Akademie der Kunst und Philosophie | Academy of Arts and Philosophy
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Kurs Nr. 686 Philosophie der Geschichte / Philosophy of History II


Sinn des Bewußtseinszeitalters, dass der Mensch aufsteigen muss zu übersinnlichen Impulsen und durchdringen muss zur Erkenntnis; es bringt nur Tod über die Menschheit, wenn wir es nicht zu befruchten wissen durch die Impulse des Übersinnlichen

Russland im Bann der byzantinischen Orthodoxie und des Panslawismus flieht vor dem Zeitalter des Bewußtseins; wenn Sie aber dasjenige in der russischen Geschichte lesen, was die herrschenden Mächte bisher erlaubt haben als Geschichte zu verzeichnen, dann haben Sie alles dasjenige, was als todbringendes Element über das russische Leben sich ausbreitet - dabei müssten sie nur den gröten russischen Philosophen lesen, Wladimir Sergejewitsch Solowjow

"Denn es ist eine absolute Unmöglichkeit, eine tatsächliche Unmöglichkeit, dass zwei Menschen, die sich feindlich gegenüberstehen, jeder sich zu dem Christus bekenne"

Goethe ist in gewisser Beziehung die Universitas litterarum, die geheime Universitas, und der widerrechtliche Fürst auf dem Gebiete des Geisteslebens ist die Universitätsbildung der Gegenwart

Albrecht Duerer, Auferstehung

 

 
 
 
 
 

 

Aus dem Inhalt:
 
 
 

1. Geschichtliche Symptomatologie I; Philipp der Schöne versetzt den Papst nach Avignon und hebt den Tempelherren-Orden auf; Horden der Mongolen bzw. Tataren, "später die Türken, wer immer" von Osten nach Westen wie ein störendes Naturereignis; all das historische Gerede, das in der neueren Zeit heraufgekommen ist, und das keine Ahnung hat, all das kommt zu keiner wirklichen Kulturgeschichte; Jungfrau von Orleans; kolonisatorische Tätigkeit von Mittel- nach Osteuropa hinüber bis hinunter nach Siebenbürgen; Habsburgische Macht; Städtegründungen; Zeitalter der Bewußtseinsseele beginnt; wie ein halbes Rätsel für Europa entwickelt sich das, was später zum russischen Gebilde wird; Einbrechen der Mongolen, später der Osmanen in die europäischen Ereignisse, deren zurückgebliebene, luziferisch-ahrimanische "Kultur" Europa allerdings nicht beeinflusst; Hus, Savonarola


Philipp der Schöne versetzt den Papstes nach Avignon und hebt den Tempelherren-Orden auf; Horden der Mongolen bzw. Tataren, "später die Türken, wer immer" von Osten nach Westen wie ein störendes Naturereignis; all das historische Gerede, das in der neueren Zeit heraufgekommen ist, und das keine Ahnung hat, all das kommt zu keiner wirklichen Kulturgeschichte; "Wenn wir von dem Gesichtspunkt des Beginnes der Bewußtseinsseelenkultur die Sache recht ansehen wollen, so müssen wir auf einen großen Wendepunkt hinblicken, durch den äußerlich symptomatisch sich zeigt, wie das, was durch das Mittelalter wirklich herrschend war in dem eben charakterisierten Sinne, aufhört so herrschend zu sein, wie es früher war. Und dieser Wendepunkt in der neueren geschichtlichen Entwickelung ist der, dass 1309 von Frankreich aus der Papst einfach von Rom nach Avignon versetzt wird. Damit war etwas getan, was früher selbstverständlich nicht hätte geschehen können, worinnen sich zeigte: Jetzt beginnt das, wo die Menschheit anders wird als früher, da sie sich beherrscht wußte von einem Universalimpuls. Man kann sich nicht vorstellen, dass es früher einem König oder einem Kaiser einfach hätte einfallen können, den Papst von Rom irgendwo andershin zu versetzen. 1309 wurde kurzer Prozess gemacht: der Papst wurde nach Avignon versetzt, und es beginnt jene Zänkerei mit Päpsten und Gegenpäpsten, die eben an die Versetzung des Papsttums gebunden war. Und damit in Verbindung sehen wir dann, wie etwas, was allerdings in einem ganz anderen Zusammenhange mit dem Christentum war, das in eine gewisse äußere Verbindung mit dem Papsttum gekommen war, mit betroffen wurde. Während 1309 der Papst nach Avignon versetzt wird, sehen wir, dass bald danach, 1312, der Tempelherren-Orden aufgehoben wird. Das ist solch ein Wendepunkt der neueren Geschichte. Man soll solch einen Wendepunkt nicht bloß hinsichtlich seines tatsächlichen Inhaltes betrachten, sondern als Symptom, um allmählich zu finden, was für eine Wirklichkeit dahinterliegt. Nun wollen wir andere solche Symptome vor unserem Seelenauge vorüberziehen lassen. Wir haben sie, wenn wir die Zeit, in welcher dieser Wendepunkt lag, einmal vor unserer Seele auftreten lassen. Da haben wir, über Europa hinschauend, die Tatsache auffällig, dass das europäische Leben mehr nach Osten hinüber doch radikal beeinflusst wird von jenen Ereignissen, die sich im geschichtlichen Leben, ich möchte sagen, wie Naturereignisse wirksam machen. Das sind die fortwährenden Wanderungen - mit den Mongolenwanderungen haben sie in der weiteren neueren Zeit begonnen -, die stattfinden von Asien nach Europa herüber, und die ein asiatisches Element nach Europa hereinbrachten. Sie müssen nur bedenken, dass man, wenn man an ein solches Ereignis wie das von Avignon diese Tatsache anschließt, man sehr bedeutsame Anhaltspunkte gewinnt für eine historische Symptomatologie. Denn bedenken Sie das Folgende. Wenn Sie wissen wollen, welches die äußeren, nicht die inneren geistigen, sondern die äußeren menschlichen Veranlagungen und Wirkungen waren, welche sich an das Ereignis von Avignon knüpften und die zu ihm geführt haben, dann werden Sie bei einem zusammenhängenden Komplex von menschlichen Entschlüssen und Tatsachen stehenbleiben können. Das können Sie nicht, wenn Sie solche Ereignisse betrachten wie die herüberziehenden Mongolen, bis später dann zu den Türken. Sondern indem Sie solch ein historisches Ereignis, solch einen Tatsachenkomplex ins Auge fassen, müssen Sie folgende Erwägungen anstellen, wenn Sie wirklich zu einer geschichtlichen Symptomatologie kommen wollen. ... Nun nehmen wir an, solch ein Zug sei bis zu dieser Grenze vorgedrungen, dahinter seien meinetwillen die Mongolen, später die Türken, wer immer, davor seien die Europäer. Wenn Sie die Ereignisse von Avignon nehmen, so finden Sie einen Tatsachenkomplex von menschlichen Entschlüssen, menschlichen Taten vor. Das haben Sie dort nicht. Dort müssen Sie zwei Seiten betrachten, die eine, die hier liegt, und die andere, die hier liegt. Für die Europäer ist dieser Sturm, der da herüberkommt, einfach wie ein Naturereignis: man sieht nur die Außenseite. Die kommen herüber und stören einfach, sie dringen ein. Dahinter aber liegt all diejenige Kultur, all die Seelenkultur, die sie selbst in sich tragen. Ihr eigenes seelisches Leben liegt dahinter. Das mag man wie immer beurteilen, aber es liegt dieses seelische Leben dahinter. Das wirkt gar nicht über die Grenze hinüber. Die Grenze wird gewissermaßen wie ein Sieb, durch das nur etwas wie elementarische Wirkungen durchgeht. Solche zwei Seiten - ein Inneres, das bei den Menschen bleibt, die hinter einer solchen Grenze stehen, und dasjenige, was nur zugewendet wird dem anderen - finden Sie in dem Ereignis von Avignon natürlich nicht; da ist alles in einem Komplex drinnen. Solche Ereignisse wie diese Wanderungen von Asien herüber, die haben eine große Ähnlichkeit mit der Naturanschauung selber. Denken Sie sich, Sie schauen die Natur an, Sie sehen die Farben, Sie hören die Töne: Das ist ja alles Teppich, das ist ja alles Hülle. Dahinter liegt Geist, dahinter liegen die Elementarwesen, bis heran zu dem hier. Da haben Sie auch die Grenze. Sie sehen mit Ihren Augen, Sie hören mit Ihren Ohren, fühlen mit Ihren Händen. Dahinter liegt der Geist, der kommt hier nicht durch. Das ist in der Natur so. Das ist ja da nicht ganz gleich, aber etwas Ähnliches. Was dahinter als Seelisches liegt, das dringt da nicht durch, das wendet nur die Außenseite nach der anderen Gegend hin. Es ist außerordentlich bedeutsam, dass man dieses merkwürdige Mittelgebilde ins Auge fasst, wo Völker oder Rassen aufeinanderprallen, die sich gewissermaßen nur ihre Außenseite zukehren, dieses merkwürdige Mittelgebilde - welches auch unter den Symptomen auftritt - zwischen eigentlichem menschlich-seelischen Universalerleben, wie es also angeschaut werden muss, wenn man so etwas erblickt wie das Ereignis von Avignon, und zwischen richtigen Natureindrücken. All das historische Gerede, das in der neueren Zeit heraufgekommen ist, und das keine Ahnung hat von dem Eingreifen eines solchen Mitteldings, all das kommt zu keiner wirklichen Kulturgeschichte. Weder Buckle noch Ratzel konnten daher zu einer wirklichen Kulturgeschichte kommen. Ich nenne zwei weit auseinanderliegende kulturgeschichtliche Betrachter, weil sie von den Vorurteilen ausgingen: Nun, man muss halt dasjenige, was von zwei Ereignissen aufeinanderfolgt, so betrachten, dass das spätere die Wirkung, das frühere die Ursache ist, und die Menschen so darinnen gestanden haben." [1]

Jungfrau von Orleans; kolonisatorische Tätigkeit von Mittel- nach Osteuropa hinüber bis hinunter nach Siebenbürgen; Habsburgische Macht; Städtegründungen; Zeitalter der Bewußtseinsseele beginnt; gleichsam im Hintergrunde wie ein halbes Rätsel für Europa dastehend, entwickelt sich das, was später zum russischen Gebilde wird; Einbrechen der Mongolen, später der Osmanen  in die europäischen Ereignisse, deren zurückgebliebene, luziferisch-ahrimanische "Kultur" Europa allerdings nicht beeinflusst, schließlich gehört der Islam nicht zu Europa trotz des Geredes einiger Politiker, die zum Türkentum konvertiert sind wie Christian Wulff und Geschichte gern nach der "Methode des Kaffeeklatsches" beurteilen: "In England drüben ist in den Zeiten, als die neuere geschichtliche Entwickelung beginnt, überall im Grunde französische Kultur. Englische Herrschaft greift herüber nach Frankreich; die Mitglieder der einen Dynastie machen Anspruch auf den Thron im anderen Lande und so weiter. Aber eines sehen wir, was da auftaucht, was das ganze Mittelalter hindurch ebenfalls zu dem gehört hat, das gewissermaßen in die Unterordnung getrieben wurde durch den katholischrömischen Universalimpuls. Ich sagte schon, die Menschen hatten Gemeinschaften, sie hatten Blutsverwandtschaften in Familien, an denen sie zäh festhielten, sie hatten zünftliche Gemeinschaften, alles mögliche. Aber durch das alles geht etwas durch, was mächtiger, herrschender war, wodurch das andere in Unterordnung getrieben wird, wodurch dem anderen das Gepräge aufgedrückt wurde: Das war eben der römisch geformte, der katholische Universalimpuls. Und dieser römischkatholische Universalimpuls machte, wie er die Zünfte oder die anderen Gemeinschaften zu etwas Untergeordnetem machte, ebenso die nationale Zusammengehörigkeit zu etwas Untergeordnetem. Die nationale  Zusammengehörigkeit wurde in der Zeit, als der römische Universal- Katholizismus wirklich seine größte impulsive Stärke entwikkelte, nicht für das Wichtigste in der seelischen Struktur der Menschen angesehen. Aber das ging jetzt auf, das Nationale als etwas zu betrachten, was wesentlich wird für den Menschen, in unendlichem Grade viel wesentlicher als es früher sein konnte, da der katholische Universalimpuls allherrschend war. Und bedeutsam sehen wir es gerade in dem Gebiete auftreten, das ich Ihnen eben bezeichnet habe. Aber wir sehen zu gleicher Zeit, während dort die allgemeine Idee, sich als Nation zu fühlen, auftaucht - wir werden noch über die Sache zu sprechen haben -, wie gestrebt wird, eine ganz wichtige, bedeutsame Differenzierung zu vollziehen. Während wir sehen, wie durch die Jahrhunderte hindurch ein gewisser einheitlicher Impuls über Frankreich und England sich ausbreitet, sehen wir, wie im 15. Jahrhundert Differenzierungen eintreten, für die der wichtigste Wendepunkt das Auftreten der Jungfrau von Orleans 1429 ist, womit der Anstoß gegeben wird - und wenn Sie in der Geschichte nachsehen, so werden Sie sehen, dass dieser Anstoß ein wichtiger, ein mächtiger ist, der fortwirkte - der Differenzierung zwischen dem Französischen einerseits, dem Englischen anderseits. So sehen wir das Auftauchen des Nationalen als Gemeinsamkeit Bildendem, und zu gleicher Zeit diese für die Entwickelung der neueren Menschheit symptomatisch bedeutsame Differenzierung, die ihren Wendepunkt 1429 in dem Auftreten der Jungfrau von Orleans hat. Ich möchte sagen: In dem Augenblicke, in dem der Impuls des Papsttums die westliche europäische Bevölkerung aus seinen Fängen entlassen muss, taucht die Kraft des Nationalen gerade im Westen auf und ist dort bildend. - Sie dürfen sich nicht täuschen lassen in einer solchen Sache. So wie Ihnen die Geschichte heute dargestellt wird, können Sie selbstverständlich bei jedem Volk rückwärtige Betrachtungen anstellen und können sagen: Nun ja, da ist auch schon das Nationale gewesen! - Da legen Sie keinen Wert darauf, wie die Dinge wirksam sind. Sie können ja bei den Slawenvölkern nachsehen; die werden selbstverständlich unter dem Eindruck der heutigen Ideen und Impulse ihre nationalen Gefühle und Kräfte möglichst weit zurückführen. Aber die nationalen Impulse waren zum Beispiel gerade in der Zeit, von der wir heute sprechen, in besonderer Art wirksam, so dass Sie eine Epoche umwandelndster Impulse gegeben haben in den Gebieten, von denen wir eben gesprochen haben. Das ist es, worauf es ankommt. Man muss sich zur Objektivität durchringen, damit man die Wirklichkeit erfassen kann. Und eine solche symptomatische Tatsache, die ebenso das Heraufkommen der Bewußtseinsseele ausdrückt, äußerlich offenbart, wie die angeführte, ist auch dieses eigentümliche Sich-Herausorganisieren eines italienischen Nationalbewußtseins aus dem nivellierenden, das Nationale zu einem Untergeordneten machenden päpstlichen Elemente, wie es über Italien bis dahin ausgegossen war. In Italien wird es gerade in dieser Zeit im wesentlichen der nationale Impuls, der die Leute auf der italienischen Halbinsel vom Papsttum emanzipiert. Das alles sind Symptome, die in der Zeit da sind, als sich innerhalb Europas die Bewußtseinsseelenkultur aus der Verstandes- und Gemütsseelenkultur heraus entwickeln will. In derselben Zeit - natürlich sehen wir da auf Jahrhunderte hin - sehen wir dann die Auseinandersetzung, die da beginnt zwischen Mittel- und Osteuropa. Was sich herausentwickelt hat aus demjenigen, was ich als Sturmbock bezeichnet habe für das Papsttum, aus dem Römisch-Germanischen Imperium, das gerät in eine Auseinandersetzung mit den heranstürmenden Slawen. Und wir sehen, wie durch die mannigfaltigsten historischen Symptome dieses Ineinanderspielen Mittel- und Osteuropas stattfindet. Man muss den fürstlichen Herrschaften in der Geschichte nicht so weit die Türe aufmachen, als es heute die Lehrer der Geschichte tun. Schließlich muss man schon der Wildenbruch sein, wenn man den Leuten als große historische Ereignisse jenen Hokuspokus vormacht, der sich abgespielt hat zwischen Ludwig dem Frommen und seinen Söhnen und so weiter auf einem bestimmten Gebiete von Europa; man muss der Wildenbruch sein, wenn man diejenigen Ereignisse als historisch bedeutsame aufzählt, die er in seinen Dramen, die gerade von diesen Ereignissen handeln, als historisch bedeutsam hinstellt. Diese historischen Familienereignisse haben nicht mehr Bedeutung als sonstiger Familientratsch; diese Familienereignisse haben mit der Entwickelung der Menschheit nichts zu tun. Davon bekommt man erst ein Gefühl, wenn man Symptomatologie in der Geschichte treibt. Denn dann bekommt man einen Sinn für das, was sich wirklich heraushebt, und für das, was für den Entwickelungsgang der Menschheit ziemlich bedeutungslos ist. Bedeutungsvoll in der neueren Zeit ist die allgemeine Auseinandersetzung zwischen der europäischen Mitte und dem europäischen Osten. Aber im Grunde genommen ist es nur wie eine Gebärde, was sich da abgespielt hat mit Ottokar und so weiter. Das weist eigentlich nur hin auf dasjenige, was in Wirklichkeit geschieht. Dagegen ist von großer Bedeutung, dass man nicht einseitig dieses Ereignis betrachtet, sondern so, dass man sieht, wie, während jene Auseinandersetzung fortwährend stattgefunden hat, eine kolonisatorische Tätigkeit von Mittel- nach Osteuropa hinüber die Bauernbewegungen brachte, die später Menschen vom Rhein bis hinunter nach Siebenbürgen brachte, welche dann dort - und durch eine Mischung von Mittel- und Osteuropa trat das ein - das ganze Leben, wie es sich später in diesen Gebieten entwickelte, im allertiefsten Sinne beeinflussten. So dass wir auf der einen Seite die herankommenden Slawen durcheinandergeraten sehen in ihrem Tun mit dem, was sich in Mitteleuropa herausgebildet hat aus dem römisch-germanischen Imperium, fortwährend durchzogen von mitteleuropäischen Kolonisatoren, die nach dem Osten hinübergingen. Und aus diesem merkwürdigen Geschehen steigt dasjenige auf, was dann in der Geschichte die Habsburgische Macht wird. Aber ein anderes, das da aus diesem Getriebe überall in Europa aufsteigt, wie ich es Ihnen charakterisiert habe, das ist die Bildung gewisser Zentren mit einer zentralen, eigenen Gesinnung, die sich innerhalb kleiner Gemeinschaften der Städte ausbildet. Vom 13. bis 15. Jahrhundert ist die Hauptzeit, wo die Städte über ganz Europa hin mit ihrer eigenen Stadtgesinnung heraufkommen. Dasjenige, was ich vorher charakterisiert habe, spielt so durch diese Städte hindurch. Aber Individualitäten bilden sich in diesen Städten herauf. Nun ist es immerhin für diese Zeit bemerkenswert und bedeutsam, wie nach der Differenzierung von Frankreich und England, zunächst in England, sich langsam aber gründlich vorbereitet dasjenige, was dann später in Europa zum Parlamentarismus wird. Aus langdauernden Bürgerkriegen - Sie können das in der Geschichte nachlesen - , die von 1452 bis 1485 dauern, entwickelt sich unter mannigfaltigen äußeren Symptomen das historische Symptom des aufkeimenden Parlamentarismus. Die Menschen wollen, als im 15. Jahrhundert das Zeitalter der Bewußtseinsseele beginnt, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen. Sie wollen mitreden, sie wollen parlamentarisieren, sich unterhalten über dasjenige, was geschehen soll, und wollen dann aus dem, worüber sie sich unterhalten, die äußeren Geschehnisse formen, oder wollen sich wenigstens manchmal einbilden, dass sie die äußeren Geschehnisse formen. Und das entwickelt sich, aus ihren schweren Bürgerkriegen im 15. Jahrhundert, innerhalb Englands aus jener Konfiguration heraus, die in deutlicher Differenzierung, in deutlichem Unterschiede ist von dem, was in Frankreich sich auch unter dem Einfluss des nationalen Impulses gebildet hatte. Dieser Parlamentarismus in England bildet sich aus dem nationalen Impuls heraus. So dass man sich klar sein muss darüber: Durch ein solches Symptom wie die Herausbildung des Parlamentarismus aus dem englischen Bürgerkrieg im 15. Jahrhundert sehen wir durcheinanderspielen, oder meinetwillen auch durcheinanderspülen, auf der einen Seite die heraufkommende nationale Idee, und einen Impuls, der uns schon sehr deutlich hinführt zu dem, was die Bewußtseinsseele will, die im Menschen rumort. Und aus Gründen, die sich schon noch ergeben werden, bricht sich der Impuls der Bewußtseinsseele just durch diese Ereignisse in England durch, nimmt aber den Charakter jenes nationalen Impulses an, den er eben gerade nur dort bekommen konnte; daher bekommt er diese Färbung, diese Nuance. Damit haben wir vieles von dem betrachtet, was Europa gerade im Anfange des Bewußtseinskultur- Zeitalters die Konfiguration gegeben hat. Hinter all dem, gleichsam im Hintergrunde wie ein halbes Rätsel für Europa dastehend, entwickelt sich das, was später zum russischen Gebilde wird, mit Recht als etwas Unbekanntes angesehen. Wir wissen, warum: weil es dasjenige, was es in sich trägt, als Keime für die Zukunft in sich trägt. Aber es gebiert sich zunächst aus lauter Altem heraus, oder wenigstens aus solchem heraus, das nicht eigentlich aus der Bewußtseinsseele entspringt, überhaupt nicht aus der menschlichen Seele. Natürlich ist es einmal entsprungen, aber hier entsprang es nicht aus der menschlichen Seele heraus. Keines von den drei Elementen, das konfigurierend eingriff in das russische Gebilde, entsprang aus der russischen Seele heraus. Das eine der Elemente war dasjenige, was von Byzanz kam, aus byzantinischem Katholizismus, das zweite dasjenige, was eingeflossen war durch die normannisch-slawische Blutmischung, das dritte dasjenige, was von Asien herüberkam. Alle drei sind nicht etwas, was produziert wurde aus dem Inneren der russischen Seele heraus, es hat aber die Konfiguration gegeben dem, was sich da als ein rätselhaftes Gebilde hinter dem europäischen Geschehen im Osten ausbildete. Und nun suchen wir uns ein gemeinschaftliches Merkmal für all die Dinge, die uns da als Symptome entgegengetreten sind. Ein solches gemeinschaftliches Merkmal gibt es, das sehr auffällig ist. Wir brauchen nur das, was ja die eigentlich treibenden Kräfte sind, mit dem zu vergleichen, was früher die eigentlich treibenden Kräfte in der Menschheitsentwickelung waren, und wir finden einen bedeutsamen Unterschied, der uns charakteristisch hinweisen wird auf das, was das Wesenhafte in der Bewußtseinsseelenkultur ist, und auf das, was das Wesenhafte in der Verstandes- und Gemütsseelenkultur ist. Wir können es ja, um uns die Sache recht deutlich zu machen, zunächst mit einem solchen Impuls vergleichen, wie es das Christentum ist: etwas, was bei jedem Menschen ganz aus dem ureigensten Innern heraus produziert werden muß, ein Impuls, der wirklich ins geschichtliche Geschehen übergeht, aber der aus dem Innern des Menschen heraus produziert wird. Nun ist das Christentum der größte Impuls von dieser Art in der Erdenentwickelung. Aber wir können ja kleinere Impulse nehmen. Wir brauchen nur dasjenige, was durch das Augusteische Zeitalter in das Römertum hineingekommen ist, zu nehmen, wir brauchen nur auf die zahlreich aus der Menschenseele hervorsprudelnden Impulse im griechischen Leben zu blicken. Da sehen wir, wie überall wirklich aus der Menschenseele heraus produziertes Neues in die Menschheitsentwickelung eintritt. Diese Zeit der Bewußtseinsseelenkultur bringt es in bezug auf so etwas zu keiner Naissance, sondern höchstens zur Renaissance, zu einer Wiedergeburt. In bezug auf das, was aus der menschlichen Seele herauskommt, kommt es höchstens zu einer Renaissance, zu einer Wiederauferstehung des Alten. Denn das alles, was da als Impulse eingreift, das ist ja nichts, was aus der menschlichen Seele herauspulsiert. Das erste, was uns aufgefallen ist, ist ja die nationale Idee, wie man es oftmals nennt, man müsste sagen, der nationale Impuls. Der wird nicht aus der Menschenseele produktiv herausgeboren, sondern der liegt in dem, was wir vererbt erhalten haben, der liegt in dem, was wir vorfinden. Es ist etwas ganz anderes, was, sagen wir, durch die zahlreichen geistigen Impulse im Griechentum auftritt. Dieser nationale Impuls, der ist ein Pochen auf etwas, was da ist wie ein Naturprodukt. Da produziert der Mensch nichts aus seinem Innern heraus, wenn er sich als Angehöriger einer Nationalität betrachtet, sondern er weist nur darauf hin, dass er in einer gewissen Weise gewachsen ist, wie eine Pflanze wächst, wie ein Naturwesen wächst. Und ich habe Sie mit Absicht darauf hingewiesen, dass, was da aus Asien herüberkommt, indem es nur die eine Seite der europäischen Kultur zuwendet, etwas Naturhaftes hat. Wiederum geschieht in Europa nichts, was aus der menschlichen Seele heraus produziert wird, dadurch dass die Mongolen, später die Osmanen einbrechen in die europäischen Ereignisse, obwohl vieles unter diesem Impuls geschieht. Auch in Russland geschieht nichts, was aus der menschlichen Seele herauskommt, was dadurch besonders charakteristisch ist; das hat nur Byzantinismus und Asiatismus ausgebreitet, diese normannisch-slawische Blutmischung. Es sind gegebene Tatsachen, Naturtatsachen, die hereinkommen ins Menschenleben, aber es wird nichts wirklich aus der menschlichen Seele heraus produziert. Halten wir das einmal fest als Ausgangspunkt für später. Der Charakter dessen, worauf der Mensch pocht, wird ein ganz anderer vom 15. Jahrhundert ab. Betrachten wir mehr innerliche Ereignisse. Wir haben jetzt mehr so die äußerlichen geschichtlichen Tatsachen ins Auge gefasst; betrachten wir mehr innerliche Ereignisse, die schon mehr im Zusammenhang stehen mit dem die Rinde der menschlichen Seele durchbrechenden Bewußtseinsseelenimpuls. Da sehen wir, wenn wir den Blick zum Beispiel auf das Konstanzer Konzil hin richten, 1415, die Hinrichtung des Hus. In Hus sehen wir eine Persönlichkeit, die, ich möchte sagen, heraufkommt wie einem Menschenvulkan ähnlich, in dieser bestimmten Art. 1414 beginnt das Konstanzer Konzil, das über ihn richtet, mit Beginn des 15. Jahrhunderts, gerade mit dem Beginn der Bewußtseinsseelenkultur. Wie steht dieser Hus drinnen im modernen Leben? Als ein mächtiger Protest gegen die ganze suggestive Kultur des katholischen Universalimpulses. Es bäumt sich in Hus die Bewußtseinsseele selbst auf gegen dasjenige, was die Verstandes- oder Gemütsseele angenommen hat durch den römischen Universalimpuls. Aber im Zusammenhange damit sehen wir - wir könnten auch hinweisen, wie sich das schon vorbereitet hat in den Albigenserkämpfen und so weiter -, wie im Grunde genommen das nicht eine vereinzelte Erscheinung ist. Wir sehen ja, wie in Italien Savonarola auftritt, wir sehen, wie andere auftreten: das Aufbäumen der auf sich selbst gestellten menschlichen Persönlichkeit ist es, die durch das Auf-sich-selbst-gestellt-Sein auch zu ihrem religiösen Bekenntnis kommen will. Sie wendet sich gegen den suggestiven Universalimpuls des päpstlichen Katholizismus. Und das findet seine Fortsetzung in Luther, das findet seine Fortsetzung in der Emanzipation der englischen Kirche von Rom, die so außerordentlich interessant und bedeutsam ist, das findet seine Fortsetzung in dem Calvinischen Einfluss in gewissen Gegenden Europas. Das ist etwas, was wie eine Strömung durch die ganze zivilisierte europäische Welt geht, was mehr innerlich ist als die anderen Einflüsse, was mehr mit der Seele des Menschen schon zusammenhängt." [2]

Karl der Kühne; Dreißigjährigen Krieg; unsinnig, die Geschichte nach dem Gesichtspunkte von Wirkung und Ursache zu betrachten; "Die äußeren Dinge sind wirklich nur Symptome für dasjenige, was wir durch die äußeren Symptome hindurch suchen. Und ich möchte sagen: Es ist handgreiflich, wenn man nur schauen will, wie das, was man gewöhnlich historische Tatsachen nennt, nur Symptome sind. 1476 war auf dem heutigen Schweizerboden eine bedeutungsvolle Schlacht, Das, was dazumal in den Menschenseelen gelebt hat, als Karl der Kühne bei Murten besiegt worden ist, das tritt uns symptomatisch am bedeutsamsten entgegen in dieser Schlacht bei Murten 1476: die Austilgung beginnt des mit dem römischen Papsttum innig verbundenen Rittertums, des Ritterwesens. Aber es ist wieder ein Zug, der durch die ganze damals zivilisierte Welt geht, der sich gewissermaßen da nur in einer ganz repräsentativen Erscheinung an die Oberfläche bringt. Natürlich ist, indem sich so etwas an die Oberfläche bringen will, der Gegendruck des Alten da. Neben dem normalen Fortgang, wissen Sie ja, ist immer alles mögliche Luziferische und Ahrimanische da, das von zurückgebliebenen Impulsen herrührt. Das sucht sich zur Geltung zu bringen. Dasjenige, was als normaler Impuls in die Menschheit eintritt, das muss kämpfen gegen das, was in der luziferisch-ahrimanischen Weise hereinkommt. Und so sehen wir, dass gerade der Impuls, der anschaulich in Wiclif, Hus, Luther, Calvin hervortritt, zu kämpfen hat. Ein Symptom für diesen Kampf sehen wir in dem Aufstand der Vereinigten Niederlande gegen die luziferisch-ahrimanische spanische Persönlichkeit des Philipp. Und wir sehen einen der bedeutendsten Wendepunkte der neueren Zeit - aber nur als Symptom können wir ihn auffassen - 1588, als die spanische Armada besiegt wird, und damit alles dasjenige zurückgeschlagen wird, was von Spanien her als der stärkste Widerstand gegen das Aufkommen der emanzipierten Persönlichkeit sich entwickelt hat. In den niederländischen Freiheitskämpfen und der Besiegung der Armada sind äußere Symptome gegeben. Es sind nur äußere Symptome, denn die Wirklichkeit erreichen wir nur, wenn wir langsam den Weg zum Inneren gehen wollen. Aber indem so die Wellen aufgeworfen werden, zeigt sich immer mehr das Innere. Diese Welle 1588, als die Armada geschlagen wurde, die zeigt eben, wie die sich emanzipierende Persönlichkeit, welche die Bewußtseinsseele in sich entwickeln will, sich aufbäumte gegen dasjenige, was in starrster Form geblieben war aus der Verstandes- oder Gemütsseele. Es ist ein Unsinn, die geschichtliche Entwickelung der Menschheit so zu betrachten: Das Spätere ist eine Folge des Früheren; Ursache - Wirkung, Ursache - Wirkung und so weiter. Das ist ja riesig bequem. Besonders ist es dann bequem, professorale Geschichtsbetrachtung anzustellen. Es ist ja riesig bequem, so - nun, so fortzuhumpeln von Schritt zu Schritt von einer historischen Tatsache zu der anderen historischen Tatsache. Aber wenn man nicht blind ist und nicht schläft, sondern offenen Auges die Dinge ansieht, so zeigen die historischen Symptome selbst, wie unsinnig solch eine Betrachtung ist. Nehmen Sie ein historisches Symptom, das nun wirklich außerordentlich einleuchtend ist von einem gewissen Gesichtspunkte aus. All das, was da heraufkam seit dem 15. Jahrhundert und was diese Impulse hatte, von denen ich schon Andeutungen gemacht habe: nationaler Impuls, Persönlichkeitsimpuls und so weiter, all das brachte Gegensätze hervor, die dann zum Dreißigjährigen Krieg führten. Die Betrachtung des Dreißigjährigen Krieges, wie er so geschichtlich dargestellt wird, die ist ja besonders wenig vom Standpunkte der Symptomatologie angestellt. Man kann ihn nicht gut nach der Methode des Kaffeeklatsches betrachten, denn schließlich hat es für die europäischen Geschicke doch keine große Bedeutung gehabt, ob gerade der Martinitz und Slawata und der Fabricius aus dem historischen Fenster zu Prag herausgeschmissen worden sind, und wenn nicht just ein Misthaufen darunter gewesen wäre, wären sie tot gewesen; da sie aber auf einen Misthaufen - er soll nur aus Papierschnitzeln bestanden haben, welche die Bedienten vom Hradschin hingeworfen und nicht weggeschafft haben, bis sie endlich zu einem Papiermisthaufen geworden sind - gefallen waren, sind sie am Leben geblieben. Das ist ja eine ganz niedliche Anekdote für den Kaffeeklatsch, aber dass sie in irgendeiner inneren Beziehung zusammenhängt mit der Entwickelung der Menschheit, das wird man doch nicht behaupten können. Wichtig ist jedenfalls, dass, wenn man beginnt den Dreißigjährigen Krieg zu studieren - ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass er 1618 begonnen hat - , er entspringt aus reinen Bekenntnisgegensätzen, aus dem, was sich gegen den alten Katholizismus, gegen den alten katholischen Impuls herausentwickelt hat. Wir sehen überall, wie sich die schweren Kämpfe aus diesen Gegensätzen der neueren Persönlichkeit zum alten suggestiven Katholizismus herausgebildet hatten. Aber wenn wir dann bis zum Ende studieren und bis zum Jahre 1648 kommen, wo bekanntlich der Westfälische Friede dem Treiben ein Ende gemacht hat, dann können wir uns folgende Frage vorlegen: Was ist denn eigentlich geschehen? - Wenn wir uns nämlich fragen: Wie stand es 1648 mit den protestantischen und katholischen Gegensätzen? Was war aus ihnen geworden im Lauf der dreißig Jahre? Wie hat sich das entwickelt? - Nun, es gibt nichts, was einem bedeutsamer ins Auge fallen kann, als dass es mit Bezug auf die Gegensätze zwischen Protestantismus und Katholizismus und allem, was damit zusammenhing, 1648 genau so stand wie 1618, und zwar ganz genau so. Wenn auch zwischendurch das eine oder andere ein bißchen verändert hatte dasjenige, um das man angefangen hatte sich herumzuzanken, war, wenigstens in ganz Mitteleuropa, es dann noch genau so wie beim Ausbruch. Bloß was sich da hineingemischt hat, was gar nicht in den Ursachen von 1618 lag, all dasjenige, was, nachdem da ein gewisses Feld geschaffen war, sich hineingemischt hat, das hat dann den politischen Kräften in Europa eine ganz andere Struktur gegeben. Der politische Horizont derjenigen, die sich hineingemischt haben, der ist ein ganz anderer geworden. Aber was da beim Westfälischen Frieden herausgekommen ist, was sich wirklich verändert hat gegenüber dem Früheren, das hat nicht das Geringste mit den Ursachen von 1618 zu tun. Gerade beim Dreißigjährigen Krieg ist diese Tatsache von außerordentlicher Wichtigkeit und bezeugt uns, wie unsinnig es ist, die Geschichte nach dem Gesichtspunkte von Wirkung und Ursache zu betrachten, wie man es gewöhnlich tut. Jedenfalls hat sich aus dem, was sich da entwickelt hatte, gerade das ergeben, dass die führende Stellung von England und Frankreich, wie sie sie in Europa erlangt haben, mehr oder weniger aus diesem Kriege hervorgegangen ist, mit dieser Entwickelung des Krieges zusammenhängt. Aber sie hängt wahrhaftig nicht mit den Ursachen, die zu ihm geführt haben, irgendwie zusammen. Und gerade das ist nun das Wichtigste im Gang der neueren Zeitgeschichte, dass sich anschließend an den Dreißigjährigen Krieg die nationalen Impulse im Verein mit den anderen Impulsen, die ich charakterisiert habe, dazu entwickeln, dass Frankreich und England die repräsentativen Nationalstaaten werden. Wenn vom nationalen Prinzip im Osten heute so viel geredet wird, so darf man dabei nicht vergessen, dass das nationale Prinzip hinübergezogen ist vom Westen nach dem Osten. Das ist wie die Passatströmung auf der Erde: so ist die Strömung des nationalen Impulses vom Westen nach dem Osten gegangen. Das muss man sich nur vollständig klar vor Augen halten." [3]
 

2. Geschichtliche Symptomatologie II; Zeitalter des parlamentarischen Liberalismus und der Persönlichkeit; die Französische Revolution, Verwirrung über Verwirrung, eigentlich für die Leiber die Brüderlichkeit, für die Seelen die Freiheit, für die Geister die Gleichheit; Zeitalter der Bewußtseinsseele, von 1413 bis zum Jahre 3573; merkwürdigen Zusammenstellung Revolution und Napoleon; Der König von Frankreich, Philipp, konnte zwar die Tempelritter hinrichten lassen, konnte ihr Geld konfiszieren, aber die Impulse der Tempelritter waren durch zahlreiche Kanäle in das europäische Leben hineingeflossen und wirkten weiter fort im Kampf des christlichen Europa gegen den Ansturm der Sarazenen und Osmanen bzw. Türken; Kreuzzüge; Emanzipation der Persönlichkeit; Sozialismus und Kommunismus mit Pseudogeist, mit der Maske des Geistes, mit einer toten Wissenschaft gründet auf einer materialistischen Geschichtsauffassung, was heute immer noch Millionen von verirrten Menschen als Überzeugung erfüllt über die Erde hin; das Christentum gilt nur noch als ideologischer Oberbau

Zeitalter des parlamentarischen Liberalismus, Zeitalter der Persönlichkeit: "Jeder steht durch sein Karma auf irgendeinem Posten. Nun, Jakob I. stand gerade auf dem Posten des Herrschers. Gewiss, in der Zeit der Perserkönige, in der Zeit der Mongolenkhane, selbst noch in dem Zeitalter, in dem der Papst dem magyarischen Istwan, Stephan L, die heilige Stephanskrone aufsetzte, bedeutete die Persönlichkeit etwas in einer bestimmten Stellung drinnen, konnte sich auffassen als hineingehörig in diese Stellung. Jakob I. war in seiner Stellung, auch in seiner Herrscherstellung drinnen wie ein Mensch, der in einem Gewande drinnensteckt, von dem ihm aber auch gar nichts passt. Man kann sagen, Jakob I. war in jeder Beziehung in all dem, worinnen er drinnensteckte, eben wie ein Mensch in einem Gewände, das ganz und gar nicht passte. Er war als Kind calvinisch erzogen worden, war dann später zur anglikanischen Kirche übergegangen, allein im Grunde genommen war ihm der Calvinismus ebenso gleichgültig wie die anglikanische Kirche. Im Innern seiner Seele war das alles Gewand, das ihm nicht passte. Er war berufen, im herannahenden Zeitalter des parlamentarischen Liberalismus, der sogar schon eine Zeitlang geherrscht hatte, als Herrscher zu regieren. Er war sehr klug, sehr gescheit, wenn er mit den Leuten sprach, aber niemand verstand eigentlich, was er wollte, denn alle anderen wollten etwas anderes. Er war aus einer urkatholischen Familie heraus, der Familie der Stuarts. Aber als er auf den Thron kam in England, da sahen die Katholiken am allermeisten, wie sie eigentlich nichts von ihm zu erwarten hatten. Daraus entsprang ja jener sonderbare Plan, der so merkwürdig in der Welt dasteht, 1605, nicht wahr, wo sich eine ganze Anzahl von Leuten, die aus dem Katholizismus herausgewachsen waren, zusammentaten, möglichst viel Pulver unter dem Londoner Parlament ansammelten, und in einem geeigneten Augenblicke sollten sämtliche Parlamentsmitglieder in die Luft gesprengt werden. Es war die bekannte Pulververschwörung. Die Sache ist nur dadurch verhindert worden, dass ein Katholik, der davon wußte, die Sache verraten hatte, sonst würde sich über diesem Jakob I. das Schicksal abgespielt haben, dass er mit seinem ganzen Parlamente eines Tages in die Luft geflogen wäre. In nichts passte er hinein, denn er war eine Persönlichkeit, und die Persönlichkeit hat etwas Singuläres, etwas, was in der Isolierung gedacht, was auf sich selbst gestellt ist. Aber im Zeitalter der Persönlichkeit will jeder eine Persönlichkeit sein. Das ist der radikale Widerspruch, der sich ergibt im Zeitalter der Persönlichkeit, das müssen wir nicht vergessen. Im Zeitalter der Persönlichkeit ist es nicht so, daß man zum Beispiel die Königs-Idee oder die Papst-Idee ablehnt. Es ist ja nicht darum zu tun, dass kein Papst oder kein König da sei. Nur möchte, wenn schon ein Papst oder ein König da ist, jeder ein Papst und jeder König sein, dann wären gleichzeitig Papsttum, Königtum und Demokratie erfüllt. Alle diese Dinge fallen einem bei, wenn man diese merkwürdige Persönlichkeit Jakob I. eben symptomatisch ins Auge fasst, denn er war durch und durch ein Mensch des neuen Zeitalters, aber damit auch mit allen Widersprüchen der Persönlichkeit in das neue Zeitalter hineingestellt. Und Unrecht hatten diejenigen, die ihn von der einen Seite charakterisierten, wie ich gestern mitteilte, und Unrecht hatten diejenigen, die ihn von der anderen Seite charakterisierten, und Unrecht hatten seine eigenen Bücher, die ihn charakterisierten, denn auch was er selber schrieb, führt uns durchaus nicht in irgendeiner direkten Weise in seine Seele hinein. So steht er, wenn man ihn nicht esoterisch betrachtet, wie ein großes Rätsel im Beginne des 17. Jahrhunderts gerade auf einem Posten, der von einer gewissen Seite her am allerradikalsten das Heraufkommen des neuzeitlichen Impulses zeigte. Erinnern wir uns noch einmal an das gestern Gesagte: wie die Dinge eigentlich im Westen Europas zustande gekommen sind. Ich habe gesprochen von der Differenzierung des englischen, des französischen Wesens. Wir sehen diese Differenzierung seit dem 15. Jahrhundert. Der Wendepunkt kommt mit dem Auftreten der Jungfrau von Orleans, 1429. Wir sehen, wie die Dinge sich entwickeln. Wir sehen, wie in England die Emanzipation der Persönlichkeit Platz greift mit der Aspiration, die Persönlichkeit in die Welt hinauszutragen, wie in Frankreich die Emanzipation der Persönlichkeit Platz greift - auf beiden Böden aus der nationalen Idee heraus entspringend - mit der Aspiration, möglichst das Innere des Menschen zu ergreifen und es auf sich selbst zu stellen. Da drinnen steht zunächst, also im Beginne des 17. Jahrhunderts, eine Persönlichkeit, die wie der Repräsentant aller Widersprüche des Persönlichen dasteht, Jakob I. Wenn man Symptome charakterisiert, muss man niemals pedantisch fertig werden wollen, sondern immer einen unaufgelösten Rest lassen, sonst kommt man nicht weiter. So charakterisiere ich Ihnen Jakob I. keineswegs so, dass Sie ein schönes geschlossenes Bildchen haben, sondern so, dass Sie etwas daran zu denken, vielleicht auch zu rätseln haben." [4]

Die Französische Revolution, Verwirrung über Verwirrung, eigentlich für die Leiber die Brüderlichkeit, für die Seelen die Freiheit, für die Geister die Gleichheit; Zeitalter der Bewußtseinsseele, von 1413 bis zum Jahre 3573; merkwürdigen Zusammenstellung Revolution und Napoleon: "Wie tritt uns daher, symptomatisch betrachtet, die Französische Revolution entgegen? Gerade symptomatisch betrachtet ist die Französische Revolution außerordentlich interessant. Sie stellt dar, gewissermaßen in Schlagworten zusammengedrängt und mischmaschartig auf den ganzen Menschen undifferenziert angewendet, dasjenige, was mit allen Mitteln geistiger Menschheitsentwickelung im Laufe des Zeitalters der Bewußtseinsseele, von 1413, also 2160 Jahre mehr, bis zum Jahre 3573, allmählich entwickelt werden muss. Das ist die Aufgabe dieses Zeitraumes, dass für die Leiber die Brüderlichkeit, für die Seelen die Freiheit, für die Geister die Gleichheit erworben werden während dieses Zeitraumes. Aber ohne diese Einsicht, tumultuarisch alles durcheinanderwerfend, tritt dieses innerste Seelische des fünften nachatlantischen Zeitraumes schlagwortartig in der Französischen Revolution auf. Es steht unverstanden da die Seele des fünften nachatlantischen Zeitraumes in diesen drei Worten und kann daher zunächst keinen äußeren sozialen Leib gewinnen, führt im Grunde genommen zu Verwirrung über Verwirrung. Es kann keinen äußeren sozialen Leib gewinnen, steht aber da wie die fordernde Seele, außerordentlich bedeutsam. Man möchte sagen: Alles Innere, was dieser fünfte nachatlantische Zeitraum haben soll, steht unverstanden da und hat kein Äußeres. Aber gerade da tritt etwas symptomatisch ungeheuer Bedeutsames auf. Sehen Sie, so etwas, wo das, was über den ganzen nächsten Zeitraum ausgedehnt werden soll, am Anfange fast tumultuarisch zutage tritt, so etwas entfernt sich sehr weit von der Gleichgewichtslage, in welcher sich die Menschheit entwickeln soll, von den Kräften, die den Menschen eingeboren sind dadurch, dass sie mit ihren ureigenen Hierarchien zusammenhängen. Der Waagebalken schlägt sehr stark einseitig aus. Luziferisch-ahrimanisch schlug durch die Französische Revolution der Waagebalken sehr stark nach der einen Seite aus, namentlich nach der luziferischen Seite. Das erzeugt einen Gegenschlag. Man spricht so, ich möchte sagen, schon mehr als bildlich, man spricht imaginativ, aber Sie müssen dabei die Worte nicht allzusehr pressen und müssen vor allen Dingen nicht die Sache wortwörtlich nehmen: In dem, was in der Französischen Revolution auftrat, ist gewissermaßen die Seele des fünften nachatlantischen Zeitraums ohne den sozialen Körper, ohne die Leiblichkeit. Es ist abstrakt, bloß seelenhaft, strebt nach Leiblichkeit; aber das soll erst geschehen im Verlauf von Jahrtausenden selbst, vielen Jahrhunderten wenigstens. Doch weil die Waagschale der Entwickelung so ausschlägt, ruft es einen Gegensatz hervor. Und was erscheint? Ein Extrem nach der anderen Seite. In der Französischen Revolution geht alles tumultuarisch zu, alles widerspricht dem Rhythmus der menschlichen Entwickelung. Indem es nach der anderen Seite ausschlägt, tritt etwas ein, wo alles nun wiederum ganz - und zwar jetzt nicht in der mittleren Gleichgewichtslage, sondern streng ahrimanisch- luziferisch - dem menschlichen Rhythmus entspricht, dem unpersönlichen Fordern der Persönlichkeit. In Napoleon stellt sich hinterher der Leib entgegen, der ganz nach dem Rhythmus der menschlichen Persönlichkeit, aber jetzt mit dem Ausschlag nach der anderen Seite, gebaut ist: sieben Jahre Vorbereitung - ich habe es schon einmal aufgezählt - für sein eigentliches Herrschertum, vierzehn Jahre Glanz, Beunruhigung von Europa, Aufstieg, sieben Jahre Abstieg, wovon er nur das erste Jahr dazu verwendet, Europa noch einmal zu beunruhigen, aber streng ablaufend im Rhythmus: einmal sieben plus zweimal sieben plus einmal sieben, streng im Rhythmus von sieben zu sieben Jahren ablaufend, viermal sieben Jahre im Rhythmus ablaufend. Ich habe mir wirklich viel Mühe gegeben - manche wissen, wie ich da oder dort darüber eine Andeutung gegeben habe - , die Seele Napoleons zu finden. Sie wissen, solche Seelenstudien können in der mannigfaltigsten Weise mit den Mitteln der Geistesforschung gemacht werden. Sie erinnern sich, wie Novalis' Seele in früheren Verkörperungen gesucht worden ist. Ich habe mir redlich Mühe gegeben, Napoleons Seele, zum Beispiel bei ihrer Weiterwanderung nach Napoleons Tod, irgendwie zu suchen - ich kann sie nicht finden, und ich glaube auch nicht, dass ich sie je finden werde, denn sie ist wohl nicht da. Und das wird wohl das Rätsel dieses Napoleon-Lebens sein, das abläuft wie eine Uhr, sogar nach dem siebenjährigen Rhythmus, das auch am besten verstanden werden kann, wenn man es als das volle Gegenteil eines solchen Lebens wie Jakobs I. betrachtet, oder auch als das Gegenteil der Abstraktion der Französischen Revolution: die Revolution ganz Seele ohne Leib, Napoleon ganz Leib ohne Seele, aber ein Leib, der wie zusammengebraut ist aus allen Widersprüchen des Zeitalters. Es verbirgt sich eines der größten Rätsel der neuzeitlichen Entwickelungssymptome, sagen wir, in dieser merkwürdigen Zusammenstellung Revolution und Napoleon. Es ist, als ob eine Seele sich verkörpern wollte auf der Welt und körperlos erschien, und unter den Revolutionären des 18. Jahrhunderts herumrumorte, aber keinen Körper finden konnte, und nur äußerlich ihr ein Körper sich genähert hätte, der wiederum keine Seele finden konnte: Napoleon. In solchen Dingen liegen mehr als etwa bloß geistreich sein sollende Anspielungen oder Charakterisierungen, in solchen Dingen liegen bedeutsame Impulse des historischen Werdens. Allerdings müssen die Dinge symptomatisch betrachtet werden. Hier unter Ihnen rede ich in den Formen der geisteswissenschaftlichen Forschung. Aber selbstverständlich, das, was ich jetzt zu Ihnen gesprochen habe, kann man, indem man die Worte ein bißchen anders wählt, überall sonst sagen." [5]

Der König von Frankreich, Philipp, konnte zwar die Tempelritter hinrichten lassen, konnte ihr Geld konfiszieren, aber die Impulse der Tempelritter waren durch zahlreiche Kanäle in das europäische Leben hineingeflossen und wirkten weiter fort im Kampf des christlichen Europa gegen den Ansturm der Sarazenen und Osmanen bzw. Türken; Kreuzzüge: "Das ist ja der tiefere Impuls für die Kreuzzüge, die dem Zeitalter des Bewußtseinsmenschen vorangegangen sind. Warum streben die Leute hinüber nach dem Oriente? Warum streben sie hinüber nach dem heiligen Grabe? Weil sie nicht streben können und nicht streben wollen nach einer neuen Mission, nach einer neuen ursprünglichen speziellen Idee im Bewußtseinszeitalter. Sie streben danach, das Althergebrachte in seiner wahren Gestalt, in seiner wahren Substanz sogar, zu finden: Hin nach Jerusalem, um das Alte zu finden und es auf eine andere Weise in die Entwickelung hereinzustellen, als es Rom hereingestellt hat. - Mit den Kreuzzügen ahnt man, dass heraufkommt das Zeitalter der Bewußtseinsseele mit seiner Unproduktivität, die es zunächst entfaltet. Und im Zusammenhang mit den Kreuzzügen entsteht der Tempelherrenorden, von dem ich Ihnen gestern gesprochen habe, dem der König Philipp der Schöne den Garaus gemacht hat. Und mit dem Tempelherrenorden kommen nach Europa die Geheimnisse des orientalischen Wesens, und sie werden eingeimpft der europäischen Geisteskultur. Der König von Frankreich, Philipp - ich habe das im Laufe der Zeit ja von einer anderen Seite her charakterisiert - , konnte zwar die Tempelritter hinrichten lassen, konnte ihr Geld konfiszieren, aber die Impulse der Tempelritter waren durch zahlreiche Kanäle in das europäische Leben hineingeflossen und wirkten weiter fort, wirkten fort durch zahlreiche okkulte Logen, die dann wiederum ins Exoterische hinausgingen, und die im wesentlichen so charakterisiert werden können, dass man sagen kann, sie bildeten nach und nach die Opposition gegenüber Rom. Rom war auf der einen Seite, erst allein, dann mit dem Jesuitismus verbunden, und dann stellte sich auf die andere Seite alles dasjenige, was, mit dem christlichen Elemente tief zusammenhängend, Rom radikal fremd, in Opposition gegen Rom sich stellen musste, und auch von Rom als eine Opposition empfunden wurde und empfunden wird."[6]

Emanzipation der Persönlichkeit, Richard Cobden, wie John Brighty: "Und nun bereitet sich etwas vor. Indem die neuere Zeit ins 18. Jahrhundert hineinstürmt und in den Anfang des 19. Jahrhunderts, bis ungefähr in die Mitte des 19. Jahrhunderts, ist zunächst stark ein Anhub nach der Emanzipation der Persönlichkeit da, weil, wenn so viele Strömungen da sind, wie ich Ihnen charakterisiert habe, sich die Sache nicht sukzessiv bequem, sondern in Flut und Ebbe vollzieht. Und wir sehen auf nationalem Grunde und aus den anderen Impulsen heraus, die ich Ihnen für den Westen von Europa charakterisiert habe, wie sich entwickelt das, was hin will zu der Emanzipation der Persönlichkeit, was aus der Nationalität heraus und ins Allgemein-Menschliche hinein will. Nur kann es sich nicht ordentlich selbständig entwickeln, weil immer die Gegenströmung ist von jenen Orden, die, insbesondere in England, furchtbar das ganze öffentliche Leben infizieren, viel mehr als die äußere Welt irgend meint. Es kann sich nicht entwickeln. Und so sehen wir, wie so merkwürdige Persönlichkeiten auftreten wie Richard Cobden, wie John Brighty die auf der einen Seite wirklich erfasst sind von dem Impuls nach der Emanzipation der Persönlichkeit, nach der Überwindung des Nationalen durch die Persönlichkeit über die ganze Erde hin, die so weit kamen, dass sie an etwas tippten, was politisch von größter Bedeutung sein könnte, wenn es sich einmal hineinwagen würde in die neuere geschichtliche Entwickelung, aber differenziert je nach den verschiedenen Gegenden, denn natürlich haben es die Leute nur für ihre Gegend charakterisiert: das Prinzip der Nichtintervention in andere Angelegenheiten von Seiten des Inselreiches als Grundprinzip eines Liberalismus. Es war etwas sehr Bedeutsames, aber es wurde, kaum entstanden, ganz abgestumpft durch das andere Bestreben, das aus dem Impuls des dritten nachatlantischen Zeitraumes heraus war. Und so sehen wir, wie bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts von Westen her dasjenige entsteht, was man gewöhnlich Liberalismus nennt, liberale Gesinnung - bald nennt man es freisinnig -, nun, so wie es einem gerade gefällt. Sie wissen aber, ich meine diejenige Anschauung, die sich am deutlichsten auf politischem Gebiete ausgeprägt hat im 18. Jahrhundert als politische Aufklärung, im 19. Jahrhundert als ein gewisses politisches Streben, das man das liberale politische Streben nannte, und das so allmählich versickerte und ausstarb im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts."

Sozialismus und Kommunismus mit Pseudogeist, mit der Maske des Geistes, mit einer toten Wissenschaft gründet auf einer materialistischen Geschichtsauffassung, was heute immer noch Millionen von verirrten Menschen als Überzeugung erfüllt über die Erde hin; das Christentum gilt nur noch als ideologischer Oberbau; selbst unter den Professoren ist der Marxismus verbreitet, wie die Frankfurter Schule zeigt, die die Klassiker wie Schiller vom Sockel gerissen hat: "Dieser Sozialismus, der da auftrat, kann nur geistig durchdrungen werden: mit Pseudogeist, mit der Maske des Geistes, mit der bloßen Verstandeskultur, die das Tote nur erfassen kann, nicht. Und mit einer solchen toten Wissenschaft hat zunächst Lassalle gerungen, aber Marx und Engels haben sie ausgebildet, diese tote Wissenschaft. Und so bildete sich im Sozialismus, der als Theorie sich bestrebte, praktisch zu werden und in der Praxis nichts Rechtes zusammenbrachte, weil er auf dem Standpunkt der Theorie immer stehenblieb, eines der bedeutendsten Symptome der neueren geschichtlichen Entwicklung der Menschheit heraus. Wir müssen schon einige charakteristische Dinge dieses Sozialismus vor unsere Seele hinstellen. Es sind ja drei Überzeugungen oder Uberzeugungsteile, besser gesagt, die den neuzeitlichen Sozialismus charakterisieren. Er fußt erstens auf der materialistischen Geschichtsauffassung, zweitens auf der Anschauung von dem Mehrwert im Wirtschaftlichen, im volkswirtschaftlichen Zusammenhange, und drittens auf der Theorie der Klassenkämpfe. Das ist im wesentlichen dasjenige, was Millionen von Menschen heute als Überzeugung erfüllt über die Erde hin, was sich in diesen drei Dingen zusammenfassen lässt: Theorie der Klassenkämpfe, volkswirtschaftliche Anschauung von der Entstehung des Mehrwertes, materialistische Geschichtstheorie. Versuchen wir uns ganz klar zu machen, damit wir die Symptome, die ich hier meine, gut verstehen als Unterbau für das, was wir eben morgen darauf bauen wollen, erstens: Was ist materialistische Geschichtsauffassung? - Materialistische Geschichtsauffassung meint: Alles was geschieht im Laufe der Menschheitsentwickelung, geschieht nur aus äußeren, rein materiellen Impulsen. Die Menschen müssen essen, müssen trinken, die Menschen müssen das, was sie zu essen und zu trinken brauchen, von da- und dorther holen. Sie müssen also miteinander handeln, sie müssen das erzeugen, was die Natur nicht selbst erzeugt. Aber das ist dasjenige, was überhaupt menschliche Entwickelung erzeugt. Wenn in irgendeinem Zeitalter, sagen wir, ein Lessing auftritt - ich will einen bekannten Namen wählen ~, warum tritt Lessing auf, wie er im 18. Jahrhundert aufgetreten ist? Nun, seit dem 16. Jahrhundert, aber insbesondere auch im 18. Jahrhundert ist durch die Einführung des mechanischen Webstuhls, der Spinnmaschine und so weiter eine starke Scheidung entstanden - sie war im Entstehen -, die sich da vorbereitet hat zwischen Bürgertum und dem nachrückenden Proletariat. Das Proletariat war noch kaum da, aber es war gewissermaßen schon glimmend unter der Oberfläche des sozialen Daseins. Aber gegenüber den früheren Ständen war im Verlauf des wirtschaftlichen Lebens der Neuzeit der Bürgerstand erstarkt. Durch die Art und Weise, wie man als Bürger lebt, so daß man den Arbeiter unter sich hat, dass man nicht mehr recht anerkennt die früheren Stände, dass man es dazu gebracht hat, die Gütererzeugung, die Güterverarbeitung, die Güterverteilung so zu machen, wie es eben der Bürger macht, dadurch wird eine gewisse Denkweise allgemein, die nichts anderes ist also ein ideologischer Oberbau für die Art, wie das Bürgertum Güter produziert, verarbeitet und verhandelt. Das bedingt, dass man in einer gewissen Weise denkt. Derjenige, der nicht ein Bürger ist, der noch ein Bauer ist, der von der Natur umgeben ist, mit der Natur zusammenlebt, der denkt anders. Aber es ist nur eine Ideologie, wie er denkt, denn das, worauf es ankommt, das ist die Art, wie er Güter erzeugt, verarbeitet und verhandelt. Der Bürger denkt dadurch, dass er in Städten zusammengepfropft ist, anders als der Bauer. Er löst sich los von der Scholle, sieht nicht die Natur, daher ist der Zusammenhang für ihn abstrakt. Er wird ein Aufgeklärter, der so im Allgemeinen, im Abstrakten von Gott denkt. Aber das ist alles die Folge davon, dass er Güter erzeugt. - Ich spreche die Sache etwas krass aus, aber in einer gewissen Weise ist es so. - Dadurch, dass man in einer gewissen Weise seit dem 16. Jahrhundert Güter verarbeitet und verhandelt, hat sich ein Denken herausgebildet, das in einer besonderen Art bei Lessing zum Vorschein kommt. Lessing ist der Repräsentant des auf seiner Höhe stehenden Bürgertums, hinter dem das Proletariat nachhinkt in seiner Entwickelung. - So ähnlich ist Herder, Goethe und so weiter zu erklären. All das ist ein Oberbau; wirklich ist für die elementare materialistische Auffassung nur dasjenige, was aus der Gütererzeugung, Güterverarbeitung, aus dem Güterverhandeln kommt. Das ist materialistische Geschichtsauffassung. Will man das Christentum erklären, so hat man zu erklären, wie in der Zeit, als unsere Zeitrechnung begonnen hat, die Handelsverhältnisse zwischen dem Orient und dem Okzident andere geworden sind, man hat zu erklären, wie die Ausbeutung der Sklaven, die Verhältnisse der Herren zu den Sklaven sich verwandelt haben, und dann daraus zu erklären, wie sich über all diesem wirtschaftlichen Spiel ein ideologischer Oberbau entwickelt: das ist das Christentum. Weil die Menschen zu einer anderen Notwendigkeit gekommen sind, das zu erzeugen, was sie essen und was sie zum Essen verhandeln sollen, als das früher der Fall war, deshalb haben sie anders gedacht. Und weil ein radikalster wirtschaftlicher Umschwung im Beginne unserer Zeitrechnung war, so trat auch jener radikale Umschwung im ideologischen Oberbau ein, der sich als Christentum charakterisiert. - Das ist der erste Teil jener Überzeugungen, die sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts durch Millionen und Millionen Herzen Bahn gebrochen haben. ... Die Leute wachen auf, sofern man sie aufwachen lässt. Man versucht, von der einen Seite sie einzuschläfern; von der anderen Seite verlangen sie aber, ich möchte sagen, mitten im Schlafe, wieder aufzuwachen. Da sie nichts anderes haben als die Hinlenkung des Sinnes auf die rein materielle Welt, bilden sie sich die materialistische Geschichtswissenschaft aus. Und so entstanden jene eigentümlichen Symptome: Einer der edelsten, liberalsten Geister, Schiller, wurde lange gefeiert, wurde äußerlich ungemein bewundert. 1859 wurden zur Jubelfeier seiner Geburt überall Denkmäler errichtet. In meiner Jugend lebte in Wien ein Mann, Heinrieb Deinhardt hieß er, der bemühte sich, in einer sehr schönen Schrift die Menschen einzuführen in wirkliche Ideengänge Schillers, in seine Ideengänge, die er niedergelegt hat in den Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen. Die ganze Auflage dieses Werkes ist eingestampft worden!" [7]
 

3. Geschichtliche Symptomatologie III; Sinn des Maschinenzeitalters,  tote, mechanische Kultur; die Naturbeobachtung kann nicht mehr eindringen in die Geheimnisse der Natur; «sacro egoismo» in Italien; Russland im Bann der byzantinischen Orthodoxie und des Panslawismus flieht vor dem Zeitalter des Bewußtseins; Goethe als einer der intensivsten prophetischen Geister seiner Zeit; das ist der Sinn des Bewußtseinszeitalters, dass der Mensch aufsteigen muss zu übersinnlichen Impulsen und durchdringen muss zur Erkenntnis; es bringt nur Tod über die Menschheit, wenn wir es nicht zu befruchten wissen durch die Impulse des Übersinnlichen

Sinn des Maschinenzeitalters,  tote, mechanische Kultur; die Naturbeobachtung kann nicht mehr eindringen in die Geheimnisse der Natur: "Nur naturwissenschaftliche Ergebnisse konnten die Erde so erobern, wie sie erobert werden musste im Verlauf der modernen Kolonisationsbestrebungen. Und daher sehen wir diese Kolonisationsbestrebungen im Grunde genommen erst im 18. Jahrhundert richtig einsetzen, als die Naturwissenschaft anfing, sich umzusetzen in technische Ergebnisse. Damit beginnt aber auch das Maschinenzeitalter. Das Maschinenzeitalter beginnt, als die Naturwissenschaft sich umsetzt in technische Ergebnisse. Und damit beginnt ein neues Zeitalter des Kolonisierens, das allmählich seine Kräfte über die ganze Erde ausspannt. Damit beginnt ein außerordentlich wichtiger Impuls der neuzeitlichen Entwickelung in der Bewußtseinsseele. Denn derjenige, der die Verhältnisse, die hier in Betracht kommen, durchschaut, der weiß, dass gerade jene Impulse, die im Kolonisieren liegen, in dem Kolonisieren, das die ganze Erde umspannt, dass jene Bewegungen und Bestrebungen gerade dem Zeitalter der Bewußtseinsseele angehören. Und dieses Zeitalter der Bewußtseinsseele, von dem Sie ja wissen, dass es im vierten Jahrtausend sein Ende finden und in das Zeitalter des Geistselbstes eingehen wird, wird über die ganze Erde hin eine andere Konfiguration der Menschheit bringen. Diese Konfiguration wird hervorgehen aus den Kolonisationsbestrebungen. Nicht wahr, das  Bewußtseinsseelenzeitalter hat gefunden sogenannte zivilisierte, höchst zivilisierte und ganz wilde Menschen - so wild, dass sich in ihre Wildheit der Rousseau verliebt hat und eine ganze Theorie von dem Ideal des wilden Menschen  aufgestellt hat. Diese ganze Differenzierung der Menschen wird aufhören im Verlaufe des Zeitalters der Bewußtseinsseele. Wie sie aufhören wird, auf die Einzelheiten, darauf können wir natürlich heute nicht eingehen. Aber es gehört zu den Impulsen der Bewußtseinsseele, diese Differenzierung, die althergebracht ist, im wesentlichen aufzuheben. ... Aber wenn man betäubt ist, kann man nicht zur Bewußtseinsseele kommen. Daher strebt die neuere Naturbetrachtung ganz instinktiv danach, die Beobachtung allmählich zu überwinden und durch das Experiment alles zu gewinnen. Man sucht ja auch auf dem Gebiete der Biologie, auf dem Gebiete der Anthropologie zu experimentieren. Aber wenn man experimentiert, ist die Hauptsache dabei, dass man das Experiment zusammenstellt, dass man die Ordnung bestimmt, in welcher man beobachtet. Wie die Dinge selbst angeordnet sind, wenn man zum Beispiel Embryologie experimentell treibt, das ist nicht durch die Natur bestimmt, sondern das ist durch den menschlichen Intellekt, durch den menschlichen Verstand bestimmt, das ist durch das bestimmt, von dem ich Ihnen gesagt habe, dass es sich von der Natur entfernt, um gerade in dem Menschen innerlich zu sein. Wir ertöten die Natur, um sie erkennen zu lernen im Experiment. Aber nur das, was wir durch das Experiment gewinnen, können wir technisch anwenden. Naturerkenntnis wird erst reif zur technischen Anwendung, wenn sie auf dem Umwege durch das Experiment sich reif dazu macht. Was vorher Einführung der Naturerkenntnis ist in das soziale Leben, ist noch nicht Technik. Es wäre sogar barbarisch, von Technik zu sprechen, wenn man es nicht zu tun hat mit der reinen Umsetzung eines Experimentes in die soziale Ordnung oder in diejenigen Dinge, die im Dienste der sozialen Ordnung stehen. Dann aber schafft die moderne Menschheit in die soziale Ordnung hinein Ergebnisse der Experimentierkunde als Technik: Totes. Und das ist das Wesentliche: Totes schaffen wir hinein in die Kolonisationsbestrebungen, Totes schaffen wir hinein, wenn wir für die Industrie unsere Maschinen bauen. Aber nicht nur dann, sondern wenn wir unsere Arbeiter in einer gewissen sozialen Ordnung zu diesen Maschinen hinzubringen. Totes schaffen wir hinein in unsere neuere geschichtliche Ordnung, indem wir unsere Finanzwirtschafl über kleinere oder größere Territorien ausbilden. Totes schaffen wir hinein, wenn wir eine soziale Ordnung überhaupt nach dem Muster der modernen Naturwissenschaft aufbauen wollen, wie es instinktiv die moderne Menschheit getan hat. Totes schaffen wir überall hinein in das menschliche Zusammenleben, wenn wir Naturwissenschaft hineinschaffen in dieses menschliche Zusammenleben, Totes, sich selbst Ertötendes. Das ist eines der wichtigsten Symptome. Wir können sehr aufrichtige und ehrliche Deklamationen anstellen - ich meine jetzt nicht bloß rhetorische Deklamationen, sondern eben ehrlich gemeinte Deklamationen - über die großen Errungenschaften der neueren Zeit, über all dasjenige, was Naturwissenschaft ausgebildet hat, was sie der Technik einverleibt und dann dem sozialen Leben einverleibt hat. Aber wir sagen nur eine halbe Wahrheit, wenn wir von diesen Errungenschaften sprechen, denn alle diese Errungenschaften haben das Wesentliche in sich, dass sie ein unbedingt Totes, das durch sich selber nicht entwickelungsfähig ist, in das moderne Leben hineinstellen. Das Größte, was seit Jahrhunderten, seit dem 15. Jahrhundert hineingestellt worden ist in die Entwickelung der modernen zivilisierten Menschheit, ist ein solches, das, wenn es sich selbst überlassen wird, sich selber zum Tode führt. Und das musste sein. Denn man kann die Frage auf werfen: Wenn moderne Technik Keim des Todes nur ist, wie sie es auch ist und sein muss, warum trat diese moderne Technik in Erscheinung? - Wahrhaftig nicht trat die moderne Technik in Erscheinung im Laufe der Zeit, weil den Menschen das Schauspiel der Maschine und der Industrie gegeben werden sollte, sondern die moderne Technik trat in Erscheinung aus einem ganz anderen Grunde. Sie trat in Erscheinung gerade wegen ihres zum Tode führenden Charakters, weil nur dann, wenn der Mensch hineingestellt ist in eine tote, mechanische Kultur, er durch den Gegenschlag die Bewußtseinsseele entwickeln kann. Solange der Mensch hineingestellt war in ein Zusammenleben mit der Natur, ohne dass die Maschinen hineingestellt waren, solange wurde er geneigt gemacht zu einer gewissen suggestiven Behandlung, weil er bis zu einem gewissen Grade betäubt wurde. Man konnte nicht ganz auf sich selbst sich stellen, als man noch nicht in den Tod hineingestellt war. Auf sich selbst gestelltes Bewußtsein und Todbringendes ist innig miteinander verwandt. Das habe ich in den verschiedensten Formen schon versucht, den Menschen klarzumachen. Ich habe versucht, den Menschen klarzumachen: Wenn sie vorstellen und erkennen, so ist das nicht gebunden an die sprießenden, sprossenden Kräfte des Menschen, sondern gerade an den Abbau des Organismus. Ich habe versucht, den Menschen klarzumachen, dass es Rückbildung des Organismus ist, dass es die Abbau und Sterbeprozesse sind, die uns befähigen, im selbstbewußten Sinne zu denken. Könnten wir nicht Gehirnhunger entwickeln, das heißt Abbauprozesse, Zersetzungsprozesse, Zerstörungsprozesse in uns, wir könnten keine gescheiten Menschen sein, sondern könnten nur hintaumelnde Menschen sein, schlafende, träumende Menschen. Gescheite Menschen sind wir durch die Abbauprozesse in unserem Gehirn. Und das Zeitalter der Bewußtseinsseele musste dem Menschen die Gelegenheit geben, den Abbau in seiner Umgebung zu haben. Nicht dadurch wurde das moderne, selbstbewußte Denken groß, dass blühende Lebensprozesse hereingestellt wurden, sondern dadurch wurde gerade das Innerste im Menschen, das selbstbewußte Denken groß, dass Todesprozesse in der modernen Technik, in der modernen Industrie, im modernen finanziellen Zusammenhang in dieses Leben hereingestellt wurden. Denn das forderte dieses Leben in der Bewußtseinsseele." [8]

«sacro egoismo» in Italien: "Sie können dann die französische Geschichte studieren, wie versucht wird, die Emanzipation der Persönlichkeit nach innen zu treiben. Es führt zu jener furchtbaren Aufhebung der Persönlichkeit, die die Schlussepisode der Revolution und das Aufkommen des Napoleonismus zeigt. Und betrachten Sie die Sache gar in Italien. Woraus schöpfte das neuere Italien jene impulsive Kraft, mit der dort das nationale Element bis zum sogenannten «sacro egoismo», bis zum heiligen Egoismus sich geltend machte, woraus schöpfte dieses neue Italien diese Kraft? Die Dinge, die den Erscheinungen der Welt zugrunde liegen, muss man oft in Tiefen suchen. Gehen Sie zurück bis zu jenem wichtigen Zeitpunkt, der vor dem Aufkommen des Bewußtseinszeitalters liegt: Diese Kraft ist in allen ihren Seiten geschöpft aus dem, was das römische Papsttum dem italienischen Wesen eingepflanzt hat. Dieses römische Papsttum hat sich für Italien gerade dadurch in seiner Bedeutung gezeigt, dass es sein Wesen in die italienische Seele hineingeträufelt hat; und daraus ist entsprungen, wie es oftmals dem Zauberlehrling so geht, dasjenige, was nicht gewollt worden ist: die Abkehr von dem Papsttum selber mit aller Intensität im modernen Italien. Da sehen Sie am besten zusammenstoßen dasjenige, was angestrebt wird und was sich zu gleicher Zeit selber aufhebt. Nicht die Gedanken, wohl aber die Empfindungskräfte und die Begeisterungskräfte, auch diejenigen, die in Garibaldi gesteckt haben, sie sind die Reste der alten katholischen Begeisterung; aber indem sie sich umgekehrt haben, haben sie sich gegen den Katholizismus gewendet." [9]

Russland im Bann der byzantinischen Orthodoxie und des Panslawismus flieht vor dem Zeitalter des Bewußtseins; wenn Sie aber dasjenige in der russischen Geschichte lesen, was die herrschenden Mächte bisher erlaubt haben als Geschichte zu verzeichnen, dann haben Sie alles dasjenige, was als todbringendes Element über das russische Leben sich ausbreitet - dabei müssten sie nur den gröten russischen Philosophen lesen, Wladimir Sergejewitsch Solowjow: "Die Menschen werden ihr eigenes heutiges Zeitalter nur verstehen, wenn sie diese Dinge im rechten Zusammenhange fassen. Ich habe Ihnen gesagt: In Europa tragen sich jene verschiedenen symptomatischen Ereignisse zu, die ich vor Ihre Seele hingestellt habe. Wie im Hintergrunde ist im Osten das russische Gebilde, zusammengeschweißt aus den Resten byzantinisch-religiöser Struktur, aus normannischslawischem Blutimpuls, aus dem Asiatismus, wie er sich in der verschiedensten Weise über den Osten von Europa ergossen hat. Das alles aber ist unproduktiv, diese Dreiheit ist ja nichts, was aus der russischen Seele selbst hervorgeht. Diese Dreiheit ist auch dasjenige, was nicht bezeichnend ist für das, was in der russischen Seele lebt. - Welches ist der größte, der allergrößte denkbare Gegensatz zu der Emanzipation der Persönlichkeit? Das byzantinische Element. Es gibt eine große Persönlichkeit in der neueren Zeit, die unterschätzt wird, es ist Pobjedonoszewy der ein bedeutender Mensch war, aber ein Mensch, welcher ganz das byzantinische Element in sich trug. Er war ein Mensch, der das Gegenteil von dem nur wollen konnte, was das Zeitalter des Bewußtseins will und auf naturgemäße Weise aus dem Menschen hervorbringt. Man könnte sich denken, dass selbst noch intensiver das byzantinische Element in der russischen Orthodoxie sich weiter ausgebreitet hätte, dass dieser Tod alles Individuell-Persönlichen noch viel intensiver gewirtschaftet hätte, es würde doch nichts anderes hervorgegangen sein als der stärkste Drang nach Emanzipation der Persönlichkeit. Sie können die neuere russische Geschichte durchlesen: Wenn Sie nicht das in dieser neueren russischen Geschichte lesen, was sich abspielt so, dass dessen Verzeichnung immer verboten worden ist, dann haben Sie nicht dasjenige, was eigentlich russische Geschichte ist, das heißt das wirklich bewegende Element. Wenn Sie aber dasjenige in der russischen Geschichte lesen, was die herrschenden Mächte bisher erlaubt haben als Geschichte zu verzeichnen, dann haben Sie alles dasjenige, was als todbringendes Element über das russische Leben sich ausbreitet. Da tritt es am allercharakteristischesten hervor, weil im russischen Leben am meisten Zukunft liegt. Weil geradezu die Keime zur Entwickelung des Geistselbstes im russischen Leben liegen, deshalb ist dasjenige, was äußerlich aufgetreten ist im Zeitalter der Bewußtseinsseele bis jetzt, lauter Todbringendes, lauter Verwesungsduftendes, aber etwas, was da sein musste, gerade weil dasjenige, was sich herausbilden will als Geistleben, den Untergrund des Todes braucht." [10]

Goethe als einer der intensivsten prophetischen Geister seiner Zeit; das ist der Sinn des Bewußtseinszeitalters, dass der Mensch aufsteigen muss zu übersinnlichen Impulsen und durchdringen muss zur Erkenntnis; es bringt nur Tod über die Menschheit, wenn wir es nicht zu befruchten wissen durch die Impulse des Übersinnlichen: "Es ist charakteristisch, dass gerade die Todnatur der naturwissenschaftlichen Denkungsweise in einer merkwürdigen Weise gewirkt hat für eine der prophetischesten Persönlichkeiten der neueren Zeit. Ganz denkwürdig wird das folgende kleine symptomatische Ereignis immer dastehen in der neueren Geschichtsentwickelung: 1830, in Weimar, kommt Soret zu Goethe. Goethe empfängt ihn mit einer gewissen Aufregung, ich meine Aufregung in der Facon des Benehmens, nicht etwa in leidenschaftlicher Aufregung. Er sagt: Nun ist sie endlich hereingebrochen, die Bewegung, alles steht in Flammen! - Und einige andere Satze sagte Goethe noch, so dass Soret glaubte, Goethe rede von der 1830 in Paris ausgebrochenen Revolution und antwortete auch in diesem Sinne. Aber Goethe redete gar nicht von dieser Revolution. Er sagte: Ach, das meine ich gar nicht, das ist für mich nicht so besonders wichtig. Dagegen wichtig ist, was in der Akademie in Paris verhandelt wird zwischen Cuvier und Geoffroy de Saint-Hilaire. - Da ist Cuvier, der Vertreter der alten Naturanschauung, derjenigen Naturanschauung, die nur die Lebewesen nebeneinanderstellt, eben derjenigen Naturanschauung, die vor allem in die Technik hineingeht, müssen wir sagen, und Geoffroy de Saint-Hilaire, derjenige, der Leben hineinbringt in diesen ganzen Verlauf des Lebens selbst. In Geoffroy de Saint-Hilaire sah Goethe den Anführer eines naturwissenschaftlichen Denkens der neueren Zeit, das nicht mehr in dem Sinne der bloßen Kopernikus, Kepler, Galilei naturwissenschaftlich sein will. Der Vertreter dieses Zeitalters ist Cuvier; dagegen ist Geoffroy de Saint-Hilaire der Vertreter desjenigen naturwissenschaftlichen Anschauens, das die Beweglichkeit des Lebens selbst hineinträgt in die Naturanschauung. Darum sah Goethe den Aufgang eines ganz neuen Zeitalters, indem sich Geoffroy de Saint-Hilaire in seinen Gedanken ein naturwissenschaftliches Denken zurechtlegte, welches übergehen muss, wenn es sich wirklich entwickelt, in übersinnliche Aufklärung über die Natur, welches gar nicht anders kann, als endlich in übersinnliche Erkenntnisse, in hellseherische Erkenntnisse überzugehen. Darin sah Goethe die Revolution von 1830, nicht in dem, was politisch in Paris vorgeht. Darin bewies Goethe sich als einer der intensivsten prophetischen Geister seiner Zeit. Er bewies, dass er fühlte und empfand, um was es sich in dieser neueren Zeit handelt. ... Das ist der Sinn des Bewußtseinszeitalters, dass der Mensch aufsteigen muss zu übersinnlichen Impulsen und durchdringen muss zur Erkenntnis. Wenn man glaubt, alles das, was das Zeitalter hervorgebracht hat und noch hervorbringt ohne übersinnliche Impulse, sei etwas Lebendiges und nicht etwas Todbringendes, gibt man sich der gleichen Illusion hin, wie wenn man glauben würde, ein Weib der modernen Zeit könnte gebären ohne zu empfangen. Ein Weib der modernen Zeit bleibt unfruchtbar und stirbt ohne Nachkommenschaft, wenn sie nicht empfängt. Die moderne Kultur, wie sie sich im Zeitalter der Naturwissenschaft seit dem Beginne des 15. Jahrhunderts entwickelt hat gerade in den größten modernen Errungenschaften, bleibt steril und unfruchtbar, wenn sie nicht befruchtet wird von jetzt ab durch Impulse aus der übersinnlichen Welt. Tod muss werden alles dasjenige, was nicht befruchtet wird von der übersinnlichen Welt. Führen Sie ein in diesem Zeitalter der Bewußtseinsseele Demokratie, Parlamentarismus, Technik, modernes Finanzwesen, modernes Industriewesen, führen Sie ein das nationale Prinzip über die ganze Welt, führen Sie ein all diejenigen Gesichtspunkte, die die Menschen jetzt zugrunde legen dem, was sie Neuordnung der Welt nennen und mit dem sie reden wie Trunkene, die nicht wissen, wovon sie reden - Sie fördern dann den Tod, wenn Sie nicht all das befruchten wollen durch die Impulse der übersinnlichen Welt. Dann allein hat dasjenige, was wir schaffen müssen, das Todbringende auf allen Gebieten, einen Wert, wenn wir es zu befruchten wissen durch die Errungenschaften des Übersinnlichen. Es bringt nur Tod über die Menschheit, wenn wir es nicht zu befruchten wissen durch die Impulse des Übersinnlichen." [11]
 

4. Geschichtliche Symptomatologie IV; Russische Revolution von 1917; schlechte Propheten, z.B. die, die heute historische Vorgänge prophezeien; ideenlose Menschewiki und die radikalen Bolschewiki; statt tiefergehende Weltanschauungsfragen, Einführung der türkischen Sitten, also des Kaffees und so weiter für den Kaffeeklatsch damit die bürgerliche Bevölkerung vollständig in die Phrase hineinlaufen kann; 1848, man kann nur aufwachen im Zeitalter der Bewußtseinsseele, wenn man weiß, dass man vorher geschlafen hat; wenn man nicht weiß, wann und wie lange und dass man geschlafen hat, so wird man eben nicht aufwachen, sondern wird weiterschlafen; die wichtigsten Dinge der neueren Zeit in bezug auf den physischen Plan sind todbringende Institutionen, Atomkraftwerke, Institute für Gen-, und Biotech-Medizin, und der Fehler liegt darin, dass man es nicht erkennt

Russische Revolution von 1917; schlechte Propheten, z.B. die, die heute historische Vorgänge prophezeien; ideenlose Menschewiki und die radikalen Bolschewiki: "Nun waren, nach links stehend, zunächst diejenigen Elemente, die aufgestiegen waren aus dem Bürgertum, mehr oder weniger vermischt mit arbeitenden Elementen. Es war die führende Bevölkerung der sogenannten Sozialrevolutionäre, zu denen sich auch die Menschewiki nach und nach geschlagen haben. Es sind diejenigen Menschen, die im wesentlichen, rein äußerlich nach ihrer Zahl gerechnet, sehr leicht eine führende Rolle hätten spielen können innerhalb der weiteren Entwickelung der russischen Revolution. Sie wissen, es ist nicht so gekommen. Es sind die radikalen, nach links stehenden Elemente an die Führung gekommen. Und als sie an die Führung gekommen waren, da waren die Sozialrevolutionäre, die Menschewiki und ihre Gesinnungsgenossen im Westen, selbstverständlich davon überzeugt, dass die ganze Herrlichkeit nur acht Tage dauern werde, dann werde alles kaputt gehen. Nun, es dauert jetzt schon länger als acht Tage, und Sie können ganz sicher überzeugt sein, meine lieben Freunde: Wenn manche Propheten schlechte Propheten sind - diejenigen Menschen, die heute historische Vorgänge prophezeien aus den alten Weltanschauungen gewisser Mittelklassen heraus, sind ganz gewiss die schlechtesten Propheten! - Nun, was liegt da eigentlich zugrunde? Physikalisch gesprochen möchte ich sagen: Dieses Problem der russischen Revolution vom Oktober, durch die nächsten Monate hindurch und bis heute, ist kein Druckproblem, physikalisch gesprochen, sondern ein Saugproblem. Und das ist wichtig, dass man das wirklich den historischen Symptomen entnehmen kann, dass es sich nicht um ein Druckproblem, sondern um ein Saugproblem handelt. Was meint man mit einem Saugproblem? Sie wissen ja, wenn man hier den Rezipienten einer Luftpumpe hat, die Luft herausgesaugt und im Rezipienten einen luftleeren Raum geschaffen hat und öffnet den Stöpsel, so strömt pfeifend die Luft ein. Sie strömt ein, nicht weil die Luft dort hineinwill durch sich selber, sondern weil ein leerer Raum geschaffen ist. In diesen luftleeren Raum strömt die Luft ein. Sie pfeift hinein, wo ein luftleerer Raum ist. So war es auch mit Bezug auf diejenigen Elemente, die gewissermaßen in der Mitte standen zwischen der Bauernschaft und den Sozialrevolutionären, den Menschewiki, und eben den weiter nach links stehenden, den radikalen Elementen, den Bolschewiki. Was ist denn eigentlich da geschehen? Nun, was geschehen ist, war das, dass die Sozialrevolutionären Menschewiki absolut ideenlos waren. Sie waren in der überwiegenden Mehrzahl, aber sie waren absolut ideenlos; sie hatten gar nichts zu sagen, was geschehen soll mit der Menschheit gegen die Zukunft hin. Sie hatten zwar allerlei ethische und sonstige Sentimentalitäten im Kopfe, aber mit ethischen Sentimentalitäten, wie ich Ihnen öfter auseinandergesetzt habe, kann man nicht die wirklichen Impulse, welche die Menschheit weiter treiben können, finden. So ist ein luftleerer Raum, das heißt ideenleerer Raum entstanden, und da pfiff selbstverständlich dasjenige, was weiter nach links radikal steht, hinein. Man darf nicht glauben, dass es gewissermaßen durch ihr eigenes Wesen den radikalsten sozialistischen Elementen in Russland, die wenig mit Russland selbst zu tun haben, vorgezeichnet war, da besonders Fuß zu fassen. Sie hätten es nie gekonnt, wenn die Sozialrevolutionäre und andere mit ihnen Verbundene - es gibt ja die verschiedensten Gruppen - irgendwelche Ideen gehabt hätten, um Führende zu werden. Allerdings können Sie fragen: Welche Ideen hätten sie denn haben sollen? - Und da kann nur derjenige eine fruchtbringende Antwort heute finden, der nicht mehr erschrickt und auch nicht mehr feige wird, wenn man ihm sagt: Es gibt für diese Schichten keine anderen fruchtbaren Ideen als diejenigen, welche aus den geisteswissenschaftlichen Ergebnissen kommen. Es gibt keine andere Hilfe. Aber das "Wesentliche ist schließlich - gewiss, die Leute sind mehr oder weniger radikal geworden und werden es heute verleugnen, dass sie aus dem alten Bürgertum hervorgegangen sind, viele wenigstens, aber sie sind es doch -, das Wesentlichste ist, dass diejenige Schichte der Bevölkerung, aus welcher diese Leute, die den Raum luftleer, das heißt ideenleer gemacht haben, bis jetzt, im Zeitalter der  Bewußtseinsseelenentwickelung, eben absolut nicht dazu zu bringen war, irgendwelche Ideen zu haben. Dies ist nun natürlich nicht bloß in Russland der Fall, sondern diese russische Revolution in einer letzten, vorläufig letzten Phase kann es eben nur für den, der die Sache studieren will, mit ganz besonderer Deutlichkeit zeigen: Sie sehen Tag für Tag, wie diese Leute, die den Raum luftleer machen, zurückgedrängt werden, und wie die anderen hineinpfeifen, das heißt, sich an ihre Stelle setzen. Aber diese Erscheinung, sie ist heute über die ganze Welt verbreitet. Sie ist durchaus über die ganze Welt heute verbreitet. Denn das ist das Wesentliche, dass diejenige Schichte der Bevölkerung, die gewissermaßen heute zwischen rechts und links steht, sich seit langer Zeit ablehnend verhalten hat, wenn es sich darum handelte, eine fruchtbare Weltanschauung irgendwie anzustreben. Eine fruchtbare Weltanschauung kann in unserem Zeitalter der Bewußtseinsseelenentwickelung nicht anders sein als eine solche, die auch Impulse gibt für das Zusammenleben der Menschen." [12]

Statt tiefergehende Weltanschauungsfragen, Einführung der türkischen Sitten, also des Kaffees und so weiter für den Kaffeeklatsch damit die bürgerliche Bevölkerung vollständig in die Phrase hineinlaufen kann: "Der Interesselosigkeit dieser Schichte der Bevölkerung stand und steht auch noch heute das rege Interesse des Proletariats entgegen. Dieses Proletariat hat natürlich, einfach durch die geschichtliche Entwickelung der neueren Zeit, nicht die Möglichkeit, über das bloß Sinnenfällige hinauszudringen. So kennt es nur sinnenfällige Impulse und will nur sinnenfällige Impulse in die Menschheitsentwickelung einführen. Aber während dasjenige, was die bürgerliche Bevölkerung, wenn wir so sagen dürfen, oftmals ihre Weltanschauung nennt, nur Worte, Phrasen oftmals sind - meistens sind, weil sie eigentlich nicht gehegt sind vom unmittelbaren Leben der Gegenwart, sondern weil sie heraufgebracht, überkommen sind aus älteren Zeiten, während die bürgerliche Bevölkerung in der Phrase lebt, lebt das Proletariat, weil es in einem wirklich neuen wirtschaftlichen Impuls drinnensteht, in Realitäten, aber nur in Realitäten sinnenfälliger Natur. Hier haben wir einen bedeutsamen Angelpunkt. Sehen Sie, das Leben der Menschheit hat sich schon seit wenigen Jahrhunderten ganz wesentlich geändert. Seit wenigen Jahrhunderten sind wir innerhalb dieses Zeitalters der Bewußtseinsseele ins Maschinenzeitalter eingetreten. Die bürgerliche Bevölkerung und was über ihr ist wurde wenig berührt in ihren Lebensverhältnissen von diesem Eintritt ins Maschinenzeitalter. Denn was die bürgerliche Bevölkerung an besonders großen neuen Impulsen in der letzten Zeit aufgenommen hat, das liegt ja schon vor dem eigentlichen Maschinenzeitalter - Einführung des Kaffees und so weiter für den Kaffeeklatsch - , und dasjenige, was die bürgerliche Bevölkerung an neuen Bankusancen und dergleichen gebracht hat, das ist so wenig angemessen den neuzeitlichen Impulsen wie nur irgend denkbar. Es ist eigentlich nichts anderes als eine Komplikation der ururältesten Usancen, die man im kaufmännischen Leben gehabt hat. ... Aber es war doch eben ein gewaltiger Unterschied und ist heute noch ein gewaltiger Unterschied zum Beispiel zwischen dem modernen Proletarier und dem modernen Bürger, dem modernen Bourgeois- Leben. Von dem versinkenden Stande braucht man ja nicht zu reden. Es ist doch ein beträchtlicher Unterschied, dass der moderne Bourgeois eben gar kein Interesse an irgendwelchen tiefergehenden Weltanschauungsfragen hat, während der Proletarier ein brennendes Interesse für Weltanschauungsfragen hat. Nicht wahr, der moderne Bourgeois diskutiert allerdings in zahlreichen Versammlungen, diskutiert mit Worten zumeist. Der Proletarier diskutiert über dasjenige, in dem er lebendig drinnensteht, über dasjenige, was täglich die Maschinenkultur erzeugt. Man hat sogleich, wenn man heute aus einer bürgerlichen Versammlung in eine proletarische Versammlung geht, folgendes Gefühl: In der bürgerlichen Versammlung, da wird diskutiert, wie schön es wäre, wenn die Menschen Frieden hielten, wenn sie alle Pazifisten wären zum Beispiel, oder wie schön irgend etwas anderes wäre. Aber das alles ist Dialektik von Worten zumeist, allerdings mit etwas Sentimentalität durchspickt, aber nicht ergriffen von dem Impuls, wirklich ins Weltengebäude hineinzuschauen, dasjenige, was man will, aus den Geheimnissen des Weltengebäudes heraus zu realisieren. Gehen Sie dann in die proletarische Versammlung, so merken Sie: Die Leute reden von Wirklichkeiten, wenn das auch die Wirklichkeiten des physischen Planes sind. Die Leute kennen Geschichte, das heißt, ihre Geschichte; sie kennen genau die Geschichte, an den Fingern können sie es herzählen, von der Erfindung des mechanischen Webstuhles und der Spinnmaschine an. Das wird jedem eingebläut, was da angefangen hat, was sich da entwickelt hat, wie das Proletariat zu dem geworden ist, was es heute ist. Wie das geworden ist, das weiß jeder am Schnürchen, der nur einigermaßen nicht stumpfsinnig ist, sondern teilnimmt am Leben - und das sind ja nur wenige, es ist wenig Stumpfsinn eigentlich gerade in dieser Klasse von Bevölkerung. Man könnte viele, viele charakteristische Momente aufzählen für die Stumpfheit gegenüber Weltanschauungsfragen bei der heutigen Mittelschichtsbevölkerung. Man braucht sich nur daran zu erinnern, wie sich die Leute verhalten, wenn einmal ein Dichter - derjenige, der nicht ein Dichter ist, darf es schon gar nicht tun, denn dann wird er ein Phantast genannt oder dergleichen -, wenn irgendein Dichter Gestalten aus der übersinnlichen Welt meinetwegen auf die Bühne bringt oder sonstwo  hinbringt. Da lassen es sich die Leute so halb und halb gefallen, weil sie nicht daran zu glauben brauchen, weil sie kein Hauch der Wirklichkeit anweht, weil sie sich sagen können: Es ist bloß Dichtung! - Dieses ist so geworden im Lauf der Entwickelung des Bewußtseinsseelenzeitalters. So ist es, mochte ich sagen, die Sache räumlich betrachtet, daß sich herausgebildet hat eine Menschenklasse, die, wenn sie sich nicht besinnt, Gefahr läuft, immer mehr und mehr vollständig in
die Phrase hineinzulaufen. Aber man kann dieselbe Sache auch zeitlich betrachten, und auf gewisse wichtige Zeitpunkte habe ich ja wiederholt hingewiesen von den verschiedensten Gesichtspunkten aus." [13]

1848, man kann nur aufwachen im Zeitalter der Bewußtseinsseele, wenn man weiß, dass man vorher geschlafen hat; wenn man nicht weiß, wann und wie lange und dass man geschlafen hat, so wird man eben nicht aufwachen, sondern wird weiterschlafen: "Nun, der einzelne Mensch lernt nicht an einem Tag schreiben, nicht an einem Tag lesen, das wissen Sie, nicht wahr, von sich und anderen. Die Menschheit braucht auch eine gewisse Zeit, wenn sie mit irgend etwas eine Entwickelung durchmachen soll, sie braucht immer eine gewisse Zeit. Es war - wir werden auf diese Dinge noch genauer eingehen - der Menschheit Zeit gelassen bis zum Ende der siebziger Jahre. Wenn Sie 1845 nehmen, 33 Jahre dazurechnen, dann bekommen Sie 1878; da erreichen sie ungefähr dasjenige Jahr, bis zu welchem der Menschheit Zeit gelassen war, sich hineinzufinden in die Realität der Ideen der vierziger Jahre. Das ist in der historischen Entwickelung der neuzeitlichen Menschheit etwas außerordentlich Wichtiges, dass man diese Jahrzehnte ins Auge zu fassen vermag, die da liegen zwischen den vierziger und den siebziger Jahren. Denn über diese Jahrzehnte muss sich der heutige Mensch völlig klarwerden. Er muss sich klarwerden darüber, dass in diesen Jahrzehnten, in den vierziger Jahren, begonnen hat, in abstrakter Form in die Menschenentwickelung einzufließen das, was man liberale Ideen nennt, und dass der Menschheit Zeit gelassen war bis zum Ende der siebziger Jahre, um diese Ideen zu begreifen, diese Ideen an die Wirklichkeiten anzuhängen. Träger dieser Ideen war das Bourgeoistum. Aber das hat den Anschluss versäumt. Es liegt etwas ungeheuer Tragisches über der Entwickelung dieses 19. Jahrhunderts. Es ist wirklich für denjenigen, der in den vierziger Jahren manchen hervorragenden Menschen - über die ganze zivilisierte Welt waren solche ausgebreitet - aus dem Bürgerstande reden hörte über das, was der Menschheit gebracht werden sollte auf allen Gebieten, in diesen vierziger, noch Anfang der fünfziger Jahre manchmal etwas wie von einem kommenden Völkerfrühling. Aber aus den Eigenschaften heraus, die ich Ihnen charakterisiert habe für die Mittelschichte, wurde der Anschluss versäumt. Als die siebziger Jahre zu Ende gingen, hatte der Bürgerstand die liberalen Ideen nicht begriffen. Es wurde von dieser Klasse, von den vierziger bis in die siebziger Jahre, dieses Zeitalter verschlafen. Und die Folge davon ist etwas, auf das man schon hinschauen muss. Denn die Dinge müssen sich ja in auf- und absteigenden Weilen bewegen, und eine gedeihliche Entwickelung der Menschheit in die Zukunft kann nur stattfinden, wenn man rückhaltlos auf dasjenige sieht, was sich da in der jüngsten Vergangenheit abgespielt hat. Man kann nur aufwachen im Zeitalter der Bewußtseinsseele, wenn man weiß, dass man vorher geschlafen hat. Wenn man nicht weiß, wann und wie lange und dass man geschlafen hat, so wird man eben nicht aufwachen, sondern wird weiterschlafen." [14]

Durch das Experimentieren wird man von der Wirklichkeit weggetrieben; durch das Betrachten desjenigen, was man heute pathologisch nennt, was Goethe so schön die Missbildungen nannte, wird man gerade hingebracht in die Wirklichkeit; die wichtigsten Dinge der neueren Zeit in bezug auf den physischen Plan sind todbringende Institutionen, Atomkraftwerke, Institute für Gen-, und Biotech-Medizin, und der Fehler liegt darin, dass man es nicht erkennt wie die WissenschaftsjournalistInnen von 3sat, die noch den größten Quacksalbern auf dem Gebiet der Biotech-Medizin wie Carsten Watzl, dem Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, hinterherlaufen: "Aber es gibt heute etwas, was allerdings mit sehr unzulänglichen Mitteln arbeitet, was erst ganz, ganz im Anfange ist, was aber geeignet ist, sehr große Aufschlüsse über die menschliche Natur zu geben: das ist die Betrachtung des pathologischen Menschen. Die Betrachtung eines nach irgendeiner Richtung hin nicht ganz, wie man im Philiströsen sagt, normalen Menschen, die bringt in uns das Gefühl hervor: Mit diesem Menschen kannst du eins werden, in diesen Menschen kannst du dich erkennend vertiefen; du kommst weiter, wenn du dich in ihn vertiefst. - Also durch das Experimentieren wird man von der Wirklichkeit weggetrieben; durch das Betrachten desjenigen, was man heute pathologisch nennt, was Goethe so schön die Missbildungen nannte, wird man gerade hingebracht in die Wirklichkeit. Aber man muss sich einen Sinn aneignen für diese Betrachtung. Man darf nicht abgestoßen werden von solcher Betrachtung. Man muss wirklich sich sagen: Gerade das Tragische kann zuweilen, ohne dass man es je wünschen darf, unendlich aufklärend sein für die tiefsten Geheimnisse des Lebens. - Was das Gehirn bedeutet für das Seelenleben, wird man nur dadurch erfahren, dass man immer mehr und mehr bekannt werden wird mit kranken Gehirnen. Das ist die Schule des Interesses für den anderen Menschen. Ich möchte sagen: Es kommt die Welt mit den groben Mitteln des Krankseins, um unser Interesse zu fesseln. Aber das Interesse am anderen Menschen ist es überhaupt, was die Menschheit sozial vorwärts bringen kann in der nächsten Zeit, während die Menschheit sozial zurückgebracht wird durch das Gegenteil der Positivität, durch das von obenherein Enthusiasmiert- oder Abgestoßensem von dem anderen Menschen. Diese Dinge hängen aber alle mit dem ganzen Geheimnis des Bewußtseinszeitalters zusammen. In jedem solchen Zeitalter wird historisch innerhalb der Menschheit, ich möchte sagen, etwas ganz Bestimmtes entwickelt, und was da entwickelt wird, das spielt dann in der wahren geschichtlichen Entwicklung eine große Rolle. Erinnern Sie sich an die Worte, die ich am Ende der letzten Betrachtungsstunde hier ausgesprochen habe. Ich sagte: Die Menschen müssen sich entschließen, immer mehr und mehr auch in der äußeren geschichtlichen Wirklichkeit Geburt und Tod sehen zu können, - Geburt durch die Befruchtung mit der neuen geistigen Offenbarung, Tod durch alles dasjenige, was man schafft. Tod durch alles dasjenige, was man schafft! Denn das ist das Wesentliche im Bewußtseinszeitalter, dass man auf dem physischen Plane nicht anders schaffen kann als mit dem Bewußtsein: Was man schafft, geht zugrunde. Der Tod ist beigemischt demjenigen, was man schafft. Gerade die wichtigsten Dinge der neueren Zeit in bezug auf den physischen Plan sind todbringende Institutionen. Und der Fehler liegt nicht darinnen, dass man das Todbringende schafft, sondern dass man sich nicht zum Bewußtsein bringen will, dass es todbringend ist." [15]
 

5. Geschichtliche Symptomatologie V; Mysterium des Todes und das Mysterium des Bösen; Qualität der heutigen Wissenschaft; Wesen des Bösen; Kräfte des Geistselbstes, des Lebensgeistes und des Geistesmenschen; der Mensch muss durch die Bewußtseinsseele gehen, wenn er in seiner Art die Kräfte des Geistselbstes, des Lebensgeistes, des Geistesmenschen aufnehmen will; das künstlerische Schaffen und Genießen fast auf allen Zweigen des Künstlerischen in einer Verfallsperiode; Goethe- und Liszt-Zeit in Weimar; Richard Strauß; der Sozialismus ist verfallen dem Glauben an die unfehlbare materialistische Wissenschaft, an den Positivismus; unverdauliches Zeug, das den Leuten eben Steine statt Brot gibt


Mysterium des Todes und das Mysterium des Bösen; Qualität der heutigen Wissenschaft, das heutige Denken insbesondere in der landläufigen Wissenschaft ist fast durchweg einfach schlampig, also nichts anderes als Quacksalberei: "Zwei Mysterien - wie gesagt, ich kann diese Dinge natürlich nur innerhalb gewisser Grenzen besprechen - , zwei Mysterien sind von ganz besonderer Bedeutung für die Entwickelung der Menschheit im Zeitraum der Bewußtseinsseele, in dem wir drinnenstehen seit dem Beginne des 15. Jahrhunderts. Es ist das Mysterium des Todes und das Mysterium des Bösen. Dieses Mysterium des Todes, das für die jetzige Zeit eben mit dem Mysterium des Bösen von einer gewissen Seite her zusammenhängt, das führt zunächst zum Aufwerfen der bedeutungsvollen Frage: Wie steht es überhaupt mit dem Tode in bezug auf die menschliche Entwickelung? Ich habe neulich erst wiederum wiederholt: Das, was sich gegenwärtig Wissenschaft nennt, macht es sich bequem in solchen Dingen. Tod ist Aufhören eines Lebens für die meisten Wissenschafter. Von diesem Punkte aus ist der Tod anzuschauen bei der Pflanze, beim Tiere, beim Menschen. - Geisteswissenschaft hat es nicht so bequem, alles über einen Leisten zu schlagen. Denn sonst könnte man den Tod auch auffassen als Ende einer Taschenuhr, den Tod der Taschenuhr. Der Tod für den Menschen ist eben etwas ganz anderes als der sogenannte Tod anderer Wesen. Kennenlernen kann man nun dasjenige, was das Phänomen des Todes ist, nur dann, wenn man es gewissermaßen auf dem Hintergrunde jener Kräfte auffasst, die im Weltenall tätig sind, und die über den Menschen, indem sie auch den Menschen ergreifen, den physischen Tod bringen. Es walten im Weltenall gewisse Kräfte, gewisse Impulse; wären sie nicht vorhanden, so könnte der Mensch nicht sterben. Diese Kräfte walten im Weltenall, der Mensch gehört zum Weltenall; sie durchwalten auch den Menschen, und indem sie im Menschen tätig sind, bringen sie ihm den Tod. Nun muss man sich fragen: Diese Kräfte, die im Weltenall tätig sind, was bewirken sie außer dem, dass sie den Menschen den Tod bringen? - Es wäre ganz falsch, wenn man etwa denken würde, diese Kräfte, die dem Menschen den Tod bringen, die seien im Weltenall dazu da, dass sie den Menschen sterben machen, dass sie ihm den Tod bringen. Das ist nicht der Fall. Dass diese Kräfte den Menschen den Tod bringen, ist gewissermaßen nur eine Nebenwirkung, wirklich nur eine Nebenwirkung. Nicht wahr, es wird keinem Menschen einfallen, zu sagen: Die Aufgabe der Lokomotive bei der Eisenbahn bestehe darin, nach und nach die Schienen kaputt zu machen. - Trotzdem tut das die Lokomotive, dass sie nach und nach die Schienen kaputt macht, und die Lokomotive kann nicht anders als die Schienen kaputt machen. Aber das ist jedenfalls nicht ihre Aufgabe; ihre Aufgabe ist etwas anderes. Und wenn einer definieren würde: Eine Lokomotive ist eine Maschine, welche die Aufgabe hat, die Schienen kaputt zu machen -, der würde natürlich einen Unsinn reden, trotzdem man nicht bestreiten kann, dass das Zerstören der Schienen durchaus mit dem Wesen der Lokomotive zusammenhängt. Ebensowenig denkt derjenige etwas Richtiges, der etwa sagen würde, die Kräfte im Weltenall, die den Menschen den Tod bringen, seien dazu da, um den Menschen den Tod zu bringen. Dieses ist nur eine Nebenwirkung, dass sie den Menschen den Tod bringen. Sie bewirken dies neben ihrer eigentlichen Aufgabe. Welches aber ist diese eigentliche Aufgabe der den Menschen den Tod bringenden Kräfte? Diese Aufgabe der den Menschen den Tod bringenden Kräfte ist gerade die, den Menschen zu begaben mit der vollen Fähigkeit der Bewußtseinsseele. Sie sehen, wie innig das Mysterium des Todes gerade mit der Entwickelung des fünften nachatlantischen Zeitraums zusammenhängt, wie bedeutsam es ist, daß in diesem fünften nachatlantischen Zeitraum allgemein das Mysterium des Todes enthüllt werde. Denn es sind eben die Kräfte, die in ihrer Nebenwirkung dem Menschen den Tod bringen, die eigentlich dazu bestimmt sind, dem Menschen einzupflanzen, einzuimpfen in seinen Werdegang gerade die Fähigkeit, ich sage die Fähigkeit, nicht die Bewußtseinsseele, sondern die Fähigkeit der Bewußtseinsseele. Das führt Sie nicht nur zur Erfassung des Todesmysteriums, sondern es führt Sie auch dahin, in wichtigen Dingen exakt zu denken. Das heutige Denken ist in vieler Beziehung - das ist wieder keine Kritik, sondern eine Charakteristik -, wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf, aber er ist treffend, eben einfach schlampig. Das heutige Denken insbesondere in der landläufigen Wissenschaft ist fast durchweg so, wie wenn man sagen würde, die Lokomotive hat die Aufgabe, die Schienen kaputt zu machen. Denn, was in der heutigen Wissenschaft meistens gesagt wird über das eine oder das andere, das ist von dieser Qualität. Es ist von der Qualität, mit der man eben nicht auskommen wird, wenn man einen der Menschheit heilsamen Zustand für die Zukunft herbeiführen will. Und der kann ja im Zeitalter der Bewußtseinsseele nur in voller Bewußtheit herbeigeführt werden. Man muss es immer wieder betonen, dass dies eine tiefe Zeitwahrheit ist. Man hört es ja immer wieder und wieder, dass da oder dort Leute auftauchen, welche aus einer scheinbar tiefbegründeten Weisheit heraus die einen oder die anderen sozialwirtschaftlichen Vorschläge machen, immer aus dem Bewußtsein heraus, dass man heute noch sozialwirtschaftliche Vorschläge machen kann ohne die Zuhilfenahme der Geisteswissenschaft. Nur derjenige denkt heute zeitgemäß, der da weiß, dass alles, was versucht wird zu sagen über irgendeine soziale Konfiguration der Menschheit gegen die Zukunft hin, ohne die Grundlage der Geisteswissenschaft Quacksalberei ist. Nur der, der dieses voll erfasst, der denkt zeitgemäß. Wer heute noch hört auf allerlei Professorenweisheiten aus der Sozial-Ökonomie, die auf dem Boden einer geistlosen Wissenschaft stehen, der verschläft seine Zeit." [16]

Wesen des Bösen; Kräfte des Geistselbstes, des Lebensgeistes und des Geistesmenschen; der Mensch muss durch die Bewußtseinsseele gehen, wenn er in seiner Art die Kräfte des Geistselbstes, des Lebensgeistes, des Geistesmenschen aufnehmen will: "Indem ich so gefragt habe und so gesprochen habe über das Mysterium des Todes, das heißt über die Kräfte, die im Weltenall wirksam sind als den Menschen den Tod bringende Kräfte, kann ich auch in einer gleichen methodischen Weise hindeuten auf die Kräfte des Bösen. Auch diese Kräfte des Bösen, sie sind nicht solche, von denen man sagen kann, sie bewirken innerhalb der menschlichen Ordnung die bösen Handlungen. Das ist wiederum nur eine Nebenwirkung. Wenn es die Kräfte des Todes nicht gäbe im Weltenall, so würde der Mensch die Bewußtseinsseele nicht entwickeln können, er würde nicht entgegennehmen können in seiner weiteren Erdenentwickelung, so wie er sie entgegennehmen soll, die Kräfte des Geistselbstes, des Lebensgeistes und des Geistesmenschen. Der Mensch muss durch die Bewußtseinsseele gehen, wenn er in seiner Art die Kräfte des Geistselbstes, des Lebensgeistes, des Geistesmenschen aufnehmen will. Dazu muss er die Kräfte des Todes im Laufe des fünften nachatlantischen Zeitraums, also bis in die Mitte des vierten Jahrtausends hinein, vollständig mit seinem eigenen Wesen verbinden. Das kann er. Aber er kann nicht in der gleichen Weise die Kräfte des Bösen mit seinem eigenen Wesen verbinden. Die Kräfte des Bösen sind im Weltenall, im Kosmos so geartet, dass der Mensch sie in seiner Entwickelung erst während der Jupiterperiode so aufnehmen kann, wie er jetzt die Kräfte des Todes aufnimmt. Man kann also sagen: Mit einer geringeren Intensität, bloß einen Teil seines Wesens ergreifend, wirken die Kräfte des Bösen auf den Menschen. - Will man eindringen in das Wesen dieser Kräfte des Bösen, dann darf man nicht auf die äußeren Folgen dieser Kräfte sehen, sondern dann muss man das Wesen des Bösen da aufsuchen, wo es in seiner eigenen Wesenheit vorhanden ist, wo es so wirkt, wie es wirken muß, weil die Kräfte, die als das Böse im Weltenall figurieren, auch in den Menschen hereinspielen. Und da beginnt eben das, was man nur mit einer tiefen Bewegung sagen kann, was man nur sagen kann, wenn man zugleich die Voraussetzung erhebt, dass diese Dinge wirklich mit dem allertiefsten Ernste aufgenommen werden. Wenn man das Böse im Menschen suchen will, so muss man es suchen nicht in den bösen Handlungen, die innerhalb der menschlichen Gesellschaft vollzogen werden, sondern man muss es suchen in den bösen Neigungen, in den Neigungen zum Bösen. Man muss zunächst ganz abstrahieren, ganz absehen von den Folgen dieser Neigungen, die bei dem einen Menschen mehr oder weniger eintreten, man muss den Blick hinrichten auf die bösen Neigungen. Und dann kann man fragen: Bei welchen Menschen wirken die bösen Neigungen innerhalb der fünften nachatlantischen Periode, in der wir drinnen stehen, jene Neigungen, die, wenn sie in ihrer Nebenwirkung zum Ausdrucke kommen, eben in den bösen Handlungen so anschaulich sich darleben, bei welchen Menschen wirken die bösen Neigungen? ... Und wir tun am besten, wenn wir zunächst einmal hinsehen auf das, was werden soll aus jenen Kräften, die uns in ihrer Karikatur entgegentreten in den bösen Handlungen der Menschen; wenn wir uns fragen, was unter dem Einfluss dieser Kräfte, die zu gleicher Zeit die Kräfte für die bösen Neigungen sind, in der Entwickelung der Menschheit geschehen soll." [17]

Das künstlerische Schaffen und Genießen fast auf allen Zweigen des Künstlerischen in einer Verfallsperiode; "Es ist ja nicht zu leugnen, wenn man einigermaßen Symptomatologie treibt, wie ich es gefordert habe gerade in diesen Vorträgen, dass das künstlerische Schaffen und Genießen fast auf allen Zweigen des Künstlerischen in einem Verfall ist. Und was alles versucht worden ist gerade in den letzten Jahrzehnten auf künstlerischem Gebiete, muss jedem Empfindenden klar und deutlich zeigen, dass das Künstlerische als solches in einer Verfallsperiode drinnen ist. Das Wichtigste, was von dem Künstlerischen sich weiter fortpflanzen soll in die Entwickelung der Menschheit hinein, das ist dasjenige, was die Menschen an Erziehung für gewisse Auffassungsweisen der Zukunft aus dem Künstlerischen haben können. Sehen Sie, alle Kunst hat etwas in sich - natürlich verästelt sich jeder Kulturzweig in der verschiedensten Weise und er hat dann alle möglichen Nebenwirkungen - , aber alle Kunst hat etwas in sich, was geeignet ist, zu tieferer, konkreterer Menschenerkenntnis zu führen. Wer sich wirklich vertieft in die künstlerischen Formen, die zum Beispiel die Malerei, die Plastik schaffen, oder in das Wesen der inneren Bewegungen, die durch Musik und Dichtung pulsieren, wer sich da hinein vertieft, wer Kunst wirklich innerlich erlebt - das tun oftmals die Künstler selber nicht in der heutigen Zeit-, wer Kunst wirklich innerlich erlebt, der durchdringt sich mit etwas, was ihn befähigt, den Menschen nach einer gewissen Richtung, nach der Richtung der menschlichen Bildnatur aufzufassen. Denn das wird es sein, was in diesem Zeitalter der Bewußtseinsseele über die Menschheit kommen muss: den Menschen bildhaft auffassen zu können. Sie haben schon einiges gehört über die Elemente zu diesem bildhaften Auffassen. Sieht man hin auf den Menschen und sieht sein Haupt, so weist es einen zurück in die Vergangenheit. Wie der Traum aufgefasst wird als eine Reminiszenz des äußeren sinnenfälligen Lebens und dadurch seine Signatur erhält, so wird für den, der die Dinge der Wirklichkeit durchschaut, alles äußere Sinnenfällige wiederum Bild eines Geistigen. Das geistige Urbild des Mensrehen müssen wir durchschauen lernen durch seine Bildnatur. Durchsichtig gewissermaßen wird gegen die Zukunft hin der Mensch dem Menschen werden. Wie das Haupt geformt ist, wie der Mensch geht, wird mit anderem innerem Anteil und mit anderem innerem Interesse geschaut werden, als es heute noch in den menschlichen Neigungen liegt. Denn man wird den Menschen nur dann seinem Ich nach glauben kennenzulernen, wenn man eine solche Auffassung von seiner Bildnatur hat, wenn man mit dem Grundgefühl vor den Menschen hintreten kann, dass sich dasjenige, was die äußeren physischen Augen vom Menschen sehen, zu des Menschen wahrer geistig-ülbersinnlicher  Wirklichkeit verhält wie das Bild, das auf die Leinwand gemalt ist, zu der Wirklichkeit, die es wiedergibt. Dieses Grundgefühl muss sich ausbilden. Man muss dem Menschen nicht so entgegentreten - das muss man lernen -, dass man in ihm nur empfindet den Zusammenhang von Knochen, Muskeln, Blut und so weiter, sondern man muss den Menschen empfinden lernen als das Bild seines ewigen, geistig-übersinnlichen Wesens. Da geht der Mensch an uns vorüber, und wir würden nicht glauben ihn zu erkennen, wenn dasjenige, was an uns vorübergeht, in uns nicht den Hinblick auferweckte auf das, was er als ein ewiger, übersinnlich-geistiger Mensch ist. So wird man den Menschen sehen. Und man wird den Menschen so sehen können. Denn dasjenige, was man so sehen wird an dem Menschen, wenn man die menschlichen Formen und die menschlichen Bewegungen und alles, was damit zusammenhängt, als Bild des Ewigen erfassen wird, das wird einem warm oder kalt machen, das wird einem mit innerer Wärme oder mit innerer Kälte nach und nach erfüllen müssen, und man wird durch die Welt wandeln, indem man die Menschen sehr intim kennenlernt. Der eine wird einem warm, der andere wird einem kalt machen. Am schlimmsten werden die Leute daran sein, die einem weder warm noch kalt machen. Man wird ein innerliches Erlebnis haben im Wärmeäther, der einen durchdringt im Ätherleib. Das wird der Reflex sein des gesteigerten Interesses, das von Mensch zu Mensch entwickelt werden muss." 

Aber alle diese Kräfte werden mehr innerlich-seelisch sein. Denn dass sie sich voll ausbilden, diese Kräfte, dazu wird die Jupiter-, Venus- und Vulkanperiode da sein. Andeutungen von all dem, seelisch-geistige Andeutungen von all dem fordert aber schon die Erdenentwickelung von den Menschen. Und die gegenwärtige Zeit mit ihrer merkwürdigen katastrophalen Entwickelung ist ein Sträuben der Menschheit gegen dasjenige, was mit solchen Dingen kommen soll, wie ich sie jetzt besprochen habe. Die Menschheit bäumt sich auf, indem in der Zukunft überwunden werden soll alles soziale Sonderbestreben, bäumt sich heute dagegen auf, gerade indem der billige Grundsatz über die ganze Welt hin geschleudert wird, die Menschen sollen sich nach Nationen gruppieren. Was heute geschieht, das ist ein Aufbäumen gegen den gottgewollten Gang der Menschheitsentwickelung, das ist ein Sich- Zerren zum Gegenteil desjenigen, was doch kommen muss. In diese Dinge muss man hineinschauen, wenn man eine Grundlage gewinnen will für das sogenannte Mysterium des Bösen. Denn das Böse ist vielfach eine Nebenwirkung desjenigen, was in die Entwickelung der Menschheit hineingreifen muss. Eine Lokomotive, welche, wenn sie ziemlich weithin fahren soll, auf schlechte Schienen kommt, zerstört die Schienen, kommt selber zunächst nicht weiter. Die Menschheit ist in ihrer Entwickelung zu solchen Zielen hin, wie ich es Ihnen geschildert habe, und die Aufgabe des Bewußtseinszeitalters ist es, so etwas zu erkennen, dass die Menschheit bewußt solchen Zielen entgegenstreben muss. Allein es sind vorläufig recht schlechte Schienen gelegt, und es wird auch noch ziemlich lange dauern, bis bessere Schienen da sein werden, denn man schickt sich vielfach an, die schlechten Schienen durch keineswegs bessere zu ersetzen." [18]

Große Goethe-Ausgabe, die vom Ende der achtziger Jahre an inauguriert worden war durch das Goethe-Archiv in Weimar, das die Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar eingerichtet hatte; in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Weimar gab es die guten Traditionen einer reifen, bedeutungsvollen, inhaltsvollen Kultur, und in dieses traditionelle Goetheanische hinein spielte in Weimar das, was übernommen worden war aus der Liszt-Zeit, aus der Zeit der Romantik: "Dasjenige, was man in Weimar dazumal erleben konnte - verzeihen Sie, wenn ich einige Nuancen persönlicher Art heute gebe, denn ich möchte eben, wie gesagt, die persönliche Anteilnahme an den Impulsen des fünften nachatlantischen Zeitraums charakterisieren - , war so, dass eigentlich gerade dazumal in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Weimar wie durcheinanderzogen die guten Traditionen einer reifen, bedeutungsvollen, inhaltsvollen Kultur, die sich anschloss an dasjenige, was ich Goetheanismus nennen möchte, und in dieses traditionelle Goetheanische hinein spielte dazumal in Weimar dasjenige, was übernommen worden war aus der Liszt-Zeit. Es war dazumal auch schon hineinspielend - da Weimar ja immer durch seine Kunstakademie Kunststadt geblieben ist - dasjenige, was geeignet gewesen wäre, wenn es nicht überströmt worden wäre von etwas anderem, wichtige Anregungen weitgehendster Art zu geben. Denn das Alte kann ja nur dann in gedeihlicher Weise sich fortentwickeln, wenn das Neue hineinströmt und es befruchtet. So dass neben dem Goetheanismus, der ja allerdings ein wenig mumienhaft im Goethe-Archiv sich verkörperte, das schadete aber nichts, man konnte ihn beleben, und ich habe ihn nur immer lebendig aufgefasst, ein modernes Leben auf künstlerischem Gebiete sich entwickelte. Die Maler, die dort lebten, sie hatten alle gewisse Impulse neuester Art. Denjenigen, denen ich nahetrat, war allen anzumerken, welch tiefgehenden Einfluss ein neuer künstlerischer Impuls hatte, wie er zum Beispiel in dem Graf en Leopold von Kalckreuth lebte, der dazumal eine allerdings allzu kurze Zeit gerade das künstlerische Leben von Weimar in einer außerordentlichen Weise befruchtet hat. Es war im Weimarischen Theater auch noch dasjenige vorhanden, was ausgezeichnete, gute alte Traditionen waren. Wenn auch da oder dort das Philistertum hineinmurkste, es waren doch gute alte Traditionen da. Es war dasjenige, was man schon nennen kann eine Art Milieu, in dem gewissermaßen ein Zusammenströmen von allem Möglichen sich abspielte. Dazu kam dann eben gerade das Leben durch das Goethe-Archiv, das später erweitert wurde zu dem Goethe- und Schiller-Archiv. Dieses Leben im Goethe-Archiv war ein solches, daß trotz aller philologischen Unterlagen, die ja dem Geiste der Zeit nach, und namentlich dem Schererschen Geiste nach, der Arbeit im Goethe-Archiv zugrunde lag, dass trotz dieser philologischen Grundlage sich doch ein gewisses reges Hineinleben in bessere Impulse der neueren Zeit geltend machen ließ, vor allen Dingen dadurch, dass gewissermaßen durch das Goethe- Archiv alles strömte an internationaler Gelehrsamkeit. Und wenn auch unter den internationalen Gelehrten, die da kamen von Russland, von Norwegen, von Holland, von Italien, von England, von Frankreich, von Amerika, manches war, was ihnen gewissermaßen schon als das Üble des gegenwärtigen Zeitalters an den Rockschößen anhaftete, so war doch auch immer die Möglichkeit vorhanden, das Abfärben des Besseren gerade an diesem internationalen Gelehrtenpublikum innerhalb Weimars namentlich in jener Zeit, den neunziger Jahren, zu erleben. Man konnte alles mögliche erleben, von jenem amerikanischen Professor, der eine eingehende, sehr interessante Studie über den «Faust» bei uns machte, an den ich mich noch lebhaft erinnere, wie er da saß auf dem Fußboden, die beiden Beine übereinander verschränkt, auf dem Fußboden, weil er das bequemer fand, so neben dem Bücherregal zu sitzen und alles gleich herausfischen zu können, ohne erst zum Stuhl gehen zu müssen, von diesem Professor bis zum Beispiel zu dem polternden Treitschke, den ich einmal bei einem Mittagsmahl traf und der - man musste ihm ja alles auf Zettel schreiben, weil er nicht hörte - von mir zu wissen verlangte, woher ich käme. Und als ich ihm antwortete, dass ich aus Österreich käme, sagte er darauf gleich, in seiner Art charakterisierend - man weiß, wie man Treitschkes Art zu nehmen hat - : Nun, aus Österreich kommen entweder sehr gescheite Leute oder Schufte! - Man hatte nun die Wahl, entweder zu dem einen oder zu dem andern sich zu rechnen. Aber ich könnte Ihnen unendliche  Variationen dieses Themas des Hereinspielens des Internationalen in das Weimarische Getriebe hier vorerzählen. Manches lernte man auch dadurch recht genau kennen, daß ja auch Leute kamen, die bloß mehr oder weniger eben anschauen wollten, was sich erhalten hat, was geblieben war aus der Goethe-Zeit. Es kamen auch andere Leute, bei denen man ein reges Interesse hatte namentlich für die Art und Weise, wie sie dem Goetheanismus nähertreten wollten
und so weiter. Man braucht nur zu erwähnen, dass in Weimar ja auch Richard Strauß seine Anfänge durchgemacht hat, die er dann so sehr verschlimmbessert hat. Aber dazumal gehörte er tatsächlich zu denjenigen Elementen, bei denen man das musikalische Streben der neueren Zeit in der, ich möchte sagen, anmutigsten Weise kennenlernen konnte. Denn Richard Strauß war in seiner Jugend ein reger Geist, und ich gedenke noch mit vieler Liebe an jene Zeit, als Richard Strauß immer wieder und wieder kam und einen der anregenden Sätze aufgefangen hatte, die in den Gesprächen Goethes mit seinen Zeitgenossen zu finden sind. Die Gespräche Goethes mit seinen Zeitgenossen sind von Woldemar Freiherr von Biedermann herausgegeben. Da sind wirklich Goldkörner von Weisheit zu finden. Das alles, um Ihnen das Milieu des damaligen Weimar, insofern ich Anteil nehmen konnte, zu charakterisieren. Immerzu kam wiederum eine vornehme Gestalt, bewahrend die Tradition der allerbesten Zeit, ganz abgesehen von allem Fürstlichen, in das Goethe- und Schiller-Archiv, der damalige Großherzog von Weimar, Karl Alexander, der nur als Mensch genommen zu werden brauchte, um ihn lieb zu haben, um ihn zu schätzen. Er war ja auch etwas von einer lebendigen Tradition, denn er war 1818 geboren, hatte also noch vierzehn Jahre hindurch in Weimar die Jugend-, die Knabenzeiten gemeinschaftlich mit Goethe verlebt. Es war etwas von einem außerordentlichen inneren Charme gerade in dieser Persönlichkeit. Und außerdem konnte man einen wirklich unbegrenzten Respekt gewinnen vor der Art und Weise, wie diese Oranierin, die Großherzogin Sophie von Sachsen, den Goethe-Nachlass pflegte, wie sie sich widmete allen Einzelheiten, die eingerichtet wurden, um den Goethe-Nachlass wirklich zu pflegen. Dass spater an die Spitze der Goethe-Gesellschaft ein gewesener Finanzminister gerufen worden ist, das lag ganz gewiss nicht in den Intentionen, die dazumal in Weimar walteten, und ich glaube, dass eine ganz große Anzahl von Nichtphilistern, die schon dazumal auch mit dem verbunden waren, was man Goetheanismus nennt, es ebenso, im Spaße selbstverständlich, ganz freudig begrüßen würden, dass vielleicht doch etwas Symptomatisches in dem Vornamen jenes gewesenen Finanzministers liegt, der jetzt Präsident der Goethe-Gesellschaft wurde. Er heißt nämlich mit seinem Vornamen Kreuzwendedich." [19]

Der Sozialismus ist verfallen dem Glauben an die unfehlbare materialistische Wissenschaft, an den Positivismus, der gerade die radikalsten Parteien bis zum Bolschewismus hin mit eisernen Fangklammern umgibt und sie hindert, irgendwie ins Reich der Freiheit hereinzukommen; nur unverdauliches Zeug, das den Leuten eben Steine statt Brot gibt: "Aber was dem, was sich als radikale Partei herauferhebt, was schon seine Impulse geltend machen wird auch gegen die ihre Zeit gründlich missverstehenden Nationalisten aller Schattierungen, was diesem Sozialismus fehlt, das ist die Möglichkeit, zu einer Wissenschaft der Freiheit zu kommen. Denn wenn es eine für die Gegenwart wichtige Wahrheit gibt, so ist es die: Von dem Vorurteil des alten Adels, des alten Bürgertums, der alten militaristischen Ordnungen hat sich der Sozialismus freigemacht. Dagegen ist er um so mehr verfallen dem Glauben an die unfehlbare materialistische Wissenschaft, an den Positivismus, wie er heute gelehrt wird. Dieser Positivismus, von dem ich Ihnen zeigen konnte, dass er nichts anderes ist als die Fortsetzung des Beschlusses vom achten ökumenischen Konzil von Konstantinopel, 869, dieser  Positivismus ist dasjenige, welches wie ein unfehlbarer abstrakter Papst gerade die radikalsten Parteien bis zum Bolschewismus hin mit eisernen Fangklammern umgibt und sie hindert, irgendwie ins Reich der Freiheit hereinzukommen. Das ist auch der Grund, warum, auch wenn er noch so sehr sich geltend machen wird, dieser Sozialismus, der nicht begründet ist in der Entwickelung der Menschheit, nichts anderes kann, als vielleicht lange Zeit die Welt erschüttern, aber niemals kann er sie erobern. Dies ist auch der Grund, warum er nicht selber die Schuld hat an dem, was er schon verschuldet hat, sondern warum die anderen die Schuld haben, jene, die ihn nicht zu einem Druckproblem, wie ich gezeigt habe, sondern zu einem Saugproblem werden ließen, werden lassen wollen. ... Man muss die Zeit auch an ihren bedeutungsvollen Symptomen erfassen. Man soll ja nicht glauben, dass das moderne Proletariat nicht nach geistiger Nahrung drängt. Es drängt furchtbar und intensiv darnach. Aber die Nahrung, die geboten wird, sie ist zum Teil diejenige, auf die ohnedies das moderne Proletariat schwört, nämlich die positivistische Wissenschaft, die materialistische Wissenschaft, oder zum Teil ist es unverdauliches Zeug, das den Leuten eben Steine statt Brot gibt." [20]
 
 

6. Geschichtliche Symptomatologie VI; Blüte des mitteleuropäischen Geisteslebens Ende des 18., Beginn des 19. Jahrhunderts, was in die moderne Menschheit hineingekommen ist, von Lessing angefangen, durch Schiller, Goethe, den deutschen Idealismus, durch die deutschen Romantiker, und was als Goetheanismus bezeichnet werden kann; Linné, Spinoza, Shakespeare; die gewaltige geistige Welle, die mit dem Goetheanismus aufgeworfen war, ist eigentlich vollständig unverstanden geblieben; Universitas litterarum; Solowjow, der größte Philosoph des russischen Volkes; Goetheanismus vergleichbar mit dem russischen Christentum im Sinne des russischen Philosophen Solowjow; Athanasius und Karl der Große; Arianismus lebt im russischen Christus-Impuls; Kelten als Urkultur Europas; Artus-Sage; das Logenprinzip, das in den Freimaurern seine affenartige Karikatur erzeugt hat; Deismus; Mission des russischen Volkes, nicht des Zaren oder des aktuellen russischen Präsidenten; Kasernen der Wissenschaft

Jesuitentum, inzwischen von Türken unterwanderte Freimaurerlogen, Gymnasialeinrichtungen, nicht nur islamischer Religionsunterricht, fallen heraus aus den wirklichen Kräften, die der Menschenzukunft entgegenführen; was heute «Österreich» genannt wird, sah früher etwas anders aus; es war eben so, dass man zu unterscheiden hatte zwei österreichische Reichshälften: eine Hälfte hieß offiziell nicht Österreich, sondern sie hieß «die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder». Das war die offizielle Bezeichnung für diejenige Hälfte, die diesseits der Leitha liegt, einschließlich Galiziens, Böhmens, Schlesiens, Mährens, Ober- und Niederösterreich, Salzburg, Tirol, Steiermark, Krain, Kärnten, Istrien und Dalmatien. Dann das zweite Gebiet, das waren die Länder der heiligen Stephanskrone; das ist dasjenige, was man im Auslande Ungarn nannte. Zu Ungarn gehörte dann auch Kroatien und Slawonien. "Dann gab es noch seit den achtziger Jahren ein gemeinsames, aber bis zum Jahre 1909 nur okkupiertes, erst später annektiertes Gebiet, Bosnien und die Herzegowina, die beiden Reichshälften gemeinsam waren. ... Das zweite war eine Art Jesuitenkloster. Eigentlich ein richtiges Jesuitenkloster, aber man nannte diese Mönche Liguorianer, es ist eine Abart der Jesuiten. Dieses Kloster war in der Nähe von Frohsdorf. Man sah die Mönche Spazierengehen, man hörte von den Bestrebungen der Jesuiten, hörte dies oder jenes, aber es ging einen auch nichts an. Und man bekam wiederum den Eindruck: Was hat denn das alles eigentlich jetzt noch zu tun mit derjenigen Evolution der Menschheit, die der Zukunft entgegengeht? - An den schwarzen Mönchen bekam man den Eindruck, dass das eigentlich ganz herausfällt aus den wirklichen Kräften, die der Menschenzukunft entgegenführen. Das dritte war eine Freimaurerloge an demselben Orte, in dem ich war, über die der Pfarrer fürchterlich schimpfte, aber die mich natürlich auch nichts anging, denn man durfte ja nicht hinein, nicht wahr. Der Hauswart ließ mich zwar einmal hineinschauen, aber ganz im geheimen. Aber am nächsten Sonntag konnte ich gleich wiederum vom Pfarrer die vernichtendste Rede darüber hören. Kurz, auch das war etwas, was einen nichts anging.Ich war also gut vorbereitet, als ich dann mehr zum Bewußtsein kam, die Dinge auf mich wirken zu lassen, die einen eigentlich nichts angehen. Innerhalb meiner eigenen Entwickelung - und das ist ja dasjenige, was mich dann zum Goetheanismus, so wie ich ihn auffasse, eigentlich geführt hat - halte ich es für sehr bedeutsam und durch mein Karma gut inszeniert, möchte ich sagen, daß, während mein innerstes Interesse für die geistige Welt ganz früh da war, auch mein Leben ganz früh in der geistigen Welt verlief, ich nicht hingedrängt wurde durch die äußeren Verhältnisse zu dem, was Gymnasialstudium ist. Alles dasjenige, was man sich durch das Gymnasialstudium aneignet, eignete ich mir ja erst später durch eigenes Lernen an. Das Gymnasium in Österreich ist eigentlich damals nicht schlecht gewesen. Es ist nur seit den siebziger Jahren immer schlechter und schlechter geworden und es nähert sich jetzt schon seit Jahren in bedenklicher Weise den Gymnasialeinrichtungen anderer, benachbarter Staaten, aber dazumal war es nicht besonders schlecht. Aber dennoch würde ich mir heute nicht gratulieren können, wenn ich dazumal etwa auf das Gymnasium in Wiener-Neustadt geschickt worden wäre. Ich bin auf die Realschule geschickt worden, und damit kam ich hinein in das, was vorbereitete zu einem modernen Denken, was vor allen Dingen vorbereitete, einen inneren Zusammenhang zu bekommen mit naturwissenschaftlicher Gesinnung. Dieses Zusammengehen mit naturwissenschaftlicher Gesinnung, das war namentlich dadurch möglich, dass gerade die einzelnen besseren Lehrer der österreichischen Realschule, die dazumal im wirklich modernsten Sinne eingerichtet wurde, dass die besten Lehrer - es waren immer ihrer wenige - eigentlich diejenigen waren, die irgendwie mit dem modernen naturwissenschaftlichen Denken zusammenhingen. Bei uns in Wiener-Neustadt war es nicht einmal durchweg so. In den unteren Klassen - und in den österreichischen Realschulen hatte man nur in den unteren vier Klassen einen Religionsunterricht - hatten wir einen Religionslehrer, der ein sehr gemütlicher Mann war, der uns durchaus nicht zu irgendwelchen Frömmlingen zu erziehen geeignet war. Er war katholischer Priester, und dass er uns nicht gerade zu Frömmlingen zu erziehen geeignet war, dafür sorgte schon die Tatsache, dass drei kleine Buben - von denen die ganze Welt sagte, dass sie seine Söhne sind - jedesmal, wenn er unsere Anstalt verließ, ihn abholten. Aber ich schätze den Mann heute noch außerordentlich wegen all desjenigen, was er in der Klasse gesagt hat außerhalb des eigentlichen Religionsunterrichtes. Den erteilte er in der Weise, dass er einen aufrief und einen ein paar Seiten aus dem Buche lesen ließ, und dann bekam man das auf; man wußte nicht, was drinnensteht, man sagte es auf, bekam dann eine ausgezeichnete Note. Aber man verschlief selbstverständlich die Sache, die darinnenstand. Was er außerhalb der Klasse sagte, war manchmal ein schönes, weckendes Wort, war vor allen Dingen sehr gemütvoll und nett." [21]

Klerikaler Katholizismus, Protestantismus und klerikaler Islam; die, die meinen, dass ihr Glaube, ihre Religiosität aufrichtig und ehrlich sei, die stecken in einer ungeheuren Lebensillusion, in einer furchtbaren Lebenslüge sogar, ohne dass sie es wissen, denn diese Lebenslüge zersetzt das seelische Innere: "Dieser klerikale Katholizismus in der Form, wie er in Westösterreich lebt, ist ja im wesentlichen ein Produkt der sogenannten Gegenreformation. Es ist das Produkt jener Politik, welche man doch nur bezeichnen kann als die Habsburgische Hausmachtpolitik. Protestantische Ideen und Impulse haben sich ja auch in Österreich ziemlich stark ausgebreitet, allein die Zeiten des Dreißigjährigen Krieges und alles, was damit zusammenhängt, haben es den Habsburgern möglich gemacht, eine Gegenreformation in Szene zu setzen und tatsächlich - bitte, ich nehme mich wieder aus - über das durchaus in seiner Anlage außerordentlich intelligente österreichisch-deutsche Volk diese furchtbare Finsternis auszubreiten, welche ausgebreitet werden muss, wenn man den Katholizismus gerade in derjenigen Form irgendwie verbreitet, in der er da herrschend wurde durch die Gegenreformation. Dadurch kommt ein furchtbar äußerliches Verhältnis zu allem Religiösen in den Menschen hinein. Am glücklichsten sind noch diejenigen, welche sich bewußt werden dieses äußerlichen Verhältnisses zum Religiösen. Diejenigen, die sich dessen nicht bewußt werden, die da meinen, dass ihr Glaube, ihre Religiosität aufrichtig und ehrlich sei, die stecken in einer ungeheuren Lebensillusion, in einer furchtbaren Lebenslüge sogar, ohne dass sie es wissen, denn diese Lebenslüge zersetzt das seelische Innere." [22]

Blüte des mitteleuropäischen Geisteslebens Ende des 18., Beginn des 19. Jahrhunderts, was in die moderne Menschheit hineingekommen ist, von Lessing angefangen, durch Schiller, Goethe, den deutschen Idealismus, durch die deutschen Romantiker und so weiter, und was in seinem weiteren Umfange doch als Goetheanismus bezeichnet werden kann; es gab für Goethe nichts Gleichgültigeres in seiner ganzen Entwicklung als katholisch oder protestantisch sein; Luther hat einen Einfluss gleich Null auf Goethe, auf Goethe aber hatte Einfluss Linné, hatte Einfluss Spinoza, hatte Einfluss Shakespeare: "Dieser Goetheanismus - und ich rechne dazu alles dasjenige, was sich dazumal an die Namen Schiller, Lessing, Herder und so weiter noch knüpft, auch an die deutschen Philosophen -, alles das steht ja in einer merkwürdigen Isolierung in der Welt überhaupt da. Diese Isolierung, in der es in der Welt dasteht, die ist außerordentlich bezeichnend für die ganze Entwickelung der neueren Menschheit. Denn diese Isolierung, die veranlasst denjenigen, der nun mit Ernst an diesen Goetheanismus herangehen will, ein wenig nachdenklich, nachsinnend zu werden. Sehen Sie, wenn man zurückgeht, kann man sich fragen: Was ist eigentlich in die Welt gebracht worden von Lessing bis zu den deutschen Romantikern, über Goethe hinaus, ungefähr bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, und wie hängt das, was da in die Welt gebracht worden ist, zusammen mit der vorgängigen geschichtlichen Entwickelung? - Nun wird nicht zu leugnen sein, dass innig zusammenhängt mit mitteleuropäischer geschichtlicher Entwickelung die Entstehung des Evangelischen aus dem Katholischen. Nicht wahr, wir sehen auf der einen Seite, wie sich innerhalb Mitteleuropas, zum Beispiel im Deutschen Reich - für Österreich habe ich ja dieselben Erscheinungen schon besprochen - dasjenige erhalten hat, was ich hier charakterisiert habe als den römisch-katholischen Universalimpuls, der in Österreich so äußerlich, wie ich es charakterisiert habe, in Deutschland noch innerlicher, viele Seelen eben gefangen hält. Denn es ist ein großer Unterschied zwischen einem österreichischen Katholiken und auch nur einem bayrischen Katholiken, wenn man wirklich auf solche Unterschiede hinschauen kann. Davon ist also vieles geblieben, was in weite, zurückgelegene Jahrhunderte geht. Dann hat hineingeschlagen in diese katholische Kultur die evangelische Kultur, sagen wir die Luther-Kultur, die in der Schweiz die andere Form des Zwinglianismus und Calvinismus und so weiter angenommen hat. Nun sind vom Luthertum wiederum viele, viele Menschen innerhalb des sogenannten deutschen Volkes, namentlich des reichsdeutschen Volkes abhängig. Wenn man aber die Frage auf wirft: Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Goetheanismus und zwischen dem Luthertum? - dann bekommt man die merkwürdige Antwort, dass da eigentlich gar kein Zusammenhang besteht. Gewiss, äußerlich hat sich Goethe auch mit Luther beschäftigt, sich auch mit dem Katholizismus äußerlich beschäftigt. Aber wenn man fragt nach dem inneren Seelenfermente in Goethe, so kann man nur sagen: Es gab für ihn nichts Gleichgültigeres in seiner ganzen Entwicklung als katholisch oder protestantisch sein. ...So hat man in alledem, was zum Goetheanismus gehört - ich rechne da alles dies dazu -, auch in dieser Beziehung ein völlig Isoliertes. Und wenn man nach der Natur, nach der Wesenheit dieses Isolierten fragt, so bekommt man eigentlich zur Auskunft, dass es herauskristallisiert ist aus allen möglichen Impulsen gerade des fünften nachatlantischen Zeitalters. Luther hat einen Einfluss gleich Null auf Goethe, auf Goethe aber hatte Einfluss Linné, hatte Einfluss Spinoza, hatte Einfluss Shakespeare. Und wenn man nach Einflüssen bei Goethe eben fragen will: nach Goethes eigenem Bekenntnis haben diese drei Persönlichkeiten den allergrößten Einfluss auf seine Seelenentwickelung genommen. So hebt sich der Goetheanismus als isolierte Erscheinung heraus. Und das ist, was macht, dass wiederum dieser Goetheanismus wirklich dem ausgesetzt war, was man als Unmöglichkeit bezeichnen kann, populär zu werden. Denn, nicht wahr, die alten Erscheinungen bleiben; in den breiten Massen wurde nicht einmal der Versuch gemacht, Lessingsche, Schillersche, Goethesche Ideen irgendwie gangbar zu machen, geschweige denn etwa Gefühle und Empfindungen dieser Persönlichkeiten gangbar zu machen. Dagegen lebten wie antediluvianisch fort auf der einen Seite veralteter Katholizismus, auf der anderen Seite veralteter Lutherismus." 

Die gewaltige geistige Welle, die mit dem Goetheanismus aufgeworfen war, ist eigentlich vollständig unverstanden geblieben, total unbekannt bei den Professoren der Literaturgeschichte, stattdessen interessieren sich die Philister für Kant: "Sehen Sie, Sie können die Literatur der Kriegsphilister seit Jahrzehnten lesen, und Sie werden innerhalb dieser Literatur immer wieder und wiederum Kant zitiert rinden. In den letzten Wochen haben sich zahlreiche dieser Kriegsphilister in Friedensphilister verwandelt, da es vom Krieg zum Frieden herübergeht. Das will ja nichts Besonderes besagen, wesentlich ist, dass sie Philister geblieben sind, denn selbstverständlich ist der Stresemann von heute kein anderer, als der Stresemann von vor sechs Wochen. Heute ist es natürlich wiederum üblich, Kant als den Mann der Friedensphilister zu zitieren. Das ist außerhalb der Wirklichkeit. Die Leute haben kein Verhältnis zu dem, wovon sie vorgeben, dass sie geistig gespeist werden. Das ist etwas, was zum Charakteristischesten in der Gegenwart gehört. Und so konnte eben die bemerkenswerte Tatsache auftreten, dass eine ganz gewaltige geistige Welle, die mit dem Goetheanismus aufgeworfen war, eigentlich vollständig unverstanden geblieben ist. Das ist der Schmerz, der heute einen befallen kann gegenüber den katastrophalen Ereignissen der Gegenwart, der Schmerz kann einen befallen: Was soll denn werden mit dieser Welle, die eine der allerwichtigsten im fünften nachatlantischen Zeitraum gewesen ist, was soll unter der gegenwärtigen Weltstimmung aus dieser Welle werden? ... Diese Goethe-Impulse sind eigentlich in den allerweitesten Kreisen vollständig unbekannt, unbekannt insbesondere aber, total unbekannt bei den Professoren der Literaturgeschichte, die an den Universitäten über Goethe, Lessing, Herder und dergleichen Vorträge halten, unbekannt bei all den Philistern, die die schrecklichen Goethe-Biographien innerhalb der deutschen Literatur verbrochen haben. Ich konnte mich nur trösten über all das Schauerzeug, welches geschrieben worden ist, gedruckt worden ist über Goethe, durch die Publikationen Schröers und durch das schöne Buch von Herman Grimm, das mir verhältnismäßig sehr frühzeitig in die Hände gekommen ist. Aber Herman Grimm zum Beispiel wird ja durchaus von den Universitätsleuten nicht ernst genommen. Sie sagen, er sei ein Spaziergänger auf dem Gebiet des Geisteslebens, kein ernster Forscher." [23]

Universitas litterarum; Goethe ist in gewisser Beziehung die Universitas litterarum, die geheime Universitas, und der widerrechtliche Fürst auf dem Gebiete des Geisteslebens ist die Universitätsbildung der Gegenwart; die Welt hört sich heute die Schwätzer an auf den verschiedensten Gebieten, man muss schon gar nicht von irgendwelchen politischen Schwätzern sprechen wie Christian Wulff: sogar technische Hochschulen / Universitäten nehmen nun auch schon universitäre Allüren an und machen damit eigentlich schon einen großen Schritt in die Versumpfung, wie sich an der Virologin Prof. Ulrike Prozer von der Technischen Universität München zeigt: "Goethe ist in gewisser Beziehung die Universitas litterarum, die geheime Universitas, und der widerrechtliche Fürst auf dem Gebiete des Geisteslebens ist die Universitätsbildung der Gegenwart. Aber alles Äußere, was Sie erleben, was zu der gegenwärtigen Weltkatastrophe geführt hat, alles dies Äußere ist ja schließlich ein äußeres Resultat dessen, was an den Universitäten gelehrt wird. Da reden die Menschen heute über das oder jenes in der Politik, über diese oder jene Persönlichkeiten, da reden die Menschen darüber, dass der Sozialismus aufgetreten ist, da reden die Menschen über gute und schlechte Seiten der Kunst, da reden die Menschen über den Bolschewismus und so weiter, da fürchten sich die Menschen, dass das oder jenes heraufkomme, da sehen die Menschen an dem einen oder andern Platz den oder jenen stehen, da gibt es Menschen, die vor sechs Wochen das Gegenteil von dem gesagt haben, was sie heute sagen. Alles das gibt es. Woher fließt alles das? Doch schließlich von den Bildungsstätten der Gegenwart! Alles Übrige ist im Grunde genommen sekundäres und sekundärstes Gerede, was nicht aufmerksam darauf wird, dass die Axt an die Wurzel der sogenannten modernen Bildung selbst gelegt werden muss. Was wird es denn nützen, wenn noch so viel da oder dort sogenannte gescheite Ideen entwickelt werden, wenn man nicht einsieht, wo eigentlich der Bruch gemacht werden muss? Ich habe vorhin davon gesprochen, dass mich selber gewisse Dinge nichts angegangen sind. Ich kann Ihnen noch etwas verraten, was mich nichts angegangen ist. Als ich von der Realschule an die Hochschule kam, da hörte ich verschiedene Dinge, ließ mich in verschiedene Dinge inskribieren. Es waren lauter Dinge, die mich nichts angingen, denn nirgends konnte man den Impuls desjenigen verspüren, was wirklich zusammenhängt mit der Evolution unseres Zeitalters. Und ohne albern werden zu wollen - ich habe ja neulich erzählt, wie ich überall herauslanciert worden bin - darf ich sagen, dass ich vor allen Dingen eine gewisse Sympathie hatte für jene Universitas, die der Goetheanismus ist dadurch, dass Goethe im Grunde genommen, indem er durch die Universitätsbildung ging, auch durch etwas ging, was ihn nichts anging in Wirklichkeit. Goethe hat sich blutwenig befasst in Leipzig, in der damaligen Universität im damaligen königlichen Sachsenlande, mit dem, was er da hören konnte, und er hat sich später wiederum in Straßburg blutwenig befasst mit dem, was er da hören konnte. Und dennoch, alles das, selbst das Künstlerischeste des Künstlerischen bei Goethe ruht auf solidem Boden sogar strengster Naturanschauung. Goethe ist wider alles Universitätswesen in die modernsten Impulse auch des Erkennens hineingewachsen. Das ist dasjenige, was man, wenn man von Goetheanismus spricht, nicht aus dem Auge verlieren darf. Das ist dasjenige, was ich in meinen Goethe-Studien und auch in meinem Buche «Goethes Weltanschauung» gerne den Menschen zum Bewußtsein gebracht hätte. Den wirklichen Goethe hätte ich gerne den Menschen zum Bewußtsein gebracht. Nur - es war das Zeitalter nicht dazu da. Es fehlte sozusagen in ganz erheblichem Maße der Resonanzboden. Dass Ansätze dazu da waren, das habe ich neulich erwähnt; sie waren doch in Weimar gegeben, der Boden war in Weimar gewissermaßen dazu gegeben. Aber auf diesen Boden stellte sich nichts Rechtes, und diejenigen, die darauf gestellt waren, lancierten die anderen weg, die auf diesem Boden hätten stehen können. Wäre die neuere Zeit ein wenig von Goetheanismus durchdrungen, sie würde mit Sehnsucht Geisteswissenschaft aufnehmen, denn der Goetheanismus bereitet den Boden für die Aufnahme der Geisteswissenschaft vor. Dann aber würde wiederum dieser Goetheanismus zur Methode für eine wirkliche Gesundung der Menschen der Gegenwart. Ja, man muss nicht oberflächlich das Leben der gegenwärtigen Zeit betrachten! Als ich gestern den Vortrag gehalten hatte in Basel, da musste ich doch denken: Dasjenige, was da zu sagen wäre, ist eigentlich so, dass es heute keinen ehrlichen Wissenschafter geben könnte, der, wenn er sich darauf einlässt, die Sache nicht zugibt. - Wenn er sich darauf einlässt! Was die Sache zurückhält, sind ja nicht logische Gründe, sondern ist jene Brutalität, welche als Brutalität auch auf allen Gebieten der zivilisierten Welt die gegenwärtige Katastrophe herbeigeführt hat. Tief symbolisch selbstverständlich bleibt immer eine solche Tatsache, dass es eine Goethe-Gesellschaft gibt, welche vor einigen Jahren nichts Besseres zu tun hatte, als einen gewesenen, abgewirtschafteten Finanzminister zum Präsidenten zu machen, so richtig ein Symptom für das Außenstehen der Menschen gegenüber dem, was sie glauben, zu verehren. Dieser Finanzminister, der, wie ich neulich schon sagte, vielleicht auch symptomatisch den Vornamen hat «Kreuzwendedich», dieser Finanzminister glaubt ja selbstverständlich in der Lebenslüge, in der er drinnensteht, dass er Goethe verehrt, weil er ja keine Ahnung haben kann, aus der gegenwärtigen Bildung heraus keine Ahnung haben kann, wie fern, wie - man könnte kosmische Entfernungen, Sternenweiten oder so irgend etwas zu Hilfe nehmen, wenn man die Fernigkeit auch nur irgendwie ausmessen würde, in welcher dieser Präsident der Goethe-Gesellschaft selbst zu dem Allerelementarsten des Goetheanismus steht. Dieses Zeitalter war natürlich nicht dazu da, um irgendwie in das Innere des Goetheanismus hineinzuführen. Denn der Goetheanismus ist nichts Nationales, der Goetheanismus ist nichts Deutsches. Gespeist ist, wie ich Ihnen gezeigt habe, dieser Goetheanismus von Spinoza, nun, der war ja schließlich kein Deutscher, von Shakespeare - war ja schließlich kein Deutscher; von Linne - war ja schließlich kein Deutscher. Und Goethe selbst sagt es, dass diese drei Persönlichkeiten von allen Persönlichkeiten auf ihn den größten Einfluss gehabt haben, und er irrt sich darin gewiss nicht. Wer Goethe kennt, weiß, wie gerechtfertigt dies ist. Aber Goethe ist dagewesen - Goetheanismus könnte da sein! Goetheanismus könnte walten in allem menschlichen Denken, könnte walten im religiösen Leben, könnte walten in jedem wissenschaftlichen Zweige, könnte walten in sozialen Ausgestaltungen des menschlichen Zusammenlebens, Goetheanismus könnte walten im politischen Leben, überall könnte der Goetheanismus walten. Und die Welt hört sich heute die Schwätzer an, Eucken oder Bergson, wie sie auf den verschiedensten Gebieten heißen. Ich will schon gar nicht von irgendwelchen politischen Schwätzern sprechen, denn auf diesem Gebiete ist ja in der heutigen Zeit das Eigenschaftswort mit dem Hauptwort fast identisch geworden. ... Und wie schlimm dieses Wesen ist, das zeigt sich heute schon darinnen, dass diejenigen Schulen, die angefangen haben, ein wenig aus dem Natürlichen selbst heraus sich zu entwickeln, die technischen Hochschulen, nun auch schon universitäre Allüren annehmen und damit eigentlich schon einen großen Schritt in die Versumpfung hinein gemacht haben." [24]

Solowjow, der größte Philosoph des russischen Volkes in neuerer Zeit: "Was meint man nun eigentlich damit, wenn man davon spricht, dass da das Christus-Volk entstand? Damit meint man - Sie können das ja alles dann mit der äußeren Geschichte in ihren Symptomen nachprüfen, Sie werden schon sehen, wenn Sie die inneren Vorgänge und nicht die äußeren, oftmals gerade der Wirklichkeit widersprechenden Tatsachen ins Auge fassen, dass das vollständig stimmt; ich habe mich ja in der Einleitung des heutigen Vortrages darüber ausgesprochen, was ich vor das Seelenauge stellen will -, man meint damit, dass da ein Territorium geschaffen worden ist in diesem Osten von Europa, auf welchem immerzu Menschen lebten, welche mit dem Christus-Impuls unmittelbar zusammenhängen, solche Menschen, in deren Seelen in einer gewissen Weise der Christus-Impuls fortwährend hereinträufelt. Der Christus bleibt fortwährend gegenwärtig als eine das Denken dieses Volkes, das Fühlen dieses Volkes durchsetzende innere Aura. Man kann vielleicht keinen stärkeren äußeren Beweis, der aber unmittelbar ein Beweis ist, finden für dieses, was ich eben jetzt gesagt habe, als eine solche Persönlichkeit wie Solowjow, den größten Philosophen des russischen Volkes in neuerer Zeit. Lesen Sie ihn und fühlen Sie, wie trotz all der Eigenschaften, die ich ja von anderen Gesichtspunkten her bei Solowjow besprochen habe, in ihn unmittelbar alles einfließt, was man Christus-Inspiration nennen könnte; wie dieses so stark in seiner Seele wirkt, was Christus-Inspiration ist, dass er sich das ganze Gefüge auch des äußeren sozialen Lebens des Menschen so angeordnet denkt, dass Christus der König ist, der unsichtbare Christus der König ist der menschlichen sozialen Gemeinschaft; dass alles durchchristet ist, dass jede einzelne Handlung, die der Mensch vollführt, eigentlich dadurch getan wird, dass der Christus-Impuls bis in die Muskeln herein sich betätigt. Der reinste, der schönste Repräsentant des Christus-Volkes ist der Philosoph Solowjow."

Goetheanismus im Gegensatz zum Jesuitismus; das Christus-Volk und das Kirchenvolk: "Das Entgegengesetzte wäre, wenn man nicht das, was oben ist, herunterträgt, sondern wenn man versucht, immerzu das, was hier unten ist, hinaufzuheben in die geistige Welt. Beim eigentlichen Christus- Volk ist es wie eine Naturanlage da; bei Solowjow kam es, wenn auch oft stammelnd, zum Ausdruck. Innerhalb des Gebietes des eigentlichen Kirchenvolkes gibt es nun etwas, was diametral entgegengesetzt ist dem Jesuitismus, was unmittelbar in äußeren Herrschaftsverhältnissen, in äußerem Zusammenhange gar nichts haben will von dem Spirituellen, was will, dass der Christus-Impuls immer in die Seelen hereinwirkt, und nur auf dem Umwege durch die Seelen in der äußeren Welt wirkt. Solch ein Impuls würde zwar - weil in der Zeit manches sich so einstellen würde - auftreten innerhalb des Kirchenvolkes; aber er würde immerzu die Evolution so führen wollen, dass das, was spiritueller Christus-Impuls ist, nur in die Seelen hereinwirkt, gewissermaßen esoterisch bleibt, wenn auch im besten, edelsten Sinne esoterisch bleibt. Während der Jesuitismus alles in ein weltliches Königreich umwandeln will, würde diese Weltenströmung alles weltliche Königreich immer nur betrachten als etwas, was zur Not da sein muss auf dem äußeren physischen Plane, was aber die Menschen vereinigt, damit sie in ihren Seelen sich hinaufheben können in die höheren Welten. Dieser diametrale Gegensatz, dieses, was sich zum Jesuitismus polarisch entgegengesetzt verhält, ist nun Goetheanismus. Goetheanismus will das genaue Gegenteil von dem, was Jesuitismus will, und Sie verstehen wiederum von einem anderen Gesichtspunkte aus den Goetheanismus, wenn Sie ihn in dieser polarischen Gegensätzlichkeit zu dem Jesuitismus betrachten. Daher die ewige Feindschaft, welche der Jesuitismus geschworen hat und immer mehr schworen wird dem Goetheanismus. Die können nicht miteinander sein. Das eine weiß vom andern gut Bescheid. Der Jesuitismus weiß gut Bescheid bei Goethe: der Jesuitenpater Baumgartner hat das beste Buch über Goethe geschrieben - selbstverständlich vom jesuitischen Standpunkte aus. Was die verschiedenen deutschen Professoren oder der Engländer Lewes über Goethe geschrieben haben, das sind alles die reinsten Stümpereien gegenüber dem, was der Jesuitenpater Baumgartner in seinen drei Bänden über Goethe geschrieben hat, denn der weiß, warum er schreibt! Es schärft der Blick des Gegners alles dasjenige, was er bei Goethe sieht. Er schreibt auch nicht wie ein deutscher Professor mit mittlerem Bourgeoisverstand, oder gar wie der Engländer Lewes, der einen Menschen schildert, der allerdings 1749 in Frankfurt geboren ist, dieselben Dinge durchgemacht haben soll, die Goethe durchgemacht hat, der aber nicht Goethe ist. Sondern der Jesuit Baumgartner, der schildert mit all dem, was sich in seinen Willen hinein ergossen hat von seinen Meditationen aus. Und so schließt sich in diesem einen Punkt schon etwas, was in die Zukunft hineinspielen soll, der Goetheanismus, mit etwas zusammen, was sich auch unmittelbar an den Zeitpunkt angeschlossen hat, der mit dem 15. Jahrhundert beginnt, der mit der Reformation zum Jesuitismus heraufführt. Das dritte werde ich dann morgen schildern. Ich habe Ihnen heute also das Christus-Volk und das Kirchenvolk geschildert und das dritte, was da hineinspielt, und dann die Wechselwirkung davon, um zu einem inneren Einblick in die neuzeitliche Religionsentwickelung ihren Symptomen nach zu kommen."

Goetheanismus vergleichbar mit dem russischen Christentum im Sinne des russischen Philosophen Solowjow; Wilhelm Meisters Wanderjahre, Goethe tendiert darauf hin, ein spirituelles Verhältnis zwischen der einzelnen Menschenseele und dem Christus-Impuls zu suchen: "Dieser Goetheanismus, sagte ich Ihnen, er versucht die gegenteilige Bewegung hervorzurufen, die etwas ähnlich ist dem russischen Christentum, nämlich: hinaufzuheben dasjenige, was hier auf dem physischen Plane ist, in die geistigen Welten. So dass sich trotz aller Verhältnisse auf dem physischen Plane hier die Seele mit den Impulsen verbindet, die in der geistigen Welt selber gehalten werden, die nicht, so wie innerhalb des Jesuitismus, unmittelbar in die sinnenfällige Wirklichkeit heruntergetragen werden, sondern nur durch die Seele heruntergetragen werden. Goethe hat sich seiner ganzen Art nach wenig oft über seine intimsten Gedanken in diesen Angelegenheiten ausgesprochen. Aber wenn man ihn nach dieser Richtung kennenlernen will, ihn selbst, dann darf man immer wiederum auf jene Stelle im «Wilhelm Meister» verweisen, auf die ich schon in anderem Zusammenhange hingewiesen habe, jene Stelle, wo Wilhelm Meister in das Schloss eines vornehmen Mannes kommt und ihm unter anderen Dingen auch die Bildergalerie gezeigt wird. Die Sache ist so eingerichtet, dass eigentlich diese Bildergalerie darstellt die Welthistorie, und im Grunde genommen innerhalb der Weltgeschichte, der Welthistorie darstellt die religiöse Entwickelung der Menschheit. Also Goethe will eigentlich darstellen - es ist dichterische Darstellung einer großen Idee -, wie Wilhelm Meister durch eine Bildergalerie geführt wird, in welcher gezeigt wird der religiöse Entwicklungsgang der Menschheit. Wilhelm Meister wird durch den Führer bis zu einem gewissen Punkte gebracht: da war die Geschichte gegangen bis zu der Zerstörung Jerusalems, und es vermisste dann Wilhelm Meister, was er dem Führer bemerklich machte, die Darstellung des Lebens, wie er sagt, des göttlichen Mannes, der in Palästina unmittelbar vor der Zerstörung Jerusalems gewirkt hat. Da wurde Wilhelm Meister in ein abgesondertes zweites Gemach geführt, in dem dann gezeigt werden konnte, was im ersten Gemach nicht gezeigt wird. Im ersten Gemach war die Entwickelung der Menschheit durch die Religionen hindurch bis zu der Zerstörung Jerusalems gezeigt. Es war also ausgelassen das ganze Leben, wie es dort heißt, des göttlichen Mannes, des Christus Jesus. Im zweiten Gemach wird ihm gezeigt das Leben des Christus Jesus bis zum Abendmahl. Und nun wird ihm auseinandergesetzt: Ja, sieh einmal, alle die verschiedenen Religionsimpulse bis zu der Zerstörung Jerusalems, welche du im ersten Gemach gesehen hast, die gehen den Menschen an, insofern der Mensch ein Mitglied des Volkes ist, zu dem er gehört. Das ist Volksreligion gewesen, ethnische Religion. Dasjenige aber, was du im zweiten Gemach gesehen hast, das geht den einzelnen an, das spricht zum einzelnen Menschen. Das ist gewissermaßen des Einzelmenschen Privatsache. Das kann man nicht anders als an die Individualität des einzelnen Menschen heranbringen. Das kann nicht Volksreligion sein, das spricht zum Menschen überhaupt. Dann vermisste Wilhelm Meister noch die Geschichte des Christus Jesus vom Abendmahl bis zum Tode und über den Tod hinaus. Da wurde er in ein drittes, ganz geheimes Gemach geführt, wo ihm auch dieses gezeigt wurde. Aber zu gleicher Zeit wurde ihm bemerklich gemacht, dass dies eine so intime Angelegenheit sei, daß man eigentlich kein Recht habe, das so darzustellen, wie es gewöhnlich profaniert dargestellt wird für die äußere Welt. Das müsse zum Allerinnersten des Menschen sprechen. Nun kann man mit Recht bemerken: Was zu Goethes Zeiten noch so ist, dass man die eigentliche Leidensgeschichte des Christus Jesus nicht äußerlich darstellen sollte, es gilt heute nicht mehr. Wir sind seit jener Zeit durch manche andere Entwickelungsphase gegangen. Aber ich möchte sagen: Die ganze Gesinnung Goethes mit Bezug auf diese Sache geht aus dem eben Angeführten hervor. - Er zeigt ganz klar, dieser Goethe, dass er dasjenige, was Christus-Impuls ist, in das Intimste der Seele hereintragen will, dass er es nicht verquicken will mit demjenigen, was äußerlich volksmäßig ist, jedenfalls nicht verquicken will mit der äußeren Struktur, die sich auf dem physischen Plane vollzieht, sondern dass er ein unmittelbares Verhältnis suchen will zwischen der einzelnen individuellen Menschenseele und dem Christus-Impuls. Goethe tendiert darauf hin, ein spirituelles Verhältnis zwischen der einzelnen Menschenseele und dem Christus-Impuls zu suchen. Das ist von einer großen Bedeutung für das Verständnis nicht nur Goethes, sondern auch des Goetheanismus. Denn wenn man so sprechen kann, wie ich in diesen Tagen zu Ihnen gesprochen habe: dass Goethe und der ganze Goetheanismus gegenüber der äußeren Kultur eigentlich isoliert dasteht, so kann man nicht dasselbe sagen mit Bezug auf die fortschreitende Evolution, wenn man die intimeren religiösen Fortschritte der zivilisierten Menschheit ins Auge fasst. Da stellt Goethe doch in einer gewissen Beziehung auch für seine Person dar die Fortsetzung von etwas anderem."  [25]

Athanasius und Karl der Große; Arianismus lebt im russischen Christus-Impuls; Kelten als Urkultur Europas: "Und als dann das Christentum namentlich unter jene Flagge gekommen ist, deren hauptsächlicher Träger Karl der Große war, da wurde alles zum Glaubensbekenntnis des Athanasius gebracht und damit die Hinüberleitung besorgt zu der römischen Papstkirche. Und ein großer Teil der ursprünglichen Völker, Barbarenvölker, Goten, Langobarden und so weiter, ging ja unter; dasjenige, was nicht volksmäßig unterging, wurde dann durch die Athanasianer vertrieben, ausgerottet. Der eigentliche Arianismus lebte sektenmäßig weiter fort, aber er verschwand in unmittelbarer Wirksamkeit als Volksreligion. Nun muss man doch die Frage aufwerfen - zwei Fragen muss man eigentlich auf werfen. Erstens: Was ist denn das eigentlich, dieser Arianismus, gegenüber dem Glaubensbekenntnis des Athanasius? - Und die zweite Frage ist diese: Warum ist er denn innerhalb der europäischen Entwickelung verschwunden, dieser Arianismus, wenigstens für dasjenige, was äußerlich sichtbar in den geschichtlichen Symptomen ist? - Das ist eine außerordentlich interessante Entwickelung. Da kann man nur sagen, auf die Frage, was ist eigentlich der Arianismus? - : er ist gewissermaßen der letzte Ausläufer, die letzte Ranke derjenigen Weltanschauungen, die, wenn sie hinaufblicken wollten zum Göttlichen, noch versuchten, einen Zusammenhang zu finden zwischen der äußeren sinnenfälligen Welt und dem Spirituell-Göttlichen, die noch ein Bedürfnis hatten, wirklich das Sinnenfällige nach oben anzuknüpfen an das Spirituell-Göttliche. Man kann sagen: Im Arianismus lebt in etwas abstrakterer Form noch derselbe Impuls - aber nur als Impuls, nicht als Sakramentalismus und nicht als Kultus - , der im russischen Christus-Impuls lebt. Diese Art des Christus-Impulses, die musste eben gerade aus dem Grunde zurückgeschoben werden, weil sie nicht für die Volker Europas war. Und sie wurde auch ausgerottet von denen, die Athanasianer wurden, aus dem Grunde, weil sie für die Völker Europas nicht war. Wenn man diesen Dingen nähertreten will, muss man schon einmal Rücksicht nehmen auf die ursprünglichen Seelenverfassungen der europäischen Bevölkerungsteile. Sehen Sie, diese ursprüngliche Seelenverfassung derjenigen Bevölkerungsteile, die das römische Reich abgelöst haben, die, wie man sagt - was nicht wahr ist, aber ich kann jetzt nicht die Geschichte rektifizieren -, ins römische Reich eingetreten sind und so weiter, also von denen man nur weiß, dass sie eben das römische Reich abgelöst haben, diese Seelenverfassung der sogenannten germanischen Völker ruht eigentlich ursprünglich auf einem anderen Grunde. Sie kommen von den verschiedensten Seiten her, diese Völker, und vermischen sich mit einer anderen ursprünglichen Bevölkerung Europas, mit einer gewissen Bevölkerung, welche man nicht unrichtig benennt, wenn man sie keltische Bevölkerung nennt. Diese keltische Bevölkerung ist ja da und dort in gewissen Volksteilen heute noch in Resten vorhanden. Heute, wo man alles volksmäßig konservieren will, geht man ja auch darauf aus, das Keltische, wo man es antrifft oder wenigstens anzutreffen sich einbildet, zu konservieren in irgendeiner Weise. Aber man stellt sich das Volksmäßige in Europa nur dann richtig vor, wenn man sich eine Urkultur Europas denkt, die keltisch ist und in die sich dann hineinwenden, hineinentwickeln die anderen Kulturen, germanische, romanische, angelsächsische Kultur und so weiter. Nun, in seiner Ureigenart hat sich das Keltische am längsten erhalten auf den britischen Inseln, namentlich in Wales. Da hat es auch seine Eigentümlichkeit am längsten bewahrt. Und geradeso wie eine gewisse Art der religiösen Empfindung, möchte ich sagen, nach Osten hinüber abgeschoben worden ist, dass das russische Volk zum Christus-Volk wurde, so geschah es durch gewisse Tatsachen, die Sie in jedem Geschichtsbuch ja nachlesen können, wenigstens in manchen Geschichtsbüchern, dass ein gewisser Impuls im Westen, der namentlich von den britischen Inseln ausging, als eine Nachwirkung sich darstellt des alten Keltentums. Nun, diese Nachwirkung des alten Keltentums, die ist es, welche im Westen letzten Endes ebenso die Struktur des religiösen Lebens angegeben hat, wie diejenigen Dinge, die ich für den Osten und für Mitteleuropa angegeben habe. Man muss, wenn man diese Dinge einsehen will, darauf Rücksicht nehmen: Was waren eigentlich die Kelten für ein Volk? - Sie differenzierten sich in vieler Richtung, aber sie hatten einen gewissen gemeinsamen Zug. Und dieser gemeinsame Zug war der, daß sie in ihrem Seelenleben wenig Interesse hatten für den Zusammenhang zwischen Natur und Menschheit. Sie stellten den Menschen in einer gewissen Weise isoliert von der Natur vor ihre Seele hin. Sie interessierten sich für alles Menschliche, aber nicht, wie der Mensch nun vereinigt ist mit der Natur, wie der Mensch zusammen ist mit der Natur. Während man zum Beispiel im Orient, wo der volle Gegensatz sich entwickelt hat gegenüber dem Keltentum, den Zusammenhang des Menschen mit der ganzen Welt, also auch mit der Natur, durch und durch immer fühlt, den Menschen gewissermaßen herauskommen fühlt aus der Natur, wie ich das bei Goethe auch dargestellt habe, hatte der Kelte wenig Sinn für den Zusammenhang der menschlichen Natur mit der übrigen, mit der kosmischen Natur. Dagegen hatte er einen gewissen starken Sinn für das Zusammenleben in der sozialen Gemeinschaft, aber so, dass alles dieses Zusammenleben bei den alten Kelten darauf gestellt war, dass Befehlende und Beherrschte da waren, dass Führer und Geführte da waren. Das ist das Wesentliche, das antidemokratische, das aristokratische Element. Das ist etwas, was eigentlich zurückgeht für Europa bis auf die alte Keltenzeit. Und organisiertes aristokratisches Element, das ist da das Wesentliche, organisiertes aristokratisches Element. Nun gibt es, ich möchte sagen, eine gewisse Blüte dieses aristokratischen keltischen Königstum-Elementes. Der König, der der Führer ist, der um sich herum organisiert seine Hilfsführer und so weiter, das wächst aus dem Keltentum heraus. Und gewissermaßen als der letzte solcher Führer, der in seinen eigenen Intentionen noch auf die ursprünglichen Impulse baute, als der letzte gilt dann der König Artus mit seiner Tafelrunde in Wales, mit seinen zwölf Rittern, von denen erzählt wird - was ja natürlich nicht buchstäblich genommen werden darf -, dass sie Ungeheuer zu erlegen, Dämonen zu besiegen hatten. All das weist noch hin auf die Zeit alten Zusammenlebens mit der geistigen Welt."

Artus-Sage; das Logenprinzip, das in den Freimaurern seine affenartige Karikatur erzeugt hat, ist innerlich verwandt ist mit dem Jesuitismus, Aufklärung, Deismus: "Für Mitteleuropa hat sich das ineinandergeschoben. Für das britische Westeuropa und später auch für Amerika blieb aber ein gewisser Rest der alten Gesinnung, wie sie in dem Fürstentume, in dem aristokratischen Elemente war, in dem, was das Gesellschaftliche organisiert, das Geistige hineinzieht in das Gesellschaftliche. Dass das Geistige hineinbezogen gedacht wurde im Gesellschaftlichen, das sehen Sie ja dann an der Artus-Sage, indem erzählt wird, daß die Ritter der Artus-Tafelrunde Ungeheuer zu besiegen, Dämonen zu bekriegen hatten und so weiter. Das Geistige also spielte da hinein, spielte so hinein, dass man das nur pflegen kann, wenn man nicht dekretiert, sondern wenn man es zur Natur macht, wenn man es organisiert. Und so kam es, dass, währenddem durch Mitteleuropa das Kirchenvolk sich entwickelte, gegen Westen hin, namentlich gegen die englischsprechende Bevölkerung hin dasjenige entstand, was man nun nennen kann, um eine dritte Benennung für diesen Strom zu haben, das Logenvolk, oder die Logenvölker, wo ein gewisser Zug dazu ursprünglich vorhanden war, Gesellschaften zu bilden, in den Gesellschaften zu erzeugen die Gesinnung der Organisation. Die Organisation hat letzten Endes nur einen Wert, wenn sie durch geistige Mittel gemacht wird, ohne daß der andere sie bemerkt; sonst muss man eben dekretieren. Dekretiert wurde in Mitteleuropa; logenmäßige Herrschaft wurde mehr in dem versucht, was sich dann als Fortsetzung des Keltentums in der englischsprechenden Bevölkerung ausbildete. So dass das Logenvolk oder die Logenvölker entstanden, die im wesentlichen eigentlich in sich bemerkbar dasjenige haben, was nicht die ganze Menschheit organisiert, sondern gesellschaftsmäßig zusammenfasst, ordensmäßig zusammenfasst. Das ordensmäßige Zusammenfassen liegt in dieser Fortsetzung desjenigen, was sich an die Artus-Sage anknüpft. Es ist so, dass im weltgeschichtlichen Leben immer die Dinge sich ineinanderschieben. Niemals kann man eine Entwickelung verstehen, wenn man nur sich vorstellt, dass das Folgende aus dem Vorhergehenden auf geradlinigem Wege entsteht. Die Dinge schieben sich in der Entwickelung ineinander. Und so ist es eine merkwürdige Tatsache, dass in bezug auf die menschliche Vorstellungsart, in bezug auf alles dasjenige, was wirkt in der menschlichen Seele, dieses Logenprinzip - das ja dann in den Freimaurern seine affenartige Karikatur erzeugt hat -, dieses Logenartige nun wiederum innerlich verwandt ist mit dem Jesuitismus. So dass, wie feindlich auch, wie spinnefeind, wenn ich mich des trivialen Ausdrucks bedienen darf, der Jesuitismus diesem Logentum ist - das wissen Sie ja, es da doch, in bezug auf die Form des Vorstellens, eine ungeheure Ähnlichkeit gibt. Und in Ignatius von Loyola hat ganz gewiss zu dem, was er gewirkt hat, was er als Großartiges geschaffen hat, ein keltisches Blutelement mitgewirkt, das in seinen Adern floss. Nun sehen Sie: Im Osten ist das Christus-Volk entstanden; das hat den fortlaufenden Christus-Impuls. Für den östlichen Menschen ist es ganz selbstverständlich, indem er lebt, dass in seine Seele fortwährend etwas einfließt, was der Christus-Impuls ist. Für das Kirchenvolk der mittleren Länder hat sich das abgestumpft oder abgelähmt, indem der Christus-Impuls an den Anfang unserer Zeitrechnung verlegt worden ist und später an ihn angeschlossen wurde Dekretierung, staatliche Dekretierung und traditionelle und prinzipiengemäße Fortpflanzung. Im Westen, im Logensystem, wurde der Christus-Impuls überhaupt fraglich, zunächst ganz fraglich; da wurde er noch weiter abgelähmt. Und so entwickelte sich dann aus den Vorstellungsformen, die ursprünglich wirklich auf diesen Logenimpuls zurückgehen, der aus dem Keltentum kommt, der der letzte Nachzügler des Keltentums ist, das heraus, was man die moderne Aufklärung nennt mit dem Deismus."  [26] 

Aufklärungs-Deismus z.B. bei Harnack;; Parallelströmung, Goetheanismus, Grals-Strömung "Nun schlägt in der wirklichen äußeren Entwickelung immer das eine in das andere hinein. Natürlich, in der Wirklichkeit wirkt das eine auf das andere, durch die anderen; es schlägt immer das eine in das andere hinein. Nicht wahr, wenn Sie mich zum Beispiel jetzt fragen: Wer gehört ins Logenvolk hinein, wer gehört diesem Aufklärungs- Deismus an? - ja, da ist es merkwürdigerweise so gekommen, dass ein reinster Typ dieses Aufklärungs-Deismus der Harnack in Berlin ist! Der ist ein viel reinerer Typ als irgendeiner, den man jenseits des Kanals finden kann. Das mischt sich alles durcheinander im modernen Leben. Aber will man die Dinge verstehen, will man sie in ihren Ursprüngen verfolgen, dann darf man eben nicht bei Äußerlichkeiten stehenbleiben, sondern dann muss man sich klar sein darüber, dass es so zusammenhängt, dass die dritte Evolutionsströmung, die sich mit dem Volkstümlichen zusammenkoppelt, eben hineingeht in das, was ich Ihnen jetzt hier dargestellt habe. Aber es ist immer vorhanden, weil ja die anderen Evolutionsströmungen auch da sind, die Reaktion, das Anstürmen der Bewußtseinsseele gegen dieses Volksmäßige. Und das tritt in den verschiedensten Punkten zutage. Das stürmt, ich möchte sagen, von diesem oder jenem Zentrum auf. Und ein solches Aufstürmen, das ist auch der Goetheanismus, der eigentlich mit all dem, was ich jetzt geschildert habe, nichts zu tun hat, und doch wiederum mit allem sehr viel zu tun hat, von der einen oder von der anderen Seite betrachtet. Denn es entwickelt sich früh als eine Parallelströmung zu dem, was ich Ihnen als Artus-Strömung geschildert habe, die Grals- Strömung; die Grals-Strömung, die der genaue Gegensatz der Artus-Strömung ist. Die Grals-Strömung entwickelt sich so, dass derjenige, der den Tempel des Gral besuchen will, unzugängliche Wege zu gehen hat, sechzig Meilen lang, dass der Tempel ganz im Verborgenen liegt, dass man dort überhaupt nichts erfährt, wenn man nicht fragt. Kurz, diese ganze Grals-Stimmung ist die des Verbindung-Herstellens zwischen dem Intimsten der menschlichen Seele, wo die Bewußtseinsseele erwacht, mit den spirituellen Welten. Es ist, wenn ich so sagen darf, auf künstliche Weise angestrebt das Hinauflenken der sinnenfälligen
Welt in die spirituelle Welt, das auf instinktive Weise im Christus- Volk angestrebt ist."

Grals-Stimmung im Russizismus der Zukunft, aktuell im Goetheanismus; "Mitteleuropa ist durch seine ethnographischen und durch seine ethnischen Verhältnisse nicht dazu angelegt, das so zu nehmen; da muss es auf künstliche Weise gemacht werden. Da ist es dann so, dass in der Grals-Strömung nach Europa hereinwirkt dasjenige, was man, ich möchte sagen, wie eine Beugung des Wirbels, als Grals-Strömung hereinwirkend haben kann. Das strahlt überall nach Europa hin, aber es muss dann eben Grals-Strömung sein, ist deshalb auch nicht volksmäßig beschränkt. In dieser Grals-Stimmung, wenn auch sehr stark in den untersten Kräften seines Bewußtseins, lebte Goethe. Suchen Sie sich diese Grals-Stimmung auf; Sie werden sie überall rinden. Da steht er in gewisser Beziehung nicht isoliert da; dadurch schließt er sich an Vorhergehendes an. Mit Luther, mit der deutschen Mystik, mit alledem, was da vorangegangen war, hat er nichts zu tun. Das wirkt mehr oder weniger auf ihn so, dass es ihn bildet, dass es ihn zum Weltmenschen macht. Dasjenige, was ihn dazu führt, drei Stufen zu unterscheiden - die Stufe der volksmäßigen Religion, die Stufe der Religion der Weisen, die dem Einzelnen vorgeführt wird im zweiten Gemach, die intimste Religion, die nur intim, im dritten Gemach, zu der Seele spricht und die Mysterien von Tod und Auferstehung enthält - das, was ihn dazu führt in dieser Weise hinaufzuheben, nicht jesuitisch herunterzuführen, sondern hinaufzuheben das in der Sinnenwelt wirksame Religiöse in die spirituellen Höhen: das ist die Grals-Stimmung. Und Grals-Stimmung, so paradox das besonders heute klingt, ist im Russizismus, Grals-Stimmung ist durchaus im Russizismus. Und auf dieser im Russizismus vorhandenen unbesieglichen Grals-Stimmung beruht eben jene Zukunft des Russentums für die sechste nachatlantische Zeit, von der ich so oft habe zu sprechen gehabt." [27] 

Abstrakte Theorien wie der Marxismus helfen nicht weiter: "Diese Theorien - wenn sie nicht Ausdrücke sind, so wie wir es in der Geisteswissenschaft haben, für dasjenige, was in den Tiefen der Wirklichkeit vorhanden ist -, diese Theorien, ob es Bakuninismus, Marxismus, Lassallismus ist, was weiß ich, das ist ganz einerlei, das sind alles Masken, Verbrämungen, alles Dinge, die sich der Mensch oberflächlich über die Wirklichkeit zieht. Die Wirklichkeiten sieht man doch erst, wenn man so tief hineinschaut in die Menschheitsentwickelung, wie wir es durch diese Betrachtungen zu tun versuchen." [28] 

Mission des russischen Volkes, nicht des Zaren oder des aktuellen russischen Präsidenten: "Es ist dem russischen Volke als Volk diese Mission übertragen, das Gralswesen als religiöses System bis zum sechsten nachatlantischen Zeitraum so auszubilden, dass es dann ein Kulturferment der ganzen Erde werden kann. Kein Wunder, wenn sich dieser Impuls kreuzt mit den anderen Impulsen, die vorhanden sind, dass die anderen Impulse sonderbare Formen annehmen. Welches sind die anderen Impulse? Nun: Der Christus ist König, Christus ist Lehrer. Ja, bis zu dem «der Christus ist Lehrer» kann man kaum gehen, denn das versteht eigentlich das russische Gemüt, wie ich schon sagte, doch eigentlich nicht, was das heißen soll, dass man das Christentum lehren kann, dass man das nicht erlebt als etwas, was in der eigenen Seele ist. Aber «Christus ist König» - so ist doch das Russentum mit dem «Christus ist König» zusammengewachsen. Und da sehen wir das Zusammenstoßen desjenigen, was am allerwenigsten jemals in der Welt zusammengehört hat: das Zusammenstoßen mit dem Zarismus, die östliche Karikatur des Prinzips, irdische Herrschaft einzuführen auf dem Gebiete des Religionswesens. «Christus ist König» - und der Zar ist sein Stellvertreter: diese Zusammenkoppelung dieses Westlichen, das im Zarismus sich ausspricht, mit dem, was gar nichts damit zu tun hat, mit dem, was durch die russische Volksseele im russischen Gemüte lebt!" [29] 

Kasernen der Wissenschaft, die man Universitäten nennt; keine Privilegien, Patente, Monopole auf irgendeinem Zweig der Erkenntnis, Medizin zum Beispiel darf nicht monopolisiert werden durch die Universitätsleute: "Die absolute Aufhebung aller Kasernierung der Wissenschaft und dessen, was mit Wissenschaft zusammenhängt. Das ist das Notwendige. Jene über die Welt zerstreuten Kasernen der Wissenschaft, die man Universitäten nennt, das sind Dinge, welche am allermeisten entgegenstreben dem, was sich im fünften nachatlantischen Zeitraum entwickeln will. Denn so wie Freiheit herein muss auf religiösem Gebiete, so muss auf dem Gebiete der Erkenntnis die Möglichkeit entstehen, dass ein vollständig gleiches Zusammengehen entsteht, dass jeder seinen Anteil haben kann an der Fortentwickelung der Menschheit. Nicht im geringsten dürfen ... Privilegien, Patente, Monopole auf irgendeinem Zweig der Erkenntnis liegen. Da wir heute noch sehr weit entfernt sind von dem, was ich eigentlich meine, so ist es wohl nicht nötig, dass ich nach irgendeiner Seite Ihnen zeige, wie es möglich ist, die Kasernierung der Wissenschaft aufzuheben, und wie es möglich ist, jeden Menschen zu seinem Anteil an der Evolution nach dieser Richtung zu bringen. Denn das wird zusammenhängen mit tiefgreifenden Impulsen, die im Erziehungswesen, ja in dem ganzen Verhältnis von Mensch zu Mensch sich entwickeln werden. Aber so wird es sein, dass alle Monopole, Privilegien, Patente, die sich auf den Besitz geistiger Erkenntnisse beziehen, schwinden werden, und nur die Möglichkeit vorhanden sein wird, dass der Mensch den Inhalt des geistigen Lebens nach allen Richtungen hin, auf allen Gebieten so geltend machen kann, wie er in ihm liegt, wie stark er in ihm liegt, wie stark er in ihm zum Ausdrucke kommt. In einer Zeit, in der man immer mehr und mehr dahin strebt, solche Dinge wie die Medizin zum Beispiel zu monopolisieren durch die Universitätsleute, in der man auch auf den verschiedensten anderen Gebieten alles, alles durchorganisieren will, in einer solchen Zeit hat man es ja nicht nötig, über Einzelheiten der geistigen Gleichheit zu sprechen, - denn wir sind ja natürlich noch sehr weit davon entfernt." [30] 
 
 

7. Kosmische und menschliche Geschichte I; das Rätsel des Menschen; Platos Tugendlehre; wie die ästhetischen Impulse in den Menschen hereinstrahlen; Wirkung der Wahrheit; Zusammenhang mit der Moralitätssphäre, der ästhetischen Sphäre und der Weisheitssphäre; bei der ästhetischen Betrachtungsweise wird das Haupt umschwebt von elementarischen Wesen (Elfen, Alben); Aristoteles und sein medizinischer Ausdruck Katharsis statt plumpester Materialismus; Jean Paul und die philosophischen Erkenntnistheoretiker; Erfassung des ästhetischen Menschen bei Schiller; wir dringen mit dem Ästhetischen an manches tiefe Geheimnis des Daseins; Aphrodite-Mythos; Unphilosophie bei den neueren Professoren der Philosophie

Platos Tugendlehre; wie die ästhetischen Impulse in den Menschen hereinstrahlen: "Wenn wir den Menschen, insofern er in der Moralitätssphäre drinnensteht, betrachten, da werden wir besonders an dasjenige erinnert, was ich gestern darlegte: dass die Griechen noch mehr das Verhältnis des Geistig-Seelischen und des Physischen gefühlt und empfunden haben, als es heute der Fall ist. Daher hat Plato zum Beispiel noch ganz deutlich dieses eigentümliche Verhältnis dargestellt, wie der Mensch erfasst, ergriffen wird von den Moralitätsimpulsen aus dem geistigen Universum heraus. Plato sagt: Eigentlich gibt es vier Tugenden. Von der Gesamtmoralität wird der Gesamtmensch erfasst. - Aber alles das ist natürlich mit dem bekannten grano salis zu nehmen. Natürlich würde, wenn der ganze Mensch erfasst wird, er auch wiederum nach den einzelnen Tugenden abgeteilt. Die erste Tugend, von der Plato spricht, ist die Weisheit - Weisheit als Tugend jetzt genommen, nicht als Wissenschaft. Weil diese Weisheit als Tugend verwandt ist mit dem, was in der Wahrheit erlebt wird, so wenden sich die Kräfte, die gerade die Weisheit aus der Moralitätssphäre heraus ergreift, auch noch an das Haupt des Menschen, so dass wir die Sache so darstellen können: Plato sagte also: Es wird erfasst beim moralischen Menschen der Kopfteil von der Weisheit, der Brustteil von dem, was man nennen könnte die Tugend der Herzhaftigkeit - ich kann kein besseres Wort finden -, Starkmut, Tüchtigkeit, aber solche Tüchtigkeit, dass die herzhaften Kräfte drinnen sind: seelische Tüchtigkeit. Weise - das Wort im Sinne der Tugendhaftigkeit gemeint - ist derjenige Mensch, der sich nicht bloß seinen tierischen Trieben überlässt, sondern der aus der Moral heraus gewisse Ideen hat, die er erfasst, und nach denen er sich richtet. Aber es strahlt schon der moralische Impuls in das Körperliche, in das Leibliche hinein, auch wenn dieser moralische Impuls in moralischen Weisheitsideen erfasst wird. Daher können wir sagen: Da strahlt herein in den Menschen die Moralität so, dass wir uns das Hereinstrahlen ins «Ich» vorstellen dürfen. Das wäre also die platonische Weisheitssphäre der Moralität. Der Brustteil, der das Herz umschließt, wäre das Gebiet, wo die Herzhaftigkeit, der Starkmut, die seelische Tüchtigkeit aus der Moralitätssphäre einstrahlt. Wir können sagen: Da ergreift die Moralität, indem sie weiterstrahlt, insbesondere das Astralische und belebt den Brustteil mit dem Herzen. Wir können also dieses weitere Erstrahlen so zeichnen. So dass wir haben: Weisheit als Tugend im Kopfteil, Herzhaftigkeit als Tugend im Brustteil. Eine dritte Tugend ist, was Plato die Besonnenheit, Sophrosyne, nennt, und die schreibt er dem Unterleib zu, was ganz richtig ist. Der Unterleib ist der Erreger der Triebe des Menschen, aber der Mensch, der mit seinem Nachdenken und Nachfühlen und Nachempfinden die Triebe beherrscht, ist ein besonnener Mensch. Das bloße Ausleben der Triebe, das auch das Tier kennt, ist keine Tugend, sondern erst das Durchsetzen der Triebe mit dem Grade von Bewußtsein, der eben möglich ist, ist Besonnenheit. Das wird dann im Ätherleib erfasst, weil Gedanken, Besonnenheit, Mut, insofern sie menschlich sind, im Ätherleibe erfasst werden.Wir müssen also die Zeichnung so gestalten. Also es erfasst schon die Moralitätssphäre den physischen Menschen als Ganzes, wie ich gestern ausgeführt habe. Der Kopf ist dabei, das habe ich gestern ausdrücklich gesagt. Und als vierte umfassende Tugend, die nun in den ganzen physischen Leib strömt, von dem ich Ihnen gestern gezeigt habe, daß er eigentlich unsichtbar ist, nennt Plato Dikaiosyne. Das müssen wir übersetzen mit Gerechtigkeit, obwohl das Wort Gerechtigkeit in den modernen Sprachen nicht vollständig damit übereinstimmt; denn Gerechtigkeit müssen wir so nehmen: dass der Mensch sich zu richten weiß, gerecht, richtungsgemäß, dass er einer menschlichen Richtung folgt im Leben. Also es ist nicht das abstrakte Wort Gerechtigkeit bloß gemeint, sondern das Sich-Richtung-Gebende, Sich-Auskennende, Sich-Orientierende im Leben. So dass wir sagen können: Da hat die Einströmung der Moralitätssphäre in den ganzen physischen Leib Anteil als Gerechtigkeit. Auf diese Weise hatten wir schematisch angedeutet, wie in der menschlichen Aura die Moraütätsimpulse hereinstrahlen in den Menschen. Jetzt wollen wir andeuten, wie die ästhetischen Impulse in den Menschen hereinstrahlen. Da sind die Dinge etwas verschoben, und zwar einfach um eins hinauf verschoben. Da muss man dasjenige, was man vorher noch in das Haupt hereingezeichnet hat, hoher zeichnen, so dass es das Haupt gleichsam umschwebt. Im Ästhetischen wird das Ich umflossen und das Ästhetische strömt gleich in den astralischen Leib herein, so dass man den Eindruck hat, wie wenn das Haupt von dem Ich im Ästhetischen umschwebt würde. Wer ein wenig Gefühl und Empfinden des Schönen hat, der kann schon, ohne besonders stark hellfühlend zu sein, empfinden, wie er beim Anblick irgendeines Kunstwerkes eigentlich in einer äußeren Umgebung des Kopfes lebt. Dagegen die unmittelbare Ergreifung des Menschen, die ist im Kopf drinnen; da wird der astralische Leib ergriffen, so dass wir hier die Strahlungen so zu zeichnen hätten. Dagegen der Brustteil wird so ergriffen beim Schönen, damit dieses Auf- und Abwogen, das ich gestern beschrieben habe, stattfinden kann, dass jetzt das Ätherische den Brustteil durchglüht, könnte man sagen. Und das wirklich Schöne wirkt so, dass außer der Kopfaura, dem Kopf und dem Brustteil eigentlich nichts in Betracht kommen
soll. Also dasjenige, worin die Sophrosyne lebt, das soll für die Betrachtung des Schönen in Wirklichkeit gar nicht in Betracht kommen. Unser materialistisches Zeitalter aber zeichnet sich gerade dadurch aus, dass es die Sexualsphäre für die künstlerische Betrachtung so sehr heranzog - ein Unfug unseres materialistischen Zeitalters - , denn die kommt gerade bei der Betrachtung des Schönen absolut nicht in Betracht, sondern ist absolut ausgeschlossen. So dass wir also nur das
Ailerniederste der ästhetischen Betrachtung, was nicht mehr in das Reich der Kunst gehört, in das Physische zu verlegen hätten."

Wirkung der Wahrheit; Zusammenhang mit der Moralitätssphäre, der ästhetischen Sphäre und der Weisheitssphäre: "Jetzt wollen wir dasselbe Schema anwenden für den Menschen, insofern er nach Wahrheit strebt. Da ist es wiederum verschoben, gewissermaßen hinaus verschoben. Ich habe gestern gesagt: Beim Wahrheitsstreben wird durchflössen das Ich und der astralische Leib, und die Wahrheit strömt gleich in den Ätherteil des Kopfes herein, wo die Gedanken erzeugt werden. Dann muss ich das so zeichnen, dass ich hier direkt für den Kopf das Hereinströmen des Äthers in den Ätherleib des Kopfes zeichne, wo die Gedanken erzeugt werden. Dagegen, wenn wir die Wahrheit erfassen - das merkt man erst nach der Initiation -, so wirkt sie zuerst außer uns in der Aura durch das Ich und den astralischen Leib, strömt dann in den Ätherteil des Kopfes, und der Brustteil wird hier schon durchlebt als physischer Leib. Wollen wir die Wahrheit fühlen - und wir müssen sie fühlen -, dann muss sie herunterwirken, dann muss sie herunterstrahlen in den Brustteil; es muss das Spirituelle so erlebt werden wie die Moralität. Also das ist alles für den physischen Plan, das lebt alles in der Aura des physischen Planes. Da hat dasjenige, in das wir eintreten nach dem Tode, Anteil an der Aura des physischen Planes. Geradeso, wie wir mit den Kräften der mineralischen, pflanzlichen, tierischen Welt durch unseren physischen Organismus zusammenhängen, hängen wir mit den Kräften der geistigen Welt in dieser Weise durch die Moralitätssphäre, durch die ästhetische Sphäre, durch die Weisheitssphäre zusammen."

Bei der ästhetischen Betrachtungsweise wird das Haupt umschwebt von elementarischen Wesen (Elfen, Alben), "da würden wir die elementarischen Wesenheiten finden, von denen die Mythen und Sagen sprechen und ihnen Namen geben: Elfen, Alben und so weiter; das umschwebt unser Haupt, wenn wir ästhetisch genießen." [31] 

Aristoteles und sein medizinischer Ausdruck Katharsis, statt plumpester Materialismus; mit greulichen Abstraktionen, die nichts besagen, sondern nur Eingeständnisse des Unvermögens, zu erkennen, sind, wird man die Menschheit, trotzdem man vielleicht das Gegenteil will, nur immer mehr in den plumpesten Materialismus, weil sogar in einen mystischen Materialismus, hineinführen. "Um das wirkliche Erkennen handelt es sich bei der nächsten Zukunftsentwickelung der Menschheit, um das Erkennen der Tatsachen, die sich nur aus der geistigen Welt heraus ergeben. Und vorrücken müssen wir wirklich in bezug auf die geistige Erfassung der Welt. Da muss man zunächst auch wiederum zurückdenken an den guten Aristoteles, der der alten Anschauung noch nähergestanden hat als die heutigen Menschen. Nur an eines will ich Sie erinnern bei diesem alten Aristoteles, an eine eigentümliche Tatsache. Es ist eine ganze Bibliothek geschrieben worden über die Katharsis, durch die er darstellen wollte, was der Tragödie zugrunde liegt. Aristoteles sagt: Die Tragödie ist eine zusammenhängende Darstellung von Vorgängen des menschlichen Lebens, durch deren Verlauf die Affekte Furcht und Mitleid erregt werden; aber indem sie erregt werden, wird die Seele zu gleicher Zeit durch die Art des Ablaufes von Furcht und Mitleid zur Läuterung, zur Katharsis von diesen Affekten geführt. - Es ist viel darüber im Zeitalter des Materialismus geschrieben worden, weil man gar nicht das Organ hatte, Aristoteles zu verstehen. Erst diejenigen haben recht, die eingesehen haben, dass Aristoteles eigentlich in seiner Art - nicht im Sinne der heutigen Materialisten - einen medizinischen, halb medizinischen Ausdruck mit der Katharsis meint. Weil die Lebensprozesse seelische Prozesse werden, bedeuten für das ästhetische Empfangen der Eindrücke von der Tragödie die Vorgänge der Tragödie wirklich
eine bis ins Leibliche hineingehende Erregung der Prozesse, die sonst als Lebensvorgänge Furcht und Mitleid begleiten. Und geläutert, das heißt zu gleicher Zeit durchseelt werden diese Lebensaffekte durch die Tragödie. Das ganze Seelische des Lebensprozesses liegt in dieser Definition des Aristoteles darinnen. Und wenn Sie mehr lesen in der «Poetik» des Aristoteles, dann werden Sie sehen, dass da - jetzt nicht aus unserer modernen Erkenntnisart heraus, sondern aus der alten Mysterientradition heraus - etwas wie ein Hauch von diesem tiefergehenden Verständnis des ästhetischen Menschen lebt. Beim Lesen der «Poetik» des Aristoteles wird man noch viel mehr ergriffen vom unmittelbaren Leben, als man heute ergriffen werden kann, wenn man irgendeine ästhetische Abhandlung der gewöhnlichen Ästhetiker liest, die nur so an den Dingen herumschnüffeln und herumdialektisieren, aber nicht an die Dinge herankommen." [32] 

Jean Paul und die philosophischen Erkenntnistheoretiker: "Für den, der die Dinge mit der Erkenntnis, mit dem Vorstellungsmäßigen durchschaut, für den nehmen sich die verschiedenen philosophischen Erkenntnistheoretiker ebenso aus wie die Leute, die das Weizenkorn untersuchen nach seiner Fähigkeit, den Menschen zu ernähren. Denn wenn man das Weizenkorn nach seiner ursprünglichen Aufgabe fragen würde, wozu es da ist, so würde es nicht antworten: um den Menschen zu ernähren, sondern um eine neue Weizenpflanze entstehen zu lassen. Die das Erkenntnismäßige, das Vorstellungsmäßige durchschauen, die erblicken einen solchen Fehler, wie ich ihn jetzt charakterisiert habe, bei den philosophischen Erkenntnistheoretikern. Denn das, was wir das Erkenntnismäßige nennen, was als Vorstellung, als Wahrheit, als Weisheit in uns lebt, das ist ursprünglich gar nicht dazu da, die Dinge draußen abzubilden. Dieses Abbilden der Dinge draußen, das ist ebenso ein Nebenstrom, wie es ein Nebenstrom ist für die Weizenkörner, den Menschen zu ernähren. Die Erkenntnis ist gar nicht dazu da, um Abbilder nur zu schaffen von den äußeren Dingen, sondern sie ist zu etwas anderem da. Sie ist dazu da, dass sie im Menschen in einer gewissen Weise wirkt und webt und lebt. Indem wir hier in dem Dasein zwischen Geburt und Tod leben, häufen wir uns nach und nach "Weisheit an, und wir verwenden die Weisheit zu gleicher Zeit so, dass sie Abbild sein kann für die äußere Welt, so wie wir das Weizenkorn anwenden als Nahrungsmittel. Aber das Weizenkorn, das wir als Nahrungsmittel anwenden, entziehen wir seiner ihm innewohnenden Bestimmung, eine neue Pflanze zu bilden. So entziehen wir der eigentlichen Aufgabe der Weisheit alles das, was wir verwenden, um die äußere Welt zu erfassen. Denn das Vorstellungsmäßige, das Wahrheitsgemäße ist zunächst gar nicht dazu bestimmt. Wozu ist dieses Wahrheitsgemäße bestimmt - ich meine in dem Sinne, wie das Weizenkorn bestimmt ist, eine neue Weizenpflanze herbeizuführen? Bestimmt ist nämlich unsere erkenntnismäßige Betätigung, unser wahrheitsmäßiges Arbeiten dazu, Kräfte in uns zu entwickeln zwischen Geburt und Tod, welche umwandeln unseren Organismus nach dem Tode, das heißt seine Kraftgestalt, in die Kraftgestalt des Kopfes! Das ist der merkwürdige Zusammenhang, den man entdeckt, wenn man den Durchgang des Menschen einerseits zwischen Geburt und Tod, andererseits zwischen dem Tod und einer neuen Geburt ins Auge fasst. Was der Mensch an Erkenntnissen erwirbt, dient zunächst dazu, daß umgestaltet werden kann sein Organismus außer dem Kopf in einen Kopf, der dann der Kopf der nächsten Inkarnation ist. Sie werden sagen: Es gibt doch so viele Menschen, die erwerben sich gar keine Erkenntnisse, und die bleiben so furchtbar dumm; nur wenige werden gescheit - zu denen man sich gewöhnlich selbst rechnet. - Aber es haben schon diejenigen ein bißchen recht, die da gesagt haben - und es haben es mehrere Menschen gesagt, unabhängig voneinander - , dass der Mensch in seinen drei, vier ersten Lebensjahren mehr lernt, mehr an Weisheit aufnimmt, als - jedenfalls in den drei akademischen Jahren. In den drei ersten Lebensjahren lernen wir wirklich recht viel, was wir nur durch unser Haupt auf der Erde lernen können. Wir erwerben uns diejenigen Kenntnisse, die notwendig sind, um zu sprechen, das Gesprochene zu verstehen, und vieles, vieles andere. Wir lernen wirklich da sehr viel. Und das gehört zu dem, was man Weisheitsinhalt zu nennen hat." [33] 

Erfassung des ästhetischen Menschen bei Schiller; wir dringen mit dem Ästhetischen an manches tiefe Geheimnis des Daseins: "Dann ist wiederum ein bedeutender Höhepunkt in der Erfassung des ästhetischen Menschen bei Schiller in seinen «Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen». Es war damals eine mehr abstrakte Zeit. Das Geistig-Konkrete, das Spirituelle haben wir erst jetzt zu dem Idealistischen hinzuzufügen. Aber wenn wir auf dieses mehr Abstrakte der Goethe-Schiller-Zeit sehen, so sehen wir doch in den Abstraktionen, die sich in Schillers ästhetischen Briefen finden, etwas von dem, was hier gesagt worden ist, nur dass hier der Prozess scheinbar mehr ins Materielle hinuntergetragen wird; aber nur, weil dieses Materielle noch mehr durch die Kraft des intensiv erfassten Geistigen durchdrungen werden soll. Was sagt Schiller? Er sagt: Der Mensch, wie er hier lebt auf der Erde, hat zwei Grundtriebe, den Vernunfttrieb und den Naturtrieb. Der Vernunfttrieb wirkt durch Naturnotwendigkeit logisch. Man ist gezwungen, in einer gewissen Weise zu denken, man hat keine Freiheit zu denken; denn was hilft es einem, auf diesem Gebiete der Vernunftnotwendigkeit von Freiheit zu sprechen, wenn man doch gezwungen ist, nicht zu denken, dass drei mal drei zehn, sondern neun ist. Die Logik bedeutet eine strenge Vernunftnotwendigkeit. So dass Schiller sagt: Wenn der Mensch sich der reinen Vernunftnotwendigkeit fügt, dann steht er unter einem geistigen Zwang. Der Vernunftnotwendigkeit stellt Schiller die sinnliche Notdurft entgegen, die in alledem, was in den Trieben, in den Emotionen ist, lebt. Da folgt der Mensch auch nicht seiner Freiheit, sondern der Naturnotwendigkeit. Nun sucht Schiller den mittleren Zustand zwischen der Vernunftnotwendigkeit und der Naturnotwendigkeit. Und diesen mittleren Zustand findet er darin, dass die Vernunftnotwendigkeit sich gewissermaßen herabneigt zu dem, was man liebt und nicht liebt, dass man nicht mehr einer starren logischen Notwendigkeit folgt, wenn man denkt, sondern dem inneren Triebe, die Vorstellungen zu fügen oder nicht zu fügen, wie es beim ästhetischen Gestalten der Fall ist. Aber dann geht auch die Naturnotwendigkeit herauf. Dann ist es nicht mehr die sinnliche Notdurft, der man wie unter einem Zwang folgt, sondern es wird die Notdurft verseeligt, vergeistigt. Der Mensch will nicht mehr bloß dasjenige, was sein Leib will, sondern es wird der sinnliche Genuss vergeistigt. Und so nähern sich Vernunftnotwendigkeit und Naturnotwendigkeit. Sie müssen das natürlich in Schillers ästhetischen Briefen, die zu den bedeutendsten philosophischen Erzeugnissen in der  Weltentwickelung gehören, selber nachlesen. In dem, was da Schiller auseinandersetzt, lebt schon das, was wir hier eben gehört haben, nur in metaphysischer Abstraktion. Was Schiller das Befreien der Vernunftnotwendigkeit von der Starrheit nennt, das lebt in dem Lebendigwerden der Sinnesbezirke, die wiederum bis zum Lebensvorgang zurückgeführt werden. Und das, was Schiller die Vergeistigung - besser sollte er sagen «Verseeligung» - der Naturnotdurft nennt, das lebt hier, indem die Lebensprozesse wie Seelenprozesse wirken. Die Lebensprozesse werden seelischer, die Sinnesprozesse werden lebendiger. Das ist der wahre Vorgang, der - nur mehr in abstrakte Begriffe, in Begriffsgespinste gebracht - sich in Schillers ästhetischen Briefen findet, wie es eben in der damaligen Zeit noch sein musste, wo man noch nicht spirituell stark genug war mit den Gedanken, um bis in das Gebiet hinunterzukommen, wo der Geist so lebt, wie es der Seher will: dass nicht gegenübergestellt wird Geist und Stoff, sondern erkannt wird, wie der Geist überall den Stoff durchzieht, dass man gar nirgends auf geistlose Stoffe stoßen kann. Die bloße Gedankenbetrachtung ist nur deshalb bloße Gedankenbetrachtung, weil der Mensch nicht imstande ist, seine Gedanken so stark, das heißt so dicht spirituell, so geistig zu machen, dass der Gedanke den Stoff bewältigt, also hineindringt in den wirklichen Stoff. Schüler ist noch nicht imstande, einzusehen, dass die Lebensprozesse wirklich als Seelenprozesse wirken können. Er ist noch nicht imstande, so weit zu gehen, dass er sieht, wie das, was im Materiellen als Ernährung, Wärmung, Atmung wirkt, sich gestalten, wie das seelisch sprühen und leben kann, und aufhört, das Materielle zu sein; so dass die materiellen Teilchen zerstieben unter der Macht des Begriffes, mit dem man die materiellen Prozesse erfasst. Und ebensowenig ist Schiller schon imstande, so zum Logischen hinaufzuschauen, dass er es wirklich nicht bloß in begrifflicher Dialektik in sich wirken lässt, sondern dass er in jener Entwickelung, welche erreicht werden kann durch Initiation, das Geistige als den eigenen Prozess erlebt, so dass es wirklich lebend hineinkommt in das, was sonst bloß Erkenntnis ist. Was in Schillers ästhetischen Briefen lebt, ist deshalb ein «Ich trau mich nicht recht heran an das Konkrete». Aber es pulsiert schon darinnen, was man genauer erfasst, wenn man das Lebendige durch das Geistige und das Stoffliche durch das Lebendige zu erfassen versucht. ... Sie sehen daraus, der ästhetische Mensch steht so in der Erdenentwickelung drinnen, dass er sich über diese Erdenentwickelung in einer gewissen Weise erhebt in eine andere Welt hinein. Und das ist wichtig. Der ästhetisch gesinnte oder ästhetisch handelnde Mensch tut nicht, was der Erde völlig angepasst ist, sondern er erhebt in einer gewissen Weise seine Sphäre aus der Erdensphäre heraus. Und damit dringen wir mit dem Ästhetischen an manches tiefe Geheimnis des Daseins."

Aphrodite-Mythos: "In dem Aphrodite-Mythos älterer Art, wo Aphrodite eine Tochter des Uranos und des Meeres ist, indem sie aus dem Schaum des Meeres entsteht, der geboren wird durch die Blutstropfen des Uranos, haben Sie einen imaginativen Ausdruck für den ästhetischen Zustand des Menschen, ja sogar den bedeutsamsten imaginativen Ausdruck und einen der bedeutsamsten Gedanken der geistigen Menschheitsentwickelung überhaupt. Es musste sich nur noch ein anderer Gedanke anschließen an den großen Gedanken von Aphrodite im älteren Mythos, wo Aphrodite nicht das Kind des Zeus und der Dione ist, sondern des Uranos, der Blutstropfen des Uranos und des Meeres - es musste sich
nur eine andere Imagination, die noch tiefer sich eingräbt in die Wirklichkeit, nicht bloß in die elementarische, sondern in die physische Wirklichkeit, eine Imagination, die zu gleicher Zeit physisch-sinnlich aufgefasst wurde, in späteren Zeiten anschließen. Das ist: es musste sich an die Seite stellen dem Mythos von der Aphrodite, von dem Ursprung der Schönheit in der Menschheit, die große Wahrheit über das Hereinwirken des Urguten in der Menschheit, indem der Geist herunterträufelte in Maja-Maria, so wie die Blutstropfen des Uranos herunterträufelten in das Meer, das ja auch Maja ist, wo dann zunächst im Schein, im schönen Schein geboren wird dasjenige, was die Morgenröte sein soll für die unendliche Herrschaft des Guten und für die Erkenntnis des Guten und des Gut-Wahren, des Geistigen. Dies ist eine Wahrheit, die Schiller meinte, als er die Worte hinschrieb: Nur durch das Morgenrot des Schönen / Drangst du in der Erkenntnis Land -
womit er hauptsächlich die moralische Erkenntnis meinte. Sie sehen, wie viele Aufgaben, die nicht bloß theoretische Aufgaben sind, die Lebensaufgaben sind, der Geisteswissenschaft zuwachsen. Kein Wunder, dass die Geisteswissenschaft heute noch vielfach missverstanden wird von denjenigen, welche die Wahrheit nicht wollen. Das muss schon als eine Begleiterscheinung hingenommen werden." [34] 

Nichtphilosophie, Unphilosophie bei den neueren Professoren der Philosophie, was auch für die Frankfurter Schule gilt; Mach, Wahle, William James, Charles Sanders Peirce, Ferdinand Canning Senk Schiller, Hans Vaihinger, Hendrik Antoon Lorentz, Albert Einstein, Emile Boutroux, Frangois Pierre Gauthier Maine de Biran, Henri Bergson, Rudolf Eucken;  Eines der wichtigsten Bücher von Richard Wähle heißt: «Das Ganze der Philosophie und ihr Ende. Ihre Vermächtnisse an die Theologie, Physiologie, Ästhetik und Staatspädagogik.» Um dieses Ende der Philosophie zu lehren, um zu lehren, dass die Philosophie ein Wahnsinn ist, ist Richard Wähle Professor der Philosophie geworden! Wir sehen, dass vor allen Dingen solchen Erwägungen zugrunde liegt eine vollständige Ohnmacht gegenüber Wahrheitskriterien. Man empfindet keinen Impuls mehr, eine Entscheidung in der Erkenntnis herbeizuführen. ... Ich wollte gerade durch diese zwei Beispiele klarmachen dieses Abhandenkommen des Wahrheitskriteriums, dieses Sich-nicht-mehr-drinnenstehend- Fühlen in der Erzeugung der Wahrheit. ... So sehen wir, wie eine gewisse Tendenz besteht, die alten Wahrheitskriterien aufzulösen und im Grunde genommen nicht das Leben in den Dienst der Wahrheit zu stellen, das Leben zu einer Ausgestaltung der Wahrheit zu machen, wie man früher geglaubt hat, sondern die Wahrheit am Leben zu messen. Fiktionen - von ihnen weiß man, dass sie nicht im alten Sinne das enthalten, was Wahrheit genannt wurde; aber zweckmäßig sind diese Fiktionen. Daher die eigentümlichen Definitionen der «Philosophie des Als Ob»: Wahrheit ist die bequemste Art des Irrtums, denn es gibt überhaupt nur Irrtum; aber es gibt unbequeme Irrtümer und bequemere Irrtümer, und die bequemeren Irrtümer nennen wir Wahrheiten; aber darüber muss man sich nur einmal klar sein. Es gibt also einen Evolutionsimpuls in dem neueren Denken, der wirklich dahin führt, ein Erfassen des Wahrheitsbegriffes im alten erkenntnistheoretischen Sinne nicht mehr zu haben. ... Weil man verloren hat ein ursprüngliches Kriterium, oder sagen wir ein Gefühl für ein ursprüngliches Kriterium des Wahren und Falschen, so kommt man durch die Emanzipation im Abstrakten dazu, Begriffe auszubilden, welche zwar an sich unanfechtbar sind, weil sie logisch sind, die sogar in einem gewissen Sinne wirklichkeitsgemäß sind, aber die ungeeignet sind, über die Wirklichkeit etwas Wirkliches auszusagen, die doch nur formale Begriffe bleiben, gewissermaßen Begriffe, die an der Oberfläche der Wirklichkeit schwimmen und nicht untertauchen in die eigentlichen Impulse der Wirklichkeit. ... So können wir ausgehen von den mehr erkenntnistheoretisch orientierten Philosophien, die reden von der Ohnmacht gegenüber einem Kriterium des Wahren und Falschen, und kommen dann zu denjenigen Philosophien, die sich zwar bemühen, das Wahre zu finden, aber weil sie es suchen aus der Ohnmacht gegenüber dem Wahren heraus, kommen sie gerade zu dem Verkehrten, zu dem, was falsch ist, so daß in der Gegenwart geradezu eine gewisse innere Tendenz des Denkens nach dem Unrichtigen, nach dem Falschen vorhanden ist. Das hängt richtig zusammen damit, dass man sich eigentlich durch die Abstraktionsfähigkeit, die Abstraktionstendenz, an die man sich gewöhnt hat, entfremdet hat der Wirklichkeit. Man kommt los von der Wirklichkeit und findet nicht wieder in sie zurück." [35] 
 

8. Kosmische und menschliche Geschichte II - I, innere Entwicklungsimpulse der Menschheit; das Begeisternde, das Schöpferische des Griechentums; das Römertum in der Kirchenbildung konserviert;  Justinian; Renaissance; Griechentum und Christentum in den Schöpfungen der Renaissance; Griechische Philosophen haben das Griechentum gerettet; die Völkerwanderung hat das Römertum bzw. Christentum vor einem Staatsmechanismus bewahrt; Unruhen aus dem Osten wie Mongolen- und Türkenstürme; Thomas a Kempis und Jakob Böhme im Gegensatz zu Machiavelli; das byzantinische Jesus-Gesicht; Darstellungen des Jesus-Kopfes bei Guido Reni, bei Murillo, bei Lebrun, Rubens, van Dyck, Rembrandt


Das Begeisternde, das Schöpferische des Griechentums: "Dann sehen wir, wie dieses Griechentum immer mehr und mehr entgegeneilt seiner Reife gerade auf geistigen Gebieten. Das ist wunderbar zu sehen,wenn man es im einzelnen wirklich sachgemäß verfolgen will. Man braucht nur gewissermaßen den Extrakt des Geisteslebens zu nehmen, man braucht nur zu nehmen die griechische Philosophie, wie sie hervorgeht aus den alten großen Philosophen, die Nietzsche «das tragische Zeitalter der Griechen» genannt hat: Thales, Anaximander, Heraklit, Parmenides, Anaxagoras. Wir blicken dann hin zu dem, der in einer wunderbaren Weise ein neues Zeitalter eingeleitet hat, Sokrates, und zu dem endlich, der anknüpfend an Sokrates die Menschheit in einer unerhörten Weise heraufgehoben hat zu geistigen Idealen, geistigen ideellen Anschauungen, zu Plato. Dann tritt uns derjenige entgegen, der doch trotz allem, was die Menschheit später gedacht hat, die umfassendsten, die eindringlichsten Begriffe schon gefasst hat, zu Aristoteles, der diese Begriffe so stark gefasst hat, dass Jahrhunderte und Jahrhunderte nachher das noch nachzudenken hatten, was Aristoteles gedacht hat, und dass wir mit unserem Denken in der Außenwelt noch lange nicht so weit sind, mit allen Begriffen des Aristoteles schon rechnen zu können. Goethe hat erst später in seinem «Faust» eingesetzt: «Faustens Unsterbliches»; zuerst hatte er im Manuskript stehen: «Faustens Entelechie» - Entelechie, diesen aristotelischen Begriff, der in einer viel intimeren Weise das Menschlich-Seelische, das durch die Pforte des Todes geht, ausdrückt, als selbst das Wort «Unsterbliches», das ein negatives Wort ist, während Entelechie ein positives Wort ist. Aber Goethe hat wohl selber gefühlt, als er schrieb: «Faustens Entelechie wird von den Engeln himmelwärts getragen» -, dass die neuere Menschheit wenig Konkretes sich vorstellt bei dem Ausdruck Entelechie; daher hat er den gebräuchlicheren Ausdruck «Faustens Unsterbliches» dann an die Stelle gesetzt. Aber er hat etwas gefühlt von der Tiefe des Entelechiebegriffs. Dieser Begriff und mancher andere Begriff, sie sind noch nicht gehoben, weil das Griechentum, als es zu seiner Reife schritt, wirklich die Begriffe fein plastisch ausarbeitete und aus der Wirklichkeit heraus holte, und die Menschheit des fünften nachatlantischen Zeitraums und auch schon in der Einleitung dieses Zeitraums im ersten Mittelalter, viel zuviel zu tun hatte, gröbere Begriffe für die äußere materielle Wirklichkeit zu verstehen, und die feineren Begriffe, welche die äußere materielle Wirklichkeit im Sinne des Aristoteles verbinden mit der geistigen Wirklichkeit, zunächst gar nicht ordentlich sich vor die Seele schaffen konnte."

Das Römertum war weder auf dem Gebiete der Wissenschaft, noch auf dem Gebiete der Kunst irgendwie originell: "Herübergenommen von Griechenland hat das Römertum, nachdem es das Griechentum politisch, soldatisch überwunden hatte, dasjenige, was im Griechentum lebte an Kunst, an Wissenschaft. Und selbst die größten römischen Dichter, sie sind wirklich nichts anderes, verglichen mit der Geistesgröße der griechischen Kunst und griechischen Dichtung, als Nachahmer, bloße Nachahmer. Und nun wird dieses Römertum groß auf ganz anderen Gebieten. Es wird eben gerade groß auf denjenigen Gebieten, um die sich die Griechen weniger kümmerten, für die sich die Griechen weniger interessiert haben: es wird groß auf juristischem, auf politischem, auf soldatischem Gebiete."

Das Römertum in der Kirchenbildung konserviert;  Justinian schloss die athenischen Philosophenschulen nun endgültig, und ertötete die griechische Philosophie: "In der ersten Zeit der Eroberung nimmt das Römertum das Griechentum hinüber. Dann sehen wir, wie in das Römertum sich vorschiebt das Christentum, wie das Christentum sich in das Römertum hineinschiebt und wie das Christentum seinerseits über sich ergehen lassen muss das Formale, das da liegt in dem römischen Wesen. Man könnte sagen: Hinein wächst alles das, was Institution ist des ersten Christentums, in die Struktur des römischen Juristisch-Verwaltungsmäßigen. Und so wird das alte Römertum in der Kirchenbildung konserviert, bewahrt. Dieses Kirchentum zeigt in seinen Institutionen gerade in allem die Formen, die aus dem Römertum heraus gebildet sind, nimmt auch die lateinische Sprache auf, um in der lateinischen Sprache zu denken und damit, mit der Ausbreitung des Christentums, das römischlateinische Wesen über Europa mit auszubreiten. Allerdings, als dann das Römertum aufgenommen hatte Griechentum und Christentum, kam eine Zeit, wo man empfand, dass man eigentlich das Aufgenommene nicht versteht, wo man es nicht wollte, wo man es wie einen Fremdkörper empfand. Zunächst wirkte es mächtig in der Zeit, als man das Griechentum eroberte; aber allmählich fühlte sich das Römertum in seinem juristischen, politischen Wesen erstarkt und empfand in den Formen drinnen das Griechentum als etwas, was man nicht mehr haben wollte. Und eine Folge davon ist ja, dass dann im 6. Jahrhundert der oströmische Kaiser Justinian, der das ganze politisch-juristische Wesen des Römertums kodifizieren ließ im Corpus juris civilis, so dass alles beieinander war, was gerade im politisch-juristischen Wesen das Römertum hervorgebracht hat, dass Justinian, der wie eine Inkarnation des römisch-lateinischen Wesens war, trotzdem er drüben im oströmischen Reiche herrschte, dass er es war, der die athenischen Philosophenschulen nun endgültig schloss, auflöste und die griechische Philosophie ertötete, ihren Betrieb nicht mehr gestattete. Er war es, der auch die ursprüngliche freie Entfaltung des christlichen Wesens ertötete, indem er hauptsächlich es bewirkte, dass Origenes, der die Weisheit des Griechentums verbunden hat mit der Tiefe des Christentums, der noch okkultes, also halb geisteswissenschaftliches Gut in das Christentum hineingebracht hat, von der Kirche verdammt wurde. Es bewirkte dieses Justinian. Und so sehen wir, wie ausfließt in die Institutionen Europas das Römertum auf dem Umwege durch die Kirche, der sich dann die anderen politischen Institutionen anpassen, gewissermaßen sich aus ihr ergeben, indem die Herrscher ein besonderes Gewicht darauf legen, sich zu nennen «Defensor fidei» - wenn sie auch nachher, als sie sich scheiden lassen wollten, diesen Titel ablegten und eine eigene Kirche gründeten! Nun ja, diese Dinge betrachtet man nicht immer so mit aller Gründlichkeit. Also solche Herrscher, sie nennen sich Defensor fidei, sie nennen sich den «allerchristlichsten König» und so weiter. Die Institutionen des öffentlichen Lebens entwickeln sich herein aus dem Römertum. Das Römertum infiziert gewissermaßen alles, impft sein Wesen der europäischen Bildung ein. Und so sehen wir denn, wie in den europäischen Institutionen, nachdem Justinian den großen Kodex des römischjuristisch- politischen Denkens angelegt hatte, nachdem er die griechische Philosophie ausgerottet hatte, nachdem er den Origenes hat verdämmen lassen, so sehen wir, wie fortlebt in Europa das Römertum ohne den Inhalt des Griechentums; wie gewissermaßen das Äußerliche, das im Wort erstarrt und in der äußeren Institution erstarkt, bleibt, wie das fortlebt, und wie es herausgedrängt hat das inhaltsvolle, geistig vollsaftige Griechentum."

Renaissance; Griechentum und Christentum in den Schöpfungen der Renaissance: "Dann folgte wie ein Wiederaufleben des Griechentums die Zeit von Dante bis zum Untergang der florentinischen Freiheit, die Zeit, die wir bezeichnen als die Zeit der Renaissance, wo das Griechentum wiederum auflebt im Römertum, wo die Römer wiederum griechisch werden, wo insbesondere Raffael und die anderen, in deren Mitte Raffael steht, Griechisches wiederum aufleben lassen im Römertum. Aber es ist eine Renaissance; es ist keine Naissance, es ist eine Renaissance. Und lange genug musste Europa zurückblicken zu dieser Renaissance. Als Goethe nach Italien ging, suchte er nicht römisches Wesen auf - studieren Sie das, was Goethe in Italien erlebte; was suchte er? Griechisches Wesen in Italien! Überall suchte er durch das Römertum hindurch griechische Art und Weise zu erkennen. Wahrhaftig, so zusammenwachsen vergleichsweise - ich will das mehr als Bild sagen, was ich jetzt sagen werde -, so zusammenwachsen konnten wiederum in der Renaissance Griechentum und Christentum, dass jetzt die Nachwelt gar nicht mehr unterscheiden kann Griechentum und Christentum in den Schöpfungen der Renaissance. Gestritten wird, wie ich Ihnen öfter schon gesagt habe, ob das berühmte Bild Raffaels «Die Schule von Athen», wie es genannt wird, wirklich in den Mittelfiguren Plato und Aristoteles darstelle, oder ob es darstellt Petrus und Paulus. Für das eine wie für das andere sprechen gewichtige Gründe; das eine wie das andere wurde vertreten, so dass an einem der hervorragendsten der Bilder nicht zu unterscheiden ist, ob man es mit griechischen oder mit christlichen Gestalten zu tun hat. Aber es ist eben so zusammengewachsen, dass jene wunderbare Ehe, welche im griechischen Geistesleben geschlossen war zwischen dem Geistigen und dem Materiellen, dass jene wunderbare Ehe sich ebenso ausdrücken lässt durch Plato und Aristoteles,wie durch Petrus und Paulus. In dem Plato, den manche sehen wollen in dem Bilde, das man «Die Schule von Athen» nennt, sehen wir den Greis, der hinaufhebt die Hand ins himmlische Reich, neben ihm stehend Aristoteles mit seiner begrifflichen Welt, hinunterweisend nach der materiellen Welt, um den Geist in der Materie zu suchen. Ebensogut kann man in dem Hinaufweisenden den Petrus, in dem Hinunterweisenden den Paulus sehen. Aber immer ist während dieser Renaissance rechtmäßig die Sache auf zwei Personen verteilt. Gegenüber der Renaissance, die ein Wiederaufleben des Griechentums war, muss etwas Ursprüngliches wieder kommen. Das kann nur kommen durch Synthese, durch die höhere Synthese. Sie ist dadurch gegeben, dass in derselben Person die eine wie die andere Geste sein wird: die Geste hinauf zum Himmlischen, die Geste hinunter zum Irdischen. Dann braucht man allerdings das Luziferische und das Ahrimanische, einander kontrastierend. Was Sie sehen in einem der größten Kunstwerke der Renaissance auf zwei Personen verteilt, müssen Sie in unserer Gruppe, die geschaffen werden soll, sehen in der einen Person des Menschheitsrepräsentanten: die eine wie die andere Geste! Es brauchte das Mittelalter oder die beginnende Neuzeit diese Renaissance, dieses Wiederaufleben des Griechentums. Und wie viel schreibt sich doch an lebendigem Leben, wie es seither verflossen ist, von dieser Renaissance her! Wir sehen, wie bei einem Philosophen wie Nietzsche diese Renaissance wieder auflebt in seinen besten Jahren; wir sehen, wie sie aus der Gelehrsamkeit des Jacob Burckhardt heraussprießt in einer so wunderbaren Weise. Bis in die neueste Zeit wirkt sie nach, diese Renaissance, und sie stellt sich wie etwas aus der früheren griechischen Zeit Herübergehendes hinein in diese neuere Zeit. Man kann sagen: Das Griechentum ist äußerlich vernichtet worden von dem Römertum, aber viele Sprossen griechischer Geisteskräfte sind geblieben. Ungefähr bis zum Jahre 333 - denn Justinian hat nur noch den Sarg vernagelt, der zu zimmern begonnen wurde seit dem 4. Jahrhundert - haben sie noch gereicht, hereingereicht, diese griechischen Geisteshelden. Und so wie zurückgebliebene Triebe der geistigen Welt kommen sie wieder hervor in der Renaissancezeit. ... Eine Art imaginativen Elementes, eine Rettung des imaginativen Elementes liegt in der Renaissance, ein Sich-Entwinden dem bloßen Logischen, ein Sich-Entwinden dem Kalten des Latinismus, der den emotionellen Nachschub immer braucht, um sich zu beleben, weil er in sich selber kalt ist." [36] 

Griechische Philosophen haben das Griechentum gerettet: "Die Erde wäre der Dekadenz entgegengegangen und ein besonderes luziferisches Reich wäre entstanden. Das ist nicht geschehen. Und wodurch ist es nicht geschehen? Es ist nicht geschehen dadurch, dass sich in den sich vergöttlichenden Wahnsinn der griechischen Dichter - um dies platonische Wort zu gebrauchen - hineinmischte die geniale Größe der griechischen Philosophie, der griechischen Weisheit. Seine Philosophen: Heraklit, Thaies, Anaximander, Anaximenes, Parmenides, Sokrates, Plato, Aristoteles, sie haben das Griechentum gerettet vor der vollständigen Vergeistigung im Phantasieleben. Sie haben das Griechentum auf der Erde erhalten. Sie sind diejenige Macht, welche die stärksten Kräfte geliefert hat zur Erhaltung des Griechentums innerhalb der Erdenevolution. So muss man im Zusammenhange betrachten die hinter der physischen Wirklichkeit liegenden Kräfte, welche die wahren Ursachen sind für das, was geschieht. Auf diese Weise ist also das Griechentum der Erdenevolution erhalten geblieben. Mit Bezug auf diese Aufgabe hätten die luziferischen Wesenheiten ohnehin nichts erreichen können, wenn sie nicht unterstützt worden wären von den ahrimanischen Wesenheiten. Es haben die luziferischen Wesenheiten bei dieser Absicht und bei dieser Hoffnung auch gerechnet auf die Unterstützung der ahrimanischen Wesenheiten. Dieses muss ja immer sein, dass in diesen Wirkungen zwei Kräfte zusammenstreben. Ebenso wie die luziferischen Wesenheiten enttäuscht worden sind durch das Griechentum, so sind die ahrimanischen Wesenheiten enttäuscht worden durch das Römertum, wie es sich entwickelt hat. Denn wie ihrerseits die luziferischen Wesenheiten im Griechentum erreichen wollten das, was angedeutet worden ist: ein Hin wegführen der Menschenseelen von dem irdischen Planeten, so wollten auch die ahrimanischen Wesenheiten ihre Arbeit zu diesem Hinwegführen tun. Dazu sollte die römische Kultur eine ganz bestimmte Gestalt annehmen. Im Römertum haben die ahrimanischen Mächte ihre stärksten Kräfte eingesetzt, so wie im Griechentum die luziferischen. Denn die ahrimanischen Kräfte haben darauf gerechnet, dass durch das Römertum auf der Erde eine gewisse Erstarrung entstehe in einem ganz blinden Gehorsam und in einer blinden Unterwerfung unter das Römertum. Was die ahrimanischen Mächte mit dem Römertum wollten, bestand darin, dass sich über die ganze damals bekannte Erde hin ein römisches Reich erstreckte, ein römisches Reich, welches alle menschliche Betätigung in sich fassen sollte, welches mit strengstem Zentralismus und ärgster Machtentfaltung von Rom aus hätte dirigiert werden sollen: gewissermaßen von Europa ausgehend eine große, eine weitverbreitete Staatsmaschine, die zu gleicher Zeit alles religiöse und alles künstlerische Leben aufgenommen und sie sich unterworfen hätte. Eine große Staatsmaschine, ein Staatsmechanismus, in dem beabsichtigt war von Seiten der ahrimanischen Mächte, alle Individualität ersterben zu lassen, so dass ein jeglicher Mensch, ein jegliches Volk nur ein Glied in diesem großen Staatsmechanismus gewesen wäre."

Die Völkerwanderung hat das Römertum bzw. Christentum vor einem Staatsmechanismus bewahrt: "Die römische Geschichte ist ein Kampf gegen die ahrimanischen Mächte. Und wenn sie so verworren ist, wenn sie so selbstsüchtig ist, wenn sie so auf Verpolitisierung der Welt gerichtet ist, so ist das deshalb, weil nur auf diese Weise der Mechanisierung Ahrimans Widerstand geboten werden konnte. Aber all das hätte nicht viel gefruchtet, aus dem einfachen Grunde, weil das Römertum auch aufgenommen hat das Christentum, und dadurch würde das Christentum im Römertum eine Form angenommen haben, durch die Ahriman erst recht sein Ziel hätte erreichen können, indem er gerade durch die geistige Abdämmerung des ins Papsttum verwandelten Römertums die Mechanisierung der Kultur der neueren Zeit hätte bewirken können. So musste dem Ahriman, der ja mit viel äußerlicheren Mitteln wirkt als Luzifer, entgegengestellt werden eine andere Macht, auch eine äußerliche Macht. Ahriman hat die Kräfte des Christentums in seinen Dienst verkehrt, wie wir eben gesehen haben. Es musste ihm eine andere Macht entgegengestellt werden, und die bestand in den anstürmenden Völkern der Völkerwanderung. Dadurch, dass dem Römertum entgegengetreten worden ist in den anstürmenden Völkern der Völkerwanderung, ist verhindert worden, dass jene starre Mechanisierung unter einem alles umfassenden Römerreich eingetreten ist. Studieren Sie die Vorgänge während der Völkerwanderung, so werden Sie sehen, dass Sie eine richtige Einsicht erst gewinnen, wenn  Sie diese auffassen als Vorstöße gegen die Mechanisierung in einem allumfassenden römischen Reich. Überall schiebt sich das, was aus der Völkerwanderung kommt, in das Römerreich hinein, nicht um die römische Geschichte aus der Welt zu schaffen, sondern um die hinter der römischen Geschichte wirkende, ja von der römischen Geschichte selbst bekämpfte ahrimanische Macht zurückzudrängen. Auf diese Weise ist Ahriman, ist Luzifer enttäuscht worden. Um so bedeutungsvoller wollen sie ihre Aufgabe für den fünften nachatlantischen Zeitraum wieder aufnehmen. Und hier ist der Punkt, wo man zu einem Verständnisse kommt der Kräfte, die in dem fünften nachatlantischen Zeitraum wirksam sind, soweit ein solches Verständnis heute möglich ist. Dieser vierte nachatlantische Zeitraum dehnt sich nach hinten und vorn aus. Ungefähr ist sein Ende das Jahr 1413, seine Mitte das Jahr 333 nach Christi Geburt, und etwa 747 vor Christi Geburt ist sein Anfang. Das haben wir ja öfter besprochen. Das sind Zahlen, die ja natürlich heute nur approximativ gelten. Ich sagte nun: Das, was Luzifer und Ahriman nicht erreichen konnten im vierten nachatlantischen Zeitraum, was ihre Enttäuschung war, eben die Gestalt, die das Griechentum und Römertum angenommen hatte, führte sie zum verstärkten Anstreben im fünften nachatlantischen Zeitraum, also vom 15. Jahrhundert an. Und in den menschlichen Kräften, die da wirken seit dem 15. Jahrhundert, sind diese Anstrengungen schon darinnen. Natürlich kommt es nicht darauf an, ob etwas ein paar Jahrzehnte früher oder später auftritt; in der äußeren physischen Wirklichkeit, wo man es ja mit der großen Täuschung zu tun hat, verschieben sich die Dinge zuweilen etwas. Dass das Römertum, so wie es erhalten worden ist, für die Entwickelung der Menschheit erhalten werden konnte, wird also verdankt den Ereignissen der Völkerwanderung. Denn hätte sich das Römertum so entwickelt, dass ein großes, umfassendes, mechanisiertes Weltenreich entstanden wäre, so wäre dieses Weltenreich nur möglich zu bewohnen gewesen von jenen Ich-losen Menschen, die auf der Erde hätten zurückbleiben sollen, nachdem die luziferischen Geister die Seelen auf dem Wege des Griechentums hinausgebracht hätten."

Alle Unruhen aus dem Osten wie Mongolen- und Türkenstürme hätten Europa geschadet, wenn sie nicht zurückgedrängt worden wären: "Alle Unruhen, welche durch die Mongolenstürme und alles das, was damit zusammenhängt, in die Entwickelung der neueren Menschheit gekommen sind und was fortgewirkt hat im fünften nachatlantischen Zeitraum, nachdem sie vorbereitet waren schon früher, alle diese Unruhen bedeuten den großen, von Asien ausgegangenen Versuch, die europäische Kultur zu «vervisionieren», um sie abzutrennen von den Bedingungen der fortlaufenden Evolution, um sie gewissermaßen hinwegzuführen von der Erde. Der Osten empfand sehr wohl immer wieder und wiederum dieses Durchvisionieren, dieses Entfremdenwollen von der Erde. Dem musste ein Gegengewicht geschaffen werden. Und dieses Gegengewicht war zunächst eines, das in die normale Entwickelung der Menschheit gehört. Es musste also gegenüber dem, was unter dem Einflüsse des Priesters des Dschingis-Khan hat bewirkt werden sollen, die «Erleichterung» des Menschengeschlechts, um es hinwegzuführen von der Erde, es mußte ein Erdenschwere-Gegengewicht geschaffen werden. Und dieses wurde dadurch geschaffen, dass die westliche Welt, dass Amerika gefunden wurde mit all dem, was Amerika barg, und dadurch Erdenschwere, Lust, auf der Erde zu bleiben, für die Menschen geschaffen worden war. Die Entdeckung Amerikas und alles, was damit zusammenhängt, überhaupt das Sich-Hineinleben in die materiellen Schauplätze der Erde, das bedeutete, von großen Gesichtspunkten aus gesehen, das Gegengewicht gegen die Tätigkeit des Dschingis-Khan. Amerika sollte entdeckt werden, um die Menschen dahin zu bringen, mit der Erde mehr zusammenzuwachsen." [37] 

Thomas a Kempis und Jakob Böhme im Gegensatz zu Machiavelli: "So also sehen wir das Zusammenwirken vieler Kräfte, die wir versuchten zu belauschen auf ihrem Felde hinter dem physischen Plan. Alle diese Kräfte bemächtigten sich wieder anderer. Sie suchen sich dessen, was hereinragt an Menschenkräften aus dem vierten nachatlantischen Zeitraum, zu bemächtigen und es in ihrer Art zu verzerren, es in ihren Dienst zu stellen. Sie brauchen nur zu studieren eine solche Begleiterscheinung der Renaissance, wie es Machiavelli ist, dann werden Sie ein menschliches persönliches Symbolum finden für diese ganze Art, die da beginnt, die Politisierung des Gedankenlebens. Machiavelli ist geradezu ein Ausdruck, eine Offenbarung dieser Politisierung des  Gedankenlebens, ein großer, gewaltiger Geist, aber ein Geist, der unter dem Ansturm der Mächte, von denen ich gesprochen habe, ganz die Gesinnungen erneuert, die aus dem heidnischen antiken Römertum kommen. Wenn wir wirklich die Geschichte studieren, wie Machiavelli nicht eine einzelne Persönlichkeit, ein einzelner Mensch ist, sondern nur der besonders signifikante Ausdruck für viele so Denkende, dann sehen wir die Dinge recht. Da sehen wir das, was schnell vorwärtsstürmen, was mit den hinterlassenen atavistischen Kräften, also luziferischen Kräften, schnell vorwärtsstürmen will. Wäre es nach Machiavellis Sinn gegangen, so wäre schon ganz Europa verpolitisiert. Solchen Kräften, die wie im Sturm wirken, wirken dann die normal wirkenden entgegen. Einer solchen rein politischen und alles menschliche Denken zum Politischen machenden Figur, wie es der Machiavelli ist, können wir eine Persönlichkeit, die fast Zeitgenosse war, gegenüberstellen: den Thomas a Kempis, der ganz in der langsamen, allmählichen Entwickelung drinnensteht und der ein ganz und gar nicht politischer Geist ist, der langsam und allmählich wirkt. Und so können wir diese einzelnen Strömungen verfolgen. Wir werden normale finden; wir werden solche finden, die aus früheren Zeiten hereinströmen und benützt werden von den Kräften, die wir angeführt haben. In der Geschichte wirken viele Kräfte zusammen. Man muss durchaus seinen Blick auf diese Zusammenhänge richten. In einem solchen Menschen wie Jakob Böhme finden wir, wie er die freie Imagination aufsprießen fühlt. Man könnte sagen: Jakob Böhme ist eine solche Persönlichkeit, die durch die ganze Art ihres Seelenlebens sehr stark es dahin gebracht hat, nicht gestört zu werden durch die luziferischen und ahrimanischen Anstürme und den geraden Weg der Evolution zu gehen. Dagegen können Sie im Osten Europas, in der östlichen Kultur zahlreiche Persönlichkeiten finden, die gar sehr leiden unter der luziferischen Störung, unter der Störung, die dahin geht, immer wieder und wiederum wegzuholen den Menschen von der Erde, von dem physischen Leib, immer wieder und wiederum zu verfallen in eine Lage, in eine Situation, die den ganzen Menschen wie in eine Vision von sich selber verwandelt, also ihn ganz zu verseelen. Das ist die Tendenz, die dem Osten Europas eingeimpft worden ist."

Das byzantinische Jesus-Gesicht; Darstellungen des Jesus-Kopfes bei Guido Reni, bei Murillo, bei Lebrun, Rubens, van Dyck, Rembrandt  "In den ersten christlichen Römerzeiten hat man nicht nur das Christentum vom Osten herübergenommen, sondern auch die Darstellung Jesu. Man hat ja griechische Darstellungen gegeben, griechische Verbildlichung, und es ist dem Osten geblieben die Fähigkeit, Christus darzustellen. Das byzantinische Jesus-Gesicht ist ja auch im Westen immer wieder und wiederum dargestellt worden aus dem Römertum heraus, bis dann etwa vom 13. Jahrhundert ab sich zum ersten Mal die später in einer solchen Weise, wie ich das in diesen Tagen auch schon angedeutet habe, sich auslebenden Nationalideen, Nationalimpulse aufgekommen sind, wo dann aus dem nationalen Impuls allmählich umgeändert worden ist das stereotyp-traditionell fortwirkende Jesus-Gesicht, wo die Nationen an sich gerissen haben den Jesus-Typus, in ihrer Art den Jesus-Typus dargestellt haben. Da machen sich wiederum die verschiedensten Impulse geltend, den Jesus-Typus darzustellen. Verfolgen Sie, wie merkwürdig das nationale Anschauen sich hineinstiehlt, möchte ich sagen, in die Darstellungen des Jesus-Kopfes bei Guido Reni, bei Murillo, bei Lebrun. Das sind so drei Beispiele, die man herausgreifen könnte. Da haben wir überall die Sehnsucht, den Jesus-Typus national darzustellen. Er ist überall so, dass man sieht: es fließt in Guido Reni viel mehr, als das noch bei seinen Vorgängern der Fall war, der italienische Seelentypus in das Gesicht des Jesus, bei Murillo der spanische, bei Lebrun der französische. Aber bei diesen drei Darstellungen sehen wir überall das Prinzip der kirchlichen Tradition. Sie werden nicht Bilder bei ihnen finden, bei denen Sie nicht die mächtige Kirche dahinterstehen sehen. Dagegen finden Sie ein Auflehnen, man möchte sagen, ein malerisches Auflehnen gegen die umfassende Macht des Kirchentums, die man in der Malerei des Murillo, des Lebrun, des Guido Reni erblickt, ein Auflehnen, ein freies Herausarbeiten aus der Menschlichkeit selber bei Rubens,bei vanDyck, bei Rembrandt. Das ist geradezu malerisches Rebellentum, wenn Sie es betrachten mit Bezug auf die Darstellung des Jesus-Antlitzes. Jedenfalls aber sehen wir aus diesem Fortgang, wie das, was sich an Vorstellungen an Jesus angliedert, nicht im Stillstande ist, sondern wie die Kräfte, die in der Welt wirken, selbst auf dieses Gebiet hereinwirken. Wie der Romanismus wie ein Hauch Hegt über den sich zum Nationalen emporhebenden Lebrun, Murillo, Guido Reni, wie das Anstürmen gegen den Romanismus so deutlich zum Ausdrucke kommt in den Gesichtern - nicht einmal bloß dem Jesus-Gesicht, sondern den anderen Gesichtern der heiligen Geschichte - bei Rubens, bei van Dyck, insbesondere dann bei Rembrandt. Und so sehen wir, wie sich unter den verschiedenen Impulsen, die sich in der menschlichen Evolution herauferheben, alle geistigen Betätigungen nach und nach ausgestalten." [38] 
 

9. Kosmische und menschliche Geschichte II - II, innere Entwicklungsimpulse der Menschheit; Zweierlei Erkenntnisbestrebungen; Kreuzzüge, Orden der Tempelherren; der von 1285 bis 1314 in Frankreich regierende König Philipp der Schöne, Philipp IV, auch "Falschmünzerkönig" genannt; Goethe als Fortsetzer des Tempelherrenlebens

Zweierlei Erkenntnisbestrebungen, Trieb- und Glücksproblem und Sinnensein, «Das Gute ist das Glück der größtmöglichen Menschenanzahl auf der Erde» , ein rein teuflischer Satz; Rousseauismus; das Triebproblem wird durch Ahriman zum Glücksproblem; das Geburtsproblem zum Problem der Evolution im Sinnensein; ahrimanisch wurde das Sinnensein  dadurch, dass es rein materialistisch gemacht wurde, dass der Mensch nur an die Spitze der Tierwelt gestellt worden ist, dass sein Seelensein gegenüber dem Sinnensein vollständig außer acht gelassen werden soll, wie es heute in der Wissenschaft und Medizin praktiziert wird: "Ich will mehr auf den Erkenntnisstandpunkt Rücksicht nehmen und das, was vom Erkenntnisstandpunkt ins soziale Leben eingreift. Da kann man also voraussetzen, dass gewisse ahrimanische Kräfte in die europäische Kultur einfließen - nach den Impulsen, die wir kennengelernt haben - vom Unterbewußten aus. Diese ahrimanischen Kräfte, die lenken die Impulse, die wiederum von den guten, regulär fortschreitenden Kräften ausgehen, in eine ganz bestimmte Richtung hin. Man kann sagen, dass zweierlei Probleme, zweierlei Erkenntnisbestrebungen aufgetreten sind. Nicht etwa kann man sagen: durch die ahrimanischen Kräfte, sondern durch das Zusammenwirken der ahrimanischen Kräfte und der regulär fortschreitenden Kräfte hat das menschliche Leben eine gewisse Färbung erhalten. Dadurch ist es namentlich auf zwei Probleme gelenkt worden. Diese zwei Probleme könnte man bezeichnen als das Triebproblem - das Nachdenken ging allmählich nach diesem Triebproblem - und das Geburtsproblem. Natürlich sind das Ausdrücke, die den hervorragendsten Fakten entnommen sind; es umfasst das, was ich hier bezeichne als das Triebproblem und als das Geburtsproblem, außerordentlich vieles. Ich will nur einiges charakterisieren. Das Triebproblem: Es wird unter dem Einflüsse der Kräfte, die ich charakterisiert habe, das menschliche Sinnen und das menschliche Trachten dahin gelenkt, die Triebe der Menschen zu verspüren, zu empfinden. Der Sinn wird auf die Triebe gelenkt; und daraus entwickelt sich allmählich eine gewisse Lebensgesinnung unter dem Einflüsse des Triebproblems. Man kann sagen: Es wandelt sich das Triebproblem um in das Glücksproblem, und das Glücksproblem bekommt eine ganz bestimmte Färbung. Daher sehen Sie gerade im fünften nachatlantischen Zeitraum an den verschiedenen Stellen, insbesondere in der westlichen Kultur, Sinnen und Trachten nach dem Glücksproblem gerichtet, nach dem Glück, nach dem Schaffen des Glückes im Leben. Das ist unter diesen Einflüssen, die ich geschildert habe. Da sehen wir zum Beispiel, wie nachgeforscht wird, was man tun kann, damit die Menschen auf der Erde ein möglichst glückliches Leben führen. Herstellung des Erdenglückes, das wird ein Ideal. Ich sage nicht: bloß unter ahrimanischen Kräften; es sind darinnen auch regulär fortschreitende Kräfte. Also es soll natürlich über das Glück nachgedacht werden. Aber eine bestimmte Färbung bekam es unter Ahrimans Einwirkung durch einen rein teuflischen Satz: «Das Gute ist das Glück der größtmöglichen Menschenanzahl auf der Erde.» Dieser Satz ist ein rein teuflischer Satz, denn er definiert das Gute so, dass er es durch das Glück ausdrückt, und noch dazu das Glück der größtmöglichen Anzahl, womit verknüpft sein würde das Elend der Minderzahl; so ungefähr, wie wenn man einen Organismus schildern wollte dadurch, dass man ihn bis zu den Knien nur ausbildet und dann von den Knien nach abwärts verkümmern lässt. Es ist aber überhaupt das Zusammenstellen von Glück und Güte, von Glück und Tugend etwas, was einen ahrimanischen Charakter hat. Glück und Tugend, Glück und das Gute: die Griechen waren in ihren besten Persönlichkeiten ganz unzugänglich für die Zusammenstellung der Begriffe Glück und das Gute. Aber gerade durch ahrimanische Einflüsse sollte in der fünften nachatlantischen Menschheit eine Gesinnung erzeugt werden, welche das Gute im Glücke sucht. Sie müssen alles, was Sie kennen als Saint-Simonismus, die verschiedenen Bestrebungen, nationalökonomische Ordnungen zu finden, namentlich im Westen Europas, unter diesem Gesichtspunkte betrachten, dann können Sie sie nur verstehen; selbst der Rousseauismus ist nicht frei von diesem Impulse. Man muss diese Dinge durchaus in sachlicher Beziehung studieren. Das zweite neben dem Triebproblem ist hier das Sinnessein, das Sinnensein. Es soll ja im fünften nachatlantischen Zeitraum die Sinneskultur veredelt werden. Aber die ahrimanischen Mächte wollen diese Sinneskultur für sich in Anspruch nehmen, und daher wollen sie die Gesinnung erzeugen, dass die Wahrheit einzig und allein im Sinnensein zu finden ist. Insoferne lebt in all dem, was im Problem des Sinnenseins lebt, Ahrimanisches. Das Sinnenproblem hängt innig zusammen mit dem Geburtsproblem, so wie das Glücksproblem mit dem Triebproblem zusammenhängt. Um zu rechtfertigen das Sinnensein und durch einen Instinkt die ganze Evolution rein sinnlich zu betrachten, wurde das Menschenwerden in der Geburt unmittelbar angegliedert an die Evolution der Tiere. Da sehen Sie den Weg zum Geburtsproblem herüber. Das Nachdenken über die Menschengeburt, das beschäftigt ja diejenigen, die sinnen und trachten im fünften nachatlantischen Zeitraum, wirklich seit dem 15. Jahrhunderte ganz intensiv. Und der, welcher die Verhältnisse kennt, der weiß, was dieses Problem: Wie kommt der Mensch in die Erde herein? - bedeutet hat, wie man darüber nachgedacht hat, ob die Seele von Vater und Mutter als Seele übergeht auf die Kinder, oder ob die Seele anerschaffen wird von den überirdischen Mächten. Das Geburtsproblem im weitesten Sinne, das ist Aufgabe der nachatlantischen Zeit; das ist ein ganz im Sinne der regulär fortschreitenden Zeit aufgegebenes Problem. Aber ahrimanisch wurde es dadurch, dass es rein materialistisch gemacht wurde, dass der Mensch nur an die Spitze der Tierwelt gestellt worden ist, dass sein Seelensein gegenüber dem Sinnensein vollständig außer acht gelassen werden soll. So sehen wir, dass von der einen Seite her einströmen Impulse, welche das Triebproblem zum Glücksproblem nicht im Sinne des Moralisch- Guten machen wollen. Ganz im Sinne der regulären Mächte wäre das Triebproblem zu machen zum Problem des Moralisch-Guten. Denn das Moralisch-Gute im weitesten Umfange aus dem Triebproblem heraus zu entwickeln, das heißt, die Vergeistigung des Triebproblems zu finden. Das ist die reguläre Aufgabe des fünften nachatlantischen Zeitraums. Das wird in mächtigen Imaginationen entwickelt werden müssen, zu denen der Ansatz in solchen Imaginationen liegt, wie Sie im «Faust» sie finden. Aber durch den ahrimanischen Einfluss führte das Geburtsproblem zu der Evolution im Sinnensein. Also: Triebproblem zum Glücksproblem; Geburtsproblem zum Problem der Evolution im Sinnensein."

Im Osten das Todesproblem und das Problem des Bösen, das russische Geistesleben ist im wesentlichen beherrscht von dem Todesproblem und von dem Problem des Bösen: "Wenn wir alles das ins Auge fassen, was von dieser Seite her kommt, dann sehen wir wie einströmen die ahrimanischen Mächte in die fünfte nachatlantische Zeitkultur. Ich habe schon gesagt: Dadurch, dass auf der einen Seite ahrimanische Mächte einströmen, auf der anderen Seite luziferische, wird das Streben spezialisiert. Sonst würden in der fünften nachatlantischen Kultur vier große Dinge auftreten, die alles Arbeiten, alle Arbeit, alles Schaffen bis zum Bodenbebauen des Bauern, bis in die Einzelheiten hinein durchdringen würden in den Empfindungen. Vier Probleme wären es. Das erste ist eben das Triebproblem, das zweite das Geburtsproblem, das dritte, das dem fünften nachatlantischen Zeitraum aufgegeben ist, ist das Todesproblem. Das Problem des Todes, das heißt, nicht nur zu finden, wie der Mensch hereingestellt ist auf die Erde durch die Geburt, sondern auch, wie er wiederum hinausschreitet durch die Pforte des Todes. Und das vierte Problem ist das Problem des Bösen. Dass nicht gleichmäßig ausgebreitet über den fünften nachatlantischen Zeitraum in der Kulturmenschheit diese vier Probleme wirkten, das ist eben dadurch bewirkt, dass von der einen Seite Ahriman das Triebproblem zum Glücksproblem und das Geburtsproblem zum Sinnen-  Sein-Problem umgestaltet hat und dadurch hinausgedrängt hat die richtige Lösung der Probleme; wiederum, dass von der anderen Seite Luzifer den Sinn der mehr nach Osten hin schattierten Kultur lenkte auf das Todesproblem und auf das Problem des Bösen. Und so können Sie verfolgen, wie gerade das ganze russische Geistesleben im wesentlichen so beherrscht ist von dem Todesproblem und von dem Problem des Bösen, wie das westliche Geistesleben von dem Triebproblem und von dem Geburtsproblem. Gerade bei dem stärksten russischen Denker der neueren Zeit, bei Solowjow, können Sie überall finden, wie der Nerv seines Denkens und Sinnens im Todesproblem auf der einen Seite und im Problem des Bösen auf der anderen Seite liegt. Das Problem des Bösen führt nun, wie das Triebproblem zum Glücksproblem führt, ebenso die besondere Gestalt herbei der Betrachtung des sündigen Lebens, die Betrachtung der Sünde, das Sündenproblem. Daher ist nirgends das Problem der Sünde und der Erlösung von der Sünde, der Reinigung von der Sünde in so tiefer Weise in Angriff genommen worden wie von Osten herein. Aber es ist zu gleicher Zeit ein Unreguläres, mit dem dieses Problem in Angriff genommen wird; es ist zu gleicher Zeit dieses Problem des Bösen und das Problem der Sünde von luziferischen Mächten benützt, um die Seelen durch das Hinlenken der Gesinnung auf die Sünde und auf das irdisch-leibliche Fleisches-Sündenleben zu entfremden von dem Erdenleben. Während im Westen Ahriman alle Anstrengungen darauf richtet, den Menschen in das Sinnensein zu verstricken auf der Erde, ein Reich des Guten und des Glücks zu begründen, das den Trieben entgegenkommt, kommt vom Osten der Abscheu vor der Sünde, wodurch die Seelen weggelenkt werden sollen von der Erde, indem ihnen die  luziferische Entfremdung des Weggehens von der Erde eingeimpft werden soll durch die Betrachtung des Sündenproblems und des Todesproblems. Daher ein großer Teil des Sinnens im Osten darauf geht, wie der Tod überwunden wird durch das, was an dem Christus selber geschieht, so dass man Impulse für das Leben in der Auferstehung finden will. Gerade das, was ich ausgeführt habe vor acht Tagen, dass der Osten sich mehr dem Christus, der Westen sich mehr dem Jesus zuwendet, es liegt darin begründet, dass der Osten den Auferstandenen braucht, den Geist, der nicht in der Sinnlichkeit aufgeht, der die Sinnlichkeit überwindet. Es ist das Problem des Todes. In einer der schönsten Abhandlungen wahrscheinlich, die Solowjow geschrieben hat, redet er geradezu davon, dass, wenn der Tod als physisches Phänomen, als physische Tatsache einen Abschluss des Menschenlebens bedeuten würde, der Mensch allen übrigen Tieren gleichen würde, und er wäre eigentlich gar kein Mensch, er wäre ein Tier. Durch den Tod gleicht der Mensch dem Tiere. Durch das Böse, dessen er fähig ist, ist er noch schlechter als die Tiere. Da deutet Solowjow direkt darauf hin, wie sein Denken beeinflusst ist von dem Problem des Todes und dem Problem der Sünde, von dem Problem des Bösen. Aber man findet überall das Nachdenken über solche Seelenerkenntnisse, durch welche die Seele als vom Tod nicht berührt erscheint, und dass das äußere Leben so eingerichtet wird, dass es doch in einer gewissen Weise unter die berechtigten Erscheinungen des Lebens wiederum aufnimmt eine Tendenz des Weg-von-der-Erde. Daher gibt es gerade im Osten so viele Sekten, welche das Leibliche abtöten, welche den Tod gewissermaßen schon ausgießen über das Leibliche, welche das Triebleben und das Geburtsleben ad absurdum führen wollen durch ein gewisses Hinwenden zum Opfern und dergleichen."

Im Westen die Gefahr des Verstricktwerdens in das Sinnenleben, wodurch das Sinnenleben ichlos werden würde; Atlantis, die atlantische Kultur wurde hinweggefegt, weil die Menschen nur zurückbehalten hatten das Glück von dem Guten; in der nachatlantischen Zeit will nun Ahriman direkt eine Glückskultur begründen: "Im Westen liegt die Gefahr vor des Verstricktwerdens in das Sinnenleben, wodurch das Sinnenleben ichlos werden würde. Denn wenn auf der Erde nur das Glück begründet werden soll, so könnte niemals das Ich auf der Erde leben. Wenn das Gute nur dadurch begründet werden sollte, dass Glück über die Erde ausgebreitet werden sollte, so würde folgendes nämlich eintreten, das zeigt schon die Erfahrung der alten Atlantis: Auch in der Mitte der Atlantischen Kultur waren große Impulse gegeben, die im weiteren Verlaufe zu einem Glücke geführt hätten. Die Menschen hatten, was sie zuerst als Antrieb des Guten empfunden haben, in seiner Form, in seinen Wirkungen gesehen als ein gewisses Glück. Da gibt sich der Mensch dem Glücke hin, da geht der Mensch in Glück auf. Und die Erde musste in bezug auf die atlantische Kultur gewissermaßen hinweggefegt werden, weil die Menschen nur zurückbehalten hatten das Glück von dem Guten. In der nachatlantischen Zeit will nun Ahriman direkt eine Glückskultur begründen. Das würde heißen: auspressen die Zitrone, weg mit ihr! - Die Iche würden nicht mehr leben können, wenn nur eine Glückskultur begründet werden sollte. Glück und Gutes, Glück und Tugend sind keine Begriffe, die füreinander gesetzt werden können. Hier sehen wir in tiefe Lebensgeheimnisse hinein. Das, was berechtigt ist: eine Kultur zu begründen, die selbstverständlich in ihren Folgen zu einem gewissen menschlichen Glück führen muss - , wird so verkehrt, dass man das Glück selber als das Wünschenswerte hinstellt. Und eine Kultur, die selbstverständlich dahin führen soll, dass die menschliche Seele in ihrem Leben vor allem den Tod und das Böse erkennt, wird so verkehrt, dass von vornherein die Berührung mit dem, was den Tod hervorbringen kann und das Böse hervorbringen kann, gewissermaßen gemieden wird, dass die Leiblichkeit gescheut wird. Und dadurch soll Luzifer entgegengekommen werden." [39] 

In den Kreuzzügen sollten die Heiligen christlichen Stätten von den Sarazenen befreit werden, da die Muslime sie zum Teil zerstört und geschändet hatten, nicht zuletzt den Felsendom in Jerusalem, der den Templern gehörte; begründet wird im Jahre 1119 der Orden der Tempelherren; erstes wichtigstes Ordenshaus unmittelbar neben der Stätte, wo einst der Salomonische Tempel gestanden hat, so dass zusammenwirken konnte an dieser Stätte uraltheilige, für das Christentum vorbereitete Weisheit und die salomonische Weisheit: "Zurückverweisen muss ich, um die Konfiguration der Kulturimpulse, die dann in Goethe eine gewisse Vergeistigung erfahren haben, zu schildern, auf jene Zeit, in der aus dem europäischen Wollen heraus, und zwar aus den christlichen Impulsen des europäischen Wollens heraus der Wille entstanden ist zu den Kreuzzügen. In dieser Zeit, als der Wille in der europäischen Kulturmenschheit entstanden ist, die heiligen Stätten zu besuchen, gab es harte Zusammenstöße im gesamten europäischen Leben zwischen dem, was man luziferische und was man ahrimanische Mächte nennt. Das heißt, in die fortwirkenden guten, wahrhaft christlichen Impulse wirkten gewissermaßen von jenen Seiten her, die gestern charakterisiert worden sind, diese anderen Mächte hinein in der Art, wie solche Mächte zugelassen werden von der weisheitsvollen Weltenlenkung, damit dasjenige, was in der weisheitsvollen Weltenlenkung der Gegenwart geschieht, in der entsprechenden Weise konfiguriert werde von den aus der Vergangenheit hereinwirkenden anderen Impulsen, die sich mit den Gegenwartsimpulsen immer durchkreuzen in der Art, wie wir ja dies öfter besprochen haben. Wir sehen in dieser Zeit unter vielem, das, wenn man es betrachtet, ich möchte sagen, zum Frohmachen der Menschenseele ist, wie unter vielem, was da entsteht, bald nachdem die Kreuzzüge ihre ersten Erfolge errungen haben, begründet wird im Jahre 1119 der Orden der Tempelherren. Fünf französische Ritter unter der Führung von Hugo de Payens tun sich zusammen und begründen an der geheiligt gehaltenen Stätte, auf der sich das Mysterium von Golgatha vollzogen hat, einen Orden, der sich ganz weihen soll dem Dienste des Mysteriums von Golgatha, und der sein erstes wichtigstes Ordenshaus unmittelbar neben der Stätte hat, wo einst der Salomonische Tempel gestanden hat, so dass gewissermaßen zusammenwirken konnte an dieser Stätte uraltheilige, für das Christentum vorbereitete Weisheit und die salomonische Weisheit, mit allen Empfindungen und allen Gefühlen, die in höchstem Maße aus der heiligsten Begeisterung für das Mysterium von Golgatha und seinen Träger entstanden sind. Neben den gewöhnlichen, damals üblichen Mönchsgelübden, der Pflicht des Gehorsams gegenüber den geistlichen Oberen, verpflichteten sich die ersten Tempelherren, in intensivster Weise mitzuwirken dazu, hereinzubeziehen in den Bereich europäischer Machtentfaltung die Stätten, auf denen sich das Mysterium von Golgatha vollzogen hat. An nichts sollten sie denken - so war es in den geschriebenen und namentlich in den ungeschriebenen Ordensregeln enthalten - , als wie sie in ihrem Herzen, in ihrer Seele ganz sich erfüllen können mit dem geheiligten Geheimnis von Golgatha, und wie sie dienen können mit jedem Tropfen ihres Blutes der Hereinbeziehung der geheiligten Stätte in den Machtbereich des europäischen Willens. In jedem Augenblick ihres Lebens sollten sie denken, sollten sie empfinden, dass sie ganz nur dieser Aufgabe gehören, und daß sie nichts scheuen werden, um diese Aufgabe mit all der Kraft, die jedem einzelnen zur Verfügung steht, zu verwirklichen. Ihr Blut sollte ihnen nicht selber gehören, sondern einzig und allein der Aufgabe, die wir gekennzeichnet haben. Und wenn sie einer dreifachen Übermacht gegenüberstehen - so war ihnen befohlen - , dürfen sie nicht fliehen; jeder Templer muss seine Stelle behaupten, auch wenn drei Ungläubige ihm diese Stelle streitig machen wollen. Und in jedem Augenblick ihres Lebens mussten sie denken, dass das Blut, das in ihren Adern rinnt, nicht ihnen gehört, sondern ihrer großen geistigen Aufgabe. Was sie an Vermögen erwerben sollten, das sollte keinem einzelnen gehören. Nicht der einzelne sollte irgendeinen Besitz haben, sondern nur der ganze Orden. Vom einzelnen sollte derjenige, der aus der Reihe der Feinde einen besiegt, kein anderes Gut erbeuten als die hänfene Schnur, die um die Lenden gegürtet war, das Zeichen ihrer freiwillig übernommenen Arbeit für dasjenige, was man dazumal als das Heil für den europäischen Geist ansah. Eine große, gewaltige Aufgabe, weniger dem Nachdenken als dem tiefen Empfinden, war gestellt, eine Aufgabe, die dahin ging, das Seelenleben als individuelles, als persönliches nur deshalb zu stärken, damit dieses einzelne Seelenleben ganz aufgehen könne in dem fortlaufenden Strom der christlichen Entwickelung. Das war gewissermaßen der Stern, der den Tempelrittern bei allem, was sie dachten, fühlten, unternahmen, voranleuchten sollte. Damit war ein Impuls in Seelen gegeben, welcher in seiner weiteren Wirksamkeit bei der weiteren Ausdehnung des Templerordens von Jerusalem aus über die europäischen Länder zu einer gewissen Durchgeistigung, Durchchristung des europäischen Lebens hätte führen sollen. Begreiflieh kann es erscheinen bei dem schier unermesslich großen Eifer, der in diesen Tempelherrenseelen bestand, dass diejenigen Mächte, welche die Entwickelung zurückzuhalten haben, sie so zu lenken haben, dass die Seelen der Menschen von der Erde abgelenkt werden, erdenfremd werden, gewissermaßen geführt werden zu einem besonderen Planeten, damit die Erde entvölkert werde, dass die Mächte, die dieses wollten, ganz besonders sich heranmachen wollten an die Seelen, die also empfanden und fühlten wie die Tempelritter. Diese Seelen, die ganz sich hingeben wollten dem Geistigen, an sie konnten leicht jene Kräfte kommen, welche das Geistige von der Erde wegheben wollen, die nicht wollen, dass das Geistige auf der Erde ausgebreitet werde, dass der Geist das Erdensein durchdringe. Und immer ist ja die Gefahr vorhanden, dass die Seelen erdenfremd und erdenmüde werden, und dass die Menschheit auf der Erde mechanisiert werde." [40] 

Der von 1285 bis 1314 in Frankreich regierende König Philipp der Schöne, Philipp IV, auch "Falschmünzerkönig" genannt, in ärgster Weise von Ahriman inspiriert; «babylonische Gefangenschaft» der Päpste; er ließ die Templer gefangen nehmen, bemächtigte sich ihrer Schätze, unterwarf sie den schlimmsten Folterungen und bereitete ihnen eine grausame Gerichtsprozedur, deren Ausgang von vornherein beschlossen war: "Dann haben wir aber in derselben Zeit, in welcher der Templerorden rasch sich ausbreitete über die verschiedenen christlichen Länder Europas, im Westen Europas die Möglichkeit scharfen Einsetzens ahrimanischer Mächte. Denn in der Zeit, in welcher der Templerorden durch seine Tätigkeit zu großem Ansehen und auch zu großem Reichtum - als Orden, nicht als einzelner Templer - gekommen war und sich ausgebreitet hatte auch über den Westen Europas, in dieser Zeit des ausgehenden 13., des beginnenden 14. Jahrhunderts, da haben wir im Westen herrschend einen Mann, eine menschliche Persönlichkeit, welche, man kann geradezu sagen, in der Seele eine Art Begeisterung empfand durch die moralische Macht oder respektive unmoralische Macht des Goldes; eine Persönlichkeit, die geradezu in einseitiger Weise die Vermaterialisierung der Weisheit aus dem Golde heraus zu ihrer Inspiration bilden konnte. Erinnern Sie sich an das Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie, wo der goldene König zum Repräsentanten der Weisheit geworden ist! Es kann allerdings, weil in den einzelnen Stoffen auch geistige Kräfte stecken - denn der Stoff ist immer nur scheinbar, geistige Kräfte stecken dahinter, wenn sie auch der Materialist nicht wahrzunehmen vermag - , es kann geradezu das Gold zum Inspirator werden. Eine hochbegabte, mit außerordentlicher, mit höchster Klugheit ausgestattete Persönlichkeit ist zugänglich dieser Inspiration durch das Gold mit geradezu ärgster ahrimanischer Weisheit. Das ist der von 1285 bis 1314 in Frankreich regierende König Philipp der Schöne, Philipp IV. Philipp IV. der Schöne kann geradezu ein genial-habsüchtiger Mensch genannt werden, ein Mensch, der den instinktiven Drang in sich verspürte, nichts anderes anzuerkennen in der Welt als das, was mit Gold aufgewogen werden kann, und niemandem wollte Philipp der Schöne eine Macht über das Gold zugestehen als nur allein sich selber. Geradezu alles, was an Macht durch das Gold bewirkt werden kann, wollte er in seinen Machtwillen hineinzwingen. Das wurde bei ihm zur großen, welthistorischen Marotte. Das führte dahin, dass bei dem an sich nicht sehr bedeutungsvollen Anlass, als der Papst Bonifatius den französischen Geistlichen verbot, Steuern zu bezahlen an den französischen Staat, Philipp IV. der Schöne ein Gesetz machte, welches verbot, Gold und Silber aus Frankreich auszuführen. Alles Gold und Silber, das in Frankreich ist, sollte in Frankreich verbleiben nach seinem Willen; aber er sollte die Macht haben über alles Gold und Silber. Das war, man könnte sagen, seine Idiosynkrasie. Daher versuchte er, für sich das Gold und das Silber zu behalten und den übrigen Leuten, die er regierte, nur Scheinwerte zu geben, das heißt, er ließ die Münzen so schlecht wie möglich prägen, um in seinem Gold- und Silberschatze zurückzubehalten das Gold und den Münzen nur möglichst wenig beizugesellen. Aufruhr und Empörung des Volkes gerade über solche Maßnahmen konnten ihn nicht abhalten, in dieser Weise immer weiterzugehen. So dass, als er einen letzten Versuch machte, möglichst wenig Gold und Silber den Münzen beizumischen, er sich, durch eine Volksempörung veranlasst, in die Tempelstätte der Templer flüchten musste. Da hatte er bei den Templern, durch seine Gewaltmaßregeln dazu veranlasst, seinen Schatz, seinen Goldschatz verbergen lassen. Er war erstaunt, wie schnell die Templer den Volksaufruhr beruhigen konnten. Aber er war zu gleicher Zeit von Furcht erfüllt, weil er gesehen hatte, wie groß die moralische Macht der Templer über das Volk war, und wie wenig er, der nur vom Golde inspiriert war, vermochte gegenüber der moralischen Macht der Templer, die dazumal auch schon reiche Schätze hatten, die ungeheuer reich waren, aber nach ihrer Ordensregel allen Reichtum ihres Ordens in den Dienst geistigen Wirkens, geistigen Schaffens stellen mussten. Wenn eine Leidenschaft so stark wird, wie bei Philipp dem Schönen die Gold- und Silbergier war, dann presst sie in der menschlichen Seele starke Kräfte aus, Kräfte, die einen starken Einfluss haben auf die Willensentfaltung gegenüber den übrigen Menschen. Beim Volke hatte Philipp der Schöne wenig Einfluss; um so mehr aber bei denjenigen, die seine Kreaturen waren, und das war denn doch ein großes Heer. Und er verstand seine Macht zu gebrauchen, dieser Philipp der Schöne. Als der Papst Bonifatius einst nicht seinen Willen tun wollte, das heißt, die Geistlichen in Frankreich möglichst viel bezahlen lassen wollte, da zettelte Philipp IV. der Schöne eine Verschwörung an gegen den Papst Bonifatius, und der Papst Bonifatius konnte nur noch von seinen Anhängern befreit werden. Er starb aus Gram sehr bald darauf. Das war zu derselben Zeit, als Philipp IV. der Schöne es unternahm, überhaupt die Kirche ganz und gar in die Gewalt des Königtums zu bringen, die Kirchenoberen nur zu Knechten der vom Golde regierten königlichen Gewalt zu machen. Deshalb brachte er es zustande, daß der Papst nach Avignon übersiedelte, und es begann unter Philipp dem Schönen die in der Geschichte oftmals genannte europäische «babylonische Gefangenschaft» der Päpste, die vom Jahre 1309 bis 1377 dauerte. Eine völlige Kreatur in den Händen Philipps IV. des Schönen von Frankreich war der Papst Clemens V., der vorher Bischof von Bordeaux gewesen war und dann in Avignon residierte, der nach und nach durch den gewaltigen Willen Philipps des Schonen so weit gekommen war, dass er gar nicht mehr einen eigenen Willen hatte, sondern wirklich seine kirchliche Gewalt nur dazu verwendete, um Philipp dem Schönen zu dienen, allem, was Philipp der Schöne wollte. Und Philipp der Schöne wollte vor allen Dingen, wie aus einer tiefen Leidenschaft heraus, sich zum Herren aller Reichtümer, die damals verfügbar waren, machen. Kein Wunder, daß er - vor allem, nachdem er gesehen hatte, welch andere Bedeutung das Gold auch haben kann in anderen Händen - vor allen Dingen diese anderen Hände vernichten wollte, die Hände der Templer, um ihr Gold zu erbeuten und sich in den Besitz ihres Goldes zu setzen, in den Besitz aller ihrer Schätze. Nun sagte ich: Solch eine Leidenschaft, die auf eine solch materielle Weise angeregt wird und die so intensiv ist, die erzeugt zugleich in der Seele starke Machtkräfte; sie erzeugt aber auch, wenn auch nach dem Ahrimanischen hin gehende, Erkenntnisse. Und so konnte es sein, dass in der Seele Philipps IV. des Schönen gewisse Erkenntnisse aufgingen, ich möchte sagen, von nachgeordneter Art, von derjenigen Weise des Erkennens, die wir aufflammen gesehen haben in herbster, abscheulicher Weise in den mexikanischen Mysterien. Was man bewirken kann, wenn man in der richtigen Weise Leben überwindet in der Welt, wenn auch in anderer Weise als die mexikanischen Eingeweihten, wenn auch nicht in so unmittelbarer, sondern mittelbarer Weise, das ging Philipp IV. dem Schönen auf. Und wie aus tief unterbewußten Impulsen heraus fand er die Mittel, aus dem Toten von Menschen heraus unterbewußte Impulse der Menschheitsentwickelung einzuverleiben. Dazu brauchte er seine Opfer. Und in einer ganz merkwürdigen Weise stimmte zusammen dieser teuflische Instinkt Philipps IV. des Schönen mit demjenigen, was sich auf der anderen Seite im Schöße der Templer notwendigerweise entwickelte durch ihr den gekennzeichneten Dingen geweihtes Leben. Selbstverständlich, wo so etwas Edles, Großes auftritt wie bei den Templern, da gliedert sich auch an dieses Große, Edle manches Ungehörige an, vielleicht auch manches Unmoralische; und dass es selbstverständlich auch Templer gegeben hat, denen man allerlei vorwerfen kann, das soll nicht bestritten werden. Aber im Sinne der Tempelrittergründung war das nicht. Im Sinne der Tempelrittergründung war zuerst das, was die Templer für Jerusalem geleistet hatten, und dann das, was zur Verchristung der ganzen europäischen Kultur geleistet werden konnte. Denn allmählich breiteten sich die Templer aus in einflussreichen Gesellschaften über England, Frankreich, Spanien und einen Teil Italiens, über Mitteleuropa, überall breiteten sich die Templer aus. Und bei einzelnen Templern bildete sich in einem höchsten Grade aus dieses ganze Erfülltsein der Seele mit dem Empfinden von dem Mysterium  von Golgatha, mit dem Empfinden von all dem, was mit dem christlichen Impulse zusammenhängt. Stark und intensiv wurde die Kraft dieses Verbundenseins mit dem Christus in den Templern. Das war ein richtiger Templer, der gewissermaßen nichts mehr von sich wußte, sondern, wenn er empfand, den Christus in sich empfinden ließ, wenn er dachte, den Christus in sich denken ließ, wenn er begeistert war, den Christus in sich begeistert sein ließ. Waren es vielleicht wenige, aber gegenüber der gesamten Masse des Tempelrittertums war es immerhin eine stattliche Anzahl von Männern, in denen dieses Ideal eine völlige Umwandelung, eine ganze Metamorphose des Seelenlebens bewirkt hat, die Seele wirklich oft und oft herausgebracht hat aus dem Leibe, sie leben hat lassen in der geistigen Welt. Dadurch war etwas ganz Merkwürdiges im Kreise der Templer vor sich gegangen; etwas ganz großartig Gewaltiges war dadurch im Kreise der Templer vor sich gegangen, ohne daß diese Templer gekannt hätten die Regeln der christlichen Initiation durch etwas anderes als durch den Opferdienst. Zuerst in den Kreuzzügen, dann in dem geistigen Wirken in Europa, wurde ihre Seele von der intensiven Hingabe an die christlichen Impulse und an das Mysterium von Golgatha so inspiriert, dass das Resultat war das Erleben der christlichen Einweihung bei vielen Templern, bei einer stattlichen Anzahl der Templer. Und wir haben das welthistorische Ereignis vor uns, daß auf weltgeschichtlichem Untergrunde einer Reihe von Männern aus den Untergründen, aus dem Schöße des menschlichen Werdens heraus die christliche Einweihung erwächst, das heißt, das Schauen derjenigen geistigen Welten, die dem Menschen zugänglich werden sollen durch die christliche Einweihung. Das fordert immer Gegenkräfte heraus, Gegenkräfte, die ja in der damaligen Zeit reichlich vorhanden waren. Das, was also in die Welt tritt, wird nicht nur geliebt, es wird auch unbändig gehaßt. Weniger Hass als die Begierde, hinwegzuräumen von der Welt eine solche Gesellschaft und ihr ihre Schätze, die ihr reichlich zugeflossen waren und die sie nur verwenden sollte im Dienst des Geistes, zu entwenden, das lebte in Philipp IV. dem Schönen. Nun ergibt sich immer für eine solche Initiation, wie sie jetzt die Folge war bei einer Reihe der Tempelritter, auch die Möglichkeit, nicht nur zu sehen das Beseligende, das Göttliche, sondern auch die luziferischen und ahrimanischen Kräfte zu sehen. Alles das, was dem Göttlichen entgegenwirkt, alles das, was den Menschen in die ahrimanische Welt hinunterzieht und in die luziferische Welt hinaufzieht, all das erscheint neben dem Einblick in die normalen geistigen Welten dem, der eine solche Initiation durchmacht. All die Leiden und all die Versuchungen und all die Anfechtungen, die an den Menschen herankommen durch die dem Guten gegnerischen Mächte, denen steht der also Initiierte gegenüber, und er hat schon Augenblicke, in denen vor seinem geistigen Blicke, vor dem Seelenblicke schwindet die gute geistige Welt, und er sich wie gefangen sieht von dem, was Macht über ihn gewinnen will, und sich in den Händen sieht der ahrimanisch-luziferischen Mächte, die ihn ergreifen wollen, die sich seines Willens, Denkens, Fühlens, Empfindens bemächtigen wollen. Das sind ja die aus den Schilderungen derjenigen, die in die geistige Welt hineingesehen haben, genugsam bekannten geistigen Anfechtungen. Und es war so mancher aus dem Kreise der Tempelritter, der einen tiefen Blick hineintun konnte in das Mysterium von Golgatha und seine Bedeutung, der einen tiefen Blick hineintun konnte in die christliche Symbolik, wie sie sich herausgebildet hatte durch die Entwickelung des Abendmahles, der den tiefen Hintergrund dieser Symbolik schauen konnte. Mancher, der infolge seiner christlichen Initiation hineinschauen konnte in das, was an christlichen Impulsen durch das geschichtliche Werden der europäischen  Völker ging, mancher, der in diese Dinge hineinschauen konnte, sah aber auch anderes. Er erlebte es sozusagen an eigener Seele, weil es als Anfechtung über ihn kam, die er immer wieder überwand; die sich ihm zeigte, weil er erkennen musste, wessen eine menschliche Seele fähig sein kann, wenn sie sich dessen auch nicht bewußt wird. Der Initiierte wird sich dessen bewußt und sucht zu überwinden, was im Unterbewußten sonst bleibt. So lernte manch solcher Tempelritter kennen jenen teuflischen Drang, der sich des menschlichen Wollens und Fühlens bemächtigt, herabzuwürdigen das Mysterium von Golgatha. Und in den Traumbildern, von denen solch ein Initiierter heimgesucht werden kann, erschien manchem visionär - das war bei der Art, wie diese Initiation entstanden war, durchaus möglich, namentlich da ja die luziferischen Kräfte versuchend an der Seite standen - gewissermaßen die Kehrseite der Verehrung des Symbols des Kruzifixus. Er sah in der Vision, wie die menschliche Seele fähig werden konnte, zu verunehren das Kreuzessymbolum, zu verunehren die heilige Handlung der Konsekration der Hostie; er sah jene menschlichen Kräfte, welche dahin drängen, ins alte Heidentum wiederum zurückzuführen, anzubeten das, was die Heiden angebetet haben und zu verachten den christlichen Fortschritt. Wie die Menschenseele solchen Anfechtungen erliegen kann, das wußten diese Menschen, weil sie es bewußt überwinden mussten. Und Sie schauen da hinein in dieses Seelenleben, von dem wenig erzählt die äußere Geschichte. So ein rechtes Wissen, wenn auch nur instinktiver Art, von diesen Tatsachen des Seelenlebens hatte durch seine ahrimanische Gold-Initiation auch Philipp IV. der Schöne. Der wußte etwas davon, bis zu dem Grade sogar, dass er es seinen Kreaturen mitteilen konnte. Und nun wurde, nachdem man eine grausame Gerichtsprozedur  heraufbeschworen hatte, durch die man allerlei Untersuchungen angestellt hatte, etwas in Szene gesetzt, was von vornherein beschlossen war. Man machte, angestiftet von Philipp IV. dem Schönen, mit den Kreaturen, die zu der Untersuchung herangezogen waren gegen die Templer, Anschläge. Aller möglichen Laster, von denen man wußte, dass sie sie nicht hatten, wurden sie angeklagt. Man hat sie eines Tages in Frankreich überfallen, um sie alle einzusperren, und nachdem man sie eingesperrt hatte, hat man sich möglichst schnell aller ihrer Schätze gleich bemächtigt, sie alle konfisziert. Man machte nun Gerichtsprozeduren, in denen, ganz unter dem Einflüsse Philipps IV. des Schönen, die Folter in ausgiebigstem Maße angewendet wurde. Alle nur auftreibbaren Tempelritter wurden den schlimmsten Folterungen unterworfen. So wurde hier die Folter angewendet zu ähnlichen Überwindungen des Lebens, wie Sie sie ja in ihrer Bedeutung kennengelernt haben. Möglichst viele Leute zu foltern, das gehörte mit in die Intentionen Philipps des Schönen. Und die Folterung wurde in der grausamsten Weise vollzogen, so dass eine große Zahl, ja die größte Zahl der gefolterten Tempelritter bis zur Bewußtlosigkeit gefoltert wurden. Das wußte Philipp IV. der Schöne, was da herauskommt, wenn das Bewußtsein getrübt wurde, wenn diese Leute auf der Folter liegen unter den entsetzlichsten Qualen; er wußte: da kommen die Bilder der Anfechtungen heraus! Und nun wurde unter Anstiftung Philipps IV. des Schönen eine Katechisierung zusammengestellt, ein Katechismus von Suggestionsfragen, so dass man die Fragen so stellte, dass immer in der Frage herausgefordert wurde die Antwort, und die Antwort gegeben aus dem durch die Folter getrübten Bewußtsein. Die Frage wurde gestellt: Habt ihr die Hostie verleugnet und bei der Konsekration nicht die Konsekrationsworte gesprochen? - Und die  Tempelritter gestanden das, weil ihr Bewußtsein getrübt war durch die Folter, weil die dem Guten entgegenstehenden Mächte aus ihren Visionen heraus sprachen. Und sie klagten sich an, während sie in ihrem bewußten Leben dem Kreuzessymbolum, dem Kruzifixus, die höchste Verehrung entgegenbrachten, daß sie es bei der Aufnahme anspeien; und sie klagten sich an aller der schlimmsten Verbrechen, die in dieser Zeit sonst als Anfechtungen in ihrem Unterbewußtsein lebten. Und so stellte man zusammen aus dem, was die Tempelritter gestanden haben auf der Folter, dass diese Tempelritter angebetet hätten ein Idol statt des Christus, ein Idol eines Menschenkopfes, dessen Augen leuchtend werden, dass sie bei ihrer Aufnahme widerwärtigen Prozeduren schlimmster geschlechtlicher Art unterworfen würden, dass sie die Wandlung nicht in der richtigen Weise vollziehen, dass sie die schlimmsten geschlechtlichen Laster treiben, dass sie eben bei ihrer Aufnahme abschwören das Mysterium von Golgatha; und man hatte die ganze Katechisierung so eingerichtet, dass selbst der Großmeister des Templerordens unter der Folter gezwungen worden ist, aus dem Unterbewußten heraus diese Zugeständnisse zu machen. Es ist eines der traurigsten Kapitel der Menschheitsgeschichte, aber eines derjenigen Kapitel der Menschheitsgeschichte, die man nur verstehen kann, wenn man sich klar ist darüber, daß hinter dem Schleier dessen, wovon die Geschichte erzählt, wirksame Kräfte stehen, und dass das Menschenleben wahrhaftig ein Kämpfen ist. Es wäre eine Leichtigkeit - ich will jetzt alles übrige, was noch zu erzählen wäre, weglassen wegen der kurzen Zeit - zu zeigen, wie alle Scheingründe dafür sprachen, die Templer zu verurteilen. Manche blieben bei den Geständnissen, manche flüchteten; ein großer Teil wurde verurteilt, und wie gesagt, selbst der Großmeister, Jakob Bernhard von Molay, wurde durch die Folter gezwungen, in der gekennzeichneten Weise auszusagen. Und so kam es denn, dass Philipp IV. der Schöne von Frankreich es dahin bringen konnte, seine Kreatur, den Papst Clemens V. zu überzeugen - es war nicht schwierig!-, dass die Templer alle die schändlichsten Laster begangen hätten, dass sie die unchristlichsten Ketzer seien. Alles das segnete der Papst Clemens V. auch mit seinem Segen, und es wurde von Clemens V. der Templerorden aufgehoben, vernichtet. Vierundfünfzig Tempelritter, auch Jakob Bernhard von Molay, wurden verbrannt. In den übrigen europäischen Ländern wurde ihnen bald danach auch der Prozess gemacht, in England, in Spanien, dann auch bis nach Mitteleuropa, Italien herein." [41] 

Goethe als Fortsetzer des Tempelherrenlebens: "So sehen wir, wie hineindringt mitten in die europäische Entwickelung dasjenige, was die Auffassung des Mysteriums von Golgatha und seiner Wirksamkeit durch den Templerorden war. Im tieferen Sinne müssen die Dinge doch angesehen werden als von einer gewissen Notwendigkeit bedingt. So aufzunehmen die Impulse von Weisheit, Schönheit, Stärke, wie die Templer das wollten, dazu war die Menschheit zu der Templer Zeiten noch nicht reif. Und außerdem war es durch Gründe, die wir auch noch kennenlernen werden später, durch Gründe, die in der gesamten europäischen Geistesentwickelung liegen, bedingt, dass nicht in der Form, in der die Templer sich in die geistige Welt hineinleben, diese geistige Welt errungen werden sollte. Sie wäre zu schnell errungen worden, wie es luziferische Art ist. Und wir sehen wirklich einen der bedeutungsvollsten Zusammenstöße Luzifers und Ahrimans: Luzifer nur die Templer gleichsam hindrängend, in ihr Unglück hineindrängend; Ahriman durch die Inspiration Philipps IV. des Schönen wirksam. Wir sehen ein bedeutsames Zusammenstoßen in der Weltgeschichte. ... Ein richtiger Fortsetzer des Tempelherrenlebens, aber in Vergeistigung, so wie ich es charakterisiert habe, ist doch in Goethe da. Nur wird erst langsam und allmählich gerade dieser Goetheanismus in das menschliche Verständnis hineinkommen können. Für gewisse Punkte, sagte ich, habe ich schon gezeigt, wie in dem Goetheanismus geradezu der Impuls für alles Geisteswissenschaftliche liegt. Aus Goethe heraus kann alles Geisteswissenschaftliche entwickelt werden." [42] 
 

10. Kosmische und menschliche Geschichte II - III, innere Entwicklungsimpulse der Menschheit; Heinrich VIII und seine Reformation, Thomas Morus; Johann Gottlieb Fichte; Impuls Locke-Voltaire, Montesquieu; Hume-Darwin; in Marx darwinistisch gefärbter Hegelianismus; abstrakt-rationalistisches Denken; Leibniz; Was passiert mit denen, die nicht denken wollen über das Übersinnliche? Werkzeuge im Dienste der mephistophelisch-ahrimanischen Gewalten, eine Wissenschaft zum Unheil der Menschheit; Französische Revolution, Brüderlichkeit, Freiheit, Gleichheit funktioniert im Materialismus nicht; geistige Wissenschaft

Heinrich VIII und seine Reformation, Thomas Morus; Johann Gottlieb Fichte: "Fragen wir zum Beispiel nach dem Ursprünge der englischen Religionsgenossenschaft, der anglikanischen Kirche, der viele Menschen angehören, und suchen wir ihren äußeren historischen Ursprung. Nun, da werden wir finden, dass vom Jahre 1509 bis 1547 Heinrich VIII. regiert hat, dass dieser Heinrich VIII. sechs Frauen hatte. Die erste wurde durch Scheidung von ihm getrennt, aber diese Scheidung spielt, rein äußerlich betrachtet, eine große historische Rolle. Katharina von Aragonien, von ihr ließ er sich scheiden. Die zweite, Anna Boleyn, ließ er hinrichten. Die dritte, Johanna Seymour, starb. Von der vierten ließ er sich wieder scheiden. Die fünfte, Katharina Howard, wurde wieder hingerichtet. Nur die sechste überlebte ihn, und wenn man die Geschichte weiter prüft, eigentlich nur durch eine Art von Irrtum, denn auch ihr war ein anderes Schicksal zugedacht. Diese etwas komplizierte Ehegeschichte Heinrichs VIII., der, wie gesagt, vom Jahre 1509 bis 1547 regierte, möchte ich weniger ihres historischen Inhaltes willen anführen, als mehr um hinzuführen zu einer Betrachtung des Charakters Heinrichs VIII. Denn man kann schon etwas Anschauung über den Charakter bekommen, wenn man weiß, dass eine Persönlichkeit zwei Frauen hat hinrichten lassen und sich von einer gewissen Anzahl hat scheiden lassen und so weiter. Nun aber, rein äußerlich, historisch genommen, spielt die Scheidung von der ersten, von Katharina von Aragonien, eine gewisse bedeutsame Rolle; denn man braucht nur zwei Ereignisse ins Auge zu fassen, um diese gewichtige Rolle äußerlich zu charakterisieren. Erstens wurde, weil der Papst sich weigerte, die Ehe zu scheiden, der «Defensor fidei», der Verteidiger des Glaubens, wie er sich zuerst nannte, das heißt des katholischen, von Rom ausgehenden Glaubens, Gegner des Papstes, Gegner der von Rom aus zu führenden katholischen Kirche, und trennte einfach durch seine Machtmittel die englische Kirche von der allgemeinen katholischen Kirche, so dass eine Art Reformation eintrat; aber eine Reformation ganz eigener Art, darin bestehend, dass die alten Gebräuche, Zeremonien, Ritualien beibehalten wurden. Es war also nicht so, wie es bei den Protestanten war, dass wirklich aus einer geistigen Grundlage und geistigen Kraft heraus eine Erneuerung gesucht worden ist, sondern es wurde alles Religiöse beibehalten. Nur innerhalb Englands sollte die Kirche abgetrennt werden von der allgemeinen katholischen Kirche, weil eben der Papst sich weigerte, die Ehe Heinrichs VIII. zu scheiden. Also um eine andere Frau zu bekommen, begründete dieser Mann für sein Volk eine neue Kirche, die seither besteht. Wir haben also die äußere historische Tatsache, dass Millionen und Millionen von Menschen durch Zeitalter hindurch in einem Glaubenszusammenhange leben, weil eines Königs Scheidung nur dadurch bewirkt werden konnte, dass er diesen Glaubenszusammenhang schuf! Es ist äußerer historischer Zusammenhang. Ist das nicht eine Absurdität? Und wenn man genauer sich die Sache ansieht, dann kommt auch noch eine innere Absurdität dazu, eine richtige innere Absurdität; denn es ist gar nicht zu leugnen, dass Tausende und aber Tausende von Menschen seit der Scheidung Heinrichs VIII., das heißt seit der Begründung der englischen Kirche, in diesem Glaubenszusammenhange, der auf so fragwürdige Weise entstanden ist, wirklich tiefes religiöses inneres Leben gefunden haben. Das heißt: Es entsteht etwas in der Geschichte durch eine höchst fragwürdige Ursache, und die Früchte, die eintreten, können für Tausende und aber Tausende von Menschen die am meisten innerlich Seelenheil bringenden sein, sind es auch gewesen. Man ziehe nur die Konsequenzen der Dinge. Man huscht so über die Dinge in ihrer Entwickelung hinweg; aber man ziehe die Konsequenzen solcher Dinge, dann wird man sehen, dass man auf die verschiedensten Absurditäten kommt, wenn man unter dem Gesichtswinkel die Tatsachen betrachtet, unter dem man sie heute betrachtet. Ich sagte, diese eine Tatsache ist eingetreten; aber auch noch eine andere Tatsache haben wir zu verzeichnen. Das ist die Tatsache der Hinrichtung des Thomas Morus, jenes bedeutenden, großen, genialischen Schülers des Pico von Mirandola, der die «Utopia» geschrieben hat, ein wunderbares Werk, in dem er aus einem visionären Schauen heraus - ich kann das heute nicht weiter ausführen, aber das kann ein
anderes Mal ausgeführt werden - die Idee eines sozialen Zusammenhanges der Menschen geschaffen hat; so dass man sieht, dass dieser Schüler Picos della Mirandola, Thomas Morus, der aus einem gewissen bei ihm auftretenden atavistischen Hellsehen sich ein Bild von einer sozialen Ordnung macht, dieses Bild zeichnet. Mögen diejenigen Leute, die nun ganz gescheit sind, über die Anwendbarkeit dieses Bildes denken wie sie wollen, aber Genialität und geniale Impulse leben in diesem Bilde. Wenn auch ein solches Bild nicht unmittelbar anwendbar ist auf die äußere Wirklichkeit, so gilt eben in bezug auf ein solches Bild immer das, was Johann Gottlieb Fichte gesagt hat mit Bezug auf solche sozialen und anderen Ideale, die für die Menschheit aufgestellt werden. Mit Bezug auf solche Ideale spricht sich Fichte einmal aus, nachdem er ins Auge gefasst hat, wie immer wieder und wiederum die Leute sagen: Nun ja, da kommen diese Denker und predigen allerlei Ideale, aber das sind unpraktische Leute, das kann man nicht anwenden! - Da sagte Fichte in bezug auf solche Einwendungen: Dass sich Ideale im wirklichen Leben nicht unmittelbar anwenden lassen, das wissen wir anderen ebensogut als diejenigen, die solche Einwendungen machen, vielleicht besser; nur wissen wir auch, dass das Leben immerzu, wenn es wirklich vorwärtsgehen soll, nach solchen Idealen geformt werden muss. Diejenigen aber, die von solchen Idealen nichts wissen wollen, sagt Johann Gottlieb Fichte, sie zeigen weiter nichts, als dass bei der Evolution der Menschheit nicht auf sie gerechnet ist. Und so möge ihnen denn der gute Gott Regen und Sonnenschein zu rechter Zeit, und möglichst auch Speise und Trank zur rechten Zeit und eine gute Verdauung verleihen, und wenn es sein kann, auch gute Gedanken ab und zu. - So spricht Johann Gottlieb Fichte mit Recht; denn das, was sich in der Welt verwirklicht, sind doch die Ideale der Menschheit, wenn auch andere Kräfte und andere Impulse zusammenwirken mit diesen Idealen, und diese Ideale nicht nur unmittelbare sind, sondern mittelbare."

Impuls Locke-Voltaire, Montesquieu; Hume-Darwin; in Marx darwinistisch gefärbter Hegelianismus; abstrakt-rationalistisches Denken: "Allein aus mancherlei Gründen wurde gerade unter dem Einflüsse Heinrichs VIII. auch Thomas Morus hingerichtet. Und so sehen wir gerade in einer solchen Hinrichtung, wie die des Thomas Morus ist, in diesem Zeitalter und in der Entstehung der englischen Kirche zwei Ereignisse, die, wenn man sie ihrem Sinne nach kennt, ihrem tieferen Sinne nach kennenlernen will, eben auch tiefer betrachtet werden müssen. Nur unter gewissen Voraussetzungen kann man verstehen, warum die angedeutete Entwickelung sich so, wie sie geschildert worden ist, vollzogen hat. Man kann diese Entwickelung nur verstehen, wenn man gerade hervorragende Geister betrachtet innerhalb dieser Entwickelung, wie sie gefolgt ist auf das Zeitalter und auf die Taten Heinrichs VIII. Betrachten wir zunächst nur den Umstand, dass da ein Glaubenszusammenhang geschaffen worden ist, um eine Ehescheidung herbeizuführen. Wie gesagt, für den einzelnen Menschen, wenn er religiös veranlagt war, brauchte das gar keine besondere Wirkung zu haben, denn er konnte sein Heil finden auch innerhalb der so entstandenen Kirche. Viele fanden es. Aber im ganzen geschichtlichen Zusammenhang, im geschichtlichen Werden seit jener Zeit sehen wir schon, dass durch diese äußerliche Herstellung eines Glaubenszusammenhanges etwas ganz Besonderes bewirkt worden ist. Dazu muss ins Auge gefasst werden, was an geistigen Impulsen gerade von der Kulturgemeinschaft ausgegangen ist, in die dieser religiöse Zusammenhang hineingestellt worden ist. Man muss da bei einer objektiven Betrachtung sich klar darüber sein, dass, nachdem in Europa der südwestliche Einfluss an geistigen Impulsen mehr und mehr zurückzusinken begann, der Einfluss der englischen Kultur immer mehr und mehr wuchs. Der Einfluss der englischen Geistesimpulse wurde immer stärker und stärker, wurde stark zunächst auf dem Westen des europäischen Kontinents, dann auf dem ganzen europäischen Kontinent, und wenn man von den stärksten Einflüssen in geistiger Beziehung mit Bezug auf das 18. und 19. Jahrhundert für Europa sprechen will, so muss man natürlich die von England ausgehenden Impulse ins Auge fassen. Da treten nun gewisse Leute auf innerhalb der englischen Kultur selber, welche von diesem Kulturimpulse beseelt sind; da treten zum Beispiel auch innerhalb Frankreichs gewisse Leute auf, in denen diese Kulturimpulse leben. In England Philosophen, zum Beispiel der außerordentlich einflußreiche Philosoph Locke. Gewiss, heute wissen nicht viele Leute etwas von Locke, aber die Einflüsse solcher Leute gehen durch tausend und aber tausend für das äußere Leben unsichtbare Kulturkanäle, und Locke hat einen ungeheuren Einfluss gehabt auf Voltaire, und wie hat Voltaire das europäische Denken beeinflußt! Aber Voltaires Einfluss geht auf Lockes Einfluss zurück. Wie viel ist geschehen unmittelbar unter dem Einflüsse Locke-Voltaires! Wie viele Gedanken wären nicht über Europa gekommen, wenn dieser Impuls Locke-Voltaires nicht gewesen wäre. Wie anders hätte sich das politische, das soziale Leben in Europa abgespielt, wenn Locke-Voltaire die europäische Seele nicht mit Gedanken gespeist hätten. In Frankreich sehen wir zum Beispiel wiederum dieselben Impulse leben in dem ungeheuer einflussreichen Montesquieu. Wenn wir dann auf den weiteren Gedankeneinfluss auf dem Kontinente sehen, so sehen wir, wie durch Hume, wie später durch Darwin das menschliche Denken revolutioniert wird. Und wiederum sehen wir, wie durch Locke-Voltaire, so durch Hume-Darwin ein ungeheurer Einfluss ausgeübt wird. Und als Marx, der Begründer des modernen Sozialismus, der einen Einfluss hat, welcher heute von denen, die sich Gebildete nennen, noch gar nicht abgeschätzt werden kann, weil dieser Einfluss in den breitesten Schichten lebt - als Marx sein grundlegendes Werk «Das Kapital» zu schreiben begann und seine Studien machte, da ging er nach England! Gewiss lebte Hegelianismus in Marx, aber darwinistisch gefärbter Hegelianismus. Und wer das Verfassungsleben der einzelnen europäischen Staaten im 19. Jahrhundert studiert, wer die Verfassungskämpfe studiert, der wird kennenlernen, wie tiefgehend der Einfluss der von dorther kommenden Kulturimpulse war. Das alles kann ja hier nur angedeutet werden. Wenn wir nun aber gerade die hervorragenden Persönlichkeiten, die also Europa eine gewisse Physiognomie geben, ins Auge fassen, dann finden wir bei ihnen überall ein besonders entwickeltes, abstrakt-rationalistisches Denken, ein solches Denken, wie es ein gutes, ein vorzügliches Instrument ist, um die physische Welt, die materielle Welt zu erforschen, kennenzulernen, zu behandeln und so weiter. Sowohl in Locke-Voltaire, in Montesquieu, wie in Hume-Darwin, in allem, was von ihnen abhängig ist, lebt Fähigkeit, und diese Fähigkeit pflanzt sich in das europäische Denken fort, auch in das europäische Gefühlsleben - derjenige, der nichts weiß davon, ist deshalb doch tief davon beeinflußt - und schafft eine Art von Denken, die besonders geeignet ist, die materiellen Zusammenhänge der Welt zu erkennen und zu behandeln, soziale Ordnungen zu schaffen, welche auf die materiellen Zusammenhänge gehen. Nun sehen wir eine gewisse Begleiterscheinung, die nicht ohne Bedeutung ist, ganz und gar nicht ohne Bedeutung ist, bei allen diesen Denkern auftreten. Diese Denker sind scharfe, zuweilen genialische Denker, eindringliche Denker in bezug auf die materiellen Zusammenhänge der Welt; aber sie alle sind Denker, welche zur religiösen Entwicklung der Menschheit eine eigentümliche Stellung einnehmen, welche das Denken durchaus nicht anwenden wollen auf die Gebiete des religiösen Lebens. Weder Locke, noch Hume, noch Darwin, noch Montesquieu wollen das Denken auf das anwenden, was sie für Gegenstände des religiösen Lebens halten. Aber sie fechten dieses religiöse Leben auch nicht an, sondern sie nehmen es hin, so wie es sich in der Geschichte einmal herausgebildet hat. Sie nehmen es als eine Tatsache hin. In diesen Kreisen war ein Ausspruch ganz gang und gäbe: Man ist Katholik, man ist Protestant, so wie man Franzose oder Engländer ist; - das heißt: man nimmt es als etwas, was eben da ist, hin, man kritisiert daran nicht; man fügt sich da hinein, man läßt das stehen. Aber man tippt auch nicht mit dem Denken an die Dinge! Ein so energischer, scharfer Denker wie Hume lebt gerade in dieser Empfindung, in diesem Gefühle, auch Montesquieu lebt in diesem Gefühl, in dieser Empfindung: stehen lassen das religiöse Leben, aber es anerkennen im äußeren Leben; ja nicht den Scharfsinn, den man auf materielle Dinge so sehr anwendet, irgendwie geltend machen in bezug auf die Angelegenheiten der geistigen Welt." [43] 

Leibniz, Differentialrechnung; "Ich habe öfter schon aufmerksam darauf gemacht, wie wenig die Menschen geneigt sind, die inneren Zusammenhänge ins Auge zu fassen. Derjenige, der die Dinge ganz äußerlich betrachtet, denkt vielleicht einmal nach: Wer hat den Gotthardtunnel gebaut oder irgendeinen Tunnel? - Heute werden Tunnels nicht gebaut, ohne dass man gewisse Berechnungen macht: Differentialrechnungen. Nicht diejenigen allein haben den Gotthardtunnel gebaut, die Stein auf Stein geformt haben, sondern wenn es heute nicht Differentialrechnung gäbe, wäre der Gotthardtunnel nicht gebaut worden. Der einsame Denker Leibniz hat die Differentialrechnung erfunden; der hat mitgebaut! Das fließt alles ein. Ich will das nur zur Verdeutlichung sagen, denn das Beispiel an sich will ja nicht viel sagen; ich will es zur Verdeutlichung nur erwähnen." [44] 

Was passiert mit denen, die nicht denken wollen über das Übersinnliche?: "Jetzt ist es so, dass gewisse Gedanken auch von den übersinnlichen Hierarchien nur gefasst werden können, wenn sie die Menschen hier im Erdendasein fassen. Die Götter denken gewisse Gedanken nur, wenn diese Gedanken in menschlichen Leibern leben. Und diese Gedanken müssen in die geistige Welt durch die Pforte des Todes getragen werden; dann nur können sie wirken. Es ist wahrhaftig so: Derjenige, der nicht denken will über das Übersinnliche, der gleicht einem Bauern, der da sagt zu seinem Nachbar: Du bist ein dummer Kerl, du hebst jedes Jahr einen gewissen Teil der Saat auf! Ich bin zwar erst dieses Jahr ein Bauer geworden, aber ich bin nicht so dumm wie du; ich werde alles verpulvern und alles veressen und werde ruhig warten. Es wird schon von selber wachsen! - Solch einem Bauern gleicht der, der da nichts wissen will davon, dass nicht nur das, was wir hier in der Welt erleben, nicht aufgebraucht werden darf, sondern dass auch eine gewisse Saat in die Seele gelegt werden muss, um diese Seele durchzuführen durch ihren Weg in die geistigen Welten. Indem man Geisteswissenschaft treibt, treibt man für die heutige Zeit entsprechende Saatenlegung. Und die muss getrieben werden!" [45] 

Philipp der Schöne war wie die Sarazenen / Muslime, die sich kennzeichnen durch Spott und Hass und Verachtung und Ironisierung des Guten, ein Feind des Christentums und Werkzeug im Dienste der mephistophelisch-ahrimanischen Gewalten: "Dann, wissen wir, breitete sich der Templerorden aus, und er erlangte zu dem ungeheuer starken Einflüsse, den er geistig hatte - mehr auf übersinnliche Art, als durch äußere Einflüsse -, hinzu bedeutende äußere Schätze. Und ich habe nun schon beschrieben, wie damit der Zeitpunkt gekommen war, diese äußeren Schätze, die der Templerorden in immer größerem und größerem Umfang erreicht hatte, übergehen zu lassen in die weltliche Macht, und ich habe beschrieben, wie durch eine Art Initiation, wirklich durch eine Art Initiation mit dem bösen Prinzip des Goldes Philipp der Schöne zum Werkzeuge ausersehen war, dem Templertum entgegenzutreten. Das heißt, er wollte zunächst die äußeren Schätze des Templertums sich aneignen. Aber Philipp der Schöne wußte mehr als andere Menschen in der Welt. Philipp der Schöne wußte durch das, was er durchgemacht hatte, vieles von den Geheimnissen des seelisch-menschlichen Daseins. Und so kam es denn, daß Philipp der Schöne ein Werkzeug sein konnte gerade im Dienste der mephistophelisch-ahrimanischen Gewalten, welche darauf ausgingen, das Templertum in der Gestalt, wie es zunächst sich ausgelebt hatte, unwirksam zu machen. Philipp der Schöne war, wie gesagt, das Werkzeug anderer geistiger, mephistophelisch-ahrimanischer Mächte. Philipp der Schöne wußte unter der Inspiration seiner Mächte, was das bedeutet haben würde, wenn in jene spirituellen Strömungen, welche ebenso wie das Sichtbare durch die Welt gehen, sich hineinergossen hätte das, was die Templer geistig sich erobert hatten an Wissen vom Mysterium von Golgatha und an Empfindungen und Gefühlen und Willensimpulsen, die sich anschlössen an das Mysterium von Golgatha. Es sollte das, was sich so entwickelt hatte, entrissen werden gewissermaßen den göttlich-geistigen, normal fortschreitenden Mächten; es sollte in andere Bahnen gelenkt werden. Dazu musste man erreichen, dass nun wiederum etwas, was nur in den Seelen der Templer leben konnte, herausgerissen wurde aus der Individualität der Templer selber. Geradeso wie das, was die Templer erlebt hatten über das Mysterium von Golgatha, nicht bei ihnen als Individuen blieb, sondern herausgesetzt wurde in die allgemeine Entwicklung der Menschheit, so sollte auch etwas anderes herausgesetzt werden aus den Individuen, sollte einverleibt werden dem objektiven historischen Strom. Und das konnte nur durch einen besonderen Akt der Grausamkeit vollzogen werden, durch einen furchtbaren Akt der Grausamkeit vollzogen werden. Den Templern wurde der Prozess gemacht. Sie wurden angeklagt nicht nur äußerer Verbrechen, an denen sie ganz gewiß unschuldig waren - was sich auch äußerlich historisch nachweisen lässt,wenn man nur die Wahrheit sehen will, auch in der äußeren Geschichte - , die Templer wurden vor allen Dingen beschuldigt, dass sie verlästert hätten das Christentum, dass sie verlästert hätten das Mysterium von Golgatha selber, dass sie Götzendienst getrieben hätten, Heidentum hereingebracht hätten in den Dienst des Mysteriums von Golgatha, dass sie die richtigen Formeln bei der Konsekration, bei der Transsubstantiation nicht angewendet hätten, dass sie sogar das Kreuz entheiligt hätten. Und allerlei anderer, sogar widernatürlicher Verbrechen wurden die Templer angeklagt. Hunderte und aber Hunderte wurden grausamster Folterung unterworfen. Und man wußte auf der Seite, die den Prozess machte, was solche Folterung bedeutet: Das gewöhnliche Tagesbewußtsein wurde den Gefolterten unterdrückt; dadurch vergaßen sie während der Folterung in ihrem Oberbewußtsein ihren Zusammenhang mit dem Mysterium von Golgatha. Aber sie hatten, weil das bei jedem so ist, der in die geistige Welt hineinschaut, sie hatten alle die Anfechtungen, alle die Versuchungen in der Tat kennengelernt, die da aufsteigen aus des Menschen Innerem, wenn sich der Mensch den guten göttlich-geistigen Kräften nähert. All die Feinde, die da wirken aus dem untergeordneten geistigen Reiche heraus und die den Menschen abbringen wollen vom Guten, die den Menschen verleiten wollen zum Bösen, die in den Trieben, in den Begierden, in den Leidenschaften, in den Affekten wirken können, die aber namentlich auch wirken können in Spott und Hass und Verachtung und Ironisierung des Guten, all die Mächte, die da aufgerufen werden konnten, die Templer hatten sie kennengelernt. Und sie hatten in vielen, vielen ihnen heiligen Stunden jene inneren Siege errungen, die der Mensch erringen kann, wenn er sehend hindurchgeht durch die Welten, die jenseits der Schwelle der sinnlichen Welt liegen und die überwunden werden müssen, damit der Mensch nach der Überwindung mit gestärkten Kräften in die ihm angemessenen geistigen Welten einziehen kann." [46] 

Wir Menschen sind dazu berufen, einzudringen in die Geheimnisse des Daseins, aber nicht, die weisheitsvolle Weltenlenkung zu kritisieren; was Mephistopheles-Ahriman durch sein Werkzeug, Philipp den Schönen und die Muslime bewirkte, waren alle materialistischen Impulse, die jetzt im 14., 15., 16., 17., 18., 19. Jahrhundert über die Menschheit heraufzogen; als Gegenströmung z.B. Wolfram von Eschenbachs «Parzival»,  für ihn der Repräsentant des Tempelrittertums oder Goethes «Die Geheimnisse» und sein «Faust»; vor die Wahl ist die Menschheit gestellt und wird es immer mehr und mehr werden, ob sie eintreten will in die Dekadenz und es mit dem Materialismus in Wissenschaft und Medizin weiter halten will, oder ob sie hinaufstreben will in die geistigen Welten; "So waren zwei Strömungen in die neuere Geschichte eingeführt: Das, was die Templer erlebt hatten in ihren heiligsten Stunden, was sie erarbeitet hatten innerhalb der spirituellen fortschreitenden Strömung der Menschheit, aber auch das, was ihnen durch Ahriman-Mephistopheles abgezogen war, herausgeholt war aus ihrem Bewußtsein, um es objektiv zu machen, und so objektiv im weiteren Fortschritte der Jahrhunderte wirksam zu gestalten. Man kann gewiss solchen Erscheinungen gegenüber die einfache, bequeme Menschheitsfrage aufwerfen: Warum lassen die göttlich-geistigen Vorsehermächte solches geschehen? Warum führen sie die Menschheit nicht, ohne dass sie durch solche schmerzlichen Prüfungen gehen muss, durch den Werdegang der Geschichte? - Solcher Gedanke ist eben menschlich, allzumenschlich; er kann der Gesinnung entspringen, die derjenige fassen kann, der glauben kann, die Welt wäre besser geworden, wenn sie nicht von Göttern, sondern von Menschen gemacht wäre. Das kann mancher Mensch glauben, dass er mit seinem Verstände eine Kritik üben kann an dem, was als Weisheit durch die Welt wallt und webt. Aber solches Denken verführt auch zum äußersten Erkenntnishochmut und zum äußersten Erkenntnisübermut. Wir Menschen sind dazu berufen, einzudringen in die Geheimnisse des Daseins, aber nicht, die weisheitsvolle Weltenlenkung zu kritisieren. Daher müssen wir auch Einsichten gewinnen in die Stellung und in die Bedeutung, die als Böses, als böse Strömung zugelassen wird von der weisheitsvollen Weltenlenkung. Denn würde nur das Gute zugelassen, würden nur gute Impulse walten im geschichtlichen Werden, so würde die Menschheit niemals so hingelenkt werden auf dieses geschichtliche Werden, dass sie zur Freiheit sich entwickeln könnte. Nur dadurch, dass das Böse selber waltet im geistigen Werdegang der menschlichen Geschichte, kann die Menschheit sich zur Freiheit entwickeln. Und würden die Götter ablenken den menschlichen Seelenblick von dem Bösen, so würden die Menschen ewig Automaten bleiben müssen, niemals frei werden. Es ist schon so eingerichtet im menschlichen Werdegang, dass auch das, was tiefstes Leiden, intensivsten Schmerz verursacht, zuletzt ins Gute geleitet wird. Der Schmerz ist ja nur ein zeitlicher, deshalb natürlich nicht ein minder großer und tiefer; man darf sich nicht über den Schmerz hinwegtäuschen, man darf nicht einer billigen verschwommenen Mystik sich hingeben wollen, die den Schmerz nicht sehen will. Man muss den Schmerz mitmachen wollen, muss in den Schmerz sich einsenken wollen, muss ihn abladen können auf die eigene Seele; aber man muss auch ohne Kritik des geistigen Daseinswillens verstehen lernen, wie die verschiedensten Impulse positiver und negativer Art in den Werdegang der Menschheit hineinversetzt werden, damit der Mensch nicht nur gut, sondern auch frei mit eigenen Impulsen werde.So sehen wir in der Entwickelung, in dem Schicksal des Templertums einen wichtigen Impuls für alle folgenden Jahrhunderte der neueren Zeit. Hätte das Templertum sich ausleben können mit der Intensität, mit der Stärke, die intendiert war von den großen Templern, dann hätte die folgende Menschheit das nicht ertragen können. Gewissermaßen mussßte die Schnelligkeit der Entwickelung abgedämpft werden; zurückgehalten musste der Strom werden. Damit wurde er aber auch verinnerlicht. Und so sehen wir, wie sich denn unter den beiden Strömungen, die wir angedeutet haben, im neueren geschichtlichen Werdegang innerlichstes Leben entwickelt neben dem äußeren Materialismus. Denn das, was Mephistopheles-Ahriman durch sein Werkzeug, Philipp den Schönen, herausgedrängt hat als mephistophelischen Impuls für den nächsten Werdegang der Menschheit, das lebte fort, und das lebte mit vielem anderen zusammen in der materialistischen Gesinnung und lebte in allen materialistischen Impulsen sich aus, die jetzt im 14., 15., 16., 17., 18., 19. Jahrhundert über die Menschheit heraufzogen. Und das bewirkte, dass in der Breite des Lebens sich geistig-seelisch, sozial das auslebte, was wir als den Materialismus kennen, sich das auslebte, was das Karma auch unserer Tage hervorbrachte. Wäre das nicht so gegangen, wäre nicht in die Breite des Lebens der materialistische Strom durch den mephistophelischen Impuls geflossen, so hätte auf der anderen Seite der Zusammenhang mit der geistigen Welt nicht so verinnerlicht werden können. Oh, was die Templer nach der anderen Seite durch ihr spirituelles Einleben in das Mysterium von Golgatha bewirkt hatten, das lebte fort! Und diejenigen Templerseelen, die, nachdem sie die schweren Erfahrungen auf der Folterbank durchgemacht hatten - vierundfünfzig Templer waren hingerichtet worden nachher -, diese Templerseelen, die so durch die Pforte des Todes gegangen sind, sie konnten nun aus den geistigen Welten Ströme geistigen Lebens heruntersenken für die Menschen, die in den folgenden Jahrhunderten lebten. 1312 hatte die Hinrichtung der vierundfünfzig Templer stattgefunden; vierundfünfzig Seelen sind hinaufgestiegen in die geistigen Welten. Und jetzt geschieht innerhalb der europäischen Menschheit seit jener Zeit übersinnlich, unsichtbar, ohne dass es sich für den äußeren Anblick in den geschichtlichen Tatsachen auslebt, eine geistige Entwickelung, die darinnen besteht, dass immer einzelne der Nachkommenden inspiriert werden aus der geistigen Welt heraus mit dem, was diese vierundfünfzig Seelen durch die Pforte des Todes hineingetragen hatten in die geistige Welt. Nur ein Beispiel will ich dafür erwähnen, das ich früher schon, in dem vorhergehenden Vortrage, angedeutet habe, das ich jetzt von einem anderen Gesichtspunkte etwas ausführlicher erwähnen will. Bevor die tragische Entwickelung sich über den Templerherrenorden ergossen hat, lange vor dem Jahre 1312, ein Jahrhundert vorher, hatte in Einsamkeit, könnte man sagen, oder wenigstens nur im kleinen Kreise wirksam, Wolfram von Eschenbach seinen «Parzival» gedichtet, das Lied von jener Seele, die durch innere Läuterung strebt zu jenem Leben, das auch als Endziel dem Templertum vorschwebte. In reichen Bildern, in wunderbaren Imaginationen entrollt Wolfram von Eschenbach das innere Leben des Parzival, für ihn als Repräsentanten des Tempelrittertums. Sehen wir eine bedeutsame äußere Wirkung des «Parzival» im geschichtlichen Werden der folgenden Zeit? Nein. Ins geschichtliche  Werden der europäischen Menschheit hat ja erst wiederum Richard Wagner in anderer Art den Parzival hineingestellt. Aber das, was als spirituelle Macht, als geistiger Impuls dazumal noch von der Erde aus sich in die Seele des Wolfram von Eschenbach ergießen konnte, das wurde in den folgenden Jahrhunderten zur Inspiration von der geistigen Welt aus für manchen anderen. Und wer die Dinge innerlich schaut, wer die Zusammenhänge, die geheimnisvollen Zusammenhänge zwischen dem sinnlichen Erdenleben und dem geistigen Leben schaut, der weiß, wie in Goethes Seele hereingeflossen sind die Impulse, die durch das Schicksal der Templer in die geistige Welt hinausgetragen worden sind. Nicht umsonst hat Goethe bereits in den achtziger Jahren ein Gedicht angefangen, das er dann nicht fertiggebracht hat. Es ist bedeutsam, daß er es begonnen hat; ebenso bedeutsam ist der Umstand, dass Goethe, selbst Goethe nicht stark genug war, den gewaltigen Gedanken dieses Gedichtes in Wirklichkeit umzusetzen. Ich meine «Die Geheimnisse», wo der Bruder Markus zu einem einsamen Schlosse der Rosenkreuzer geht und in den Kreis der zwölf Rosenkreuzer tritt. Goethe hat den Grundgedanken, der auch im «Parzival» liegt, ja in seiner Art aufgefasst, aber er hat ihn nicht vollenden können, durch das Nichtvollenden anzeigend, dass wir alle eigentlich drinnenstehen in dieser geistigen Entwickelung, die Goethe auch nur in ihren Anfängen erlebt hat, und an der wir arbeiten und arbeiten und arbeiten müssen, damit wir immer weiter und weiter schreiten in der Durchdringung der geistigen Welt und diese Anfänge immer weiter und immer weiter gestalten. Dem hat Goethe die besten Kräfte seines Daseins gewidmet, dieses hat er auch in seinen «Faust» einfließen lassen, als er den Zusammenhang des Menschen mit den geistigen Kräften schildern wollte, die für ihn auch die ahrimanisch-mephistophelischen sind. Für den, der die Geschichte konkret betrachtet in ihrem geistigen Werden, für den ist es eine Anschauung, dass aus der geistigen Welt in die Seele Goethes auf Erden hineinfloss das, was die Templer, die durch des Todes Pforte auf so bedeutungsvolle, grausame Art gegangen waren, hinaufgetragen hatten in die geistigen Welten, und eben deshalb, weil sie so durch die Todespforte gegangen waren, herabfließen lassen konnten als Inspirationen in Menschenseelen. Und nicht nur in diese eine Goethesche Seele, wenn auch vielleicht in diese gerade bedeutsam, in viele andere Menschenseelen ist das eingeflossen und lebt, wenn auch von der äußeren Welt heute noch wenig beachtet. Denn wie sehr ist das Geistige in «Faust» selbst noch unbeachtet geblieben von der äußeren Welt! Es lebt aber doch, und lebt einem immer reicheren Leben entgegen und wird immer fruchtbarer und fruchtbarer werden müssen, wenn die Menschheit sich nicht in die Dekadenz statt in die Aufwärtsentwicklung begeben will. Allerdings ist gerade für unser Zeitalter das, was in der Menschheit wirken soll in der Zukunft, in die eigene freie Hand der Menschen gegeben, und vor die Wahl ist die Menschheit gestellt und wird es immer mehr und mehr werden, ob sie eintreten will in die Dekadenz und es mit dem Materialismus weiter halten will, oder ob sie hinaufstreben will in die geistigen Welten." [47] 

Französische Revolution, Brüderlichkeit, Freiheit, Gleichheit funktioniert im Materialismus nicht, sondern nur wenn man weiß, dass der Mensch aus Leib, Seele und Geist besteht; so ist Gleichheit für die äußere physische Welt gedacht, ein Unsinn, ohne geistige Wissenschaft soziales Chaos; Man sah ja auch schon am Ende des 18. Jahrhunderts den Menschen so an, wie ihn zum Unheil der Menschheit die heutige materialistische Wissenschaft ansieht, die Physiologie, die Biologie: "Wir sehen den Strom des Materialismus neben dem, ich möchte sagen, verborgenen Parallelstrom heraufziehen und sehen ein gewaltiges Ereignis eintreten am Ende des 18. Jahrhunderts, ein Ereignis, unter dessen Eindruck das ganze 19. Jahrhundert bis in die heutige Zeit herein steht: Wir sehen am Ende des 18. Jahrhunderts die Französische Revolution über die europäische Kultur hinfließen. Vieles lebte sich so aus, wie die Historiker beschrieben haben, dass es in der Französischen Revolution lebt. Aber man wird zu dem, was man bisher versteht von dieser Französischen Revolution und was fortwirkte an Impulsen, ausgehend von der Französischen Revolution, das noch hinzuverstehen müssen, was spirituell aus den materialistischen Impulsen, aus ahrimanisch-mephistophelischen Impulsen wird. Die Französische Revolution strebte - wie gesagt, nicht angeklagt soll ein historisches Ereignis werden, sondern verstanden - nach einem Höchsten; aber sie strebte nach einem Höchsten in einer Zeit, auf welche noch schwer die Schatten jenes Ereignisses fielen, das ich heute charakterisiert habe, jenes Ereignisses, durch das Mephistopheles-Ahriman mächtig geworden war, in das europäische Leben hereinzusenden den materialistischen Impuls. Und so hatten denn die Besten, welche die Französische Revolution inaugurierten, wenn sie auch in ihrem Bewußtsein etwas anderes zu glauben vermeinten - darauf kommt es nicht an, dass man sich mit Worten zu diesem oder jenem bekennt, sondern darauf kommt es an, dass man ein lebendiges, seelisch-lebendiges Bewußtsein hat von dem, was wirkt in der Welt - , die Besten, welche die Französische Revolution inaugurierten, hatten nur ein Bewußtsein von dem physischen Plane. Sie strebten gewiss nach einem Höchsten, aber sie wußten nichts von der Trinität im Menschen: von dem Leib, der da wirkt durch das ätherische Prinzip im Menschen, von der Seele, die da wirkt durch das astralische Prinzip, von dem Geist, der zunächst im Menschen wirkt durch das Ich. Man sah ja auch schon am Ende des 18. Jahrhunderts den Menschen so an, wie ihn zum Unheil der Menschheit die heutige materialistische Wissenschaft ansieht, die Physiologie, die Biologie. Man sah den Menschen so an, dass man, auch wenn man religiös ahnte etwas von einem geistigen Leben, doch nur den Blick richtete - von dem anderen redete man vielleicht - , aber den konkreten Blick richtete man auf das, was in der physischen Welt hier zwischen Geburt und Tod sich auslebt. Das kann man verstehen, was sich hier auslebt, wenn man es auch heute noch nicht ganz versteht, wenn man nur den Blick auf den äußeren physischen Leib richtet. Was aber im ganzen Menschen lebt, das kann man nur verstehen, wenn man weiß, wie mit dem äußeren physischen Leib das ätherische Prinzip, das astralische und das Ich-Prinzip verknüpft sind. Denn schon indem wir hier in der physischen Welt zwischen Geburt und Tod stehen, lebt in uns das Geistig-Seelische, das den geistigen Welten angehört. Leib, Seele und Geist sind wir hier, und wenn wir durch die Pforte des Todes geschritten sind, werden wir, nur mit einem anderen geistigen Leibe, wiederum eine Dreiheit sein als Menschen. Wer also den Erdenmenschen nur betrachtet so, wie er als physischer Mensch sich auslebt zwischen Geburt und Tod, der betrachtet nicht den ganzen Menschen, der gibt sich über den ganzen Menschen einem Irrtum hin. Und wenn er dann ein menschliches Ideal aufstellt für den physischen Menschen allein, dann passt dieses Ideal nicht für den ganzen Menschen. Die Ereignisse, die in der Welt geschehen, dürfen wir nicht so ansehen, dass sie an sich irrtümlich sind. Das, was erscheint, ist schon die Wahrheit; aber die Art, wie der Mensch es ansieht und in seinen eigenen Taten verwertet, das macht oftmals Konfusionen. Und so entstand in den Seelen der Menschen am Ende des 18. Jahrhunderts dadurch eine Konfusion, dass alles in den Leib hinein gewissermaßen projiziert wurde, und Ideale, die nur einen Sinn haben, wenn man den Menschen als eine Trinität ansieht, wurden angestrebt für ein menschliches bloß leibliches Monon. Und so kam es denn, dass schöne Ideale am Ende des 18. Jahrhunderts durch die Menschen schwirrten: Brüderlichkeit, Freiheit, Gleichheit! Schöne Ideale schwirrten durch die Menschheit, aber sie schwirrten durch die Menschheit in einer Zeit, in der sie nicht verstanden werden konnten, in der konfundiert wurde Leibliches, Seelisches und Geistiges, weil sie alle miteinander so aufgefaßt wurden, wie sie aufgefasst werden von Menschen, die in Wahrheit nur an den physischen Menschenleib glauben. Denn für den physischen Menschenleib gilt als Ideal berechtigterweise nur die Brüderlichkeit, und die Freiheit hat nur Sinn, wenn man sie bezieht auf die menschliche Seele, und die Gleichheit hat nur Sinn, wenn man sie bezieht auf den Geist, so, wie sich der Geist auslebt in der Menschheit als das Ich. Nur wenn man weiß, dass der Mensch aus Leib, Seele und Geist besteht, und daß von den drei Idealen vom Ende des 18. Jahrhunderts sich die Brüderlichkeit auf den Leib, die Freiheit auf die Seele, die Gleichheit auf das Ich bezieht, dann redet man in einem Sinn, der mit dem inneren Sinn der spirituellen Welt übereinstimmt. Brüderlichkeit können wir entwickeln, insofern wir als physische Menschen physische Erdenleiber tragen, und wenn wir in die sozialen Ordnungen die Brüderlichkeit aufnehmen, dann ist die Brüderlichkeit für die soziale Ordnung auf dem physischen Plan ein Rechtes. Freiheit kann sich der Mensch nur erwerben in der Seele, insofern er mit der Seele sich auf der Erde verkörpert. Freiheit herrscht auf der Erde nur und ist auf der Erde nur möglich - das wollte auch Goethe in dem schönen Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie ausdrücken - , wenn sie bezogen werden wird auf die Menschenseelen, die in solchen Ordnungen auf der Erde leben, daß sie sich die Fähigkeit erwerben, das Gleichgewicht zu halten zwischen den niederen und den höheren Kräften. Wenn man die Waage zu halten vermag als Mensch zwischen den niederen und den höheren Kräften der Menschenseele, dann entwickelt man diejenigen Kräfte, die leben können hier zwischen Geburt und Tod; man entwickelt auch diejenigen Kräfte, die man braucht, wenn man durch die Pforte des Todes geht. Und so ist neben der sozialen Ordnung eine seelische Ordnung auf der Erde nötig, in welche die Seelen sich so einbetten können, daß sie die Kräfte der Freiheit entwickeln, die wir durchtragen können durch die Pforte des Todes, die wir nur dann durchtragen werden durch die Pforte des Todes, wenn wir uns vorbereiten für das Leben nach dem Tod in diesem Leben hier. Dass ein solcher seelischer Verkehr gestiftet werde von Seele zu Seele auf der Erde, dass die Seelen sich solche Kräfte entwickeln können, dass alle Ereignisse des Menschenlebens von klein auf, dass alle Gestaltung der Wissenschaften, alle Gestaltung der Künste, alle Gestaltung des menschlichen Schaffens dem Ideale zustreben, dass der Mensch als Seele die Waage zu halten vermag zwischen dem, was geistig wirkt und lebt und dem, was hier physisch wirkt und lebt, das muss ein Ideal werden. Frei wird der Mensch, wenn er sich solche Seelenkräfte zu erwerben vermag in der äußeren physischen Welt, wie er sie zum Beispiel erwerben kann, wenn er die schönen Formen zu verfolgen vermag, die in einer wirklich aus dem Geistigen heraus kommenden Kunst leben. Frei wird der Mensch, wenn der Verkehr zwischen Seele und Seele so ist, dass die eine Seele die andere mit immer größerem und größerem Verständnisse und mit immer größerer und größerer Liebe zu verfolgen vermag. Wenn es sich um die Leiber handelt, kommt die Brüderlichkeit in Betracht. Wenn es sich um die Seelen handelt, kommt in Betracht die Herausgestaltung jener zarten Bande, die sich entwickeln von Seele zu Seele, die sich auch hineinleben müssen in die Struktur des Erdenlebens, die aber darauf gehen müssen, Interesse, tiefes, tiefes Interesse zu begründen in der einen Seele für die andere Seele. Denn nur dadurch können die Seelen frei werden, und nur die Seelen können frei werden. Gleichheit für die äußere physische Welt gedacht, ist ein Unsinn, denn Gleichheit wäre Einförmigkeit. Alles in der Welt ist in Verwandlung, alles ist in die Zahlen gebannt, alles in der Welt muss sich in der Vielheit und der Vielgestaltigkeit ausleben. Dazu ist die physische Welt da, dass das Geistige durch die Vielheit der Formen gehe. Aber eines bleibt in unserem vielfachen und mannigfaltigen Menschenleben gleich, weil es zunächst ein Anfang ist. Unsere übrige Menschheit tragen wir schon seit der Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit in uns, das Ich erst während der Erdenzeit. Das Ich ist im Anfange! Unser ganzes Leben zwischen Geburt und Tod kommen wir nicht weiter im Geistigen, als dass wir zu uns «Ich» sagen, und dass wir dieses Ich empfinden. Schauen kann es der Mensch entweder nur außer dem Leibe schon hier zwischen Geburt und Tod durch Initiation, oder wenn er durch die Pforte des Todes schreitet, wo er dann in der Erinnerung zurück an seinen Erdenleib das Ich geistig zu schauen bekommt. Aber durch dieses Ich lebt sich hier auf der Erde alle Mannigfaltigkeit aus. Und die Struktur des Erdenlebens muss so gestaltet werden, dass die Möglichkeit vorhanden ist, dass durch die gleichen Iche all die Mannigfaltigkeiten sich ausleben, die durch die menschlichen Individualitäten in die Erde hereinkommen können. Der eine Mensch lebt diese, der andere jene, ein dritter eine weitere Individualität dar. Alle diese Individualitäten versammeln sich in ihren Wirkungsstrahlen in dem Fokus, in dem Brennpunkt des Ich, gleich; aber dieses, daß wir gleich sind, das macht die Möglichkeit, dass durch dieses Ich dasjenige geht, was wir uns mitteilen als Geister, dass wir ein Gemeinsamkeitsleben der Menschheit entwickeln. Durch das Gleiche geht das Verschiedene. So begründet sich in geistiger Gleichheit dasjenige, was nicht von einem einzelnen Menschen in den ganzen Strom des kosmisch-spirituellen Werdens hineingeht, sondern indem durch unser Ich, durch unser Geistiges  schreitet dasjenige, was uns im mannigfaltigen Leben gesetzt ist, wird es ein Gemeinsames, geht als gemeinsamer Strom im kosmischen Werden weiter. Dem Geiste geziemt die Gleichheit. Und ein Geschlecht wird erst verstehen, wie die drei Ideale von Brüderlichkeit, Freiheit und Gleichheit sich in die Menschheit einleben können, welches verstehen wird, dass der Mensch diese Dreigliedrigkeit von Leib, Seele und Geist in sich trägt. Dass das im 18. Jahrhundert und durch das ganze 19. Jahrhundert nicht verstanden werden konnte, das war noch eine Folge der Stärke des ahrimanisch-mephistophelischen Stromes, der auf die Ihnen geschilderte Art in die neuere Menschheitsentwickelung hineingekommen ist. Konfundiert hat das 18. Jahrhundert Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit, indem es die drei angewendet hat allein auf das äußere physische Leben. Wie es das 19. Jahrhundert verstanden hat, kann es nur Chaos, soziales Chaos sein. Und in dieses soziale Chaos würde die Menschheit hineinschreiten müssen, wenn sie nicht aufnähme geistige Wissenschaft, spirituelles Leben, welche zum Verständnis führen werden, dass der Mensch eine Dreiheit ist, welche begründen werden eine Struktur des Erdenlebens für den dreigliedrigen Menschen." [48] 
 

11. Kosmische und menschliche Geschichte II - IV, innere Entwicklungsimpulse der Menschheit; Utopisten Bacon, Thomas Morus; Materialismus auf dem Gebiete des Erkenntnislebens, Nützlichkeit auf dem Gebiete des praktischen Lebens zwei Dinge, die zusammengehören; Darwinismus, Malthusianismus; Kampf ums Dasein versus gegenseitige Hilfeleistung; Urphänomenen statt weltfremde Hypothesen, wie sie in der materialistischen Wissenschaft und Medizin üblich sind; Utopisten und Sozialisten des Westens, von Morus bis Comte, von Adam Smith bis Karl Marx; Calderóns «El mágico prodigioso» aus dem 17. Jahrhundert über einen heidnischen Magier und Goethesche «Faust»


Wir hatten weiter oben schon gesehen dass bei dem größten, bei dem vorläufig größten östlichen Philosophen, bei Wladimir Solowjow, wie all sein Denken, all sein Sinnen beherrscht ist von den Fragen: Tod und das Böse, die Sünde; Utopisten Bacon, Thomas Morus; sowohl die Freiheitsideen der Revolution wie die sozialistischen Ideen des 19.Jahrhunderts haben als ihr praktisches Ideal das Glück, Streben nach der bloßen Nützlichkeit; Materialismus auf dem Gebiete des Erkenntnislebens, Nützlichkeit auf dem Gebiete des praktischen Lebens sind zwei Dinge, die zusammengehören; Darwinismus, Malthusianismus: "Und wir haben ja gesehen, wenn wir den gewissermaßen intimsten Lebenstrieb des Westens suchten, wie er sich unter diesem Erkenntnisimpulse entwickelte. Wir können ihn bezeichnen als das Nachdenken über das Glück des Menschen. Bedenken Sie, wie das Nachdenken über das Glück des Menschen beginnt mit den Utopisten Bacon, Thomas Morus und so weiter. Wie aber entwickelt sich dann dieses Nachdenken weiter in den verschiedensten sozialistischen Programmen, die im Westen zum Vorschein kommen? Gewiss, auch im Osten sind sozialistische Programme zum Vorschein gekommen. Wer aber einen Sinn hat für Differenzierung, der kann sehr leicht herausfinden, wie diese einem ganz anderen Impulse entspringen als die sozialistischen Ideen des Westens, die zu den neueren sozialistischen Ideen geführt haben. Das alles, sowohl die Freiheitsideen der Revolution wie die sozialistischen Ideen des 19.Jahrhunderts, sie haben, könnte man sagen, als ihr praktisches Ideal das Glück. ... das Streben nach dem Glück wurde allmählich im 19.Jahrhundert zum Streben nach der bloßen Nützlichkeit. Und das ist es, was insbesondere in der Mitte des 19. Jahrhunderts hervortritt: das Streben sowohl auf erkenntnismäßigem Gebiete wie auf dem Gebiete der bloßen Nützlichkeit. Das war dasjenige, was insbesondere beunruhigt hat diejenigen, welche die wahren, die ewigen Bedürfnisse der Menschheitsentwickelung verstehen: dass das 19. Jahrhundert eine Krisis bringen sollte in bezug auf das Nützlichkeitsprinzip. Materialismus auf dem Gebiete des Erkenntnislebens, Nützlichkeit auf dem Gebiete des praktischen Lebens sind zwei Dinge, die zusammengehören. Hier werden diese beiden Dinge nicht aufgezählt aus dem Grunde, um sie zu kritisieren und gegen sie zu zetern, sondern sie werden aufgezählt, weil sie notwendige Durchgangspunkte für die Menschheit waren. Die Menschheit mußte durchgehen sowohl durch das Prinzip des Materialismus auf dem Erkenntnisgebiete wie durch das Prinzip der bloßen Nützlichkeit auf dem Gebiete des praktischen Lebens. Nur handelte es sich darum, wie nun in diesem 19. Jahrhundert die Menschheit geführt werden sollte, um durch diesen notwendigen Punkt ihrer Entwickelung durchzugehen. Und mit der Betrachtung darüber, mit der Betrachtung desjenigen, was heute schon betrachtbar ist aus dem 19. Jahrhundert, wollen wir heute beginnen, auf einige Gesichtspunkte aufmerksam zu machen, um sie dann am nächsten Samstag weiter auszuführen. Die Erkenntnis gerade, die auf die Geburt hinging und auf die Vererbung, auf das Begreifen des Menschen als eines natürlichen Geschöpfes, diese Erkenntnis wurde nun in den Dienst des Materialismus, ja sogar als Erkenntnis in den Dienst des Nützlichkeitsprinzips gestellt. Das kann man auf den verschiedensten Gebieten nachweisen. Machen wir uns klar, was da eigentlich geschehen ist. Sie wissen alle, und ich habe es in den beiden öffentlichen Vorträgen in dieser Woche ja auch öffentlich hervorgehoben: Der Darwinismus ist heraufgekommen, der Darwinismus hat über das Problem der Geburt des Menschen, das heißt des Hervorgehens des Menschen aus der übrigen Organismenreihe ganz besondere Ideen heraufzubringen versucht. Wir wissen, dass alles dasjenige, was mehr spirituell, geistig ist am Darwinismus, schon in Goethes Metamorphosenlehre steckt; aber diese Goethesche Metamorphosenlehre sollte zunächst, man möchte sagen, wie esoterisch bleiben. Die gröbere materialistische Form der Verwandelungslehre, die der Darwinismus gebracht hat, sollte zunächst unter die Menschheit kommen, sollte beliebt werden, sollte von den Menschen zu verstehen gesucht werden. Und wir haben ja im öffentlichen Vortrage gesehen, welche Schicksale der Darwinismus durchgemacht hat, wie die intimsten Schüler der Darwinisten im Laufe weniger Jahrzehnte dazu gekommen sind, diesen Darwinismus selbst, insofern er in seiner drastischen Färbung aufgetreten ist, in den Grund und Boden zu bohren. Aber dieser Darwinismus, ist er eigentlich in die Weltbetrachtungen des 19. Jahrhunderts eingezogen deshalb, weil irgendwelche Naturtatsachen dazu nötigen? Nicht einmal die Naturforscher selber, die denken, behaupten das heute mehr. Ich habe das gestern auseinandergesetzt. Oscar Hertwig sagt es ausdrücklich: Weil die Menschen in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf dem Punkt angekommen waren, nur die äußeren Nützlichkeitsprinzipien gelten zu lassen, die merkantilen, die sozialen Nützlichkeitsprinzipien, haben sie diese Prinzipien auch übertragen auf die äußere Welt. Kein Wunder, dass die äußere Welt das nicht bewahrheitet hat, als man sie genauer betrachtete. Die Menschen wollten ein Spiegelbild ihres eigenen Denkens in der Natur sehen. Aber wie ist Darwin eigentlich zu dieser Anschauungsweise gekommen? Das ganze Nützlichkeitsprinzip ist ja wiederum aus der Anschauung über das Glück, wie man das Glück auf der Erde begründet, hervorgegangen. Es ist außerordentlich charakteristisch. Nun wurde Darwin aufmerksam in seiner Zeit auf eine gewisse Strömung, welche, man könnte sagen, in der denkbar materialistischsten Weise über das Glück der Menschen auf Erden nachdachte, darüber nachdachte, wie das Glück auf der Erde begründet werden solle. Darwin kam dem nahe und stellte sein Denken in den Dienst desjenigen, was man Malthusianismus nannte, die Lehre des Malthus. Was ist das? Diese Lehre des Malthus ging aus von der Anschauung, dass auf Erden die Lebensmittel sich vermehren dadurch, dass man die Fruchtbarkeit der Erde rationeller ausnützt, dass man also die Fruchtbarkeit der Erde vergrößern kann. Aber neben dieser Zunahme der Fruchtbarkeit der Erde betrachteten die Malthusianer auch die Zunahme in der Bevölkerung der Erde, wie sie das eben betrachten konnten. Alle Inkarnationsideen waren ja ausgeschaltet. Und da kamen sie darauf, dass in ungleicher Art die Fruchtbarkeit der Erde zunimmt, einerseits die Fruchtbarkeit in bezug auf die Nahrungsmittel, andererseits die Fruchtbarkeit in bezug auf die Bevölkerung. Sie dachten, die Zunahme der Nahrungsmittel geschieht etwa so: 1 2 3 4, wie man sagt, in arithmetischer Progression, die Zunahme der Bevölkerung dagegen 14 916 und so weiter in entsprechend langen Zeiträumen, wie man sagt, in geometrischer Progression. Die Anhänger des Malthus begründeten auf diese Anschauung eine Ansicht, die sie glaubten begründen zu müssen im Sinne der Glückseligkeit der Menschen auf Erden. Denn wohin soll es denn führen, wenn die Erde so übervölkert wird, wie sie übervölkert werden muß, wenn die Bevölkerung in geometrischer Progression steigt, während die vorhandenen Nahrungsmittel nur in arithmetischer Progression steigen? Daraus ging ein Prinzip hervor, das, ich möchte sagen, Gott sei Dank nur kurze Zeit wenige verblendet hat, es ging das Prinzip des sozialen  Malthusianismus hervor, das Ideal des Zweikindersystems. Man sagte, da die Natur die Tendenz hat, die Menschenvermehrung geometrisch vorwärtszutreiben, muss Einhalt geschaffen werden durch das Zweikindersystem. Nun, über diese besondere Anwendung des Glückseligkeitsprinzipes im ganz materialistischen Sinne, dass man einfach die Geburtenfolge der Erde so bestimmt, wie man sich sie nur unter materiellen Voraussetzungen bestimmbar dachte, brauchen wir uns ja nicht weiter einzulassen. Aber Darwin stand ganz unter dem Einfluss dieses Prinzipes, und er sagte sich: Wie ist die Natur also eigentlich beschaffen, wenn sie solch ein Prinzip hat? - Er ging aus von der Gewissheit dieses Prinzipes, dass für alle Wesen, die leben, die Nahrungsmittelzunahme in arithmetischer Progression geschieht, die Zunahme an Individuen in geometrischer Progression. Daraus ergab sich ihm das Folgende, er sagte sich: Wenn die Nahrungsmittel nur zunehmen wie 12 3 4 5, die Vermehrung aber der einzelnen tierischen Wesen wie 1 4 9 16 25 und so weiter, dann muss notwendigerweise unter den Wesen der Kampf um die Nahrungsmittel, der Kampf ums Dasein ein wirksames Prinzip sein. Und aus dem Malthusianismus heraus, also aus etwas, was im Grunde  genommen für das praktische Leben bestimmt war, hat Darwin sein Prinzip vom Kampf ums Dasein gebildet, nicht aus Beobachtung der Natur, sondern aus dem Malthusianismus heraus; der hat ihn angeregt, der hat ihn inspiriert. Kampf ums Dasein ist aus diesem Grunde da. Wir sehen also: Erkenntnismäßige Naturbetrachtung war es nicht, was Darwin den Anstoß gegeben hat, sondern es war das Nützlichkeitsprinzip im Leben, das der Malthusianismus durch Geburtenregulierung gesucht hat. Dann hat man geglaubt, diesen Kampf ums Dasein in der Natur überall zu finden und hat sich gesagt: Alle Wesen leben im Kampf ums Dasein, das Unpassende wird besiegt, das Passende bleibt übrig im Kampf ums Dasein, - Auslese des Nützlichen. Jetzt brauchte man kein weisheitsvolles Prinzip, sondern man hatte an die Stelle der Weltenweisheit den Kampf ums Dasein gesetzt. Das Nützliche erhält sich, das Nutzlose geht verloren im Kampf ums Dasein: Auslese des Passendsten. Wie geeignet für die Menschen des 19. Jahrhunderts, die einen gewissen Trieb entwickelten, möglichst das Geistige abzustreifen und möglichst nur im Materiellen zu leben! Denn Ideale zu haben, daran brauchte man ja nicht zu denken, wenn man nur dem großen Prinzipe der Auslese des Passendsten leben konnte. Und man brauchte sich ja so wenig zu bemühen, Ideale zu verwirklichen, da die Natur ohnedies das Passendste ausliest, ja man könnte sogar der Natur entgegenarbeiten, wenn man Idealen sich hingäbe, denn die Natur findet in sich selber das Prinzip, das Passendste auszulesen. Man könnte, wenn man Ideale verwirklicht, sich vielleicht sogar zu einem unpassenden Individuum machen, das den Kampf ums Dasein in seinen Idealen zugrunde legen müßte! Das ist nicht etwas, was bloß ein einzelner empfindet, sondern was in den Menschen des 19. Jahrhunderts lebte und klar und deutlich ausgesprochen wurde überall. Aber außerdem, wie konnte man sich sozusagen die Finger ablecken, wenn man auf den Wegen des 19. Jahrhunderts es zu etwas gebracht hatte, wenn man, sagen wir zum Beispiel durch irgendwelche, seien es auch noch so fragwürdige Mittel, eine besondere Position im Leben erworben hat! Die Natur hat das allgemeine Prinzip, das Passendste auszuwählen; man war also der Passendste! Man genierte sich zwar, das immer auszusprechen, aber man wirkte doch unter dem Triebe, so zu denken. Wenn man sich ein möglichst großes Vermögen ergaunert hat, warum sollte man dies nicht gerechtfertigt finden, da die Natur immer das Passende auswählt? Man war also der Passendste. Kurz, dadurch kam eine Weltanschauung herauf, welche die Menschheit des 19. Jahrhunderts in einer ganz besonderen Weise betäuben musste. Ich wollte hauptsächlich zeigen, wo der wahre Antrieb, der wahre Impuls des Darwinismus liegt, weil in den schönen Vereinen, die sich heute als Monistenvereine kundgeben, oder in den Vereinen, die überhaupt heute Aufklärungen verbreiten, der materialistisch gefärbte Darwinismus wie ein Evangelium gelehrt wird, wenig aber gewußt wird, welche Impulse eigentlich in ihm leben, wie denn auf diesem Gebiete die Menschen überhaupt viel mehr geneigt sind, solche Begriffe und Ideen zu predigen und entgegenzunehmen, durch die sie sich über die Wahrheit betäuben, als solche, durch die sie sich über die Wahrheit etwa aufklären würden. So könnten wir noch vieles anführen, was ein Ausdruck dafür wäre, wie in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Verstandeskultur in eine Krisis eingetreten war."

Kampf ums Dasein versus gegenseitige Hilfeleistung: "Das Nützlichkeitsprinzip ist nun ganz und gar begründet in der Westkultur. Die Ostkultur aber hat immer Front gemacht gegen das Nützlichkeitsprinzip. Daher sehen wir auch das eigentümliche Schauspiel, dass im Westen bis in die Erkenntnis hinein das Nützlichkeitsprinzip getrieben wird im materialistischen Darwinismus, dass der Kampf ums Dasein einzieht in die wissenschaftliche Betrachtung, der brutale Kampf ums Dasein. Wissenschaftlich ist zuerst Front gemacht worden gegen den Kampf ums Dasein vom Osten her durch russische Forscher, deren emsige Geistesarbeit dann Kropotkin zusammengefasst hat in seinem Buche, das zu lesen sehr nützlich ist, in dem er zeigt, wie nicht der Kampf ums Dasein in der Entwickelung der tierischen Arten lebt, sondern die gegenseitige Hilfeleistung. Und so haben wir um die Mitte des 19. Jahrhunderts erscheinend Darwins «Entstehung der Arten», Entwickelung der Arten durch Kampf ums Dasein im Westen, im Osten haben wir bei Kropotkin den Gegenpol zusammengefasst. Aber Kropotkin fasst eben nur eine ganze Reihe russischer Forschungen zusammen in dem Buche, das die Entwickelung der Lebewesen, die Entwickelung der Arten dadurch charakterisiert, dass gezeigt wird, wie diejenigen Arten am besten fortkommen, welche am meisten darauf veranlagt sind, dass sich ihre Individuen gegenseitig helfen. Diejenigen Tierarten entwickeln sich am besten weiter, welche am meisten zur gegenseitigen Hilfeleistung angelegte Individuen haben. Dem Kampf ums Dasein wird die gegenseitige Hilfeleistung gegenübergestellt." [49] 

Urphänomenen statt weltfremde Hypothesen, wie sie in der materialistischen Wissenschaft und Medizin üblich sind, z.B. was die Halluzinationen über die RNA der Biotech-Medizin betrifft: "Ich habe Ihnen gezeigt, wie diese fünfte nachatlantische Kulturepoche den Menschen so entwickelt hat, dass dieser Mensch auf der einen Seite nach dem streben muss, was Goethe das Urphänomen nennt, die reine, hypothesenfreie, unphantastische Betrachtung desjenigen, was die äußeren Naturerscheinungen den Sinnen darbieten: die Urphänomene. Das ist das eine. Das andere sind immer mehr und mehr aus den Tiefen der Menschenseele in freier Gestaltung dieser Menschenseele heraufziehende Imaginationen. Diese Imaginationen, sie werden sich, man möchte sagen, mit innerer Seelennotwendigkeit gewissen Menschen unseres fünften nachatlantischen Zeitraums ergeben. Geradeso wie die Menschen dieses fünften nachatlantischen Zeitraums immer mehr und mehr dazu veranlagt sein werden, auf der einen Seite unbefangen die Natur und ihre Phänomene zu betrachten, nach Urphänomenen zu suchen statt nach Hypothesen, so werden auf der anderen Seite Menschen besonders dazu veranlagt sein, Imaginationen, welche tiefer in die geistige Welt hineinführen können, aus ihren Seelen aufsteigen zu lassen. Man ahnt heute noch gar nicht, wohin die Menschheit in dieser Beziehung steuert. Man kann sich dem, wohin also gesteuert wird, widersetzen, aber man wird es dadurch nicht aufhalten und nicht sein Kommen ins Dasein verhindern. Immer mehr und mehr werden die Menschen aufhören, allerlei Hypothesen über die Naturerscheinungen zu erfinden; sie werden sich wirklich rein dem hingeben, was eine geistvolle Darstellung der Phänomene ist, wie sie Goethe in seinen physikalischen Betrachtungen angestellt hat. So schön sagt Goethe einmal: Man mache nicht über die Naturerscheinungen Hypothesen, die Bläue des Himmels selber ist die Theorie; man suche nur nichts hinter den Erscheinungen, wenn sie rein aufgefaßt werden. - All das Nachdenken über allerlei Atomgestaltungen, über Atomkonstruktionen, wird aufhören, die Sinne werden rein gerichtet sein auf die Phänomene und sie nur so zusammenstellen, diese Phänomene, dass sie sich selbst erklären. Das steht allerdings heute erst im Anfange, aber es wird immer weiter und weiter sich entwickeln. Heute steht es im Anfange, und diejenigen, welche zum Beispiel in den letzten Jahrzehnten Chemie studiert haben, die wissen ja, was da für Atomkonstruktionen, rein hypothetisch, aufgebaut worden sind. Solche Dinge werden oftmals durch allerlei monistische und sonstige Laienvereine den Menschen aufgebunden noch lange, nachdem sie von der Wissenschaft sogar längst überwunden sind. Gerade mit Bezug auf die Hypothese über Atomkonstruktionen gibt es ja eine weitgehende Diskussion, und es ist nicht uninteressant, gerade sich das einmal sozusagen vor die Seele zu führen, was da diskutiert worden ist. Denn es bekommen die meisten Menschen doch noch ein leises Gruseln vor dem Erfolge der Wissenschaft auf diesem Gebiete, wenn gesprochen wird davon: das Atom dieses Stoffes sieht so aus, das Atom jenes Stoffes sieht so aus und so weiter. Die Menschen denken dann nicht daran, dass das reine Hypothesen sind, reine Gedankendinge, die da aufgetischt werden. Insbesondere war ja in der letzten Zeit van't Hoff einer derjenigen Chemiker, welche kühne stereometrische Formen aufgebaut haben, um das Atom zu begreifen. Und wir wissen ja - wenigstens die meisten von uns werden das wissen -, dass auch Theosophen einer gewissen Richtung diesen Unfug des Aufbaues des Atomes reichlich mitgemacht haben. Eine tolle Wissenschaft, die keine Wissenschaft jemals sein kann, die sogenannte okkulte Chemie, ist aufgebaut worden und hat unter denjenigen, die sich von der vermeintlichen Wissenschaft aus der Theosophie oder dergleichen nähern wollen, ja gerade ganz besondere Anerkennung gefunden. Aber van't Hoff ist nicht unangefochten geblieben. Gerade einsichtige Chemiker wie zum Beispiel Kolbe haben sich gegen diese, wie Kolbe sagt, Halluzinationen van't Hof fs gewendet. Sie sehen daraus übrigens, dass nicht nur das Geistige mit dem Ausdruck von Halluzinationen belegt wird, sondern dass schon auch die Naturforscher untereinander diesen Ausdruck auf ihre wechselseitigen Ergebnisse zuweilen anwenden. Ja, Kolbe, der bei den reinen Erscheinungen stehenbleiben will in der Chemie, der hat sogar den schönen Ausspruch gebraucht und gesagt: Der van't Hoff, der reitet den chemischen Pegasus, den er wohl als Naturforscher entlehnt haben wird von der seinem Laboratorium befreundeten Tierarzeneischule, und findet da bei diesem Reiten des chemischen Pegasus alle möglichen kühnen stereometrischen Formen. - Man kann dieses innere Getriebe der Wissenschaft immer nur andeuten. Es würde viele, viele Vorträge erfordern, wollte man zeigen, auf welchen Voraussetzungen dies beruht, was heute den Laien wie eine Gewißheit vorgehalten wird. Alle diese Dinge, diese Spekulationen, mit denen insbesondere die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in bezug auf die äußere Natur gewirtschaftet hat, das wird alles nach und nach wegbleiben müssen; denn es wird sich immer mehr und mehr gerade die Wissenschaft davon überzeugen, dass diese Spekulationen durch die Folge der Erscheinungen nirgends gerechtfertigt werden, dass man immer die mannigfaltigsten Hypothesen aufstellen kann, und für eine jede ebenso wie gegen eine jede sich so Mannigfaltiges sagen läßt. Die reine Erfassung der Phänomene auf der einen Seite, das wird ein berechtigter Impuls sein." [50] 

Utopisten und Sozialisten des Westens, von Morus bis Comte, von Adam Smith bis Karl Marx: "Gesetze, Ideale werden gemacht, um gewissermaßen das Sinnlich-Wirkliche besser genießen zu können. Diesen Zug, man kann ihn sowohl bei den Utopisten wie auch bei den Sozialisten des Westens deutlich wahrnehmen. Überall dringt er durch, ich möchte sagen von Morus bis Comte, von Adam Smith bis Karl Marx, überall tritt er in der Theorie auf. Aber er tritt auch in den Lebensgewohnheiten auf, er durchsetzt das soziale Fühlen, das soziale Denken, aber auch das Handeln. Und man kann sagen: Das Ideal vom Menschen, das sich herausbildet unter dem Einflüsse dieser Impulse, die hier durch ein paar Abstraktionen notdürftig angedeutet sind, das ist das Gespenst, könnte man sagen, des Bourgeois, der wie eine Art Ideal spukt überall da, wo der charakterisierte einseitige Impuls einseitig sich ins Dasein treiben will. Nur eine Hinwegtäuschung über Wesentlichstes ist es, wenn heute der Sozialist oftmals meint, er sei nicht mehr beherrscht von dem Bourgeois-Ideal. Er strebt oftmals gerade erst recht dem Bourgeois-Ideal zu, indem er für sich auch haben will nach und nach, was dem Bourgeois zuteil wurde durch die Zeit, in welcher der Bourgeois eben heraufgekommen ist. Der Bourgeois erkennt die Sinnenwelt und betrachtet dasjenige, was für ihn geltend ist. Begriffe und Ideen sind nur dazu da, die Sinnenwelt mit Klammern zusammenzuhalten. Der Bourgeois erlebt sich in dem, was für die Zeit zwischen Geburt und Tod wesentlich ist, und betrachtet alles übrige, was an sozialen Einrichtungen, an sozialen Idealen ausgedacht werden
kann, insoweit, als es fördern kann dasjenige, was zwischen Geburt und Tod eingeschlossen ist."

Im Osten ist zwar das Geistige unmittelbar im einzelnen individuellen Menschen gegeben; große Machtzusammenhänge, Machtorganisationen, wie sie heute in Russland auftreten, sind dem Osten unangemessen: "Der Mensch kann ja nur in seiner Individualität das Geistige real machen hier in der physischen Welt. Daher strebt alles dasjenige, was unter dem Einfluss dieser Impulse steht, zur Auflösung der äußeren Machtorganisationen, zur Auflösung alles dessen, was durch Verträge, Gesetze, Staatsorganisationen und so weiter die Menschen zusammenhalten will, strebt viel mehr zu dem Sektiererischen, zu dem Vereinzelten hin, zur Negation der äußeren Machtorganisation. Solche Dinge kaschieren sich oftmals. Wenn aber im Osten heute große Machtzusammenhänge, Machtorganisationen auftreten, so ist das zunächst nur eine Reaktion gegen das eigentliehe Prinzip des Ostens, lauter kleine Gemeinschaften mit sektiererischem Charakter zu bilden, nicht nur auf dem Gebiete des religiösen Lebens, sondern auch auf dem Gebiete des sozialen Lebens, der Ansichten über das gewöhnlichste, alltäglichste Zusammenleben. Das strebt alles nach Auflösung des Imperialistischen. Und das Menschheitsideal, das sich da heranbildet, das ist dasjenige des Menschen, der durch das Leben gehen will, um sich vom Leben zu befreien, um als ein möglichst Starker durch den Tod hindurchzugehen, um als ein möglichst Starker die Impulse des Bösen zu überwinden, Befreiung zu suchen von dem, was nur Gültigkeit hat zwischen Geburt und Tod. Das wird innerhalb dieser Kulturgemeinschaften angestrebt: durch das Leben zu gehen so, dass sich der Mensch ganz auf die in seinem Innern sich losringende imaginative Welt stellen kann, gewissermaßen eine Art Kosmos, seelischen Kosmos in seinem Innern ausbildet, unbekümmert um die äußeren Zusammenhänge. Während einerseits äußere Zusammenhänge immer wichtiger und wichtiger sein werden, während man immer mehr träumen wird von äußeren Zusammenhängen und immer mehr und mehr die Seligkeit in äußeren Zusammenhängen suchen wird, wird andrerseits immer auftreten das «Durchgehenwollen» durch das menschliche Leben. Während im Westen das Menschheitsideal der Bourgeois ist, ist im Osten das menschheitliche Ideal - ich kann zunächst kein anderes Wort bilden als - der Pilger, wie man in manchen deutschen Dialekten sagt: der «Bilcher», der durch das Leben pilgert, der das Leben auch als eine Pilgerschaft ansieht, und der im Grunde genommen pilgert, bis er durch das Tor des Todes geht, um da mit starker Seele, die alle Erlebnisse getragen hat, in die rechte Befreiung einzugehen. Wenn er sich einseitig ausbilden wird, dieser Impuls, wird er das feste Stehen in dem anderen Impuls verleugnen." [51] 

Calderóns «El mágico prodigioso» aus dem 17. Jahrhundert über einen heidnischen Magier und Goethesche «Faust»: Nehmen Sie zum Beispiel einmal eine solche Erscheinung, wie etwa ein Drama Calderons, der zwar 1681 gestorben ist, der aber ganz in seinem Schaffen Nachwirkungen darstellt desjenigen, was vierter nachatlantischer Zeitraum ist, griechisch-lateinischer Zeitraum. Fassen wir zum Beispiel folgende Darstellung von Calderon ins Auge: Der Held dieser Darstellung, Cyprianus, ist ein wissensdurstiger heidnischer Magier, der alles dasjenige studiert hat, was ein heidnischer Magier seiner Zeit studieren kann. Also dieses im Beginne des 17. Jahrhunderts geschriebene Drama stellt uns diesen Cyprianus dar, aber noch ganz im Sinne der vierten nachatlantischen Kultur, als einen heidnischen Magier, der alles durchstudiert hat «mit heißem Bemühn», und der über religiöse, über Fragen der Naturerkenntnis nun tief nachdenkt, der da wissen will, «was die Welt im Innersten zusammenhält». Und während er nach solchem Wissen strebt, erscheint ihm geistig-leiblich ein böser Dämon, der ihm verspricht, ihn wirklich einzuführen in die Welt, die er sucht, ihn finden zu lassen, «was die Welt im Innersten zusammenhält». Dieser böse Dämon, der ihm in Menschengestalt erscheint, bewirkt es, dass in Cyprianus auch die Liebe, die er bis dahin nicht gekannt hat, angefacht wird, Liebessehnsucht. Der böse Dämon entfacht in einem jungen Mädchen ebenfalls diese Liebessehnsucht, um eine Kollision mit der Cyprianischen Liebessehnsucht herbeizuführen. Und so werden wir denn im Drama zu Justine geführt, die eine wahre Christin ist. Aber der Dämon kommt an sie heran und will sie mit Faust beziehungsweise Cyprianus zusammenbringen. Sie widersteht, und der Damon hat über sie keine Gewalt. - Das ist in Calderons Gesinnung, denn sie ist eine Christin. Da ergreift der Dämon einen Ausweg. Die Justine - Gretchen - selber kann er nicht an Cyprianus heranbringen; also nimmt er von ihr ein Phantom heraus. Das gliedert er heraus, und dieses Phantom in Menschengestalt bringt er jetzt dem Cyprianus, der nun glaubt, die Justine in seinen Armen zu haben. Aber sie zeigt sich sehr bald als eine Spukgestalt. Jetzt redet der Cyprian ungefähr so ähnlich den bösen  Dämon an: Böse Gestalt, weiche von mir oder verwandle diese Spukgestalt in einen Menschen von Fleisch und Blut! - Aber der böse Dämon hat keine Gewalt über sie, nicht nur, weil Justine eben erst in der Beichte war, sondern weil sie überhaupt eine Christin ist. Und als Cyprianus das sieht, beschließt er denn auch, sich nach dem Christentum zu sehnen - er ist bisher ein heidnischer Magier -, und der Dämon kann das nicht verhindern. Nachdem er lange Prüfungen durchgemacht hat, kennengelernt hat durch ein Jahr die Geheimnisse der Natur und des Geisteswesens in der Natur, aber auch das christliche Prinzip, den christlichen Impuls sich eingefügt hat, da erscheint er gerade in derselben Zeit, in der der Vater der Justine und die Justine als Christen zum Tode verurteilt worden sind. Und er erscheint jetzt bei diesen und verlangt, Christ zu werden. Sie sterben auch zusammen. Und es erscheint der Dämon, auf einer Schlange reitend, und verkündigt noch, wie derjenige, der also den Christus-Impuls in sich aufnehmen kann, erlöst werden kann. Ich brauche natürlich nicht zu sagen, denn ich habe es schon, indem ich mich versprach, vielfach angedeutet, dass wir in diesem Calderonschen Cyprianus einen richtigen Vorboten des Faust haben. Aber ein charakteristischer Unterschied ist da, und diesen charakteristischen Unterschied wollen wir ins Auge fassen. Nicht wollen wir uns halten an dasjenige, was mancher sich ganz besonders gescheit dünkende Ästhetiker über dieses Drama geäußert hat: dass es doch den modernen ästhetischen Sinn beleidigt, wenn Calderon zuletzt noch nach dem Tode von Justine und Cyprian den Dämon auf der Schlange reitend auftreten lässt, denn es genüge schon, wenn man ihn in dem Hin- und Widerspielen der Leidenschaft bis zur Tragik, zum Rein-Menschlichen hat auftreten sehen. Es brauche nun nicht der Dämon aufzutreten und das zu besiegeln. - Man kann das den ganz gescheiten Leuten der Gegenwart überlassen, die nur nicht wissen, dass die Leute dazumal, auch Calderon, sich interessiert haben für das, was dann der böse Dämon selber erlebt. Aber wie gesagt, darauf will ich mich nicht einlassen, ich will auf einen anderen Unterschied, der nun wirklich real in Betracht kommt, aufmerksam machen. Wenn man so die Justine erlebt, selbstverständlich mit den Unterschieden, die auftreten mussten, denn das eine ist ein spanisches Drama des 17. Jahrhunderts und das andere ist der Goethesche «Faust», wenn man die Dinge ins Auge faßt und sieht gewisse Ähnlichkeiten - mit Unterschieden - der Justine mit dem Gretchen zum Beispiel, so wird man unbedingt sagen: diese Gretchengestalt ist sehr ähnlich der Justinengestalt in der künstlerischen Veranlagung, in allem. Aber in der ganzen Entwickelung des Dramas ist ein beträchtlicher, wichtiger Unterschied. Cyprianus und Justine erleben gemeinschaftlich den physischen Tod, den physischen Märtyrertod, und damit schließt das Calderonsche Drama. Dann ist nur noch der Dämon auf der Schlange reitend, der das besiegelt, der das ausspricht: den Sinn davon. Bei Goethe sehen wir etwas ganz anderes. Da geht, wenn wir den ganzen «Faust» jetzt mit seinem ersten und zweiten Teil nehmen, während des Verlaufs des Dramas am Ende des ersten Teiles Gretchen durch die Pforte des Todes, und Faust entwickelt sich weiter. Und am Schlüsse sehen wir, wie Faust und Gretchen zusammengeführt werden.
Aber das Gretchen, das lange in der geistigen Welt oben ist als Seele, wird an Faust herangeführt. Das ist das Kühne, Große, Gewaltige, dass Goethe auch bei Fausts Ende doch Faust und Gretchen wieder zusammenführt, aber Gretchen als vor langer Zeit schon durch die Todespforte gegangene Seele. Der Mann, der Dichter der fünften nachatlantischen Zeit in Goethe ist viel geistiger als der Dichter in Calderon, der noch den Nachklang bedeutet der vierten nachatlantischen Zeit. Gewiss, hineinschauen in die geistige Welt, das konnte Calderon wohl besser als Goethe. Daher stehen auf der einen Seite Justine und Cyprianus, beide gleichzeitig durch die Pforte des Todes als physische Menschen gehend, auf der anderen Seite die geistige Welt: auf der Schlange der Dämon reitend, und sonstige auch geistige Vorgänge. Aber ich möchte sagen, die beiden sind reinlich geschieden. Und das ist überhaupt das Bedeutsame: Geistige und physische Welt sind beim vierten nachatlantischen Zeitraum, wo enge Verbindung ist zwischen dem Lebensäther und dem Erdigen, strenge geschieden. Jetzt treten die beiden Anschauungen auseinander, dasjenige, was zwischen Geburt und Tod erlebt wird, und dasjenige, was in der geistigen Welt erlebt wird. Aber es muß dafür die Beziehung, das Verhältnis auch gesucht werden. Das drückt sich so wunderbar großartig, gewaltig auch darinnen aus, dass Faust und Gretchen gar nicht gleichzeitig sterben, und dennoch der Schluß des zweiten Teiles des «Faust» Faust und Gretchen zusammenführt: geistige und physische Welt werden dichterisch ineinander verwoben; nachdem sie erst auseinandertreten, werden sie miteinander verwoben. Da haben Sie gerade in dieser Faust-Schöpfung einen der ersten großen Versuche für den fünften nachatlantischen Zeitraum, die zwei Dinge miteinander zu verbinden: die physische Welt der Phänomene, der Erscheinungen, und die geistige Welt der Imaginationen. Und das bildete für Goethe gerade die Schwierigkeit - man kann das aus seinen Gesprächen mit Eckermann ersehen -, die gewaltige Schlußimagination hinzustellen, die das längst durch die Pforte des Todes gegangene Gretchen mit dem Faust wiederum zusammenbringt, und so die ganze Welt, die Faust nach dem Tode des Gretchens erlebt hat, diese Welt der physischen Erlebnisse, die Faust nach ihrem Tode erlebt hat, auch bedeutungsvoll macht für das Gretchen. Gewiss, Faust ist ja auch tot, als er das Gretchen trifft, aber man sieht, dass die Wirksamkeit des Gretchens gedacht ist im Zusammenhange mit Faust, während alle diese Erlebnisse Fausts vom Anfang des zweiten Teils bis zu dem Tode, den er selbst durchmacht am Schlüsse, im Zusammenhang mit dem, was oben in der geistigen Welt, in der ja schon Gretchen ist, gedacht sind." [52] 
 

12. Kosmische und menschliche Geschichte II - V, innere Entwicklungsimpulse der Menschheit; Kunstgeheimnis der Griechen; grobklotziges Verständnis der Historiker; Naivität der heutigen Biotech-Wissenschaftler, Eugenik; Psychoanalyse; Goethes Weltanschauung, Szene über den Erdgeist im »Faust»; Nostradamus; Von grotesken Theologen die in vollständiger Gedankenlosigkeit als Professoren die Studenten an den Universitäten in die Irre führen

Kunstgeheimnis der Griechen; grobklotziges Verständnis der Historiker, man denke nur an die Geschichtsklitterung bei der Harvard-Islamwissenschaftlerin und Orientalistik-Professorin Annemarie Schimmel, die unter dem Deckmantel der objektiven Wissenschaftlichkeit unverhüllt die Ideologie des islamischen Fundamentalismus propagierte: "Nehmen wir an, es macht jemand wirklich das durch, was Goethe glaubte, und mit Recht glaubte, in Italien durchgemacht zu haben, und was er dann aussprach mit den Worten, er sei nun dahintergekommen, welches das eigentliche Kunstgeheimnis der Griechen war: daß sie der Natur in einer geheimnisvollen Weise nachschufen, wie es die neuere Menschheit nicht mehr in demselben Grade imstande ist. Ja, Goethe war nicht ohne weiteres davon überzeugt, dass er so die Griechen nachfühlen kann wie heute einer, der mit dem Baedeker reist und die griechischen Kunstwerke anschaut oder in ein Museum geht und die griechischen Kunstwerke anschaut und glaubt, ohne weitere Einstellung dieses Griechentum auch zu verstehen. Wenn man versucht, ich möchte sagen durch Probieren, durch eine Art Probieren sich wirklich einzustellen auf dasjenige, was ganz klar verlangt ein griechisches Kunstwerk, ein plastisches oder ein dichterisches, übrigens auch was griechische Philosophie verlangt, wenn man sich wirklich darauf einstellt und dann okkultistisch mit den Ihnen sattsam bekannten intimen Seelenmethoden prüft, nachprüft, dann findet man, dass man in der Tat experimentell hergestellt hat, wenn auch nur in einem schwachen Nachklang, jene innigere Verbindung zwischen dem Lebensäther in einem selbst und dem erdigen Elemente, und man fühlt dieses, ich möchte sagen, intim-feine Anders-Konstruiertsein ausströmen über den ganzen Organismus. Und hat man sich wirklich auf griechische Kunst oder auf griechische Philosophie eingestellt, sich durch seinen ganzen Menschen eingestellt, und kann die innere Einstellung dann prüfen, da merkt man, dass man ja bei dieser anderen Einstellung eine Farbe ganz anders sieht oder Wärme ganz anders empfindet, als heute der Mensch Farbe sieht oder Wärme empfindet. Solche an das Seelenleben gebundenen Experimente liebt nur der moderne Mensch nicht. Versteht man den Äschylos oder den Heraklit oder auch nur den Aristoteles wirklich, dann sieht man auch mit dem Verständnis, das man entgegenbringt dem Heraklit, dem Äschylos, dem Sophokles, dem Aristoteles, eine Farbe anders. Man merkt dann: Wahrend man in der gegenwärtigen Konstitution der fünften nachatlantischen Zeit Blau einfach sieht, Blau als eine Schattierung, als einfache Schattierung, sieht man gewissermaßen dann das Blau als etwas Komplizierteres: Wie wenn ein Schleier da wäre, der hinter sich hätte Finsternis, Dunkelheit, und man kann sondern die Finsternis, das Dunkle, von dem darüber gewobenen Trüben, wie man sagt. Das Blaue wird komplizierter, aber auch andere Empfindungen werden komplizierter. Wenn man mit der Hand auf einen warmen Gegenstand auftrifft, so empfindet man das, wie wenn sich etwas breiten würde, sich ausdehnend über die Hand. Aktiver wird auch das ganze sinnliche Wahrnehmen. Und jetzt weiß man, wie anders die Griechen sinnlich wahrgenommen haben. Das weiß man früher gar nicht, dass die Griechen wirklich anders die Natur rings um sich herum angeschaut haben als die heutigen Menschen. Im besonderen, wer solches Experiment nicht anstellen kann, weiß nichts vom Griechentum. Fängt er aber an, auf diese Weise etwas zu wissen, dann liest er gewisse Zusammenhänge erst in rechtem Lichte. Vorher hat man immer ein dunkles Gefühl, dass man eigentlich griechische Dichterstellen, wenn Farben auftreten, nicht recht versteht. Gewiss, mit dem grobklotzigen Verständnis, das heute die Menschen den Dingen entgegenbringen, merken sie das nicht; aber wenn man richtig verstehen will in allen feinen Nuancen, so merkt man das. Man merkt, dass der Grieche anders von Farben, überhaupt von seiner Umgebung sprach. Und in dieses Anders-Sprechen lebt man sich hinein auf diese feine, intime Weise, die ich beschrieben habe." [53] 

Die Naivität der heutigen Biotech-Wissenschaftler fällt in der Bevölkerung und bei Politikern gar nicht auf, weil der an das materialistische Untersuchen allein gewöhnte Mensch denkt ja, seine Forschung sei "wissensbasiert"; eine sich Wissenschaft nennende Bestrebung will das Prinzip der natürlichen Zuchtwahl, das der materialistische Darwinismus gebracht hat, auf den Menschen anwenden, ganz im Sinne der "wissensbasierten" Medizin, personalisierte Medizin, Eugenik; Psychoanalyse: "Da sehen Sie, wie der Trieb, der im Materialismus in dem bloßen Nützlichkeitsprinzip sich äußert, in dem Prinzip, zu untersuchen die Verwandelung der Naturkräfte und die Geburtsverhältnisse, wie dieser Trieb hineinspielt in das Verhältnis, das sich der Mensch zur geistigen Welt bildet. Nun spielt er auch in anderer Beziehung hinein. Man wird immer mehr und mehr versuchen, aus diesem Triebe heraus hinter alle Naturgeheimnisse, die sich auf die Verwandelung und die Geburt beziehen, zu kommen. Sehen wir doch heute schon eine sich Wissenschaft nennende Bestrebung immer deutlicher und deutlicher auftauchen, welche das Prinzip der natürlichen Zuchtwahl, das der materialistische Darwinismus gebracht hat, auf den Menschen anwenden will. So dass aus diesem Impuls wirklich einmal das Ideal hervorgehen wird, Gesetze zu finden, wie der passendste Mann auserlesen werden kann für die passendste Frau, um die passendste Nachkommenschaft zu erzielen. Solche Dinge werden heute schon besprochen, werden heute schon diskutiert, ich glaube, Eugenik nennt man diese Wissenschaft, die da im Aufstreben ist. Solche Dinge bilden schon durchaus ernsthafte Anregungen. Das aber wird immer stärker und stärker werden. Man wird immer mehr und mehr das menschliche soziale Leben seines spirituellen Charakters entkleiden wollen und es aufbauen wollen auf rein äußeren sinnlichen und sinnlich-natürlichen Verhältnissen. Unter dem Einflüsse dieses Triebes ist ja auch die Psychoanalyse entstanden, jene sonderbare Wissenschaft, welche es sich zur Aufgabe macht, gewisse unterbewußte Kraftkomplexe herauszuholen aus dem menschlichen Gesamtorganismus, aber im wesentlichen ganz naturgemäß hauptsächlich mit sexuellen oder mit Triebverhältnissen rechnet, die den sexuellen Verhältnissen mehr oder weniger nahe oder doch entfernt verwandt sind. Man kann nämlich den Blick der Untersuchung und die Aufmerksamkeit zwar bloß lenken auf das physisch-sinnliche Geschehen. Aber in dem physisch-sinnlichen Geschehen, das sich in Verwandlung und Geburt ausdrückt und das in der Glückseligkeit, in der Nützlichkeit angestrebt wird, darinnen sprechen sich deshalb doch okkulte Kräfte aus, liegt doch okkultes Streben. Aber durch die Art, wie man mit Verleugnung des Spirituellen sich doch dem Spirituellen nähert durch diesen Pol, kommt man in die Nähe von gewissen geistigen Wesenheiten, die wirken, trotzdem man sie nicht schauen will, trotzdem man sie nicht berücksichtigen will, die hereinwirken in das Bestreben der Wissenschaft, in das Bestreben des Aufstellens sozialer Ideale. Das aber sind Wesenheiten, von denen gesagt werden muss, dass ihre höheren Fähigkeiten eine gewisse Ähnlichkeit haben mit den niederen Triebfähigkeiten der Menschen. Es sind eigentümliche geistige Wesenheiten, in deren Nähe man kommt, deren höhere Fähigkeiten also, deren eigentliche Denk-, Vernunft- und Wahrnehmungsfähigkeiten ein Anziehungsband haben zu dem menschlichen Sexuellen oder sonstigem niederem Triebhaften. Indem man also hantiert mit alle dem, was sich auf Verwandlung, Geburts- und Glückseligkeitsverhältnisse bezieht in der angedeuteten Weise, lebt man gewissermaßen in einer psychischen Aura solcher Wesen, bei denen die höheren Fähigkeiten eine gewisse Verwandtschaft haben zu unsern niederen Fähigkeiten. Daher werden die niederen Fähigkeiten des Menschen durch diese Verwandtschaft angeregt, und daher ist es auch, dass die Psychoanalyse, die doch aus materiellen Anschauungen heraus entspringt, eigentlich handelt unter dem Einflüsse von solchen Wesenheiten, die hauptsächlich anregen den Blick für die Berücksichtigung des niederen Trieblebens. ... Daher der Grundcharakter so vielen Strebens heute, welches, man möchte sagen, die ganze Welt nur unter dem Gesichtspunkte, unter dem Aspekte der niederen Triebe sehen will. Und es ist dennoch ein Weg - wenn auch ein weiter Weg - von den materialistischen psychoanalytischen Theorien Freuds bis hinauf zu dem Geistvollsten, Größten, Bedeutendsten, das in unserer Zeit geleistet worden ist auf diesem Gebiete, bis zu den Schriften des außerordentlich geistvollen Laurence Oliphant, der in seinen sehr interessanten Büchern «Sympneumata» und «Scientific Religion » etwas geliefert hat, was zunächst außerordentlich interessant und sympathisch ist, aber das nur, ich möchte sagen, die sublimierteste Bestrebung ist, die ganze Welt, das ganze Weltgeschehen, auch das geistige Weltgeschehen unter den Aspekt des Sexuellen zu stellen. Wenn das auch bei Oliphant außerordentlich fein und geistvoll und edel und sympathisch auftritt, es ist, sage ich, dennoch ein Weg von Freud zu Oliphant. Man lernt außerordentlich viel, wenn man «Sympneumata», «Scientific Religion» studiert. Aber man muß eben durchaus sich klar sein darüber, daß sich auch in diesen ganz vorzüglichen Büchern der eine Pol ausdrückt von dem, was charakterisiert worden ist. Denn da, wo dieser Pol ganz besonders waltet, da handelt es sich immer darum, nicht eigentlich aus den gegenwärtigen menschlichen Fähigkeiten heraus, aus den normalen geistigen Fähigkeiten des Menschen heraus aufzusteigen in die geistigen Welten, sondern es handelt sich darum, nur den einen Trieb auszubilden, den Trieb nach den Phänomenen, nach dem Äußeren, Physischen. Daher konnte beides entstehen, was auch wirklich entstanden ist." [54]

Besonders in Russland, das sich zur Zeit im Bann der byzantinischen Orthodoxie und des Panslawismus befindet, entsteht der Hang zum Sakramentalismus, Symbolismus, Der Mensch als Werkzeug der untersinnlichen Wesenheiten: "Der andere Pol, den ich als den zweiten Pol bezeichnete und von dem ich sagte, daß seine Beziehungen nach dem Bösen, Leiden, Schmerz, Tod, Erlösung oder Befreiung gelegt sind, der strebt nach Überwindung desjenigen, was gerade für den anderen das Heil ist. Nach Überwindung desjenigen strebt dieser zweite Pol, was sich für den Menschen entwikkelt zwischen Geburt und Tod, was sich für den Menschen entwickelt so, dass er dieses sich Entwickelnde anschauen kann mit den äußeren Sinnen. Während sich durch den ersten Pol die bloße Utilität entwickelt, die Utilität, der Gott des echten Bourgeois, entwickelt sich unter dem zweiten Pol der Sakramentalismus im weitesten Umfange. Das heißt, es entwickelt sich ein Leben, welches sucht, die Wirklichkeit vom Geistigen aus anzuschauen, und unter dieser Anschauung der Wirklichkeit vom Geistigen aus diese Wirklichkeit selbst mehr oder weniger verschwinden zu lassen. Das ist mehr im Anfange, was der zweite Pol anstrebt, während das andere, was der erste Pol anstrebt, in Europa ziemlich weit gediehen ist. Der erste Pol strebt an, im chemischen Laboratorium Stoffe zu erzeugen, die dann verwendet werden können in der mannigfaltigsten Weise für die äußere Utilität, für die wirkliche Utilität oder für die eingebildete Utilität. Der zweite Pol wird immer mehr und mehr anstreben, nicht diese äußere Utilität zu verwirklichen, sondern die äußere Welt mehr symbolisch, mehr so zu behandeln, daß das Geistige in ihr zum Ausdrucke kommt. Selbst in dem sozialen und in dem staatlichen Leben wird man versuchen, symbolische Zusammenhänge, bedeutsame Zusammenhänge zu suchen. So wie, wenn nun die okkulten Kräfte in Betracht kommen, der erste Pol in die Nähe von Wesen führt, deren höhere Geisteskräfte mit des Menschen niederen Trieben verwandt sind, so führt dieser andere Pol mit seinem Sakramentalismus in die Nähe von Wesen, deren niedere Kräfte mit den höheren Menschenkräften verwandt sind, mit den Kräften der menschlichen Vernunft, des menschlichen Verstandes, der menschlichen psychischen Organisation, der menschlichen spirituellen Organisation. Also der andere Pol führt in die Nähe, in die Gesellschaft geistiger Wesenheiten, deren niedere Fähigkeiten verwandt sind mit den menschlichen höheren Fähigkeiten. Die Folge davon wird sein, dass, wenn es auf die Entfaltung okkulter Kräfte aus diesem Pole heraus, aus diesem polarischen Impuls heraus, ankommt, ein Streben entstehen wird, welches versuchen wird, loszureißen die höheren übersinnlichen Glieder der Menschennatur von dem sinnlichen Menschen. Aber dann, indem der Mensch sich losreißt zum imaginativen, zum visionären Leben, kommt er hinein in eine Aura, in welcher geistige Wesenheiten Triebe entwickeln, die ihre niederen Triebe sind. Dadurch wird eine eigentümliche Erscheinung hervorgerufen, die darinnen besteht, dass der Mensch gewissermaßen besonders stark ausbilden will - immer mehr und mehr wird er dazu getrieben werden - eine gewisse Zuschauerrolle, durch die er ein Verbindungsglied abgibt zwischen übersinnlichen und untersinnlichen Wesenheiten. Es wird also hier besonders stark entwickelt dasjenige, wodurch der Mensch ein Verbindungsglied zwischen der übersinnlichen und der untersinnlichen Welt wird. Der Mensch wird das Verbindungsglied, und er entwickelt in sich den Drang, sich gewissermaßen zum Werkzeug zu machen, dass gewisse übersinnliche Wesenheiten auf die untersinnlichen Kräfte, auf diejenigen Kräfte wirken, welche verborgen liegen in den sinnlichen Erscheinungen, in den sinnlichen Phänomenen. In den sinnlichen Phänomenen liegen Kräfte, die ähnlich sind den heute schon vorhandenen Elektrizitäts-, magnetischen und anderen Kräften. Nun will sich der Mensch, der sich einseitig diesem Impulse hingibt, über die sinnliche Welt, über die Welt der Phänomene unmittelbar hinwegsetzen. Dadurch aber gerät er gerade in die Gefahr, eine Brücke abzugeben, ein Verbindungsband zu geben mit der übersinnlichen Welt der höheren Hierarchien, die ihre Kräfte heruntersenden in die untersinnliche Welt. Der Trieb, im Sakramentalismus, in der symbolischen Handlung etwas zu entwickeln, das ist dieser selbe Trieb. Denn immer, wenn Sakramentalismus auftritt, wenn die symbolische Handlung auftritt, da strömen die Kräfte aus den oberen Welten in die unteren Welten und wieder zurück. Einseitig in diesem Strömen der übersinnlichen Welt nach der untersinnlichen Welt, gewissermaßen mit Ausschaltung der sinnlichen Welt, geht dieser andere polarische Impuls." [55] 

Goethe kann für eine wirklich von der fünften nachatlantischen Zeitepoche geforderte Weltanschauung die echte, sachgemäße Grundlage sein: "Es ist eigentümlich in der Weltentwickelung, dass sie gewissermaßen wellenförmig sich vollziehen muss, dass gewisse Impulse auftauchen, stark wirken, dann wiederum abfluten und erst später wieder auftreten können und so weiter. Das empfindet besonders stark derjenige, der die Goethesche Weltanschauung in ihrem Nerv versteht. Gewiss, Geisteswissenschaft selbst kann noch nicht gefunden werden in der Goetheschen Weltanschauung, aber sie wird gerade unter dem Einflüsse des Verständnisses der Goetheschen Weltanschauung immer mehr und mehr entstehen können. Denn es ist wirklich so, dass alles dasjenige, was noch ohne die eigentliche Gestalt der Geisteswissenschaft als Weltanschauung gegeben werden konnte, in der Goetheschen Weltanschauung gegeben ist. Und diese Goethesche Weltanschauung hat zunächst in, wenn auch vielleicht für die große Welt enge, so doch für das Geistesleben weite Kreise ihr Licht geworfen, und vieles im Geistesleben ist schon durch die Goethesche Weltanschauung beeinflusst worden, wenn auch dasjenige, was beeinflusst worden ist, im Grunde ebenso zunächst abgeflutet ist, wie die Goethesche Weltanschauung ja selbst abgeflutet ist. Denn darüber braucht man sich ja keiner Täuschung hinzugeben: Wenn auch Goethe von vielen heute genannt wird, wenn auch viele glauben, seine Werke zu kennen, dasjenige, was eigentlich in seiner Weltanschauung lebt und webt, das ist doch etwas, was noch zu dem Unbekanntesten in der Menschheitsentwickelung gehört, und was, wenn es immer mehr und mehr eintreten wird in die Menschheitsentwickelung, das wissenschaftliche, das soziale und auch das übrige Denken, aber auch die Impulse des Handelns der Menschen wesentlich umgestalten wird. In unserer Zeit wirken noch außerhalb der anthroposophischen Bewegung für ein Verständnis der Goetheschen Weltanschauung wenig günstige Kräfte, wenig günstige Impulse. Denn so berechtigt und so großartig das sogenannte demokratische Prinzip für die Menschheitsentwickelung ist, wenn es in richtigem Sinne verstanden wird, so verderblich wirkt es in unserer Zeit, wo es oftmals am falschesten Ende angepackt und angewendet wird. In unserer Zeit herrscht eine intensive Abneigung, Antipathie, ja mehr als das, in vielen Seelen ein intensiver Hass und eine Gegnerschaft gegen eine so geartete Weltanschauung, wie sie ihre Quellen in Goethescher Denkungsart und Goethescher Gesinnung hat. Denn zu dieser Weltanschauung ist vieles, vieles nötig, was gerade unsere Zeit am allerwenigsten gern hat. In unserer Zeit möchte jeder, ohne sich Grundlagen dafür besonders geschaffen zu haben, gewissermaßen seine eigene Weltanschauung haben, seine eigene Weltanschauung sich aufbauen, ein Eigenbrötler der Weltanschauung sein. Und die nächste Empfindung, die jeder hat, ist ungefähr diese, dass die einzelnen Weltanschauungen so gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Dasjenige, was einem gerade von Goethe so einzigartig charakterisiert im Faustischen Streben entgegentritt, von dem spricht heute jeder journalistische Tropf und jeder, der diesen Tröpfen nachspricht; aber vom Kennen des innersten Nerves dieses Faustischen Strebens kann ja gerade heute im allergeringsten Maße nur die Rede sein. Und wir werden noch viel zu besprechen haben, wenn wir das, was damit nur mit ein paar Strichen gekennzeichnet ist, was einem harmonischen Ausgleiche der genannten Impulse ungünstig ist in der neueren Zeit, ins Auge fassen werden, um dann auch zu besprechen, wie dieser harmonische Ausgleich der einseitigen Impulse, die wir kennengelernt haben, herbeigeführt werden soll."

Szene über den Erdgeist im »Faust»; Nostradamus: "Faust hat vor sich den Erdgeist. Und wir sehen, dass er aus der Anschauung gewisser die Meditation erregender Dinge, die ihm, wie es da heißt im «Faust», aus dem Buche von Nostradamus werden, in jenen Zustand versetzt wird, durch den ihm das anschaulich werden kann, was als Erdgeist zu ihm spricht. Nun, ich habe ja über diese Dinge hier schon gesprochen und will heute nur ausgehen von dem Gedanken an den Erdgeist. Unsere gegenwärtige Zeitbildung wird mit solch einer Szene ja sehr bald fertig, indem sie eine für diese gegenwärtige Zeitbildung sehr bequeme Formel immer wieder und wiederum wiederholt. Diese gegenwärtige Zeit sagt einfach: Nun ja, dem Dichter gestattet eben die Phantasie, dasjenige, was niemals eine Wirklichkeit sein kann, vor unsere Seele hinzuzaubern. - Für Goethe enthielt eine solche Formel den Gipfelpunkt alles Trivialen, denn für Goethe lag in all dem, was er über die Beziehung des Faust zum Erdgeist entwickeln wollte, eine tiefe, eine bedeutungsvolle Wirklichkeit. Und nur wie diese Wirklichkeit jetzt ganz im Sinne Goethes vorzustellen ist, davon möchte ich einleitungsweise einige Worte sprechen. Goethe war schon in der Zeit, als er die Szene über den Erdgeist niedergeschrieben hatte, in all dem, was man damals - ich habe das schon erwähnt - wissen konnte über gewisse Zusammenhänge des Menschen mit der geistigen Welt, wohl unterrichtet; er hatte sich sorgfältig darüber unterrichtet. Und ob er nun mehr oder weniger sich diese Dinge zum ganz deutlichen Bewußtsein gebracht hat, ob er sie mehr oder weniger in völlig deutlichen Worten hätte aussprechen können, so wie wir diese Dinge heute aussprechen, darauf kommt es ja, wenn man Rücksicht nimmt auf die Zeit, in der Goethe lebte, nicht an. Aber darauf kommt es an, dass er völlig im Sinne richtiger Anschauungen die Szene gedichtet hat. Wenn man sich das in Wirklichkeit vorstellen will, so kann das in der folgenden Art geschehen. Man muss sich vorstellen: Durch dasjenige, was dem Faust an Anschauungen wird aus diesem sogenannten Buch des Nostradamus, wird im Zusammenhange mit Seelenübungen, die Faust selbstverständlich schon früher gemacht hat, der Ätherleib freigelegt, losgetrennt zum Teil von dem physischen Leib, wie es zu einer Anschauung der geistigen Welt notwendig ist. Dadurch aber wird der Mensch in einen ätherischen Zusammenhang gebracht mit der Außenwelt und er erlebt wirklich das Dasein, die Wirksamkeit geistiger Wesenheiten, die in der ätherischen Welt allein sich verkörpern können, deren Verkörperung nicht bis zur physischen Welt herunterkommt. Das ist der Fall bei dem, was sich Goethe unter dem Erdgeiste vorstellt, eine geistige Wesenheit, welche nur herunterkommt bis zur ätherischen Welt. So muss sich also Faust bereit machen, das Leben und Weben der ätherischen Welt in diesem Augenblicke zu schauen. Und das tut er. Es ist also wirklich ein Zusammenspielen des Erdgeistes mit dem ätherisch freigewordenen Leibe des Faust. Dies ist selbstverständlich, so wie ich es jetzt beschrieben habe, ein für die äußere Sinneswelt unwahrnehmbarer Vorgang, ein Vorgang, der nur geistig erlebt werden kann. Nun haben in der Zeit, die unserem fünften nachatlantischen Zeitraum vorangegangen ist, die Menschen, die noch mehr als die späteren gewußt haben von dem Zusammenhang des Menschen mit der geistigen Welt, bei denen aber doch schon das alte hellseherische Vermögen mehr oder weniger abgeklungen war, in der verschiedensten Weise gesucht nach Surrogaten, könnte man sagen, eines Verkehres mit der geistigen Welt. Denken Sie doch einmal daran, dass also Faust ein Bild und Worte empfängt aus dem Buch von Nostradamus. Dadurch, dass er diese Worte denkt, also die Gedankenformen bildet, dadurch bahnt er gewissermaßen seiner Seele den Weg zu dem Erdgeiste hin. Goethe durfte das darstellen, weil er wußte, dass das einer Wirklichkeit entspricht. In Wahrheit, kann man sagen, war die Zeit, in der der historische Faust gelebt hat, allerdings nicht mehr dazu angetan, dass Menschen so ohne weiteres einen solchen geistigen Zusammenhang erleben konnten. Denn schon früher, schon als der vierte nachatlantische Zeitraum, die griechisch- lateinische Kultur zu Ende ging mit dem 14. Jahrhundert, schon da versuchten die Menschen durch Surrogate den Zusammenhang zu gewinnen mit der geistigen Welt. Über diese Surrogate, von denen Beschreibungen vorhanden sind, kann selbstverständlich die heutige aufgeklärte Welt sich nicht genug tun mit Spott und Hohn und Lachen und mit der Selbstbespiegelung, wie wir es so herrlich weit gebracht haben. Aber man braucht ja nicht zu hören auf diese ganz gescheiten, diese ungeheuer gescheiten Menschen der Gegenwart, die über solche Dinge selbstverständlich hinaus sind nach ihrer Meinung. Man kann sich einmal vergegenwärtigen, wie die Menschen, bei denen abgeklungen ist diese Fähigkeit, bei denen sie nicht mehr so lebendig vorhanden war wie früher, wie die Menschen an der Wende des vierten zum fünften nachatlantischen Zeitraumes bemüht waren, durch Surrogate sich den Weg zu bahnen zum Anschauen gewisser geistiger Vorgänge, die eigentlich in ihrer Wahrheit nur übersinnlich geschaut werden können. Und das geschah vielfach durch äußere Mittel. Sagen wir, solch ein Mann, der da versuchte, Anschauungen über die geistige Welt zu gewinnen, und der nicht die starke Kraft in sich aufrufen konnte, um rein geistig diese Anschauungen zu gewinnen, er tat das so, dass er gewisse Substanzen nahm, diese verbrannte und einen durch die Mischung ganz bestimmter verbrennender Substanzen hervorgerufenen Rauch in bestimmte Bewegungen brachte, die er hervorrief durch ganz bestimmte, wiederum überlieferte Formeln. Er hatte bestimmte, wie man sie nennen kann, Zauberformeln. Er entwickelte also aus bestimmten Substanzen, die er verbrannte, einen Rauch, besprach den Rauch, sprach also bestimmte Worte, die ja auch überliefert waren und die, sagen wir, ähnlich sein konnten den Worten, die der Faust in dem Buch des Nostradamus findet, er sprach diese Worte hinein in den Rauch: der Rauch nahm ganz bestimmte Formen an. Würde er rein geistig sich der geistigen Welt haben nähern können, so würde er den Rauch nicht gebraucht haben. Aber das konnte er vielleicht nicht. Daher sprach er in den Rauch bestimmte Zauberformeln hinein. Durch solche Zauberformeln, wenn sie in der richtigen Weise gesprochen sind, kann der Rauch gleich bestimmte Formen annehmen, und waren die Formeln die richtigen, so war nicht bloß das erreicht, dass der Rauch bestimmte Formen annahm, sondern diese Formen gestatteten dann auch den geistigen Wesen, die nicht bloß geistig sich ihm nähern konnten, in seine Sphäre hereinzukommen. Der Rauch war gewissermaßen dasjenige, was der Betreffende formte durch seine Formeln; und die Formen, die der Rauch annahm, die machten durch ihre Gestaltung es möglich, dass die betreffenden geistigen Wesenheiten elementarischer Natur einzogen in diese Gestaltungen, in diese Formen des Rauches, und also da waren. Wir sehen, es ist ein Surrogat, ein Festhalten desjenigen, was man rein geistig nicht festhalten kann durch die physische Materie. Goethe hat vermieden, ein solches Surrogat darzustellen; er hätte ebensogut Faust ein anderes Buch nehmen lassen können, in dem zusammengestellt waren jene Kräuter, die man miteinander zu verbrennen hat, damit eine solche Rauchsäule entstehen würde, um auf diese Weise dann den Erdgeist herankommen zu lassen. Das hat er vermieden. Er wollte die Szene mehr geistig gestalten. Aber selbstverständlich waren Goethe diese Surrogate auch wohl bekannt. Wie gesagt, heute lacht man darüber, daß so etwas irgendeine Bedeutung haben könnte." [56] 

Von grotesken Theologen die in vollständiger Gedankenlosigkeit als Professoren die Studenten an den Universitäten in die Irre führen; so gehen heute die verkrüppelten, verkümmerten, korrumpierten Gedanken von amtlicher Stelle, von privilegierter Stelle - denn es sind in der Regel die berühmtesten Theologen der Gegenwart, die so sprechen - in die Menschen der Gegenwart hinein und leben in ihnen, herbeigeführt durch einen unbewußten Missbrauch der amtlichen Macht; neben einem solchen intellektuellen Missbrauch der Denkkraft liegt gleich die moralische Verirrung; das ist eben das Charakteristikon unserer Zeit, dass die Allerunberufensten sich hinstellen und Lehrer, Aufklärer des Volkes werden, und dass dies notwendigerweise verbunden sein muss mit dem Verbreiten der Unwahrheit; was christliche oder islamische Theologen vortragen ist oft nichts anderes als ein mit ungeheurem Pomp vorgebrachter Wortschwall; man denke nur an die vielen Theologen, die in der Corona-Zeit zu unterwürfigen Befehlsempfängern der Biotech-Wissenschaft geworden sind und für Ungeimpfte den Eintritt in ihre Kirchen verweigert hatten: "Da ist ein Theologe; wer es ist, darauf ist weniger Wert zu legen. Man braucht heute nur in eine Buchhandlung zu gehen und in irgendeiner Sprache ein paar Bücher zu nehmen, beliebig welche, womöglich solche, welche bestimmt sind, das «Volk» aufzuklären, die also irgendwelcher Sammlung angehören, die das Volk aufklären soll: beim dritten, das man in die Hand bekommt, meistens schon beim zweiten, ja sogar oft beim ersten zeigt es sich, dass jener Mangel, den ich eben charakterisiert habe, ein ganz verbreiteter in der Gegenwart ist. Es kommt dabei also gar nicht auf Namen an, aber auf die Art und Weise, wie das, um was es sich da handelt, in weitesten Kreisen wirkt, darauf kommt es an. Denn es rinnt heute durch alle populären, gerade durch die populären Schriften, und überall tönt uns entgegen der Widerhall desjenigen, was da leibt und lebt. Da ist ein Theologe, der hält Vorträge, einen ganzen Zyklus von Vorträgen, zuerst über naturwissenschaftliche, dann über ethische, ästhetische Weltanschauung oder Lebensgestaltung. Er geht dazu über, allerlei andere Erscheinungen noch zu bemerken, um in seiner Weise dann zu zeigen, wie er zu dem, was er nun das Christentum, das sich selbstverständlich dann das richtige Christentum nennt - jedes solches Reden ist das richtige Christentum, und die anderen alle sind falsche Christentümer -, wie er zu seinem Christentum kommt. Da spricht er zuerst von der naturwissenschaftliehen Weltanschauung und sagt: Den Menschen als Naturwesen, den Menschen als Natur, den muß man der  naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise überlassen; der Theologie, der religiösen Betrachtung gehört der «Mensch der Freiheit» an. - Das könnte man, wenn es so als Worte gebraucht wird, ja allenfalls noch gelten lassen. Wenn hinter diesem «Menschen der Freiheit» etwas steckt, und der Mann nun an eine reinliche Scheidung ginge, so könnte man das ja gelten lassen. Dann sagt er: Es sei für die Theologen wirklich von Übel, wenn sie der Naturwissenschaft nicht ihr volles Recht lassen. Man soll der Naturwissenschaft ihr volles Recht lassen, man soll den Menschen eben teilen: den Menschen der Natur der Naturwissenschaft übergeben, den Menschen der Freiheit behält die Theologie. - Auf diese Weise kann man Kompromisse schließen! Fragt sich nur, ob es möglich ist, den Menschen wie einen Laib Brot, ein Stück Brot, in zwei Teile zu teilen. Solch ein Theologe spricht ja ungefähr, so, nicht wahr, wie sich das Verhältnis zwischen Hänschen und Karlchen gestaltete, als sie ein Stück Brot vom Vater bekamen. Hänschen fragt: Wie soll ich teilen? Da sagt der Vater: Recht christlich. Hänschen fragt: Wie teilt man denn christlich? Nun, sagt der Vater, da behältst du dir das kleinere Stück und gibst dem Karlchen das größere Stück. Ach, dann soll lieber das Karlchen teilen! sagt das Hänschen. Nun ja, das bemerkt man dann auch manchmal, wenn der Mensch aufgeteilt wird zwischen den Theologen und der  Naturwissenschaft. Aber nicht alle sind so, dass sie in dieser Weise teilen wollen, sondern manche so, dass sie schiedlich-friedlich abkommen wollen. Und da die Naturwissenschafter schon sehr mächtig geworden sind, so wollen die  Theologen nicht recht anbinden mit der Naturwissenschaft; da denken sie denn an eine andere Gestaltung des Kompromisses. Da finden wir denn bei einem Vortragszyklus, der gehalten worden ist vor nicht langer Zeit, eine ganz merkwürdige Art, solchen Kompromiss zu schließen: den Menschen der Natur abzugeben an die Naturwissenschaft, den Menschen der Freiheit behält man für die Theologen. - Ob man so teilen kann, das ist eben die Frage! Denn da müsste man zunächst fragen, wenn man nun wirklich einen Teil des Menschen der Naturwissenschaft gibt, ob in diesem Menschen der Natur nicht schon ein Teil des andern drinnensteckt - er steckt ja, wie wir wissen, schon in Wirklichkeit drinnen -, ob es also geht, ob man nicht das Brot so teilen müsste, dass man zu dem einen Teil das Mehl, zu dem anderen das Wasser macht. Dann sind aber beide Teile kein Brot mehr. So würde es sich aber verhalten, wenn man richtig teilt: wenn man der Naturwissenschaft das gibt, was sie wirklich brauchen kann, so ist das nicht ein richtiger Mensch, sondern ein Abstraktum, wie das Mehl kein Brot ist. Aber solches zu durchschauen, dazu ist das heutige zeitgemäße Denken wahrhaftig wenig geeignet. Und so sehen wir denn, wie mit Emphase zum Beispiel folgendes verkündet werden kann in unserer Zeit. Es wird ausgeführt, indem über das naturalistische Lebensprinzip gesprochen wird, dass der Naturwissenschaft der Mensch der Natur übergeben werden soll, weil er der Naturwissenschaft gehört, und die Theologie soll sich den Menschen der Freiheit behalten. Und nun wird gesagt, wie es sich denn verhält mit diesem Menschen als Natur. Da finden wir denn, dass das Folgende gesagt wird: «Der Mensch, wie er uns in der Zoologie entgegentritt, der zweibeinige, aufrechtwandelnde, mit dem fein ausgebildeten Rückgrat und Gehirn ausgestattete homo sapiens, ist ebenso gut wie irgend ein anderes organisches oder anorganisches Gebilde Bestandteil der Natur, ist aus derselben Masse, denselben Energien, denselben Atomen zusammengesetzt, von derselben Kraft durchwirkt und durch waltet; jedenfalls ist das ganze körperliche Leben des Menschen, mag es noch so verwickelt sein, in seiner ganzen Zusammensetzung naturwissenschaftlich bestimmt, gesetzmäßig geordnet wie alles andere lebendige und unlebendige Wesen der Natur. Es besteht insoweit gar kein Unterschied zwischen dem Menschen und einer Qualle, einem Wassertropfen oder einem Sandkorn.» So spricht ein Theologe, indem er die Menschen der heutigen Zeit aufklärt. Aber der Mensch hat Empfindung. Nun ist es unangenehm, mit diesen heutigen Naturwissenschaftern anzubinden, denn das ist schon eklig: sie entdecken Empfindungen sogar im Unlebendigen. Da gibt man ihnen schon lieber nach, und deshalb sagt man als Theologe auch das Folgende: «Die seelischen Funktionen, welche der naturwissenschaftlichen Betrachtungsweise zugänglich sind, unterliegen einer ebenso strengen Gesetzmäßigkeit wie die körperlichen Vorgänge; und die Empfindungen, die wir haben, sowie die Vorstellungen, die wir bilden, sind uns durch die Natur ebenso gut aufgezwungen wie die Nervenprozesse, die zu Lust-und Unlustempfindungen führen. Sie sind ebenso gut mechanische Vorgänge wie die einer Dampfmaschine.» Das sind theologische Vorträge, meine lieben Freunde, theologische Vorträge! Nun behält sich der Mann nämlich den Menschen der Freiheit! Sie sehen, den Menschen der Natur gibt er gutwillig ab. Er behält sich den Menschen der Freiheit. Was wird nun, nachdem er geteilt hat mit den Naturforschern? Das können wir aus folgenden Sätzen schon des ersten Vortrages ersehen, was nun wird, denn er sagt: «Der Mensch als Natur» - also der, den er der Naturforschung gegeben hat - «verliert als Naturbestandteil seine Selbständigkeit und Freiheit; alles, was er erlebt, erleidet er, muss er durchaus nach dem Gesetz der Natur erleiden.» Also indem er den Naturforschern den Menschen der Natur gibt, verliert der Mensch die Freiheit. Er behält sich den Menschen der Freiheit; aber die hat er gar nicht mehr, denn indem er den Menschen der Natur den Naturforschern gibt, verliert er die Freiheit. Er behält also nichts mehr zurück in Wirklichkeit. So hat der gute Theologe, der nun zwölf theologische Vorlesungen hält, gar nichts, worüber er redet. Das merkt man auch am Schluss sehr gut, denn er hat nichts anderes als einen mit ungeheurem Pomp vorgebrachten Wortschwall. Den Menschen der Natur hat er abgegeben an die Naturforschung; den Menschen der Freiheit hat er sich zwar behalten, aber nur dem Namen nach, denn der Mensch der Natur verliert nämlich seine Freiheit. Er verliert sie auch redlich, wenn der Naturforscher über ihn kommt. Nun ist das ein Mensch, der es durchaus ehrlich meint. Man kann ja wirklich sagen, so wie es in der berühmten Rede von Shakespeare heißt: Brutus ist ein ehrenwerter Mann; ehrenwerte Männer sind sie alle! - Warum sollte man denn ihnen das nicht zugestehen? Aber auf einer sonderbaren Gesinnung kann man doch solche Leute ertappen. Warum ist er denn eigentlich, da er doch Theologe sein will, gar so freigiebig, dass er alle Objekte einer Betrachtung des Menschlichen abgibt? Ja, das verrät er in einer sonderbaren Weise. Da sagt er nämlich: «Man muss sogar noch weitergehen. Diese naturgesetzliche Bestimmtheit des Menschen betrifft nicht nur seine körperlichen, sondern auch seine seelischen Funktionen. Das war es immer, was wir Theologen nicht zugeben wollten, weil wir den naturwissenschaftlichen Seelenbegriff mit dem theologischen verwechselten und unangenehme Folgen daraus für den Glauben befürchteten.» Er ist nun endlich so weit, dass er nicht mehr unangenehme Folgen befürchtet. Aber wodurch erlangt er das? Nun, er erlangt das so: «Diese entstehen aber gerade dann, wenn man die "Wissenschaft nicht zu ihrem vollen Resultat kommen lässt; denn man verscherzt sich dann  das Zutrauen denkender Menschen.» Da haben wir ihn! Er will das Zutrauen denkender Menschen, das heißt, der wenigen, die heute denken! Und er ist auch sonst ein ehrenwerter Mann - ehrenwerte Männer sind sie ja alle - , denn er kritisiert also gewisse materialistische Auswüchse der Gegenwart. Er berichtet, was alles nicht nur an materialistischem Denken, sondern an materialistischen Lebensgestaltungen in unserer Gegenwart lebt, und er will nun endlich eine Theologie, die all dem gewachsen ist. Er zeigt, allerdings in einer merkwürdigen Weise, wie wenig er, ganz nach dem Muster der Menschen der Gegenwart, die durchaus abhängig sind nicht von der Naturwissenschaft, sondern von der naturwissenschaftlichen Denkungsweise, die vielfach herrscht, wie wenig er gewachsen ist den heranstürmenden Tatsachen weiten. Und das ist es, worauf es ankommt: dass die Leute nicht gewachsen sind den heranstürmenden Tatsachenwelten. Dasjenige, was den Menschen heute nämlich fehlt, das ist die Fähigkeit, mit den Gedanken wirklich die Summe der Tatsachen, die das Leben bietet, zu beherrschen. Die Gedanken reißen überall ab. Statt dass die Gedanken nach dem Glauben dieser Menschen in einer Linie fortlaufen, sehen wir, dass sie anknüpfen, abreißen, dann wieder anknüpfen, wieder abreißen - es reißen die Gedanken alle Augenblicke ab. So sehen wir auch hier solche abreißenden Gedanken. Da kommt er denn einmal noch auf den Menschen der Natur zurück, und sagt von diesem Menschen der Natur: «Er wird kraft einer mechanischen Notwendigkeit, kraft einer höchsten Verfügung, die er nicht versteht, in das Verhängnis dieser Erscheinungswelt hineingeboren.» Schöner Ausspruch von einem Theologen! Der Mensch wird in das Verhängnis dieser Erscheinungswelt hineingeboren, nämlich: kraft einer mechanischen Notwendigkeit, kraft einer höchsten Verfügung, die er nicht versteht. Das ist eins und dasselbe: mechanische Notwendigkeit, höchste Verfügung! Da haben Sie den Gedanken: mechanische Notwendigkeit - er reißt ab, und ein anderer Gedanke, der zwar das Gegenteil behauptet, wird als eine nähere Erklärung dieses Gedankens angeführt. Solches kann man oftmals bei unsern Zeitgenossen verfolgen im Kleinen. Man kann sie verfolgen, diese Leute, bei der völligen Unfähigkeit zum Gedankenentwickeln. Da sagt der betreffende Mann noch einmal an einer Stelle seiner Vorträge, dass der Mensch nicht sollte versucht sein, in den Menschen der Natur irgend etwas Geistiges hineinzutragen, sondern der Mensch der Natur, der muss sich eben der Natur fügen: Die kreatürliche Gebundenheit, die Daseinsschranken und so weiter, «sie sind eine Quelle von Lebenshemmungen, Leiden, Übeln, ja zuletzt des Todes. Ihnen gegenüber verweist das Christentum auf eine zukünftige Erlösung. Innerhalb des irdischen Lebens können und dürfen sie nicht abgeschüttelt werden.» Darüber lesen natürlich heute die Leute hinweg: «Können und dürfen sie nicht abgeschüttelt werden.» Wer so denkt in einem ernsten Zusammenhange, der kann schon nicht denken. Denn was heißt es denn, wenn ich sage: Ja, lieber Mann, auf den Mond hinauf kannst und darfst du nicht fliegen. - Wenn man nämlich nicht kann, so ist es schon unnötig, dass man nicht darf, und wer die beiden Begriffe zusammenstellt: «Können und dürfen sie nicht abgeschüttelt werden», der kann nicht denken, das heißt, er lebt in vollständiger Gedankenlosigkeit. Das ist aber auch ein Hauptcharakteristikon unserer Zeit, diese vollständige Gedankenlosigkeit! Doch ist der Mann ein ehrenwerter Mann, und er meint es wirklich gut in vieler Beziehung. Deshalb sagt er, dass der Materialismus sich in unserer Zeit tief eingefressen hat, und dass es anders werden muss. Nun aber scheint es, dass, indem er dies ausspricht, er schon eine heillose Angst kriegt. Sie wissen ja, er will mit den Naturforschern nicht anbinden! Und dann erst mit der ganzen Zeit anbinden! Schrecklicher Gedanke natürlich! Man sollte der Zeit sagen, sie sei beherrscht vom Materialismus, die Dinge müssten anders werden. In dem Vortrage, in dem er sich ausspricht über all die Dinge: Sportismus, Komfortismus, Mammonismus, da sagt er: Die Dinge, die bis jetzt waren, «dürfen nicht mehr Endziel sein. Es darf keinen Kaufmann mehr geben, für den der Gelderwerb Selbstzweck ist; Lebensgenuss darf nicht mehr Inhalt des Lebens werden; es darf keine Menschen mehr geben, die nur ihrer Gesundheit leben.» Also, was will man noch mehr haben! Dann aber sagt er: «Das heißt, es soll alles Bisherige getan werden, es muss aber etwas anderes dabei gedacht werden.» Nun, dann werden wir es erreichen! Dann werden wir ganz gewiss über die Schäden der Zeit hinauskommen, wenn alles so getan wird wie bisher, aber die Menschen sich nur etwas anderes dabei denken! Man darf überzeugt sein, daß diese Vorlesungen, die in einer Sammlung erscheinen, «Wissenschaft und Bildung», selbstverständlich auf allen Gebieten des Wissens Einzelnes darstellen, daß sie eine geistige Nahrung sein werden für Tausende und aber Tausende von Menschen unserer Zeit. Kann doch im Vorworte gesagt werden. «Der Inhalt dieses Büchleins besteht aus zwölf Reden, die ich im letzten Winter» - ich will die Stadt nicht nennen, darauf kommt es nicht an, es ist eine typische Erscheinung, in jeder Stadt kann so etwas stattfinden - «in . . . vor einer mehr als tausendköpfigen Zuhörerschaft gehalten habe.» So gehen heute die verkrüppelten, verkümmerten, korrumpierten Gedanken von amtlicher Stelle, von privilegierter Stelle - denn es ist einer der berühmtesten Theologen der Gegenwart, der so spricht - in die Menschen der Gegenwart hinein und leben in ihnen; was Wunder, dass derlei Dinge herauskommen, wie sie heute von den Menschen eben herauskommen! Wie wenige Menschen sind aber geneigt, die Übel der heutigen Zeit wirklich an den Wurzeln zu erfassen. Da gehen die braven Lämmer unserer Zeit an diese Dinge heran, lassen in allen Sprachen solche Dinge erscheinen, kaufen sich das und glauben, dadurch als geistige Nahrung dasjenige aufzunehmen, was die moderne Zeit hervorbrachte. Nur die äußerste Brutalität, die, wenn sie auch eine unbewußte Brutalität ist, herrührt aus einem vollständigen Mangel an Selbstbewußtsein, und die herbeigeführt wird durch einen unbewußten Missbrauch der amtlichen Macht, die führt zu diesen Dingen. Und es wäre ganz falsch, wenn man Vogel-Strauß-Politik diesen Dingen gegenüber beobachten würde. Denn dann würde man niemals mit den rechten Impulsen dasjenige aufnehmen können, was man als Geisteswissenschaft aufnehmen muss, so dass es wirken kann im Verlaufe der Kulturentwickelung unserer Zeit. Wie viele werden auch unter Ihnen sitzen, die das für übertrieben halten werden, was ich sage, und was ich durch Beispiele nur deshalb belege, weil es selbstverständlich viele geben kann, die das für eine Übertreibung halten. Es ist keine Übertreibung! Es ist etwas, was für den, der wirklich mit geschärften Blicken unsere Zeit studiert, diese Zeit allein in dem rechten Lichte erscheinen lässt und vor allen Dingen zeigt, was alles notwendig sein wird von einer gesunden Geist-Erkenntnis her, um diese Zeit einigermaßen über ihre furchtbaren Abwege hinwegzuführen. Denn neben einem solchen intellektuellen Missbrauch der Denkkraft liegt gleich die moralische Verirrung. ... Aber das ist gerade das Charakteristikon unserer Zeit, dass die Allerunberufensten sich hinstellen und Lehrer, Aufklärer des Volkes werden, und dass dies notwendigerweise verbunden sein muss mit dem Verbreiten der Unwahrheit. Der Mangel an Gedanken, der ist dasjenige, was solchen Dingen zugrunde liegt." [57] 

Es gibt natürlich nicht nur groteske Theologen oder Philosophen mit einem moralischen Defekt, sondern auch diejenigen, die im Sinne Goethes, der deutschen Klassik und Romantik lehrten wie das Beispiel «Naturlehre des menschlichen Erkennens» zeigt: "Sie kennen den Troxler schon, wenigstens die meisten von Ihnen, aus meinem letzten Buche «Vom Menschenrätsel». Dieser Troxler ist in der Schweiz geboren, war zuerst Professor in Luzern, dann in Basel und in Bern, er ist 1868 gestorben. Er ist noch nicht auf dem Standpunkt der gegenwärtigen Geisteswissenschaft, das heißt ihm fehlt die Möglichkeit, die Welten konkret vor die Menschen hinzustellen, welche Geisteswissenschaft schildern kann. Aber er ist, ich mochte sagen, auf dem Wege. Und es ist interessant zu sehen, wie auf demselben Terrain einmal anders gesprochen worden ist. Dafür nur einige Troxlersche Stellen, die ich Ihnen heute vor die Seele führe, damit Sie sehen, wie anders gesprochen worden ist auf demselben Gebiete. Ich möchte vorher sagen, daß allerdings Troxler noch keine Geisteswissenschaft hat, daß er aber Begriffe aufstellt zunächst wie Hypothesen, welche vielleicht nicht genau, aber doch im wesentlichen wiederzufinden sind, wenn man sie vom Standpunkte der Geisteswissenschaft aus betrachtet. Da reden wir ja von dem physischen Leib, von dem ätherischen Leib, von dem astralischen Leib und von dem Ich. Diese vier Begriffe decken sich ungefähr, wenn auch Troxler keine Anschauung hat, mit dem, was er nennt den Körper im Menschen, den Leib, die Seele und den Geist. In vier Teile gliedert er den Menschen: in Körper, Leib, Seele und Geist, und er tadelt es an den Philosophen, die vor ihm gewirkt haben, scharf, dass sie es nicht dazu brachten, einzusehen, dass es ein Unsinn ist, zu sagen, der Mensch besteht aus Geist und Körper, sondern dass man den Menschen nur versteht, wenn man ihn als dieses viergliedrige System ansieht: Leib und Seele als das Innerliche, Körper als das Äußerliche, Untere, Geist als das Obere. Und wie gesagt, wenn auch Troxler nicht bis zur Geisteswissenschaft vorgerückt ist, so brachte er es doch dahin - durch eine Gemütserkenntnis brachte er es dahin -, den Menschen im hohen Grade zu erkennen. Und von diesem Gesichtspunkte aus sagt der Mann zum Beispiel das Folgende. Mit Bezug auf frühere Philosophen, die eben alles durcheinandergeworfen haben im Menschen, sagt er: «Überhaupt tadeln wir nur an diesem, sowie an allen vorerwähnten Philosophen und Theologen, daß sie ihre Anthroposophie vielmehr aus Reflexion und Spekulation, oder Autorität und Dogmatik, als aus ihrem Urbewußtsein, oder dem eigenen in Religion vollendeten Geiste geschöpft haben. Nur die ursprüngliche und unmittelbare Erkenntnis des Göttlichen in seiner Natur führt den Menschen zur Selbsterkenntnis seiner wesenhaften Persönlichkeit und lebendigen Spontaneität, wofür bis jetzt nur einzelne abgeleitete und mittelbare Werke und Formen von untergeordneten und einseitigen Arten und Graden des Bewußtseins angesehen worden sind.» Er sagt weiter: «Die Theosophen sind zwar unter sich so wenig einig als die Philosophen. So z.B. stellt sich Daumer in folgender, wie mir scheint, sehr richtigen und unserer Ansicht sich annähernden Bemerkung, sowohl Böhme, als Schelling und Baader, entgegen. Er sagt Seite 39: Es ist zu bemerken, dass bei Böhme, wie bei Schelling, jene Verwechselung des entäußerten Gottes (des Ungrundes) mit dem Voraussetzungslosen in Gott, und der Irrtum herrscht, als habe sich Gott durch den Grund selbst gefunden und erforscht.» Also die Verwechselung eben wiederum dieser Dinge, um die es sich hier handelt. «Hier ist wohl auch die Art zu erwähnen, wie die Mystik meistens den Menschen in Gott, so wie die Philosophie Gott im Menschen verlierend, dies Urverhältnis der menschlichen Natur, das anthroposophisch zu ergründen der Mensch sich begnügen soll, in theosophischen Spekulationen von sich auf Gott selbst übertragen hat» und so weiter. Das war das intensivste Bestreben dieses Troxler gerade auf dem Gebiete, auf das ich hingedeutet habe: nach einer Anthroposophie hinzuarbeiten. Man möchte sagen, wie eine Art Vorbote erscheint ja Troxler gerade auf diesem Gebiete." [58] 
 

13. Kosmische und menschliche Geschichte III - I; Goethe als eine Art Waldorfschüler; Straßburg, Herder, Spinoza, Shakespeare; Goethe als Doktor der Jurisprudenz; «Götz von Berlichingen», Jugendroman «Die Leiden des jungen Werthers»; Goethe als Minister für das Herzogtum Sachsen-Weimar; «Faust», «Iphigenie», «Tasso», «Italienischen Reise»; Goethes Krankheit und sein spirituelles Weltsystem, Urbild der «Schönen Seele» im «Wilhelm Meister», sein Freund Jerusalern als «Werther»; «Faust I», Goethes Naturanschauung, Goethe musste selbst erst in Rom verjüngt werden, daher ist die Verjüngungsszene der «Hexenküche» in Rom geschrieben; auch die Szene «Wald und Höhle», «Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles», sind in Rom geschrieben worden


Da Goethes Weltanschauung für die heutige Zeit eine echte, sachgemäße Grundlage sein kann, soll hier Goethes Leben und Werk näher beleuchtet werden; so wurde er z.B. nicht in frühen Lebensjahren in irgendeine für Kinder ungeeignete Schule geschleppt, wie das heute üblich ist, sondern er konnte sozusagen waldorfmäßig erzogen werden mit Klavierunterricht usw., es sollte eben nicht nur der Kopf sondern der ganze Menschenleib, der bis in die Fingerspitzen hinein durchgeistigte Menschenleib zu der Außenwelt in Beziehung treten: "Und mehr als den Menschen in unserer Zeit war es Goethe möglich, in seiner Zeit aufzuwachsen, unbeirrt von jenen Störungen, die sich in unserer Zeit ja viel mehr einstellen als eben in der damaligen Zeit, von jenen Störungen, die sich einstellen dadurch, dass der Mensch in verhältnismäßig frühen Lebensjahren in die Schule geschleppt wird. Goethe wurde nicht in die Schule geschleppt, sondern konnte sich frei im Elternhause entwickeln und entwickelte sich auch unter dem Einflüsse des strengen, nie derben Vaters, unter dem Einfluss der poetisch veranlagten Mutter in außerordentlich freier Weise. Und er entwickelte sich so, dass er in späteren Jahren wirklich mit inniger Befriedigung an diese seine Knabenjahre, Kinderjahre, zurückdenken konnte, denn er entwickelte sich in reinem Menschentum. Manche Dinge, die man heute, nur mit einem etwas pedantischen Humor ausgestattet, in Goethes Lebensbeschreibung «Dichtung und Wahrheit» liest, haben doch eine viel größere Bedeutung, als man vielleicht denkt. Wenn Goethe selbst erzählt, wie er den Klavierunterricht absolviert hat, so ist es durchaus auf tiefe menschliche Zusammenhänge hinweisend, dass da, ich möchte sagen, wie vor dem Auge mythologisch sich abspielend, die verschiedenen Finger der Hand zu beseelten selbständigen Gestalten werden, zu Däumerling, zu Deuterling die Finger werden, und dieser Däumerling und Deuterling, ich möchte sagen, ohne Sentimentalität gewisse mystische Beziehungen zu den Tönen gewinnen. Es bezeugt das, wie Goethe als ganzer Mensch hineingeführt werden sollte ins Leben. Nicht sollte einseitig bloß ein Stück dieses Menschen, wie es so häufig geschieht, nämlich der Kopf eingeführt werden in das Menschenleben, und dann, wenn man den Kopf unterstützen will, noch der übrige Leib durch allerlei Turnerisches oder Sportliches, sondern es sollte der durchgeistigte Menschenleib, der bis in die Fingerspitzen hinein durchgeistigte Menschenleib zu der Außenwelt in Beziehung treten. Dazu müssen wir nun rechnen die durchaus vom Anfange an scharfe Individualität zeigende Anlage und Natur Goethes. Alles deutet auf eine bestimmte Wegrichtung des Lebens von frühester Jugend an hin. Er ist ebenso geneigt, wie er so heranwächst, hingebungsvoll zu folgen den anmutigen, anregenden Märchen und sonstigen Erzählungen der Mutter und dadurch schon als Knabe seine Phantasie in ein lebendiges Spiel zu bringen, wie er geneigt ist, sich, wenn es geht, auch den Blicken der Mutter und namentlich des strengen Vaters zu entziehen, sich in die engen Gassen zu schleichen und da nicht nur allerlei Verhältnisse früh zu beobachten, sondern sich sogar in allerlei Verhältnisse früh zu verstricken, wodurch er mancherlei, was sich ablagert auf das menschliche Karma, in lebendigem Empfinden und lebendigem Fühlen früh durchmacht. Der Vater ist ein strenger Mann, der, man möchte sagen, mit einer gewissen Selbstverständlichkeit den Knaben hinlenkt zu dem,was nach damaliger Anschauung allein dem Menschen Halt und Richtung geben kann im Leben. Der Vater ist Jurist, in romanischen Anschauungen aufgewachsen, von romanischen Anschauungen durchdrungen, durchdringt auch das Knabengemüt mit den juristisch-romanischen Anschauungen. Dabei aber entzündet sich schon in der Knabenseele früh aus dem Anblicke der Bilder, die Römisches darstellen, Roms Kunstwerke und Kunstschätze, ein gewisser Drang nach demjenigen, was innerhalb der römischen Kultur geschaffen worden ist. Alles geht darauf hinaus, Goethe in einer ganz bestimmten Art in das Leben seiner Zeit hereinzustellen. Dadurch wird er, ich möchte sagen, im 3. bis 4. Jahrhundert der fünften nachatlantischen Periode eine Persönlichkeit, die alle Impulse der aufgehenden fünften nachatlantischen Periode in sich trägt. Er wird gewissermaßen früh eine auf sich selbst gestellte, aus sich heraus lebende Persönlichkeit: nichts von dem, was den Menschen verbindet in starrer, pedantischer Weise mit gewissen Formen, die sich ihm aufdrängen aus diesen oder jenen sozialen Verhältnissen heraus. Er lernt die sozialen Verhältnisse so kennen, dass sie ihn berühren, aber er wird nicht zusammengeschmiedet mit ihnen. Er bewahrt sich immer gewissermaßen einen Isolierschemel, auf dem er steht und von dem aus er zu allem ein Verhältnis gewinnen kann, aber mit nichts so zusammenwächst, wie viele Menschen von frühester Zeit an mit den umliegenden Verhältnissen zusammenwachsen. Gewiss, das alles ist Folge eines besonders günstigen Karmas. Aber wenn wir in einer objektiven Weise dieses Karma betrachten, werden sich uns wichtige karmische Fragen und Probleme überhaupt lösen können." [59]

Goethe erreicht die Universität Leipzig nicht zermartert und zerfasert von den Anstrengungen, die Jugendliche heute durchmachen müssen, um das Abitur zu absolvieren; Gottsched, Lessing; Straßburg, Herder, Spinoza, Shakespeare, Corneille, Racine: "Dann wird Goethe, nachdem er von seinem Vater in die Juristerei eingeführt worden war, auf die Universität Leipzig versetzt. Er tritt 1765, also in verhältnismäßig früher Zeit, in das Leben an der Universität Leipzig ein. Man darf nicht vergessen, wie er in dieses Leben der Universität Leipzig eintritt: nicht zermartert und zerfasert von denjenigen Anstrengungen, welche junge Menschen in unserer Zeit bis in ein weit späteres Lebensjahr hinein durchmachen müssen, um das Abiturium zu absolvieren, und dann, zermartert und zerfasert nach absolviertem Abiturium, mit der Sehnsucht, hinwegzufegen dasjenige, was man da gelernt hat, wenigstens bis zu einem hohen Grade hinwegzufegen, an das Hochschulstudium heranzutreten, um nun einmal das Leben zu genießen. Er war nicht an die Universität Leipzig gekommen, um durchaus bloß zu schwänzen - für diejenigen, denen die deutsche Sprache nicht ganz geläufig ist, bemerke ich, dass «schwänzen» heißt: nicht in-die Vorlesungen gehen, sondern während der Zeit der Vorlesungen etwas anderes treiben - , aber er hat dann doch dieses Schwänzen in reichlichem Maße getrieben. Er trat ja, indem er in das Leben, in das hohe wissenschaftliche Leben, in das berühmte wissenschaftliche Leben der Universität Leipzig eintrat, ein in Kreise, welche ihm eine tiefe Sehnsucht erwecken mussten, solange er von ihnen hörte. Er hatte ja gehört: An der Universität Leipzig wirkt vor allen Dingen der große Gottsched, jener große Gottsched, welcher die Bildung der damaligen Zeit in seinem Haupte verschloss und in zahlreichen Kanälen schriftlicher und mündlicher Art in das damalige Dasein derjenigen einfließen ließ, die mit Leipzigs Kultur zusammenhingen. Lebte nun zwar noch neben Gottscheds Einfluss Lessings großer Impuls in Leipzig, so war es doch für Goethe zunächst so, dass er sich zu denken hatte, er werde durch Gottscheds erhabene Gestalt eingeführt werden in den ganzen Umkreis der damaligen Weisheit, werde da zusammengefasst studieren können Juristerei und Philosophie und auch dasjenige, was dem Weltmenschen von der Theologie, von der Gelehrsamkeit über die überirdischen Dinge wird. Es war allerdings eine kleine Enttäuschung, die sich für Goethe, der nun schon einmal einen gewissen Sinn für Ästhetik hatte, ergab, als er seinen ersten Besuch bei Gottsched machte. Er kam vor Gottscheds Türe an; der Diener - ich weiß nicht, ob er schon dazumal irgend etwas fühlte von dem, was in Goethe lebte - , er ließ, ohne in der nötigen Weise sich Zeit zu gönnen, Gottsched den Goethe-Besuch in der richtigen Weise zu melden, Goethe so ohne weiteres zu Gottsched hinein, so dass Goethe Gottsched traf, den großen Mann, als dieser - ja, seine Perücke nicht auf hatte, sondern in dem Glatzkopf da war. Das war für einen Gelehrten der damaligen Zeit - wir stehen im Jahre 1765! - etwas ganz Furchtbares. Und nun musste Goethe, der ja eindrucksvoll für solche Dinge war, anschauen, wie Gottsched dann mit einer graziösen Wendung schnell seine Perücke fasste und sich über den Glatzköpf stülpte, aber mit der anderen Hand seinem Diener eine gewaltige Ohrfeige versetzte. So war Goethe denn doch ein wenig abgekühlt. Er wurde dann noch mehr abgekühlt dadurch, dass Gottscheds Art wenig dem entsprach, wonach er sich sehnte. Auch Gellerts moralische Vorlesungen sprachen ihm nicht von so weiten Gesichtskreisen, als er verlangte. Und so kam es, dass er sich in Leipzig bald mehr den medizinischen, naturwissenschaftlichen Vorlesungen zuwandte, von denen er gewissermaßen eine Art von Fortsetzung erlebte im Hause des Professors Ludwig, in dem er seinen Mittagstisch hatte und in dem man viel dergleichen Dinge besprach. Man kann nicht sagen, dass Goethe in Wirklichkeit in Leipzig «Philosophie, Juristerei und Medizin und leider auch Theologie durchaus studiert» habe, aber er hatte sich die Dinge angesehen und hatte vor allen Dingen viele naturwissenschaftliche Vorstellungen der damaligen Zeit schon in Leipzig aufgenommen. Dann erlebte er - und solche Dinge müssen für denjenigen, der das Menschenleben geisteswissenschaftlich betrachtet, durchaus berücksichtigt werden -, nachdem er sich in mancherlei Wissenschaften herumgetrieben hatte, nachdem er auch mancherlei vom Leben gesehen hatte, auch in mancherlei Lebensaffären hineinverwickelt worden war, eine Todkrankheit. Er schaute dem Tod ins Angesicht. Man muss sich vergegenwärtigen, dass dazumal vieles durch Goethes Seele zog, während er infolge eines außerordentlich heftigen Blutsturzes, der sich mehrmals wiederholte, wirklich dem Tod gegenüberstand. Er war nun schwach, musste nach Hause und konnte erst nach einiger Zeit seine Universitätsstudien fortsetzen. Das tat er nun in Straßburg. Und in Straßburg trat er in die Kreise einer sehr bedeutenden Persönlichkeit, die ihm außerordentlich viel sein konnte. Nun muss man, um zu beurteilen, mit welchen Gefühlen Goethe gerade dieser Persönlichkeit entgegentrat, in Betracht ziehen, dass Goethe, als er unter dem Eindrucke jener innersten Seelenerlebnisse, die er dem Tode gegenüber in Leipzig durchgemacht hatte, nach Frankfurt zurückgekommen war, schon angefangen hatte, durch mancherlei menschliche Zusammenhänge, in die er da gekommen war, sich zu vertiefen in mystisches Erleben und mystisches Auffassen der Welt. Schon dazumal vertiefte er sich in mystisch- okkulte Schriften, versuchte sich in seiner Art, noch jugendlich, ein Weltensystem, ein Weltanschauungssystem zusammenzustellen, welches von mystischen, man könnte sagen, mystisch-kabbalistischen Gesichtspunkten ausging. Er versuchte wirklich dazumal schon so etwas wie: zu erkennen, «was die Welt im Innersten zusammenhält», versuchte auf sich wirken zu lassen «alle Wirkenskraft und Samen», und wollte nicht, wie er das in Leipzig hat mitansehen müssen, «in Worten kramen». Da kam er nun nach Straßburg, wo er ja insbesondere wiederum naturwissenschaftliche Vorlesungen hören konnte, denen er sich auch zunächst zuwandte. Die Juristerei, die besonders seinem Vater - weniger ihm selbst - stark am Herzen lag, nun, über die dachte er: Das wird sich auf irgendeine Weise schon finden.- Aber er hatte den Drang, die Gesetzmäßigkeit der Natur kennenzulernen. Da trat er einmal, als er über eine Treppe hinaufging in Straßburg, einer Persönlichkeit entgegen, die durch ihr Äußeres und ein durch das geistvolle Antlitz blikkendes Inneres auf ihn sogleich, augenblicklich einen ungeheuren Eindruck machte. Das Äußere: Nun, es kam ein Mann, der allerdings einen gewissen priesterlichen Eindruck machte, der aber den langen Mantel so trug, dass er die langen Schleifen hinten in die Taschen hineingesteckt hatte, merkwürdigerweise, aber der einen glanzvollen Eindruck auf Goethe machte. Es war Herder. Und nun lebte er sich ein auf der einen Seite in all dasjenige, was dazumal in Herder brauste. In Herder lebte dazumal außerordentlich viel. Man möchte sagen: Herder trug in sich eine ganz neue Weltanschauung. Was im Grunde genommen noch nie in der Art unternommen worden war, Herder trug es geistvoll in sich: zu verfolgen die Welterscheinungen von dem Einfachsten herauf, von dem einfachsten Unlebendigen, durch das Pflanzen-, das Tierreich bis herauf zum Menschen, bis zu der Geschichte und bis zu der göttlichen Weltenregierung in der Geschichte. Ein großes, umfassendes Weltanschauungsbild lebte dazumal schon in Herder. Und Herder sprach mit Begeisterung, aber auch, wo es sich darum handelte, mit Empörung gegen all das hergebrachte Zopfliche, von seinen neuen Ideen. Und an vielen Gesprächen Herders konnte sich Goethe erwärmen. Dass alles in der Welt in Entwickelung ist und dass ein geistiger Weltenplan alle Entwickelung trägt: in solchem Zusammenhange, wie es Herder dazumal sah, hatte man es noch nie gesehen. Aber Herder hatte ja all das noch nicht geschrieben; es war ja alles im "Werden. Und Goethe empfing es im Werden und nahm teil an dem Streben, Sinnen, Kämpfen Herders. Man möchte sagen: Vom Staubkorn angefangen, durch alle Reiche der Natur bis zum Gott hinauf wollte Herder die Entwickelung der Welt verfolgen, wie er es dann in so großem, umfassendem Stile getan hat, soweit es in der damaligen Zeit notwendig war, in dem unvergleichlich großen Werke «Ideen zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit ». Da sehen wir wirklich, wie in diesem Geiste Herders zusammengefasst wird alles, was bekannt war an Tatsachen des Natur- und Menschenreiches in der damaligen Zeit. Aber es wurde alles das zusammengefaßt zu einer vom Geiste durchdrungenen Weltanschauung. Daneben wirkte nach aus Herders Geist in Goethe hinein dasjenige, was Spinoza in die neuere Weltanschauungsentwickelung hineingebracht hat. Und die Hinneigung, die Goethe sich sein Leben lang für Spinoza bewahrte, sie keimte dazumal in Straßburg durch Herder auf. Außerdem war Herder, was in der damaligen Zeit noch unerhört war, ein begeisterter Verehrer Shakespeares. Man muss sich nur denken, wie diese eigentümliche Seelenpolarität zwischen Goethe und Herder wirken musste, da Goethe kam, erfüllt mit der Sehnsucht zu schauen alles dasjenige, was ihm die zeitgenössische Bildung nicht geben konnte, wie er in Herder gewissermaßen einen revolutionären, gegen diese Zeitbildung anstürmenden Geist allerersten Ranges fand. Goethe hatte bis dahin verehren gelernt jene Formkunst, welche in Corneille, in Racine lebt, hatte dies alles aufgenommen, wie ein Mensch Dinge aufnimmt, von denen er hört, dass sie das Bedeutendste in der Welt sind. Aber all das hatte er doch aufgenommen mit einer inneren Empörung. Und wie ein Labsal wirkte es auf seine Seele, als er durch Herder in Shakespeare eingeführt wurde, in den Dichter, der frei war von allem Formalen, der Gestalten schuf aus der unmittelbar menschlichen Individualität heraus, der nichts von dem hatte, was Goethe so hoch verehren gelernt hatte: Einheit der Zeit, Einheit des Ortes, der Handlung - sondern der Menschen hingestellt hatte. Und man möchte sagen: Auf den Namen
Shakespeare getauft, lebte sich in Goethes Seele ein eine innere kulturrevolutionäre Gesinnung, die man etwa so aussprechen kann, dass man sagt: Ich will den Menschen kennenlernen, nicht wie der Mensch in formale Regeln und formale Gesetze in den Weltzusammenhang eingespannt wird, nicht das Netz von Einheiten der Situation, der Zeit, des Ortes, der Handlung, sondern den Menschen will ich fassen. Dabei ergab sich für ihn die Möglichkeit, Menschen kennen zu lernen dazumal in Straßburg, welche versuchten, auch in die tieferen, intimeren Seiten des menschlichen Seelenerlebens hineinzublicken, wie den wunderbaren Jung-Stilling, der die okkulten Seiten des menschlichen Seelenlebens studierte und in so ausführlicher Weise zu beschreiben wußte. Ist doch Jung-Stillings Lebensgeschichte, ist doch Jung- Stillings Beschreibung desjenigen, was er den «grauen Mann» nennt, der im Unterirdischen der Erde waltet, etwas, was zum Schönsten gehört in bezug auf Beschreibungen okkulter Verhältnisse. Man möchte sagen: In dasjenige,was das Natur- und Geschichtsleben, was das ästhetische Leben trägt, wurde Goethe durch Herder eingeführt, durch Jung- Stilling in die okkulten Seiten des Menschenlebens, welche ihm schon nähergetreten waren in Frankfurt durch ein eingehenderes Studium Swedenborgs. Das alles brauste in Goethes Seele mit demjenigen zusammen, was ihm an Naturgesetzen überliefert wurde, während er die naturwissenschaftlichen Vorlesungen in Straßburg hörte. Und da gingen ihm denn auf die großen Fragen und großen Probleme des menschlichen Lebens. Er hatte tief hineingeschaut in dasjenige, was man erkennen und wollen kann, hatte tief hineingeschaut in Zusammenhänge, die die menschliche Seelennatur mit der Allnatur hat. Paracelsus hatte er auch kennengelernt im Zusammenhang mit all dem, schon in Frankfurt. Und so lebte sich ihm neben dem, was er sonst in Straßburg erlebte, diese Sehnsucht, zu schauen «alle Wirkenskraft und Samen», gerade in Straßburg in besonders tief er Weise ein. Man darf sich nicht vorstellen, dass Goethe in Straßburg seine Zeit nur vertändelt hat, indem er, was ich wahrhaftig nicht allzu gering anschlagen will, nach dem Pfarrhaus in Sesenheim oftmals gewandert ist. Goethe konnte eben durchaus vereinigen das Leben im Tiefsten des Menschenwollens und Menschenerkennens, und das Leben im Zusammenhange mit allem unmittelbar Menschlich-Alltäglichen, mit jedem menschlichen Schicksal." [60]

Goethe als Doktor der Jurisprudenz; «Götz von Berlichingen»: "Dann wurde er, nachdem er seine Thesen verteidigt hatte, eine Art Doktor der Jurisprudenz in Straßburg, Lizentiat und Doktor der Jurisprudenz. Damit hatte er seinen Vater auch befriedigt und konnte nun heimziehen. Die Advokatenpraxis beginnt. Es war allerdings eine merkwürdige Disharmonie in der Seele dieses Menschen, der nun beim Reichskammergericht in Wetzlar über Akten studieren sollte, die oftmals - wörtlich, nicht symbolisch - jahrhundertealt waren. Denn da schleppten sich «Gesetz und Rechte wie eine ew'ge Krankheit fort». Aber man konnte ja in späterer Zeit an anderen Orten noch manches in dieser Richtung erleben. Sehen Sie, in einem Orte, in dem ich aufwuchs - gestatten Sie, dass ich das einfüge - , konnte ich doch auch folgendes erleben: Es war in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts, da hörten wir einmal - ich war ein Bube - , dass ein Mann eingesperrt werden sollte. In den siebziger Jahren! Es war ein angesehener Mann des dortigen Ortes, der ein für den dortigen Ort ziemlich großes Geschäft hatte. Er wurde eingesperrt, anderthalb Jahre, glaube ich, weil er nämlich im Jahre 1848 bei der Revolution Steine geworfen hat auf ein Gasthaus! Der Prozess hatte wirklich vom Jahre 1848, wo der Mann als junger Bub Steine geworfen hat auf ein Gasthaus, bis in sein spätes Alter gedauert, und er wurde, so um 1873, eingesperrt auf eineinhalb Jahre. Es war immerhin vielleicht dazumal schon nicht mehr so schlimm wie in der Zeit, in der Goethe die Akten beim Reichskammergericht studiert hat, aber es war noch immer schlimm genug. Dem Vater aber machte das Freude, und er beteiligte sich in mancherlei Weise ratend und hilfeleistend bei den Problemen, die da Goethe über den verstaubten Akten zu lösen hatte. Aber man darf nicht glauben, dass sich Goethe als Advokat ungeschickt benommen hätte. Das war ganz und gar nicht der Fall. Goethe stellte schon durchaus seinen Mann auch als Advokat, und Goethe gibt keine Veranlassung dazu, immer wieder und wieder zu betonen, dass ein großer, in den Idealen lebender Geist ungeschickt sein muss im Leben. Goethe war als Advokat durchaus nicht ungeschickt. Und wenn etwa heute so mancher Advokat auf seine Tätigkeit hinweist und dann bemerklich macht, dass er ja eben neben seiner ausgebreiteten Tätigkeit keine Zeit hat, Goethe zu lesen, so darf schon darauf hingewiesen werden, dass Goethe selbst ganz gewiss ein ebenso guter Advokat war - das lässt sich heute noch dokumentarisch belegen, wie manches also auf seine Arbeit Hinweisende -, nur dass Goethe neben dem, dass er so praktisch war, wie die Praktiker nur sein können, dazumal noch in seiner Seele bereits trug den «Götz von Berlichingen», ja, in seiner Seele trug die Idee, die in ihm schon in Frankfurt aufgetaucht war aus seinen naturwissenschaftlichen Studien heraus, aus seiner Bekanntschaft mit Herder, mit Jung-Stilling: die Idee zu seinem «Faust». Götz von Berlichingen - Gottfried von Berlichingen -, er bezeugt sogleich, indem ihn Goethe zum Kunstwerk gestaltet, wie die Art Goethes eigentlich ist. Es tritt mit der Art Goethes etwas Neues in das geistige Schaffen der Menschheit ein. Man kann Goethe als Künstler, als Dichter nicht vergleichen mit Dante, nicht vergleichen mit Homer, nicht vergleichen mit Shakespeare. Er steht dem dichterischen Schaffen in einer anderen Art gegenüber, und das hangt im wesentlichen zusammen mit der Art wiederum, wie Goethe in seiner ganzen Zeit als Erscheinung darinnensteht. Diese Zeit, wie sie sich in der unmittelbaren Umgebung Goethes, in der weiteren Umgebung Goethes auslebte, die ließ einen solchen Geist, wie Goethe es war, nicht ganz mit sich zusammenwachsen. Ein staatliches Leben um sich herum, wie man es heute für selbstverständlich hält, das gab es für Goethe nicht. Er lebte ja in einem Gebiete, wo sich in einem hohen Grade individuell einzelne Territorien gestaltet hatten. Wie das der Fall war, darauf kommt es weniger an, aber er lebte in keinem Großstaat, er lebte so, dass nicht irgendeine überspannende Konformität sich ausgoss über das Gebiet, aus dem er herauswuchs. Das Leben hatte keine festen Formen um ihn herum. Und so konnte er es überall im engsten Kreise anfassen und im engsten Kreise das Universelle auf sich wirken lassen. Und das ist das Eigentümliche. So kam ihm ein Buch in die Hand, das ein schlecht geschriebenes Buch ist, ein recht schlecht geschriebenes Buch, das ihn aber in außerordentlichem Maße interessierte; das ist die «Selbstbiographie Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand», jener eigentümlichen Gestalt aus dem 16. Jahrhundert, die an so vielen Ereignissen des 16. Jahrhunderts teilgenommen hat, die aber in einer merkwürdigen Weise an diesen Ereignissen des 16. Jahrhunderts teilgenommen hat. Wenn man diese Lebensgeschichte des Gottfried vonBerlichingen liest, so sieht man, wie er unter Kaiser Maximilian, unter Kaiser Karl dem Fünften, mit allen möglichen anderen Leuten in Zusammenhang kam, an allen möglichen Händeln und Kämpfen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts teilgenommen hat, aber immer" so, dass man eigentlich sieht: da nimmt er teil einmal an diesem Ereignisse, steht ganz drinnen, lebt sich da aus. Dann steht er in einem anderen Ereignisse in einem ganz anderen Charakter drinnen, wird wiederum hineingezogen, kämpft für die verschiedensten Interessen, wird später gefangen genommen. Nachdem er einen Eid geleistet hat, sich an den Händeln nicht mehr weiter zu beteiligen und ruhig auf seinem Schloss gelassen wird im mittleren Süddeutschland, wird er in die Bauernbewegung hineinverwickelt, als sich die Bauern im Kampfe für die Freiheit erheben. Alles aber so, dass man bei Gottfried von Berlichingen nirgends sieht, dass er gezogen wird von den Ereignissen, sondern überall sieht man: Dasjenige, was zusammenhält die disparaten Dinge, das ist eigentlich die Persönlichkeit, der Charakter des Gottfried von Berlichingen selber. Man kann sagen: Wenn man eben die Lebensgeschichte des Gottfried von Berlichingen liest, so sind einem zuletzt alle die Ereignisse, die er da durchmacht, in die er verwickelt ist, ich will nicht sagen so, dass sie einem zum Halse herauswachsen vor Langeweile: sie interessieren einen aber wirklich nicht, die einzelnen Händel, die einzelnen Kämpfe, die er, Gottfried von Berlichingen, durchmacht. Aber trotz aller Langeweile gegenüber den Ereignissen, die er durchmacht, hat man immer Interesse an der charakterstarken und charakter-inhaltsvollen Persönlichkeit. Das war es aber gerade, was Goethe anzog an der Figur des Gottfried von Berlichingen. Und so konnte er, was ihm niemals auf eine andere Art möglich gewesen wäre, den Gehalt, das Streben und Leben des 16. Jahrhunderts in einer Persönlichkeit konzentriert sehen. Das brauchte er. Das war für ihn: Geschichte in die Hand zu nehmen  und kennenzulernen. Wie der oder jener Historiker «mit trefflichen pragmatischen Maximen», nachdem er Rumpelkammern durchsucht und Kehrichtfässer umgeworfen hatte, einzelne historische Perioden zusammengekoppelt hätte, das wäre sicherlich nicht nach Goethes Geschmack gewesen. Aber einen Menschen in seiner Zeit lebendig drinnenstehen zu sehen und in einer Menschenseele sich spiegeln zu sehen dasjenige, was einen sonst nicht interessiert, das war etwas für Goethe. Da nahm er denn diese, ja, man möchte sagen, langweilige, schlecht geschriebene Selbstbiographie des Gottfried von Berlichingen her, las sie und gestaltete sie eigentlich merkwürdig wenig um. Daher hat er auch die erste Fassung dieses, wenn man will, Dramas, genannt: «Geschichte Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand, dramatisiert». Er hat nicht «Drama» daraufgeschrieben, sondern nur «dramatisiert ». Er hat eigentlich nur die Geschichte Götz von Berlichingens dramatisiert, aber so dramatisiert, dass die ganze Zeit drinnen lebt, aber die Zeit in einem Menschen lebt. Und nun denken Sie, es ist die Zeit des 16. Jahrhunderts, es ist die Zeit der Morgenröte des fünften nachatlantischen Zeitraumes. Goethe sah sie an durch die Seele des Gottfried von Berlichingen, dieses dem mittleren südlichen Deutschland entwachsenen Mannes. Dazumal schon ging durch seine Seele ein Stück Leben, das historisch ist, aber angeschaut eben am wirklichen Leben, nicht an dem, was «geschichtlich» ist. Goethe wäre es ganz unmöglich gewesen in der damaligen Zeit, mit all den Menschheitsproblemen in der Seele, die ich Ihnen angedeutet habe, irgendeine Gestalt zu nehmen aus der Geschichte und nach der Geschichte sie zu dramatisieren, aber die stammelnde Selbstbiographie eines Wesens, das mit aller Menschlichkeit auf ihn wirkte, so zu dramatisieren, wie sich ihm erschlossen hatte die dramatische Kunst dadurch, dass er sich in Shakespeare eingelebt hatte: das war es, was er konnte. Damit wurde er schon in einigen Kreisen, die sich dazumal für so etwas interessierten, bekannt, denn er hatte ein Stück Vergangenheit in eine Gegenwart, in seine Gegenwart, für seine Mitwelt heraufgehoben, für diese Mitwelt, der diese Vergangenheit «ein Buch mit sieben Siegeln» war. Denn selbstverständlich wußte man in den weitesten Kreisen dazumal von dem, was sich Goethe erschloss durch die schlecht geschriebene Geschichte des Gottfried von Berlichingen aus dem 16. Jahrhundert, so wenig, wie heute mancher Pastor von dem übersinnlichen Leben weiß."

Der «Götz von Berlichingen» spielt zur Zeit der Türkenkriege. In der ersten Fassung des «Götz von Berlichingen» von 1771 wird auf dem Reichstag zu Augsburg (dritter Aufzug, erste Szene) u.a. der Kampf gegen die Türken thematisiert. Kaiser Maximilian: «Ich will eine Contribution von Geld und Mannschaft wider die Türken, das will ich, sag ich euch, und keiner unterstehe sich darwider zu reden.» Mainz: «Ew. Majestät verlangen einen Türkenzug. Und so lang ich hier sitze, erinner ich mich keinen, der nein gesagt hätte. Waren nicht alle willig, alle! ... Auf, meine Freunde. Auf gegen die Feinde des Reichs und der Christenheit.»  Im dritten Akt der letzten Fassung trauert Götz der guten alten Zeit nach und ist bereit «wie Cherubim mit flammenden Schwertern» die Grenzen des Reichs vor den den Türken zu schützen: «Hab ich nicht unter den Fürsten treffliche Menschen gekannt, und sollte das Geschlecht ausgestorben sein? Gute Menschen, die in sich und ihren Untertanen glücklich waren; die einen edeln freien Nachbar neben sich leiden konnten, und ihn weder fürchteten noch beneideten; denen das Herz aufging, wenn sie viel ihresgleichen bei sich zu Tisch sahen, und nicht erst die Ritter zu Hofschranzen umzuschaffen brauchten, um mit ihnen zu leben. ... Wollte Gott, es gäbe keine unruhigen Köpfe in Deutschland! Wir würden noch immer zu tun genug finden. Wir wollten die Gebirge von Wölfen säubern, wollten unserm ruhig ackernden Nachbar einen Braten aus dem Wald holen, und dafür die Suppe mit ihm essen. Wär uns das nicht gut genug, wir wollten uns mit unsern Brüdern, wie Cherubim mit flammenden Schwertern, vor die Grenzen des Reichs gegen die Wölfe, die Türken ... lagern und zugleich unsers teuern Kaisers sehr ausgestzte Länder und die Ruhe des Reichs beschützen. Das wär ein Leben!" [61] 

Jugendroman «Die Leiden des jungen Werthers», «Satyros» und «Pater Brey»:  "In die Werther-Gestalt hineingeheimnisst hat er all das, was er mitgemacht hat von dieser sentimentalen Weltenstimmung, so mitgemacht hat, dass er aus den gefühlten Disharmonien des Lebens heraus bis nahe am Selbstmord war. Deshalb lässt er Werther selber im Selbstmord enden. Es ist gut, sich das zu vergegenwärtigen, wie bei Goethe auf der einen Seite die Möglichkeit vorliegt, trotzdem er fest in seiner Individualität wurzelt, seine seelischen Fäden zu ziehen zu all dem, was in seiner Umgebung in den Seelen sich abspielte, wie das aber wiederum Kunst bei ihm wurde und er es sich von der Seele losschrieb. Als er den Werther geschrieben hatte, war er von dem ganzen Werther geheilt, von dem jetzt vielfach die anderen Menschen erst ergriffen wurden, denn das Werther-Fieber grassierte gerade durch den «Werther» in den weitesten Kreisen. Aber Goethe war geheilt. Man darf, indem man solche Dinge würdigen will, nicht vergessen, dass Goethe wirklich einen weiten Umfang seines Seelenlebens hatte, dass er gewissermaßen seelisch in Polaritäten zu leben vermochte. Da machte er die Werther-Krankheit durch und schrieb sich die Werther- Krankheit von der Seele in seinen «Leiden des jungen Werthers». Aber wahr ist es, was er in einem Freundesbrief schrieb in der damaligen Zeit, wo er von seiner erhaben-sentimentalen Stimmung ein Bild entwarf, aber gleichzeitig sagte, es lebe noch ein anderer Goethe als jener, der hängerische und hängenswerte Gedanken hatte, der Selbstmord- Goethe: ein Fastnachts-Goethe, der allerlei Verkleidungen und Masken annehmen kann. Und dieser Fastnachts-Goethe lebte ja wirklich auch künstlerisch. Man braucht nur die mehr oder weniger fragmentarisch gebliebenen dramatischen Schöpfungen, den «Satyros» und den «Pater Brey», die derselben Zeit angehören, auf sich wirken zu lassen, so wird man schon die ganze Weite des Goetheschen Seelenlebens ahnen können: auf der einen Seite die Sentimentalität des Werther, auf der anderen Seite der Humor des «Satyros» und des «Pater Brey». Satyros, der vergötterte Waldteufel, der auf der einen Seite in Tiraden einen wahren großen Pantheismus entfaltet, zurück will in echt Rousseauscher Weise zur Natur, nicht genießen will dasjenige, was die Kultur hervorgebracht hat. Rohe Kastanien, welch herrlicher Fraß: es ist dies ein Ideal des Satyros! Aber Satyros ist eben ein Naturphilosoph, der die Geheimnisse der Natur wohl kennt, daher - verzeihen Sie - namentlich in der Frauenwelt seine Anhänger gewinnt, vergöttert wird, aber sich zuletzt recht schlecht benimmt. Mit Riesenhumor wird da verspottet all die falsche Sehnsucht nach Autontätshascherei, nach Autoritätsglaube. Und im Pater Brey sehen wir das falsche Prophetentum, das heilig tut,  aber unter der Maske der Heiligkeit allerlei Dinge treibt - mit großem Humor nicht verspottet, aber objektiv schon hingestellt. Da ist Goethe im lebendigsten Sinne Humorist, derber Humorist. Und das alles aus derselben Seelenverfassung heraus, aus der auch der «Werther» fließt. Das ist nicht deshalb, weil Goethe oberflächlich war, sondern weil er eben tief genug war, um die Polaritäten des menschlichen Lebens zu erfassen. Mancherlei Einfluss hatte Goethe gerade mit dem «Werther» bereits errungen. «Werther» ist ja verhältnismäßig früh sehr bekannt geworden, und eigentlich war es auch «Werther», welcher bewirkt hat, dass sich der Herzog von Weimar für Goethe interessierte."

Goethe als Weimarischer Staatsminister, als ausgezeichneter Minister für das Herzogtum Sachsen-Weimar; «Faust», «Iphigenie», «Tasso»: "1775 war es, da konnte Goethe sein Leben auf einen ganz anderen Schauplatz verlegen, nach Weimar. Der Herzog von Weimar wurde mit ihm bekannt und rief Goethe nach Weimar, und Goethe wurde mit einem Sprung, könnte man sagen, Weimarischer Staatsminister. Sehen Sie, heute, hinterher, hat man so das Gefühl: Goethe hat den «Götz von Berlichingen» geschrieben, die «Leiden des jungen Werthers» geschrieben, er hat ein großes Stück «Faust» schon nach Weimar mitgebracht; in dem allem sieht man die Hauptsache bei Goethe. Er selber in seiner damaligen Lage sah darin nicht die Hauptsache; das waren die Abfälle seines Lebens. Und der Herzog von Weimar stellte ihn auch nicht als Hofdichter an, sondern als Staatsminister, worüber freilich die Zöpfe in Weimar außer sich waren, so dass der Herzog von Weimar eine Art Brief-Erlass an sein Volk richten musste, worin er sich rechtfertigte: Ja, Goethe wäre ein größerer Mensch nach seiner Meinung als die Zöpfe. - Und dass er, bevor er - nun ja, was weiß ich, Unterrat und Oberrat und so weiter geworden war, gleich in das Staatsministerium berufen wurde, das bedurfte wenigstens einer Rechtfertigung seitens des Herzogs. Aber die gab er. Und Goethe war keineswegs ein schlechter Minister, keineswegs ein solcher, der das Ministergeschäft so nebenbei betrieb, sondern er war ein viel besserer Minister als manche Minister, die keine Goethe gewesen sind in diesem Sinne. Und derjenige, der einmal sich selber persönlich überzeugt hat, wie ich - ich darf das in aller Bescheidenheit sagen, dass es bei mir der Fall war -, wie Goethe seinen Minister-Obliegenheiten gedient hat, der weiß, dass Goethe ein ausgezeichneter Minister für das Herzogtum Sachsen-Weimar war, der sich allen Einzelheiten seiner Geschäfte mit voller Hingabe gewidmet hat. Minister zu sein, war für Goethe die Hauptsache dazumal, und durch zehn Jahre hindurch wirkte Goethe außerordentlich viel gerade als Minister in Weimar. Nun hatte er nach Weimar schon den «Faust» zum Teil mitgebracht. Dasjenige, was jetzt unter dem «geschmackvollen» Titel «Urfaust» in den Werken figuriert, das hatte er dazumal nach Weimar mitgebracht. In diesem «Faust» lebte aber schon alles dasjenige, was, man möchte sagen, der aufwärtsgerichtete Blick des Faust war. Und wie war Faust aus dem unmittelbaren Leben geschöpft, aber jetzt auch aus dem Leben, das jede Menschenseele berührt! Und wiederum zeigte es sich in Weimar, wie Goethe nicht ganz ergriffen werden konnte von seiner Umgebung. Man lernt ja sehr häufig Menschen kennen, die mehr oder weniger nur die Exponenten sind ihrer Akten. Goethe war nicht der bloße Exponent der Akten, der wahrhaftig zahlreichen Akten, die er verfasst hat als Weimarischer Beamter. Aber daneben lebte er sich in alle Weimarischen Verhältnisse ein, und wenn er auch auf seinem Isolierschemel blieb, so wurde er doch von allem Menschlichen berührt, und das unmittelbare Menschliche gestaltete sich bei ihm zur Kunst. Und so sehen wir denn, wie der Charakter einer Frau, der Frau von Stein, der er freundschaftlich nahetrat, für ihn ein Lebensproblem wurde. Und im Grunde genommen war es die unmittelbare Anschauung dieses Charakters, die ihn dazu brachte, die Gestalt der «Iphigenie» zu dramatisieren. Was auf der einen Seite im Charakter der Frau von Stein auf ihn wirkte, das wollte er künstlerisch gestalten. Es war ihm die Fabel der Iphigenie nur ein Mittel, ein Lebensproblem zu lösen. Und die ganzen Verhältnisse am Hofe von Weimar, sein Zusammenleben mit dem in seinem Charakter merkwürdig veranlagten Herzog Karl August, der Anblick der Schicksale der Herzogin, andere Verhältnisse, die da hineinspielten, sie wurden ihm zu Problemen. Das Leben wurde ihm zur Frage. Er brauchte wiederum einen Stoff, um diese Verhältnisse künstlerisch zu bezwingen. Er nahm den Stoff des «Tasso», aber eigentlich waren es Weimarerische Verhältnisse, die er künstlerisch bezwungen hat. Ich kann natürlich nicht auf die vielen Einzelheiten in Goethes Geistesleben eingehen, aber ich möchte doch diese Tatsache vor Ihre Seele hinstellen, damit wir eben an sie geisteswissenschaftlich anknüpfen können wie an ein Exempel. Schon dazumal, in der allerersten Zeit, da er in Weimar lebte, tat sich ihm durch die verschiedenen Verhältnisse, in die er gebracht wurde, die Möglichkeit auf, seine Naturstudien zu vertiefen, in selbständiger Weise zu vertiefen. Er betrieb Pflanzenstudien; er fing schon dazumal an, an der Universität Jena anatomische Studien zu machen. Überall ging er darauf aus, dasjenige, was er von Herder aufgenommen hatte: die Zusammenhangs-Ideen der Welt, im einzelnen zu bewahrheiten. Den Zusammenhang der ganzen Pflanzenwelt wollte er studieren, was geistig in den Pflanzen lebte, wollte er studieren. Die Verwandtschaft aller Tiere wollte er vor seine Seele hintreten lassen, um den Weg hinauf zum Menschen zu finden. Die Entwickelungsidee wollte er unmittelbar an den Objekten der Natur selber studieren. Denken Sie, er hatte Herders große Idee aufgenommen: ein einheitliches geistiges Werden durch alle Entwickelungsmomente der Wesen hin zu studieren. In dem standen er und Herder dazumal ziemlich allein, denn diejenigen, die tonangebend waren im geistigen Leben, die dachten ganz anders, die führten vor allen Dingen überall Scheidewände ein. ... So steht Goethe nicht da als der Dichter des «Werther», als der Dichter des «Götz von Berlichingen», des «Faust», als derjenige, in dessen Kopf allein «Iphigenie» und «Tasso» entspringen, sondern er steht da mit einem tiefen Hineinblicken in den Zusammenhang der Natur, so dass er nun wirklich als echter Naturforscher studiert und arbeitet. Das ist nicht in einseitiger Weise ein Forscher oder ein Dichter oder ein Minister, das ist ein ganzer Mensch, ein nach allen Seiten hin strebender ganzer Mensch."

Reise nach Italien, «Italienischen Reise»: "Zehn Jahre ungefähr lebte so Goethe in Weimar, da konnte er die Sehnsucht nach Italien nicht mehr bezwingen. Und er unternahm wie eine Flucht seine Reise nach Italien in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre des 18. Jahrhunderts. Man muss nicht vergessen, dass Goethe doch erst dazumal in Verhältnisse eintrat, die nun einer Sehnsucht entsprachen, die er seit frühester Jugend gehegt hat, und dass er zum ersten Mal eigentlich in große Verhältnisse eintritt. Denn denken Sie, dass Goethe außer Frankfurt keine große Stadt gesehen hat bis dahin! Und man muss sich immer vergegenwärtigen, dass die erste Großstadt, durch die Goethe auf den Schauplatz der Weltgeschichte gestellt worden ist, Rom war. Das muss man schon richtig in das Leben Goethes hineinstellen. Und dass Goethe in Rom pulsieren fühlte den ganzen Strom des Lebens, wie er heraufgezogen war in der fünften nachatlantischen Zeit bis zu seiner Zeit, und dass Goethe das, was da als Weltgeschichte in ihm wirkte, verband mit einer in seiner Seele werdenden umfassenden Weltanschauung. Da trug er die Idee, die sich ihm über Tiergestalten, über Pflanzengestalten ergeben hatte, durch die Mannigfaltigkeit der Formen der Pflanzen, der Steine, der Tiere, die er verglich, die er nun auf der Apenninischen Halbinsel verfolgte. Im weiten Umkreis suchte er zu bewahrheiten seine Idee einer Urpflanze, und konnte es. Jeder Stein, jede Pflanze interessierte ihn; wie sich das Mannigfaltige zur Einheit gestaltet, das ließ er auf sich wirken. Dabei ließ er auf sich wirken die großen Kunstwerke, die ihm das alte Griechentum in einem matten Nachtrieb zeigten. Und wie er auf der einen Seite den Blick objektiv über alle die Mannigfaltigkeiten der Natur richtete, so konnte er auf der anderen Seite aus tiefster Seele heraus alle Intimitäten der großen Kunst der Renaissance empfinden. Man lese nur nach die Worte, die er gesprochen hat bei dem Anblicke der «Heiligen Cäcilie» Raffaels in Bologna, wie er beim Anblicke dieses Kunstwerkes in seiner Seele aufleben ließ alle Gefühle, die den Menschen aus der sinnlichen Welt in die übersinnliche hinaufleiten in einer wunderbar tief intensiven Weise. Man lese in seiner «Italienischen Reise» nach, wie er, während er auf der einen Seite seine Naturideen immer mehr und mehr vertiefte, den  Kunstwerken gegenüber empfand, wie der Mensch wahrhaft nur dann Kunst schafft, wenn die Kunst zu gleicher Zeit aus den Tiefen des Lebens heraus schafft. Die großen Kunstwerke der Griechen, sagte er, werden mir jetzt klar, denn: «Ich habe eine Vermutung, dass sie nach eben den Gesetzen verfuhren, nach welchen die Natur verfährt und denen ich auf der Spur bin.» - «Diese hohen Kunstwerke sind zugleich als die höchsten Naturwerke von Menschen nach wahren und natürlichen Gesetzen hervorgebracht worden. Alles Willkürliche, Eingebildete fällt zusammen; da ist die Notwendigkeit, da ist Gott.» So schrieb er an seine Weimarer Freunde. Und ein Ungeheures nahm er in sich auf, und es gestaltete sich für ihn dasjenige um, was er früher erfühlt und erahnt hatte. Szenen, die bedeutsam sind in seinem «Faust», er dichtete sie nun in Rom, «Iphigenie », «Tasso», sie hatte er schon mehr oder weniger in Prosa in Weimar entworfen, zum Teil vollendet; jetzt schrieb er sie um in Verse. Denn er konnte den Stil finden, den er jetzt als einen klassischen Stil ausgießen wollte über diese Werke, indem er nun selber klassische Kunst fortwährend auf sich wirken ließ. Das war eine Regeneration, eine wirkliche Wiedergeburt von Goethes Seele, die er in Italien erlebte. Und etwas Eigentümliches bildete sich jetzt in seiner Seele heraus: er empfand einen tiefen Gegensatz zwischen dem, was seine Zeit erstrebte, was er überall in seiner Umgebung gesehen hatte, und dem, was er als die höchste Ausgestaltung des rein Menschlichen empfinden gelernt hatte." [62]

Goethes Krankheit und sein spirituelles Weltsystem, Urbild der «Schönen Seele» im «Wilhelm Meister»; sein Freund Jerusalern als «Werther»: "Was geschah denn eigentlich mit Goethe, als er so in Leipzig krank war? Das geschah, was man nennen kann eine völlige Lockerung des ätherischen Leibes, in dem die seelische Lebenskraft wirksam gewesen war bis dahin. Der lockerte sich so, dass nach dieser Krankheit Goethe nicht mehr jenen strammen Zusammenhang hatte zwischen dem ätherischen Leib und dem physischen Leib, den er vorher gehabt hatte. Der ätherische Leib ist aber dasjenige Übersinnliche in uns, was uns eigentlich möglich macht,Vorstellungen zu haben, zu denken. Abstrakte Vorstellungen, wie wir sie im gewöhnlichen Leben haben, wie sie die meisten Menschen, die materialistisch gesinnt sind, allein lieben, hat man dadurch, dass der ätherische Leib eng verbunden ist mit dem physischen Leib, gewissermaßen durch ein starkes magnetisches Band mit dem physischen Leib verbunden ist. Dadurch aber, dass dies der Fall ist, hat man auch den starken Impuls, seinen Willen in die physische Welt hineinzutragen. Man hat diesen Impuls mit dem Willen, wenn außerdem der astralische Leib besonders stark entwickelt ist. Sehen wir hin nach Robespierre, nach Mirabeau, nach Danton, so haben wir einen mit dem physischen Leib stark verbundenen Ätherleib, aber auch einen stark entwickelten Astralleib, der seinerseits auf den Ätherleib wirkt und diese Menschenindividualitäten stark in die physische Welt hineinstellt. So war auch Goethe organisiert. Aber nun wirkte in ihm eine andere Kraft, die eine Komplikation hervorbrachte. Die wirkte dahin, dass der ätherische Leib durch die Krankheit, die ihn dem Tode ganz nahe brachte, sich lockerte und gelockert blieb. Dadurch aber, dass der Ätherleib nicht mehr so innig mit dem physischen Leib verbunden ist, stößt er nicht mehr seine Kräfte in den physischen Leib hinein, sondern behält sie innerhalb des Ätherischen. Daher diese Umwandlung, die mit Goethe vorgegangen ist, als er nun zurückkehrte von Leipzig nach Frankfurt, wo er in der Bekanntschaft mit Fräulein von Klettenberg, der Mystikerin, in der Bekanntschaft mit allerlei ärztlichen Freunden, die sich alchimistischen Studien hingaben, in der Bekanntschaft mit den Schriften Swedenborgs sich wirklich ein geistiges Weltsystem, noch chaotisch, aber immerhin ein spirituelles Weltsystem aufbaut, wie er auch eine innigste Neigung hat, sich mit übersinnlichen Dingen zu befassen. Das aber hängt zusammen mit seiner Krankheit. Und die Seele, die sich hereintrug in dieses Erdenleben die Anlage zu dieser Krankheit, die trug damit den Impuls herein, sich durch diese Krankheit den Ätherleib so zuzubereiten, dass dieser Ätherleib sich nicht bloß im Physischen auslebte, sondern den Drang, und nicht nur den Drang, sondern die Begabung erhielt, mit übersinnlichen Vorstellungen sich zu durchdringen. Solange man bloß die äußeren biographischen Tatsachen nach materialistischer Manier betrachtet für irgendeinen Menschen, kommt man nicht darauf, welch feine Zusammenhänge in der Schicksalsströmung eines Menschen sind. Erst wenn man sich einlässt auf den Zusammenklang von Naturereignissen, die unseren Organismus treffen, wie die Krankheit bei Goethe eines war, mit dem, was ethisch, moralisch, spirituell zum Vorschein kommt, dann erst bekommt man die Möglichkeit, die tiefe Wirkung des Karmas zu ahnen. Die revolutionäre Kraft wäre bei Goethe sicherlich so zum Vorschein gekommen, dass sie ihn früh verzehrt hätte. Da ja in seinem Milieu ein Ausleben der revolutionären Kraft äußerlich nicht möglich gewesen wäre und Goethe nicht Dramen hätte schreiben können wie Schiller, so hätte er sich verzehren müssen. Sie wurde abgeleitet durch die Lockerung des Zusammenhanges, des magnetischen Bandes zwischen seinem ätherischen Leib und dem physischen Leib. Da sehen Sie, wie ein Naturereignis in das Leben eines Menschen bedeutsam hereintritt. Gewiss, so etwas weist auf einen tieferen Zusammenhang hin, als derjenige ist, den oftmals die Biographen allein an die Oberfläche tragen wollen. Denn die Bedeutung einer Krankheit für das ganze individuelle Erleben eines Menschen lässt sich nicht aus Vererbungstendenzen heraus erklären, sondern die weist schon auf den Zusammenhang eines Menschen mit der Welt so hin, dass dieser Zusammenhang geistig gedacht werden muss. Sie merken daraus auch, wie Goethes Leben sich komplizierte. Denn davon hängt es ab, wie wir etwas aufnehmen, wie wir selber sind. Jetzt kommt er gewissermaßen mit einem von okkulten Erkenntnissen erfüllten ätherischen Leib nach Straßburg. Und so tritt er Herder entgegen. Herders große Anschauungen mussten in Goethe etwas ganz anderes werden als in Herder selber, der nicht die gleichen Bedingungen in seiner feineren Konstitution hatte. Solch ein Ereignis, wie es dieses Gegenübertreten dem Tode war, tritt bei Goethe ein Ende der sechziger Jahre in Leipzig, aber es ist seiner Kraft nach vorbereitet schon lange. Und derjenige, der eine solche Krankheit aus äußeren Ereignissen herleiten will oder aus bloß physischen Ereignissen, der steht eben auf geistigem Gebiete noch nicht auf demselben Standpunkt, auf dem der Naturforscher steht: dass dasjenige, was nachfolgt, nicht unmittelbar als eine Wirkung angesehen werden darf desjenigen, auf das es folgt. Es war also in Goethe dieses gewissermaßen Sich-Isolieren von der Welt durch diesen Zusammenhang zwischen physischem Leib und Ätherleib, der nur seine Krisis erreichte durch die Krankheit, immer da. Auf jemanden, bei dem ein kompakter Zusammenhang ist zwischen physischem und Ätherleib, wirkt die Außenwelt ein, aber indem sie Eindrücke macht auf den physischen Leib, gehen die Eindrücke gleich in den Ätherleib über, das ist eins; und der lebt dann mit den Eindrücken der Außenwelt einfach flott mit. Bei einer solchen Natur wie Goethe es war, werden die Eindrücke selbstverständlich auf den physischen Leib gemacht, aber der Ätherleib geht nicht gleich mit, weil er gelockert ist. Die Folge davon ist, dass gewissermaßen ein solcher Mensch isolierter sein kann gegenüber seiner Umgebung, dass ein komplizierterer Vorgang vorliegt, wenn ein Eindruck auf seinen physischen Leib gemacht wird. Rücken Sie sich hinüber von diesem organischen Bau Goethes zu dem, was Sie aus seiner Biographie kennen: dass er die Ereignisse, auch die historischen Ereignisse, gewissermaßen ohne sie zu vergewaltigen, auf sich wirken lässt, dann haben Sie sich Verständnis geschaffen für das eigentümliche Walten der Goethe-Natur. Ich sagte Ihnen: er nimmt die Biographie des Gottfried von Berlichingen, lässt sich nur beeinflussen von Shakespeares dramatischen Impulsen und veränderte gar nicht viel die nicht besonders gut geschriebene Selbstbiographie des Gottfried von Berlichingen, so dass er sein Drama auch nicht «Drama» nennt, sondern «Geschichte Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand, dramatisiert»; er verändert nur etwas. Sehen Sie, dieses, ich möchte sagen, sanfte und zaghafte Anrühren der Dinge, so dass er nicht gewaltsam zufasst, das ist bewirkt durch diesen ganz besonderen Zusammenhang zwischen Ätherleib und physischem Leib.... So ist es auch, als die Lebensverhältnisse an ihn herantreten, die er dann im «Werther» gestaltet hat. Eigene Lebensverhältnisse, Lebensverhältnisse seines Freundes Jerusalern, sie biegt er nicht, formt er nicht viel, sondern er nimmt das Leben und hilft nur nach. Und durch die sanfte Art? wie er nachhilft eben aus seinem Ätherleib heraus, wird aus dem Leben ein Kunstwerk. Aber er kommt durch dieselbe Organisation dem Leben auch, ich möchte sagen, nur mittelbar nahe und bereitet sich in dieser Inkarnation sein Karma durch dieses nur mittelbare Nahekommen dem Leben." [63]

«Faust I», Goethes Naturanschauung; Goethe musste selbst erst in Rom verjüngt werden, daher ist die Verjüngungsszene der «Hexenküche» in Rom geschrieben, im Garten der Villa Borghese; auch die Szene «Wald und Höhle», «Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles», sind in Rom geschrieben worden: "So sehen wir, man möchte sagen, scharf fortgeführt den karmischen Anstoß, der in Goethe war. Dann aber wieder, 1775, tritt wie von außen herein die Bekanntschaft mit dem Herzog von Weimar. Goethe wird von Frankfurt nach Weimar berufen. Was bedeutet denn das in seinem Leben? Man muss erst verstehen, was solch ein Ereignis bedeutete für das Leben eines Menschen, wenn man nun weiteres ausfindig machen will, um das Leben zu verstehen. Ich weiß, wie wenig die heutige Welt geneigt ist, wirklich die Seelenkräfte wachzurufen, die notwendig sind, um so etwas voll zu empfinden, voll zu fühlen, was schon in den ersten Partien von Goethes «Faust» lebt. Um das zu schreiben, was nun hier aufgeführt worden ist - «Faust I», Monolog im Studierzimmer, Erdgeist - , dazu gehört ein Reichtum der Seele, der, wenn man ihn ansieht, einen dazu veranlassen möchte, in inbrünstiger Verehrung lange, lange davor zu verharren. Und man hat oftmals den tiefsten Seelenschmerz, wenn man sieht, wie die Welt eigentlich doch recht stumpf ist und gar nicht Größe, Größe fühlen kann. Fühlt man aber so etwas voll, dann wird man auch verstehen, wozu derjenige, der von Geisteswissenschaft wirklich durchdrungen ist, in seiner Empfindung kommt. Der kommt nämlich dazu, sich zu sagen: In diesem Goethe lebte etwas, das ihn verbrannte.So konnte es nicht weitergehen. Diesen Gedanken muss man schon haben. Stellen Sie sich vor: 1749 ist Goethe geboren, 1775 ist er also sechsundzwanzig Jahre alt. Er trägt im Koffer das Manuskript der Szene, die wir heute aufgeführt haben - nehmen wir nur dies, es war noch anderes dabei - , nach Weimar mit. Wer solches durchlebt hat, so, bis zu dem Grade, dass er es niederschreiben konnte, der hat daran in seiner Seele zu tragen; auf dessen Seele lastet es schwer, denn es ist eine Kraft, die aufwärtsführen will, die Seele zersprengen möchte. Zwei Dinge müssen wir uns klarmachen, wenn wir in richtigem Sinne, in der richtigen Beleuchtung diese ersten Partien des «Faust», die Goethe geschrieben hat, würdigen wollen. Man könnte sich ja denken, dass Goethe, sagen wir von seinem fünfundzwanzigsten bis zu seinem fünfzigsten Jahre nach und nach diese Szenen geschrieben hätte. Dann würden sie die Seele nicht so gespannt haben, dann wären sie keine solche Last gewesen. Nun gewiss, aber das ist nicht möglich, wäre nicht möglich gewesen, denn vom dreißigsten, fünfunddreißigsten Jahre ab würde eben die Jugendkraft gemangelt haben, die dazu notwendig war, um diese Dinge gerade so zu gestalten. Er musste sie in diesen Jahren schreiben nach seiner Individualität, aber er konnte so nicht weiterleben. Er brauchte etwas, was wie eine Dämpfung, wie eine Art partieller Seelenschlaf war, um abzuschwächen das Feuer, das in seiner Seele gebrannt hat, als er die ersten Partien des «Faust» schrieb. Der Herzog von Weimar holte ihn, um ihn in Weimar zum Minister zu machen. Und er war ein guter Minister, sagte ich schon. Da konnte er als Minister, indem er viel emsige Arbeit leistete, partiell verschlafen - sich ausruhend - dasjenige, das gebrannt hat in seiner Seele. Und es ist wirklich ein gewaltiger Unterschied in der Stimmung vor 1775 und nach 1775,.die schon zu vergleichen ist mit einer Art gewaltigen Wachens und nachher abgedämpften Lebens. Da kommt sogar das Wort «Dumpfheit» Goethe in den Sinn, wenn er sein besonderes Leben in Weimar schildert, wo er so in die Ereignisse sich hineinlebt, aber mit ihnen mehr mitschwingt als früher, da er gegen sie revoltierte. Merkwürdig war es dann, daß auf die Abstumpfung für zehn Jahre ein sanfteres Heranbringen der Ereignisse an den Menschen folgte. Und so wenig das Schlafleben eine unmittelbare Wirkung des vorhergehenden Tageslebens ist, so wenig war dieses Schlafleben Goethes eine Wirkung desjenigen, was vorangegangen war. Die Zusammenhänge sind viel größere, als man gewöhnlich denkt. Ich habe schon öfter darauf aufmerksam gemacht, dass es eine oberflächliche Anschauung ist, wenn man auf die Frage: Warum schläft der Mensch? antwortet: Weil er müde ist! - Es ist eine faule, selber schlafende Wahrheit, denn es ist ein Unsinn. Sonst müsste nicht eine Tatsache sein, dass diejenigen Menschen, die nicht müde sein können, zum Beispiel Rentiers nach einer vollen Mahlzeit, wenn sie etwas hören sollen, wofür sie sich nicht besonders interessieren, in Schlaf sich einlullen. Müde sind sie gewiss nicht. Die Sache ist nicht so, dass wir schlafen, weil wir müde sind, sondern das Wachen und Schlafen ist ein rhythmischer Lebensvorgang, und wenn die Zeit des Schlafens, die Notwendigkeit des Schlafens herankommt, so werden wir müde. Wir sind müde, weil wir schlafen sollen, nicht aber schlafen wir, weil wir müde sind. Das will ich in diesem Augenblicke nicht weiter ausführen. Aber denken Sie sich einmal, in welchem großen Zusammenhang der Rhythmus von Schlafen und Wachen drinnensteht! Er ist ja die Nachbildung von Tag und Nacht im Kosmos innerhalb der menschlichen Natur. Den Schlaf erklären zu wollen aus der Ermüdung des Tages, ist allerdings der materialistischen Wissenschaft naheliegend, aber das Umgekehrte ist richtig. Der Rhythmus von Schlafen und Wachen muss aus dem Kosmos erklärt werden, aus großen Zusammenhängen heraus. Aus großen Zusammenhängen heraus muss aber auch erklärt werden, warum bei Goethe nach der Periode, in der «Faust» in seinen Seelenadern brauste, die Abdämpfung der zehn Jahre weimarischen Lebens folgte. Da werden Sie unmittelbar auf sein Karma gewiesen, über das nun nicht weiter gesprochen werden kann. Der Mensch als alltäglicher Mensch wacht am Morgen auf, in der Regel so, wie er am Abend eingeschlafen ist, für sein eigenes Bewußtsein. In Wirklichkeit ist es ja niemals so. Wir wachen niemals gerade so auf, wie wir eingeschlafen sind, sondern wirklich etwas reicher; wir werden uns nur der Bereicherung nicht bewußt. Aber wenn nun auf einen Wellenberg ein Wellental gefolgt ist, wie bei Goethe in den weimarischen Jahren, dann erfolgt das Aufwachen auf einer höheren Stufe, muß auf einer höheren Stufe erfolgen. Aber die innersten Kräfte streben danach. Und die innersten Kräfte streben bei Goethe auch, aus der weimarischen Dumpfheit zum vollen Leben wieder zu erwachen in einer Umgebung, die ihm nun wirklich bringen konnte, was ihm fehlte. Das war in Italien, als er erwachte. In Weimar selber hätte er nach seiner besonderen Konstitution nicht aufwachen können. Gerade an einer solchen Sache aber kann man den tiefen Zusammenhang des Schaffens eines wirklichen Künstlers, eines großen Künstlers mit seinem besonderen Erleben sehen. Sehen Sie, einer, der kein großer Künstler ist, der kann ein Drama so glattweg nach und nach, Seite für Seite hinschreiben; er kann es ganz gut. Der große Dichter kann es nicht, denn der braucht: tief drinnenzuwurzeln im Leben. Goethe konnte daher tiefste, tiefste Wahrheiten in seinem «Faust» zum Ausdrucke bringen in verhältnismäßig früher Jugend, Wahrheiten, die weit über sein Seelenvermögen hinauswuchsen. Aber er musste eine Verjüngung beim Faust zum Ausdruck bringen. Denken Sie sich: Faust musste zu einer ganz anderen Stimmung kommen; trotzdem er so tief gestaltet ist, mußte er verjüngt werden. Schließlich, trotz aller Tiefe, hat ihn dasjenige, was er bis dahin in seiner Seele aufgenommen hat, dem Selbstmorde nahegebracht. Er musste verjüngt werden. Ein kleiner Mensch kann recht gut schildern in vielleicht recht schönen Versen, wie ein Mensch verjüngt wird. Goethe konnte es nicht so ohne weiteres; er musste selbst erst in Rom verjüngt werden. Daher ist die Verjüngungsszene der «Hexenküche» in Rom geschrieben, im Garten der Villa Borghese. Goethe würde es nicht gewagt haben, diese Szene früher zu schreiben. Nun, verbunden mit einer solchen Verjüngung, wie sie Goethe erlebt hat, ist ein wenn auch noch dumpfes Bewußtsein. Zu Goethes Zeit gab es noch keine Geisteswissenschaft: es konnte kein helles Bewußtsein sein, sondern nur ein dumpfes Bewußtsein. Mit einer solchen Verjüngung sind besondere Kräfte wieder verbunden, die schon in die nächste Inkarnation hinüberspielen. Da gliedern sich ineinander Erlebnisse, die dieser Inkarnation angehören, und mancherlei, was in die nächste Inkarnation hinüberspielt. Wenn man dies bedenkt, wird man auf eine besonders tiefbedeutsame Tendenz bei Goethe geführt. Sehen Sie, wenn ich diese persönliche Bemerkung einschalten darf: Ich beschäftige mich seit einer Reihe von Jahrzehnten, ich kann sagen seit 1879/80 eigentlieh immer, intensiv seit 1885/86, mit Goethes Naturanschauung. Und ich habe in dieser Zeit die Anschauung gewonnen: In dem Impuls, den Goethe der Naturanschauung gegeben hat - von dem die heutigen Naturgelehrten, Naturwissenschafter, Naturdenker eigentlich gar nichts verstehen - , liegt etwas, das ausgebildet werden kann, aber erst in Jahrhunderten. So dass Goethe wohl wahrscheinlich, wenn er wiederkommen wird in anderer Inkarnation, noch die Möglichkeit finden wird, an dem zu gestalten, was er in dieser Inkarnation gerade aus seinen Naturanschauungen noch nicht hat fertigmachen können. Manche Dinge ahnt man heute noch gar nicht, die in Goethes Naturanschauung liegen. Darüber habe ich mich ja ausgesprochen in meinem Buche «Goethes Weltanschauung» und in den Einleitungen zu «Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften» in Kürschners Nationalliteratur. So dass man schon sagen kann: Goethe trägt mit seiner Naturanschauung etwas in sich, das in weite, weite Horizonte hinausweist, das aber innig zusammenhängt mit seiner Wiedergeburt, wie sie jetzt zwar nicht gerade in dieser Beziehung an Rom gebunden war, aber an das Lebensalter, das er in Rom durchlebte. Lesen Sie nach, wie ich die Dinge dargestellt habe, wie sich die Metamorphose der Pflanzen, der Tiere, Urpflanze, Urtier, während der italienischen Reise ausgestaltet, wie er, als er zurückkam, die Farbenlehre, die man heute noch gar nicht verstehen kann, in Angriff nahm, wie er ja noch andere Dinge in Angriff nahm; dann werden Sie sehen: Mit seiner Wiedergeburt hängt auch dieses Einleben in seine umfassende Naturanschauung zusammen. Dann hat er allerdings dasjenige, was sich in ihm selber im Laufe des Lebens ergeben hat, mit Faust in Beziehung gebracht, aber nicht so, wie es ein kleiner Dichter tut, sondern wie es ein großer Dichter tut. Faust erlebt die Gretchen- Tragödie. Mitten in der Gretchen-Tragödie tritt uns plötzlich entgegen Faustens große Naturanschauung, die nun allerdings viel Verwandtes hat mit Goethes großer Naturanschauung, und die zum Ausdruck kommt in den Faust-Worten: «Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles, / Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst / Dein Angesicht im Feuer zugewendet. / Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich, / Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht / Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur, / Vergönnest mir, in ihre tiefe Brust, / Wie in den Busen eines Freunds, zu schauen. / Du führst die Reihe der Lebendigen / Vor mir vorbei, und lehrst mich meine Brüder / Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen. / Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt, / Die Riesenfichte, stürzend, Nachbaräste / Und Nachbarstämme quetschend niederstreift, / Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert, / Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst / Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust / Geheime tiefe Wunder öffnen sich.» Eine große Weltanschauung! Goethe schreibt sie dem Faust zu. Goethe hat sie erst gewonnen bis zu dieser Durchdringung der Seele wahrend seiner Italienreise. Die Szene «Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles», ist auch in Rom geschrieben; die hatte Goethe nicht früher geschrieben. Denn diese zwei Szenen, die Verjüngungsszene in der «Hexenküche» und die Szene «Wald und Höhle»: «Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir alles», sie sind es gerade, die in Rom geschrieben worden sind." [64]
 

14. Kosmische und menschliche Geschichte III - II; Leere Redensarten in der Politik, Pädagogik, bei Literaten, Pfarrern, an den Universitäten von heute, wie in «Faust I» beschrieben; Intelligente Maschinen und Fabriken, besser als KI; geistiger Pol statt ahrimanischer Pol; Auslese der Schlechtesten; Historiker der Gegenwart

Leere Redensarten in der Politik, Pädagogik, bei Literaten, Pfarrern, an den Universitäten von heute, wie in «Faust I» beschrieben «Ein Kehrichtfass und eine Rumpelkammer, / Und höchstens eine Haupt- und Staatsaktion / Mit trefflichen pragmatischen Maximen, / Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!»: Die Frage wird nur immer mehr und mehr sein: Was muss außer dem geschehen, dass sich die Menschen spezialisieren? Dass sie sich spezialisieren werden, dafür wird schon die Notwendigkeit der Weltenentwikkelung sorgen. Was muss aber außerdem geschehen? Die Frage wird in nicht gar zu ferner Zukunft eine der allerwichtigsten, gestatten Sie den Ausdruck, Familienfragen werden für die Menschheit. Familienfrage, denn ein Verständnis dieser Frage wird man haben müssen, wenn man Kinder erziehen will. Sich vernünftig hineinzustellen in den ganzen Gang der menschlichen Entwickelung dann, wenn die Frage auftaucht: Wie stelle ich mein Kind in diese menschliche Entwickelung hinein? - das wird ganz und gar von dem Verständnis für diese Frage abhängen. Denn das, was heute noch vielfach möglich ist, was aber nur ein Überbleibsel alter Zeiten ist, dem die Menschen noch nachhängen aus einem gewissen Schlendrian heraus, das wird sich bald als eine leere Redensart herausstellen, jene schönen Redensarten, die heute vielfach bewundert werden: man müsste die Anlagen der Kinder beobachten und man müsste sie werden lassen das, was ihren Anlagen entspricht. Gerade das wird sich eben sehr bald als eine leere Redensart herausstellen. Denn erstens werden die Menschen sehen, dass diejenigen, die von jetzt an geboren werden, in komplizierterer Weise auf ihre früheren Inkarnationen zurückweisen, als das noch im vierten nachatlantischen Zeitraum der Fall war, dass sie in ihren Anlagesystemen Kompliziertheiten zeigen, von denen man sich früher nichts träumen ließ. Es waren die Anlagesysteme in früheren Zeiten viel einfacher. Und Leute, die sich besonders geeignet glauben, bei erwachsenen Kindern die Anlagen zu prüfen, ob sie zu diesem oder jenem Berufe geeignet sind, werden vielleicht die Erfahrung machen müssen, dass solche Einsicht in die Anlagen nur die phantastischen Einbildungen der betreffenden, sich gescheit dünkenden Menschen sind. Aber abgesehen davon wird das Leben der Menschen so kompliziert werden in nicht zu ferner Zeit, dass das Wort «Beruf» eine ganz andere Bedeutung annehmen wird. Heute stellt man sich noch vielfach bei dem Beruf etwas Innerliches vor, obwohl der Beruf bei den meisten Menschen keineswegs sich als etwas Innerliches darstellt. Heute stellt man sich vor: Beruf - wozu der Mensch durch seine inneren Qualitäten berufen ist. Würde man einmal objektiv prüfen, besonders in unseren Städten, wie viele Menschen antworten würden: Ich bin in meinem Berufe deshalb drinnen, weil ich einsehe, dass dies der einzige Beruf ist, der meinen Anlagen, meinen Neigungen von Kindheit auf entspricht -, würde man diese Frage mindestens an die meisten städtischen Menschen stellen, so würde man wohl in den wenigsten Fällen eine Antwort bekommen dahingehend, dass die Leute sagen würden, sie seien just in dem Berufe drinnen, der ihren Neigungen und Anlagen, wie sie sie selber empfunden haben, von Jugend auf entspricht. Ich glaube, Sie werden aus der Lebensbeobachtung heraus dies keineswegs glauben. Beruf ist schon heute in hohem Grade und wird immer mehr und mehr werden das, zu dem man berufen wird durch den objektiven Werdegang der Welt. Draußen ist, möchte ich sagen, der Organismus, der Zusammenhang - meinetwillen nennen Sie es auch die Maschine, auf das kommt es nicht an - , das, was den Menschen abfordert, was den Menschen ruft. ... Solche Dinge werden in der Gegenwart eigentlich viel zu wenig in rechte Erwägung gezogen, einfach aus dem Grunde, weil die Leute, die über Berufsart, Berufscharakter, Berufswahl und so weiter sprechen, meistens solche sind, die gut reden haben. Schulmeister schreiben darüber, Literaten oder Pfarrer, solche Leute, die verhältnismäßig am wenigsten heute schon die Schattenseiten der Berufstätigkeit in der neueren Zeit empfinden. Daher kommt es, dass, wenn man heute in der gebräuchlichen Literatur, auch in der pädagogischen, über diese Dinge reden hört, man wirklich findet, dass die Leute reden wie die Blinden von den Farben. Denn selbstverständlich kann einer, der aus gewissen sozialen Bedingungen heraus die Schule durchmacht, aufs Gymnasium kommt und nachher, nun, vielleicht ein bißchen auf irgendeiner Universität sich umschaut, sich heute ja leicht, weil er viele Vorstellungen in sich aufgenommen hat, sehr gescheit vorkommen, wenn er so tut wie ein Reformator der Menschheit, der nun zu sagen weiß, wie alles werden soll. Es gibt ja viele solche. Für denjenigen, der das Leben durchschaut, reden eigentlich diese Leute über das, was werden soll, gewöhnlich am allerdümmsten. Man bemerkt es nur nicht, weil man heute noch einen sehr starken Respekt hat vor Leuten, die solch einen Entwickelungsgang durchgemacht haben. Die Zeit muss erst noch kommen, wo man mehr oder weniger die Empfindung haben wird, dass ein Literat, ein Zeitungsschreiber, ein Schulmeister, der nach dem Muster gebildet ist, wie heute die Schulmeister gebildet werden, am wenigsten versteht von den Lebenszusammenhängen. Das muss sich nach und nach herausbilden mehr als ein allgemeines Urteil. Nun handelt es sich darum, dass man wirklich besser einsieht, wie mit dem menschlichen Emotionsleben das Berufsleben früherer Zeiten zusammenhing und wie das Wesentlichste in der Entwickelung auf diesem Gebiete darinnen liegt, dass das Berufsleben herausgewachsen ist und immer mehr und mehr herauswachsen wird aus dem menschlichen Emotionsleben. Daher muss der andere Pol, der zum Berufsleben
hinzukommen muss, ein anderer werden als er früher war. Was war denn früher dasjenige, was zum Berufsleben hinzukam? Sie haben es heute noch vor sich, wenn Sie das, was mehr oder weniger Schale der Kultur geworden ist und immer mehr und mehr Hülle und Schale der Kultur werden muss, auf sich wirken lassen: die Häuser, in denen die Berufe ausgeführt werden, ringsherum, in der Mitte die Kirche. Die sechs Tage der Woche bestimmt dem Berufe, der Sonntag demjenigen, was der Mensch nur für seine Seele aufzunehmen hat. Das waren die zwei Pole: das Berufsleben und das Leben in religiösen Vorstellungen." [65]

Intelligente Maschinen und Fabriken, besser als KI; geistiger Pol statt ahrimanischer Pol: "Die Gesinnung wird mit in die Fabrik hineingehen und sich übertragen auf die Art und Weise, wie die Maschinen arbeiten. Der Mensch wird zusammenwachsen mit der Objektivität. Alles, was wir berühren werden, wird nach und nach den Abdruck menschlichen Wesens an sich tragen. Und Zeiten werden kommen, so dumm es heute noch den gescheiten Leuten auch erscheinen mag - aber schon der heilige Paulus sagte, dasjenige, was die Menschen für gescheit halten, ist manchmal Torheit vor Gott -, in denen ein Mechanismus dastehen wird, der in Ruhe verharrt; ein Mensch wird hinzutreten, der wissen wird, dass er eine Handbewegung so, eine andere in einer bestimmten Weise dazu, eine dritte so zu machen hat, und durch dasjenige, was da als Luftschwingungen entsteht und was die Folge eines bestimmten Zeichens ist, wird der Motor in Bewegung gesetzt sein, der abgestimmt sein wird auf dieses Zeichen. Und die nationalökonomische Entwickelung wird ein solches Gesicht bekommen, dass äußere Patente und dergleichen völlig ausgeschlossen sein werden, denn was in solchen Dingen liegt, wird durch das ersetzt werden, was ich eben auseinandergesetzt habe. Dafür aber wird auch alles dasjenige ausgeschaltet werden, was in keiner Beziehung steht zur menschlichen Natur. Dadurch wird etwas ganz Bestimmtes bewirkt werden können. Denn denken Sie sich einmal einen recht guten Menschen in der Zukunft, einen Menschen, der wirklich auf besonderer Höhe menschlicher Gesinnung ist, was wird der können? Der wird Maschinen konstruieren und Zeichen für sie festsetzen können, die nur vollzogen werden können von Menschen, die so gesinnt sind wie er, die also auch gutgesinnt sind. Und alle Bösgesinnten werden mit dem Zeichen eine ganz andere Schwingung erregen, und die Maschine wird nicht gehen! ... Und es gibt eine Möglichkeit, dasjenige, was heute viele, wenn sie es auch leugnen, unbewußt anstreben, in der richtigen Weise zu bezeichnen. Sie wissen, es gibt heute viele Menschen, die sagen: Ach, vom Geistigen zu reden - alter Quatsch! Wir entwickeln die rein physischen Wissenschaften, auf allen Gebieten. Das ist gerade Fortschritt der Menschheit, das wird die Menschheit wirklich vorwärtsbringen. Und wenn die Menschen nur einmal darüber hinauswachsen werden, von dem alten Quatsch der geistigen Dinge zu sprechen, dann wird gewissermaßen das Paradies auf Erden sein.- Aber nicht das Paradies würde dadurch auf Erden kommen, sondern die Hölle würde kommen, wenn nichts weiter das Menschengeschlecht beherrschen würde als Konkurrenz, Erwerbssucht in dem Sinne, dass die Erwerbssucht das ausgleichende Prinzip sein soll. Denn schließlich, ein anderer Pol müßte schon da sein, wenn es überhaupt weitergehen sollte. Würde man einen geistigen Pol nicht suchen, so müsste man einen ahrimanischen Pol haben. Wenn die Berufe sich spezialisieren, so könnte man als Einheit ja noch immer das haben, dass man sagt: Gewiss, der eine ist das, der andere ist jenes, aber alle haben das gemeinschaftlich, dass sie durch ihren Beruf möglichst viel erwerben wollen, und das ist es, was alle gleich macht. - Gewiss, aber es ist ein rein ahrimanisches Prinzip. Zu glauben, dass die Welt mit der einseitigen Entwickelung, die rein im Äußeren fortschreitet, so wie wir es jetzt geschildert haben, zurechtkommen kann, das heißt, auf diesem Gebiete dasselbe glauben, wie wenn jemand finden würde - nehmen wir an, es gäbe solch einen sonderbaren Kauz, oder sagen wir aus Höflichkeit Käuzin, die den Standpunkt vertreten würde: die Männer seien alle immer schlechter und schlechter geworden und seien eigentlich heute unmöglich für die Welt und man solle sie ausrotten, dann würde sich erst die Weltenentwickelung in entsprechender Weise auf dem physischen Plan ergeben! Es wäre eine sonderbare Käuzin, nicht wahr, die das glauben würde, denn es würde sich gar nichts dadurch ergeben können, wenn man die Männer alle ausrottete. Weil das in der sinnlichen Welt so ist, verstehen es die Leute. In der geistigen Welt verstehen sie eine solche Kauzigkeit nicht. Und dennoch, für
die geistigen Verhältnisse ist es ganz dasselbe, wenn jemand meint, es könnte bloß die äußere Evolution fortgehen. Sie kann nicht fortgehen. Und geradeso, wie die früheren Entwickelungsperioden die abstrakten Religionen gefordert haben, so fordert die neuere Entwickelung die konkretere geistige Erkenntnis, wie sie in der geisteswissenschaftlichen Bewegung angestrebt wird. Befruchtet werden müssen die Elementargeister, welche durch die losgelösten Berufsarbeiten erzeugt werden, von der menschlichen Seele aus durch das, was die menschliche Seele aufnimmt aus den zu den geistigen Regionen hinaufsteigenden Impulsen. Nicht als ob das die einzige Aufgabe der Geisteswissenschaft wäre, aber gegenüber dem fortschreitenden, sich umgestaltenden Berufsleben ist das die Aufgabe der Geisteswissenschaft. Daher muss, durch die Weltenevolution auf Erden selber gefordert, die Einsicht in die menschlichen Herzen kommen, dass in demselben Maße, als die Berufe die Menschen vermechanisieren, nach und nach immer mehr gerade für die sich spezialisierenden und mechanisierenden Menschen der Gegenpol intensiver und intensiver tätig werde, der darinnen besteht, dass der Mensch seine Seele anfülle mit demjenigen, was ihn nahebringt jeder anderen Menschenseele, gleichgültig, wie sie sich spezialisiert hat."

In Ämtern kommt durch Autoritätsglauben und Opportunitätsduselei bei der sogenannten «Auslese der Besten», oft die Tendenz heraus, gerade die Schlechtesten auszuwählen für die scheinbar wichtigsten Posten; Auslese der Schlechtesten, wenn auch diese Schlechtesten angebetet werden von der öffentlichen Meinung, in Talkshows, Wissenschaftssendungen oder Tageszeitungen; die Ämter werden vielfach ausgefüllt von Ahriman-Mephistopheles, und Sie können ja gerade an dem Fortgange der «Faust»-Handlung sehen, wie Mephistopheles sein Amt versieht: "Gerade das ist ja das Eigentümliche unserer Zeit, die in der materialistischen Ausdeutung der berechtigten darwinistischen Grundlagen solch eine Lebenslehre heraufgebracht hat wie die von der «Auslese der Besten», die Oscar Hertwig, Haeckels Schüler, nunmehr schon so kräftig tadelt, - dass diese Zeit, welche diese Lehre heraufgebracht hat, zu gleicher Zeit ganz deutlich, viel mehr als das jemals im ganzen Lebenszusammenhange in irgendeinem anderen Zeitalter der Fall war, gerade die Schlechtesten auswählt. Hier braucht man nicht auf dem Standpunkt zu stehen, dass man nur seine Zeit wie ein Pessimist abkanzelt und sich auf die gute alte Zeit beruft, sondern hier steht man wirklich auf dem Grund einer Tatsache: Auf der einen Seite tut man sich zugute mit der Lehre von der Auslese der Besten; aber diese Zeit, die sich mit dieser Lehre etwas besonders zugute tut, ist beherrscht in ihrer Realität, in ihrer Wirklichkeit von der Tendenz, gerade die Schlechtesten auszuwählen für die scheinbar wichtigsten Lebensposten. Das ist eine bittere Wahrheit für die Gegenwart, die aber erkannt werden würde, wenn nicht diese Gegenwart durchaus unter dem Eindrucke eines möglichst weitgehenden Autoritätsglaubens und einer möglichst weitgehenden Opportunitätsduselei stünde, und wenn nicht das,was man heute öffentliche Meinung nennt - öffentliche Meinungen sind ja nach der Ansicht eines Philosophen des 19. Jahrhunderts private Torheiten -, herrschte. Man würde, sage ich, das, um was es sich handelt, einsehen, wenn man nicht so sehr unter dem Eindrucke der heute aus so schlammigen Quellen heraus gespeisten öffentlichen Meinung stünde. Darüber also muss man sich klar sein, dass unsere Zeit vor allen Dingen erzogen werden muss zu einer intensiveren Lebensauffassung dadurch, dass man einsieht, dass Einseitigkeit, die Auslese der Schiechtesten, da ist, wenn auch diese Schlechtesten angebetet werden von der genannten öffentlichen Meinung. Die Ämter werden vielfach ausgefüllt von Ahriman-Mephistopheles, und Sie können ja gerade an dem Fortgange der «Faust»-Handlung sehen, wie Mephistopheles sein Amt versieht. Erst am Schlüsse seines Lebens wird es dem Faust möglich, sich von Mephistopheles zu befreien.
Faust kommt an den Kaiserhof. Er macht sogar eine für die letzten Jahrhunderte außerordentlich wichtige Erfindung; er erfindet nämlich das Papiergeld. Aber eigentlich erfindet Mephistopheles das Papiergeld. Dann wird wiederum Faust hingeleitet in die antike Welt durch den Homunkulus; aber durch die Beihilfe des Mephistopheles kommt der Homunkulus zustande. Faust wird sogar Feldherr, führt Kriege, aber man kann gerade an der Darstellung, die Goethe in diesem Akte zustande bringt, ersehen, dass eigentlich Mephistopheles diese Kriege führt. Zum Schlüsse erst sehen wir, wie Faust sich allmählich befreit von Mephistopheles. Wenn Faust auch gewissermaßen nur durch die Welt schweift, ohne ein bestimmtes Amt zu haben, nachdem er seine Professur verlassen hat, die er vorher innehatte, so muss man doch sagen: Die Art und Weise, wie Mephistopheles an seiner Seite steht, die ist schon so, wie vielfach heute die mephistophelische Kraft in das Leben der Menschheit hereinspielt. Das ist das eine, das beachtet werden muss." [66]

Historiker der Gegenwart, besonders von Universitäten wie Harvard, türkische oder russische Historiker sind bekannt für ihre Geschichtsklitterung; dabei kommt es darauf an, symptomatisch die Welt zu betrachten; Sinn für die Wahrheit abhanden gekommen: "Und das wird immer mehr und mehr notwendig werden, die Welt symptomatisch zu betrachten, das heißt so zu betrachten, dass man den Blick an die richtigen Stellen hinwendet und von den richtigen Stellen aus die Verbindungslinien zieht zu anderen Dingen. Gerade wenn es sich darum handelt, Karma konkret zu studieren, menschliches Schicksal konkret ins Auge zu fassen - ein Studium, bei dem es so viel Verwirrendes, weil so viel Versucherisches gibt dabei -, gerade da handelt es sich darum, symptomatisch die Dinge ins Auge fassen zu können. ... Nun, dieser Wille zur Wahrheit findet ja in der Gegenwart ganz besonders so viele Widerstände, weil den Menschen allmählich der Sinn für die Wahrheit abhanden gekommen ist. Denken Sie doch nur einmal, dass es heute sich vielfach im öffentlichen Leben gar nicht darum handelt, die Wahrheit zu ergründen, sondern dasjenige zu sagen, was dem einen oder dem anderen passt aus gewissen Gruppenvorteilen heraus." [67]
 

15. Kosmische und menschliche Geschichte III - III; John Stuart Mill, Gleichwerden in den Nichtigkeiten der Menschenseele, «conglomerated mediocrity»,  Chinesentum; wenn die europäische Kultur nur auf dem äußeren positivistischen Realismus fußen will, wird sie zur «conglomerated mediority», «bürgerlichen Nichtigkeit», Chinesentum; Lehre des Konfuzius und des Laotse; Enzyklika vom 8. Dezember 1864; ein Materialismus, der die Seele des Menschen leugnet und den schon der Muslim Averroes vertrat und der deswegen damals von Thomas von Aquin literarisch vernichtend geschlagen wurde, geistert auch heute wieder durch die Universitäten; Ursache des Materialismus; die Verirrung des Glaubens, die zu einer Verirrung ganzer Völker führt; Unmöglichkeit der Kriege innerhalb von Europa, Unmöglichkeit des russischen Krieges gegen die Ukraine; Die Menschheit muss lernen, die Natur so zu behandeln, wie die Götter selber die Natur behandelt haben; neuere Wissenschaft mit ihrer Weltanschauung, unchristlich


John Stuart Mill, Gleichwerden in den Nichtigkeiten der Menschenseele, «conglomerated mediocrity»,  Chinesentum: "Das ist gerade das Eigentümliche der heutigen Menschen, und sogar der Klarsehendsten; sie kritisieren das, was heute da ist, aber sie arbeiten selbst an dem Zustandekommen dessen, was sie dann abkritisieren, was sie in der riehtigen Weise beurteilen. So spielen unbewußte Impulse in das menschliche Leben herein. Nehmen wir zum Beispiel einen Menschen, der wirklich vieles außerordentlich klar gesehen hat, sich das Leben ringsherum, seine IJmgebung namentlich, klar ansah. Ein solcher Mensch war John Stuart Mill, der 1806 geboren ist, 1873 gestorben ist, der ein berühmter englischer Philosoph ist, der von vielen Menschen der neueren Zeit geradezu angesehen wird als der Erneuerer der Logik, als der Fortentwickeier der Logik, der aber auch soziale Einsichten in weitestem Umfange entwickelte. Er richtete den Blick auf die soziale Entwickelung namentlich derjenigen Welt, die er kannte, die in seiner Umgebung war. Und er wollte sich die Frage beantworten, die für ihn einen tragischen Charakter annahm: Wohin steuert diese Gegenwart, wohin steuert das, was sich als ein sozialer Charakter dem Leben des 19.Jahrhunderts zunächst aufgedrängt hat? - Und er sagte: Dasjenige, was sich ausgebildet hat als Menschentypus im 19. Jahrhundert, das ist der Bourgeois. Worinnen unterscheidet sich, meint John Stuart Mill, der Bourgeois von früheren Sorten von Menschentypen, die sich herausgebildet haben im Lauf der Zeit? - Er fragt sich dieses, und er antwortet darauf: Dadurch unterscheidet sich der Bourgeois, dass in früheren Zeiten der individuelle Mensch mehr Geltung hatte. Durch den früheren Menschen sprach - ich will es jetzt mehr in unsere Vorstellungen kleiden, aber John Stuart Mill sprach im Grunde in seinen Vorstellungen dasselbe aus -, durch den früheren Menschen sprach mehr Individualität, mehr ein gewisses Sich-Hinaufarbeiten der Seele über die unmittelbare äußere physische Wirklichkeit. Der Bourgeois-Typus arbeitet auf das Nivellement, auf das Gleichwerden aller Menschen in der sozialen Ordnung. Was aber, fragt John Stuart Mill, kommt heraus bei dem Gleich werden? Nicht das Gleichwerden in der Größe der Menschenseele, sondern das Gleichwerden, meint John Stuart Mill, in den Nichtigkeiten der Menschenseele. - Und so zeichnet John Stuart Mill eine Menschenzukunft für diesen fünften nachatlantischen Zeitraum, von der er sagt: Die Menschen in ihrem Zusammenleben werden immer mehr und mehr werden - so etwa drückt er sich aus - der Presskaviar bürgerlicher Nichtigkeiten. - Das empfand er wie eine tragische Erkenntnis. Aber je nachdem die Menschen aus der westlichen oder aus der östlichen Kultur herausgeboren sind, empfinden sie solche Dinge in verschiedener Weise. Genau bekannt machte sich mit diesen Aufstellungen, mit diesen Erkenntnissen John Stuart Mills der russische Denker Herzen. In seiner Seele wirkte das ganz anders noch. Der westliche Denker beschreibt mehr, man möchte sagen, mit einer Art Nonchalance diese Perspektive des Bourgeois-Seins; der östliche Denker, Herzen, leidet furchtbar daran, dass Europa den Weg macht, wie dazumal diese zwei Leute, John Stuart Mill und Herzen behaupteten, ins Chinesentum hinein. Denn Mill und Herzen - Sie können das entnehmen aus der 1864 erschienenen Schrift von Herzen -, der eine mit östlicher, der andere mit westlicher Färbung, sie betrachten das, was im Chinesentum bis jetzt entstanden ist, als für eine gewisse Altersstufe schon Erreichtes gegenüber dem, worauf Europa hinsteuert: zu einem neuen Chinesentum, Chinesentum einer späten Stufe, in der die Menschen der Presskaviar bürgerlicher Nichtigkeiten werden. Einengung des Verstandes werde kommen, sagt John Stuart Mill, Einengung des Verstandes und der Lebensenergie. Abgeschliffenheit der Persönlichkeit, alles dasjenige, was zum Nivellement führen muss. Beständige, wie er sich ausdrückt, Verflachung des Lebens, beständiges Ausschließen allgemeiner menschlicher Interessen aus dem Leben, so sagt John Stuart Mill, und so bestätigt es, nur aus einem tragisch empfindenden Gemüte heraus, Herzen: Reduzieren auf die Interessen des kaufmännischen Kontors und des bürgerlichen Wohlstandes. - So in den sechziger Jahren schon John Stuart Mill und Herzen! Und John Stuart Mill, der zunächst über sein Land spricht, sagte: England ist auf dem Wege, ein modernes China zu werden. - Und Herzen sagte: Nicht nur England, sondern ganz Europa ist auf dem Wege, ein modernes China zu werden. - Aus dem Buche von 1864 von Herzen kann man entnehmen, dass Herzen und Mill dazumal so ziemlich übereinstimmten in dem, was Herzen ausspricht: Wenn in Europa nicht ein unerwarteter Aufschwung eintritt, der zur Wiedergeburt der menschlichen Persönlichkeit führt und ihr Kraft gibt, die Bourgeoisie zu überwinden, so wird, trotz seiner edlen Vorfahren und seines Christentums, Europa zu China werden. Diese Worte sind 1864 gesprochen! Aber Herzen hatte keine Möglichkeit, mit dem Karma und den wiederholten Erdenleben zu rechnen. Und so konnte er eine solche Erkenntnis nur in tiefster Lebenstragik aufnehmen. Und er sprach es aus: Wir sind nicht die Ärzte unserer Zeit, wir sind die Schmerzen unserer Zeit, denn heran naht - vielleicht lässt es sich mit dem englischen Terminus, den dazumal Herzen und Mill gebrauchten, noch besser bezeichnen als mit einem deutschen -, herauf kommt «conglomerated mediocrity». Und Herzen spricht es aus, aus einem tragischen Gefühl heraus: es werde eine Zeit kommen in Europa, wo es der Realismus der modernen naturwissenschaftlichen Anschauung soweit gebracht haben wird, dass man an nichts mehr eigentlich im Ernste glauben wird, was einer anderen Welt, einer übersinnlichen Welt angehört, wo man davon sprechen wird, dass das Ziel, das man zu verfolgen hat, die äußeren physischen Realitäten nur sind, und wo man Menschen hinopfern wird um der physischen Realitäten willen, ohne dass man die Perspektive eröffnet, dass die hingeopferten Menschen etwas anderes bedeuteten als die Brücke für diejenigen, die nachfolgen. Der einzelne wird geopfert dem künftigen allgemeinen Polypenstock. - Das sind die Worte, die dazumal fielen. Europa, meint Herzen, hat nur eine Schwierigkeit, recht schnell zu China zu werden; das ist: Das Christentum lässt sich nicht so ganz ohne weiteres überwinden. - Aber er sieht doch keine Aussicht, denn er findet auch das Christentum verflacht, verflacht zur Revolution, und die Revolution, wie er sagt, verflacht zum bürgerlichen Liberalismus des 19. Jahrhunderts, zur «conglomerated mediocrity». Und im Hinblicke auf dasjenige, was John Stuart Mill ausgesprochen hat, sagt Herzen, indem er gedenkt des Unterganges des alten Roms: Ich sehe den unvermeidlichen Zusammenbruch des alten Europa; an der Pforte der alten Welt - Europas meint er - steht kein Catilina, steht der Tod. Nicht ohne eine gewisse Berechtigung, aber auch als einer, der zwar manches sieht, was in der Gegenwart um ihn herum ist, jedoch sich durchaus nicht entschließen kann, die tragenden Vorstellungen und Ideen der Geisteswissenschaft aufzunehmen, mit einer gewissen Berechtigung, sagte ich, bemerkt der gegenwärtige russische Schriftsteller Mereschkowski}, der gerade viel gelernt hat von Mill und Herzen, für unsere Zeit sei an die Stelle des Zepters der früheren Zeiten die Elle getreten, an Stelle der Bibel das Kontobuch, an Stelle des Altars der Ladentisch. - Der Fehler ist gerade der, daß man diese Dinge bloß kritisiert; denn dass Elle, Kontobuch und Ladentisch in unserem fünften nachatlantischen Zeitraum die Rolle spielen, die sie eben spielen: wir wissen es, dass es so sein muss, dass es einem unbedingten Weltenkarma entspricht. Und nicht darum handelt es sich, diese Dinge abzuurteilen, sondern darum, in diese Welt der Elle, des Kontobuches, des Ladentisches hineinzugießen denjenigen Geist, der allein diesen Dingen gewachsen ist, und das ist der Geist der Geisteswissenschaft." [68]

Auch heute wird versucht, die großen Klassiker wie Goethe und Schiller der «conglomerated mediocrity» anzugleichen und zu mittelmäßigen Geistern zu degradieren, und das obwohl romantische Komponisten wie Verdi, Berlioz, Liszt, Schumann, Schubert, Gounod, Massenet von Ihnen zu berühmten Opern; Orchesterstücken und Liedern inspiriert wurden: "Inwiefern ja unsere Geisteswissenschaft wirklich nur mit dem rein Menschlichen rechnet, das könnten Sie ja jetzt schon wissen. Und erkennen, meine ich, könnte man auch schon, dass doch da Unterschiede sind. Wir haben zum Beispiel vielfach besprochen und auch aufgeführt Goethes «Faust». Denn man braucht nicht nationale Hintergründe zu haben, wenn man Goethes «Faust» in seinen okkulten Tiefen der Menschheit vorführt. Ob man aber nationale Hintergründe haben muss,  vielleicht sogar sehr sonderbare nationale Hintergründe, wenn man, wie jetzt Maeterlinck wiederum neuestens, Goethe und Schiller und Lessing mittelmäßige Geister nennt und große Aufsätze über die Mittelmäßigkeit Goethes, Schillers und Lessings schreibt, wofür man große Zeitungen der Welt gewinnt, in denen das heute stehen kann - ob dahinter nicht nationale Gründe stecken, das überlasse ich Ihnen zu entscheiden! Vielleicht noch viel tiefere als bloß nationale!" [69]

Wenn die europäische Kultur nur auf dem äußeren positivistischen Realismus fußen will, wird sie zur «conglomerated mediority», «bürgerlichen Nichtigkeit», Chinesentum; Lehre des Konfuzius und des Laotse; Enzyklika vom 8. Dezember 1864: "Aber stellen Sie sich jetzt zwei Dinge zusammen. Ich habe Ihnen im Verlauf dieser Betrachtungen den Hinweis darauf gegeben, dass ein geniales Buch in einer gewissen Beziehung Ku Hung-Ming, der Chinese, geschrieben hat, und dass es darstellt, wie die einzige Rettung der Europäer die sei, dass sie sich dem Chinesentum zuwenden, denn dadurch würden die Europäer in die Lage kommen, ihre wertlosen Magna Chartas der Freiheit - meint Ku Hung-Ming - zu ersetzen durch die Magna Charta der Treue, die nur aus dem Chinesentum kommen könne. Und Ku Hung-Ming ist ein scharfsinniger Geist, der es bewahrheitet, was John Stuart Mill und Herzen bereits geahnt haben, der es bewahrheitet aus einer tiefen Kenntnis des Chinesentums selbst heraus; auch ein Geist, der nicht als Philologe, nicht als Schulmeister, sondern ein Geist, der aus einem praktischen Berufe, wie der Ihnen früher angeführte Max Eyth, gekommen ist; weder ein Theologe noch ein Schulmeister, noch ein Philologe, sondern einer, der ursprünglich Kaufmann war, durch allerlei Berufe noch durchgegangen ist und das Leben kennt. Ku Hung- Ming stellt das Chinesentum, das chinesische Leben dar. Man kann heute eine Vorstellung gewinnen aus den ungeheuer anschaulichen Darstellungen, die Ku Hung-Ming gegeben hat, und man bekommt den Eindruck: Wie recht hatten John Stuart Mill und Herzen - man lese nur das Buch von Herzen von 1864 -, als sie die Lehre des Konfuzius und des Laotse die letzte Konsequenz nannten, die herauskommen müsse, wenn der sogenannte positivistische Realismus, wie sie das nannten, getragen von der «conglomerated mediority», von der «bürgerlichen Nichtigkeit», Europa ergreift! Denn die letzte Konsequenz desjenigen, was heute an den Universitäten getrieben wird und in das Volk übergeht als heutige Weltanschauung, ist das Chinesentum, das nur sechshundert Jahre vor unserer Zeitrechnung schon zu dieser Konsequenz von einer früheren Kulturschichte aus sich bereitgefunden hat. Ku Hung-Ming zeichnet klar, was das Chinesentum ist; Mill und Herzen zeichneten den Weg, den diejenige europäische Kultur geht, welche nur auf dem äußeren positivistischen Realismus fußen will: Von beiden Seiten her, von der einen Seite, daß Europa das Chinesentum ergreifen wird, von der anderen Seite, daß die einzige Rettung Europas das Chinesentum ist. Vielleicht gibt es noch eine dritte Seite, und ich darf diese Frage gerade heute am Schlüsse auf werfen: Wie wäre es denn nun, wenn es auch eine Seite gäbe, der es sehr gelegen käme, wenn gerade ein Chinese heute den Europäern den Rat gäbe, die einzige Rettung zu wählen, die besteht? Wie wäre es, wenn nicht ein Zufall es wäre, dass just die Lehre des Ku Hung-Ming nach Europa hereingeworfen wird, die genial vom Standpunkte des Chinesentums, die aber geeignet genug ist, die Menschen, die sie nicht mit hellen Sinnen, mit den durch die Geisteswissenschaft geweckten Sinnen aufnehmen, zu verwirren und vielleicht gerade dorthin zu führen, wohin man sie haben will: richtig zum Chinesentum? Wie denn schon John Stuart Mill und Herzen richtig erkannt haben, dass die Segel, die ausgeschickt werden von gewissen okkulten Brüderschaften, dahin auslaufen und ein Chinesentum haben wollen; denn in das Chinesentum Europas kann man am besten dasjenige einschalten, was gewisse Brüderschaften wollen! Warum sollte es nicht auch dem Willen einer Brüderschaft entsprechen, dass nun just ein Chinese den Europäern den Rat gibt, hinzuhorchen auf all die Schönheiten, die gerade aus dem Chinesentum kommen könnten? Warum soll man nicht erwarten können, dass gerade die sogenannten Erleuchtetsten hingerissen werden von dem, was ein Chinese zu raten versteht, nachdem man sich in Europa selber keinen Rat mehr weiß? Nachdem ich Ihnen zunächst gesagt habe, wie bedeutend das chinesische Buch ist, fühle ich mich durchaus auch verpflichtet, gerade von dem Gesichtspunkte aus, der hier immer mit Geisteswissenschaft gepflegt werden soll, darauf aufmerksam zu machen, dass man solche Erscheinungen wie das Buch oder eigentlich die Bücher von Ku Hung- Ming - zwei sind schon erschienen - wohl verfolgen soll, aber unter Umständen wissen muss, dass hinter ihnen Absichten stecken, weitgehende Absichten. Unrecht tut man, wenn man sich nicht mit ihnen bekannt macht, aber unrecht geschieht auch, wenn man auf sie hereinfällt. Von ganz besonderer Wichtigkeit ist es aber, auf alles dasjenige sorgfältig hinzuschauen, was sich heute als Mystik oder Okkultismus aus manchmal recht trüben Quellen auftut. Und diejenigen, die in Erwägung ziehen werden, was ich vielfach ausgeführt habe, die werden auch versuchen, in diesen Dingen richtig zu sehen. Denn die moderne Welt steht in mancherlei anderen Strömungen noch drinnen, und es fragt sich, ob einzelne Leute den Willen haben, klar und deutlich zu sehen. Man muss zum Beispiel durchaus abwägen können, welch ein Unterschied besteht zwischer dieser und einer gewissen Strömung, die heute noch mehr Macht hat, als man glaubt und denkt, die von gewissen katholischen Quellen ausgeht, hinter denen auch vielfach Einweihungsprinzipien schon stehen, wenn auch natürlich diejenigen, die sie in die Weit hinausbringen, an dem Bindfaden geführt werden. Aber kontrastieren wir jetzt das, was auch kontrastiert werden kann: auf der einen Seite die römische Kirche und auf der anderen Seite jene okkulten Brüderschaften. Die römische Kirche, welche in der Ihnen ja bekannten Weise wirkt; jene Brüderschaften, die bis aufs Messer die römische Kirche selbstverständlich bekämpfen, aber andererseits eben bis zu diesen Dingen gehen, dass sie sehr wohl die okkulten Kenntnisse haben und auch benützen, aber in der Öffentlichkeit sie als mittelalterlichen Aberglauben nun brandmarken, um die Menschen in der richtigen Strömung zu erhalten, so dass sie sie benützen können. Kontrastieren Sie dieses mit der römischen Kirche. Nehmen Sie nur eine solche Tatsache wie die Enzyklika vom 8. Dezember 1864, wo von der römischen Kirche ex cathedra verkündigt ist [die Verdammung von] Freiheit des Gewissens und der Kulte. Sie führt die Sätze an, die von manchen geglaubt werden, und verdammt sie dann: Es wird gesagt von einigen Menschen, Freiheit des Gewissens und der Kulte sei jedes Menschen eigenes Recht; dies ist ein Delirium - das heißt ein Wahnsinn. Also ein Wahnsinn ist es, ein Delirium für den rechtgläubigen Katholiken im Sinne des römischen Stuhles, die Freiheit des Gewissens und der Kulte zu beanspruchen! Das ist die eine Strömung. Die andere Strömung, die findet, dass es besser ist, solche  Sachen nicht zu sagen, sondern lieber Dinge zu tun, wodurch die Freiheit des Gewissens, die Freiheit vor allen Dingen der eigenen Überzeugung und die' Hineinstellung der eigenen Überzeugung in das menschliche Leben aufgehoben wird. Da haben Sie auch zwei kontrastierende Bewegungen, die sehr bedeutsam sind in der Gegenwart und von denen vieles abhängt. Solche Betrachtungen, in die heute ausgemündet ist das, was ich zu sagen habe, werden aus dem Grunde hier angestellt, damit diejenigen, die innerhalb unserer geisteswissenschaftlichen Bewegung stehen, den inneren Seelenimpuls fassen, nicht zu den Schläfrigen zu gehören, sondern zu denen, die versuchen wollen, das Leben anzusehen, wie es ist." [70]

Ein Materialismus, der die Seele des Menschen leugnet und den schon der Muslim Averroes vertrat und der deswegen damals von Thomas von Aquin literarisch vernichtend geschlagen wurde, geistert auch heute wieder durch die Universitäten: "Als das Zeichen eines aufgeklärten Menschen fasste man es auf, hinaus zu sein über die Annahme eines Seelenwesens, auch hinaus zu sein über die Annahme, dass die Menschen sich besonders unterscheiden von den Tieren. Man suchte nicht nur einen physischen Zusammenhang der Menschen mit den Tieren, sondern man suchte geradezu zu zeigen, dass die Menschen selber nichts anderes seien als Tiere, die sich nur wenig von den anderen Tieren unterscheiden, wie die anderen Tiere auch voneinander. Darauf kommt es den Leuten besonders an, und daraufhin schrieb man nicht nur Naturgeschichte, daraufhin schrieb man auch Psychologien, Seelenkunden. Man braucht nur etwas herauszugreifen, was von tonangebenden Menschen des 19. Jahrhunderts herrührt, und man wird finden, zu welchen Anschauungen es die Menschen eigentlich gebracht haben. Da habe ich ein Buch vor mir; es ist gewissermaßen ein Buch, welches tief einschneidende Anschauungen des 19. Jahrhunderts repräsentiert. Es handelt nämlich über die Seele, und zwar über die Seele des Menschen. In dem Buch wird möglichst nachzuweisen versucht, dass diese Seele des Menschen etwas ist, wovon nur die dummen Leute der früheren Zeit gesprochen haben und heute noch sprechen. Das Buch ist 1865 geschrieben, aber diese Ansichten haben sich ja fortgepflanzt, und wenn auch heute einige sagen, man wäre darüber hinaus: man ist nicht darüber hinaus, sondern gerade im Gefühls- und allgemeinen Kulturleben ist man noch tief drinnen. Es handelt über die menschliche Seele, aber es wird vorzugsweise Wert darauf gelegt, zu zeigen, dass die Tierseele dieselbe ist wie die Menschenseele. Namentlich findet sich da auf Seite 185 eine niedliche Definition der Frauen und Männer. Die Frauen, sagt der Betreffende, stellen durch ihre eigentümlichen Eigenschaften mehr die Tendenz zum Spiritualismus dar, die Männer mehr die Tendenz zum Materialismus. Es ist also der Spiritualismus, wie da dargestellt wird, eine Schwäche der Frauen! Dann findet er, daß noch gewisse hirnverbrannte Psychologen von einem Ich reden, von einem Ich als den Menschen unterscheidend von den Tieren. Aber er sagt in niedlicher Weise: Die Katze zum Beispiel zeigt, dass sie auch Ich sagt. Sie hat ein ebensolches Bewußtsein von dem Ich - wie er sich ausdrückt - , wie unsere vagen und übersinnlichen Psychologen, denn das Ich-Bewußtsein der Katze unterscheidet sich gar nicht von dem Ich- Bewußtsein der Menschen. - Und dann kommt eine Stelle, die zitiert wird aus einem anderen Buche, womit der Verfasser aber vollständig übereinstimmt. Diese Stelle lese ich Ihnen vor und bitte Sie, dabei zu entschuldigen, daß die Sprache in ihrer Ganzheit nicht ganz salonfähig ist. Aber es ist nicht meine Schuld, es ist die Schuld der Philosophie, die sich unter solchem Einflüsse ausgebildet hat, und es ist durchaus die Philosophie, welche lebendige Impulse in die Zukunft hinüberschicken will, die Philosophie, welche behauptet, heute einzig und allein die eines Menschen würdige zu sein. Da wird gesagt: «Les theologastres et les metaphysicuistres de notre epoque pretendent aussi que l'homme est le seul animal religieux; c'est on ne peut plus faux,et cette erreur est toute pareille ä celle de ces voyageurs qui concluent de l'absence de culte organise a l'absence de religion chez certaines peuplades sauvages; dans une grande partie de la serie animale, meine parmi les mollusques, on trouve des indices de fetichisme et d'astrolätrie.» Also bei den Mollusken und bei den anderen Tieren findet man Indizien für Fetischismus und für Sternendienst. «Les plus rapproches de l'homme se livrent a un verkable polytheisme anthropolätrique. Notre chien domestique aboie a la lune et hurle d'une maniere toute particuliere au bord de la mer, et on le voit en mainte occasion faire usage de la seule eau lustrale qui soit a sa disposition et accomplir des rites plus ou moins obscurs. Qui pourrait prouver qu'il n'y a jamais eu de grand pretre parmi les chiens? Qu'est-ce qui aurait pu degrader ce pauvre animal au point de lui faire lecher la main qui le f rappe, si ce n'etaient des idees religieuses et superstitieuses? Comment expliquer, sans une anthropolätrie profonde, la soumission volontaire de tant d'animaux plus forts et plus agiles que l'homme? A la verite, on nous dira que fort souvent l'animal croque son dieu; mais, primus in orbe deos fecit timor . . . Et d'ailleurs, les sectateurs de plusieurs religions mangent bien le leur!» «Die Theologaster und Metaphysisten unserer Epoche behaupten auch, dass der Mensch das einzig religiöse Tier sei. Das ist das Falscheste, was man behaupten kann, und dieser Irrtum ist ganz ähnlich demjenigen mancher Reisenden, welche aus der Abwesenheit eines organisierten Kultes schließen auf die Abwesenheit der Religion bei gewissen wilden Völkerschaften. Bei einer großen Partie der Tiere, selbst unter den Mollusken, findet man Indizien von Fetischismus und Sternenanbeterei. Die dem Menschen am nächsten stehenden Tiere bekennen sich zu einem wahren Polytheismus der Menschenverehrung. Unser Haushund bellt den Mond an und heult in einer besonderen Weise am Ufer des Meeres, und man sieht ihn, wenn er Gelegenheit dazu hat, von dem einzigen Reinigungswasser Gebrauch machen, das zu seiner Disposition da ist, und Riten erfüllen, welche mehr oder weniger obskur sind. Wer kann beweisen, dass es niemals einen Hohenpriester unter den Hunden geben könne? Heißt es nicht dieses arme Tier degradieren, wenn man von ihm die Hand lecken lässt, die es schlägt? Sind das nicht religiöse und übersinnliche Ideen? Wie kann man erklären ohne Annahme einer profunden Anthropolatrie - also einer profunden Menschenanbetung - die freiwillige Unterwerfung so vieler Tiere, die viel stärker und beweglicher sind als die Menschen? In Wahrheit, man sagt uns oftmals, das Tier fresse seinen Gott auf» - den Menschen nämlich. «Aber - jetzt zitiert er: <Die Furcht machte den ersten Gott der Erde> . . . und überdies, gibt es nicht auch Sektierer in den verschiedenen Religionen, welche ihren Gott auffressen?» Dieses Buch, in dem dieser Anschauung zugestimmt wird, heißt: «Materialisme et Spiritualisme» und ist von Leblais; aber eine Vorrede dazu hat einer geschrieben, welcher eine ganze Reihe von Schriften geschrieben hat, welcher 1871 in die Nationalversammlung berufen worden ist, in demselben Jahre berufen worden ist zum Mitglied der Academie; derselbe Littre, der wirklich als ein in der ganzen Welt bekannter Mann berufen worden ist, hat die Vorrede zu diesem Buch geschrieben. Dieses Buch handelt über die menschliche Seele, und es spricht nur in einer dezidierteren Weise dasjenige aus, was ja im Grunde genommen durch zahlreiche Seelen heute pulsiert. Und es liegt nur daran, dass man so wenig geneigt ist, das Leben zu beobachten, wenn man nicht sieht, um was es sich dabei in der Menschheitsentwickelung zum Leid und Schmerz desjenigen, der die Dinge durchschaut, handelt. Ich wollte Ihnen ein keineswegs vereinzeltes Beispiel hinstellen von dem Vorhandensein materialistischer Anschauungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts."  [71]

Ursache des Materialismus, phantastische Vorstellungen der Theologen,  fälschliche Umdeutung eines Engels zu Gott in den Religionen; der «Gott» der islamischen Theologen und inzwischen auch der christlichen als luziferischer Engel wird den Menschen in den Materialismus hineinführen: "Das Menschengeschlecht wird atomisiert. Es bleibt gewissermaßen nur das Wort «Gott» noch übrig, das für die Menschen einer Sprache gemeinsam lautet, aber unter diesem einen Worte stellt sich jeder etwas anderes vor, nämlich seinen eigenen Engel. Und er kommt nicht einmal hinauf bis zu dem Erzengel, welcher menschliche Gemeinschaften leitet. Dem liegt ein gewisser verborgener Egoismus zugrunde, den die Menschen nicht zugeben wollen. Aber es ist etwas Gewichtiges gesagt, wenn wir uns dies vor Augen halten, denn der Mensch lebt eigentlich in einer Unwahrheit, wenn er sich nicht gesteht: ich blicke auf zu meinem Engel - sondern wenn er sich sagt: ich blicke auf zu dem alleinheitlichen Gotte. - Er lebt in einer nebulosen Vorstellung, das heißt, in einer innerlichen Täuschung, in einer innerlichen Maja. Und dies hat wichtige Folgen, denn indem sich der Mensch also dieser innerlichen Täuschung hingibt, tritt etwas ganz Bestimmtes ein. Denn dadurch, dass wir uns phantastischen Vorstellungen hingeben, ändern wir nicht die geistigen Wirklichkeiten, die infolge desjenigen, was wir richtig oder unrichtig vorstellen, wirklich auch eintreffen. Indem der Mensch eigentlich nur zu seinem Engel aufblickt, das sich aber nicht gesteht, sondern glaubt, er blicke zu dem Gotte auf - während er nicht einmal zu einem Erzengel aufblickt -, betäubt er durch diese unwahre Vorstellung in einem gewissen Sinne seine Seele. Und diese Betäubung der Seele ist ja heute allgemein vorhanden. Aber wenn man die Seele betäubt, dann ist das für unsere heutige Menschheitsentwickelung außerordentlich verhängnisvoll. Denn durch die Betäubung der Seele wird das Ich heruntergedrückt, heruntergetrübt, und dann schleichen sich die anderen Mächte, die nicht in der Seele wirken sollen, in diese Seele ein. Das heißt, es schleicht sich an die Stelle des Engels, den man zunächst verehren wollte, den man aber umtauft zu «Gott», der luziferische Angelos ein, und man kommt allmählich dazu, nicht den Engel zu verehren, sondern den luziferischen Angelos. Dann aber ist die schiefe Ebene, die den Menschen hinunterführt, sehr nahe; dann ist es sehr nahe, dass er den Gott überhaupt verleugnet, das heißt, seinen Engel verleugnet - was immer zusammenhängt mit der Verleugnung des wahren menschlichen Ich, wie ich Ihnen gezeigt habe an dem Buche «Materialisme et Spiritualisme» von Leblais, wo behauptet wird, daß die Katze ebenso ein Ich hat wie ein Mensch, und wo von dem «grand-pretre du chien» gesprochen wird. So müssen wir durchaus einsehen, dass in vieler Beziehung die Antwort [, die] gegeben werden muss auf die Frage «Wer hat Schuld an dem Materialismus unserer Zeit?» - [lautet:] Die Religionen haben Schuld, die religiösen Bekenntnisse, indem sie das Bewußtsein der Menschen trüben und an die Stelle Gottes einen Engel setzen, für den sich dann substituiert der luziferische Engel, der ihm entspricht. Und dieser luziferische Engel wird den Menschen alsbald in den Materialismus hineinführen. Das ist der geheimnisvolle Zusammenhang zwischen den hochmütigen, egoistischen Religionsbekenntnissen, welche nichts hören wollen von dem, was über einem Engel steht, sondern in maßlosem Hochmut sagen, dass sie von «Gott» sprechen, während sie nur von einem Engel sprechen, und von dem noch nicht einmal vollständig. Dieser maßlose Hochmut, der noch oftmals als Demut angesprochen wird, er ist es, welcher letzten Endes den Materialismus hat hervorbringen müssen. Wenn wir dies bedenken, dann sehen wir einen bedeutungsvollen Zusammenhang: Durch die fälschliche Umdeutung eines Engels zu Gott entsteht in der Menschenseele der Hang zum Materialismus. Und es liegt ein unbewußter Egoismus zugrunde, der sich darinnen äußert, dass der Mensch es verschmäht, aufzusteigen zu der Erkenntnis der geistigen Welt, der sich auch darinnen äußert, dass der Mensch sozusagen nur aus sich heraus den Zusammenhang mit seinem Gotte unmittelbar zu finden meint. Sie sehen in vieles hinein, was in der Gegenwart spielt, wenn Sie dies ins Auge fassen, was ich Ihnen hiermit angedeutet habe. Es gibt nur ein einziges Mittel gegen die Missdeutung Gottes, und das ist die Anerkenntnis der geistigen Hierarchien. Denn dann weiß man auch, dass die gegenwärtigen Religionsbekenntnisse nicht höher hinaufsteigen als bis zu der Hierarchie der Angeloi." [72]

Die Verirrung des Glaubens, die zu einer Verirrung ganzer Völker führt, in der islamischen Welt besonders verbreitet: "Wenn der Mensch von seinem Engel, indem er ihn zu «Gott» umtauft, zu dem luziferischen Engel kommt, so ist das eine Verirrung des Glaubens, des Bekenntnisses, der Weltanschauung, eine Verirrung, die gewissermaßen individuell ist. Das Nächste kann eine Verirrung ganzer Völker sein; aber es bleibt immer eine Verirrung gewissermaßen unter den Menschen, und die Folgen, die auftreten, sind eben die Folgen der Verirrungen unter den Menschen. Aber wenn wir zum Zeitgeiste vordringen und dem gegenüber uns verirren, da stoßen wir schon mit unseren Verirrungen an den Kosmos. Und es gibt einen geheimnisvollen Zusammenhang zwischen den Verirrungen gegenüber dem Zeitgeiste und den Anfängen von dem, was der Mensch kosmisch gewissermaßen auf sich lädt. Diesen Zusammenhang sieht man nicht, wenn man überhaupt jeden Aufblick über den Angelos hinauf ablehnt. Dasjenige, was ich jetzt sage, möge jeder so nehmen, wie er es eben nehmen kann. Es wird aus der Geisteswissenschaft heraus gesagt aus tiefgehenden Untersuchungen, aber ich müsste monatelang reden, wenn ich diese Untersuchungen alle in ihren Einzelheiten anführen wollte. Die Verirrungen, die der Mensch dem Zeitgeiste gegenüber begeht, stoßen an die kosmischen Ereignisse, und die kosmischen Ereignisse stoßen zurück. Und die Folge davon, dass ins Menschenleben nun kosmische Ereignisse hereingetragen werden, die Anfänge zunächst von kosmischen Ereignissen, ist Dekadenz, die bis zur Dekadenz des physischen Leibes greift, mit anderen Worten: Krankheiten und Sterblichkeit und alles, was damit zusammenhängt. Und es wird sich vielleicht einmal die Menschheit in gar nicht ferner Zeit überzeugen, dass sie allerdings durch manches, was sie auf dem physischen Plane verrichtet, wenn dieses geeignet ist bis zum Zeitgeist hinauf vorzustoßen, hereinbeschwört in die Erdenentwickelung zerstörende Kräfte, die in ihren Wirkungen bis zu Krankheit und Tod gehen. Wenn Sie sich dann fragen, ob nach den Einsichten, die Sie gewonnen haben, vielleicht manches, was gerade in der neuesten Zeit geschieht, eine Verirrung gegenüber dem Zeitgeiste sein kann, so werden Sie sich selbst die Antwort geben können über tiefgehende Zusammenhänge, die bis in Krankheit und Tod hineingehen, durch die dann ein Ausgleich herbeigeführt werden wird gegenüber mancherlei, was der Mensch an Sünden begeht gegenüber dem Zeitgeiste. Man kann sehr gut wissen, dass die sehr gescheiten Menschen von heute selbstverständlich nur lachen, wenn man so etwas sagt, wie ich es eben vorgebracht habe. Denn sie wissen aus ihrer naturwissenschaftlichen Weltanschauung heraus, dass es doch, wie sie sagen, ein Unsinn ist zu glauben, das, was ein Mensch tut, was Menschen in ihren Zusammenhängen tun, könnte elementare Ereignisse herbeiführen. Aber die Zeit ist nicht fern, wo die Menschen dies glauben werden, aus dem einfachen Grunde, weil sie es dann sehen werden." [73]

Unmöglichkeit der Kriege innerhalb von Europa, Unmöglichkeit des russischen Krieges gegen die Ukraine, "denn es ist eine absolute Unmöglichkeit, eine tatsächliche Unmöglichkeit, dass zwei Menschen, die sich feindlich gegenüberstehen, jeder sich zu dem Christus bekenne". Wie kommt eigentlich die Menschenseele zu dem Christus?  "Und man kann sagen, da Christus selbstverständlich ein höheres Wesen ist als alle Archai, dass der Weg zu Christus gefunden werden muss. Denn auf demjenigen Wege, den die gewöhnlichen Religionsbekenntnisse heute gehen, wird nicht der Christus gefunden, sondern höchstens ein Angelos, wie wir gesehen haben. Im Namen der verschiedenen Angeloi, auch sogar noch mancher Archangeloi, wenn sich statt der fortschreitenden die luziferischen an ihre Stelle gesetzt haben, kann man sich so verhalten, wie sich die Menschen heute verhalten, aber im Namen des Christus kann man das nicht. Denn es ist eine absolute Unmöglichkeit, eine tatsächliche Unmöglichkeit, dass zwei Menschen, die sich feindlich gegenüberstehen, jeder sich zu dem Christus bekenne. Ich meine: Dies einzusehen, ist keine Schwierigkeit, denn es ist sozusagen eine Selbstverständlichkeit. Man kann es unter der Voraussetzung, dass man den Namen spricht: «Christus, Christus» oder «Herr, Herr» - was ja der Christus selbst schon angedeutet hat -, dass man aber nur seinen eigenen Engel meint; aber man kann es nicht, wenn man wirklich von dem Christus spricht. Es kann also die Frage entstehen: Ja, wie kommt denn die Seele überhaupt zu einem Wege zu Christus? - Um über diese Frage sich zu unterrichten, kann man verschiedene Wege einschlagen. Wir wollen heute einen Weg einschlagen, der sich uns auf naturgemäße Weise aus mancherlei Betrachtungen ergibt." [74]

Wie kann der heutige Mensch einen Weg zu dem Christus finden?; Horror vacui, Ahriman gewinnt die Möglichkeit, bis in die Physis herein sich als Dämon festzusetzen; Positiver Aberglaube ist, Geister zu sehen dort, wo keine sind; negativer Aberglaube aber ist, Geister zu leugnen da, wo sie sind; Dämonomagie in KI, Technik, Biotech-Medizin und -Landwirtschaft: "Vor allen Dingen ist notwendig, dass der Mensch wiederum hinauskommt über das egoistische Nur-in-seiner-Seele-Leben. Denn ein wahres Wort - oh, es werden so viele Worte, die in den Evangelien stehen, nicht ihrer Wahrheit nach genommen, weil sie den Menschen nicht passen! -, ein wahres Wort der Evangelien ist: «Wo zwei in meinem Namen vereinigt sind, da bin ich mitten unter ihnen.» - Der Geist der eitlen Mystik, der da sagt: Ich werde in meiner Seele den Christus gebären, - der ist nicht der Geist des Christentums, sondern der Geist, der da spricht: «Wo zwei in meinem Namen vereinigt sind, da bin ich mitten unter ihnen.» - Aber um den ganzen Geist dieses Spruches Ihnen auch im Zusammenhange mit den wiederholten Erdenleben, wie wir das bei den jetzigen Betrachtungen wollen, auseinanderzusetzen und für unsere Zeit ihn zu charakterisieren im Zusammenhange mit dem ganzen Leben, in das der Mensch heute durch seinen Beruf hineingestellt ist, dazu muss ich auf einiges Charakteristische gerade in unserer Zeit eingehen; denn es ist notwendig, dass man kennen lerne das Hinauskommen über das egoistische Beschränktsein im Menschen. Hinauskommen muss man im Sinne unserer Zeit schon durchaus dadurch, dass man auch wiederum den Kosmos kennenlernt, mit dem der Mensch ja in Beziehung steht und aus dem der Mensch geboren ist, daß man lernt, den Kosmos im Verhältnis zum Menschen denken zu können. Glauben Sie denn, dass die Naturwissenschaft heute den Kosmos im Verhältnis zum Menschen denken kann? Erinnern Sie sich an den Ausspruch, den ich auch in öffentlichen Vorträgen zitiert habe, von Herman Grimm: Die Naturwissenschaft denkt eine Art Mechanismus, in dem der Mensch gar nicht drinnen sein kann. - Den Menschen im Verhältnis zum Kosmos kann heute die naturwissenschaftliche Weltanschauung nicht denken, denn um das zu können, muss man die Dinge erst konkret anschauen. Heute konstruiert einer eine Maschine; das tut er eben und glaubt, indem er diese Maschine konstruiert, da geschieht in der Tat nichts, als dass er diese Maschine konstruiert, beziehungsweise noch das, was durch diese Maschine geschieht. Aber einem solchen Glauben sich hinzugeben, hieße begründen das, was heute so allgemein verbreitet ist, was man nennen kann: negativen Aberglauben. Aberglaube ist der Glaube an Geister, wo keine sind; aber man kann auch nicht an Geister glauben, wo welche sind: das ist der negative Aberglaube. Diesem negativen Aberglauben, dem gibt sich heute die Menschheit in Hülle und Fülle hin, ohne dass sie es zunächst noch weiß, weil man sich noch nicht gewöhnt hat, die Dinge, welche in der Menschheitsentwickelung auftreten und die man heute nur unter dem Gesichtspunkte des Mechanismus denkt, diese Dinge auch im ganzen Weitenzusammenhange drinnen unter einem moralischen Gesichtswinkel zu denken. Greifen wir eines heraus, aber eines, das zunächst charakteristisch ist für unsere Zeit, ähnlich ist vielem anderen, das heute in vieler Beziehung unser äußeres Leben beherrscht: die Dampfmaschine. Was spielt heute die Dampfmaschine für eine Rolle! Was ist alles in unserem Leben von der Dampfmaschine beherrscht! Denken Sie nur einmal nach, was alles nicht da wäre, wenn die Dampfmaschine nicht da wäre. Ich will nicht sagen, daß alles das, was der Mensch heute hat, durch die Dampfmaschine hervorgebracht sein müsse, aber es wird eben heute im Sinne des richtigen Zeitgeistes viel von der Dampfmaschine hervorgebracht. So richtig ist die Dampfmaschine doch eigentlich erst im 18. Jahrhundert erfunden worden, denn was vorher vorhanden war, waren im Grunde genommen nur noch nicht verwertbare Versuche. Dasjenige also, was heute ganz allgemein ist, was heute eine ungeheure Bedeutung hat, das ist die Dampfmaschine, die, man kann sagen, zuerst brauchbar geworden ist - die früheren Versuche sind erst brauchbar gemacht worden - 1719 von Newcomen, und dann später, 1762, von Watt. Eigentlich kann man erst von den beiden sprechen als von Urhebern der Dampfmaschine, wenigstens in dem Umfange, in dem man heute von Dampfmaschinen spricht und allem, was damit zusammenhängt. Nun, worauf beruht denn überhaupt diese Möglichkeit, Dampfmaschinen zu haben, die gar noch nicht so sehr alt ist? Worauf beruht denn diese eigentlich? Sehen Sie, 1769 - ich werde jetzt für jeden naturwissenschaftlich Denkenden etwas furchtbar Kurioses sagen - , da Watt die Dampfmaschine sozusagen erst auf die richtige Höhe gebracht hat, das ist das Jahr, das gar nicht fern liegt der Konzeption von Goethes «Faust». Vielleicht können sich für unsere Betrachtungen noch sonderbare Zusammenhänge ergeben zwischen dieser Dampfmaschine und der Konzeption von Goethes «Faust», obwohl diese Dinge sehr weit auseinanderliegen. Dazu müssen wir aber erst einmal uns mancherlei, was mit dem Eintreten der Dampfmaschine in die menschliche Evolution zusammenhängt, vor die Seele führen. Worauf beruht denn die Dampfmaschine eigentlich? Die Dampfmaschine beruht eigentlich darauf, dass man luftleeren oder luftverdünnten Raum herstellen kann. Alle Möglichkeit, Dampfmaschinen zu machen, beruht darin, luftleeren Raum herzustellen und nutzbringend zu verwenden. In alten Zeiten, die jetzt schon sehr lang vergangen sind, sprach man vom Horror vacui, von der Furcht vor dem Leeren. Man meinte damit etwas Objektives. Man meinte damit, dass der Raum immer mit etwas erfüllt sein will, dass etwas Leeres eigentlich nicht hergestellt werden könne, dass die Natur eine Art Horror habe vor dem Leeren. Es musste in der Menschheit erst der Glaube an den Horror vacui verschwinden, und es musste erst die Möglichkeit hergestellt werden, luftverdünnten, annähernd luftleeren Raum zu erzeugen, bevor man an Dampfmaschinen ging. Die Luft musste fortgeschafft werden aus gewissen Räumen. Durch mechanische Betrachtung wird man nicht dazu kommen, gewissermaßen eine neue kosmische, moralische Vorstellung zu gewinnen gegenüber der alten kosmischen, moralischen Vorstellung von dem Horror vacui. Aber was geschieht denn da eigentlich, wenn wir einen luftleeren oder luftverdünnten Raum herstellen mit der Absicht, dasjenige, was dadurch geschieht, in den Dienst der menschlichen Erdenentwickelung zu stellen? Die biblische Urkunde sagt, dass Jahve dem Menschen den lebendigen Odem eingeblasen hat, die Luft, und dadurch wurde er eine lebendige Seele. Die Luft musste in den Menschen hereingeschaffen werden, damit der Mensch dasjenige werden konnte, was er als Erdenmensch werden soll. Durch viele Jahrhunderte, ja durch Jahrtausende hat der Mensch nur dasjenige an Luftverdünnung und -Verdichtung benützt, was sich von selber ergab im kosmischen Zusammenhange. Dann kam die neuere Zeit. Da ging der Mensch daran, die Luft selber zu verdünnen, wegzuschaffen das, was Jahve hereingeschaffen hat, im Gegensinn zu dem zu wirken, wie Jahve wirken kann, indem er den Menschen in die Erde hereingestellt hat. Was geschieht denn also eigentlich, indem der Mensch den luftverdünnten Raum benützt, das heißt, die Luft fortjagt von dem Räume? Es geschieht Opposition gegen Jahve. Sie können sich jetzt leicht denken: Während Jahve in den Menschen hereinströmt durch die Luft, verjagt der Mensch den Jahve, wenn er den luftverdünnten Raum herstellt! Ahriman gewinnt die Möglichkeit, bis in die Physis herein sich als Dämon festzusetzen, indem auf diese Weise die Dampfmaschine konstruiert wird. Wenn man die Dampfmaschine konstruiert, gibt man Gelegenheit zur Verkörperung der Dämonen. Man braucht ja nicht an sie zu glauben, wenn man nicht will: das ist negativer Aberglaube. Positiver Aberglaube ist, Geister zu sehen dort, wo keine sind; negativer Aberglaube aber ist, Geister zu leugnen da, wo sie sind. In den Dampfmaschinen aber sind ahrimanische Dämonen wirklich sogar bis zum physischen Körper gebracht. Das heißt: Während der Kosmos mit seinem Geistigen heruntergestiegen ist durch das, was der menschlichen Evolution eingegossen worden ist, wird verjagt der Geist des Kosmos mit demjenigen, was da an Dämonen geschaffen wird. Das heißt: Der neuere große, bewundernswerte Fortschritt hat nicht nur eine Dämonologie gebracht, sondern eine Dämonomagie, und die moderne Technik ist vielfach Dämonomagie." [75]

Die Menschheit muss lernen, die Natur so zu behandeln, wie die Götter selber die Natur behandelt haben; neuere Wissenschaft mit ihrer Weltanschauung, unchristlich: "Man wird anfangen müssen, das Christentum wieder ernst zu nehmen. Am wenigsten ernst wird es genommen von Seiten der Theologen aus; denn diese Theologen streiten sich oft darüber, ob Christus Wunder gewirkt hat, ob er Dämonen ausgetrieben hat zum Beispiel durch Wunder. Nun, es ist ganz überflüssig zu streiten, ob der Christus Dämonen ausgetrieben hat, wenn wir nur an der richtigen Stelle lernen, dort die Dämonen jetzt auszutreiben, wo wir sie jetzt zunächst austreiben können, wenn wir lernen, ihm die Wunder nachzumachen.Wir vermögen noch wenig - das ist das Schicksal, das Karma unseres Zeitalters - , im höheren Sinne wiederum Dämonen auszutreiben, wie es das Altertum konnte aus dem Atavismus heraus. Aber die Dämonen können wir beginnen zunächst auszutreiben, von denen wir gestern gesprochen haben; diese Dämonen sind da, und negativer Aberglaube ist es, zu meinen, dass sie nicht da sind. Wodurch treiben wir sie aus? Die Menschheit wird sich überzeugen, dass sie ausgetrieben werden, wenn dasjenige, was heute ein unheiliger Dienst ist, ein heiliger Dienst wird, das heißt, durchtränkt wird mit dem Christus-Bewußtsein. Das heißt mit anderen Worten: zum Sakramentalismus übergehen, wenn in dasjenige, was der Mensch verrichtet, das Bewußtsein einzieht, dass überall hinter ihm der Christus ist, und daß er nichts anderes machen soll in der Welt als dasjenige, bei dem der Christus ihm helfen kann. Denn macht er etwas anderes, so muss der Christus ihm helfen; das heißt: der Christus wird in den menschlichen Taten gekreuzigt und weiter gekreuzigt. Die Kreuzigung ist nicht bloß eine einzige Tat, die Kreuzigung ist eine fortschreitende Tat. So oft wir nicht die Dämonen austreiben durch das, was in unserer Seele lebt, indem wir die äußere mechanische Handlung zunächst zu einer heiligen machen, so lange kreuzigen wir den Christus. Denn von da aus muss unsere Erziehung zu dem wahren Christentum gehen. Dasjenige, was in den alten Kulten des Christentums symbolisch gepflogen wurde, das muss die ganze Welt ergreifen; was bloß auf dem Altar vollzogen wurde, das muss die ganze Welt ergreifen. Die Menschheit muss lernen, die Natur so zu behandeln, wie die Götter selber die Natur behandelt haben: nicht in uninteressierter Weise Maschinen bauen, sondern bei allen Verrichtungen einen Gottesdienst erfüllen, Sakramentalismus in alles bringen. Anfänge wird man schon mit mancherlei machen können. Vor allen Dingen an zwei Punkten können heute die Menschen beginnen, Sakramentalismus zu entwickeln. Das ist erstens an dem Punkt der Erziehung und des Unterrichtes. Wenn wir jeden Menschen, der durch die Geburt in die Welt hereingeht, so betrachten, dass er seine Kraft des Christus mit hereinbringt und wir dadurch vor dem aufwachsenden Menschen die rechte Ehrfurcht haben, und daraufhin die ganze Erziehung und namentlich den Unterricht einrichten, das heißt, in dem Unterrichte einen Sakramentalismus verwirklichen - darüber können wir uns ja einmal deutlicher aussprechen - , wenn wir ein Sakramentales verwirklichen, wenn wir in dem Erziehen und Unterrichten einen Gottesdienst sehen, aber es auch zu einem Gottesdienst machen, dann beginnen wir dasjenige, was die Religionen Taufe nennen, zu spiritualisieren. Und wenn wir versuchen, dasjenige, was wir unsere Erkenntnis nennen, so zu unserem Bewußtsein zu bringen, dass, indem unsere Seele sich mit Ideen über die geistige Welt anfüllt, wir das Bewußtsein haben: Das Geistige geht da in uns über, wir vereinigen uns mit dem Geistigen -, wenn wir das als eine Kommunion ansehen, wenn wir verwirklichen können wahre Erkenntnis - das Denken ist die wahre Kommunion der Menschheit, Sie finden den Satz schon 1887 ausgesprochen -, wenn wir das verwirklichen können: dann wird dasjenige, was das symbolische Altarsakrament war, zu einem allgemeinen sakramentalen Erleben der Erkenntnis. Nach dieser Richtung muss die Verchristung der Menschen gehen; dann werden Sie darauf kommen, dass überall im Leben für alles dasjenige, was mit dem Christus zusammenhängt, in der Tat die Wirklichkeit einzieht in die Maja, und dass, die Wirklichkeit so anzusehen, wie sie die neuere Wissenschaft ansieht mit ihrer Weltanschauung, unchristlich ist, im eminentesten Sinne unchristlich ist." [76]

Neuere protestantische Pastoren wissen sogar weniger über Christus als Türken: "Wenn die Menschen nur einmal so verstehen wollten den Christus, wie ich es heute angedeutet habe - und wenn wir noch öfter hier reden können, so werde ich das genauer ausführen -, wenn die Menschen so verstehen könnten den Christus, wie das heute in den allerersten primitivsten Andeutungen eben gezeigt worden ist, dann würden die Empfindungen, die Vorstellungen, die über den Christus entwickelt werden, wirklich zu allen Menschen getragen werden können, denn der Christus ist nicht bloß für diejenigen gestorben, die sich zu einem jetzigen christlichen Bekenntnisse bekennen, sondern er ist gestorben und auferstanden für alle Menschen. Und man darf nicht ein bestimmtes Religionsbekenntnis mit dem Christus-Wesen zusammenbringen, sondern jedes Religionsbekenntnis ist mit dem Christentum zusammenzubringen. Würden die Menschen verstehen, den Christus so aufzufassen, wie es angedeutet worden ist, dann würde das Christentum über die ganze Erde verbreitet werden. Denn etwas anderes ist die Christus-Offenbarung und die Jesus-Offenbarung." [77]
 

16. Kosmische und menschliche Geschichte IV - I, Zeitgeschichtliche Betrachtungen; «Die Weisheit liegt nur in der Wahrheit»; die Presse als Großmacht; Dante und Carducci; Dreißigjähriger Krieg, Mitteleuropa, Ansturm von Westen und aus dem Osten; Goethe nicht in einem Staatsgefüge groß geworden; 1848, die Idealisten wollten ursprünglich Deutschland ohne Krieg in einem gemeinsamen Reichs- oder Staatengebilde zusammenfassen; Entstehungsursachen des Krieges 1870/71; die Deutsche Reichsgründung auch heilsam für die anderen Völker, als Bollwerk gegen Russland; Mitteleuropäisches Wesen oft missverstanden; Goethes Evolutionstheorie im Gegensatz zum Darwinismus


Unterschied zwischen einem inhaltsvollen Urteile, einem inhaltsvollen Satze, und einem inhaltsleeren Satze: "Die gesamte Vorbereitung, die ein Mensch braucht, um gerade heute in der richtigen Weise in die Geisteswissenschaft  einzudringen, kann umfasst werden mit dem Ausspruche: «Die Weisheit liegt nur in der Wahrheit.» Man muss dann allerdings das Wort «Wahrheit» ernst und würdig in jeder Beziehung nehmen. Rein äußerlich gesehen, sind wir zunächst in eine Entwickelung namentlich des europäischen, eigentlich aber des gesamten Erdenlebens hineingekommen, welche zeigt, wie wenig gerade in unserer heutigen, so vielgepriesenen Zeitkultur die Seelen von dem, was in diesem Geleitspruche ausgedrückt werden soll, ergriffen sind....Und man kann sagen: Die große Sünde unserer Kultur besteht heute darin, in inhaltslosen Sätzen zu leben, ohne sich klarzumachen, wie inhaltslos diese Sätze sind. - Mehr als zu irgendeiner Zeit erleben wir heute: «Mit Worten lässt sich trefflich streiten, mit Worten ein System bereiten.»

Russland versuchte schon damals Unruhe zu stiften in Osteuropa, den Balkanstaaten: "Es gab durch Jahrzehnte hindurch ein «Slawisches Wohltätigkeitskomitee», welches unter dem Protektorate der russischen Regierung stand. Nicht wahr, was kann es denn Schöneres geben, als ein «Slawisches Wohltätigkeitskomitee» unter dem Protektorate einer mächtigen Regierung? Ich will Ihnen nun ein kleines Briefchen vorlesen, das mit diesem Komitee zu tun hat, und das datiert ist vom 5.Dezember 1887. In diesem Briefchen steht folgendes: «Der Präsident des Petersburger Komitees der Slawischen Wohltätigkeitgesellschaft hat sich an den Minister der Äußeren mit der Bitte um Waffen und Munition für die Expedition Nabokow gewendet.» Also nicht um Hemdchen und Höschen für Kinder, sondern um Munition für eine gewisse Expedition, die zusammenhing mit der Erregung von Revolutionen in den einzelnen Staaten der Balkanländer! Daraus sehen Sie vielleicht, wie dasjenige, was, nicht wahr, eine Lüge ist - die realisierte Lüge -, im öffentlichen Leben schwimmt. Ein «Wohltätigkeitskomitee» - harmlos selbstverständlich, ja anerkennenswert! - betreibt die Geschäfte der verschiedenen mit der russischen Regierung zusammenhängenden revolutionären Komitees, die die Aufgabe haben, die Balkanstaaten zu durchwühlen."

Wenn eine Phrase an die Stelle der Wahrheit gesetzt wird; die Presse als Großmacht, was man heute besonders in der Corona-Zeit beobachten konnte, in der Tatsachen verfälscht dargestellt wurden: "Wir stehen ja mitten drinnen in der Welt, und mindestens wirkt diese auf einem höchst verhängnisvollen Umwege auf uns ein, indem wir nämlich immer auf uns wirken lassen, was gewisse Leute eine Großmacht genannt haben: die Presse! Die Wirkung der Presse ist wirklich die verhängnisvollste, die es geben kann, denn sie verfälscht und trübt im Grunde genommen alles. Wie wenig würde geschrieben, wenn die Leute, die schreiben, berufen wären zu schreiben! Wer schreibt heute nicht alles über das Verhältnis von Rumänien zu Rußland oder von Rumänien zu den andern Staaten. Es fällt ihnen nicht einmal ein, dass die erste Voraussetzung, um über dieses Verhältnis etwas zu sagen, die wäre, die Memoiren des verstorbenen Königs Carol durchzulesen.Wer schreibt, ohne dies getan zu haben, schreibt Dinge, die überhaupt nicht wert sind, gelesen zu werden, auch nicht von den primitivsten Menschen gelesen zu werden." [78]

Dante und Carducci, der große Dante-Kenner: "Hinter Carducci, und aus diesem besondren Grunde führe ich ihn an, steht nun auch das, was man in Italien «Massonieri» nennt, und was mit all den okkulten Verbrüderungen zusammenhängt, auf die ich Sie aufmerksam gemacht habe. Carduccis theoretische Auseinandersetzungen über reale Dinge des Lebens sind daher bis zu einem gewissen Grade von einer solchen tieferen Erkenntnis getragen. Ich will nicht behaupten, dass er diese tiefere Erkenntnis überall auf den Markt gestellt hätte, oder dass er irgendwie Okkultist gewesen wäre; aber in dem, was er sagt, steckt doch manches, was auf allerlei geheimnisvollen Kanälen zu ihm gekommen ist. Nun sagt Carducci: In Dante wirken drei Elemente zusammen, und nur durch das Zusammenwirken dieser drei Elemente konnte Dantes Wesenheit das werden, was sie war. Erstens durch gewisse Glieder seiner Abstammung ein altetruskisches Element. Von diesem habe Dante dasjenige erhalten, was ihm die übersinnlichen Welten erschlossen hat, dadurch konnte er in so tiefer Weise über die übersinnlichen Welten sprechen. Zweitens liege in ihm das romanische Element, welches ihn das rechte Verhältnis gewinnen lässt zu dem Leben des Tages und das Ausgehen von gewissen Rechtsbegriffen. Und als drittes, sagt Carducci, liegt in Dante das germanische Element. Von diesem hat er die Kühnheit und Frische der Anschauung, einen gewissen Freimut und festes Eintreten für dasjenige, was er sich vorgesetzt hat. Aus diesen drei Elementen setzt Carducci das Seelenleben Dantes zusammen. Das erste weist uns hin auf Altkeltisches, das ihn irgendwie durchblutet und ihn zurückführt in den dritten nachatlantischen Zeitraum, denn das Keltische im Norden führt zurück in dasjenige, was wir kennengelernt haben als den dritten nachatlantischen Zeitraum. Dann finden wir den vierten nachatlantischen Zeitraum im romanischen, den fünften im germanischen Elemente. Aus den drei Zeiträumen und ihren Impulsen setzt Carducci die Elemente in Dantes Seele zusammen, so dass wir also wirklich drei Schichten haben, welche nebeneinander oder vielmehr übereinander gelagert sind: dritter, vierter, fünfter Zeitraum, keltisch, romanisch, germanisch. Gute Dante-Forscher haben viele Bemühungen angestellt, um dahinterzukommen, wie Dante von der geistigen Welt aus sein Blut in der Weise hat mischen können, dass es ein derartig zusammengesetztes wurde. Sie haben es natürlich nicht mit diesen Worten ausgesprochen, wie ich es jetzt sage, aber sie haben diese Bemühungen angestellt, und manches ist, wie man glaubt, dadurch zustande gekommen, dass ein gutes Stück von Dantes Vorfahrenschaft in Graubünden zu finden ist. Das kann die Geschichte schon bis zu einem gewissen Grade bestätigen: Nach allen Windrichtungen hin, aber auch nach dieser Gegend, wo so viel Blutmischung stattgefunden hat, weist der Vorfahrenzug Dantes hin. Wir sehen so, wie an einer einzelnen Persönlichkeit das merkwürdige Zusammenwirken der drei Schichten europäischer Menschheitsentwickelung zutage tritt. Und Sie sehen, ein Mann wie Carducci, der dieses Urteil nicht gefällt hat unter dem Einfluss der heutigen völkischen Tollheit, sondern aus einer gewissen Objektivität heraus, weist auf dasjenige hin, was bei Dante zugrunde liegt. Damit berühren wir schon Verhältnisse, die dort, wo man die Realitäten des Lebens kennt, sehr wohl bekannt sind, mit denen man rechnet, und die man auch als Kräfte benützen will, wenn man dieses oder jenes tut. Diese Verhältnisse sind den okkulten Verbrüderungen keineswegs unbekannt, weder den rechtmäßigen noch jenen andern, die das Geheimwissen nach der einen oder andern Richtung hin in den Dienst irgendeines Gruppenegoismus stellen. Denn das Geheimnis von dem Zusammenwirken der drei aufeinanderfolgenden Schichten, das ja hauptsächlich für Europa eine große Bedeutung hat, wird in allen okkulten Brüderschaften, die dieses Namens wert sind, mit großer Sorgfalt besprochen, nur natürlich in der einen oder andern Weise zuweilen auch ablenkend von dem, was man die gute Richtung nennen kann." [79]

Dreißigjähriger Krieg, Mitteleuropa, Ansturm von Westen und aus dem Osten; Goethe nicht in einem Staatsgefüge groß geworden: "Ein Mensch wie Dante von dem ich Ihnen gestern gesprochen habe, ist nur ein charakteristischer Ausdruck für eine ganz allgemeine Erscheinung. Was sind denn die heutigen Franzosen? Doch nicht Nachkommen bloß des lateinischen Elementes! Franken, also ursprünglich germanische Stämme, haben sich über diesen Boden ausgedehnt, sind durchdrungen von dem, was nicht mehr volksmäßig ist, sondern was, ich möchte sagen, auf dem Umwege durch den römischen Beamtenkörper und dergleichen romanisches Element in Vermischung mit altem Keltentum angenommen hat, woraus dann etwas entstanden ist, in dem heute viel mehr germanische Impulse leben, als man glaubt. Auch im neueren Italienertum leben ungeheuer viele germanische Impulse. Wenn man den Dingen nachginge, würde man in Norditalien das Eindringen des langobardischen, also eines germanischen Elementes genau studieren können, das eben nur das andere, das romanische, in sich aufgenommen hat. Britannien wurde ursprünglich bewohnt von Elementen, die dann nach Wales und nach der Bretagne, sogar bis nach Kaledonien hinüber zurückgedrängt worden sind, nachdem sie vorher Kundschafter ausgesandt hatten, um die Juten, Angeln und Sachsen nach der Insel herüberzuziehen, damit sie die von Norden herandrängenden räuberischen Pikten und Skoten zurückdrängen. Dann hat sich ein Element herausgebildet, in dem nun das Germanische selbstverständlich ungeheuer überwiegt. Diese Ausstrahlung findet nach allen Seiten statt. In Mitteleuropa ist das Reservoir zurückgeblieben, und damit, dass das Mittlere sich anders entwickeln mußte, hängt zusammen, dass es gewissermaßen jenen Sprung machte, den ich nicht in eitler Weise als einen Sprung nach vorwärts bezeichnen will, sondern eben nur als einen Sprung, und der sich ausdrückt in dem, was ich gestern als das Gesetz der Lautverschiebung angeführt habe. Das sind Gesetze, die nicht gemessen zu werden brauchen mit irgendwelchen Sympathien oder Antipathien, es sind eben einfach Tatsachen. Was nun diese für Folgen haben müssen, darüber kann sich ja jeder Vorstellungen bilden, aber er braucht diese Dinge nicht mit Sympathien oder Antipathien zu vermischen. Als die römischen Cäsaren ihre Kriegszüge gegen die Germanen führten, bildeten die zuerst besiegten Germanen eigentlich den weitaus größten Teil der Heere, so dass die Römer die Germanen mit Germanen bekämpft haben. Auch in der späteren Zeit standen die an der Peripherie entstandenen Völkermassen zu dem, was in der Mitte war, zum Teil so, dass sich die Notwendigkeit ergab, eben jene Art von Reich zu begründen, welches in seiner letzten Phase zu dem Heiligen Römischen Reich wurde. Sie kennen ja die Stelle in Goethes «Faust», wo die Studenten froh sind, dass sie nicht für das Heilige Römische Reich zu sorgen haben. Auf der andern Seite hat es dazu geführt, dass gerade von der Peripherie her das mittlere Element in der furchtbarsten Weise bekriegt worden ist, dass sich fortwährend die Peripherie gegen das mittlere Element auflehnte. Man muss schon auch in Betracht ziehen, dass vieles von dem, was in Mitteleuropa als Bewußtsein vorhanden ist, damit zusammenhängt, dass der Boden, auf dem dieses Reich in Mitteleuropa begründet wurde, von allen Seiten fortwährend zum Kriegsschauplatz für die sich streitenden Völkerschaften ausersehen wurde. Seinen besonderen Ausdruck fand das im 17. Jahrhundert im Dreißigjährigen Krieg, in welchem Mitteleuropa durch die Schuld der umliegenden Völker bis zu einem Drittel seiner Bewohner verlor, indem eben nicht bloß Städte und Dörfer, sondern ganze Landstriche zerstört worden sind, indem wirklich die Völker Mitteleuropas von der Peripherie her zerfleischt worden sind. Dies sind geschichtliche Tatsachen, die man einfach ins Auge fassen muss. Nun ist es nicht zu verwundern, dass in Mitteleuropa die Tendenz entstand, gewissermaßen das auch haben zu wollen, was die andern Völker schon errungen hatten, nämlich ein Reich. Die Bevölkerung dieses Bodens hat aber eine viel geringere Beziehung zum Reichsgedanken als die Bevölkerung Westeuropas, welche in ganz besonderer Weise zu dem Reichsgedanken hält, ganz gleichgültig, ob es sich um eine Republik oder eine Monarchie handelt. Darauf kommt es aber nicht an, sondern man muss über die bloßen Worte hinausschauen und betrachten, wie sich der einzelne, sei er nun Angehöriger einer Republik oder einer andern Staatsform, zu dieser Staatszusammengehörigkeit stellt, ob er in dieser oder jener Weise den Sinn geartet hat für diese Zusammengehörigkeit. Ich sagte, es ist nicht zu verwundern, dass in Mitteleuropa der Impuls entstand, gewissermaßen auch ein Reich zu haben, das die Möglichkeit bietet, auf der einen Seite etwas Schutz zu haben gegen den jahrhundertealten Ansturm von Westen her, und auf der andern Seite das, was von Osten her wirkt, in der Weise zu begrenzen, wie es, selbstverständlich nicht für den Osten, aber für Mitteleuropa eben noch notwendig ist. Ich meine, diese Dinge sind zu verstehen. Die mitteleuropäische Bevölkerung steht eben in einer etwas andern Weise zu dem, was man Staatsgedanken nennen kann, als die westeuropäische, namentlich die französische Bevölkerung. In Mitteleuropa war nicht durch Jahrhunderte ein solcher Staatsgedanke lebendig, wie etwa in Frankreich, und ein Staatsgedanke, wie er in Frankreich vorhanden war, eignet sich nicht für das, was da in Mitteleuropa zurückgeblieben ist. Dafür hat sich in dem, was in Mitteleuropa zurückgeblieben ist, um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert eine geistige Höhe entwickelt, die schließlich auch vom Westen, wenn wieder einmal weniger Hass herrscht, anerkannt werden wird. Und diese geistige Höhe, die auch nach Jahrhunderten für die Menschheit noch lange nicht ausgekostet sein wird, ist in Mitteleuropa erreicht worden zu einer Zeit, als durch die Verhältnisse es Mitteleuropa vom Westen her ganz unmöglich gemacht war, ein zusammengehöriges Staatsgebilde zu formen. Lessing, Goethe, Schiller, Herder und alle, die mit dieser Strömung zusammenhängen, sie sind ja nicht in einem zusammengehörigen Staatsgebilde groß geworden; sie sind groß geworden, trotzdem ein solches Staatsgebilde nicht vorhanden war. Man kann sich fast keine Vorstellung machen, was für ein Unterschied darin liegt, dass Goethe nicht in einem Staatsgefüge groß geworden ist, während Corneille, Racine eben gar nicht denkbar sind ohne den Hintergrund jenes Staatsgebildes, das seinen Glanz und seine Höhe durch Ludwig XIV. erhalten hat, den König, von dem der Ausspruch stammt: «L'etat, c'est moi!» Diese Dinge gehören zusammen."

1848; die Idealisten wollten ursprünglich Deutschland ohne Krieg in einem gemeinsamen Reichs- oder Staatengebilde zusammenfassen, im Gegensatz zu Bismarck und dem Preussentum; Entstehungsursachen des Krieges 1870/71: "Es entstand nun aber aus Impulsen, die zunächst rein innerlich waren, bei den Bewohnern Mitteleuropas im Laufe des 19. Jahrhunderts die Tendenz, nun auch eine Art von Staat haben zu wollen. Diese Tendenz bildete sich zunächst in einer ganz intensiv idealistischen Weise aus, und wer die Entwickelung des 19. Jahrhunderts kennt, weiß, dass der Staatsgedanke, von dem die Bewohner Mitteleuropas ergriffen waren, zunächst vor allen Dingen verankert war in den Köpfen von lauter Idealisten, von Leuten, welche vielleicht mehr idealistisch als praktisch waren, und die insbesondere in bezug auf Staatsgedanklichkeit eben durchaus unpraktisch waren im Vergleich zu den praktischen Westlern. So sehen wir die Bestrebungen, die idealistisch waren, zum Zusammenfassen der mitteleuropäisch-deutschen Völker zu einem Deutschen Reich sich entwickeln. Wir sehen sie namentlich im Jahre 1848 bestimmte Formen annehmen, die ein durchaus idealistisches Gepräge haben. Aber weil nun einmal das 19. Jahrhundert das Zeitalter des Materialismus war, so hat dasjenige, was ein idealistisches Gepräge hatte, kein besonderes Glück gehabt, weniger durch völkische Schuld als durch das, was eben im 19. Jahrhundert als Materialismus heraufgekommen war. Und nun handelte es sich darum, dasjenige, was auf idealistische Weise nicht zu erringen war, auf praktische Weise zu erringen, das heißt so zu erringen, wie es sonst auch errungen worden ist in der bisherigen europäischen Geschichte. Denn wodurch sind Staaten entstanden? Durch Kriege sind Staaten entstanden, durch alle diejenigen Dinge sind Staaten entstanden, wodurch 1864 bis 1870 auch das Deutsche Reich entstanden ist. Wer diese Zeiten miterlebt hat, weiß, wieviel Schmerz in den Herzen derjenigen war, welche dazumal, als das neuere Deutsche Reich gegründet worden ist, noch erfüllt waren mit den Ideen des Jahres 1848, wo man aus der Empfindung, aus dem Gefühl und aus dem Ideal heraus dieses Reich hat begründen wollen. Es gab in den sechziger, siebziger Jahren Leute, die zur sogenannten Großdeutschen Partei gehörten, und dann die Kleindeutschen. Die Großdeutsche Partei stand zu den alten idealistischen Prinzipien und wollte aus idealen Grundlagen und Impulsen heraus eine solche Reichsgründung erlangen. Diese Großdeutschen wollten nichts erobern, sondern alles, was deutsch ist, in einem gemeinsamen Reichs- oder Staatengebilde zusammenfassen. Wer denkt, dass diese Großdeutschen auch nur das Allergeringste erobern wollten, der kennt einfach den Grad des völkischen Idealismus nicht, der in ihnen gelebt hat. Die Großdeutschen waren lange Zeit hindurch enragierte, unversöhnliche Gegner der sogenannten Kleindeutschen, die unter Bismarck das gegenwärtige Deutsche Reich begründet haben, das heißt das Deutsche Reich unter der Führung Preußens. Aber sie haben sich mit dem Kleindeutschen Reiche ausgesöhnt, weil sie zum Schluss einsahen, dass in Mitteleuropa die Dinge im 19. Jahrhundert nicht anders vor sich gehen konnten, als sie sonst auch vor sich gegangen waren. Man söhnte sich damit aus, weil man sich sagte: So wie Frankreich und England gegründet worden sind, so musste eben auch Deutschland gegründet werden. Auf diese Weise haben sich die Großdeutschen allmählich mit dem, was ganz und gar gegen ihr Ideal war, ausgesöhnt. Diese Dinge muss man in Betracht ziehen. Des weiteren ist zu bedenken: Welche Ansicht man über die Ereignisse, die sich zwischen 1866 und 1870/71 abgespielt haben, auch haben mag, wie man auch denken mag über Schuld oder Gegenteil von Schuld an dem Krieg von 1870, das eine darf nicht vergessen werden, dass auf französischer Seite das Bestreben war, die deutsche Reichsgründung zu verhindern, dass man die ganze Politik daraufhin anlegte, dass eine deutsche Reichsgründung nicht stattfinden sollte. Selbstverständlich kann so etwas, wie man sagt, dementiert werden, aber die Dinge, die dementiert werden, bleiben ja deshalb doch wahr. Wenn ich französische oder englische Seite sage, meine ich niemals das Völkische, sondern den Zusammenhalt derjenigen, die in der betreffenden Zeit, wie man sagt, am Ruder sind, die Leute, welche die äußeren Ereignisse machen. Über die spanische Erbfolge, über eine französische oder deutsche Kriegspartei mögen die Leute denken, wie sie wollen; aber darüber kann eigentlich kein Streit sein, dass es in Frankreich Leute gab, welche sich alle Mühe gaben, das Urteil zur Wirklichkeit zu machen: Es sei mit der «Gloire» des französischen Staates nicht vereinbar, dass in Mitteleuropa ein selbständiges Deutsches Reich entstehe. Dieses gehört mit zu den Entstehungsursachen des Siebziger Krieges. Und als Gegenstoß hat sich dazumal der Impuls entwickelt, über den man wieder denken kann, wie man will: dass man nur durch ebendieselben Mittel, durch die Frankreich sein Reich gegründet hat, das Deutsche Reich auch gründen kann, nämlich indem man Krieg führt gegen den Nachbarstaat. Diese Dinge muss man eben nur ganz kaltblütig ins Auge fassen."

Die Deutsche Reichsgründung auch heilsam für die anderen Völker, auch als Bollwerk gegen Russland: " Nun will ich gar nichts beschönigen, sondern Ihnen nur ein Urteil vorlesen, das gleich bei der Begründung des Reiches gefällt worden ist, und zwar in der Zeit, die ich bereits erwähnt habe. Ich sagte: Versetzen wir uns in den Dezember 1870. Bei dem, was ich Ihnen jetzt vorlesen werde, könnte mancher vielleicht - verzeihen Sie den trivialen Ausdruck - richtig aus der Haut fahren und sagen: Nun, da sieht man, was für Vorstellungen sich die Menschen in bezug auf die Wichtigkeit dieses Deutschen Reiches machen! Man sieht gleich: wie es noch gar nicht entstanden, sondern erst im Entstehen war, wurde es schon so hingestellt, als ob es nicht nur zum Heil der Deutschen, sondern ganz Europas oder sogar der ganzen Welt notwendig wäre, ja sogar zum Heil der Franzosen selber. Also damit Sie sehen, dass ich nichts beschönige, will ich Ihnen ein Urteil gerade aus dem Jahre 1870 vorlesen. Es lautet: «Seit vierhundert Jahren ist Frankreich den Deutschen der böseste Nachbar, der je ein Volk belästigt hat; schamlos und raubsüchtig, immer nach Angriff lüstern, unersättlich und unversöhnlich. Deutschland blieb lange geduldig; heute wäre es töricht, wenn es nicht den Sieg ausnützte und sich eine Grenze sicherte, die ihm den Frieden verbürgt. Welches Gesetz ermächtigt denn die Franzosen, das einst geraubte Gut zu behalten, wenn der Bestohlene sie fest am Kragen hat? Frankreich winselt über drohende Ehrenkränkung. Wird seine Ehre etwa durch die Weigerung gewahrt, die von ihm zerschlagenen Fensterscheiben zu bezahlen? Niemals schien uns Frankreich so sinnlos und bis zur Verächtlichkeit erbärmlich wie in dieser Stunde, da es sich sträubt, Wahrheit zu erkennen, und selbst bereitetes Unglück würdig hinzunehmen. Minister, die sich, mit falscher Siegesverkündigung und anderer Lüge als Ballast, in Luftballons aus dem Staube machen, eine Regierung, die lieber das Blutopfer des Volkes verlängern als auf ihr Diktatorrecht in dem wunderlichsten Zerrbild einer Republik, das je erdacht ward, verzichten will, ganze Hochgebirge aus Lug und Trug, um deren Gipfel die Vorstellung nebelt, Frankreich sei das neue Zion, aus dem das Licht übermenschlicher Allweisheit in die Welt strahlt: nie sah unser Auge auf ein großes Volk solche Schmach gehäuft. Bismarck wird vom Elsaß und von Lothringen soviel nehmen, wie ihm beliebt. Das wird gut für ihn, für uns, für die ganze Welt und am Ende auch für Frankreich sein. Das große, ernstlich besonnene Planen dieses im höchsten Sinne fähigen Staatsmannes strebt ruhig einem Zweck zu: der Wohlfahrt Deutschlands. Die ist vereinbar mit dem friedlichen Glück aller Länder. Das deutsche Volk ist ernsthaft, hat ein großes Herz und den Willen zum Frieden und zur Geisteshelle; wenn es seine Einheit gestaltet und auf dem Platz, wo bisher das leichtsinnige, reizbare, ehrgeizige, streitsüchtige Frankreich herrschte, Germania des Festlandes Königin wird, sehen wir Ereignis werden, was die Hoffnung, den Wunsch einer Welt erfüllt. Die Entstehung des starken deutschen Reiches schafft eine neue Lage. Wenn die Militärstaaten Frankreich und Russland sich verbündeten, konnten sie das zersplitterte Deutschland, das zwischen ihnen lag, vernichten. Jetzt erst wird ihre Willkür durch eine feste Schranke gehemmt...» Und jetzt will ich ein Wort auslassen aus einem Grunde, den Sie gleich einsehen werden: «Was alle englischen Staatsmänner ersehnten, tritt aus dem Bereich des Gedankens in die Wirklichkeit...» Man könnte nun allerdings fragen: Ist das nicht Größenwahn? Meine lieben Freunde, ich habe Ihnen soeben einen Leitartikel vorgelesen, der im Dezember 1870 in der «Times» gestanden hat und habe nur im letzten Satze ein Wort ausgelassen. Der vollständige Satz lautet: «Jetzt erst wird ihre Willkür durch eine feste Schranke gehemmt. Die kräftige Zentralmacht, die alle englischen Staatsmänner ersehnten, tritt aus dem Bereich des Gedankens in die Wirklichkeit.» Sie sehen, es ist doch notwendig, die Dinge ein wenig ins Auge zu fassen, wie sie in Wirklichkeit sind. Denn wer die «Times» heute liest, sollte auch ein wenig das Urteil der «Times» vom Dezember 1870 berücksichtigen. Und vielleicht würde man sogar sonderbare Anschauungen bekommen über die allergräßlichste Phrase, die jemals geprägt worden ist, nämlich über die des «deutschen Militarismus», wenn man ein wenig darüber nachdenken würde, dass damals von englischer Seite gesagt wurde: Die Entstehung des starken Deutschen Reiches schafft eine neue Lage. Wenn die Militärstaaten Frankreich und Russland sich verbündeten, könnten sie das zersplitterte Deutschland, das zwischen ihnen lag, vernichten."

Mitteleuropäisches Wesen oft missverstanden; Goethes Evolutionstheorie im Gegensatz zum Darwinismus: "Es geschieht ja überhaupt sehr leicht, dass mitteleuropäisches Wesen missverstanden wird. Wirkliches mitteleuropäisches Wesen wird jetzt noch in Westeuropa fast immer missverstanden. Wie sollte das auch anders sein? Die Bildung Mitteleuropas war so sehr vom französischen Elemente durchdrungen, dass eines der größten, bedeutendsten Werke, die den Ton angegeben haben in der größten deutschen Zeit, Lessings «Laokoon», sogar das Schicksal gehabt hat, dass Lessing sich überlegte, ob er das Buch französisch oder deutsch schreiben solle. Die gebildetsten Leute des 18. Jahrhunderts in Mitteleuropa haben schlecht deutsch und gut französisch geschrieben. Das muss man nicht vergessen. Und im 19. Jahrhundert stand Mitteleuropa vor der großen Gefahr, ganz zu verengländern, ganz durchdrungen zu werden von englischem Wesen. Es ist kein Wunder, wenn man dieses mitteleuropäische Wesen so schlecht kennt, da es ja immerfort von allen Seiten her überflutet wird, auch in geistiger Beziehung. Bedenken Sie nur, was Goethe als Evolutionstheorie der Tiere und Pflanzen geliefert hat. Das ist wirklich um eine Stufe hoher als der materialistische Darwinismus, so wie gemäß dem Lautverschiebungsgesetz das Deutsche um eine Stufe höher liegt als das Gotisch-Englische. Aber in Deutschland selber ist der materialistische Darwinismus vom Glücke begünstigt gewesen, nicht das eigentlich deutsche Goethesche. Es ist also gar nicht zu verwundern, dass man das deutsche Wesen schlecht versteht und dass man sich keine Mühe gibt, dieses deutsche Wesen auch wirklich so zu verstehen, wie es verstanden werden muss, wenn man ihm gerecht werden will. Nun, wie gesagt, namentlich in politischen Wissenschaften war alles beeinflusst von englischer Gedankenrichtung. Aber was dringend notwendig wird, ist eine gewisse Selbsterkenntnis der Volkstümer. Und ehe es nicht zu dieser Selbsterkenntnis kommt, zu der nun nicht Herbert Spencer und John Stuart Mill ausreichen, sondern der Geisteswissenschaft zugrunde liegen muss, und das Empfinden dessen, was durch die Geisteswissenschaft gegeben ist, eher kann kein Heil entstehen. ... Das Deutsche hat die Eigentümlichkeit, nicht bis zum Worte zu gehen mit dem Gedanken. Und nur durch diese Tatsache sind Philosophen, die sonst nirgends in der Welt möglich gewesen wären, wie Fichte, Schellingy Hegel, möglich geworden, dass das Deutsche nicht bis zum Worte den Gedanken trägt, sondern den Gedanken im Gedanken erhält. Dadurch aber werden sich die Menschen sehr leicht missverstehen können. Denn ein wirklich richtiges Übersetzen ist ja nicht möglich, ist immer nur Surrogat. Es gibt keine Möglichkeit, das, was Hegel gesagt hat, auch auf englisch zu sagen oder auf französisch. Das ist ganz ausgeschlossen, solche Übersetzungen können immer nur ein Surrogat sein. Eine Verständnismöglichkeit ist nur dadurch vorhanden, dass gewisse romanische Grundelemente noch durchgängig sind, denn ob man sagt «association», französisch, oder «association», englisch, ist gleich, das geht alles zurück auf das Romanische. In solchen Dingen werden Brücken gebaut. Aber jedes Volkstum hat seine besondere Mission, und man kann ihm nur beikommen aus der Sehnsucht heraus, zu einem solchen Verständnis zu gelangen."

materialistischen Medizin: "Ich habe schon gesagt, man darf dem heutigen Geisteswissenschafter nicht einwenden: Auf dem Gebiete des Krankheitswesens könntest du deine Kunst zeigen! - Da müsste man ihm erst die Beine frei machen! Solange alles okkupiert ist von der materialistischen Medizin, ist es unmöglich, auch nur im einzelnen etwas zu tun. Hier muss man wirklich christlich, das heißt, paulinisch sein und wissen, dass die Sünde von dem Gesetz kommt, und nicht umgekehrt das Gesetz von der Sünde."  [80]
 

17. Kosmische und menschliche Geschichte IV - II, Zeitgeschichtliche Betrachtungen; Ingävonen, jütische Halbinsel mit dem heutigen Dänemark, Tacitus, Herta- oder Erda- oder Nertus-Sage, «Wanen», «wissendes Traumesbewußtsein»; «Walpurgisnacht»; Freia; Von der Sternenwelt zur Erde heruntergekommen; Großes und Ungeheures ist in den heiligen Schriften enthalten; nicht jene Trivialitäten, von denen heute in den religiösen Kundgebungen so oft gesprochen wird; Die Erde als ein erhabenes Geistwesen; die Botschaft ist zweiteilig: «Offenbarung des Göttlichen aus den Höhen» - «Friede in den Erdenseelen, die eines guten Willens sind»


Ingävonen,  jütische Halbinsel mit dem heutigen Dänemark, Tacitus, Herta- oder Erda- oder Nertus-Sage, «Wanen», «wissendes Traumesbewußtsein»; «Walpurgisnacht»; Freia: "Dort ungefähr, wo die jütische Halbinsel mit dem heutigen Dänemark ist, da war das Zentrum, von dem in jenen alten Zeiten bedeutende Mysterienimpulse ausgingen. Und diese Mysterienimpulse hingen damit zusammen - das mag der heutige Verstand beurteilen, wie er will -, dass noch im 3. Jahrtausend vor unserer christlichen Zeitrechnung in diesem Norden bei bestimmten Stämmen nur derjenige als ein wirklich erdenwürdiger Mensch angesehen wurde, der in gewissen Wochen der Winterszeit geboren war. Das kam daher, daß von jener geheimnisvollen Mysterienstätte auf der jütischen Halbinsel unter den Stämmen, die sich damals die Ingävonen nannten, oder von den Römern wenigstens, von Tacitus, die Ingävonen genannt wurden, der Tempelpriester den Impuls gab, dass nur zu einer bestimmten Zeit - im ersten Viertel des Jahres - die geschlechtliche Verbindung der Menschen stattfinden sollte. Jede geschlechtliche Verbindung der Menschen außer der Zeit, die von dieser Mysterienstätte aus verfügt wurde, war verpönt; und derjenige war ein minderwertiger Mensch innerhalb dieses Stammes der Ingävonen, der nicht in der Zeit der finstersten Nächte, in der kältesten Zeit, gegen unser Neujahr hin geboren wurde. Denn der Impuls von jener Mysterienstätte ging aus in der Zeit, in welcher der erste Vollmond nach der Frühlingssonnenwende war. Da nur durfte unter jenen Menschen, die sich wirklich verbunden glauben sollten mit den geistigen Welten, so wie es des Menschen würdig war, in dieser Zeit allein durfte eine geschlechtliche Verbindung stattfinden. Dadurch, dass die Kräfte, die in eine solche geschlechtliche Verbindung hineingehen, in der ganzen übrigen Zeit für die Kraftentwickelung des Menschen aufgespart wurden, wurde jene eigentümliche Stärke entwickelt, welche - wenigstens noch in den Nachklängen - Tacitus zu bewundern hatte, der ein Jahrhundert nach dem Stattfinden des Mysteriums von Golgatha schrieb. So erlebten jene, die dem Stamme der Ingävonen angehörten, in besonders intensiver Weise - die andern germanischen Stämme in abgeschwächter Art - in der ersten Vollmondzeit nach der Frühlingssonnenwende den Vorgang der Empfängnis: nicht im Wachbewußtsein, sondern in einer Art von Traumverkündung. Sie wußten jedoch, was das zu bedeuten hat im Zusammenhange des Menschengeheimnisses mit den Himmelsgeheimnissen. Ein geistiges Wesen erschien der Empfangenden und verkündete ihr wie in einem Gesichte den Menschen, der durch sie auf die Erde kommen sollte. Kein Bewußtsein gab es, sondern nur ein Halbbewußtsein in der Sphäre, welche die Menschenseelen erlebten, wenn das Hereintreten des Menschen in die physisch-irdische Welt sich vollzieht. Unterbewußt wußte man sich regiert von Göttern, die dann den Namen der «Wanen» erhielten, was zusammenhängt mit «wähnen», mit demjenigen, was nicht bei äußerem vollen intellektuellen Bewußtsein verläuft, sondern in «wissendem  Traumesbewußtsein». Dasjenige, was zu einer Zeit da war, und was für diese Zeit angemessen war, das erhält sich oftmals in späteren Zeiten in äußeren Symbolen. Und so hat die Tatsache, dass in diesen alten Zeiten das heilige Geheimnis der Menschwerdung ins Unterbewußte gehüllt war und dazu geführt hat, dass alle Geburten zusammengedrängt waren in einen bestimmten Teil der Winterszeit, so dass es wie sündhaft angesehen wurde, wenn auch zu einer andern Zeit ein Mensch geboren wurde, sich gewissermaßen erhalten in dem, wovon im Grunde genommen nur Splitter in das spätere Bewußtsein übergegangen sind, Splitter, deren Sinn bisher keine Gelehrsamkeit enthüllt hat. Ja, diese gesteht offen ihre Ohnmacht ein, sie zu enthüllen. Splitter haben sich erhalten in der sogenannten Herta- oder Erda- oder Nertus-Sage. Denn im Grunde genommen ist alles, was man in äußerer Beziehung über die Nertus-Sage weiß, mit Ausnahme einiger Notizen, im Tacitus enthalten, der über den Nertus- oder Herta-Dienst das Folgende berichtet: «Die Reudigner, Avionen, Angeln, Variner, Eudosen, Suardonen, Nuithonen - deutsche Völker zwischen Flüssen und Wäldern wohnend» - das sind ungefähr die einzelnen Stämme, die zu den Ingävonen gehören - «verehren insbesondere die Nertus, das ist: die Mutter Erde, und glauben, dass sie sich in die menschlichen Dinge mischt und zu den Völkern gefahren kommt.» In alten Zeiten wußte aus dem religiösen Dienst der Wanen heraus jede Frau, die der Erde einen Erdenbürger geben sollte, in ihrem Traumbewußtsein, dass ihr die Göttin, die später als Nertus verehrt wurde, erscheinen würde. Die Gottheit wurde aber nicht eigentlich weiblich, sondern mann-weiblich vorgestellt, Nertus ist nur später durch eine Korruption vollständig zum weiblichen Prinzip geworden. Gerade so, wie der Maria der Erzengel Gabriel sich näherte, so näherte sich in den alten Zeiten die Nertus auf ihrem Wagen derjenigen, die der Erde einen Erdenbürger geben sollte. Das sahen im Geiste die betreffenden Frauen. Später, als der Mysterienimpuls in dieser Art längst verglommen war, feierte man dieses Ereignis im Nachklang, im Symbolum, und das sah noch Tacitus und beschreibt es wie folgt: «Auf einer Insel des Ozeans ist ein heiliger Hain und in ihm steht ihr
geweihter Wagen mit einem Teppich bedeckt. Nur allein der Priester darf ihm nahen.» Diesen Priester dachte man sich eben als den Eingeweihten des Herta- Mysteriums. «Dieser weiß es, wann die Göttin im heiligen Wagen erscheint. Er
ahnt die Gegenwart der Göttin in ihrem Heiligtume und begleitet in tiefer Ehrfurcht ihren von Kühen gezogenen Wagen. Da gibt es denn fröhliche Tage und Feste an allen Stätten, welche die Göttin ihres Besuches und Aufenthaltes würdigt. Da ist froher Tag und Hochzeit. Da wird kein Krieg gestritten, keine Waffe ergriffen, das Eisen verschlossen. Nur Friede und Ruhe ist dann bekannt und gewünscht, bis die Göttin, des Umganges mit Sterblichen satt, von demselben Priester in ihr Heiligtum zurückgeführt wird.» So war auch wirklich die Vision. In solchen alten Urkunden werden die Dinge recht genau geschildert, die Menschen verstehen sie nur nicht. «Da ist froher Tag und Hochzeit. Da war kein Krieg gestritten, keine
Waffe ergriffen, das Eisen verschlossen.» So war es in der Tat in der Zeit, die jetzt unsere Osterzeit ist, wenn die Menschen aus dem inneren Seelenleben heraus die Zeit der Erdenfruchtbarkeit auch für sich gekommen glauben mussten und jene Seelen empfangen wurden, die dann in der Zeit geboren wurden, die jetzt unsere Weihnachtszeit ist. Zur Osterzeit war die Empfängniszeit. Und hierauf bezog sich, weil man das Ganze als kosmisch-heiliges Mysterium ansah, dasjenige, was später sein Symbolum in dem Nertus-Dienst gefunden hat. Das Ganze aber war gehüllt in das Unterbewußte, hat nicht herauf gedurft in das Bewußtsein. Das klingt durch, indem Tacitus jenen Dienst schildert: «Nur Friede und Ruhe ist dann bekannt und gewünscht, bis die Göttin, des Umganges mit Sterblichen satt, von demselben Priester in ihr Heiligtum zurückgeführt wird. Hierauf wird der Wagen und Teppich und die Göttin selbst in einem verborgenen See gewaschen.
Den Dienst dabei verrichten Sklaven, welche sogleich jener See verschlingt. » - Als Pfand, damit alles, was um diese Dinge weiß, in die Nacht des Unbewußten hinuntersinke. - «Ein heimlicher Schrecken und ein heiliges Dunkel waltet über ein Wesen, das nur Todesopfer schauen dürfen.» Von allem, was in der Welt eintritt, bildet sich auch ein luziferisches und ein ahrimanisches Gegenbild. Dasjenige, was im Ingävonen-Sinne das in der geregelten Menschheitsevolution Liegende war, das bezog sich auf die Zeit des ersten Vollmonds nach der Frühlingssonnenwende. Aber was in alten Zeiten durch das Vorrücken der Tagundnachtgleiche als traumhaftes Erleben aus alten Zeiten zurückgeblieben war, wurde immer mehr in eine spätere Zeit verlegt und war dadurch ahrimanisch geworden. Wenn also das, was im echten Herta-Dienste in alten Zeiten gedacht worden ist, um ungefähr vier Wochen später verlegt wurde, so war es ahrimanisch geworden. Dieses Ahrimanischgewordensein bedeutete also, dass auf unrechtmäßige Weise - zur unrechtmäßigen Zeit- der Zusammenhang, die Verbindung der Menschenfrau mit der geistigen Welt gesucht worden war. Das blieb dann festgehalten in der Walpurgisnacht vom 30.April auf den l.Mai! Nur eine ahrimanische Zeitversetzung haben wir da zu sehen. Sie wissen, luziferische Zeitversetzung geht zurück; das Ahrimanische erscheint umgekehrt, weil es mit dem Vorrücken der Tagundnachtgleiche zusammenhängt: das Zurückgebliebene erscheint in diesem Fall später. Dasjenige also, was die ahrimanische, die mephistophelische Kehrseite des Herta-Dienstes war, die Verkehrung ins Teuflische, ist später zur «Walpurgisnacht» geworden, die mit dem urältesten Mysterienwesen zusammenhängt, von der sich nur eben der schwache Nachklang dann erhalten hat. Vieles von diesem Mysterienwesen lebte, wenn man die Sache richtig
versteht, gerade in den skandinavischen Mysterien weiter. Dort gibt es statt der Nerta einen Gott Friggo, der seiner Symbolik nach - aber man muss es zuerst aus der Geisteswissenschaft wissen - geradezu zum Verräter wird dessen, was da eigentlich zugrunde lag. Und noch eines war da, das erwähnt sein soll in bezug auf diese Mysterienbräuche. Sie können sich denken: Wenn seit der Zeit des Frühlingsvollmondes bis in die Winterszeit hinein also die Menschenfrucht  herangereift war, gab es in der Regel ein solches Menschenwesen, das als erstes in der Heiligen Nacht geboren wurde. Dieses Menschenwesen, das als erstes in der Heiligen Nacht geboren wurde unter den Stämmen der Ingävonen - in ältesten Zeiten war dies in jedem dritten Jahre der Fall -, das wurde zum Führer auserkoren, wenn es dreißig Jahre alt geworden war, und es sollte drei Jahre Führer bleiben, nur drei Jahre. Was dann mit ihm geschah, darf ich vielleicht in späterer Zeit einmal mitteilen. Forscht man ganz genau nach, so ist nicht nur Frigg, Frei, Freia gewissermaßen bloß eine Art Nebenbedeutung für die Nertus, ebenso wie der nordische Nört, sondern es ist auch der Name Ing selber, von dem her die Ingävonen sich nennen, ein Nebenname für die Nertus. Die mit diesem Mysterium Verbundenen, sie nannten sich die zum Gotte oder zur Göttin Ing Gehörigen: Ingävonen. In der äußeren Welt sind eben nur Splitter geblieben von dem, was da eigentlich lebte. Einer der Splitter sind die Worte des Tacitus, die ich Ihnen mitgeteilt habe. Ein anderer Splitter ist das berühmte angelsächsische Runenlied, welches nur wenige Zeilen enthält. Diese berühmten Zeilen, die heute jeder Philologe der Germanistik studiert, kennt, deren Sinn aber keiner versteht, lauten etwa so: «Ing wurde zuerst bei den Männern der Ostdänen gesehen. Später ging er nach Osten. Über die Wogen schritt er, und der Wagen rollte ihm nach.» In diesem angelsächsischen Runenlied ist ein Nachklang dessen enthalten, was geschehen war: was man in dem alten Mysterienbrauch hatte von der Osterempfängnis im Hinblick auf die Weihnachtsgeburtszeit. Was da geschah in der geistigen Welt, man wußte es vor allen Dingen auf der dänischen Halbinsel. Daher sagt das Runenlied mit Recht: «Ing wurde zuerst bei den Männern der Ostdänen gesehen.» Dann kamen immer mehr und mehr die Zeiten, wo dieses alte Wissen in die Korruption verfiel, wo nur Nachklänge, Symbolik vorhanden war, wo überhaupt innerhalb der Menschheitsentwickelung mehr das aus den warmen Ländern Stammende sich verbreitete. Und aus den warmen Ländern stammt dasjenige, was nicht, wie in den kalten Ländern, damit zusammenhängt, dass die Jahreszeit eine innige Beziehung hat zu dem, was der Mensch in seinem Innern erlebt. Es kam die Ausstreuung der Menschenfrucht über das ganze Jahr hin, die selbstverständlich in diesen Gegenden auch schon da war im alten atavistischen Hellsehen, wenn auch noch von den alten Prinzipien durchdrungen, als in der kalten Gegend die Wanengötter herrschten und in den südlichen Gegenden die Tempelmysterien schon längst an die Stelle der Naturmysterien getreten waren. Es kam das schon nach Norden, noch vermischt mit dem Alten, als die Wanengötter ersetzt wurden durch die Asengötter. Wie die Wanengötter zusammenhängen mit dem «wähnen», so die Asengötter mit dem Sein, das heißt mit dem Sein in der äußeren, der materiellen Welt, das der äußere Verstand ergreifen will. Und als die nordischen Menschen eingetreten waren in ein Zeitalter, in welchem der Verstand des einzelnen anfing, sich geltend zu machen, als die Äsen an die Stelle der Wänen, der Wanen getreten waren, da korrumpierte sich die alte Mysteriensitte. Sie zog hinüber in einzelne verstreute Mysteriengemeinschaften des Ostens. Und nur einer noch - derjenige, in dem erneuert werden sollte der ganze Sinn der Erde - , nur einer, in dem der Christus wohnen sollte, der sollte das in sich vereinigen, was einstmals Inhalt der nordischen Mysterien war."

Von der Sternenwelt zur Erde heruntergekommen; Großes und Ungeheures ist in den heiligen Schriften enthalten; nicht jene Trivialitäten, von denen heute in den religiösen Kundgebungen so oft gesprochen wird: "Daher müssen wir, wenn uns im Lukas-Evangelium die Erzählung von dem Erscheinen des Erzengels Gabriel bei der Maria entgegentritt, deren Ursprung in den wahren Visionen suchen, die auftraten in dem, was sich einst in dem Nertus-Symbol der alten Nertus-Mysterien spiegelte. Hinübergezogen war dies nach dem Osten. Die Geisteswissenschaft enthüllt es uns heute, und sie allein gibt dem angelsächsischen Runenlied einen Sinn. Denn Nertus und Ing sind dasselbe. Und von Ing wird ja gesagt: «Ing wurde zuerst bei den Männern der Ostdänen gesehen, später ging er nach dem Osten. Über die Wogen schritt er, und der Wagen rollte ihm nach.» Über die Wogen der Wolken selbstverständlich, so wie die Nerta über die Wogen der Wolken schritt. Was allgemein gewesen war in den Gegenden der kälteren Zone, das wurde singulär, wurde ein Einzelnes. Das trat als ein Singuläres, als ein Einzelnes auf und tritt uns wieder entgegen in der Schilderung des Lukas- Evangeliums. Was aber einmal da ist und sich eingelebt hat, sich verankert hat in der Auffassung des Gemüts, das bleibt dann im Gemüte, sitzt in der Seele. Und als man im Norden vom alten römischen Süden her die Kunde des Christentums erhielt, empfing man damit etwas, was zusammenhing mit einem nicht mehr im vollen Bewußtsein, sondern im Unterbewußtsein lebenden und deshalb nur gefühlten alten Mysterienbrauch. Daher konnte sich dort die Empfindung für den Jesus besonders stark entwickeln. Ins Unterbewußtsein war schon hinuntergezogen, was im alten Nertus-Mysterium lebte; doch im Unterbewußtsein war es vorhanden, wurde gefühlt und empfunden. Wenn einst in alter Zeit die Familien zusammenkamen im hohen Norden, als die Erde noch von Wäldern bedeckt war, in denen noch der Auerochs und das Elentier hausten, wenn sie sich in ihren eingeschneiten Hütten bei brennenden Lichtern um das neugeborene Kind versammelten und davon sprachen, dass ihnen mit diesem neuen Leben jenes neue Licht gebracht sei, welches der Himmel ihnen verkündet hatte in der Vorfrühlingszeit, so war dies das alte Weihnachten. Da wurde denen, zu welchen die Kunde vom Christentum einstmals kommen sollte, erzählt, es sei einer in der besonders heiligen Stunde geboren, der zu Großem ausersehen sei. Das war derjenige, der als der erste nach der zwölften Stunde in der als heilig bezeichneten Nacht geboren wurde. Darüber besaß man nicht mehr das alte Wissen, aber das alte Fühlen regte sich noch, als die Kunde kam, dass so einer im fernen Asien geboren sei, in welchem der Christus lebte, der von der Sternenwelt zur Erde heruntergekommen war. Solches immer mehr und mehr zu verstehen und dadurch den Sinn der Entwickelung der Erdenmenschheit wirklich konkret zu fassen, das obliegt der Gegenwart. Denn Großes und Ungeheures ist in den heiligen Schriften enthalten; nicht jene Trivialitäten, von denen heute in den religiösen Kundgebungen so oft gesprochen wird, sondern jene markdurchzuckenden, herzdurchtränkenden heiligen Wahrheiten, die durch alle Menschheitsentwickelung gehen. Das vibriert in demjenigen, was in den Evangelien enthalten ist. Und indem Geisteswissenschaft enthüllt, auf welch tiefen Hintergründen dasjenige ruht, was in den Evangelien lebt, werden diese Evangelien der Menschheit einmal erst teuer und wert werden. Und wissen wird die Menschheit einmal, warum im Lukas-Evangelium erzählt wird: «In dieser Zeit vollzog sich, dass der Kaiser Augustus den Befehl gab, daß in allen diesen Ländern öffentliche Verzeichnisse gemacht
werden sollten, zur Zeit, da Cyrenius Statthalter von Syrien war. Jeder ging in seinen Standort, sich aufzeichnen zu lassen. Auch Joseph aus der Stadt Nazareth in Galiläa zog nach Judäa, zur Stadt Davids, Bethlehem, weil er aus der Stadt und Familie Davids war, um sich aufschreiben zu lassen mit Maria, seiner vermählten Frau, die da schwanger war. Es vollzog sich, dass sie gebären musste, als sie daselbst waren. Sie gebar den erstgeborenen Sohn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil kein Platz in der Herberge übrig war.» Für ihn als für den Erstgeborenen unter denen, die sich in der Seele finden sollen, war von der dänischen Halbinsel nach dem entfernten Osten jene alte heilige Mysterienkraft hinübergezogen. «In dieser Gegend waren Hirten auf dem Felde, die Nachtwache hielten bei ihrer Herde. Siehe, es erschien denen ein Engel des Herrn, ein göttlicher Lichtglanz umhüllte sie, und sie fürchteten sich sehr.»
So verkündete auch Nerta, die für das alte Wanenbewußtsein, das heißt für das Unterbewußtsein im atavistischen Hellsehen, durch die Gefilde zog, die Ankunft der Menschen auf der Erde. «Der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Denn siehe, ich verkündige euch große Freude, die dem ganzen Volke zuteil werden soll; denn es ist heute der Heiland geboren in der Stadt Davids, der Christus der Herr ist. Und daran erkennt ihr ihn: ihr werdet ein Kindlein finden, in Windeln gewickelt, in der Krippe liegend. Da war plötzlich eine Schar himmlischer Mächte bei den Engeln,  die Gott lobten und sprachen:» und sie sprachen jetzt, was der Nerta-Priester zu der empfangenden Frau im alten nordischen Mysteriendienst gesprochen hat: «Die Offenbarung des Göttlichen geschieht aus den Höhen in der Zeit, da Friede ist unter den Menschen, die eines guten Willens sind!» Wie Tacitus erzählt: «Da ist froher Tag und Hochzeit, da wird kein
Krieg gestritten, keine Waffe ergriffen, das Eisen verschlossen.» Das ist gerade das Große, zu dem sich der Mensch erheben muss: hineinzuschauen in den Gang der Menschheitsentwickelung. Denn auch das Mysterium von Golgatha, durch welches die ganze Erdenentwickelung ihren tieferen Sinn bekommen hat, wird voll verständlich, wenn gezeigt wird, wie es innerhalb der ganzen Menschheitsentwickelung darinnensteht. Wenn einmal der Materialismus verschwunden sein
wird und der Mensch nicht nur in abstracto, sondern in concreto wissen wird, wie er göttlichen Ursprungs ist, dann wird wiederum ein Verständnis sein für die heiligen Mysterienwahrheiten des Altertums; dann wird die Zwischenzeit vorüber sein, in der zwar der Christus auf der Erde lebt, aber nur zum geringen Teil mit dem erwachten Bewußtsein verstanden werden kann."

Die Erde als ein erhabenes Geistwesen; die Botschaft ist zweiteilig: «Offenbarung des Göttlichen aus den Höhen» - «Friede in den Erdenseelen, die eines guten Willens sind.»: "Die Erde ist nicht nur ein großes Lebewesen, sie ist ein erhabenes Geistwesen. Und wie das größte Menschengenie im späteren Alter nicht da stehen könnte, wo es steht, wenn es sich nicht durch Kindheit und Jugend in entsprechender Weise entwickelt hätte, so hätte das Mysterium von Golgatha nicht stattfinden können, es hätte das Göttliche sich nicht mit der Erdenentwickelung vereinigen können, wenn nicht im Anfange der Erdentage in anderer, aber auch in göttlicher Weise Göttliches auf die Erde heruntergestiegen wäre. Anders, als sie später verstanden werden konnte, war die Offenbarung des Göttlichen aus den Höhen im alten Nertus-Dienste; aber sie war da. In dieser alten Weisheit ist zwar eine atavistische Erkenntnis enthalten, aber eine unendlich höhere als in dem, was heute in so brutaler Weise als materialistische Weltanschauung die Menschheit vertiert, erkenntnismäßig vertiert. Beim Christentum handelt es sich um eine Tatsache, nicht um eine Theorie. Die Theorie muss folgen, sie ist für das menschliche Bewußtsein, das sich im weiteren Verlauf der Erdenevolution ergeben soll, wichtig; aber das Christentum als solches, das Mysterium von Golgatha, ist als Tatsache vorhanden, und es handelte sich darum, dass gerade in die unterbewußten Strömungen das Christentum zunächst eintrat. Das war noch möglich in Vorderasien in der Zeit, als Christus mit der Erde sich vereinigte. Hirten, ähnliche Leute wie die, unter denen der Nertus-Dienst gelebt hat, sind auch im Lukas-Evangelium geschildert. Ich kann Ihnen das alles nur skizzenhaft andeuten. Könnten wir lange darüber reden, so würde sich gerade das, was ich Ihnen heute zu sagen habe, als tief begründet ergeben. Weil der Mensch aus geistigen Höhen heruntergestiegen ist, darum vollzog sich die Offenbarung des Göttlichen aus den himmlischen Höhen. Es musste so gesprochen werden zu denen, welche aus der alten Weisheit das Schicksal des Menschen verbunden wußten mit demjenigen, was in den Sternen von den Himmeln lebt. Dasjenige aber, was auf der Erde leben soll durch den Eintritt des Christus in einen Erdenmenschen, es wird erst nach und nach verstanden werden müssen. Die Botschaft ist zweigliedrig, zweiteilig: «Offenbarung des Göttlichen aus den Höhen» - «Friede in den Erdenseelen, die eines guten Willens sind.» Ohne diesen zweiten Teil hat Weihnachten, das Fest der Geburt des Christus, keinen Sinn!"  [81]
 
 

18. Kosmische und menschliche Geschichte IV - III, Zeitgeschichtliche Betrachtungen; Unter der Maske des Monotheismus verbirgt sich Vielgötterei; Rudolf von Hohenems, der Gute Gerhard, Zeitgenosse des Wolfram von Eschenbach; Landwege bilden die Vermittlung bildeten zwischen dem Orient und dem Okzident; Englands Seemacht; Symptomatische Geschichtsbetrachtung statt pragmatische Geschichtsbetrachtung von heute; Geschichte des Siebenjährigen Krieges; Königreiche Hannover und England; die berühmten «Göttinger Sieben», Witzenhausen; Chinesentum in Europa; Folgen des Opiumkriegs


Unter der Maske des Monotheismus verbirgt sich Vielgötterei: "Ich habe Sie vor einiger Zeit darauf aufmerksam gemacht, wie heute geradezu, ich möchte sagen, religiös gezüchtet wird die Gedanken- und Empfindungslosigkeit, indem man nicht wissen will, dass die modernen Religionen, indem sie von «Gott» sprechen, eigentlich nur von einem Engelwesen, von einem Angelos sprechen. Wenn der moderne Mensch «Gott» sagt, meint er nur seinen Engel, denjenigen Engel, der ihn durchs Leben weist. Und er redet sich bloß ein, dass er von einem höheren Wesen als einem Engelwesen spricht. Die Maja ist, dass der heutige Monotheismus von einem einzigen Gotte spricht, die Wirklichkeit, vom geistigen Gesichtspunkte angesehen, ist, dass im Grunde genommen die Menschheit die Tendenz hat, von so viel Göttern zu sprechen, als es Menschen auf der Erde gibt, weil jeder nur von seinem Engel spricht. Also die absoluteste Vielgötterei ist diejenige, die sich unter der Maske des Monotheismus verbirgt, daher auch die modernsten Religionen vor der Gefahr stehen, sich zu atomisieren, indem jeder nur seine Gottesidee vertritt, seinen Standpunkt. Woher kommt das? Das kommt daher, dass wir heute, im fünften nachatlantischen Zeitraum, isoliert stehen von der geistigen Welt. Das Bewußtsein ist nur in der Menschheitssphäre."

Lippenbekenntnisse der heutigen Priester: "Wie viele Vertreter der heutigen Religion glauben in ihrem Herzen, nicht bloß mit ihren Lippen, sondern in ihrem Herzen an die wirkliche Auferstehung - sie können ja nur glauben, wenn sie sie begreifen -, an das Ostergeheimnis? Wie viele Priester? Die modernen Priester und Pfarrei sehen schon ihre ganze Aufgeklärtheit darin, dass sie das Ostergeheimnis, das Auferstehungsgeheimnis wegleugnen, es irgendwie wegdiskutieren, wegsophistizieren; und wenn sie irgendeinen Grund finden, nicht daran glauben zu müssen, so sind sie ungeheuer froh. Zunächst ist die Christus-Idee, die untrennbar ist von dem Auferstehungsgeheimnis, verdogmatisiert worden; dann aber ist sie allmählich in die Diskussion verfallen, und die Tendenz besteht, das Auferstehungsmysterium vollständig fallen zu lassen. Aber auch das Geburtsmysterium will man nicht verstehen. Man will sich nicht einlassen darauf, weil man es in seiner ganzen Tiefe, eben in seinem Mysteriencharakter, nicht mehr gelten lassen will. Man will es nur in seinem animalen Charakter gelten lassen; man will sich nicht bewußt sein, dass etwas Geistiges herabsteigt. Im dritten nachatlantischen Zeitraum haben die Menschen noch dieses Geistige herabsteigen sehen, aber mit einer andern Bewußtseinslage. Weder Geburt noch Tod des Christus Jesus will eigentlich dasjenige, was man moderne Religion, modernes Christentum nennt, noch verstehen. Einige wollen noch dogmatisch daran glauben, daran festhalten; aber ein Verständnis dieser Dinge, das über den bloßen Wortschall hinausgeht, ist heute nur durch Geisteswissenschaft möglich. Dazu ist es aber notwendig, den Horizont des Begreifens zu erweitern. Aber es besteht ein Fliehen der Wahrheit, man flieht förmlich dasjenige, was zum Verstehen der Dinge führen kann." [82]

Der Gute Gerhard; Zeitgenosse des Wolfram von Eschenbach: Rudolf von Hohenems; Landwege bilden die Vermittlung bildeten zwischen dem Orient und dem Okzident; Englands Seemacht: "Da wird uns erzählt aus der Zeit etwa des 10. Jahrhunderts, wo also noch die Seelenverfassung des vierten nachatlantischen Zeitraumes herrschend war. Wir haben gesehen, wie bei dem Kaiser Otto mit dem roten Barte die geistige Welt hereinwirkt. Sein ganzes Leben wird umgewandelt dadurch, daß er von der geistigen Welt aus aufmerksam gemacht wird auf den Guten Gerhard. Von diesem Guten Gerhard soll er lernen Gottesfurcht, wahre Frömmigkeit, und daß man nicht erwarten soll, für dasjenige, was man auf der Erde hier getan hat, einen recht egoistischen Segen vom Himmel zu erhalten. Aber er wird von der geistigen Welt aus hingewiesen darauf, diesen Guten Gerhard aufzusuchen. Das ist das eine: das Hereinspielen der geistigen Welt. Wer die Zeit wirklich kennt, nicht nur aus der äußeren Geschichte, wie man sie heute darstellt, sondern so, wie sie war, der weiß, daß solches Hereinspielen der geistigen Welt in realen Visionen, wie das erzählt wird von diesem Kaiser Otto dem Roten, in der damaligen Zeit gang und gäbe war, und daß die geistigen Impulse durchaus ihre bedeutungsvolle Rolle gespielt haben. Derjenige, der diese Geschichte aufgeschrieben hat, sagt nun ausdrücklich folgendes: Er habe in seiner Jugend noch viele andere Geschichten geschrieben, wie es auch andere seiner Zeitgenossen getan haben. Der Mann, der die Geschichte vom Guten Gerhard niedergeschrieben hat, ist ungefähr ein Zeitgenosse des Wolfram von Eschenbach: Rudolf von Hohenems. Er sagt, dass er noch anderes geschrieben hat, aber das habe er alles vernichtet, und zwar aus dem Grunde, weil das Märchengeschichten gewesen wären. Diese Geschichte aber, die ja im äußeren Sinne auch nicht historisch ist, das heißt, nicht in unseren heutigen, nur die physische Maja in Betracht ziehenden Geschichtsbüchern stehen könnte, die betrachtet er als streng historisch, als kein Märchen. Er erzählt sie zwar so, dass man sie nicht vergleichen kann mit der äußeren, rein physischen Geschichte; aber er erzählt wahrer als die äußere, rein physische Geschichte sein kann, die ja im Grunde genommen Maja ist. Er erzählt eben für den vierten nachatlantischen Zeitraum. Sie wissen, denn ich habe es gerade bei diesen Auseinandersetzungen immer wiederholt, es handelt sich da nicht um Parteinahme für das oder jenes, sondern um die Darstellung von Tatsachen, die die Unterlagen bilden sollen, um die Dinge beurteilen zu können. Nur derjenige, der nicht objektiv sein will, wird der Darstellung, die ich versuchen werde, Nichtobjektivität vorwerfen. Von jemandem, der nicht objektiv sein will, ist natürlich nicht zu verlangen, dass er dasjenige, was objektiv ist, als objektiv ansieht. Nicht nur darauf kommt es an bei dieser Erzählung von dem Guten Gerhard, dass die geistige Welt hereinspielt, sondern darauf, dass aus der geistigen Welt einer leitenden, führenden Persönlichkeit der Impuls gegeben wird, sich an ein Mitglied der kommerziellen Welt, der Kaufmannswelt zu wenden. Und in der Tat, das Historische an der Sache ist, dass in Mitteleuropa in jener Zeit bei den Mitgliedern jenes Hauses, aus dem der Rote Otto war, gerade das Kaufmännische der Städte protegiert worden ist. Es war für Europa die Zeit des Heranwachsens des kaufmännischen Wesens. Nun müssten wir in Betracht ziehen, dass wir in eine Zeit versetzt werden, in welcher von einer Seeverbindung zwischen dem Orient und dem Okzident nicht gesprochen werden konnte; die Handelswege waren durchaus Landwege. Solche kommerziellen Leute wie der Gute Gerhard, der, wie Sie wissen, in Köln wohnte, vermittelten auf Landwegen die Handelsverbindungen von Köln bis hinüber in den Orient und wieder zurück. Wenn sie Schiffe benützten, so war dies im Grunde genommen von untergeordneter Bedeutung; das Wesentliche waren die Landwege. Daher waren auch die Schiffsverbindungen im Grunde genommen nichts anderes als, ich möchte sagen, Versuche, mit den Mitteln der primitiven Schiffahrt das zu erreichen, was in viel umfänglicherer Art damals auf Landwegen vonstatten ging. Wir haben es also hauptsächlich mit den Landwegen zu tun, und erst mit den allerersten Anfängen der Schiffahrt. Das ist eben das Charakteristische, dass wir auf diesen Zeitpunkt gewiesen werden. Die umfängliche Schiffahrt kam erst viel später. Und nun sehen Sie, wie da ein ganz aus der Natur der Dinge herauskommender Gegensatz geschaffen wird. Es ist ganz natürlich, dass, solange die Landwege die Vermittlung bildeten zwischen dem Orient und dem Okzident, die mitteleuropäischen Länder tonangebend waren; das ist ganz selbstverständlich. Das Leben in diesen mitteleuropäischen Ländern richtete sich auch nach diesen Dingen ein. Es war ganz anders als später. Und vieles ist auf diesem Wege auch mit Bezug auf die geistige Kultur vermittelt worden. In den folgenden Jahrhunderten wurden die Landwege durch die Seeverbindung abgelöst. Die weitere Entwickelung war nun, wie Sie wissen, so, dass England allmählich diese Seeverbindungen aus verschiedenen Händen in einer Hand zusammengefasst hat. - Die Spanier, die Holländer, die Franzosen sind als seefahrende Völker überwunden worden, und alles ist zusammengefasst worden unter der immensen Herrschaft, die ein Viertel der gesamten trokkenen, das heißt, nicht vom Meere bedeckten Erdoberfläche umfasst, und allmählich dazu auch die Herrschaft über das Meer. Wenn Sie dazu annehmen, dass richtig ist, was ich Ihnen vor einiger Zeit gesagt habe, daß in den heranwachsenden und namentlich seit Jakob I. besonders groß werdenden okkulten Brüderschaften seit Jahrhunderten wie eine selbstverständliche Wahrheit gelehrt worden ist, dass an die angelsächsische Rasse - so sagt man eben in diesem Zusammenhange, das habe ich schon auseinandergesetzt - alle Weltherrschaft der fünften nachatlantischen Zeit übergehen müsse, so werden Sie System finden in diesem Überwinden und gewissermaßen Ausrotten der Seeherrschaft der andern. Und wenn man dazunimmt, was ich auch schon angedeutet habe, dass gelehrt wurde und wird: Diese fünfte nachatlantische Rasse der englisch sprechenden Völker, wie man sagt, muss überwinden die Völker der lateinischen Rasse, - so werden Sie das Systematische in den geschichtlichen Vorgängen schon sehen. Die Hauptsache, auf die es ankommt, ist zunächst das Wechselspiel zwischen den englisch sprechenden Völkern und den irgendwie lateinisch sprechenden Völkern. Man versteht die neuere Geschichte nicht, wenn man nicht weiß, dass es vor allen Dingen darauf ankommt - und dass die Dinge so dirigiert werden -, zugunsten der englisch sprechenden Bevölkerung die Weltenerscheinungen so einzurichten, dass der Einfluss der in irgendeiner Weise lateinisch sprechenden Bevölkerung aufhört. Unter gewissen Umständen kann man solch ein Aufhören am besten dadurch bewirken, dass man eine Zeitlang den andern fördert und ihn dadurch in seine Gewalt bekommt. Dadurch kann man vielleicht am besten dazu beitragen, dass man ihn aufsaugt. In jenen okkulten Brüderschaften, auf die ich in verschiedener Weise gedeutet habe, wird Mitteleuropa keine besondere Bedeutung beigemessen; denn so gescheit ist man auch, um zu wissen, dass zum Beispiel Deutschland nur ein Dreiunddreißigstel der gesamten trockenen, das heißt, vom Lande bedeckten Erde besitzt. Das ist wirklich recht wenig im Vergleich zu einem Viertel der gesamten, vom Lande bedeckten Erde, wobei noch die Herrschaft über das Meer dazukommt. Mitteleuropa ist also nicht die Gegend, auf die man einen besonderen Wert legt. Einen besonderen Wert legte man jedoch, insbesondere in den Zeiten, in denen sich vorbereitete, was in der Gegenwart geschieht, auf die Überwindung aller derjenigen Impulse, die sich im Lateinertum zur Ausbildung bringen."

Symptomatische Geschichtsbetrachtung statt pragmatische Geschichtsbetrachtung von heute: "Wer die Dinge durchschaut, wird gewisse Erscheinungen ganz anders beurteilen können als derjenige, der die Geschichten, die man Weltgeschichte nennt, diese Fable convenue, nur so hintereinander liest, wie sie eben in der heutigen Geschichtswissenschaft erzählt werden. Nehmen Sie gewisse Dinge, die Sie gut kennen, mit andern zusammen, auf die ich Sie aufmerksam machen will. Zunächst eine einfache Tatsache: Im Jahre 1618 hat, wie bekannt, der Dreißigjährige Krieg damit begonnen, dass aus dem tschechischen Slawentum heraus sich eine gewisse Art von reformatorischen Ideen bildeten. Dann haben sich diesen Slawenkreisen angehörige Adlige der Bewegung angenommen und sich aufgebäumt gegen dasjenige, was man die Gegenreformation nennen kann: gegen den vom Hause Habsburg, das ja aus Spanien stammte, begünstigten Katholizismus. Was gewöhnlich als erstes erzählt wird von dem Dreißigjährigen Kriege: dass die Aufständischen sich zum Prager Rathaus begaben und die Ratsherren Martinitz und Slawata und den Geheimschreiber Fabrizius hinterher zum Fenster hinauswarfen - das ist von keiner großen Bedeutung. Diese Sache ist höchstens dadurch interessant, dass sich alle drei Herren nichts Besonderes getan haben, weil sie gerade auf einen Misthaufen gefallen sind. Das sind aber nicht die Dinge, die den Dreißigjährigen Krieg wirklich anschaulich machen können, die ihn in seinen Untergründen erkennen lassen. Die reformatorisch gesinnten Leute wählten sich einen Gegenkönig, den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, der 1619 zum König von Böhmen gewählt wurde. Dem folgte, wie Sie wissen, die Schlacht auf dem Weißen Berge. Bis zur Wahl des Kurfürsten ging alles aus gewissen Leidenschaften der Menschen nach einer reformatorischen Bewegung hervor, aus einem Sich-Aufbäumen gegen Gewaltmaßregeln, die man gegen diese Reformatoren durch die Schließung beziehungsweise Zerstörung von protestantischen Kirchen in Braunau und Kloster Grab ergriffen hatte. Ich kann natürlich nicht die ganze Geschichte erzählen, dazu reicht unsere Zeit nicht aus. Aber nun bedenken Sie: Der Kurfürst Friedrich von der Pfalz wird gewählt. Bis dahin, dass sich die einen eigenen König wählen, sind es menschliche Leidenschaften, menschliche Enthusiasmen, meinetwillen, ich will es Ihnen konzedieren, auch menschliche Idealismen gewesen - mit vollem Recht kann das gesagt werden - , welche den Ereignissen zugrunde lagen."

Geschichte des Siebenjährigen Krieges; Königreiche Hannover und England; die berühmten «Göttinger Sieben», Witzenhausen: "Es handelt sich eben darum, dass wir es in der ganzen neueren Geschichte zu tun haben mit einem Gegensatz zwischen dem alten romanisch- lateinischen Wesen und demjenigen Wesen - ich sage nicht des englischen Volkes, dieses würde mit der Welt sehr gut auskommen -, aber demjenigen, das von der Seite, die ich ja genugsam charakterisiert habe, aus diesem englischen Volke gemacht wird oder gemacht werden soll, wenn es sich nicht dagegen wehrt. Um den Gegensatz dieser zwei Elemente handelt es sich. Und das andere wird geschoben. Denn man kann an dem einen Punkt der Erde viel erreichen, wenn man an einem andern Orte manche Ereignisse hervorruft. Nehmen wir einen späteren Zeitpunkt. Sie können heute ein Geschichtsbuch in die Hand nehmen und die Geschichte des Siebenjährigen Krieges lesen. Nun, diese Geschichte des Siebenjährigen Krieges wird selbstverständlich auch gedankenlos gelesen. Denn will man erkennen, um was es sich handelt, will man die historischen Mächte erforschen, die da im Spiele sind, dann muss man die verschiedenen Verkettungen der Umstände eben richtig ins Auge fassen. Man muss ins Auge fassen, wie damals der südliche Teil von Mitteleuropa, Österreich, ganz in Verbindung war mit allem Lateinischen, sogar ein richtiges Bündnis mit Frankreich hatte, wie dagegen der nördliche Teil von Mitteleuropa - zunächst allerdings nicht, aber später - herangezogen worden ist von dem, das von einer gewissen Seite her eben zu der englisch sprechenden fünften nachatlantischen Rasse gemacht werden sollte. Betrachten Sie die Bündnisse und alles dasjenige, was, von der Maja abgesehen, dazumal geschehen ist, so haben Sie den Krieg, der in Wirklichkeit geführt wurde zwischen England und Frankreich um Nordamerika und Indien. Und was in Europa geschah, ist eigentlich nur ein schwaches Spiegelbild davon. Denn vergleichen Sie alles dasjenige, was sich abgespielt hat im Großen - erweitern Sie Ihren Horizont! -, dann werden Sie sehen, dass dazumal der Kampf wütete zwischen England und Frankreich, und Nordamerika und Indien spielten eben schon hinein. Es handelte sich darum, wer von diesen beiden Mächten der Gescheitere ist, die Verhältnisse so zu dirigieren, dass er dem andern die Herrschaft über Nordamerika beziehungsweise Indien abspenstig macht. Darinnen spielen große Voraussichten, darinnen spielt die Beherrschung bedeutsamer Impulse. Und wahr ist es: Der Einfluss, der von England aus in Nordamerika erzielt worden ist, der Frankreich abgewonnen worden ist, der ist auf den schlesischen Schlachtfeldern im Siebenjährigen Kriege erfochten worden! Betrachten Sie, wie sich die Bündnisse ändern, wenn die Dinge etwas penibel werden, und verfolgen Sie von diesem Gesichtspunkte aus die Bündnisse! Ich will Ihnen eine andere Geschichte erzählen. Es ist notwendig, solche Dinge ins Auge zu fassen, denn sobald man nicht missverstanden wird, sondern sobald vorausgesetzt wird, dass es sich darum handelt, sich wirklich über die Dinge der Welt aufzuklären, sobald man sich nur selber bestrebt, ein bißchen objektiv zu sein, wird man nicht übelnehmen, wenn solche Dinge erzählt werden, sondern man wird verstehen, daß es sich um Verständnis handelt, und durchaus nicht um eine Parteinahme. Im Grunde genommen müsste oft gerade derjenige, der glaubt, von einer solchen Sache betroffen zu sein, am allerfrohesten sein, diese Sache kennenzulernen. Denn er wird dadurch über die Blindheit hinweggehoben und sehend gemacht, und nichts ist für den Menschen wohltätiger, als wirklich die Zusammenhänge der Welt sehend zu durchschauen. Nehmen wir noch ein Beispiel, das Ihnen von einer andern Seite her zeigen kann, wie die Dinge wirken. Durch Verhältnisse, die Sie in der Geschichte nachlesen können, waren früher die Königreiche Hannover und England miteinander verbunden. Aber da waren verschiedene Thronfolgegesetze und so weiter - auf solche Dinge brauchen wir uns nicht einzulassen -, es genügt zu wissen, dass, als die Königin Viktoria auf den englischen Thron kam, Hannover abgetrennt werden mußte. Ein anderes Mitglied des englischen Königshauses musste auf den Thron von Hannover kommen. Man wählte, oder man dirigierte die Sache so, dass Ernst August, Herzog von Cumberland, auf diesen Thron von Hannover, der vorher mit dem Thron von England verbunden war, bugsiert wurde. Dieser Ernst August kam also auf den Thron von Hannover, Sechsundsechzig Jahre war er alt. Sein Charakter war so, dass die englischen Zeitungen, nachdem er England verlassen hatte, um als Majestät von Hannover sein Amt anzutreten, geschrieben haben: Es ist gut, dass er fort ist, hoffentlich kommt er nicht wieder! - Er galt eben durch seine ganze Art, durch die Art seines Auftretens, als eine geradezu fürchterliche Persönlichkeit. Und wenn man sich ansieht, wie er wirkte, welchen Eindruck er namentlich auf seine Zeitgenossen machte, auf diejenigen, die mit ihm zu tun hatten, so kommt ein gewisses Charakterbild heraus, das demjenigen auffällt, welcher einen Sinn hat für solche Charaktere. Die Hannoveraner konnten ihn eigentlich nicht verstehen; die fanden ihn grob. Nun, grob war er auch, so grob, dass Thomas Moore, der Dichter, sagt: Er gehörte ganz sicher zu der Dynastie der Beelzebuben. -Aber Sie wissen, man sagt: Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist. - Man hat zuweilen Verständnis für Grobheiten, aber man setzt voraus, dass, wenn einer schon grob wird, er dann wenigstens wahr ist. Aber Ernst August war immer verlogen, wenn er grob war, und das konnte man in Hannover nun ganz und gar nicht verstehen. Solche Züge finden sich bei ihm noch mehr. Zunächst hat Ernst August in Hannover das Staatsgrundgesetz aufgehoben. Er brachte es auch dazu, dass die berühmten «Göttinger Sieben» die Universität Göttingen verlassen mussten. Er hat sie gleich über die Grenze schaffen lassen und erst in Witzenhausen, also jenseits der Hannoveraner Grenze seiner Majestät Ernst Augusts, durften die Studenten von ihnen Abschied nehmen. Diese ganze Geschichte brauche ich Ihnen nicht zu erzählen; aber wo liegt die Erklärung? Wer nach keiner weiteren Erklärung für diese sonderbare Maske sucht, findet Ernst August grob und unwahr. Er hat ja sogar den Metternich übers Ohr gehauen, und das will viel sagen, und so weiter. Aber in alledem ist doch ein merkwürdiges System. Und dieses System änderte sich nicht, trotzdem er sein Leben bis zum sechsundsechzigsten Jahre zum großen Teil in Deutschland verbracht hat - er war Dragoneroffizier. Wer eine Erklärung dafür sucht, der findet sie darinnen, dass er in seiner Art jene Impulse anwendete, die man hat, wenn man Mitglied der sogenannten «Orangeloge» ist; denn sein ganzes Gebaren war eine Umsetzung der Impulse der Orangeloge, deren Mitglied er war.Symptomatisch die Geschichte kennenzulernen, den Horizont zu erweitern, darauf kommt es an. Einen Sinn dafür entwickeln, was wichtig ist, was wirklich aufklärt, darauf kommt es an. Und so werden Sie begreifen, dass ich die Geschichte vom «Guten Gerhard» erzählt habe aus dem Grunde, um Ihnen zu zeigen, wie durch solche Dinge wie Orangelogen und so weiter dasjenige, was Mitteleuropa war, ganz systematisch hinübergezogen wurde. Das tadele ich nicht; es war eine historische Notwendigkeit. Aber einsehen soll man es, und soll nicht mit moralischen Urteilen in diesen Dingen kommen. Sehen soll man die Dinge, wie sie in Wirklichkeit sind! Alles kommt darauf an, dass man sich den Willen aneignet, die Dinge zu sehen, zu sehen, wie Menschen geschoben werden, zu sehen, wo Impulse liegen können, durch welche Menschen geschoben werden. Das ist aber eigentlich identisch mit dem Sich-Aneignen des Sinnes für Wahrheit; denn ich habe es oftmals betont, nicht darauf kommt es an, dass man sagt: Ja, ich habe das geglaubt, das war meine ehrliche, aufrichtige Meinung! - Nein, Wahrheitssinn hat derjenige, der unablässig danach strebt, die Wahrheit zu erforschen in einer Sache, der nicht nachlässt, die Wahrheit zu erforschen, und der sich verantwortlich erklärt für sich selber auch dann, wenn er irgend etwas aus Unwissenheit falsch sagt. Denn für das Objektive ist das ebenso gleichgültig, ob man etwas aus Wissenheit oder aus Unwissenheit falsch sagt, wie es gleichgültig ist, ob man aus Unverstand oder aus irgendeinem Mutwillen den Finger in die Flamme steckt; man verbrennt sich in beiden Fällen." [83]

Übel des Opiumrauchens., die Araber haben die Chinesen das Opiumrauchen gelehrt, die Engländer traten als Händler auf: "Seit dem 17. Jahrhundert verbreitete sich in China die Sitte des Opiumrauchens. Wahrscheinlich haben die Araber die Chinesen das Opiumrauchen gelehrt, denn vor dem 17. Jahrhundert waren die Chinesen keine Opiumraucher. Opiumrauchen bedeutet für die Menschen, die es tun, einen fragwürdigen, aber starken Genuss; denn der Opiumraucher verschafft sich die mannigfaltigsten, aus dem Astralischen herausgeborenen Phantasien, in denen er lebt; es ist wirklich eine andere Welt, die auf rein materiellem Wege erreicht wird. Als nun die Leute, die in der angegebenen Weise von England aus mit China Handel trieben, bemerkten, dass unter den Chinesen immer mehr und mehr die Sitte, die Leidenschaft des Opiumrauchens überhandnahm, da richteten sie in Bengalen, in Indien, weite Mohnkulturen ein, um das Opium zu gewinnen; denn es weiß jeder, der die Gesetze einer solchen Sache kennt, dass nicht nur die Nachfrage das Angebot erzeugt, sondern dass umgekehrt das Angebot auch wiederum die Nachfrage hervorbringt. Wenn man recht viel anbietet, dann entsteht nach diesem oder jenem Artikel ein besonders starkes Bedürfnis, das weiß jeder Nationalökonom. Und auch dafür wurde nun der Ostindischen Gesellschaft von England aus das Monopol gegeben, in China das Opium einzuführen. Und je mehr man einführte, desto mehr verbreitete sich in China dieses Übel des Opiumrauchens. Seit 1772 wurden jährlich mehrere tausend Kisten eingeführt, jede Kiste zum Betrag von etwa viertausendachthundert Mark. Nun, ich wähle gerade dieses Beispiel, weil so etwas wirklich einen tieferen kulturhistorischen Untergrund hat, wenn man alle Faktoren in Erwägung zieht. Denken Sie doch nur einmal, dass Sie mit dem Einimpfen des Opiums, da es auf die Seele wirkt, wirklich in das ganze geistige Leben eines Volkes oder derjenigen Menschen, denen Sie das Opium liefern, eingreifen. Ich kann dieses Beispiel wählen, denn es fällt mir gar nicht ein, zu behaupten, irgend jemand habe unrecht, der Handel treiben will; der Handel muss in der Welt frei sein. Das ist auch ein berechtigter Grundsatz. Und jemandem ohne weiteres unrecht zu geben, der in Bengalen Mohnkulturen macht, um daraus Opium für China zu gewinnen und Gold dafür einzunehmen, das fällt mir gar nicht ein. Aber die Chinesen sahen die armen ausgemergelten Opiumraucher. Der Opiumraucher kommt allmählich ganz herunter und es war nach und nach zu bemerken, welchen Einfluss für das Dekadentwerden weiter Schichten der Bevölkerung in China dieses Opiumrauchen hat. Als die Chinesen das bemerkten, war die Folge davon, daß sie 1794 das Opium verboten. Sie wollten kein Opium mehr in ihr Land hereinlassen. Nun, wie das so geht: Verbote hindern manchmal nicht den Handel mit dem, was verboten ist; man findet Mittel und Wege, die Sache doch zu verhandeln. Und damals stellte es sich heraus, daß - trotzdem formal das Verbot bestand, trotzdem die Chinesen ein Gesetz erlassen hatten, dass Opium nicht eingeführt werden darf - der Opiumhandel doch blühte. Es gibt ja allerlei Dinge; Bestechungen sind nur eine Seite der Sache, es gibt manches andere damit Verwandte. Nun, kurz, der Opiumhandel blühte, und war von einigen tausend Kisten im Jahre 1773 auf dreißigtausend Kisten im Jahre 1837 gestiegen - in wenigen Jahrzehnten. Das, was dafür erlöst wurde, etwa dreißig Millionen Franken im Jahre, floß nach Britisch-Indien. Als die Sache so überhandgenommen hatte, wußten sich die Chinesen nicht mehr anders zu helfen, als dadurch, dass sie die Opiumladungen, die ankamen, mit Beschlag belegen ließen. Nach Kanton, wo die Opiumladungen vorzugsweise ankamen, schickten sie einen tüchtigen Chinesen, einen energischen Mann, Lin mit Namen, der die Opiumkisten, die ankamen, konfiszierte. Die Engländer hatten als Konsulatsbeamten in China auch einen sehr tüchtigen Mann, den Kapitän Elliot, der war energisch, es gelang ihm sogar einmal, mit einem Kriegsschiff die chinesische Blockade zu durchbrechen. Nun galt es, sich aus der Affäre zu ziehen: Die Opiumkisten waren da, ganze Mengen. Aber die Chinesen gaben jetzt zunächst nicht nach - es war eine fatale Situation. Da ließ sich Elliot, da er das konnte, 20283 Kisten auf den Besitz seiner eigenen Person übertragen, signieren, und übergab sie der chinesischen Regierung. So war zunächst einmal ein Ausweg geschaffen. Aber das schuf den Opiumhandel nicht aus der Welt. Von der einen Seite war ja gar nicht der Wille dazu da, den Opiumhandel aus der Welt zu schaffen. Da wußten sich die Chinesen nicht anders zu helfen, als ein neues Gesetz zu machen, und dieses Gesetz war jetzt sehr strenge. Lin verfügte, dass alle beim Opiumhandel betroffenen Personen von chinesischen Gerichten mit dem Tod bestraft werden sollten, und dass die Schiffe fortan alle mit Beschlag belegt werden sollen. Die Chinesen hatten also nun in Aussicht gestellt: wenn einer mit Opium handelt, wird er vor ein chinesisches Gericht gestellt und mit dem Tod bestraft. Man sagte nun nicht etwa auf britischer Seite: Da muss man doch, damit keiner um einen Kopf kürzer gemacht wird «ober der Krempe», den Opiumhandel unterlassen; o nein, so sagte man nicht, sondern man sagte - ich führe es Ihnen wörtlich an - : «Mit einer derartigen Forderung hat die chinesische Regierung jedes Gefühl der Sicherheit endgültig zerstört.» Zunächst wurden die in China befindlichen Engländer aufgefordert, China zu verlassen, und von Indien her wurde bewaffnete Hilfe gefordert. Man besetzte sozusagen das Gebiet. Und da die Chinesen ziemlich tapfer auf ihrem Standpunkt beharrten und doch jeden köpfen wollten, der Opiumhandel trieb, so trieb man scheinbar keinen Opiumhandel; und da die Chinesen die britischen Schiffe mit Opium mit Beschlag belegen wollten, schickte man scheinbar keine Schiffe hin. Man verlud nämlich in Indien das Opium auf amerikanische Schiffe! Und auf amerikanischen Schiffen kam jetzt ebensoviel, ja sogar - die Dinge steigerten sich - immer mehr Opium in China an. Elliot, der Beamte, sagte: Man sieht nun deutlich die Frage, um die es sich bei unserem Streitfall handelt: ob China mit uns einen ehrlichen und wachsenden Handelsverkehr haben oder ob es die Schuld tragen will, daß seine Küsten der offenen Freibeuterei anheimfallen. - Der Hafen von Kanton wurde mit indischer Hilfe blockiert. Bei den Balgereien, Katzbalgereien könnte man sagen, die sich dabei entwickelten, wurde ein Chinese von einem englischen Matrosen erschlagen. Selbstverständlich forderte die chinesische Regierung die Auslieferung des englischen Matrosen. Aber die Sache war so, dass die Chinesen ab und zu immer wiederum bei dem Handel müde wurden, und so wollten sie eines Tages irgendwie Recht haben, aber doch den Engländern nicht unrecht geben. Das kann man nämlich auch machen! Nun ertrank dazumal zufällig ein englischer Matrose, und da kam Elliot, der ein sehr gescheiter Mann war, mit Lin, dem Vertreter der chinesischen Regierung, überein, den ertrunkenen Matrosen als denjenigen zu konstatieren, der den Chinesen erschlagen hatte. Und man lieferte den ertrunkenen Matrosen aus, und damit war die Sache zunächst beigelegt. Aber alle die Dinge führten 1840 endlich zum Krieg zwischen England und China. So war der Hergang ein ganz notwendiger, der nicht anders hat kommen können. Man hat aber auf das Seelenleben von der materiellen Seite her einen großen Einfluss ausgeübt, und es spielte sich etwas ab, was mit dem ganzen Weltprozeß zusammenhängt. In England «wußte» man, um was es sich handelte! Was wußte man denn? Ja, in England wußte man, dass man von China aus England «überfallen» habe - so sagte man nämlich dazumal - , und zwar aus dem Grunde, weil die Chinesen nicht leiden wollten, daß England in Indien seine Opiumkulturen, Mohnkulturen hat, und weil die Chinesen selber ihren Mohn pflanzen wollen. So sagte man. Das «wußte» man ganz genau, und dann wußte man noch, dass die Chinesen Barbaren sind! Das war es, was man dazumal in England wußte. Lord Palmerston sagte: Schutz der Mohnkulturen in Indien müsse Platz greifen, und um den Schutz der Mohnkulturen in Indien handele es sich; und ferner handele es sich darum, dass die Nationalökonomen in China ihr Geld nicht aus dem Land heraus lassen wollten, das von Rechts wegen aber nach Indien gehörte. - Das alles waren Dinge, die man in Europa wohl einsah! Nun wütete der Krieg. Im Kriege geschehen  selbstverständlich Greuel. Greuel sind auf chinesischer, Greuel sind auch auf englischer Seite begangen worden. Man hat dazumal ganze Dörfer so gefunden, dass die weiblichen Einwohner der Häuser in ihrem Blute schwammen; die chinesischen Männer hatten tapfer gekämpft, und als sie sahen, dass sie sich selbst töten mussten, oder sich ergeben, da töteten sie zuerst ihre Frauen und Kinder. Es war ein trauriger Krieg, dieser Krieg 1840. Elliot, der diesen ganzen Krieg mitangesehen und eigentlich auf dem Gewissen hatte, kam eines Tages in einen merkwürdigen Ruf, der vielleicht begründet war: er kam in den Ruf, dass er Neigung habe, mit den Chinesen Friedensverhandlungen einzuleiten. Da wurde er gestürzt. Und es kam - nicht Lloyd George! Pottinger hieß er dazumal, es kam ein gewisser Pottinger an die Stelle des Elliot, der Friedensverhandlungen einleiten wollte. Der Krieg sollte bis zum bitteren Ende geführt werden, das heißt, bis die Insel Chusan, die Städte Ningpo und Amoy genommen waren, bis die Engländer bis Nanking vorgerückt waren, und bis 1842 China allen Mut verloren hatte. Hongkong kam auch an England, fünf Häfen in China wurden schrankenlos dem Opiumhandel geöffnet, britische Konsuln wurden eingesetzt, siebenundneunzigeinhalb Millionen Kriegsentschädigung, also außer den früheren von den Chinesen -wie soll man sagen? - erpreßten fünfundzwanzig Millionen will ich nicht sagen, aber ein anderes Wort möchte ich dafür haben, das ich im Augenblicke nicht finde -, außer den schon früher erpressten fünfundzwanzig Millionen kamen jetzt noch siebenundneunzigeinhalb Millionen Kriegsentschädigungen dazu. Wie gesagt, es fällt mir nicht im Traume ein, diesen Vorgang als etwas anderes denn eine historische Notwendigkeit aufzufassen. Es fällt mir nicht im Traume ein, jemanden anzuklagen. Denn wer Notwendigkeiten einsehen kann, wer einsehen kann, wie die Dinge geschehen auf dem physischen Plane, der weiß, dass es solche Dinge im normalen physischen Verlauf der Weltentwickelung eben durchaus gibt. Und das, was aus dem Opium gezogen worden ist, steckt im englischen Nationalvermögen, und im englischen Nationalvermögen steckt ein guter Teil englischer Kultur. Und ebenso, wie es Unsinn wäre, die englische Kultur zu unterschätzen, ebenso ist es Unsinn, die Notwendigkeit zu bezweifeln, mit der so etwas geschehen ist, wenn auch vielleicht das kleine satirische Nachspiel, das sich hinterher noch ergeben hat, nicht ganz zu den Notwendigkeiten gehört: Als die erste Rate der siebenundneunzigeinhalb Millionen Kriegsentschädigung einlief, da fanden sich nämlich Leute, die sagten: Wir sind diejenigen, denen zuerst ihre Opiumkisten abgenommen worden sind, und das, was wir dazumal als Entschädigung erhielten, entspricht nur zum allergeringsten Teil dem, was wir verloren haben. Es handelte sich also um Leute, die dazumal das Opium nach China verkauft hatten, denen das Opium abgekauft worden war, und die eine kleine Entschädigung abbekommen hatten. Jetzt sagten sie: Es hat sich doch gezeigt, daß man es in unserem Vaterland als berechtigt anerkennt, Opium nach China zu verkaufen; da müssen wir entschieden den Anspruch erheben, dass uns die volle Entschädigung gegeben wird, denn wir haben ja nichts getan als das, wofür unser Vaterland jetzt den Krieg geführt hat. Nachdem der Krieg gewonnen war, betrachteten die Herren es also als ihr gutes Recht, eine volle Entschädigung zu erhalten. Da zog der betreffende Minister, der die Sache zu entscheiden hatte, eine Note aus der Tasche, die er seinerzeit an den Kapitän Elliot gegeben hatte, und in dieser Note stand, dass es der englischen Regierung niemals beifallen wird, solange die chinesischen Gesetze den Opiumhandel verbieten, irgend jemanden dafür zu entschädigen, wenn er beim Opiumhandel Verluste erleide. - Da dazumal die chinesischen Gesetze in Geltung waren - so sagte man - , so habt ihr nichts zu verlangen, denn ihr habt die chinesischen Gesetze übertreten, die erst durch den Krieg aus der Welt geschafft worden sind. Ob dieses Nachspiel auch zu den historischen Notwendigkeiten gehört, das soll nicht entschieden werden. Aber notwendig ist es doch, auf Tatsachen hinzublicken. Wir stehen beim Beginne des englisch-chinesischen Krieges 1840 am Ausgangspunkt gerade jener Zeit, von der wir oftmals gesprochen haben. Ich habe Ihnen gerade dieses Jahr angegeben als dasjenige, wo der Materialismus seine Hochflut erleidet. Es ist gut, solche Dinge in ihrer Entwicklung zu begreifen. Und wie gesagt: ebenso wie es ein Unsinn wäre, irgendwie englische Kultur oder englisches Leben, englische Zivilisation zu unterschätzen, so wäre es ein Unsinn, zu glauben, daß so etwas hätte ausbleiben können in dem ganzen Zusammenhang der englischen Entwickelung. Es gehört dazu. Und ein moralisches Urteil über die Sache zu fällen, ist vollständig unrichtig. Denn da würde man in den Fehler verfallen, Gesamtheiten, Gruppen, so zu beurteilen, wie man den Einzelnen beurteilt. Das ist aber gerade dasjenige, was unmöglich ist."

Chinesentum in Europa; Folgen des Opiumkriegs: "Ich habe - und daraus werden Sie ersehen, dass diese Vorträge, die ich in den letzten Wochen hier gehalten habe, nicht ohne Zusammenhang sind - vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass John Stuart Mill und mit ihm zusammen der russische Philosoph und Politiker Herzen darauf hingedeutet haben, dass in Europa in vieler Beziehung eine Art Chinesentum beginnt, dass Europa «verchinat» wird. Ich habe die Bemerkung dazumal nicht umsonst gemacht. Denn wenn John Stuart Mill, der schon ein guter Beobachter war, findet, dass in seiner Umgebung bei den Menschen merkwürdige chinesische Eigentümlichkeiten sich zeigen, so hat er damit schon in einer gewissen Beziehung Recht. Nun betrachten Sie das Folgende: Seelen sind da, welche durch ihre vorhergehenden Bedingungen hintendieren, in chinesischen Leibern im 19. Jahrhundert oder im Anfange des 20. Jahrhunderts verkörpert zu werden. Nun, da die chinesische Bevölkerung lange nicht jene Zahl hat wie in früheren Zeiten, so können ohnedies nicht alle chinesischen Seelen dort verkörpert werden; aber in Europa, wo sich in den letzten Zeiten die Bevölkerung physisch wesentlich vermehrt hat, können viele Seelen untergebracht werden, die eigentlich dazu bestimmt sind, in chinesische Leiber hineinverkörpert zu werden. Da haben Sie den einen Grund, warum eine Chinesierung Europas von feinen Beobachtern wohl bemerkt wird. Aber das hätte nicht genügt, um Europa so zu präparieren, damit jenes europäische Karma herauskommt, welches eben herauskommen sollte; sondern es handelte sich darum, gewissermaßen den großen Gesetzen des Daseins nach einer gewissen Seite hin zu Hilfe zu kommen. Wenn man nun durch lange Zeiten hindurch dasjenige bewirkt, wovon ich Ihnen gestern Andeutungen gemacht habe: dass man viele Leiber einer ganzen Volksmasse ausmergelt, - dann bringt man es dahin, dass im Laufe der Zeit da unten Leiber entstehen, zu denen die Seelen nicht hingehen, die erst zu ihnen hintendiert haben. Dadurch, dass man die chinesischen Leiber «veropiumt» und Generationen erzeugt hat, welche unter dem Einfluss der Opiumkräfte entstanden sind, hat man die Chinesen dazu verurteilt, zum Teil sehr unreife, sehr untergeordnete Seelen, über deren Qualitäten ich nicht sprechen will, in sich aufzunehmen. Dafür aber wurden diejenigen Seelen, die sich selber für chinesische Leiber bestimmt hatten, verhindert, in diese veropiumten Leiber zu gehen. Diese wurden nach Europa abgeleitet, um da innerhalb der europäischen Bevölkerung dasjenige hervorzurufen, was dann jene feinen Beobachter, die ich anführte, wohl gemerkt haben. Sie sehen daher: ein solches Ereignis auf dem physischen Plan wie der Opiumkrieg, hat sehr wohl seinen geistigen Hintergrund. Er ist nicht nur für das da, wozu er zunächst da war, nämlich, dass sich Leute um Millionen bereichert haben, sondern er ist auch da, um gewisse Seelen, die sonst aus der geistigen Welt zur Verstärkung der europäischen Kulturkräfte in der jetzigen Zeit herabgekommen wären, zu verhindern, sich schon jetzt zu inkarnieren, und dafür chinesische Seelen in europäische Leiber zu praktizieren. So paradox das erscheint, es ist doch so. Es ist doch so, dass das wichtige, folgenschwere Ereignis Tatsache geworden ist, dass bei einer großen Anzahl europäischer Menschen jenes Nichtzusammenstimmen des Seelischen mit dem Leiblichen bewirkt worden ist, welches ich eben angedeutet habe. Und durch das Nichtzusammenstimmen des Seelischen mit dem Leiblichen wird immer auch hervorgerufen eine Unmöglichkeit, die Werkzeuge des Leiblichen in entsprechender Weise zu gebrauchen. Daher die Möglichkeit, mit dem Irrtum zu wirtschaften. Mit dem Irrtum kann man nicht so leicht wirtschaften, wenn derjenige, der den Irrtum durchschaut, nicht gewissermaßen durch ein festgefügtes Zeitgepräge zum Predigen in der Wüste verurteilt ist. So sehen Sie, dass ich das, was ich Ihnen gestern erzählte, wahrhaftig nicht aus dem Grunde erzählte, um in irgendeiner abscheulichen Weise gerade dieses Ereignis in bezug auf ein Volkstum zu charakterisieren; sondern um ein Beispiel zu liefern, wie durch das, was von Menschen hier auf dem physischen Plan getan wird, tiefgreifende Änderungen auch in der geistigen Evolution der Menschheit hervorgerufen werden. Und glauben Sie nicht, dass ich alles, was ich Ihnen erzählt habe über Zentren des Irrtums, über die Art und Weise, wie heute Täuschungen, Betäubungen hervorgerufen werden, zu meinem Vergnügen erzählt habe; sondern um eben weiter zu charakterisieren, wie gerade in unserer materialistischen Zeit vieles beschaffen ist. Und heute versuchte ich, Ihnen einen der Gründe anzuführen, die sich ergeben, wenn man dasjenige, was durch Menschen geschieht, nicht bloß in seinem physischen Verlauf betrachtet, sondern wenn man es ansieht mit Bezug auf seinen okkulten Hintergrund. Da bedeutet eben so etwas wie jener Opiumkrieg tatsächlich eine Umlagerung des seelischen Elementes von dem einen Punkt der Erde, wo es hingehört, und wo es vielleicht hätte nützlich werden können, weil es in Leiber gekommen wäre, in die es gepaßt hätte, auf einen andern Punkt der Erde, wo es ein Werkzeug sein kann für Mächte, die es durchaus in der einen oder andern Weise in ihrer Art, nun, sagen wir, nicht gut mit der Menschheit meinen. Wir müssen uns klar sein, dass der äußere Kulturhistoriker selbstverständlich nur eine Degenerierung gewisser Kreise des chinesischen Volkstumes als Wirkung des Opiumkrieges feststellen muss. Derjenige aber, der geistige Kulturgeschichte ins Auge fasst, muss tiefer schauen und sehen, was dadurch in der ganzen Menschheit bewirkt wird. Denn nur in diesem fünften nachatlantischen Zeitraum, der von Materialismus ganz durchsetzt ist, ist eine Betrachtung möglich, die geradezu
tief ahrimanisch ist, die aber heute alles Denken und alle Ideen durchsetzt: nämlich, dass man sich dem Glauben hingibt, es könne bei einem Teil der Menschen irgend etwas Rechtes oder Unrechtes geschehen, was nicht auf die ganze Menschheit wirke. Dasjenige, was in bezug auf einen Teil geschieht, oder von einem Teil getan wird, wird stets dadurch, dass sich die Kräfte hinter den Kulissen des physischen Daseins in einer gewissen Weise anordnen, der ganzen Menschheitsevolution zukommen. Erst im sechsten nachatlantischen Zeitraum kann diejenige Verantwortung bei den Menschen einigermaßen allgemein werden, die dahin geht, dass ein jeder für das, was er tut, sich nicht nur sich selbst, sondern der ganzen Menschheit gegenüber verantwortlich fühlt. Heute stehen wir in jener Katastrophenstimmung aus dem Grunde drinnen, weil das gerade Gegenteil das Allgemeine ist, und sich die Menschheit anschickt, aus den Anschauungen der gegenwärtigen Zeit die gegenteilige Betrachtungsweise geradezu als die richtige allmählich herauszukristallisieren. Also das sei ein Beispiel, um Ihnen zu zeigen, dass das, was auf dem physischen Plan geschieht, wahrhaftig seine Wirkungen bis in die geistige Welt hineinerstreckt und somit nicht nur für den physischen Plan Bedeutung hat, sondern seinen Widerhall in den Geschehnissen der geistigen Welt, und damit der ganzen Welt hervorruft." [84]
 
 

Anmerkungen

[1] Wissenschaftsbriefe / Science Review Letters 2024 , 23, Nr. 1524; Tempelherren-Orden: Gegründet 1119 in Akkon, Philipp IV., genannt der Schöne, 1285-1314, ließ die Templer im Oktober 1307 verhaften und Papst Clemens V. hob 1312 den Orden auf. Der letzte Großmeister, Jakob von Molay, wurde 1314 in Paris verbrannt; Philipp der Schöne brachte es dahin, dass die Kardinäle einen französischen Bischof als Clemens V. zum Papste wählten und dass dieser 1309 seinen Sitz zu Avignon aufschlug; Henry Thomas Buckle, 1822-62, englischer Kulturhistoriker. «History of civilisation in England», 1857-61; Friedrich Rätsel, 1844-1904, Geograph und Völkerkundler. «Anthropogeographie»
1882-91, «Völkerkunde» 1886-88; Jungfrau von Orleans, Jeanne d'Arc, 1412-31; Ottokar II, 1253-78 König von Böhmen, erwarb Österreich und Steiermark und erbte Kärnten und Krain. Er fiel auf dem Marchfelde im Kampf gegen Konig Rudolf von Habsburg, der ihn dreimal vergebens zur Huldigung aufgefordert hatte; Die Grafen von Habsburg, seit Rudolf I., 1273-1308, deutsche Könige, unter Karl V., Kaiser von 1519-56, Höhepunkt der Habsburgischen Macht durch das österreichisch-spanische Weltreich; Johann Hus, 1369-1415, lernte die Schriften Wiclifs kennen und predigte gegen die Missstände der Kirche; die Heilige Schrift erschien ihm als einzige Quelle des Glaubens; von Papst Johannes XXIII. 1412 mit dem großen Bann belegt; in der 15. allgemeinen Sitzung des Konzils von Konstanz, zu dem er sich mit dem Geleitsbriefe des Königs Sigmund eingefunden hatte, von den Vätern zum Feuertode verurteilt, erlitt er auf dem Scheiterhaufen den qualvollen Flammentod; Girolamo Savonarola, 1452-98, italienischer Reformator, Prior des Dominikanerklosters San Marco zu Florenz, griff das Papsttum und den heidnisch gearteten Humanismus an; von Papst Alexander VI. in den Bann getan und dann als Kirchenfeind und Ketzer zum Tode verurteilt, wurde er stranguliert und dann verbrannt; Karl der Kühne, Herzog von Burgund 1467-77, bei Grandson und Murten 1476 von den Schweizern geschlagen, fiel bei Nancy; John Wiclif, um 1325-84, englischer Reformator, Professor der Universität Oxford, griff das ganze System der mittelalterlichen Kirche scharf an, übersetzte die Bibel ins Englische; Philipp IL, 1527-98, Sohn Karls V., seit 1556 König. Unter ihm brach 1566 der Aufstand der Niederlande aus. 1588 die Vernichtung der Armada, die England niederwerfen sollte, das Philipp vom Papste als Lehen der Kirche zugesprochen erhalten hatte; Napoleon I. Bonaparte, 1769-1821, seit 1804 Kaiser. Napoleon hatte im Hafen von Boulogne eine riesige Transportflotte angesammelt, die eine Armee von 200 000 Mann nach England bringen sollte; diese «große Armee» war 1805 auf dem Festland im dritten Koalitionskrieg gegen Rußland und Österreich siegreich, die vereinigte französisch-spanische Flotte aber wurde beim Vorgebirge Trafalgar von Nelson vernichtend geschlagen; Kampf um die Herrschaft in Amerika: Im Krieg von 1754-63 verlor Frankreich an England und Spanien seine Besitzungen in Amerika; im Kriege von 1773-83 machten sich die Vereinigten Staaten von England unabhängig; Jakob L, 1566-1625, Sohn der Maria Stuart, König von Schottland, ab 1603 auch König von England; Istvan ungarisch = Stephan. Stephan 1, der Heilige, 997-1038 erster König von Ungarn; Papst Silvester II. verlieh ihm die Königskrone, die «Stephanskröne», und den Titel «apostolischer König»; Richard Cobden, 1804-65, Vorkämpfer des Manchestertums, Führer der Gegner des Getreidezoll; John Bright, 1811-89, englischer Staatsmann, nach 1843 Haupt der Manchesterbewegung, des extremen wirtschaftlichen Liberalismus mit der Forderung nach freiem Handel und freier Konkurrenz, alle Eingriffe des Staates in die Wirtschaft verwerfend; Ferdinand Lassalle, 1825-64, deutscher Gelehrter, Sozialist und Agitator, Begründer des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins; Friedrich Engels, 1820-95, Mitverfasser des Kommunistischen Manifests; Karl Marx, 1818-83, Begründer des materialistischen Sozialismus bzw. Kommunismus; Hauptwerk «Das Kapital»; Jean Jacques Rousseau, 1712-1778; Giuseppe Garibaldi, 1807-82, kämpfte seit 1856 für die Einigung Italiens; Konstantin Petrowitsch Pobjedonosyew, geb. 1821, Orthodoxer, zentralistischer Alt- Moskowite und dem Panslawismus zugeneigt, Erzieher der Großfürsten, hatte auf Zar Alexander III., der 1881-94 regierte, maßgebenden Einfluss; von 1880-1905 war er Oberprokureur (Leiter) der heiligen Synode; Friedrich Jakob Soret, 1795-1865, Übersetzer der botanischen Schriften Goethes ins Französische. Erzieher des Erbprinzen Karl Alexander in Weimar; Gespräch mit Goethe vom 2, August 1830, in Flodoard Frhr. von Biedermann, «Goethes Gespräche»; Sophie Luise, Großherzoging von Sachsen-Weimar, 1824-97, Gemahlin des Großherzogs Karl Alexander, 1818-1901; durch das Testament des Enkels Goethes, Walter von Goethe, gestorben 1885, war die Großherzogin zur Erbin des Goetheschen Familienarchivs bestimmt worden; Baron Georges Cuvier, 1769-1832, Zoologe und Anatom; E. G.  Saint-Hilaire, 1772-1844, Zoologe. Er schrieb u.a. «Sur le principe de Tunke de composition organique», 1828; Menschewiki: Rechter Flügel der Sozialdemokraten in Russland, im Gegensatz zu der Mehrheitspartei der Bolschewiken, den Anhängern des extremen Kommunismus, die 1917 an die Macht gelangte; Franz Liszt, 1811-86, wirkte von 1848-61 als Hofkapellmeister in Weimar, durch Liszt wurde Weimar zu einem Zentrum der musikalischen Welt; Graf Leopold von Kalckreuth, 1855-1928, Landschafts- und Bildnismaler. Er war von 1885-90 Professor an der Kunstschule in Weimar; Heinrich von Treitschke, 1834-96, Historiker; Richard Strauß, 1864-1949, war von 1889-95 Hofkapellmeister in Weimar, in diese Zeit fällt die Komposition von Don Juan 1889, Macbeth, Till Eulenspiegel 1890, Tod und Verklärung 1891; Woldemar Freiherr von Biedermann, 1817-1903, gab von 1889-96 «Goethes Gespräche» in zehn Bänden heraus; Großherzog Karl Alexander von Sachsen-Weimar, 1818-1901; Georg Kreuzwendedich Freiherr von Rheinbaben, 1855-1921, 1901-09 preußischer Finanzminister, 1913-21 Präsident der Goethe-Gesellschaft; Liguorianer: Der Stifter der Ordenskongregation der Liguorianer oder Redemptoristen ist Alfonso Maria de Liguori, 1696-1787, der diese «Genossenschaft des Heiligsten Erlösers - del S. Redentore - zum Dienste der ärmsten und verlassensten Seelen» 1732 stiftete als Verein von Missionspriestern, besonders zur Belehrung des unwissenden Landvolkes; Johann Gottfried von Herder, 1744-1803; Karl von Linné, 1707-78, schwedischer Naturforscher; Baruch Spinoza, 1632-77;Nikolaus I., Papst von 858-867, sprach 863 über Photius, der seit 857 Patriarch von Konstantinopel war, Bann und Absetzung aus und veranlasste dadurch die Trennung der griechisch-morgenländischen von der römisch-abendländischen Kirche; Ignatius von Lqyola, um 1491-1556, eigentlich Inigo Lopez de Recalde, stiftete 1543 die Gesellschaft Jesu, deren erster General er war, «Exerzitienbuch des hl. Ignatius von Loyola»; Jesuitenpater Baumgartner: Alexander Baumgartner, S.J., «Goethe, sein Leben und seine Werke», Freiburg i.B. 1885-1886; George Henry Lewes, 1817-1878, «Life of Goethe», London 1855, deutsch von Frese, 15. Auflage von Geiger, Stuttgart 1886; Athanasius, um 300-373, der «Vater der Orthodoxie», Kirchenvater zu Alexandria; Chlodwig (Ludwig) I, 466-511, begründete 486 das fränkische Reich durch seinen Sieg bei Soissons über Syagrius, trat 496 zum Christentum über und besiegte die Alemannen, die Westgoten; Karl der Große, 742-814, seit 768 König der Franken, unterwarf die Sachsen, Langobarden und Bayern, erneuerte 800 das Römische Kaisertum; Edward Herbert, Lord Herbert of Cherbury, 1581-1648, der Begründer des englischen Deismus. Er schrieb u.a. «De veritate, prout distinguitur a revelatione, a verisimili, a possibili et a falso», ohne einer übernatürlichen Offenbarung zu bedürfen - obgleich es daneben auch eine geoffenbarte Religion geben könne -, leitet er aus den allgemeinen Aussprüchen der Vernunft die natürliche Religion ab, seine Nachfolger waren die englischen Deisten und Naturalisten: Charles Blount, Clarke, selbst Locke und Toland; Thomas Hobbes, 1588-1679, englischer Philosoph und Publizist; John Locke, 1632-1704, englischer Philosoph, er verfasste auch eine Abhandlung über die Vernunftmäßigkeit des Christentums: «The reasonableness of Christianity», 1695; Matthew Tindal, 1657-1733, englischer Deist. Er fasste die Heilige Schrift als Urkunde der natürlichen Religion auf, so dass ihm die Kirche eine Staatseinrichtung war, seine Schrift «Christianity as old as the creation or the gospel a republication of the religion of nature», London 1730, ist eine der Hauptschriften des Deismus; Adolf von Harnack, 1851-1930, evangelischer liberaler Kirchenhistoriker. «Wesen des Christentums», 1900; Bakuninismus: Michael Alexander Bakunin, 1814-1876, russischer Revolutionär, Infolge seiner radikalen anarchistischen Richtung überwarf er sich mit Marx und Engels; Wladimir Sergejewitsch Solowjow, 1853-1900, bedeutendster russischer Philosoph, «Die geistigen Grundlagen des Lebens», Erster Teil, Einleitung: Von der Natur, dem Tode, der Sünde, dem Gesetz und der Gnade. 1882-1884; Sebastian Franck, 1499-1543, Mystiker; «Unsichtbare Kirche des Geistes»; «Über die Tragödie»; Geburt der Aphrodite: Vgl. Hesiod: «Theogonie», Vers 190ff.: .. da hob sich weißlicher Schaum am unsterblichen Fleisch, und drinnen erwuchs ein / Mägdlein, welches am ersten Kytheras göttlicher Insel / Nahte, von hier alsdann zur umflossenen Kypros gelangte, / Ausstieg dort als Göttin, verehrliche, schöne; da wuchs rings / Unter den niedlichen Füßen das Gras; die heißt «Aphrodite», / «Schaumentsprossene Göttin» und herrlich im Kranz «Kythereia», (Deutsch von Binder, Langenscheidtsche Bibl. griech. u. römischer Klassiker.); Jean Paul: «Levana oder Erziehungslehre», 6. Bruchstück, 4. Kap., § 123: «Die Früchte rechter Erziehung der ersten drei Jahre (ein höheres Triennium als das akademische) könnt ihr nicht unter dem Säen ernten; ... aber nach einigen Jahren wird euch der hervorkeimende Reichtum überraschen und belohnen..».;Ernst Mach, 1838-1916, österreichischer materialistischer Philosoph und Physiker, lehrte in Wien, erneuerte in der Erkenntnistheorie die Anschauungen Berkeleys und Humes. - Siehe u.a. «Beiträge zur Analyse der Empfindungen», Jena 1886 (ab der 2. verm. Aufl.: «Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen») - «Erkenntnis und Irrtum. Skizzen zur Psychologie der Forschung», 1905; Richard Wähle, 1857-1935, Professor der Philosophie in Wien und Czernowitz - «Das Ganze der Philosophie und ihr Ende. Ihre Vermächtnisse an die Theologie, Physiologie, Ästhetik und Staatspädagogik», Wien und Leipzig 1894; William James, 1842-1910, amerikanischer Philosoph und Psychologe, Begründer des Pragmatismus - «Pragmatism», 1907. Deutsch: «Der Pragmatismus, ein neuer Name für alte Denkmethoden», volkstümliche philosophische Vorlesungen, Leipzig 1908; Charles Sanders Peirce, 1839-1914, amerikanischer Philosoph, Seine Abhandlung «How to make ideas clear» erschien in der Zeitschrift «Populär Science monthly», 12. Jg., 1878; Ferdinand Canning Senk Schiller, 1864-1937, englischer Philosoph, Vertreter des Pragmatismus in England, mit dem er den Humanismus verband; Hans Vaihinger, 1852-1933, Philosoph, Professor in Halle a.d. Saale. - «Philosophie des Als Ob, System der theoretischen, praktischen und religiösen Fiktionen der Menschheit auf Grund eines idealistischen Positivismus», 1911; Hendrik Antoon Lorentz, 1853-1929, niederländischer Physiker und Mathematiker, Begründer der Elektronentheorie, und (wie auch Ernst Mach) Vorbereiter der Relativitätstheorie Albert Einsteins; Albert Einstein, 1879-1955, Physiker. Begründete u. a. 1905 die «spezielle Relativitätstheorie» und 1915 die «allgemeine Relativitätstheorie»; Emile Boutroux, 1845-1921, französischer Philosoph. - Siehe z. B.«Über den Begriff des Naturgesetzes in der Wissenschaft und in der Philosophie der Gegenwart», Vorlesungen, gehalten an der Sorbonne 1892-1893, Jena 1907; Frangois Pierre Gauthier Maine de Biran,  1766-1824, französischer Philosoph; Henri Bergson, 1859-1941, französischer Philosoph. - «Materie und Gedächtnis.Essays zur Beziehung zwischen Körper und Geist», Jena 1908, «Einführung in die Metaphysik», Jena 1909; Rudolf Eucken, 1846-1929, seit 1874 Professor der Philosophie in Jena; Äschylos, 525-456 v. Chr; Sophokles, 496-406 v. Chr. von den 130 Stücken, die er geschrieben hat, sind nur 7 Tragödien erhalten und ein Satyrspiel; Euripides, 480-406 v. Chr.; Friedrich Nietzsche, 1844-1900. «Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen» 1873; Thaies von Mtlet, um 640 v. Chr.; Anaximander von Milet, 610-547 v. Chr.; Anaxagoras aus Klazomenä, in Athen lehrend, 500-428 v. Chr.; Heraklit von Ephesos, um 500 v. Chr.; Parmenides von Elea, 5. Jahrh. v. Chr.; Sokrates, 469-399 v. Chr.; Plato 427-347 v. Chr., die vier Tugenden in «Der Staat», 4. Buch, bes. Kap. 6ff., St.- Nr. 428ff und in «Timaios», Kap. 31f., St.-Nr. 69f.; Aristoteles 384-322 v. Chr.,«Poetik», Kap. 6; Justinian I, oströmischer Kaiser, regierte 527-565, ließ durch Tribonian das Corpus juris, das römische Recht, aufzeichnen; er hob 529 die Philosophenschulen in Athen auf, so auch die von Piaton gegründete Akademie; Origenes, 182-254; Defensor fidei: Lateinisch, Verteidiger des (katholischen) Glaubens; Allerchristlichste König: Titel der französischen Könige im Mittelalter; Dante Alighieri, 1265-1321, «De monarchia», zuerst erschienen Basel 1559; «Die göttliche Komödie», Purgatorio 7, V. 91-96.;Carducci, Giosue, 1835-1907, in seinem Aufsatz «L'opera
di Dante» , 1888, Prose die Giosue Carducci, Bologna 1905, S. 1131; Untergang der florentinischen Freiheit: 1530; Raffael Santi, 1483-1520; Leonardo da Vinci, 1452-1519; Michelangelo Buonarroti, 1475-1564; Jacob Burckhardt, 1818-1897; Guido Reni, 1575-1642, italienischer Barockmaler; Bartolome Esteban Murillo, 1617-1682, spanischer Maler; Charles Lebrun, 1619-1690, französischer Maler, Gemälde im Schloß Versailles; Peter Faul Rubens, 1577-1640, flämischer Barockmaler; Anton van Dyck, 1599-1641, niederländischer Maler, Schüler von Rubens; Rembrandt Harmensz van Rijn, 1606-1669, holländischer Maler, Radierer und Zeichner; Niccolo Macchiavelli, 1469-1527, Politiker, Historiker, Dichter; Thomas a Kempis, eigentlich Hamerken, 1380-1471, christlicher Mystiker. «Von der Nachfolge Christi»; Die Philosophie des sog. Utilitarismus geht auf den Engländer Jeremias Bentham, 1748-1832, zurück; Graf Claude Henri Saint-Simon, 1760-1825, Begründer des modernen Sozialismus; Die Ehe Heinrichs VIII. mit Anna Boleyn, 1507-1536, wurde vom Papste nicht anerkannt, Anna Boleyn ist die Mutter Elisabeths von England; Thomas Morus, 1478-1535 wurde 1935 heiliggesprochen, er hatte sich der Scheidung Heinrichs VIII. und seiner Reformationsideen widersetzt, «Utopia»: De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia (1516); Utopisten: Thomas Morus (More), Verfasser von «Über die beste Staatsform und die neue Insel Utopia» (1516); Francis Bacon (Baco von Verulam), 1561-1626, Verfasser der «Nova Atlantis»; Giovanni Pico, Graf von Mirandola, 1463-1494, italienischer Humanist; Johann Gottlieh Fichte, 1762-1814,  «Vorbericht» zu «Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten », 1794 : «Dass Ideale in der wirklichen Welt sich nicht darstellen lassen, wissen wir andern vielleicht so gut als sie, vielleicht besser. Wir behaupten nur, dass nach ihnen die Wirklichkeit beurteilt, und von denen, die dazu Kraft in sich fühlen, modifiziert werden müsse. Gesetzt, sie könnten auch davon sich nicht überzeugen, so verlieren sie dabei, nachdem sie einmal sind, was sie sind, sehr wenig; und die Menschheit verliert nichts dabei. Es wird dadurch bloß das klar, daß nur auf sie nicht im Plane der Veredlung der Menschheit gerechnet ist. Diese wird ihren Weg ohne Zweifei fortsetzen; über jene wolle die gütige Natur walten, und ihnen zu rechter Zeit Regen und Sonnenschein, zuträgliche Nahrung und ungestörten Umlauf der Säfte, und dabei - kluge Gedanken verleihen!»; John Locke, 1632-1704; Voltaire (eig. Francois Marie Arouet), 1694-1778; Montesquieu, 1689-1755; DavidHume, 1711-1776; Charles Darwin, 1809-1882; Gottfried Wilhelm Leibniz, 1646-1716, die Differential- und Integralrechnung wurde von ihm 1684 erfunden; Galileo Galilei, 1564-1642; Johann Kepler, 1571-1630; Nikolaus Kopernikus, 1473-1543; Templer-Orden: Gegründet während der Kreuzzüge (meist wird 1119 angegeben) durch französische Ritter in Jerusalem; Philipp der Schöne, 1268-1314, König von Frankreich von 1285-1314; Wolfram von Eschenbach, um 1170-nach 1220, mittelhochdeutscher Epiker, Hauptwerk «Parzifal», 1200-1210; Thomas Robert Malthus, 1766-1834, Verfasser von «Essay on the Principles of Population» (1798); Oscar Hertwig, 1849-1922, Verfasser von «Das Werden der Organismen, eine Widerlegung von Darwins Zufallstheorie», Jena 1916; Peter Alexejewitsch Kropotkin, 1842-1921, «Gegenseitige Hilfe in der Entwicklung», deutsch v. G. Landauer, Leipzig 1904; Auguste Comte, 1798-1857; Adam Smith, 1723-1790;Sigmund Freud, 1856-1939; Laurence Olipbant, 1829-1888, «Sympneumata; or Evolutionary forces now active in man», «Scientific Religion or higher possibilities and practice through the Operation of natural forces»,  Edinburgh/ London 1888; Pedro Calderón de la Barca, 1600-1681, «Der wundertätige Magus» (El mágico prodigioso, Gran comedia);  William Shakespeare, 1564-1616; Johann Wolfgang von Goethe , sein Bekenntnis in «Geschichte meines botanischen Studiums», 1817, 1831: «...vorläufig aber will ich bekennen, dass nach Shakespeare und Spinoza auf mich die größte Wirkung von Linné ausgegangen, und zwar gerade durch den Widerstreit, zu welchem er mich aufforderte»; Kunstgeheimnis der Griechen: Goethe, Italienische Reise, 28. Jan. 1787; «Götz von Berlichingen», erste Fassung von 1771, auf dem Reichstag zu Augsburg (dritter Aufzug, erste Szene) wird u.a. der Kampf gegen die Türken thematisiert. Kaiser Maximilian: «Ich will eine Contribution von Geld und Mannschaft wider die Türken, das will ich, sag ich euch, und keiner unterstehe sich darwider zu reden.» Mainz: «Ew. Majestät verlangen einen Türkenzug. Und so lang ich hier sitze, erinner ich mich keinen, der nein gesagt hätte. Waren nicht alle willig, alle! ... Auf, meine Freunde. Auf gegen die Feinde des Reichs und der Christenheit.»  Im dritten Akt der letzten Fassung trauert Götz der guten alten Zeit nach und ist bereit «wie Cherubim mit flammenden Schwertern» die Grenzen des Reichs vor den den Türken zu schützen: «Hab ich nicht unter den Fürsten treffliche Menschen gekannt, und sollte das Geschlecht ausgestorben sein? Gute Menschen, die in sich und ihren Untertanen glücklich waren; die einen edeln freien Nachbar neben sich leiden konnten, und ihn weder fürchteten noch beneideten; denen das Herz aufging, wenn sie viel ihresgleichen bei sich zu Tisch sahen, und nicht erst die Ritter zu Hofschranzen umzuschaffen brauchten, um mit ihnen zu leben. ... Wollte Gott, es gäbe keine unruhigen Köpfe in Deutschland! Wir würden noch immer zu tun genug finden. Wir wollten die Gebirge von Wölfen säubern, wollten unserm ruhig ackernden Nachbar einen Braten aus dem Wald holen, und dafür die Suppe mit ihm essen. Wär uns das nicht gut genug, wir wollten uns mit unsern Brüdern, wie Cherubim mit flammenden Schwertern, vor die Grenzen des Reichs gegen die Wölfe, die Türken ... lagern und zugleich unsers teuern Kaisers sehr ausgestzte Länder und die Ruhe des Reichs beschützen. Das wär ein Leben!"; sein Aufenthalt in Rom, am 29. Oktober 1786 Ankunft in Rom, am 23. April 1788 Abreise von Rom, am 18. Juni 1788 Ankunft in Weimar; das freundschaftliche Zusammenleben mit Schiller vom Sommer 1794 bis zum Tode Schillers am 9. Mai 1805; Susanna Katharina von Klettenberg, 1723-1774, Pietistin, Urbild der «Schönen Seele» im «Wilhelm Meister»; sein Freund Karl Wilhelm Jerusalem, 1747-1772, Sekretär bei der braunschweigschen Gesandtschaft in Wetzlar als «Werther»; «Die Weisheit ist nur in der Wahrheit», in «Goethes Naturwissenschaftliche Schriften», 5 Bände, herausg. und kommentiert von Rudolf Steiner in «Kürschners Deutsche National-Litteratur», Bibl.-Nrn. la-e, fotomechanischer Nachdruck Dornach 1975; Band V: Sprüche in Prosa, S. 360; «Mit Worten lässt sich trefflich streiten . . . »: Faust. I.Teil, Studierzimmer (Mephistopheles); über die Hinfälligkeit des heilgen Römischen Reiches «Faust»: I. Teil, Auerbachs Keller; Leere Redensarten in der Politik, Pädagogik, bei Literaten, Pfarrern, an den Universitäten von heute, in «Faust I» beschrieben «Ein Kehrichtfass und eine Rumpelkammer / Und höchstens eine Haupt- und Staatsaktion / Mit trefflichen pragmatischen Maximen, / Wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!»; Szene über den Erdgeist im »Faust»: Faust 1. Teil, «Nacht»; Michel de Nostradamus, 1503-1566, französischer Arzt und Astrologe; heutige Theologen als Materialisten gegen Goethes Weltanschauung, z.B. August Wilhelm Hunzinger, Professor der Theologie in Hamburg, Verfasser von «Hauptfragen der Lebensgestaltung», Leipzig 1916 (Reihe «Wissenschaft und Bildung» Nr. 136); Ludwig Büchner, 1824-1899, Verfasser von «Kraft und Stoff» (1844, viele Auflagen); Jakob Moleschott, 1822-1893, Physiologe; Ignaz Paul Vital Troxler, 1780-1866, Arzt und Philosoph, lehrte in Aarau, Luzern, Basel und Bern, schrieb u.a. «Naturlehre des menschlichen Erkennens oder Metaphysik», Aarau 1820; Johann Christoph Gottsched, 1700-1766, Dichter, Professor der Literatur, stellte literarische Regeln auf, besonders für das Drama, nach französischen Mustern; Gotthold Ephraim Lessing, 1729-1781, Dichter und Kritiker, Vollender der deutschen Aufklärung und Vorbereiter der Klassik; Christian Fürchtegott Geliert, 1715-1769, Dichter, Professor für Moral, Rhetorik und Poesie in Leipzig ab 1745, seine zeitweise sehr große Popularität verdankt er vor allem seinen volkstümlichen Versfabeln und seinen «Geistlichen Liedern»; Christian Gottlieh Ludwig, 1709-1773, Professor für Medizin; Johann Gottfried Herder, 1744-1803, «Ideen zu einer Philosophie der Geschichte der Menschheit», Riga 1774-1791; Baruch Spinoza, 1632-1677, niederländisch-jüdischer Philosoph, Mathematiker und Optiker; Pierre Corneille, 1606-1684, und Jean Baptiste Racine, 1639-1699, Meister der klassischen französischen Tragödie; Emanuel von Swedenborg, 1688-1772, schwedischer Naturwissenschaftler und Theosoph; Paracelsus, Theophrastus von Hohenheim, 1493-1541, Arzt und Naturforscher; Götz von Berlichingen, 1480-1562, aus altem württembergischen Geschlecht, 1525 Anführer im Bauernkrieg, kämpfte 1542 gegen die Türken, 1544 gegen Frankreich, seine Autobiographie kam 1731 heraus; Karl August, Herzog von Weimar, 1757-1828, Sohn der Herzogin Anna Amalia; Julien Offroy de Lamettrie, 1709-1751, «L'homme machine», 1748; Honore Graf von Mirabeau, 1749-1791, Jakobiner, glänzender Redner; Georges Jacques Danton, 1759-1794, französischer Revolutionär; Maximilien de Robespierre, 1758-1794, führender Jakobiner, 1793-94 Vorsitzender des Wohlfahrtsausschusses mit diktatorischer Gewalt; John Stuart Mill, 1806-1873, englischer Philosoph und Nationalökonom, einer der Begründer des Positivismus; Alexander Iwanowitsch Herzen, 1812-1870, russischer Schriftsteller und Revolutionär, Herzens Schrift aus dem Jahre 1864: «Letztes und Erstes», zitiert nach Mereschkowskij, «Der Anmarsch des Pöbels», München 1907; Dimitrij Sergejewitsch Mereschkowskij, 1865-1941, russischer Schriftsteller, lebte als Emigrant in Paris; Maurice Maeterlinck, 1862-1949, belgischer Dichter. Siehe «Maurice Maeterlinck und die deutsche Literatur. Eine Dokumentation», Mindelheim 1985; Ku Hung-Ming, «Der Geist des chinesischen Volkes und der Ausweg aus dem Krieg», Jena 1916, daraus Chartas der Freiheit: «Deshalb ist die erste Aufgabe, irgendein Mittel zu finden, um den Regierenden, Soldaten und Staatsmännern Macht zu geben, die Macht, Frieden zu schließen. Das können die Völker der jetzt in Europa kriegsführenden Länder nur dadurch erreichen, daß sie ihre gegenwärtigen Verfassungen und Magna Chartas der Freiheit zerreißen und eine neue Magna Charta der Treue errichten, wie wir Chinesen sie in unsrer Religion des guten Bürgers haben»; Konfuzius, Konfutse, chinesisch Kung Fu-Tse, 551-478 v.Chr., Philosoph; Lao-tse, 6. Jahrhundert vor Christus, «der Alte Meister», Philosoph, Begründer des Taoismus; die Enzyklika «Quanta cura» vom 8. Dezember 1864 wurde von Papst Pius IX. an alle Bischöfe versandt, zusammen mit dem «Syllabus», einer Liste von 80 «Zeitirrtümern», die von der Kirche verdammt werden. Im Abschnitt 10, der sich gegen den modernen Liberalismus richtet, werden insbesondere Meinungs- und Kultusfreiheit verurteilt; Alphonse Leblais, «Materialisme et Spiritualisme», Paris 186; Maximilien Littre, 1801-1881, Philosoph und Sprachforscher, Positivist, Anhänger A. Comtes; In der 23. der «Vorlesungen über Goethe» (2 Bde, 1877) von Herman Grimm, 1821-1901, in der er über die «große Laplace-Kantsche Phantasie von der Entstehung und dem einstigen Untergange der Erdkugel» spricht; Newcomen, Eisenhändler, und seinem Kompagnon Cowley, Glaser, gelang die Konstruktion einer Kolben-Dampfmaschine, die 1712 zu praktischen Zwecken verwendet werden konnte; James Watt, 1736-1819, Mechaniker, konnte für seine Dampfmaschine den längst bekannten Mechanismus von Kurbel und Lenkstange zuerst nicht verwerten, weil ein anderer ein Patent darauf hatte, dem er aber durch einen neuen Mechanismus, die sogenannten Sonnen- und Planetenradbewegung, abzuhelfen wußte; Zur Reichsgründung und zur Frage des Kaisertitels: Bismarck, «Gedanken und Erinnerungen» 23. Kapitel: Versailles, Volksausgabe Stuttgart 1915, 2. Bd. S. 146 ff.;  ein Urteil. .. aus dem Jahre 1870: Carlyle an die Times vom 11. November 1870; aus «Strauß-Renan-Carlyle, Krieg und Friede 1870», Insel-Bücherei Nr. 184, S. 61 ff.; Herbert Spencer, 1820-1903, Politische Aufsätze: «The Proper Sphere of Government», 1842; «Social Statics», 1850; «Essays», 1858; «Political Institutions», 1882; «Man versus the State», 1886; John Stuart Mill, 1806-1873. «On Liberty», 1856; «Thoughts on Parliamentary Reform», 1859; «Considerations on Representational Government», 1861; «England and Ireland», 1868; «Subjection of Woman», 1869; Gotthold Ephraim Lessing, 1729-1781. «Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie», 1766; Tacitus «Germania», 2, über die Nertus-Sage: «Germania», 40; angelsächsisches Runenlied, vgl. Wilhelm Grimm «Über deutsche Runen», Göttingen 1821, S. 223; «Der gute Gerhard» von Rudolf von Ems, 13. Jahrh.(Zeitgenosse von Wolfram von Eschenbach, um 1170-nach 1220), herausgegeben von M. Haupt, Leipzig 1840,  Neuauflage von Rudolf Treichler, Stuttgart 1962; Otto mit dem roten Bart: Otto II., 955-983; Jakob I. von England, 1566-1625: Als Jakob VI. König von Schottland seit 1567; wurde 1603 König von England; Schlacht auf dem Weißen Berge am 8. November 1620, zwischen dem «Winterkönig» Friedrich V. von der Pfalz und der Katholischen Liga;  Siebenjähriger Krieg: 1756-1763 zwischen Preußen unter Friedrich II und der Koalition Österreich, Russland, Schweden und Frankreich; Viktoria, 1818-1901, Königin von England 1837-1901; Ernst August von Hannover, 1771-1851, bestieg den Thron 1837;  die Aufhebung des Staatsgrundgesetzes von 1819 erfolgte im November 1837; zu den «Göttinger Sieben» gehörten die Gebrüder Grimm und der Historiker Gervinus. Bezüglich der Orange-Loge oder Orange-men schreibt Lennhoff, «Politische Geheimbünde», Berlin 1932: «Die Orangisten dehnten sich mit der Zeit über ganz Großbritannien aus, hatten ihre Logen in der Armee und in den Kolonien und übten starken Einfluss auf die Politik aus; zwar wurde im Jahre 1828, nachdem der Herzog von Cumberland, der spätere König Ernst August von Hannover, Großmeister geworden war, der antikatholische Eid abgeschafft und als Zweck der Gesellschaft nur noch <die Erhaltung der wahren, durch das Gesetz geschlossenen Religion>, die Erhaltung der protestantischen Thronfolge und die Verteidigung aller Orangemänner und ihres Eigentums angegeben, aber an ihrer wahren Natur änderte das gar nichts; John Stuart MM, 1806-1873, engl. Philosoph und Nationalökonom; Friedrich Schiller, 1756-1805, «Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen», 1795, 12. bis 15. Brief; Gedicht «Die Künstler»; Rudolf Steiner 1918: Geschichtliche Symptomatologie, GA 185, neun Vorträge, Dornach, 1962, 1987; Ders. 1916: Kosmische und menschliche Geschichte I; das Rätsel des Menschen, die geistigen Hintergründe der menschlichen Geschichte; GA 170, fünfzehn Vorträge, Ib., 1964, 1992; Ders. 1916: Kosmische und menschliche Geschichte II, innere Entwicklungsimpulse der Menschheit, Goethe und die Krisis des neunzehnten Jahrhunderts, GA 171, sechzehn Vorträge, Ib., 1964, 1984; Ders. 1916: Kosmische und menschliche Geschichte III, das Karma des Berufes des Menschen in Anknüpfung an Goethes Leben, GA 172, zehn Vorträge, Ib., 1964, 2002; Ders. 1916: Kosmische und menschliche Geschichte IV, Zeitgeschichtliche Betrachtungen I, GA 173, dreizehn Vorträge, Ib., 1966, 1978, vgl. Kurse Nr. 661 Philosophie der Geschichte I, Nr. 686 Philosophie der Geschichte II, Nr. 553 Friedrich Schiller I-II, Nr. 675 Friedrich Schiller III, Nr. 681 Wissenschaftslehre III, Nr. 682 Wissenschaftslehre IV, Nr. 683 Wissenschaftslehre V, Nr. 684 Wissenschaftslehre VI, Nr. 685 Wissenschaftslehre VII, 7-10, Akademie der Kunst und Philosophie / Académie des sciences
[2] Ib.; zu: Einbrechen der Mongolen, später der Osmanen  in die europäischen Ereignisse, deren zurückgebliebene, luziferisch-ahrimanische "Kultur" Europa allerdings nicht beeinflusst, schließlich gehört der Islam nicht zu Europa trotz des Geredes einiger Politiker, die zum Türkentum konvertiert sind wie Christian Wulff und Geschichte gern nach der "Methode des Kaffeeklatsches" beurteilen, vgl. Anm. 37, 53, 61 und Kurse Nr. 641 Staats- und Rechtslehre III, Nr. 644 Staats- und Rechtslehre IV, Nr. 655 Staats- und Rechtslehre V, Ib.
[3] Ib.
[4] Ib.
[5] Ib.
[6] Ib.
[7] Ib.
[8] Ib.
[9] Ib.
[10] Ib.; zu: Russland im Bann der byzantinischen Orthodoxie und des Panslawismus flieht vor dem Zeitalter des Bewußtseins; wenn Sie aber dasjenige in der russischen Geschichte lesen, was die herrschenden Mächte bisher erlaubt haben als Geschichte zu verzeichnen, dann haben Sie alles dasjenige, was als todbringendes Element über das russische Leben sich ausbreitet, vgl. Anm. 25-30, 55 und Kurse Nr. 685 Wissenschaftslehre VII, 7-10, Nr. 506 Wladimir Sergejewitsch Solowjow, Ib.
[11] Ib.
[12] Ib.
[13] Ib.
[14] Ib.
[15] Ib.; zu: Durch das Experimentieren wird man von der Wirklichkeit weggetrieben; durch das Betrachten desjenigen, was man heute pathologisch nennt, was Goethe so schön die Missbildungen nannte, wird man gerade hingebracht in die Wirklichkeit; die wichtigsten Dinge der neueren Zeit in bezug auf den physischen Plan sind todbringende Institutionen, Atomkraftwerke, Institute für Gen-, und Biotech-Medizin, und der Fehler liegt darin, dass man es nicht erkennt, wie die WissenschaftsjournalistInnen von 3sat, die noch den größten Quacksalbern auf dem Gebiet der Biotech-Medizin wie Carsten Watzl, dem Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, hinterherlaufen, vgl. Anm. 16, 24, 39 und Kurse Nr. 659 Wissenschaftslehre I, Nr. 666 Wissenschaftslehre II, Nr. 681 Wissenschaftslehre III, Nr. 682 Wissenschaftslehre IV, Nr. 683 Wissenschaftslehre V, Nr. 684 Wissenschaftslehre VI, Nr. 685 Wissenschaftslehre VII, Nr. 020 Johann Wolfgang von Goethe I-II, Nr. 673 Johann Wolfgang von Goethe III, Ib.
[16] Ib.; zu: Qualität der heutigen Wissenschaft, das heutige Denken insbesondere in der landläufigen Wissenschaft ist fast durchweg einfach schlampig, also nichts anderes als Quacksalberei, vgl. Anm. 15, 24-30, 39
[17] Ib.
[18] Ib.
[19] Ib.
[20] Ib.
[21] Ib.
[22] Ib.
[23] Ib.; zu: Blüte des mitteleuropäischen Geisteslebens Ende des 18., Beginn des 19. Jahrhunderts, was in die moderne Menschheit hineingekommen ist, von Lessing angefangen, durch Schiller, Goethe, den deutschen Idealismus, durch die deutschen Romantiker und so weiter, und was in seinem weiteren Umfange doch als Goetheanismus bezeichnet werden kann; es gab für Goethe nichts Gleichgültigeres in seiner ganzen Entwicklung als katholisch oder protestantisch sein; Luther hat einen Einfluss gleich Null auf Goethe, auf Goethe aber hatte Einfluss Linné, hatte Einfluss Spinoza, hatte Einfluss Shakespeare, vgl. Anm. 24 und Kurse Nr. 020 Johann Wolfgang von Goethe I-II, Nr. 673 Johann Wolfgang von Goethe III, Nr. 552 William Shakespeare I-II, Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Ib.
[24] Ib.; zu: Goethe ist in gewisser Beziehung die Universitas litterarum, die geheime Universitas, und der widerrechtliche Fürst auf dem Gebiete des Geisteslebens ist die Universitätsbildung der Gegenwart; die Welt hört sich heute die Schwätzer an auf den verschiedensten Gebieten, man muss schon gar nicht von irgendwelchen politischen Schwätzern sprechen wie Christian Wulff: sogar technische Hochschulen / Universitäten nehmen nun auch schon universitäre Allüren an und machen damit eigentlich schon einen großen Schritt in die Versumpfung, wie sich an der Virologin Prof. Ulrike Prozer von der Technischen Universität München zeigt, vgl. Anm. 15-16, 25, 39
[25] Ib.; zu: Solowjow, der größte Philosoph des russischen Volkes in neuerer Zeit, Goetheanismus im Gegensatz zum Jesuitismus; das Christus-Volk und das Kirchenvolk; Wilhelm Meisters Wanderjahre, Goethe tendiert darauf hin, ein spirituelles Verhältnis zwischen der einzelnen Menschenseele und dem Christus-Impuls zu suchen, vgl. Anm. 10 und 23-30
[26] Ib.
[27] Ib.
[28] Ib.
[29] Ib.; zu: Mission des russischen Volkes, nicht des Zaren oder des aktuellen russischen Präsidenten, vgl. Anm. 10
[30] Ib.; zu: Kasernen der Wissenschaft, die man Universitäten nennt; keine Privilegien, Patente, Monopole auf irgendeinem Zweig der Erkenntnis, Medizin zum Beispiel darf nicht monopolisiert werden durch die Universitätsleute, vgl. Anm. 15-16
[31] Ib.
[32] Ib.
[33] Ib.
[34] Ib.
[35] Ib.
[36] Ib.
[37] Ib.; zu: Alle Unruhen aus dem Osten wie Mongolen- und Türkenstürme hätten Europa geschadet, wenn sie nicht zurückgedrängt worden wären, vgl. Anm. 2, 53
[38] Ib.
[39] Ib.; zu: Zweierlei Erkenntnisbestrebungen, Trieb- und Glücksproblem und Sinnensein, «Das Gute ist das Glück der größtmöglichen Menschenanzahl auf der Erde» , ein rein teuflischer Satz; Rousseauismus; das Triebproblem wird durch Ahriman zum Glücksproblem; das Geburtsproblem zum Problem der Evolution im Sinnensein; ahrimanisch wurde das Sinnensein dadurch, dass es rein materialistisch gemacht wurde, dass der Mensch nur an die Spitze der Tierwelt gestellt worden ist, dass sein Seelensein gegenüber dem Sinnensein vollständig außer acht gelassen werden soll, wie es heute in der Wissenschaft und Medizin praktiziert wird; Im Westen die Gefahr des Verstricktwerdens in das Sinnenleben, wodurch das Sinnenleben ichlos werden würde; Atlantis, die atlantische Kultur wurde hinweggefegt, weil die Menschen nur zurückbehalten hatten das Glück von dem Guten; in der nachatlantischen Zeit will nun Ahriman direkt eine Glückskultur begründen, vgl. 15-16, 24-30
[40] Ib.; zu: In den Kreuzzügen sollten die Heiligen christlichen Stätten von den Sarazenen befreit werden, da die Muslime sie zum Teil zerstört und geschändet hatten, nicht zuletzt den Felsendom in Jerusalem, der den Templern gehörte; begründet wird im Jahre 1119 der Orden der Tempelherren; erstes wichtigstes Ordenshaus unmittelbar neben der Stätte, wo einst der Salomonische Tempel gestanden hat, so dass zusammenwirken konnte an dieser Stätte uraltheilige, für das Christentum vorbereitete Weisheit und die salomonische Weisheit, Anm. 2, 41 und Kurse Nr. 320 Romanische Kunst und Architektur, Nr. 559 Wolfram von Eschenbach, Ib.
[41] Ib.; zu: Der von 1285 bis 1314 in Frankreich regierende König Philipp der Schöne, Philipp IV, auch "Falschmünzerkönig" genannt, in ärgster Weise von Ahriman inspiriert; «babylonische Gefangenschaft» der Päpste; er ließ die Templer gefangen nehmen, bemächtigte sich ihrer Schätze, unterwarf sie den schlimmsten Folterungen und bereitete ihnen eine grausame Gerichtsprozedur, deren Ausgang von vornherein beschlossen war, vgl. Anm. 40
[42] Ib.
[43] Ib.
[44] Ib.
[45] Ib.
[46] Ib.; zu: Philipp der Schöne war wie die Sarazenen / Muslime, die sich kennzeichnen durch Spott und Hass und Verachtung und Ironisierung des Guten, ein Feind des Christentums und Werkzeug im Dienste der mephistophelisch-ahrimanischen Gewalten, vgl. Anm. 2 und 37, 40-41, 47
[47] Ib.; zu: was Mephistopheles-Ahriman durch sein Werkzeug, Philipp den Schönen und die Muslime bewirkte, waren alle materialistischen Impulse, die jetzt im 14., 15., 16., 17., 18., 19. Jahrhundert über die Menschheit heraufzogen; als Gegenströmung z.B. Wolfram von Eschenbachs «Parzival»,  für ihn der Repräsentant des Tempelrittertums oder Goethes «Die Geheimnisse» und sein «Faust»; vor die Wahl ist die Menschheit gestellt und wird es immer mehr und mehr werden, ob sie eintreten will in die Dekadenz und es mit dem Materialismus in Wissenschaft und Medizin weiter halten will, oder ob sie hinaufstreben will in die geistigen Welten, vgl. Anm 53-54, 46, 15
[48] Ib.
[49] Ib.
[50] Ib.
[51] Ib.
[52] Ib.
[53] Ib.; zu: grobklotziges Verständnis der Historiker, man denke nur an die Geschichtsklitterung bei der Harvard-Islamwissenschaftlerin und Orientalistik-Professorin Annemarie Schimmel, die unter dem Deckmantel der objektiven Wissenschaftlichkeit unverhüllt die Ideologie des islamischen Fundamentalismus propagierte, vgl. Anm. 2, 37, 61 und Kurse Nr. 545 Sittenlehre I-II, Nr. 614 Sittenlehre III, Nr. 641 Staats- und Rechtslehre III, Nr. 644 Staats- und Rechtslehre IV, Nr. 655 Staats- und Rechtslehre V, Ib.
[54] Ib.; zu: Die Naivität der heutigen Biotech-Wissenschaftler fällt in der Bevölkerung und bei Politikern gar nicht auf, weil der an das materialistische Untersuchen allein gewöhnte Mensch denkt ja, seine Forschung sei "wissensbasiert"; eine sich Wissenschaft nennende Bestrebung will das Prinzip der natürlichen Zuchtwahl, das der materialistische Darwinismus gebracht hat, auf den Menschen anwenden, ganz im Sinne der "wissensbasierten" Medizin; personalisierte Medizin, Eugenik, vgl. Anm. 15
[55] Ib.; zu: Besonders in Russland, das sich zur Zeit im Bann der byzantinischen Orthodoxie und des Panslawismus befindet, entsteht der Hang zum Sakramentalismus, Symbolismus, Der Mensch als Werkzeug der untersinnlichen Wesenheiten, vgl. Anm.10, 25-30 
[56] Ib.
[57] Ib.; zu: Von grotesken Theologen die in vollständiger Gedankenlosigkeit als Professoren die Studenten an den Universitäten in die Irre führen; so gehen heute die verkrüppelten, verkümmerten, korrumpierten Gedanken von amtlicher Stelle, von privilegierter Stelle - denn es sind in der Regel die berühmtesten Theologen der Gegenwart, die so sprechen - in die Menschen der Gegenwart hinein und leben in ihnen, herbeigeführt durch einen unbewußten Missbrauch der amtlichen Macht; neben einem solchen intellektuellen Missbrauch der Denkkraft liegt gleich die moralische Verirrung; das ist eben das Charakteristikon unserer Zeit, dass die Allerunberufensten sich hinstellen und Lehrer, Aufklärer des Volkes werden, und dass dies notwendigerweise verbunden sein muss mit dem Verbreiten der Unwahrheit; was christliche oder islamische Theologen vortragen ist oft nichts anderes als ein mit ungeheurem Pomp vorgebrachter Wortschwall; man denke nur an die vielen Theologen, die in der Corona-Zeit zu unterwürfigen Befehlsempfängern der Biotech-Wissenschaft geworden sind und für Ungeimpfte den Eintritt in ihre Kirchen verweigert hatten, vgl. Anm. 15, 53-54
[58] Ib.
[59] Ib.
[60] Ib.
[61] Ib.; zu: Der «Götz von Berlichingen» spielt zur Zeit der Türkenkriege. In der ersten Fassung des «Götz von Berlichingen» von 1771 wird auf dem Reichstag zu Augsburg (dritter Aufzug, erste Szene) u.a. der Kampf gegen die Türken thematisiert. Kaiser Maximilian: «Ich will eine Contribution von Geld und Mannschaft wider die Türken, das will ich, sag ich euch, und keiner unterstehe sich darwider zu reden.» Mainz: «Ew. Majestät verlangen einen Türkenzug. Und so lang ich hier sitze, erinner ich mich keinen, der nein gesagt hätte. Waren nicht alle willig, alle! ... Auf, meine Freunde. Auf gegen die Feinde des Reichs und der Christenheit.»  Im dritten Akt der letzten Fassung trauert Götz der guten alten Zeit nach und ist bereit «wie Cherubim mit flammenden Schwertern» die Grenzen des Reichs vor den den Türken zu schützen: «Hab ich nicht unter den Fürsten treffliche Menschen gekannt, und sollte das Geschlecht ausgestorben sein? Gute Menschen, die in sich und ihren Untertanen glücklich waren; die einen edeln freien Nachbar neben sich leiden konnten, und ihn weder fürchteten noch beneideten; denen das Herz aufging, wenn sie viel ihresgleichen bei sich zu Tisch sahen, und nicht erst die Ritter zu Hofschranzen umzuschaffen brauchten, um mit ihnen zu leben. ... Wollte Gott, es gäbe keine unruhigen Köpfe in Deutschland! Wir würden noch immer zu tun genug finden. Wir wollten die Gebirge von Wölfen säubern, wollten unserm ruhig ackernden Nachbar einen Braten aus dem Wald holen, und dafür die Suppe mit ihm essen. Wär uns das nicht gut genug, wir wollten uns mit unsern Brüdern, wie Cherubim mit flammenden Schwertern, vor die Grenzen des Reichs gegen die Wölfe, die Türken ... lagern und zugleich unsers teuern Kaisers sehr ausgestzte Länder und die Ruhe des Reichs beschützen. Das wär ein Leben!", vgl. Anm. 2, 37, 53
[62] Ib.
[63] Ib.
[64] Ib.
[65] Ib.
[66] Ib.
[67] Ib.
[68] Ib.
[69] Ib.; zu: Auch heute wird versucht, die großen Klassiker wie Goethe und Schiller der «conglomerated mediocrity» anzugleichen und zu mittelmäßigen Geistern zu degradieren, und das obwohl romantische Komponisten wie Verdi, Berlioz, Liszt, Schumann, Schubert, Gounod, Massenet von Ihnen zu berühmten Opern; Orchesterstücken und Liedern inspiriert wurden, vgl. Anm. 23
[70] Ib.
[71] Ib.
[72] Ib.
[73] Ib.
[74] Ib.
[75] Ib.
[76] Ib.
[77] Ib.
[78] Ib.
[79] Ib.
[80] Ib.
[81] Ib.
[82] Ib.
[83] Ib.
 
 






Philosophie der Geschichte / Philosophy of History
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Nr. 320 Romanische Kunst und Architektur, Nr. 350 Byzantinische Kunst und Architektur, Nr. 325 Kunst und Architektur der Gothik, Nr. 326 Kunst und Architektur der Renaissance, Nr. 586 Tizian, Nr. 591 Paolo Veronese, Nr. 597 Correggio, Nr. 670 Annibale Carracci, Nr. 520 Rembrandt, Nr. 598 El Greco, Nr. 620 Giovanni Battista Tiepolo, Nr. 590 Giovanni Bellini, Nr. 656 Andrea Solari, Nr. 657 Bernadino Luini, Nr. 587 Andrea Mantegna, Nr. 595 Jan van Eyck, Nr. 635 Rogier van der Weyden, Nr. 640 Stefan Lochner, Nr. 646 Michael Pacher, Nr. 647 Peter Paul Rubens, Nr. 649 Giotto di Bondone, Nr. 626 Luca Signorelli, Nr. 610 Piero della Francesca, Nr. 596 Perugino, Nr. 522 Raffael (Raffaello Sanzio), Nr. 523 Sandro Botticelli, Nr. 602 Benozzo Gozzoli, Nr. 606 Fra Angelico, Nr. 607 Pinturicchio, Nr. 608 Domenico Ghirlandaio, Nr. 593 Filippo Lippi, Nr. 594 Filippino Lippi, Nr. 589 Albrecht Dürer, Nr. 603 Bernard van Orley, Nr. 615 Ambrogio da Fossano detto il Bergognone, Nr. 636 Eugène Delacroix, Nr. 639 Bartolomé Esteban Murillo, Akademie der Kunst und Philosophie



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Letzte Bearbeitung:26.04.2024