, noch den Kreaturen; denn er ist frei, und je näher er der Gerechtigkeit ist, desto mehr ist er die Freiheit selber.» Was kann, für den Meister Eckhart, dann das Böse nur sein? Es kann nur das Handeln unter dem Einfluss der untergeordneten Anschauungsweise sein; das Handeln einer Seele, die nicht durch den Zustand der Entwerdung durchgegangen ist. Eine solche Seele ist selbstsüchtig in dem Sinne, dass sie nur sich will. Sie könnte nur äußerlich ihr Wollen mit sittlichen Idealen in Einklang bringen. Die schauende Seele kann in diesem Sinne nicht selbstsüchtig sein. Wenn sie auch sich wollte, so wollte sie doch die Herrschaft des Idealen; denn sie hat sich selbst zu diesem Idealen gemacht. Sie kann nicht mehr die Ziele der niederen Natur wollen, denn sie hat nichts mehr mit dieser niederen Natur gemein. Es bedeutet für die schauende Seele keinen Zwang, keine Entbehrung, im Sinne der sittlichen Ideale zu handeln. « Der Mensch, der da steht in Gottes Willen und in Gottes Minne, dem ist es eine Lust, alle guten Dinge zu tun, die Gott will, und alle bösen Dinge zu lassen, die wider Gott sind. Und es ist ihm unmöglich, ein Ding zu lassen, das Gott will gewirkt haben. Recht so, dem wäre unmöglich zu gehen, dem seine Beine gebunden sind, so unmöglich wäre dem Menschen eine Untugend zu tun, der in Gottes Willen ist.» Eckhart verwahrt sich noch ausdrücklich dagegen, dass mit dieser seiner Anschauung ein Freibrief gegeben wäre für alles mögliche, was der einzelne will. Gerade daran erkennt man den Schauenden, dass er gar nichts mehr als einzelner will. « Es sprechen etliche Menschen: habe ich Gott und Gottes Freiheit, so mag ich wohl tun alles, was ich will. Dies Wort verstehen sie unrecht. Dieweil du irgendein Ding vermagst, das wider Gott ist und sein Gebot, so hast du Gottes Minne nicht; du magst die Welt wohl betrügen, als habest du sie.» Eckhart ist überzeugt, dass der Seele, die sich bis zu ihrem Grunde vertieft, auf diesem Grunde auch die vollkommene Sittlichkeit entgegenleuchtet, dass da alles logische Begreifen und alles Handeln im gewöhnlichen Sinne aufhört und eine ganz neue Ordnung des Menschenlebens eintritt. «Denn alles, was das Verständnis begreifen mag, und alles, was die Begegnung begehret, das ist ja Gott nicht. Wo die Verständnis und die Begehrung endet, da ist es finster, da leuchtet Gott. Da tut sich jene Kraft in der Seele auf, die weiter ist denn der weite Himmel... Der Gerechten Seligkeit und Gottes Seligkeit ist Eine Seligkeit; denn da ist der Gerechte selig, da Gott selig ist.» [24] Johannes Tauler;
Er hätte nicht von einer nach Menschenmuster gedachten «Zweckmäßigkeit»
in der Natur gesprochen. Er wußte, dass da, wo wir mit den Sinnen
wahrnehmen, keine «Schöpfungsgedanken» zu finden sind,
er will dieses Christentum durch seine Anschauung vertiefen, vergeistigen:
"In Johannes Tauler (1300-136I), Heinrich Suso (1295-1366) und Johannes
Ruysbroeck (1295-1366) lernt man Persönlichkeiten kennen, in deren
Leben und Wirken sich auf die eindringlichste Art die Seelenbewegungen
zeigen, die ein Geistesweg wie derjenige des Meister Eckhart in tiefangelegten
Naturen verursacht. Erscheint Eckhart wie ein Mann, der in seligem Erleben
der geistigen Wiedergeburt von der Beschaffenheit und dem Wesen der Erkenntnis
wie von einem Bilde spricht, das ihm gelungen ist zu malen: so stellen
sich die anderen dar wie Wanderer, denen diese Wiedergeburt einen neuen
Weg gezeigt hat, den sie wandeln wollen, dessen Ziel sich ihnen aber in
unendliche Ferne rückt. Eckhart schildert mehr die Herrlichkeiten
seines Bildes, sie die Schwierigkeiten des neuen Weges. Man muss sich völlig
klar machen, wie der Mensch zu seinen höheren Erkenntnissen steht,
wenn man den Unterschied von Persönlichkeiten wie Eckhart und Tauler
sich vor die Seele treten lassen will. Der Mensch ist eingesponnen in die
Sinnenwelt und in die Naturgesetzlichkeit, von welcher die Sinnenwelt beherrscht
ist. Er ist selbst ein Ergebnis dieser Welt. Er lebt, indem ihre Kräfte
und Stoffe in ihm tätig sind; ja er nimmt diese Sinnenwelt wahr und
beurteilt sie nach den Gesetzen, nach denen sie und er aufgebaut sind.
Wenn er sein Auge auf einen Gegenstand richtet, so stellt sich ihm nicht
nur der Gegenstand als eine Summe von ineinanderwirkenden Kräften
dar, die von den Naturgesetzen beherrscht sind, sondern das Auge selbst
ist ein nach solchen Gesetzen und von solchen Kräften aufgebauter
Körper; und das Sehen geschieht nach solchen Gesetzen und durch solche
Kräfte. Wären wir in der Naturwissenschaft an ein Ende gekommen,
so könnten wir wohl bis in die höchsten Regionen der Gedankenbildung
dieses Spiel der Naturkräfte im Sinne der Naturgesetze verfolgen.
- Aber schon, indem wir dies tun, erheben wir uns über dieses Spiel.
Stehen wir denn nicht über aller bloßen Naturgesetzmäßigkeit,
wenn wir überschauen, wie wir uns selbst in die Natur eingliedern?
Wir sehen mit unserem Auge nach den Gesetzen der Natur. Aber wir erkennen
auch die Gesetze, nach denen wir sehen. Wir können uns auf eine höhere
Warte stellen, und zugleich die Außenwelt und uns selbst in ihrem
Zusammenspiel überschauen. Wirkt da nicht eine Wesenheit in uns, die
höher ist als die nach Naturgesetzen und mit Naturkräften tätige
sinnlich-organische Persönlichkeit? Ist in solchem Wirken noch eine
Scheidewand zwischen unserem Innern und der Außenwelt? Was da urteilt,
was sich Aufklärung verschafft, ist nicht mehr unsere Einzelpersönlichkeit;
es ist vielmehr die allgemeine Weltwesenheit, welche die Schranke niedergerissen
hat zwischen Innenwelt und Außenwelt, und die nunmehr beide umspannt.
So
wahr es ist, daß ich noch immer derselbe Einzelne der äußeren
Erscheinung nach bleibe, wenn ich in dieser Art die Schranke niedergerissen
habe, so wahr ist es auch, dass ich dem Wesen nach nicht mehr dieser Einzelne
bin. In mir lebt nunmehr die Empfindung, dass in meiner Seele das Allwesen
spricht, das mich und alle Welt umfasst. - Solche Empfindungen leben in
Tauler, wenn er sagt: «Der Mensch ist recht, als ob er drei Menschen
sei, sein tierischer Mensch, wie er nach den Sinnen ist, dann sein vernünftiger
Mensch, und endlich sein oberster gottförmiger, gottgebildeter Mensch...
Der eine ist der auswendige, tierische, sinnliche Mensch; der andere ist
der inwendige, vernünftige Mensch, mit seinen vernünftigen Kräften;
der dritte Mensch ist das Gemüt, der alleroberste Teil der Seele »
(vgl. W. Preger, «Geschichte der deutschen Mystik», 3. Bd.,
S. 161). Wie dieser dritte Mensch erhaben ist über den ersten und
zweiten, das hat Eckhart in den Worten gesagt: « Das Auge, durch
das ich Gott sehe, das ist das gleiche Auge, mit dem Gott mich sieht. Mein
Auge und Gottes Auge das ist ein Auge und ein Sehen und ein Erkennen und
ein Empfinden.» Aber in Tauler lebt zugleich mit dieser eine andere
Empfindung. Er ringt sich durch zu einer wirklichen Anschauung vom Geistigen
und vermengt nicht fortwährend, wie die falschen Materialisten und
die falschen Idealisten, das Sinnlich- Natürliche mit dem Geistigen.
Wäre Tauler, mit seiner Gesinnung, Naturforscher geworden: er hätte
darauf bestehen müssen, alles Natürliche, mit Einschluss des
ganzen Menschen, des ersten und zweiten, rein naturgemäß zu
erklären. Er hätte niemals «rein» geistige Kräfte
in die Natur selbst versetzt. Er hätte nicht von einer nach Menschenmuster
gedachten «Zweckmäßigkeit» in der Natur gesprochen.
Er wußte, dass da, wo wir mit den Sinnen wahrnehmen, keine «Schöpfungsgedanken»
zu finden sind. In ihm lebte vielmehr das allerstärkste Bewußtsein
davon, dass der Mensch ein bloß natürliches Wesen ist. Und da
er sich nicht als Naturforscher, sondern als Pfleger des sittlichen Lebens
fühlte, so empfand er den Gegensatz, der sich auftut zwischen diesem
natürlichen Wesen des Menschen und dem Gottschauen, das inmitten der
Natürlichkeit, auf natürliche Weise, aber als Geistigkeit entspringt.
Eben in diesem Gegensatz trat ihm der Sinn des Lebens vor Augen.
Als Einzelwesen, als Naturgeschöpf findet sich der Mensch. Und keine
Wissenschaft kann ihm etwas anderes über dieses Leben eröffnen,
als dass er ein solches Naturgeschöpf ist. Er kann als Naturgeschöpf
nicht über die Naturgeschöpflichkeit hinaus. Er muss in ihr bleiben.
Und doch führt ihn sein inneres Leben darüber hinaus. Er muss
Vertrauen haben zu dem, was ihm keine Wissenschaft der äußeren
Natur geben und zeigen kann. Nennt er diese Natur das Da-Seiende, so muss
er vordringen können zu der Anschauung, die das Nicht-Seiende als
das Höhere anerkennt. Tauler sucht keinen Gott, der im Sinne einer
Naturkraft vorhanden ist; er sucht keinen Gott, der im Sinne der Menschenschöpfungen
die Welt geschaffen hätte. In ihm lebt die Erkenntnis, dass selbst
der Schöpfungsbegriff der Kirchenlehrer nur idealisiertes Menschenschaffen
ist. Ihm ist klar, dass Gott nicht gefunden wird, wie von der Wissenschaft
Naturwirken und Naturgesetzlichkeit gefunden werden. Tauler ist sich dessen
bewußt, dass wir zu der Natur als Gott nichts hinzu denken dürfen.
Er weiß, dass wer, in seinem Sinne, Gott denkt, nicht mehr Gedankeninhalt
denkt, als wer die Natur in Gedanken gefasst hat. Tauler will deshalb nicht
Gott denken, sondern er will göttlich denken. Nicht bereichert wird
die Naturerkenntnis durch das Gotteswissen, sondern verwandelt. Nicht anderes
weiß
der Gotteserkenner als der Naturerkenner, sondern er weiß anders.
Nicht einen Buchstaben kann der Gotteserkenner zu dem Naturerkennen hinzufügen;
aber durch sein ganzes Naturerkennen leuchtet ein neues Licht. Welche Grundempfindungen
sich der Seele eines Menschen bemächtigen, der die Welt von solchen
Gesichtspunkten aus betrachtet, das wird davon abhängen, wie er das
Erlebnis der Seele betrachtet, das die geistige Wiedergeburt bringt. Innerhalb
dieses Erlebnisses ist der Mensch ganz Naturwesen, wenn er sich im Zusammenspiel
mit der übrigen Natur betrachtet; und er ist ganz Geistwesen, wenn
er auf den Zustand sieht, den ihm seine Verwandlung bringt. Man kann deshalb
mit gleichem Rechte sagen: der tiefste Grund der Seele ist noch natürlich,
wie auch, er ist schon göttlich. Tauler betonte, seiner Sinnesweise
gemäß, das erstere. Wir mögen noch so tief in unsere Seele
dringen, wir bleiben immer Einzelmenschen, sagte er sich. Aber doch leuchtet
in dem Seelengrunde des Einzelmenschen das Allwesen auf. Tauler war beherrscht
von dem Gefühle: du kannst dich von der Einzelheit nicht loslösen,
dich von ihr nicht reinigen. Deshalb kann das Allwesen auch nicht in seiner
Reinheit in dir zum Vorschein kommen, sondern es kann nur deinen Seelengrund
bescheinen. In diesem kommt also doch nur ein Abglanz, ein Bild des Allwesens
zustande. Du kannst deine Einzelpersönlichkeit so verwandeln, dass
sie im Bilde das Allwesen wiedergibt; aber dieses Allwesen selbst leuchtet
nicht in dir. Von solchen Vorstellungen aus kam Tauler doch zu dem Gedanken
einer nie in der menschlichen Welt ganz aufgehenden, nie in sie einfließenden
Gottheit. Ja, er legt Wert darauf, nicht mit denen verwechselt zu werden,
die das Innere des Menschen selbst als ein Göttliches erklären.
Er sagt, die Vereinigung mit Gott «nehmen unverständige Menschen
fleischlich und sprechen, sie sollten in göttliche Natur verwandelt
werden; das ist aber zumal falsch und böse Ketzerei. Denn auch bei
der allerhöchsten, nächsten, innigsten Einigung mit Gott ist
doch göttliche Natur und Gottes Wesen hoch, ja höher als alle
Höhe; das gehet in einen göttlichen Abgrund, was da nimmer keiner
Kreatur wird.» Tauler will, im Sinne seiner Zeit und im Sinne seines
Priesterberufs gläubiger Katholik mit Recht genannt werden. Es liegt
ihm nicht daran, dem Christentum eine andere Anschauung entgegenzusetzen.
Er will dieses Christentum durch seine Anschauung nur vertiefen, vergeistigen.
Er spricht wie ein frommer Priester von dem Inhalte der Schrift. Aber diese
Schrift wird in seiner Vorstellungswelt doch zu einem Ausdrucksmittel für
die innersten Erlebnisse seiner Seele. « Gott wirket alle seine Werke
in der Seele und gibt sie der Seele, und der Vater gebiert seinen eingeborenen
Sohn in der Seele, so wahrlich er ihn in der Ewigkeit gebiert, weder minder
noch mehr. Was wird geboren, wenn man spricht: Gott gebiert in der Seele?
Ist es ein Gleichnis Gottes, oder ist es ein Bild Gottes, oder ist es etwas
Gottes? Nein, es ist weder Bild, noch Gleichnis Gottes, sondern derselbe
Gott und derselbe Sohn, den der Vater in der Ewigkeit gebiert und nichts
anderes, denn das minnigliche göttliche Wort, das die andere Person
in der Dreifaltigkeit ist, den gebiert der Vater in der Seele... und hievon
hat die Seele also große und sonderliche Würdigkeit» (vgl.
Preger, «Geschichte der deutschen Mystik», 3. Bd., S. 219 f).
Die Erzählungen der Schrift werden für Tauler das Kleid, in
das er Vorgänge des inneren Lebens hüllt. «Herodes, der
das Kind verjagte und töten wollte, ist ein Vorbild der Welt, welche
noch dieses Kind in einem gläubigen Menschen töten will, darum
soll und muss man sie fliehen, wollen wir anders das Kind in uns lebendig
erhalten, das Kind aber ist die erleuchtete gläubige Seele eines jeglichen
Menschen.» Tauler kommt es deshalb, weil er den Blick auf den natürlichen
Menschen richtet, weniger darauf an, zu sagen, was wird, wenn der höhere
Mensch in den natürlichen einzieht, als vielmehr, die Wege zu finden,
welche die niederen Kräfte der Persönlichkeit einzuschlagen haben,
wenn sie in das höhere Leben übergeführt werden sollen.
Als Pfleger des sittlichen Lebens will er dem Menschen die Wege zum Allwesen
zeigen. Er hat den unbedingten Glauben und das Vertrauen, dass das Allwesen
in dem Menschen aufleuchtet, wenn dieser sein Leben so einrichtet, daß
für das Göttliche in ihm eine Stätte ist. Niemals aber kann
dieses Allwesen aufleuchten, wenn der Mensch in seiner bloßen, natürlichen,
einzelnen Persönlichkeit sich abschließt. Dieser in sich abgesonderte
Mensch ist in der Sprache Taulers nur ein Glied der Welt; eine einzelne
Kreatur. Je mehr sich der Mensch in dieses sein Dasein als Glied der Welt
einschließt, desto weniger kann das Allwesen in ihm Platz finden.
« Soll der Mensch in der Wahrheit mit Gott eins werden, so müssen
alle Kräfte auch des inwendigen Menschen sterben und schweigen. Der
Wille muss selbst des Guten und alles Willens entbildet und willenlos werden.»
« Der Mensch soll entweichen allen Sinnen und einkehren alle seine
Kräfte, und kommen in ein Vergessen aller Dinge und seiner selbst.»
« Denn das wahrhafte und ewige Wort Gottes wird allein in der Wüste
gesprochen, wenn der Mensch von sich selbst und von allen Dingen ausgegangen
ist, und ganz ledig, wüst und einsam steht.» Als Tauler auf
seiner Höhe stand, da trat die Frage in den Mittelpunkt seines Vorstellungslebens:
wie kann der Mensch sein Einzeldasein in sich vernichten, überwinden,
damit er im Sinne des All-Lebens mitlebe? Wer in dieser Lage ist, dem drängen
sich die Gefühle gegenüber dem Allwesen in das eine zusammen:
Ehrfurcht vor diesem Allwesen, als dem, was unerschöpflich, unendlich
ist. Er sagt sich: hast du welche Stufe immer erreicht; es gibt noch höhere
Ausblicke, noch erhabenere Möglichkeiten. So bestimmt und klar ihm
die Richtung ist, in der er seine Schritte zu bewegen hat, so klar ist
ihm auch, dass er von einem Ziele nie sprechen kann. Ein neues Ziel ist
nur der Anfang zu einem neuen Wege. Durch ein solches neues Ziel hat der
Mensch einen Entwicklunsgrad erreicht; die Entwicklung selbst bewegt sich
ins Unermessliche. Und was sie auf einer ferneren Stufe erreichen wird,
weiß sie in der gegenwärtigen nie. Ein Erkennen des letzten
Zieles gibt es nicht; nur ein Vertrauen in den Weg, in die Entwicklung.
Für alles, was der Mensch schon erreicht hat, gibt es ein Erkennen.
Es besteht in dem Durchdringen eines schon vorhandenen Gegenstandes durch
die Kräfte unseres Geistes. Für das höhere Leben des Innern
gibt es ein solches Erkennen nicht. Hier müssen sich die Kräfte
unseres Geistes den Gegenstand selbst erst in das Vorhandensein versetzen;
sie müssen ihm ein Dasein, das so ist, wie das natürliche Dasein,
erst schaffen. Die Naturwissenschaft verfolgt die Entwicklung der Wesen
von dem einfachsten bis zu dem vollkommensten, dem Menschen selbst. Diese
Entwicklung liegt als abgeschossene vor uns. Wir erkennen sie, indem wir
sie mit unseren Geisteskräften durchdringen. Ist die Entwicklung beim
Menschen angekommen, dann findet er keine weitere Fortsetzung vorhanden
vor. Er vollzieht selbst die Weiterentwicklung. Er lebt nunmehr, was er
für frühere Stufen bloß erkennt. Er schafft dem Gegenstande
nach, was er für das vorhergehende nur dem geistigen Wesen gemäß
nachschafft. Dass die Wahrheit nicht eins ist mit dem Vorhandenen in der
Natur, sondern natürlich Vorhandenes und Nicht-Vorhandenes umspannt:
davon ist Tauler ganz erfüllt in allen seinen Empfindungen. ... Was
Tauler betrifft, so geht uns nur an, dass wir seine Wandlung unter dem
durch das Folgende angegebenen Gesichtspunkte zu verstehen haben. Vergleichen
wir sein späteres Wirken mit seinem vorhergehenden, so ist, ohne weiteres,
die Tatsache dieser Wandlung gegeben. Ich lasse alle äußeren
Tatsachen weg und erzähle die inneren Seelenvorgänge des «Meisters»
unter «dem Einflusse des Laien». Was sich mein Leser unter
dem «Laien» und unter dem «Meister» denkt, hängt
ganz von seiner Geistesart ab; was ich mir selbst darunter vorstelle, davon
kann ich nicht wissen, für wen es noch in Betracht kommt. - Ein Meister
belehrt seine Zuhörer über das Verhältnis der Seele zum
Allwesen der Dinge. Er spricht davon, dass der Mensch nicht mehr die natürlichen,
beschränkten Kräfte der Einzelpersönlichkeit in sich wirken
fühlt, wenn er in den Abgrund seiner Seelentiefen hinuntersteigt.
Dort spricht nicht mehr der einzelne Mensch, dort spricht Gott. Dort sieht
nicht der Mensch Gott, oder die Welt; dort sieht Gott sich selbst. Der
Mensch ist mit Gott eins geworden. Aber der Meister weiß, dass diese
Lehre noch nicht völlig lebendig in ihm geworden ist. Er denkt sie
mit dem Verstande; aber er lebt noch nicht in ihr mit jeder Faser seiner
Persönlichkeit. Er lehrt also von einem Zustande, den er in sich noch
nicht vollkommen durchgemacht hat. Die Schilderung des Zustandes entspricht
der Wahrheit; doch ist diese Wahrheit nichts wert, wenn sie nicht Leben
gewinnt, wenn sie sich nicht in der Wirklichkeit als Dasein hervorbringt."
[25]
12. Mystik II; Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim; der «Geist in der Natur» ist nur für den Geist da; so gewiss die Natur in diesem Sinne geistig ist, so gewiss ist nichts in der Natur unmittelbar geistig, was von körperlichen Organen wahrgenommen wird; zu Agrippas Zeiten fand man allerdings mit der von ihm vertretenen «natürlichen Magie», die in der Natur Natürliches - und Geistiges nur im Geiste - suchte, wenig Verständnis; die Menschen hingen an der «übernatürlichen Magie», die im Reiche des Sinnlichen das Geistige suchte, und die Agrippa bekämpfte; Theophrastus Paracelsus; Mikrokosmos (Mensch) und Makrokosmos (Weltall), der Mensch ist ihm die Welt im Kleinen; das erste Glied der menschlichen Natur nennt Paracelsus den Elementarleib; das zweite den ätherisch-himmlischen oder astralischen Leib, das dritte Glied nennt er Seele; organischer Lebensprozess, Paracelsus bezeichnet die organische Gesetzmäßigkeit als «Archaeus» oder «Spiritus vitae»; «Verstandesseele», «Geistseele»; Alchymie; Freundschaft mit der Natur suchte ParacelsusHeinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim, Trithem von Sponheim und Theophrastus Paracelsus; der «Geist in der Natur» ist nur für den Geist da; so gewiss die Natur in diesem Sinne geistig ist, so gewiss ist nichts in der Natur unmittelbar geistig, was von körperlichen Organen wahrgenommen wird; zu Agrippas Zeiten fand man allerdings mit der von ihm vertretenen «natürlichen Magie», die in der Natur Natürliches - und Geistiges nur im Geiste - suchte, wenig Verständnis; die Menschen hingen an der «übernatürlichen Magie», die im Reiche des Sinnlichen das Geistige suchte, und die Agrippa bekämpfte: "Den Weg, auf welchen die Vorstellungsweise des Nicolaus von Kues hinweist, sind Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (1487-1 535) und Theophrastus Paracelsus (1493-1541) gewandelt. Sie vertiefen sich in die Natur und suchen deren Gesetze mit allen Mitteln, die ihnen ihre Zeitepoche darbietet, zu erforschen, und zwar so allseitig wie möglich. In diesem Naturwissen sehen sie zugleich die wahre Grundlage für alle höhere Erkenntnis. Diese suchen sie aus der Naturwissenschaft heraus selbst zu entwickeln, indem sie diese im Geiste wiedergeboren werden lassen. Agrippa von Nettesheim führte ein wechselreiches Leben. Er stammt aus einem vornehmen Geschlecht und ist in Köln geboren. Er studierte frühzeitig Medizin und Rechtswissenschaft und suchte sich über die Naturvorgänge in der Art aufzuklären, wie es damals üblich war innerhalb gewisser Kreise und Gesellschaften, oder auch bei einzelnen Forschern, die, was ihnen an Naturkenntnis aufging, sorgfältig geheim hielten. Er ging zu solchen Zwecken wiederholt nach Paris, nach Italien und England, und besuchte auch den berühmten Abt Trithem von Sponheim in Würzburg. Er lehrte zu verschiedenen Zeiten in wissenschaftlichen Anstalten und trat da und dort in die Dienste von Reichen und Vornehmen, denen er seine staatsmännischen und naturwissenschaftlichen Geschicklichkeiten zur Verfügung stellte. Wenn von seinen Biographen die Dienste, die er geleistet hat, als nicht immer einwandfrei geschildert werden, wenn gesagt wird, dass er unter dem Vorgeben, geheime Künste zu verstehen und durch sie den Menschen Vorteile zu verschaffen, sich Geld erworben habe, so steht dem sein unverkennbarer, rastloser Trieb gegenüber, sich das gesamte Wissen seiner Zeit in ehrlicher Weise anzueignen und dieses Wissen im Sinne einer höheren Welterkenntnis zu vertiefen. Deutlich tritt bei ihm das Bestreben zutage, eine klare Stellung zur Naturwissenschaft auf der einen Seite, zur höheren Erkenntnis auf der anderen Seite zu gewinnen. Zu einer solchen Stellung gelangt nur, wer Einsicht darin hat, auf welchen Wegen man zu der einen und zur anderen Erkenntnis gelangt. So wahr es ist, dass die Naturwissenschaft zuletzt in die Region des Geistes heraufgehoben werden muss, wenn sie in höhere Erkenntnis übergehen soll, so wahr ist es auch, dass sie zunächst auf dem ihr eigentümlichen Felde bleiben muss, wenn sie die rechte Grundlage für eine höhere Stufe abgeben soll. Der «Geist in der Natur» ist nur für den Geist da. So gewiss die Natur in diesem Sinne geistig ist, so gewiss ist nichts in der Natur unmittelbar geistig, was von körperlichen Organen wahrgenommen wird. Es gibt nichts Geistiges, das meinem Auge als Geistiges erscheinen kann. Ich darf den Geist als solchen nicht in der Natur suchen. Das tue ich, wenn ich einen Vorgang der äußeren Welt unmittelbar geistig deute, wenn ich z.B. der Pflanze eine Seele zuschreibe, die nur entfernt analog der Menschenseele sein soll. Das tue ich ferner auch, wenn ich dem Geist oder der Seele selbst ein räumliches oder zeitliches Dasein zuschreibe, wenn ich z.B. von der ewigen Menschenseele sage, dass sie ohne den Körper, aber doch nach Art eines Körpers, statt als reiner Geist, in der Zeit fortlebe. Oder wenn ich gar glaube, dass in irgendwelchen sinnlich-wahrnehmbaren Veranstaltungen der Geist eines Verstorbenen sich zeigen könne. Der Spiritismus, der diesen Fehler begeht, zeigt damit nur, dass er bis zur wahrhaften Vorstellung des Geistes nicht vorgedrungen ist, sondern in einem Grobsinnlichen unmittelbar den Geist anschauen will. Er verkennt sowohl das Wesen des Sinnlichen wie dasjenige des Geistes. Er entgeistet das gewöhnliche Sinnliche, das Stunde für Stunde sich vor unseren Augen abspielt, um ein Seltenes, Überraschendes, Ungewöhnliches unmittelbar als Geist anzusprechen. Er begreift nicht, dass, was als «Geist in der Natur» lebt, sich z.B. beim Stoß zweier elastischer Kugeln für denjenigen, der Geist zu sehen vermag, enthüllt; und nicht erst bei Vorgängen, die durch ihre Seltenheit frappieren und die in ihrem natürlichen Zusammenhange nicht sofort überschaubar sind. Der Spiritist zieht aber auch den Geist in eine niedere Sphäre herab. Statt etwas, das im Raume vorgeht und das er mit den Sinnen wahrnimmt, auch durch Kräfte und Wesen zu erklären, die nur wieder räumlich und sinnlich wahrnehmbar sind, greift er zu «Geistern», die er somit völlig gleichsetzt mit dem Sinnlich-Wahrnehmbaren. Es liegt einer solchen Vorstellungsart ein Mangel an geistigem Auffassungsvermögen zugrunde. Man ist nicht imstande, Geistiges auf geistige Art anzuschauen; deshalb befriedigt man sein Bedürfnis nach dem Vorhandensein des Geistes mit bloßen Sinnenwesen. Der Geist zeigt solchen Menschen keinen Geist; deshalb suchen sie ihn mit den Sinnen. Wie sie Wolken durch die Luft fliegen sehen, möchten sie auch Geister dahineilen sehen. Agrippa von Nettesheim kämpft für eine echte Naturwissenschaft, welche die Erscheinungen der Natur nicht durch Geisteswesen, die in der Sinneswelt spuken, erklären will, sondern welche in der Natur nur Natürliches, im Geiste nur Geistiges sehen will. - Man wird natürlich Agrippa völlig missverstehen, wenn man seine Naturwissenschaft mit derjenigen späterer Jahrhunderte vergleicht, die über ganz andere Erfahrungen verfügt. Bei solcher Vergleichung könnte leicht scheinen, dass er noch durchaus auf unmittelbare Geisterwirkungen bezieht, was nur auf natürlichen Zusammenhängen oder auf falscher Erfahrung beruht. ... Er glaubte selbstverständlich an Tatsachen, die man in seiner Zeit nicht bezweifeln zu können glaubte. Aber das tun wir auch heute noch gegenüber dem, was gegenwärtig als «tatsächlich» gilt. Oder meint man, künftige Jahrhunderte werden nicht auch manches von dem, was wir als unzweifelhafte Tatsache hinstellen, in die Rumpelkammer des «blinden» Aberglaubens werfen? Ich bin allerdings überzeugt, dass im menschlichen Tatsachenwissen ein wirklicher Fortschritt stattfindet. Als die «Tatsache», dass die Erde rund ist, einmal entdeckt war, waren alle früheren Vermutungen ins Gebiet des «Aberglaubens» verwiesen. So ist es mit gewissen Wahrheiten der Astronomie, der Wissenschaft vom Leben u. a. Die natürliche Abstammungslehre ist gegenüber allen früheren Schöpfungshypothesen» ein Fortschritt wie die Erkenntnis, dass die Erde rund ist, gegenüber allen vorhergehenden Vermutungen über deren Gestalt. Dennoch aber bin ich mir klar darüber, dass in unseren gelehrten naturwissenschaftlichen Werken und Abhandlungen manche «Tatsache» steckt, die künftigen Jahrhunderten ebensowenig als Tatsache erscheinen wird, wie uns heute manches, was Agrippa und Paracelsus behaupten. Nicht darauf kommt es an, was sie als «Tatsache» ansahen, sondern darauf, in welchem Geiste sie diese Tatsachen deuteten. - Zu Agrippas Zeiten fand man allerdings mit der von ihm vertretenen «natürlichen Magie», die in der Natur Natürliches - und Geistiges nur im Geiste - suchte, wenig Verständnis; die Menschen hingen an der «übernatürlichen Magie», die im Reiche des Sinnlichen das Geistige suchte, und die Agrippa bekämpfte. Deshalb durfte der Abt Trithem von Sponheim ihm den Rat geben, seine Anschauungen als Geheimlehre nur wenigen Auserlesenen mitzuteilen, die sich zu einer ähnlichen Idee über Natur und Geist aufschwingen können, weil man «auch den Ochsen nur Heu und nicht Zucker wie den Singvögeln gebe». Diesem Abt hat Agrippa vielleicht selbst den richtigen Gesichtspunkt zu danken. Trithemius hat in seiner «Steganographie» ein Werk geschrieben, in dem er mit der verstecktesten Ironie die Vorstellungsart behandelte, welche die Natur mit dem Geiste verwechselt. Er redet in dem Buche scheinbar von lauter übernatürlichen Vorgängen. Wer es liest, so wie es ist, muss glauben, dass der Verfasser von Geisterbeschwörungen, Fliegen von Geistern durch die Luft usw. rede. Lässt man aber gewisse Worte und Buchstaben des Textes unter den Tisch fallen, so bleiben - wie Wolfgang Ernst Heidel im Jahre 1676 nachgewiesen hat - Buchstaben übrig, die, zu Worten zusammengesetzt, rein natürliche Vorgänge darstellen. (Man muss in einem Falle z.B. in einer Beschwörungsformel das erste und letzte Wort ganz weglassen, dann von den übrigen das zweite, vierte, sechste usw. streichen. In den übriggebliebenen Worten muss man wieder den ersten, dritten, fünften usw. Buchstaben streichen. Was dann übrig bleibt, setzt man zu Worten zusammen; und die Beschwörungsformel verwandelt sich in eine rein natürliche Mitteilung.) Wie schwer es Agrippa geworden ist, sich selbst aus den Vorurteilen seiner Zeit herauszuarbeiten und zu einer reinen Anschauung emporzuheben, davon liefert den Beweis, dass er seine bereits 1510 verfasste «Geheime Philosophie» philosophia occulta) nicht vor dem Jahre 1531 erscheinen ließ, weil er sie für unreif hielt. Ferner zeugt davon seine Schrift « Über die Eitelkeit der Wissenschaften» (De vanitate scientiarum), in der er mit Bitterkeit über das wissenschaftliche und sonstige Treiben seiner Zeit redet. Er spricht da ganz deutlich aus, dass er nur schwer sich losgerungen hat von dem Wahn derjenigen, welche in äußerlichen Verrichtungen unmittelbare geistige Vorgänge, in äußerlichen Tatsachen prophetische Hindeutungen auf die Zukunft usw. erblicken. Agrippa schreitet in drei Stufen zum höheren Erkennen fort. Er behandelt als erste Stufe die Welt, wie sie mit ihren Stoffen, ihren physikalischen, chemischen und anderen Kräften den Sinnen gegeben ist. Er nennt die Natur, insofern sie auf dieser Stufe betrachtet wird, die elementarische. Auf der zweiten Stufe betrachtet man die Welt als Ganzes in ihrem natürlichen Zusammenhang, wie sie ihre Dinge nach Maß, Zahl, Gewicht, Harmonie usw. ordnet. Die erste Stufe reiht das nächste an das nächste. Sie sucht die im unmittelbaren Umkreis eines Vorganges liegenden Veranlassungen desselben. Die zweite Stufe betrachtet einen einzelnen Vorgang im Zusammenhange mit dem ganzen Weltall. Sie führt den Gedanken aus, dass jedes Ding unter dem Einfluss aller übrigen Dinge des Weltganzen steht. Vor ihr erscheint dieses Weltganze als eine große Harmonie, in der jedes Einzelne ein Glied ist. Die Welt, unter diesem Gesichtspunkte betrachtet, bezeichnet Agrippa als astrale oder himmlische. Die dritte Stufe des Erkennens ist diejenige, wo der Geist durch die Vertiefung in sich selbst das Geistige, das Urwesen der Welt unmittelbar anschaut. Agrippa spricht da von der geistig-seelischen Welt. Die Ansichten, die Agrippa über die Welt und das Verhältnis des Menschen zu ihr entwickelt, treten uns bei Theophrastus Paracelsus in ähnlicher, nur in vollkommenerer Art entgegen. Man betrachtet sie daher besser bei diesem." [26]Theophrastus Paracelsus;
Mikrokosmos (Mensch) und Makrokosmos (Weltall), der Mensch ist ihm die
Welt im Kleinen; das erste Glied der menschlichen Natur nennt Paracelsus
den Elementarleib; das zweite den ätherisch-himmlischen oder astralischen
Leib, das dritte Glied nennt er Seele; organischer Lebensprozess, Paracelsus
bezeichnet die organische Gesetzmäßigkeit als «Archaeus»
oder «Spiritus vitae»; «Verstandesseele»,
«Geistseele»; Alchymie; Freundschaft mit der Natur suchte Paracelsus:
"Paracelsus kennzeichnet sich selbst, indem er unter sein Bildnis schreibt:
«Eines Andern Knecht soll niemand sein, der für sich selbst
kann bleiben allein.» Seine ganze Stellung zur Erkenntnis ist in
diesen Worten gegeben. Er will überall auf die Grundlagen des Naturwissens
selbst zurückgehen, um durch eigene Kraft zu den höchsten Regionen
der Erkenntnis emporzusteigen. Er will als Arzt nicht, wie seine Zeitgenossen,
einfach das annehmen, was die damals als Autoritäten geltenden alten
Forscher, z. B. Galen oder Avicenna, vor Zeiten behauptet haben; er will
selbst unmittelbar im Buche der Natur lesen. « Der Arzt muss durch
der Natur Examen gehen, welche die Welt ist; und all ihr Anfang. Und das
selbige, was ihm die Natur lehrt, das muss er seiner Weisheit befehlen,
aber nichts in seiner Weisheit suchen, sondern allein im Licht der Natur.»
Er scheut vor nichts zurück, um die Natur und ihre Wirkungen nach
allen Seiten kennenzulernen. Er macht zu diesem Zwecke Reisen nach Schweden,
Ungarn, Spanien, Portugal und in den Orient. Er darf von sich sagen: «
Ich bin der Kunst nachgegangen mit Gefahr meines Lebens und habe mich nicht
geschämt, von Landfahrern, Nachrichtern und Scherem zu lernen. Meine
Lehre ward probiert schärfer denn das Silber in Armut, Ängsten,
Kriegen und Nöten.» Was von alten Autoritäten überliefert
ist, hat für ihn keinen Wert; denn er glaubt nur zu der rechten Anschauung
zu kommen, wenn er den Aufstieg von dem Naturwissen zu der höchsten
Erkenntnis selbst erlebt. Dieses Selbsterleben legt ihm den stolzen Ausspruch
in den Mund: «Wer der Wahrheit nach will, der muss in meine Monarchei...
Mir nach; ich nicht euch, Avicenna, Rhases, Galen, Mesur! Mir nach und
ich nicht euch, ihr von Paris, ihr von Montpellier, ihr von Schwaben, ihr
von Meißen, ihr von Köln, ihr von Wien, und was an der Donau
und dem Rheinstrome liegt; ihr Inseln im Meer, du Italien, du Dalmatien,
du Athen, du Grieche, du Araber, du Israelite; mir nach und ich nicht euch!
Mein ist die Monarchei!» - Man kann Paracelsus wegen seiner rauhen
Außenseite, die machmal hinter Scherz iefen Ernst verbirgt, leicht
verkennen. Er sagt doch selbst: «Von der Natur bin ich nicht subtil
gesponnen, auch nicht mit Feigen und Weizenbrod, sondern mit Käs,
Milch und Haberbrod erzogen, darum bin ich wohl grob gegen die Katzenreinen
und Superfeinen; denn dieselben, die in weichen Kleidern, und wir, die
in Tannenzapfen erzogen, verstehen einander nicht wohl. Ob ich mir selber
holdselig zu sein vermeine, muss ich also für grob gelten. Wie kann
ich nicht seltsam sein dem, der nie in der Sonne gewandert hat?»
Goethe hat das Verhältnis des Menschen zur Natur (in seinem Buche
über Winckelmann) mit den schönen Sätzen geschildert: «
Wenn die gesunde Natur des Menschen als ein Ganzes wirkt, wenn er sich
in der Welt als in einem großen, schönen, würdigen und
werten Ganzen fühlt, wenn das harmonische Behagen ihm ein reines,
freies Entzücken gewährt: dann würde das Weltall, wenn es
sich selbst empfinden könnte, als an sein Zielgelangt, aufjauchzen,
und den Gipfel des eigenen Werdens und Wesens bewundern.» Von einer
Empfindung, wie sie sich in solchen Sätzen ausspricht, ist Paracelsus
tief durchdrungen. Aus dieser Empfindung heraus gestaltet sich für
ihn das Rätsel des Menschen. Sehen wir zu, wie das, im Sinne des Paracelsus,
geschieht. Verhüllt ist dem menschlichen Fassungsvermögen zunächst
der Weg, den die Natur gegangen ist, um ihren Gipfel hervorzubringen. Sie
hat diesen Gipfel erstiegen; aber dieser Gipfel sagt nicht: ich fühle
mich als die ganze Natur; dieser Gipfel sagt: ich fühle mich als dieser
einzelne Mensch. Was in Wirklichkeit eine Tat der ganzen Welt ist, das
fühlt sich als einzelnes, einsames, für sich stehendes Wesen.
Ja, das ist gerade das wahre Wesen des Menschen, dass er sich als etwas
anderes fühlen muss, als er letzten Endes ist. Und wenn dies ein Widerspruch
ist, so darf der Mensch ein lebendig gewordener Widerspruch genannt werden.
Der Mensch ist die Welt auf seine eigene Art. Er sieht seinen Einklang
mit der Welt als eine Zweiheit an. Er ist dasselbe, was die Welt ist; aber
er ist es als Wiederholung, als einzelnes Wesen. Das ist der Gegensatz,
den Paracelsus als Mikrokosmos (Mensch) und Makrokosmos (Weltall) empfindet.
Der Mensch ist ihm die Welt im Kleinen. Was den Menschen sein Verhältnis
zur Welt so ansehen lässt, das ist sein Geist. Dieser Geist erscheint
an ein einzelnes Wesen, an einen einzelnen Organismus gebunden. Dieser
Organismus gehört, seinem ganzen Wesen nach, dem großen Strom
des Weltalls an. Er ist ein Glied in demselben, das nur im Zusammenhange
mit allen anderen seinen Bestand hat. Der Geist aber erscheint als ein
Ergebnis dieses einzelnen Organismus. Er sieht sich zunächst nur mit
diesem Organismus verbunden. Er reißt diesen Organismus aus dem Mutterboden
los, dem er entwachsen ist. So liegt für Paracelsus ein tiefer Zusammenhang
zwischen dem Menschen und dem ganzen Weltall in der Naturgrundlage des
Seins verborgen, der sich durch das Dasein des Geistes verbirgt. Der Geist,
der uns zur höheren Erkenntnis führt, indem er uns das Wissen
vermittelt, und dieses Wissen auf höherer Stufe wieder geboren werden
lässt, hat für uns Menschen zunächst die Folge, dass er
uns unseren eigenen Zusammenhang mit dem All verhüllt. So löst
sich für Paracelsus die menschliche Natur zunächst in drei Glieder
auseinander: in unsere sinnlich-körperliche Natur, unseren Organismus,
der uns als ein Naturwesen unter anderen Naturwesen erscheint und genau
so ist, wie alle anderen Naturwesen; in unsere verhüllte Natur, die
ein Glied in der Kette der ganzen Welt ist, die also nicht innerhalb unseres
Organismus beschlossen ist, sondern die Kraftwirkungen aussendet und empfängt
von dem ganzen Weltall; und in die höchste Natur: unseren Geist, der
nur auf geistige Art sich auslebt. Das erste Glied der menschlichen Natur
nennt Paracelsus den Elementarleib; das zweite den ätherisch-himmlischen
oder astralischen Leib, das dritte Glied nennt er Seele. - In den «astralischen»
Erscheinungen sieht also Paracelsus eine Zwischenstufe zwischen den rein
körperlichen und den eigentlichen Seelenerscheinungen. Sie werden
also dann sichtbar werden, wenn der Geist, welcher die Naturgrundlage unseres
Seins verhüllt, seine Tätigkeit einstellt. Die einfachste Erscheinung
dieses Gebietes haben wir in der Traumwelt vor uns. Die Bilder, die uns
im Traume umgaukeln, mit ihrem merkwürdigen sinnvollen Zusammenhange
mit Vorgängen in unserer Umgebung und mit Zuständen unseres eigenen
Innern, sind Erzeugnisse unserer Naturgrundlage, die durch das hellere
Licht der Seele verdunkelt werden. Wenn ein Stuhl neben meinem Bette umfällt,
und ich träume ein ganzes Drama, das mit einem durch ein Duell verursachten
Schuss endet, oder wenn ich Herzklopfen habe, und ich träume von einem
kochenden Ofen, so kommen Naturwirkungen zum Vorschein, sinnvoll und bedeutsam,
die ein Leben enthüllen, das zwischen den rein organischen Funktionen
und dem im hellen Bewußtsein des Geistes vollzogenen Vorstellen liegt.
An dieses Gebiet schließen sich alle Erscheinungen an, die dem Felde
des Hypnotismus und der Suggestion angehören. Wir können in der
Suggestion eine Einwirkung von Mensch auf Mensch sehen, die auf einen durch
die höhere Geistestätigkeit verhüllten Zusammenhang der
Wesen in der Natur deutet. Von hier aus eröffnet sich die Möglichkeit
das zu verstehen, was Paracelsus als «astralischen» Leib deutet.
Er ist die Summe von Naturwirkungen, unter deren Einfluss wir stehen oder
durch besondere Umstände stehen können; die von uns ausgehen,
ohne dass unsere Seele dabei in Betracht kommt; und die doch nicht unter
den Begriff rein physikalischer Erscheinungen fallen. ... Auf Grund
solcher Anschauungen von der menschlichen Natur sonderte Paracelsus diese
in sieben Glieder. Es sind dieselben, welche wir auch in der Weisheit der
alten Ägypter, bei den Neuplatonikern und in der Kabbala antreffen.
Der Mensch ist zunächst ein physikalisch-körperliches Wesen,
also denselben Gesetzen unterworfen, denen jeder Körper unterworfen
ist. Er ist also, in dieser Hinsicht, ein rein elementarischer Leib. Die
rein körperlich-physikalischen Gesetze gliedern sich zum organischen
Lebensprozess. Paracelsus bezeichnet die organische Gesetzmäßigkeit
als «Archaeus» oder «Spiritus vitae»; das Organische
erhebt sich zu geistähnlichen Erscheinungen, die noch nicht Geist
sind. Es sind dies die «astralischen» Erscheinungen. Aus den
« astralischen» Vorgängen tauchen die Funktionen des «tierischen
Geistes» auf. Der Mensch ist Sinnenwesen. Er verbindet sinngemäß
die sinnlichen Eindrücke durch seinen Verstand. Es belebt sich also
in ihm die «Verstandesseele». Er vertieft sich in seine eigenen
geistigen Erzeugnisse, er lernt den Geist als Geist erkennen. Er hat sich
somit bis zur Stufe der «Geistseele» erhoben. Zuletzt
erkennt er, dass er in dieser Geistseele den tiefsten Untergrund des Weltdaseins
erlebt; die Geistseele hört auf, eine individuelle, einzelne zu sein.
Es tritt die Erkenntnis ein, von der Eckhart sprach, als er nicht mehr
sich in sich, sondern das Urwesen in sich sprechen fühlte. Es ist
der Zustand eingetreten, in dem der Allgeist im Menschen sich selbst anschaut.
Paracelsus hat das Gefühl dieses Zustandes in die einfachen Worte
geprägt: « Und das ist ein Großes, das ihr bedenken sollt:
nichts ist im Himmel und auf Erden, das nicht sei im Menschen. Und Gott,
der im Himmel ist, der ist im Menschen.» - Nichts anderes will Paracelsus
mit diesen sieben Grundteilen der menschlichen Natur zum Ausdruck bringen
als Tatsachen des äußeren und inneren Erlebens. Dass in höherer
Wirklichkeit eine Einheit ist, was sich für die menschliche Erfahrung
als Vielheit von sieben Gliedern auseinanderlegt, das bleibt dadurch unangefochten.
Aber gerade dazu ist die höhere Erkenntnis da: die Einheit in allem
aufzuzeigen, was dem Menschen wegen seiner körperlichen und geistigen
Organisation im unmittelbaren Erleben als Vielheit erscheint. Auf der Stufe
der höchsten Erkenntnis strebt Paracelsus durchaus darnach, das einheitliche
Urwesen der Welt lebendig mit seinem Geiste zu verschmelzen. Er weiß
aber, dass der Mensch die Natur in ihrer Geistigkeit nur erkennen kann,
wenn er mit ihr in unmittelbaren Verkehr tritt. Nicht dadurch begreift
der Mensch die Natur, dass er sie von sich aus mit willkürlich angenommenen
geistigen Wesenheiten bevölkert, sondern dadurch, dass er sie hinnimmt
und schätzt, so wie sie als Natur ist. Paracelsus sucht daher nicht
Gott oder den Geist in der Natur; sondern die Natur, so wie sie ihm vor
Augen tritt, ist ihm ganz unmittelbar göttlich. Muss man denn
der Pflanze erst eine Seele nach Art der menschlichen Seele beilegen, um
das Geistige zu finden? Darum erklärt sich Paracelsus die Entwicklung
der Dinge, soweit das mit den wissenschaftlichen Mitteln seiner Zeit möglich
ist, durchaus so, dass er diese Entwicklung als einen sinnlichen Naturprozess
auffasst. Er lässt alle Dinge aus der Urmaterie, dem Urwasser (Yliaster)
hervorgehen. Und er betrachtet als einen weiteren Naturprozess die Scheidung
der Urmaterie (die er auch den großen Limbus nennt) in die vier Elemente:
Wasser, Erde, Feuer und Luft. Wenn er davon spricht, dass das «göttliche
Wort» aus der Urmaterie die Vielheit der Wesen hervorrief, so ist
auch das nur so zu verstehen, wie etwa in der neueren Naturwissenschaft
das Verhältnis der Kraft zum Stoffe zu verstehen ist. Ein «Geist»
im tatsächlichen Sinne ist auf dieser Stufe noch nicht vorhanden.
Dieser «Geist» ist kein tatsächlicher Grund des Naturprozesses,
sondern ein tatsächliches Ergebnis dieses Prozesses. Dieser Geist
schafft nicht die Natur, sondern entwickelt sich aus ihr. Manches Wort
des Paracelsus könnte im entgegengesetzten Sinne gedeutet werden.
So wenn er sagt: «Es ist nichts körperlich, es hätte und
führete nicht auch einen Geist in ihm verborgen und lebete. Es hat
auch nicht nur das Leben, was sich regt und bewegt, als die Menschen, die
Tiere, die Würmer der Erde, die Vögel im Himmel, und die Fische
im Wasser, sondern auch alle körperlichen und wesentlichen Dinge.»
Aber mit solchen Aussprüchen will Paracelsus nur vor der oberflächlichen
Naturbetrachtung warnen, welche mit ein paar «hingepfahlten»
Begriffen (nach Goethes trefflichem Ausdruck) das Wesen eines Dinges auszuschöpfen
glaubt. Er will in die Dinge nicht ein ausgedachtes Wesen hineinlegen,
sondern alle Kräfte des Menschen in Bewegung setzen, um das, was tatsächlich
in dem Dinge liegt, herauszuholen. - Es kommt darauf an, sich dadurch nicht
verführen zu lassen, dass Paracelsus sich im Geiste seiner Zeit ausdrückt.
Es handelt sich vielmehr darum, zu erkennen, welche Dinge ihm vorschweben,
wenn er, auf die Natur blickend, in den Ausdrucksformen seiner Zeit seine
Ideen ausdrückt. Er schreibt z.B. dem Menschen ein zweifaches Fleisch,
also eine zweifache körperliche Beschaffenheit zu. «Das Fleisch
muss also verstanden werden, dass seiner zweierlei Art ist, nämlich
das Adam entstammende Fleisch und das Fleisch, welches nicht aus Adam ist.
Das Fleisch aus Adam ist ein grobes Fleisch, denn es ist irdisch und sonst
nichts als Fleisch, das zu binden und zu fassen ist wie Holz und Stein.
Das andere Fleisch ist nicht aus Adam, es ist ein subtiles Fleisch und
nicht zu binden oder zu fassen, denn es ist nicht aus Erde gemacht.»
Was ist das Fleisch, das aus Adam ist? Es ist alles das, was der Mensch
durch seine natürliche Entwicklung überkommen hat, was sich also
auf ihn vererbt hat. Dazu kommt das, was sich der Mensch im Verkehr mit
der Umwelt im Lauf der Zeiten erworben hat. Die modernen naturwissenschaftlichen
Vorstellungen von vererbten und durch Anpassung erworbenen Eigenschaften
lösen sich los aus dem angeführten Gedanken des Paracelsus. Das
« subtilere Fleisch», das den Menschen zu seinen geistigen
Verrichtungen befähigt, ist nicht von Anfang an in dem Menschen gewesen.
Er war «grobes Fleisch» wie das Tier, im Fleisch, das «
zu binden und zu fassen ist, wie Holz und Stein». Im naturwissenschaftlichen
Sinne ist also auch die Seele eine erworbene Eigenschaft des «groben
Fleisches». Was der Naturforscher des neunzehnten Jahrhunderts im
Auge hat, wenn er von den Erbstücken aus der Tierwelt spricht, das
hat Paracelsus im Auge, wenn er das Wort gebraucht, das «aus Adam
stammende Fleisch». Durch solche Ausführungen soll natürlich
durchaus nicht der Unterschied verwischt werden, der besteht zwischen einem
Naturforscher des sechzehnten und einem solchen des neunzehnten Jahrhunderts.
Erst dieses letztere Jahrhundert war ja imstande, im vollen wissenschaftlichen
Sinne die Erscheinungen der Lebewesen in einem solchen Zusammenhange zu
sehen, dass deren natürliche Verwandtschaft und tatsächliche
Abstammung bis herauf zum Menschen vor Augen trat. Die Naturwissenschaft
sieht nur einen Naturprozess, wo noch Linné im achtzehnten Jahrhundert
einen geistigen Prozess gesehen und mit den Worten charakterisiert hat:
«Spezies von Lebewesen zählen so viele, als verschiedene Formen
im Prinzip geschaffen worden sind.» Während bei Linné
also der Geist noch in die räumliche Welt verlegt werden und ihm die
Aufgabe zugewiesen werden muss, die Lebensformen geistig zu erzeugen, zu
« schaffen», konnte die Naturwissenschaft des neunzehnten Jahrhunderts
der Natur geben, was der Natur ist, und dem Geiste, was des Geistes ist.
Der Natur wird selbst die Aufgabe zugewiesen, ihre Schöpfungen zu
erklären; und der Geist kann sich dort in sich versenken, wo er allein
zu finden ist, im Innern des Menschen. - Aber, wenn Paracelsus auch im
gewissen Sinne durchaus im Sinne seiner Zeit denkt, so hat er doch gerade
in bezug auf die Idee der Entwicklung, des Werdens, das Verhältnis
des Menschen zur Natur in tiefsinniger Weise erfasst. Er sah in dem Urwesen
der Welt nicht etwas, was als Abgeschlossenes irgendwie vorhanden ist,
sondern er erfasste das Göttliche im Werden. Dadurch konnte er dem
Menschen wirklich eine selbstschöpferische Tätigkeit zuschreiben.
Ist das göttliche Urwesen ein für allemal vorhanden, dann kann
von einem wahren Schaffen des Menschen nicht die Rede sein. Nicht der Mensch
schafft dann, der in der Zeit lebt, sondern Gott schafft, der von Ewigkeit
ist. Aber für Paracelsus ist kein solcher Gott von Ewigkeit. Für
ihn ist nur ein ewiges Geschehen, und der Mensch ist ein Glied in diesem
ewigen Geschehen. Was der Mensch bildet, war vorher noch in keiner Weise
da. Was der Mensch schafft, ist so wie er schafft, eine ursprüngliche
Schöpfung. Soll sie göttlich genannt werden, so kann sie so genannt
werden nur in dem Sinne, wie sie als menschliche Schöpfung ist. Deshalb
kann Paracelsus dem Menschen eine Rolle im Weltenbaue zuweisen, die diesen
selbst zum Mitbaumeister an dieser Schöpfung macht. Das göttliche
Urwesen ist ohne den Menschen nicht das, was es mit dem Menschen ist. «Denn
die Natur bringt nichts an den Tag, was auf seine Statt vollendet sei,
sondern der Mensch muss es vollenden.» Diese selbstschöpferische
Tätigkeit des Menschen am Bau der Natur nennt Paracelsus Alchymie.
«Diese Vollendung ist Alchymie. Also ist der Alchymist der Bäcker,
indem er das Brot bäckt, der Rebmann, indem er den Wein macht, der
Weber, indem er das Tuch macht.» Paracelsus will auf seinem Gebiet,
als Arzt, Alchymist sein. «Darum so mag ich billig in der Alchymie
hie so viel schreiben, auf dass ihr sie wohl erkennet, und erfahret, was
an ihr sei, und wie sie verstanden soll werden: nicht ein Ärgernis
nehmen daran, dass weder Gold noch Silber dir daraus werden soll. Sondern
daher betrachtet, dass dir die Arkanen (Heilmittel) eröffnet werden...
Die dritte Säule der Medizin ist Alchymie, denn die Bereitung der
Arzneien kann ohne sie nicht geschehen, weil die Natur ohne Kunst nicht
gebraucht werden kann.» Im strengsten Sinne also sind die Augen
des Paracelsus auf die Natur gerichtet, um ihr selbst abzulauschen, was
sie über ihre Hervorbringungen zu sagen hat. Die chemische Gesetzmäßigkeit
will er erforschen, um in seinem Sinne als Alchymist zu wirken. Er denkt
sich alle Körper aus drei Grundstoffen zusammengesetzt, aus Salz,
Schwefel und Quecksilber. Was er so bezeichnet, deckt sich natürlich
nicht mit dem, was die spätere Chemie mit diesem Namen bezeichnet;
ebenso wenig wie das, was Paracelsus als Grundstoff auffasst, ein solcher
im Sinne der späteren Chemie ist. Verschiedene Dinge werden zu verschiedenen
Zeiten mit denselben Namen bezeichnet. Was die Alten vier Elemente: Erde,
Wasser, Luft und Feuer nannten, haben wir noch immer. Wir nennen diese
vier « Elemente» nicht mehr «Elemente», sondern
Aggregatzustände und haben dafür die Bezeichnungen: fest, flüssig,
gasförmig, ätherförmig. Die Erde z. B. war den Alten nicht
Erde, sondern das «Feste». Auch die drei Grundstoffe des Paracelsus
erkennen wir wohl in gegenwärtigen Begriffen, nicht aber in den gleichlautenden
gegenwärtigen Namen wieder. Für Paracelsus sind Auflösung
in einer Flüssigkeit und Verbrennung die beiden wichtigen chemischen
Prozesse, die er anwendet. Wird ein Körper gelöst oder verbrannt,
so zerfällt er in seine Teile. Etwas bleibt als Rückstand; etwas
löst sich oder verbrennt. Das Rückständige ist ihm salzartig,
das Lösliche (Flüssige) quecksilberartig; das Verbrennliche nennt
er schwefelig. Wer über solche Naturprozesse nicht hinaussieht, den
mögen sie als materiell-nüchterne Dinge kalt lassen; wer den
Geist durchaus mit den Sinnen fassen will, der wird diese Prozesse mit
allen möglichen Seelenwesen bevölkern. Wer aber, wie Paracelsus,
sie im Zusammenhange mit dem All zu betrachten weiß, das im Innern
des Menschen sein Geheimnis offenbar werden lässt, der nimmt sie hin,
wie sie sich den Sinnen darbieten; er deutet sie nicht erst um; denn so,
wie die Naturvorgänge in ihrer sinnlichen Wirklichkeit vor uns stehen,
offenbaren sie auf ihre eigene Art das Rätsel des Daseins. Was sie
durch diese ihre sinnliche Wirklichkeit aus der Seele des Menschen heraus
zu enthüllen haben, steht dem, der nach dem Licht der höheren
Erkenntnis strebt, höher als alle übernatürlichen Wunder,
die der Mensch ersinnen, oder sich offenbaren lassen mag über ihren
angeblichen « Geist». Es gibt keinen « Geist der Natur»,
der erhabenere Wahrheiten auszusprechen vermöchte, als die großen
Werke der Natur selbst, wenn unsere Seele in Freundschaft sich mit
dieser Natur verbindet und im vertraulichen Verkehre den Offenbarungen
ihrer Geheimnisse lauscht. Solche Freundschaft mit der Natur suchte Paracelsus."
[27]
13. Mystik III; Valentin Weigel steht mit seiner einfachen, urwüchsigen Vorstellungsart viel höher steht als Kant; Jacob Böhme; Giordano Bruno; Denker wie er schöpfen aus sich eine Weltanschauung, zu der später eine fortgeschrittene Naturwissenschaft die Menschen zwingt; Weltseele; Angelus SilesiusValentin Weigel; er steht mit seiner einfachen, urwüchsigen Vorstellungsart viel höher steht als Kant.: "Paracelsus kam es vor allen Dingen darauf an, über die Natur Ideen zu gewinnen, die den Geist der von ihm vertretenen höheren Erkenntnis atmen. Ein ihm verwandter Denker, der die gleiche Vorstellungsart vorzugsweise auf die eigene Natur des Menschen anwandte, ist Valentin Weigel (1533-1588). Er ist in ähnlichem Sinne aus der protestantischen Theologie herausgewachsen wie Eckhart, Tauler und Suso aus der katholischen. Er hat Vorgänger in Sebastian Frank und Gaspar Schwenckfeldt. Diese deuteten gegenüber dem am äußerlichen Bekenntnis hängenden Kirchenglauben, auf die Vertiefung des inneren Lebens. Ihnen ist nicht der Jesus wertvoll, den das Evangelium predigt, sondern der Christus, der in jedem Menschen aus dessen tieferer Natur geboren werden kann, und der ihm Erlöser vom niederen Leben und Führer zu idealer Erhebung sein soll. Weigel verwaltete still und bescheiden sein Pfarramt in Zschopau. Erst aus seinen hinterlassenen, im siebzehnten Jahrhundert gedruckten Schriften erfuhr man etwas von den bedeutsamen Ideen, die ihm über die Natur des Menschen aufgegangen waren. (Von seinen Schriften seien genannt: «Der güldene Griff; das ist: All Ding ohne Irrtum zu erkennen, vielen Hochgelehrten unbekannt, und doch allen Menschen notwendig zu wissen.» «Erkenne dich selber.» - «Vom Ort der Welt.») Es drängt Weigel, sich über sein Verhältnis zur Lehre der Kirche klar zu werden. Das führt ihn dazu, die Grundfesten aller Erkenntnis zu untersuchen. Ob der Mensch etwas durch ein Glaubensbekenntnis erkennen könne, darüber kann er sich nur Rechenschaft geben, wenn er weiß, wie er erkennt. Von der untersten Art des Erkennens geht Weigel aus. Er fragt sich: wie erkenne ich ein sinnliches Ding, wenn es nur entgegentritt? Von da hofft er aufsteigen zu können bis zu dem Gesichtspunkte, wo er sich über die höchste Erkenntnis Rechenschaft geben kann. - Bei der sinnlichen Erkenntnis stehen sich das Werkzeug (Sinnesorgan) und das Ding, der «Gegenwurf» gegenüber. «Dieweil in der natürlichen Erkenntnis sein müssen zwei Dinge, als das Objekt oder Gegenwurf, der soll erkannt und gesehen werden vom Auge; und das Auge, oder der Erkenner, der das Objekt sieht, und erkennt, so halte gegeneinander: ob die Erkenntnis herkomme vom Objekt in das Auge; oder ob das Urteil, und die Erkenntnis fließe vom Auge in das Objekt.» («Der güldene Griff», 9. Kap.) Nun sagt sich Weigel: Würde die Erkenntnis aus dem Gegenwurf (Ding) in das Auge fließen, so müsste notwendig von einem und demselben Ding eine gleiche und vollkommene Erkenntnis in alle Augen kommen. Dies ist aber nicht der Fall, sondern jeder sieht nach Maßgabe seiner Augen. Nur die Augen, nicht der Gegenwurf, können schuld daran sein, dass von einem und demselben Ding vielerlei verschiedene Vorstellungen möglich sind. Weigel vergleicht, zur Klärung der Sache, das Sehen mit dem Lesen. Wäre das Buch nicht, so könnte ich es natürlich nicht lesen; aber es könnte immerhin da sein, und dennoch könnte ich nichts darin lesen, wenn ich nicht die Kunst, zu lesen, verstände. Das Buch muss also da sein; aber es kann mir, von sich aus, nicht das geringste geben; ich muss alles, was ich lese, aus mir herausholen. Das ist auch das Wesen der natürlichen (sinnlichen) Erkenntnis. Die Farbe ist als «Gegenwurf» da; aber sie kann, von sich aus, nichts dem Auge geben. Das Auge muss von sich aus erkennen, was die Farbe ist. So wenig wie der Inhalt des Buches in dem Leser ist, so wenig ist die Farbe im Auge. Wäre der Inhalt des Buches in dem Leser: er brauchte es nicht zu lesen. Dennoch fließt im Lesen dieser Inhalt nicht aus dem Buche, sondern aus dem Leser. So ist es auch mit dem sinnlichen Ding. Was dieses sinnliche Ding draußen ist, das fließet nicht von außen herein in den Menschen, sondern von innen heraus. - Man könnte, von diesen Gedanken ausgehend, sagen: Wenn alle Erkenntnis aus dem Menschen in den Gegenstand fließt, so erkennt man nicht, was im Gegenstande ist, sondern nur, was im Menschen selbst ist. Die ausführliche Durchbildung dieses Gedankenganges hat die Anschauung Immanuel Kants (1724-1804) gebracht. (Das Irrige dieses Gedankenganges findet man in meinem Buch «Philosophie der Freiheit» dargestellt. Hier muss ich mich darauf beschränken, zu erwähnen, dass Valentin Weigel mit seiner einfachen, urwüchsigen Vorstellungsart viel höher steht als Kant.) - Weigel sagt sich: Wenn auch die Erkenntnis aus dem Menschen fließt, so ist es doch nur das Wesen des Gegenwurfes, das von diesem auf dem Umwege durch den Menschen zum Vorschein kommt. Wie ich den Inhalt des Buches durch das Lesen erfahre, und nicht meinen eigenen, so erfahre ich die Farbe des Gegenwurfes durch das Auge; nicht die im Auge, oder in mir befindliche Farbe. Auf einem eigenen Wege kommt also Weigel zu einem Ergebnis, das uns bereits bei Nicolaus von Kues entgegengetreten ist. So hat sich Weigel über das Wesen der sinnlichen Erkenntnis aufgeklärt. Er ist zu der Überzeugung gekommen, dass alles, was uns die äußeren Dinge zu sagen haben, nur aus unserem eigenen Innern selbst herausfließen kann. Der Mensch kann sich nicht leidend verhalten, wenn er die sinnlichen Dinge erkennen will, und diese bloß auf sich wirken lassen wollen; sondern er muss sich tätig verhalten, und die Erkenntnis aus sich herausholen. Der Gegenwurf erweckt nur in dem Geiste die Erkenntnis. Zur höheren Erkenntnis steigt der Mensch auf, wenn der Geist sein eigener Gegenwurf wird. An der sinnlichen Erkenntnis ersieht man, dass keine Erkenntnis von außen in den Menschen einfließen kann. Also kann auch die höhere Erkenntnis nicht von außen kommen, sondern nur im Innern erweckt werden. Es kann daher keine äußere Offenbarung, sondern nur eine innere Erweckung geben. So wie nun der äußere Gegenwurf wartet, bis der Mensch ihm entgegentritt, in dem er sein Wesen aussprechen kann, so muss der Mensch, wenn er sich selbst Gegenwurf sein will, warten, bis in ihm die Erkenntnis seines Wesens erweckt wird. Muss in der sinnlichen Erkenntnis sich der Mensch tätig verhalten, damit er dem Gegenwurf dessen Wesen entgegenbringen kann, so muss in der höheren Erkenntnis sich der Mensch leidend verhalten, weil er jetzt Gegenwurf ist. Er muss sein Wesen in sich empfangen. Deshalb erscheint ihm die Erkenntnis des Geistes als Erleuchtung von oben. Im Gegensatz zur sinnlichen Erkenntnis nennt daher Weigel die höhere Erkenntnis das «Licht der Gnaden». Dieses «Licht der Gnaden» ist in Wirklichkeit nichts anderes als die Selbsterkenntnis des Geistes im Menschen, oder die Wiedergeburt des Wissens auf der höheren Stufe des Schauens."Jacob Böhme:
"Es ist wie das Aufjauchzen der Natur, die, auf dem Gipfel ihres Werdens,
ihre Wesenheit bewundert, was uns aus den Werken des Görlitzer Schuhmachermeisters
Jacob Böhme (1575-1624) entgegentönt. Ein Mann erscheint vor
uns, dessen Worte Flügel haben, gewoben aus der beseligenden Empfindung,
das Wissen in sich als höhere Weisheit leuchten zu sehen. Als eine
Frömmigkeit, die nur Weisheit sein will, und als eine Weisheit, die
allein in Frömmigkeit leben will, beschreibt Jacob Böhme seinen
Zustand: «Als ich in Gottes Beistand rang und kämpfte, da ging
meiner Seele ein wunderliches Licht auf, das der wilden Natur ganz fremd
war, darin ich erst erkannte, was Gott und Mensch wäre, und was Gott
mit den Menschen zu tun hätte.» Jacob Böhme fühlt
sich nicht mehr als einzelne Persönlichkeit, die ihre Erkenntnisse
ausspricht; er fühlt sich als Organ des großen Allgeistes, der
in ihm spricht. Die Grenzen seiner Persönlichkeit erscheinen ihm nicht
als Grenzen des Geistes, der aus ihm redet. Dieser Geist ist ihm allgegenwärtig.
Er weiß, dass «der Sophist ihn tadeln» werde, wenn er
vom Anfang der Welt und ihrer Schöpfung spricht, «dieweil ich
nicht sei dabei gewesen und es selber gesehn. Dem sei gesagt, dass in meiner
Seelen- und Leibesessenz, da ich noch nicht der Ich war, sondern da ich
Adams Essenz war, bin ja dabei gewesen und meine Herrlichkeit in Adam selber
verscherzet habe.» Nur in äußeren Gleichnissen vermag
Böhme anzudeuten, wie in seinem Innern das Licht hervorgebrochen.
Als er sich einmal als Knabe auf dem Gipfel eines Berges befindet, da sieht
er oben, wo große rote Steine den Berg zu schließen scheinen,
den Eingang offen und in seiner Vertiefung ein Gefäß mit Gold.
Ein Schauer überfällt ihn; und er geht seiner Wege, ohne den
Schatz zu berühren. Später ist er in Görlitz bei einem Schuhmacher
in der Lehre. Ein fremder Mann tritt in den Laden und verlangt ein Paar
Schuhe. Böhme darf sie ihm in Abwesenheit des Meisters nicht verkaufen.
Der Fremde entfernt sich, ruft aber nach einer Weile den Lehrling heraus,
und sagt ihm: Jacob, du bist klein, aber du wirst einst ein ganz anderer
Mensch werden, über den die Welt in Erstaunen ausbrechen wird. In
reiferen Jahren sieht Jacob Böhme beim Glanz der Sonne die Spiegelung
eines zinnernen Gefäßes: der Anblick, der sich ihm da bietet,
scheint ihm ein tiefes Geheimnis zu entschleiern. Er glaubt sich seit dem
Eindrucke dieser Erscheinung im Besitze des Schlüssels zu der Rätselsprache
der Natur. - Als geistiger Einsiedler lebt er, bescheiden sich von seinem
Handwerk ernährend, und daneben, wie für sein eigenes Gedächtnis,
die Töne aufzeichnend, die in seinem Innern klingen, wenn er den Geist
in sich fühlt. Zelotischer Priestereifer macht dem Manne das Leben
schwer. Er, der nur die Schrift lesen will, die ihm das Licht seines Innern
erleuchtet, wird verfolgt und gequält von denen, welchen nur die äußere
Schrift, das starre, dogmatische Bekenntnis zugänglich ist. Ein Welträtsel
lebt als Unruhe, die zur Erkenntnis treibt, in Jacob Böhmes Seele.
Er glaubt mit seinem Geiste in eine göttliche Harmonie eingesenkt
zu sein; wenn er aber um sich sieht, so sieht er in den göttlichen
Werken überall Disharmonie. Dem Menschen eignet das Licht der Weisheit;
und doch ist er dem Irrtum ausgesetzt; es lebt in ihm der Trieb zum Guten,
und doch klingt der Misston des Bösen durch die ganze menschliche
Entwicklung. Die Natur wird beherrscht von den großen Naturgesetzen;
und doch stören Unzweckmäßigkeiten und ein wilder Kampf
der Elemente ihren Einklang. Wie ist die Disharmonie in dem harmonischen
Weltganzen zu begreifen. Diese Frage quält Jacob Böhme. Sie tritt
in den Mittelpunkt seiner Vorstellungswelt. Er will eine Anschauung von
dem Weltganzen gewinnen, welche das Disharmonische mit umschließt.
Denn wie sollte eine Vorstellung die Welt erklären, welche das vorhandene
Disharmonische unerklärt liegen ließe? Die Disharmonie muß
aus der Harmonie, das Böse aus dem Guten selbst erklärt werden.
Beschränken wir uns, indem wir von diesen Dingen reden, auf das Gute
und Böse, in dem die Disharmonie im engeren Sinne im Menschenleben
ihren Ausdruck findet. Denn Jacob Böhme beschränkt sich im Grunde
darauf. Er kann es, denn ihm erscheinen Natur und Mensch als Eine Wesenheit.
Er sieht in beiden ähnliche Gesetze und Vorgänge. Das Unzweckmäßige
ist ihm ein Böses in der Natur, wie ihm das Böse ein Unzweckmäßiges
im Menschenschicksal ist. Die gleichen Grundkräfte walten da und dort.
Wer den Ursprung des Bösen im Menschen erkannt hat, vor dem liegt
auch derjenige des Bösen in der Natur offen. - Wie kann nun aus dem
gleichen Urwesen das Böse wie das Gute fließen? Wenn man im
Sinne Jacob Böhmes spricht, so gibt man die folgende Antwort. Das
Urwesen lebt sein Dasein nicht in sich aus. Die Mannigfaltigkeit der Welt
nimmt an diesem Dasein teil. Wie der menschliche Leib sein Leben nicht
als einzelnes Glied, sondern als eine Vielheit von Gliedern lebt, so auch
das Urwesen. Und wie das menschliche Leben in diese Vielheit von Gliedern
ausgegossen ist, so das Urwesen in die Mannigfaltigkeit der Dinge dieser
Welt. So wahr es ist, dass der
Giordano Bruno und
Johann Scheffler, genannt Angelus Silesius (1624-1677); Denker wie er schöpfen
aus sich eine Weltanschauung, zu der später eine fortgeschrittene
Naturwissenschaft die Menschen zwingt: "Im ersten Jahrzehnt des sechzehnten
Jahrhunderts ersinnt auf dem Schloß zu Heilsberg in Preußen
das naturwissenschaftliche Genie des Nikolaus Kopernikus (1473-1543) ein
Gedankengebäude, das die Menschen der folgenden Zeitalter zwingt,
mit anderen Vorstellungen zum gestirnten Himmel aufzusehen, als ihre Ahnen
im Altertum und Mittelalter gehabt haben. Diesen war die Erde ihr im Mittelpunkt
des Weltalls ruhender Wohnplatz. Die Gestirne aber waren ihnen Wesenheiten
von einer vollkommenen Art, deren Bewegung in Kreisen verlief, weil der
Kreis das Bild der Vollkommenheit ist. - In dem, was die Sterne den menschlichen
Sinnen zeigten, wurde unmittelbar etwas Seelisches, Geistiges erblickt.
Eine andere Sprache redeten zu dem Menschen die Dinge und Vorgänge
auf der Erde; eine andere die leuchtenden Gestirne, die jenseits des Mondes
im reinen Äther wie ein den Raum erfüllendes Geistwesen
erschienen. Nicolaus von Kues hat sich bereits andere Gedanken gebildet.
Durch Kopernikus wurde für den Menschen die Erde ein Bruderwesen gegenüber
den anderen Himmelskörpern, ein Gestirn, das sich wie andere bewegt.
Alle Unterschiedenheit, die sie für den Menschen aufweist, konnte
dieser nunmehr nur darauf zurückführen, dass sie sein Wohnplatz
ist. Er wurde gezwungen, nicht mehr verschieden über die Vorgänge
dieser Erde und über diejenigen des andern Weltraumes zu denken. Seine
Sinnenwelt hatte sich bis in die fernsten Räume erweitert. Er musste,
was vom Äther in sein Auge drang, nunmehr ebenso als Sinnenwelt gelten
lassen, wie die Dinge der Erde. Er konnte in dem Äther nicht mehr
auf sinnliche Weise den Geist suchen. Mit dieser erweiterten Sinneswelt
musste sich auseinandersetzen, wer fortan nach höherer Erkenntnis
strebte. In früheren Jahrhunderten stand der sinnende Menschengeist
vor einer anderen Tatsachenwelt. Nun war ihm eine neue Aufgabe gestellt.
Nicht mehr die Dinge dieser Erde allein konnten von des Menschen Innern
heraus ihr Wesen aussprechen. Dieses Innere musste den Geist einer Sinnenwelt
umfassen, die in überall gleicher Art das räumliche All erfüllt.
- Vor einer solchen Aufgabe stand der Denker aus Nola, Philotheo Giordano
Bruno (1548-1600). Die Sinne haben sich das räumliche Weltall erobert;
der Geist ist nun nicht mehr im Raume zu finden. So wurde der Mensch von
außen darauf hingewiesen, den Geist fortan nur mehr dort zu suchen,
wo ihn, aus tiefen inneren Erlebnissen heraus, die herrlichen Denker gesucht
haben, deren Reihe die vorhergehenden Ausführungen an uns vorübergeführt
haben. Diese Denker schöpfen aus sich eine Weltanschauung, zu der
später eine fortgeschrittene Naturwissenschaft die Menschen zwingt.
Die Sonne der Ideen, die später auf eine neue Naturanschauung fallen
soll, steht bei ihnen noch unter dem Horizont; aber ihr Licht erscheint
bereits als Morgendämmerung in einer Zeit, als die Gedanken der Menschen
über die Natur selbst noch im nächtlichen Dunkel liegen. - Das
sechzehnte Jahrhundert hat für die Naturwissenschaft den Himmelsraum
der Sinnenwelt gegeben, der er rechtmäßig angehört; bis
zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts war diese Wissenschaft so weit, dass
sie auch innerhalb der Erscheinungen des pflanzlichen, tierischen und menschlichen
Lebens dasjenige der sinnlichen Tatsachenwelt geben konnte, was dieser
zukommt. Weder droben im Äther, noch in der Entwicklung der Lebewesen
darf nunmehr diese Naturwissenschaft etwas anderes suchen als tatsächlich-sinnliche
Prozesse. Wie der Denker im sechzehnten Jahrhundert sagen musste: Die Erde
ist ein Stern unter Sternen, den gleichen Gesetzen unterworfen wie andere
Sterne - so muss derjenige des neunzehnten Jahrhunderts sagen: «Der
Mensch, mag seine Entstehung, seine Zukunft sein, wie sie wolle, ist für
die Anthropologie nur ein Säugetier, und zwar dasjenige, dessen Organisation,
Bedürfnisse und Krankheiten die verwickeltesten sind, und dessen Gehirn
mit seiner bewunderungswürdigen Leistungsfähigkeit den höchsten
Grad der Entwicklung erreichte.» (Paul Topinard: «Anthropologie»,
Leipzig 1888, S. 528.) - Von einem solchen durch die Naturwissenschaft
erreichten Gesichtspunkt kann eine Verwechslung von Geistigem und Sinnlichem
nicht mehr eintreten, wenn der Mensch sich selbst recht versteht. Die entwickelte
Naturwissenschaft macht es unmöglich, in der Natur einen, nach Art
des Materiellen gedachten Geist zu suchen, wie ein gesundes Denken es unmöglich
macht, den Grund des Vorrückens der Uhrzeiger nicht in den mechanischen
Gesetzen (dem Geist der unorganischen Natur), sondern in einem besonderen
Dämon zu suchen, der die Zeigerbewegung bewirkte. Mit Recht musste
Ernst Haeckel die grobe Vorstellung von dem nach materieller Art gedachten
Gott als Naturforscher zurückweisen. ... Giordano Bruno, auf den die
neue kopernikanische Naturbetrachtung eindrang, konnte auf keine andere
Art den Geist in der Welt fassen, aus der er in der alten Form vertrieben
war, denn als Weltseele. Man hat, wenn man sich in Brunos Schriften vertieft
(insbesondere in sein tiefsinniges Buch «Von der Ursache, dem Prinzip
und dem Einen»), den Eindruck, dass er sich die Dinge beseelt dachte,
wenn auch in verschiedenem Grade. Er hat den Geist in Wirklichkeit nicht
in sich erlebt, deshalb denkt er sich ihn nach Art der Menschenseele, in
der er ihm allein entgegengetreten ist. Wenn er von Geist spricht, so fasst
er ihn in dieser Art auf «Die universelle Vernunft ist das innerste,
wirklichste und eigenste Vermögen und ein potentieller Teil der Weltseele;
sie ist ein Identisches, welches das All erfüllt, das Universum erleuchtet
und die Natur unterweist, ihre Gattungen, so wie sie sein sollen, hervorzubringen.»
Der Geist wird zwar in diesen Sätzen nicht als «gasförmiges
Wirbeltier», wohl aber als ein Wesen geschildert, das so ist wie
die Menschenseele. «Das Ding sei nun so klein und winzig als es wolle,
es hat in sich einen Teil von geistiger Substanz, welche, wenn sie das
Substrat dazu angetan findet, sich darnach streckt, eine Pflanze, ein Tier
zu werden, und sich zu einem beliebigen Körper organisiert, welcher
gemeinhin beseelt genannt wird. Denn Geist findet sich in allen Dingen,
und es ist auch nicht das kleinste Körperchen, welches nicht einen
solchen Anteil in sich fasste, dass er sich nicht belebte.» - Weil
Giordano Bruno den Geist nicht wirklich als Geist in sich erlebt hat, deshalb
konnte er auch das Leben des Geistes mit den äußeren mechanischen
Verrichtungen verwechseln, mit denen Raymundus Lullus (1235-1315) in seiner
sog. «Großen Kunst» die Geheimnisse des Geistes entschleiern
wollte. Ein neuerer Philosoph, Franz Brentano, beschreibt diese «Große
Kunst» so: «Auf konzentrischen, vereinzelt drehbaren Kreisscheiben
wurden Begriffe aufgezeichnet, und dann dadurch die verschiedenartigsten
Kombinationen hergestellt.» Was der Zufall bei der Drehung übereinanderschob,
das wurde zu einem Urteile über die höchsten Wahrheiten geformt.
Und Giordano Bruno trat auf seinen mannigfaltigen Irrfahrten durch Europa
an verschiedenen hohen Schulen als Lehrer dieser «Großen Kunst»
auf Er hat den kühnen Mut gehabt, die Gestirne als Welten zu denken,
vollkommen analog unserer Erde; er hat den Blick naturwissenschaftlichen
Denkens über die Erde hinaus erweitert; er dachte die Weltkörper
nicht mehr als körperliche Geister; aber er dachte sie doch noch als
seelische Geister. Man darf nicht ungerecht sein gegen den Mann, den seine
fortgeschrittene Vorstellungsart die katholische Kirche mit dem Tode büßen
ließ. Es gehörte ein Ungeheures dazu, den ganzen Himmelsraum
in dieselbe Weltbetrachtung einzuspannen, die man bis dahin bloß
für irdische Dinge hatte, wenn Bruno auch das Sinnliche noch seelisch
dachte. Als eine Persönlichkeit, die in einer großen seelischen
Harmonie noch einmal aufleuchten ließ, was Tauler, Weigel, Jacob
Böhme und andere vorbereitet hatten, erschien im siebzehnten Jahrhundert
Johann Scheffler, genannt Angelus Silesius (1624-1677). Wie in einem geistigen
Brennpunkte gesammelt und in erhöhter Leuchtkraft strahlend, erscheinen
die Ideen der genannten Denker in seinem Buche: «Cherubinischer Wandersmann.
Geistreiche Sinn- und Schlussreime.» Und alles, was Angelus
Silesius ausspricht, erscheint als solch eine unmittelbare, selbstverständliche
Offenbarung seiner Persönlichkeit, dass es ist, als wenn dieser Mann
durch eine besondere Vorsehung berufen worden wäre, die Weisheit in
persönlicher Gestalt zu verkörpern. Die selbstverständliche
Art, in der er die Weisheit darlebt, kommt dadurch zum Ausdruck, dass er
sie in Sprüchen darstellt, die auch bezüglich ihrer Kunstform
bewundernswert sind. Er schwebt wie ein Geistwesen über allem irdischen
Dasein; und, was er spricht, ist wie der Hauch aus einer anderen Welt,
von vornherein befreit von allem Groben und Unreinen aus dem sich sonst
menschliche Weisheit nur mühsam herausarbeitet. - Wahrhaft erkennend
verhält sich im Sinne des Angelus Silesius nur, wer das Auge des Alls
in sich zum Schauen bringt; in wahrem Lichte sieht sein Tun nur, wer dies
Tun in sich verrichtet fühlt durch die Hand des Alls: «Gott
ist in mir das Feuer, und ich in ihm der Schein: sind wir einander nicht
ganz inniglich gemein?» - «Ich bin so reich als Gott; es kann
kein Stäublein sein, das ich - Mensch glaube mir - mit ihm nicht hab'
gemein.» «Gott liebt mich über sich: lieb ich ihn über
mich: so geb ich ihm so viel, als er mir gibt aus sich.» - «Der
Vogel in der Luft, der Stein ruht auf dem Land; im Wasser lebt der Fisch,
mein Geist in Gottes Hand.» - «Bist du aus Gott geborn, so
blühet Gott in dir: und seine Gottheit ist dein Saft und dein Zier.»
- «Halt an, wo läufst du hin; der Himmel ist in dir: Suchst
du Gott anderswo, du fehlst ihn für und für.» - Für
den, der sich so im All fühlt, hört jede Trennung zwischen sich
und einem anderen Wesen auf; er empfindet sich nicht mehr als einzelnes
Individuum; er empfindet vielmehr alles, was an ihm ist, als Glied der
Welt, seine eigentliche Wesenheit aber als dieses Weltall selbst. «Die
Welt, die hält dich nicht; du selber bist die Welt, die dich in dir
mit dir so stark gefangen hält.» - «Der Mensch hat eher
nicht vollkommne Seligkeit: bis dass die Einheit hat verschluckt die Anderheit.»
«Der Mensch ist alle Ding': ist's dass ihm eins gebricht, so kennet
er fürwahr sein Reichtum selber nicht.» - Als sinnliches Wesen
ist der Mensch ein Ding unter anderen Dingen, und seine sinnlichen Organe
bringen ihm als sinnlicher Individualität sinnliche Kunde von den
Dingen in Raum und Zeit außer ihm; spricht aber der Geist in dem
Menschen, dann gibt es kein Außen und kein Innen; nichts ist hier
und nichts ist dort, was geistig ist; nichts ist früher, und nichts
ist später: Raum und Zeit sind in der Anschauung des Allgeistes verschwunden.
Nur so lange der Mensch als Individuum schaut, ist er hier, und das Ding
dort; und nur so lange er als Individuum schaut, ist dies früher,
und dies später. «Mensch, wo du deinen Geist schwingst über
Ort und Zeit, so kannst du jeden Blick sein in der Ewigkeit.» - «Ich
selbst bin Ewigkeit, wann ich die Zeit verlasse, und mich in Gott, und
Gott in mich zusammenfasse.» - «Die Rose, welche hier dein
äußres Auge sieht, die hat von Ewigkeit in Gott also geblüht.»
- «Setz dich in'n Mittelpunkt, so siehst du all's zugleich: was jetzt
und dann geschieht, Her und im Himmelreich.» - «So lange dir,
mein Freund, im Sinn liegt Ort und Zeit: so faßt du nicht, was Gott
ist und die Ewigkeit.» - «Wenn sich der Mensch entzieht der
Mannigfaltigkeit, und kehrt sich ein zu Gott, kommt er zur Einigkeit.»
- Die Höhe ist damit erstiegen, auf welcher der Mensch hinausschreitet
über sein individuelles Ich und jeden Gegensatz zwischen der Welt
und sich aufhebt. Ein höheres Leben beginnt für ihn. Wie der
Tod des alten und eine Auferstehung im neuen Leben erscheint ihm das innere
Erlebnis, das ihn überkommt. «Wann du dich über dich erhebst
und läßt Gott walten: so wird in deinem Geist die Himmelfahrt
gehalten.» - «Der Leib muss sich im Geist, der Geist in Gott
erheben: wo du in ihm, mein Mensch, willst ewig selig leben.» - «So
viel mein Ich in mir verschmachtet und abnimmt: so viel des Herren Ich
darvon zu Kräften kömmt.» - Von solchem Gesichtspunkt aus
erkennt der Mensch seine Bedeutung und die Bedeutung aller Dinge im Reich
der ewigen Notwendigkeit. Das natürliche All erscheint ihm unmittelbar
als der göttliche Geist. Der Gedanke an einen göttlichen Allgeist,
der noch über und neben den Dingen der Welt Sein und Bestand haben
könnte, schwindet als eine überwundene Vorstellung dahin. Dieser
Allgeist erscheint so in die Dinge ausgeflossen, so mit den Dingen wesenseins
geworden, dass er nicht mehr gedacht werden könnte, wenn aus seinem
Wesen nur ein einziges Glied weggedacht würde." [29]
Anmerkungen [1] Wissenschaftsbriefe
/ Science Review Letters 2024 ,
23, Nr. 1523; Raffael,
eigentlich Raffaelo Santi, 1483 - 1520; Tizian,
eigentlich Tiziano Vecellio, 1489/90 - 1576, bedeutendster Maler der Venetianischen
Schule; Giovanni Santi,
gest. 1491, Aug. Schmarsow, «Giovanni Santi, der Vater Raphaels»,
Berlin 1887; Georg Christoph Lichtenberg, 1742 - 1799, Lichtenbergscher
Aphorismus: «Es sind zuverlässig in Deutschland mehr Schriftsteller,
als alle vier Weltteile überhaupt zu ihrer Wohlfahrt nötig haben»;
die heilige Hildegard von Bingen,
1089 - 1179, Äbtissin zu Rupertsberg bei Bingen, Benediktinerin; größte
weibliche Gestalt ihres Ordens. Durch ihre mystische Kraft und praktischen
Fähigkeiten wirkte sie stark auf das kirchliche und politische Leben
ihrer Zeit ein: Beraterin von Papst und Kaiser (Barbarossa); Kämpferin
gegen moralischen Niedergang und Verweltlichung des Klerus; Briefwechsel
mit bedeutenden Zeitgenossen; Predigerin, Dichterin und Liederkomponistin;
wissenschaftliche Forscherin. Durch ihre medizinischen Schriften wird sie
als erste deutsche Ärztin angesehen; Plato,
427-347 v. Chr, über die Tugenden vgl. seine Schrift «Politeia»
(Staat), 4. Buch; In dem Dialog «Phaidon» sagt Sokrates im
Gespräch mit Simmias: «Und fast scheint es, dass diejenigen,
welche uns die Weihen angeordnet haben, gar nicht schlechte Leute sind,
sondern schon seit langer Zeit uns andeuten, dass, wer ungeweiht und ungeheiligt
in der Unterwelt anlangt, in den Schlamm zu liegen kommt; der Gereinigte
aber, und der Geweihte, wenn er dort angelangt ist, bei den Göttern
wohnt. Denn, sagen die, welche mit den Weihen zu tun haben, Thyrsusträger
sind viele, doch echte Begeisterte nur wenige. Diese aber sind, nach meiner
Meinung, keine anderen, als die sich auf rechte Weise der Weisheit beflissen
haben, deren einer zu werden auch ich nach Kräften im Leben nicht
versäumt, sondern mich auf alle Weise bemüht habe.» (13.Kap.);
Plato: «Theaetetos», 155 D: «... denn dies ist der Zustand
eines der Weisheit in hohem Grade ergebenen Mannes (Philosophen), das Sich-wundern.
Denn es gibt keinen anderen Anfang für die Liebe zur Weisheit (Philosophie)
als diesen und es scheint der (Dichter), welcher die Iris für ein
Kind des Thaumas erklärt hat, keine üble Geschlechtsableitung
zu geben.» - Vgl. auch Aristoteles: «Metaphysik», 982
b 12 f, «Wenn die Menschen jetzt, und wenn sie vor alters zu
philosophieren begonnen haben, so bot den Antrieb dazu die Verwunderung,
zuerst über die nächstÜegenden Probleme, sodann im weiteren
Fortgang so, daß man sich auch über die weiter zurückliegenden
Probleme Bedenken machte, z.B. über die Mondphasen oder über
den Lauf der Sonne und der Gestirne wie über die Entstehung des Weitaus.»;
Aristoteles,
384 - 322 v. Chr., griechischer Philosoph; über seine Tugendlehre
vgl. seine beiden Schriften «Nikomachische Ethik» und «Eudemische
Ethik»; «Von den Teilen der Tiere», 3. Buch; Aristotelische
Definition von Furcht und Mitleid: In «Poetik», 6. Kapitel;
Cartesius (Rene Descartes), 1596-1650, spricht von «Spiritus animales»
in «De passionibus animae» I; Heraklit von Ephesos, geb. etwa
540 (544), gest. 480 (483) v. Chr., griechischer Philosoph; William
Shakespeare, getauft 1564, gest. 1616; seine Tragödie «Timon
von Athen» (Timon of Athens) ist vermutlich zwischen 1606 und 1609
entstanden; Aurelius
Augustinus, 354-430, Kirchenlehrer, «Was man gegenwärtig
die christliche Religion nennt, bestand schon bei den Alten und fehlte
nicht in den Anfängen des Menschengeschlechts und als Christus im
Fleische erschien, erhielt die wahre Religion, die schon vorher vorhanden
war, den Namen der christlichen», «Retractationes» I,
XIII, 3; siehe auch «De civitate dei», VIII, 9; Jamblichos,
gest. um 330; Plotinus, um 205 - 270; Scotus
Erigena, um 810 bis um 877; Theresia von Avila, 1515 - 1582,
spanische Heilige, Karmeliterin; Hauptvertreterin der spanischen Mystik;
größte spanische Schriftstellerin, in enger Verbindung mit Johannes
vom Kreuz (1542 - 91) reformierte sie unter großen Schwierigkeiten
den Karmeliterorden, von 1552 - 65 schrieb sie ihre Selbstbiographie unter
dem Titel "Libro de mi vida", Übersetzungen in viele Sprachen; Mechthild
von Magdeburg, 1212 - 1283, Zisterzienserin, gilt als größte
Dichterin der deutschen Mystik, «Das fließende Licht der Gottheit»,
erhalten in mittelhochdeutscher Übersetzung Heinrichs von Nördlingen,
herausgegeben 1911 von W. Oehl; Archimedes, um 287 - 212 v. Chr., genialster
Mathematiker und Physiker des Altertums, entdeckte im Bade das archimedische
Prinzip des hydrostatischen Auftriebs (Heureka! = Ich hab's gefunden!)
und war von der Kraft seiner Maschinen (Hebel), mit denen er Schiffe allein
vom Stapel ließ und hochwand, so überzeugt, dass er ausrief:
«Gib mir einen Standpunkt und ich hebe die Welt aus den Angeln!»;
Goethe
, aus Goethes «Winckelmann», Kapitel «Antikes»
(Weimarer Ausgabe Band 46, S. 22): «Wenn die gesunde Natur des Menschen
als ein Ganzes wirkt, wenn er sich in der Welt als einem großen,
schönen, würdigen und werthen Ganzen fühlt, wenn das harmonische
Behagen ihm ein reines freies Entzücken gewährt; dann würde
das Weltall, wenn es sich selbst empfinden könnte, als an sein Ziel
gelangt aufjauchzen und den Gipfel des eigenen Werdens und Wesens bewundern.
Denn, wozu dient alle der Aufwand von Sonnen und Planeten und Monden, von
Sternen und Milchstraßen, von Kometen und Nebelflecken, von gewordenen
und werdenden Welten, wenn sich nicht zuletzt ein glücklicher Mensch
unbewußt seines Daseins erfreut?»; «Das Höchste
wäre, zu begreifen, dass alles Faktische schon Theorie ist. ... Man
suche nur nichts hinter den Phänomenen; sie selbst sind die Lehre»,
siehe: «Sprüche in Prosa» in Goethe: «Naturwissenschaftliche
Schriften», herausgegeben und kommentiert von Rudolf Steiner in Kürschners
«Deutsche National-Litteratur», 5 Bde. 1884-97, Nachdruck Dornach,
GA lae, Bd. 5, S. 376; Goethe musste die anschaulichen Vorstellungen des
Christentums zu Hilfe nehmen: Siehe J.P. Eckermann, Gespräche mit
Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, 6. Juni 1831: «Übrigens
werden Sie zugeben, dass der Schluss, wo es mit der geretteten Seele nach
oben geht, sehr schwer zu machen war, und dass ich bei so übersinnlichen,
kaum zu ahnenden Dingen mich sehr leicht im Vagen hätte verlieren
können, wenn ich nicht meinen poetischen Intentionen durch die scharf
umrissenen, christlich- kirchlichen Figuren und Vorstellungen eine wohltätig
beschränkende Form und Festigkeit gegeben hätte»; Äschylos,
525-456 v. Chr.; Sophokles 496-406 v. Chr.: « Vieles Gewaltige lebt,
doch nichts ist gewaltiger als der Mensch!»: Chor aus der «Antigone»,
Verse 332 f.;
Arthur Schopenhauer,
1788-1860, Philosoph. «Die Welt als Wille und Vorstellung»,
3. Buch, § 52: «... Die Musik ist nämlich eine so unmittelbare
Objektivation und Abbild des ganzen Willens, wie die Welt selbst es ist,
ja wie die Ideen es sind, deren vervielfältigte Erscheinung die Welt
der einzelnen Dinge ausmacht. Die Musik ist also keineswegs, gleich den
anderen Künsten, das Abbild der Ideen; sondern Abbild des Willens
selbst, dessen Objektivität auch die Ideen sind: deshalb eben ist
die Wirkung der Musik so sehr viel mächtiger und eindringlicher, als
die der anderen Künste: denn diese reden nur vom Schatten, sie aber
vom Wesen ...»; Voltaire (Francois
Marie Arouet), 1694-1778; Pierre Corneille, 1606-1684; Jean Baptiste Racine,
1639-1699; Moliere (Jean-Baptiste Poquelin),
1622-1673; Gottfried Wilhelm
von Leibniz, 1646-1716; Johann
Gottlieb Fichte, 1762-1814; Charles Robert Darwin, 1809-1882; Isaac
Newton, 1642-1727; Wladimir
Sergejewitsch Solowjow, 1853 - 1900; Fjodor
Michailowitsch Dostojewski, 1821-1881; Konstantin I., der Große,
274-337, römischer Kaiser ab 313, nachdem er 312 Augustus Maxentius
an der Milvischen Brücke schlug; Julian, der Apostat: Flavius Claudius
Julianus, 331-363, von den Christen «Apostata», der Abtrünnige
genannt; römischer Kaiser von 361-363; Jeanne d'Arc, 6. Januar 1412
bis 30. Mai 1431; Walther
von der Vogelweide, um 1170-1230; Anatole France: Vie de Jeanne d'Arc,
2 Bände, 49. Aufl. Paris 1927; Friedrich
Schiller «Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen
und das Erhabne in den Staub zu ziehn»: 3. Strophe des Gedichtes:
«Das Mädchen von Orleans»; Gotthold Ephraim Lessing, «Die
Erziehung des Menschengeschlechtes» (1780), §98: «Warum
sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue Kenntnisse, neue Fertigkeiten
zu erlangen geschickt bin? Bringe ich auf einmal so viel weg, dass es der
Mühe wiederzukommen etwa nicht lohnet?»; Georg
Wilhelm Friedrich Hegel, 1770-1831, Vorlesungen über die Geschichte
der Philosophie I; Meister
Eckhart, 1260 - 1327; Dominikaner und deutscher Mystiker, er lehrte
in Paris und Köln. 1329 Verurteilung von 26 Sätzen seiner Lehrweise;
«Denn wäre ich ein König, wüßte es aber selber
nicht, so wäre ich kein König»; Meister Eckhart, «Deutsche
Predigten und Traktate», hg. u. übers, von Josef Quint, München
1963, Zürich 1979, Predigt 36 «Scitote, quia prope est regnum
dei (Luc. 21,31)»; «Etliche Leute wollen Gott mit den Augen
ansehen, als sie eine Kuh ansehen, und wollen Gott lieb haben, als sie
eine Kuh lieb haben. Also haben sie Gott lieb, um auswendigen Reichtum
und um inwendigen Trost; aber diese Leute haben nicht Gott recht lieb ...
Einfältige Leute wähnen, sie sollen Gott ansehen, als stünde
er dort und sie hier. So ist es nicht. Gott und ich sind eins im Erkennen.»,
Predigt 65; Johannes Tauler (1300-136I); Heinrich Suso (1295-1366); Johannes
Ruysbroeck (1295-1366); Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim (1487-1
535), «Geheime Philosophie» (philosophia occulta), in «Über
die Eitelkeit der Wissenschaften» (De vanitate scientiarum) redet
er über das wissenschaftliche und sonstige Treiben seiner Zeit; Theophrastus
Paracelsus (1493-1541), «Opus paramirum»; «Darum
so mag ich billig in der Alchymie hie so viel schreiben, auf dass ihr sie
wohl erkennet, und erfahret, was an ihr sei, und wie sie verstanden soll
werden: nicht ein Ärgernis nehmen daran, dass weder Gold noch Silber
dir daraus werden soll. Sondern daher betrachtet, dass dir die Arkanen
(Heilmittel) eröffnet werden... Die dritte Säule der Medizin
ist Alchymie, denn die Bereitung der Arzneien kann ohne sie nicht geschehen,
weil die Natur ohne Kunst nicht gebraucht werden kann» aus: «Opus
paragranum»; Valentin Weigel, 1499-1588, seine Schriften hat er bewusst
geheim gehalten und sie nur handschriftlich den nächsten Freunden
anvertraut, um nicht von der Kirche verfolgt zu werden, «Erkenne
dich selbst» 1578, «Der güldene Griff; das ist: All Ding
ohne Irrtum zu erkennen, vielen Hochgelehrten unbekannt, und doch allen
Menschen notwendig zu wissen», «Vom Ort der Welt.»; Jacob
Böhme, 1575-1624; Giordano Bruno, 1548-1600, italienischer Philosoph,
Mitbegründer der modernen Weltanschauung, endete auf dem Scheiterhaufen
der Inquisition, Werke z.B. «Von der Ursache, dem Prinzip und dem
Einen»; Angelus Silesius
(Johannes Scheffler), 1624-1677; Rudolf Steiner 1912/ 14: Christus und
die menschliche Seele; über den Sinn des Lebens, GA 155, zehn Vorträge,
Dornach, 1996; Ders. 1908/09: G. Menschenkunde, GA 107, neunzehn Vorträge,
Ib., 1960, 1994; Ders. 1912: Der Mensch im Lichte von O., T. und Philosophie,
GA 137, zehn Vorträge, Ib., 1993; Ders. 1910: Die Welt der Sinne und
die Welt des Geistes, GA 134, sechs Vorträge, 1959, 1990; Ders. 1911,
Weltenwunder, Seelenprüfungen und Geistesoffenbarungen, GA 129; elf
Vorträge, Ib., 1977, 1995; Ders. 1915: Menschenschicksale und Völkerschicksale,
GA 157, vierzehn Vorträge, Ib., 1981; Ders. 1901: Die Mystik, GA 7,
Ib., 1960, 1977; vgl. Kurse
Nr.
161,
Nr. 533
Aristoteles, Nr.
551 G.W.F. Hegel I, Nr.
509 F.W.J. Schelling I, Nr.
510 F.W.J. Schelling II, Nr.
513 F.W.J. Schelling III,
Nr.
511 Johann Gottlieb Fichte, Nr.
658 Johann Gottlieb Fichte II, Nr.
020 Johann Wolfgang von Goethe I-II, Nr.
673 Johann Wolfgang von Goethe III, Nr.
553 Friedrich Schiller I-II, Nr.
675 Friedrich Schiller III, Nr.
567 Gottfried Wilhelm Leibniz, Nr.
659 Wissenschaftslehre I, Nr.
666 Wissenschaftslehre II, Nr.
681 Wissenschaftslehre III, Nr.
682 Wissenschaftslehre IV, Nr.
683 Wissenschaftslehre V, Nr.
684 Wissenschaftslehre VI, Nr.
685 Wissenschaftslehre VII, Nr.
667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr.
669 Romantische Kunst und Philosophie II, Akademie der Kunst und Philosophie
/ Académie des sciences
Philosophie
- Wissenschaftslehre
Allgemeine
Infos zur Akademie der Kunst und Philosophie und den Kursen
Zur Philosophie und Kulturgeschichte von Byzanz, des Mittelalters, der Schule von Chartres, der Renaissance, des Barock, der Aufklärung, des Idealismus, der Romantik vgl. Kurse:Nr. 551 G.W.F. Hegel I, Nr. 660 G.W.F. Hegel II, Nr. 511 Johann Gottlieb Fichte I, Nr. 658 Johann Gottlieb Fichte II, Nr. 509 F.W.J. Schelling I, Nr. 510 F.W.J. Schelling II, Nr. 513 F.W.J. Schelling III, Nr. 505 Arthur Schopenhauer I-II, Nr. 663 Arthur Schopenhauer III, Nr. 531 Platon, Nr. 533 Aristoteles, Nr. 623 Johann Ludwig Wilhelm Müller, Nr. 020 Johann Wolfgang von Goethe I-II, Nr. 673 Johann Wolfgang von Goethe III, Nr. 553 Friedrich Schiller I-II, Nr. 675 Friedrich Schiller III, Nr. 554 Friedrich Hölderlin I-II, Nr. 512 Novalis I, Nr. 671 Novalis II, Nr. 677 Jean Paul, Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Nr. 630 Johann Ludwig Tieck, Nr. 631 Adelbert von Chamisso, Nr. 567 Gottfried Wilhelm Leibniz, Nr. 665 Molière, Nr. 622 Victor Hugo I, Nr. 674 Victor Hugo II, Nr. 629 Voltaire I-II, Nr. 679 Laurence Sterne, Nr. 621 Lord Byron I, Nr. 676 Lord Byron II, Nr. 628 Percy Bysshe Shelly, Nr. 561 Sir Walter Scott, Nr. 555 Angelus Silesius, Nr. 634 Hans Sachs, Nr. 619 Franz Werfel, Nr. 680 Nikos Kazantzakis, Nr. 588 Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Nr. 550 Fjodor M. Dostojewskij I-II, Nr. 506 Wladimir Sergejewitsch Solowjow, Nr. 664 Philosophie der Kunst, Nr. 661 Philosophie der Geschichte I, Nr. 686 Philosophie der Geschichte II, Nr. 687 Philosophie der Geschichte III, Nr. 687 Philosophie der Geschichte IV, Nr. 687 Philosophie der Geschichte V, Nr. 659 Wissenschaftslehre I, Nr. 666 Wissenschaftslehre II, Nr. 681 Wissenschaftslehre III, Nr. 682 Wissenschaftslehre IV, Nr. 683 Wissenschaftslehre V, Nr. 684 Wissenschaftslehre VI, Nr. 685 Wissenschaftslehre VII, Nr. 545 Sittenlehre I-II, Nr. 614 Sittenlehre III, Nr. 544 Staats- und Rechtslehre I-II, Nr. 641 Staats- und Rechtslehre III, Nr. 644 Staats- und Rechtslehre IV, Nr. 655 Staats- und Rechtslehre V, Nr. 618 St. Ephraim der Syrer, Nr. 617 St. Cyrill von Alexandrien, Nr. 616 St. Gregor von Nazianz, Nr. 613 St. Gregor von Nyssa, Nr. 612 St. Johannes Chrysostomos, Nr. 611 St. Johannes Cassianus, Nr. 627 St. Basilius der Große, Nr. 625 Theodorus Abucara, Nr. 624 Byzantinische Wissenschaft / Philosophie, Nr. 653 St. Cyprianus, Nr. 609 St. Athanasius der Große, Nr. 605 St. Irenaeus von Lyon, Nr. 604 St. Hildegard von Bingen, Nr. 600 St. Johannes von Damaskus, Nr. 599 St. Petrus Venerabilis, Nr. 581 Bernhard von Chartres, Nr. 580 Wilhelm von Conches, Nr. 578 Pierre Abaelard, Nr. 574 Johannes von Salisbury, Nr. 577 Petrus Lombardus, Nr. 576 Gilbert de la Porrée / Gilbert von Poitiers, Nr. 565 Johannes Scotus Eriugena, Nr. 575 Thierry de Chartres, Nr. 571 Alanus ab Insulis, Nr. 572 Anselm von Canterbury, Nr. 570 St. Hilarius von Poitiers, Nr. 568 Nicolaus Cusanus I, Nr. 568 Nicolaus Cusanus II, Nr. 568 Nicolaus Cusanus III, Nr. 564 St. Ambrosius, Nr. 564 St. Augustinus I, Nr. 601 St. Augustinus II, Nr. 654 St. Augustinus III, Nr. 579 St. Albertus Magnus, Nr. 500 St. Thomas von Aquin I, ScG, Nr. 501 St.Thomas von Aquin II, Sth I., Nr. 502 St.Thomas von Aquin III, Sth. I-II, Nr. 582 St.Thomas von Aquin IV, Sth II-II, Nr. 583 St.Thomas von Aquin V, Sth. III, Nr. 566 Meister Eckhart, Nr. 562 Dante Alighieri I-II, Nr. 672 Dante Alighieri III, Nr. 558 Calderón de la Barca, Nr. 648 Calderón de la Barca II, Nr. 650 Calderón de la Barca III, Nr. 651 Calderón de la Barca IV, Nr. 563 Miguel de Cervantes I, Nr. 645 Miguel de Cervantes II, Nr. 637 Lope de Vega I, Nr. 638 Lope de Vega II, Nr. 642 Lope de Vega III, Nr. 643 Lope de Vega IV, Nr. 652 Juan Ruiz de Alarcón, Nr. 632 Ginés Pérez de Hita, Nr. 633 Luis Vaz de Camões, Nr. 678 François Rabelais, Nr. 557 Ludovico Ariosto I-II, Nr. 668 Ludovico Ariosto III, Nr. 556 Torquato Tasso, Nr. 552 William Shakespeare I-II, Nr. 559 Wolfram von Eschenbach, Nr. 560 Walter von der Vogelweide, Nr. 662 Gottfried von Strassburg, Akademie der Kunst und Philosophie / Académie des sciences Nr. 320 Romanische Kunst und Architektur, Nr. 350 Byzantinische Kunst und Architektur, Nr. 325 Kunst und Architektur der Gothik, Nr. 326 Kunst und Architektur der Renaissance, Nr. 586 Tizian, Nr. 591 Paolo Veronese, Nr. 597 Correggio, Nr. 670 Annibale Carracci, Nr. 520 Rembrandt, Nr. 598 El Greco, Nr. 620 Giovanni Battista Tiepolo, Nr. 590 Giovanni Bellini, Nr. 656 Andrea Solari, Nr. 657 Bernadino Luini, Nr. 587 Andrea Mantegna, Nr. 595 Jan van Eyck, Nr. 635 Rogier van der Weyden, Nr. 640 Stefan Lochner, Nr. 646 Michael Pacher, Nr. 647 Peter Paul Rubens, Nr. 649 Giotto di Bondone, Nr. 626 Luca Signorelli, Nr. 610 Piero della Francesca, Nr. 596 Perugino, Nr. 522 Raffael (Raffaello Sanzio), Nr. 523 Sandro Botticelli, Nr. 602 Benozzo Gozzoli,Nr. 606 Fra Angelico, Nr. 607 Pinturicchio, Nr. 608 Domenico Ghirlandaio,Nr. 593 Filippo Lippi, Nr. 594 Filippino Lippi, Nr. 589 Albrecht Dürer, Nr. 603 Bernard van Orley, Nr. 615 Ambrogio da Fossano detto il Bergognone, Nr. 636 Eugène Delacroix, Nr. 639 Bartolomé Esteban Murillo, Nr. 690 Caspar David Friedrich, Akademie der Kunst und Philosophie / Académie des sciences
Copyright © 2012-2024 Akademie der Kunst und Philosophie Letzte Bearbeitung:01.07.2024 |