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Kurs Nr. 668 Ludovico Ariosto III

Poet und Philosoph der Renaissance

Orlando furioso


"Das Sprichwort sagt, die Berge bleiben stehen, / Die Menschen müssen zu einander gehen." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 23

"Der Vorzeit Frauen haben Wunderdinge
In Waffen und im Musendienst vollbracht,
Und ihrer Werke Glanz – es ist als dringe
Er hell und strahlend durch der Zeiten Nacht.
Berühmt ist Harpalice's Lanz' und Klinge,
Camilla glänzt als Führerin der Schlacht,
Corinna, Sappho sind gelehrte Frauen,
Die ewig leuchten und die Nacht nie schauen.  Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 20

"Statt zur Verbreitung unsrer heil'gen Lehre
Das Schwert zu ziehn, dort wo es Gott erlaubt,
Rennen sie in ihr eignes Fleisch die Speere (...)

Wenn ihr »die allerchristlichsten« noch heute,
Wenn heut ihr »die katholischen« noch heißt,
Wie kömmt es, dass ihr Christi Lehensleute
Ermordet und ihr Lehen an euch reißt
Und nicht Jerusalem von jener Meute
Befreit habt und die Räuberbrut zerschmeißt,
Und dass Constantinopel und den besten
Teil dieser Welt der Türke darf verpesten?" Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 17

Ludovico Ariosto, Holzschnitt in der dritten von Ariosto selbst besorgten Ausgabe des Orlando furioso, Ferrara 1532 

 
 

 
 
 
 
 

 

Aus dem Inhalt:

Ludovico Ariosto's Fortsetzung seines bekanntesten Werkes  "Orlando furioso". Vorher noch ein paar Worte zu seinem Leben und Wirken: Ludovico Ariosto wurde am 8. September 1474 in Reggio nell’Emilia geboren; gestorben ist er am 6. Juli 1533 in Ferrara. Er war ein italienischer Humanist, Militär, und Autor. Sein Hauptwerk, das Versepos Orlando furioso („Der rasende Roland“), gilt als einer der wichtigsten Texte der italienischen Literatur und wurde in ganz Europa rezipiert. Schelling, Voltaire und Goethe schätzten das Werk. Ariosto war das älteste von zwölf Kindern des wenig begüterten Adeligen Niccolò Ariosto, der im Dienst von Herzog Ercole I. d’Este (1431–1505), des Herrschers von Ferrara und Modena, die Garnison von Reggio nell’Emilia befehligte. Nachdem er ab 1484 die Lateinschule in Ferrara besucht hatte, begann Ariost 1489 auf Wunsch des Vaters ein Jurastudium an der dortigen Universität. Er schloss es jedoch nicht ab, sondern widmete sich vor allem humanistischen Studien. Hierbei befreundete er sich mit dem etwas älteren Pietro Bembo, dem späteren bedeutenden Autor, Sprachtheoretiker und schließlich Kardinal. Mit ihm teilte er auch das Interesse für die jüngere volkssprachliche italienische Literatur, insbesondere die Lyrik Petrarcas und die Erzählungen Boccaccios und Dantes. Dank der Position seines Vaters erhielt er Zutritt zum Hof in Ferrara, das Herzog Ercole nach 1471 zur Hauptstadt seines zwischen dem Herzogtum Mailand, den Republiken Venedig und Florenz sowie dem Kirchenstaat gelegenen Herrschaftsgebietes gemacht und ausgebaut hatte. 1493 trat er in eine Theatergruppe ein, die am Hofe Schauspiele aufführte. Er schrieb in jener Zeit die (verlorengegangene) Tragedia di Tisbe. Ab 1495 begann er, erste lateinische Dichtungen zu schreiben und verfasste in seiner Zeit als Student und Zaungast am Hof diverse Dichtungen in lateinischer Sprache. Als im Jahr 1500 sein Vater plötzlich starb, musste er zur Ernährung der Familie, darunter waren ein gelähmter Bruder und fünf Schwestern, beitragen. Er trat in die militärischen Fußstapfen des Vaters und übernahm als Hauptmann den Oberbefehl einer Grenzfestung nahe Canossa. 1503 konnte er zurück nach Ferrara und wurde als Sekretär in den Dienst des Kardinals Ippolito d’Este aufgenommen, einem Sohnes von Herzog Ercole. In der Hoffnung, über ihn eine kirchliche Pfründe zu erhalten, die ihn finanziell unabhängig machte, ließ er sich die Niederen Weihen erteilen und bekam in der Tat 1506 eine Pfründe in einer reichen Gemeinde zugewiesen, wo er, wie in solchen Fällen üblich, nur sporadisch präsent zu sein brauchte. Im Dienst des Kardinals war er vielbeschäftigt, da der Kardinal von ihm ständige Einsatzbereitschaft verlangte. U. a. reiste er mehrfach in seinem Auftrag nach Rom. Er fand aber trotz seiner Dienstverpflichtungen Zeit, literarisch tätig zu sein, und zwar ab ca. 1505 nur noch in italienischer Sprache. So verfasste er eine Reihe von Gelegenheitsgedichten sowie Sonette und Kanzonen. Weiterhin schrieb er, in Prosa, die Komödien La Cassaria (1508, dt. etwa Das Ding mit der Truhe und I suppositi (1509, dt. die Untergeschobenen), worin er sich von den üblichen Vorbildern Plautus und Terenz löste und zeitgenössisch wirkende Sujets behandelte. Vor allem aber arbeitete er an dem Orlando, einem Versepos in elfsilbigen Stanzen, das er um 1505 als Fortsetzung von Matteo Boiardos unvollendet gebliebenem Versepos Orlando innamorato („der verliebte Roland“) begonnen hatte und das er 1516 in einer ersten Version von 40 Gesängen mit einer Widmung an Ippolito drucken ließ. 1520 schrieb er mit Il Negromante („der Nekromant“, Uraufführung 1528) eine weitere Komödie. 1521 gab er eine um fünf Gesänge vermehrte Ausgabe des Orlando in Druck, die in den Folgejahren mehrere Male neu aufgelegt wurde. In der dritten seiner sieben Satiren (Satire) lobt er wehmütig das einfache Leben eines Gelehrten, fern vom Druck der Tagesgeschäfte – sichtlich ein Reflex auf seine anstrengende Tätigkeit in der unruhigen Grenzprovinz Garfagnana, wo er 1522 bis 1525, offenbar durchaus geschickt, als Gouverneur amtierte. Seine Erlebnisse dort verarbeitete er in einer vierten, 1523 entstandenen Satire. Die fünfte befasst sich, nicht ohne die für den Kleriker typische Misogynie, mit der Wahl der passenden Frau. Das Thema war aktuell für Ariost, weil er (s. u.) ans Heiraten dachte. Die sechste, entstanden 1524/25, die er dem Freund Pietro Bembo widmete, befasst sich mit dem Thema Bildung und Erziehung, denn er war schon zweifacher Vater aus früheren Beziehungen. Er kaufte sich 1526 ein kleines Häuschen in Ferrara in der Via Mirasole, das er gemeinsam mit seinem Sohn Virgilio bewohnte. 1527 oder 1528 verheiratete er sich mit Alessandra Benucci, der Witwe des Florentiner Humanisten und Autors Tito Strozzi (1425–1515), mit der er schon seit längerem ein Verhältnis unterhielt. In den nachfolgenden Jahren verfasste er die Komödie La Lena („Die Kupplerin Lena“, 1528) und überarbeitete vor allem nochmals den Orlando. Er bereinigte den Text im Sinne der sich festigenden italienischen Literatur- und Schriftsprache und er veränderte die Ausrichtung, indem er statt der ursprünglich vor allem ins Auge gefassten höfischen Zuhörerschaft eher das anonyme Lesepublikum anzusprechen versuchte, das sich inzwischen herausgebildet hatte. Das 1532 in nunmehr 46 Gesängen neu publizierte Epos um die Kämpfe Rolands und der Paladine Karls des Großen mit den Heiden um die Liebe Rolands zu der flatterhaften Angelica sowie um die Liebe zwischen Ruggero und Bradamante, den angeblichen Begründern des Hauses Este, war sehr erfolgreich und wurde allein im 16. Jahrhundert fast zweihundert Mal nachgedruckt. Hauptwerk: Orlando furioso, 1516–32. Erste deutsche (Teil-)Übersetzung: Die Historie vom rasenden Roland von Diederich von dem Werder, 1632–36; Prosa-Übersetzung von Wilhelm Heinse: Roland der Wüthende, 1782–83; erste vollständige Vers-Übersetzung von Johann Diederich Gries: Der rasende Roland, 1804–1809, rev. 1827–28; weitere Übersetzungen ins Deutsche von Karl Streckfuß, 1818–25, rev. 1839; Hermann Kurtz, 1840–41, überarbeitet von Paul Heyse, 1880–81; Otto Gildemeister, 1882, und Alfons Kissner, 1908, rev. 1922. Komödien: La Cassaria, 1508 (dt. Die Kastenkomödie, übers. v. Alfons Kissner, 1909), I Suppositi, 1509 (dt. Die Untergeschobenen, dito), Il negromante, 1520 (dt. Der Nekromant), La Lena, 1528, Sieben Satiren, Oden, Sonette, Kanzonen. Das Fragment von I Studenti (1518) wurde durch Gabriele Ariosto fertiggestellt und postum als La Scolastica (1547) veröffentlicht.
 

 

1. "Das Sprichwort sagt, die Berge bleiben stehen, / Die Menschen müssen zu einander gehen"

Bradamante sehnt sich Roger herbei: "Doch immer, ob sie schlief, ob wachte, sah / Sie Roger vor sich stehn, als wär' er da." Doch wird ihr, die "andern stets zu helfen", auch selbst geholfen. Bradamante, den Rückweg verfehlend, trifft auf Astolf, ihren Vetter, der ihr das Ross Rabican und die goldne Lanze in Verwahrung gibt, um auf dem Flügelpferde eine Luftreise anzutreten. Sie will ihn dort suchen, wo sie heiraten wollten: "Sie will nach Vallombrosa zur Abtei, / In Hoffnung ihren Roger dort zu sehen" [60] 
"Such' andern stets zu helfen; denn nur selten
Bleibt eine gute Tat ohn' ihren Lohn,
Und wenigstens wird keiner drob dich schelten,
Es steht nicht Tod darauf noch Schimpf und Hohn.
Wer andern schadet, muss es einst entgelten;
Früh oder spät wird ihm der Zahltag drohn.
Das Sprichwort sagt, die Berge bleiben stehen,
Die Menschen müssen zu einander gehen.

Sieh nur, wie schlecht dem lasterhaften Grafen,
Dem Pinabel, sein arges tun gedeiht:
Zum Schluss verfällt er den verdienten Strafen,
Gerechtem Lohn der Ungerechtigkeit,
Und Gott, der selten leidet, dass dem braven
Unrecht geschieht, erlöst aus ihrem Leid
Die Jungfrau und wird jeden so erlösen,
Der rein von Frevel lebt und fern vom Bösen. (...)

Sie ritt nicht weit, da fand sie sich am Saume
Des Waldes, wo zuvor das Zauberschloss
Gewesen war und wo ihr wie im Traume
Durch des Beschwörers Trug die Zeit verfloss.
Dort traf sie jetzt Astolf, der mit dem Zaume
Versehen hatte sein geflügelt Roß
Und nur für Rabican noch sorgen musste,
Für den er noch kein Unterkommen wusste.

Der Zufall wollt' es nun gerade fügen,
dass ohne Helm der edle Herzog stand,
Und Bradamante hatt' an seinen Zügen
Den lieben Vetter augenblicks erkannt.
Sie grüßt' ihn schon von fern, und voll Vergnügen
Ritt sie heran und schüttelt' ihm die Hand
Und nannte sich und macht' ihr Antlitz frei
Vom Helmvisier und zeigte, wer sie sei.

Der Herzog wusste wohl, dass er so gut
Für Rabican nie einen Pfleger fände,
Der ihn behalten würd' in treuer Hut
Und wiedergeben, wann die Luftfahrt ende,
Wie Haimons Tochter, und ihm war zu Mut,
Als ob der Himmel ihm das Mädchen sende.
Wenn er sie sah, freut' er sich immer sehr,
Und nun er ihrer brauchte, desto mehr.

Nachdem sie zwei- und dreimal brüderlich
Umarmt sich hatten und die Hand gegeben,
Und auch gar zärtlich beiderseitig sich
Befragt nach ihrem Wohlergehn und Leben,
Begann Astolf: »Beeilen muss ich mich,
Soll ich ins Reich der Vögel mich erheben,«
Und so vertraut' er sein Vorhaben ihr
Und wies auf sein geflügelt Wunderthier.

Dem Mädchen kam es nicht so seltsam vor,
Dies Ross zu sehn, das seine Flügel spannte,
Weil es schon einmal, als der greise Mohr
Den Zaum noch lenkte, ihr entgegenrannte
Und ihren Augen weh tat, als empor
Gen Himmel sie die starren Blicke wandte,
An jenem Tag, da es mit jähem Flug
Roger hinweg in weite Fernen trug.

Astolf fuhr fort, er möchte Rabican
Ihr anvertraun, das schnellste aller Rosse,
Das, wenn es mit dem Pfeil zugleich die Bahn
Begonnen hat, vorbeifliegt dem Geschosse.
Auch bat er sie, dass sie nach Montalban
Die Rüstung mitnehm' und sie dort im Schlosse
Für ihn verwahre bis zur Wiederkehr;
Denn sie zu tragen braucht' er jetzt nicht mehr.(...)

Sie will nach Vallombrosa zur Abtei,
In Hoffnung ihren Roger dort zu sehen,
Doch welcher Weg der best' und nächste sei,
Das weiß sie nicht und fürchtet fehl zu gehen.
Dem Bauer auch wohnt wenig Kunde bei
Von Weg und Steg; doch etwas muss geschehen.
Sie lenkt auf gutes Glück gradaus die Pferde
Und denkt, dass da der Ort wohl liegen werde." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 23
 

2. Bradamante und Milo's Sohn; Mandricard, der König der Tartaren

Mandricard, der König der Tartaren, benimmt sich so wie der heutige russische Präsident, der im Grunde seines Herzens immer noch Tartar ist: "Als mit dem frommen Werk sie fertig waren / Und an die Pferde traten, siehe da, / Kam Mandricard, der König der Tartaren. / Als der den stolzen Schmuck der Fichte sah, / Wollt' er den Anlass von Zerbin erfahren, / Und dieser sagt' ihm alles, was geschah. / Da ritt der Heidenkönig rasch und munter / Zum Fichtenbaum und nahm das Schwert herunter / Und sprach: »Kein Mensch kann deshalb mit mir rechten; / Denn dass es mein ist, weiß die ganze Welt. / Besitz ergreifen kann ich nach den Rechten / An jedem Orte, wo es mir gefällt. / Roland, aus Furcht mit mir darum zu fechten, / Warf es hinweg und hat sich toll gestellt. / Gern mag er seine Feigheit so verbrämen, / Das hindert mich nicht, mir mein Recht zu nehmen.« Mandricard besiegt den Zerbin und raubt Rolands Schwert Durindane. [61] 
Wenn sie das Zauberschloß betreten hätte,
Da rannt' er mit Gradasso lange schon,
Mit Ferragu und Roger um die Wette,
Mit Bradamanten und mit Milo's Sohn.
Als aber Atlas floh von jener Stätte,
Vertrieben durch des Horns furchtbaren Ton,
War Brandimart zu Karl zurückgekommen,
Doch hatte Flordelis es nicht vernommen.

Als Flordelis Zerbin und Isabelle
Zufällig, wie gesagt, im Walde fand,
Erkannte sie die Waffen auf der Stelle
Und Güldenzaum, der dort gesattelt stand.
Mit Augen sah sie all das Leid, und schnelle
Ward auch dem Ohr die Neuigkeit bekannt;
Denn wie den andren sagt' auch ihr der Hirte,
Wie Roland wütend durch die Wälder irrte.

Zerbin hängt' alle Waffen als Trophäe
An eine Fichte, die ihm passend schien,
Und dass kein Ritter, der die Rüstung sähe,
Versucht sich fühle, selbst sie anzuziehn,
Schrieb er ein kurzes Sprüchlein in die Nähe,
»Die Wehr gehört Roland dem Paladin,«
Als woll' er sagen: Rühre nicht daran,
Wer nicht mit Roland selbst sich messen kann!

Als mit dem frommen Werk sie fertig waren
Und an die Pferde traten, siehe da,
Kam Mandricard, der König der Tartaren.
Als der den stolzen Schmuck der Fichte sah,
Wollt' er den Anlass von Zerbin erfahren,
Und dieser sagt' ihm alles, was geschah.
Da ritt der Heidenkönig rasch und munter
Zum Fichtenbaum und nahm das Schwert herunter

Und sprach: »Kein Mensch kann deshalb mit mir rechten;
Denn dass es mein ist, weiß die ganze Welt.
Besitz ergreifen kann ich nach den Rechten
An jedem Orte, wo es mir gefällt.
Roland, aus Furcht mit mir darum zu fechten,
Warf es hinweg und hat sich toll gestellt.
Gern mag er seine Feigheit so verbrämen,
Das hindert mich nicht, mir mein Recht zu nehmen.« " Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 24
 
 

3. Rinaldo's Schwester Bradamante ("Würdig des ew'gen Ruhms ist Bradamante") und ihre Brüder Ricciardetto und Richard; Roger will "Christ in Wirklichkeit" werden; ein Ungeheuer erscheint als die Macht des Geldes, des Mammon bzw. als die heidnische Welt des Islam

Roger findet zwar nicht Bradamante, befreit aber in der Festung der Mohren Bradamante's Zwillingsbruder Richard vom Feuertode. Bei Ariost heißt der Zwillingsbruder Bradamante's Ricciardetto (»Klein Richard«) zum Unterschiede von einem älteren Bruder Namens Richard. Roger, der sich taufen lassen wollte, ist noch unschlüssig, ob er in den Kampf für die Christen oder die Muslime ziehen soll, schließlich will er Bradamante heiraten: "Dann fällt ihm ein, er sollt' um diese Stunde / In Vallombrosa sein mit ihr vereint. / Er sieht, wie sie ankömmt und nach dem Grunde / Verwundert forscht, weshalb er nicht erscheint. / Könnt' er nur Briefe schicken, irgend Kunde, / Damit sie wenigstens nicht klagt und weint, / Weil er, nachdem er ihr sein Wort gebrochen, / Den Rücken wend', eh er sie nur gesprochen." Er schwört, das er "Christ in Wirklichkeit" werde. [62] 
"Als Roger nun des Jünglings Züge sah,
Die traurig und getrübt von Tränen schienen,
Da meint' er, Bradamante stehe da,
So große Aehnlichkeit war zwischen ihnen.
Die Täuschung stieg, als er genau und nah
Hinblickt' auf die Gestalt und Mienen.
Er sprach bei sich: »Ist dies nicht Bradamante,
So bin ich der nicht, den man Roger nannte.

»Sie hat vielleicht in kühner Kampfbegier
Zu rasch versucht dem Knaben beizustehen,
Und weil es übel ablief, hat man ihr
Die Fesseln angelegt, wie wir's nun sehen.
O warum solche Hast, anstatt mit mir
Gemeinsam an das Rettungswerk zu gehen!
Doch preis' ich Gott, dass ich zu rechter Frist
Gekommen bin, wo Hilfe möglich ist.«

Und ohne Säumen zückt der Held das Schwert
(Denn seine Lanze war vorhin zerbrochen)
Und jagt ins waffenlose Volk sein Pferd,
Das Brust und Bauch vordrängt, vom Sporn gestochen. (...)

Schon war hinabgetaucht der goldne Wagen
Des Sonnengotts in abendliche Flut.
Als Roger sieggekrönt mit dem befreiten
Jüngling sich anschickt aus der Burg zu reiten.

Als sich der Knabe draußen vor der Pforte
Mit Rogern sah und sicher vor Gefahr,
Bracht' er mit seiner Art und klugem Worte
Dank, grenzenlosen Dank dem Ritter dar,
Der ihm an diesem mörderischen Orte,
Ohn' ihn zu kennen, beigesprungen war,
Und bat ihn, dass er sich ihm nennen wolle,
Damit er wisse, wem er danken solle.

Und Roger denkt: seh' ich das Antlitz schon,
Das reizende, für das mein Herz entbrannte,
So hört mein Ohr doch nicht den süßen Ton,
Die sanfte Stimme meiner Bradamante,
Und solche Danksagung ist nicht der Lohn,
Den sonst sie ihrem Liebsten zuerkannte.
Ist's aber Bradamante, wie geschah's,
dass meinen Namen sie so schnell vergaß?

Um klar zu sehn, sprach er mit seiner List:
»Ich hab' euch schon gesehn in frühern Tagen
Und weiß nicht mehr, wo es gewesen ist;
Ich sinne hin und her und kann's nicht sagen.
Sagt doch, wenn ihr's euch zu erinnern wißt,
Und auch nach eurem Namen laßt mich fragen,
Damit ich wisse, wen ich aus dem Feuer
Gerettet hab' in diesem Abenteuer.«

Der andre sprach: »Das konnte leicht geschehen,
dass ihr mich traft; nur fragt nicht wo und wann.
Auch meine Art ist's, durch die Welt zu gehen,
Wo ich auf Abenteuer rechnen kann.
Vielleicht habt ihr die Schwester einst gesehen,
Die sich in Harnisch kleidet wie ein Mann.
Denn Zwilling' und so ähnlich sind wir beiden,
dass selbst die unsren uns nicht unterscheiden.

»Seitdem sie aber einstmals im Gefecht
Am Kopf verwundet ward von einem Mohren,
Schnitt ihr der Arzt, ein frommer Gottesknecht,
Die Locken kurz bis an die halben Ohren,
Und wäre nicht der Nam' und das Geschlecht,
So wäre jeder Unterschied verloren.
Sie nennt man Bradamante, Richard mich.
Rinaldens Schwester sie, sein Bruder ich. (...)

Schwer drückt ihn, was vom Kampf am Seinestrande
Der Bote Agramants ihm mitgeteilt.
Er sieht entehrt sich vor dem ganzen Lande,
Wenn er den seinen nicht zu helfen eilt.
O welcher Schimpf bedroht ihn, welche Schande,
Wenn er bei Feinden seines Herrn verweilt!
Gewiss, dass man's Verrat und Feigheit hieße,
Wenn er gerade jetzt sich taufen ließe.

Zu andren Zeiten könnt' es glaublich scheinen,
dass er's in reinem Glaubenseifer tut,
Jetzt aber, wo der König mit den seinen
In größter Not war und um Hilfe bat,
Jetzt wird die ganze Welt viel eher meinen,
dass Furcht und Feigheit ihn erschüttert hat
Als irgend Glaub' an eine bessre Lehre.
So quälte Roger Sorg' um seine Ehre. (...)

Dann fällt ihm ein, er sollt' um diese Stunde
In Vallombrosa sein mit ihr vereint.
Er sieht, wie sie ankömmt und nach dem Grunde
Verwundert forscht, weshalb er nicht erscheint.
Könnt' er nur Briefe schicken, irgend Kunde,
Damit sie wenigstens nicht klagt und weint,
Weil er, nachdem er ihr sein Wort gebrochen,
Den Rücken wend', eh er sie nur gesprochen. (...)

Und was er mündlich ihr mit teurem Eid
Geschworen habe, schwör' er noch und schreibe:
Sobald er seinem Herrn die schuld'ge Zeit
Im Krieg gedient hab' und am Leben bleibe,
So werd' alsbald er Christ in Wirklichkeit,
Wozu sein guter Will' ihn jetzt schon treibe,
Und werb' um ihre Hand nicht minder bald
Bei Haimon, ihrem Vater, und Rinald." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 25
 
 

Das in dieser und den folgenden Stanzen geschilderte Ungeheuer scheint die Macht des Geldes, des Mammon, bedeuten zu sollen. Freilich ist es eine starke poetische Lizenz, wenn Ariost die Kaiser Maximilian I und Karl V, die Könige Franz I und Heinrich  VIII und den Papst Leo X als Überwinder des Tiers und Hersteller des goldnen Zeitalters feiert. Die Quelle Merlins mit den prophetischen Bildwerken, welche die Macht des Geldes und die Besiegung dieser Macht durch Fürsten des 15. und 16. Jahrhunderts darstellen, liegt etwa in der Zeit des König Artus. [63] 

Da auch Ferdinand Gonsalvo, von den Spaniern "el gran capitano" genannt, und der Eroberer Granada's unter Ferdinand dem Katholischen ist, als Retter genannt wird, könnte mit dem Ungeheuer auch die heidnische Welt des Islam, die Europa bedroht, gemeint sein: "Was mach' ich denn? Gonsalvo Ferdinand, / Die Zierde Spaniens, hab' ich übergangen? / Von allen, welche Malagis genannt, / Sind wenige, die größren Ruhm erlangen." [64] 

Mandricard und Rodomont treffen an Merlins Quelle Marfisa und die Ritter; es kommt zum Kampf zwischen Mandricard und Marfisa. Durch einen Zauber des Malagis wird dem Kampf ein Ende gemacht und werden die heidnischen Ritter auf den Weg nach Paris gebracht. Die heidnische Pseudo-Religion des Islam hat immer etwas mit schwarzmagischen Kräften zu tun. Allah ist der "Lügengott" und Gegenspieler des Christus und der Christenheit: "Und hatt' er auch zur Zeit das Buch nicht bei sich, mit dessen Hilf' er Mond und Sonne bannt, so war der Text doch, der die Teufel fleißig und fügsam macht, ihm aus dem Kopf bekannt. rasch ließ er einen von den schwarzen Scharen .... in diesen frommen Gaul" fahren. "Und er, der niemals einen Fuß zu heben, bevor die Hand ihn antrieb, sich vermaß, sprang plötzlich durch die Luft mit mächt'gem Satze acht Ellen hoch, zwölf Ellen weit vom Platze." [65] 

"Wohl gab es edle Frau'n in alter Zeit,
Die nur an Tugend, nicht an Reichtum dachten;
Heut sind die Frauen eine Seltenheit,
Die mehr nach andrem als nach Schätzen trachten;
Sie aber, die aus wahrer Trefflichkeit
Den Weg der Mehrzahl und den Geiz verachten,
Sind würdig der Glückseligkeit hienieden
Und ew'gen Ruhms, wann sie dahingeschieden.

Würdig des ew'gen Ruhms ist Bradamante,
Die weder Herrschaft liebt noch Hab' und Gut,
Die höh'res nicht als Rogers Tugend kannte,
Sein adlich Herz und seinen kühnen Mut.
Und sie verdient, dass er für sie entbrannte,
Ein so berühmter Held, der Dinge tut,
(Um ihr nur zu gefallen,) die nach hundert
Und tausend Jahren noch die Welt bewundert. (...)

Inmitten der Gestalten dieses Schmucks
War auch ein Tier, wild, grausam und erschreckend;
Das hatte Eselsohren, lang von Wuchs,
Den Kopf des Wolfs, die Zähne hungrig bleckend,
Des Löwen Pranken, aber wie ein Fuchs
Das übrige. So lief es, weit sich streckend,
Durch Frankreich, Spanien, Welsch- und Engelland,
Europa, Asien, kurz durch jedes Land.

Verwundet hatt' es dort und umgebracht
Geringes Volk und solche, die befehlen,
Jedoch am meisten schien's darauf bedacht
Könige, Fürsten, große Herrn zu quälen.
In Rom hatt' es am ärgsten es gemacht,
Die Päpste tötend samt den Cardinälen;
Sanct Peters hehren Stuhl hatt' es befleckt
Und Ärgernis in Christi Kirch' erweckt.

Es ist, als ob das grauenhafte Tier,
Wohin es komme, Wäll' und Mauern sprenge.
Die festen Schlösser bieten ihm Quartier,
Und keine Stadt ist, die es nicht bezwänge.
Nach göttlicher Verehrung zeigt's Begier,
Und angebetet wird's von blöder Menge
Und maßt sich an, dass es die Schlüssel führe
Der Höllenpforten und der Himmelstüre. (...)

»Denn wisst, dass sie noch nicht auf Erden waren,
Obwohl die Namen hier in Marmor stehn.
Doch wird die Welt nach siebenhundert Jahren
Zum Ruhm des Säculums sie kommen sehn.
Merlin ließ einst, in Zauberkunst erfahren,
Zu König Arthurs Zeit die Quell' entstehn,
Und gute Meister mussten sie mit Bildern
Ausschmücken, die zukünft'ge Dinge schildern.

»Dies böse Tier kam aus dem Höllenschlunde
Um jene Zeit, als man in Flur und Trift
Zuerst Grenzsteine setzte, Wag' und Pfunde
Und Ell' erfand und Kaufvertrag und Schrift.
Nicht macht' es gleich durch alle Welt die Runde,
Und manches Land blieb rein von seinem Gift;
In unsrer Zeit plagt es schon manche Gegend,
Doch Pöbel nur und niedres Volk erlegend.

»Von seinem Ursprung bis zu unsren Tagen
Wuchs es und wächst es noch von Jahr zu Jahr,
Und wachsend wird es alles überragen,
Was je die Erde riesiges gebar.
Der Python selbst, von dem die Bücher sagen,
dass er so kolossal und gräslich war,
Ist doch trotz allem, was wir davon lesen,
Nicht halb so groß und grauenhaft gewesen.

»Arg wird es wüten, Orte groß und klein
Verwüsten und verpesten und beflecken,
Und wenig nur zeigt euch der Marmorstein
Von seinen Greueln und verruchten Zwecken. (...)

Was mach' ich denn? Gonsalvo Ferdinand,
Die Zierde Spaniens, hab' ich übergangen?
Von allen, welche Malagis genannt,
Sind wenige, die größren Ruhm erlangen.
Wilhelm von Monferrat ward auch erkannt
Im Kreise derer, die das Tier bezwangen,
Und klein war ihre Zahl nur neben der,
Die es verwundet und erwürgt vorher. (...)

Der Malagis verstand auf Zauberei sich,
Wie je ein Magier sich darauf verstand,
Und hatt' er auch zur Zeit das Buch nicht bei sich,
Mit dessen Hilf' er Mond und Sonne bannt,
So war der Text doch, der die Teufel fleißig
Und fügsam macht, ihm aus dem Kopf bekannt.
Rasch ließ er einen von den schwarzen Scharen
In Doralißens armen Zelter fahren.

In diesen frommen Gaul, auf dem noch eben
Die Tochter Stordilans so ruhig saß,
Fuhr von den Engeln, die den Styx umschweben,
Der eine, den sich Malagis erlas,
Und er, der niemals einen Fuß zu heben,
Bevor die Hand ihn antrieb, sich vermaß,
Sprang plötzlich durch die Luft mit mächt'gem Satze
Acht Ellen hoch, zwölf Ellen weit vom Platze.

Der Sprung war groß, doch keiner von den Sätzen,
Durch die man rettungslos vom Sattel fällt.
Wie sie sich fliegen sieht, schreit vor Entsetzen
Das Fräulein, das sich für verloren hält.
Der Gaul jedoch, als ob ihn Teufel hetzen,
Nach einem großen Sprunge, rennt ins Feld
Und fliegt dahin mit seiner schrein'den Bürde,
dass kaum ein Pfeil ihn noch einholen würde." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 26
 
 
 

4. Satan vereinigt die mächtigsten Heidenritter zum Angriff auf das Heer Karls

Allah oder Satan vereinigt die mächtigsten Heidenritter zum Angriff auf das Heer Karls, der nach Paris zurückflüchten muss: "Der alte Feind, der weiland Eva trieb / Im Paradies verbotne Frucht zu pflücken, / Warf eines Tags, als fern der Ritter blieb, / Auf Karl die grünen Augen, schel von Tücken, / Und da er sah, jetzt werd' ein schwerer Hieb / Wider das Volk der Christen leicht ihm glücken, / So führt' er alles, was im Mohrenheer / An Tapferkeit vorhanden war, daher." Die Muslime  "Sie kamen dichtgeschlossen Mann an Mann / Mitten ins Lager, wo die Christen lagen, / Und stimmten laut der Heiden Schlachtruf an / »Spanien und Afrika,« um sich anzusagen." [66] 

Vom Erzengel Michael gezüchtigt, begibt die Zwietracht sich aufs neue ans Geschäft und schürt im Heidenlager Streit zwischen Roger, Rodomont, Marfisa, Gradasso, Mandricard und Sacripant. Marfisa entdeckt Brunel, der ihr das Schwert gestohlen hat, und entführt ihn, um ihn zu hängen. Der Streit zwischen Rodomont und Mandricard wird durch Doralißens Entscheidung erledigt. Rodomont, den Weibern fluchend, verlässt das Heer und kehrt am Ufer der Saone bei einem schelmischen Gastwirt ein. Der Friede unter den Moslems scheint beendet: "Die tolle Zwietracht lacht, da sie es schaut: / Nun fürchtet sie nicht mehr, dass Friede drohe." [67] 

"Der alte Feind, der weiland Eva trieb
Im Paradies verbotne Frucht zu pflücken,
Warf eines Tags, als fern der Ritter blieb,
Auf Karl die grünen Augen, schel von Tücken,
Und da er sah, jetzt werd' ein schwerer Hieb
Wider das Volk der Christen leicht ihm glücken,
So führt' er alles, was im Mohrenheer
An Tapferkeit vorhanden war, daher.

Gradasso und dem guten Sacripant,
Die, seit sie sich aus Atlas' Schloß befreiten,
Gemeinsam zogen durch das Frankenland,
Gab er den Plan ein, zum Succurs zu reiten
Dem hartbedrängten Volk des Agramant
Und Kaiser Karl Verderben zu bereiten,
Und in Person führt' er sie schnurgerade
Durchs fremde Land und ebnete die Pfade.

Auch sandt' er einen Teufel, dass er klug
In jene Spur, wo sein Genoß im Leibe
Des Zelters Doraliß von dannen trug,
Den Rodomont und den Tartaren treibe.
Noch einen sandt' er, dass nicht in Verzug
Marfisa mit dem tapfren Roger bleibe;
Der aber, mit dem zweiten Paare, nahm
Sich etwas Zeit, so dass er später kam.

Er braucht' ein halbes Stündchen längre Frist;
Dann führt' er beide in des Lagers Nähe.
Der schwarze Engel sorgt' in seiner List,
Weil er die Christen gern zerdroschen sähe,
Dass diesem Wunsche nicht durch fernren Zwist
Um das geraubte Pferd Abbruch geschähe;
Denn kämen Rodomont und Roger jetzt
Zusammen, würd' ihr Zweikampf fortgesetzt.

Die ersten vier gelangten an den Ort
Zu gleicher Zeit und sahen die Quartiere,
Hier der Belagrer, der Umschlossnen dort,
Und die im Winde flatternden Paniere.
Sie hielten Kriegsrat, und das letzte Wort
War nach der Unterredung dieser viere,
Man wolle Agramanten hilfreich sein,
Trotz Karl, und aus dem Lager ihn befrein. (...)

"Der Witwen Jammer und der bange Chor
Beraubter Greis' und vaterloser Knaben
Stieg zu den ewig lichten Höhn empor,
Wo Michael saß, empor von Wall und Graben.
Da mußt' er sehn, wie draußen vor dem Tor
Die Christen lagen, Raub für Wolf und Raben,
Aus Deutschland, England, Frankreich, Süd und Nord;
Denn voll von Leichen war das Blachfeld dort.

Da wurden rot des sel'gen Engels Wangen:
Des Schöpfers Wort war nicht, wie sich's gebürt,
Befolgt, so schien ihm; schändlich hintergangen
Hatt' ihn die Zwietracht und ihn angeführt.
Denn statt dass sie auf Michaels Verlangen
Zank hätt' im Heidenlager angeschürt,
War gradezu, nach allem was zu sehen,
Das Gegentheil des ganzen Plans geschehen. 

Wie wenn ein treuer Knecht, bei dem an Stärke
Die Liebe das Gedächtnis überwiegt,
Etwas vergessen hat bei einem Werke,
Das mehr als alles ihm am Herzen liegt,
Wie der voll Eifers, eh der Herr es merke,
Den Fehler gutzumachen eilt und fliegt,
So wollte Michael sein Werk vollbringen,
Eh er es wage sich zu Gott zu schwingen.

Zum Kloster, wo er jüngst sie bei den ihren
Getroffen hatte, lenkt' er seinen Flug,
Und sah sie im Capitel präsidieren,
Denn eine Wahl war just in vollem Zug,
Und sie ergetzte sich, wie mit Brevieren
Ein Mönch dem andern um die Ohren schlug.
Der Engel faßte sie beim Haar im Nacken,
Trat sie mit Füßen, schlug sie auf die Backen,

Und dann zerbrach er eine Kreuzesstange
Auf ihrem Kopf und Rücken, dass sie schrie.
Um Gnade bat sie und umfaßte bange
Des aufgebrachten Himmelsboten Knie.
Er aber ließ nicht ab, noch währt' es lange,
So trieb er in das Mohrenlager sie
Und sprach zu ihr: »Noch schlimmer wird's dir gehen,
Wenn wir dich außerhalb des Lagers sehen.« 

Obwohl sie kaum vor Schmerzen sich zu rühren
Vermochte, fand die Zwietracht nicht für gut,
Noch einmal solchen Sturm herbeizuführen,
So starke Hiebe, so gewalt'ge Wut.
Sie greift zum Blasebalg, beginnt zu schüren,
Wirft Reisig in die schon vorhandne Glut
Und zündet neuen Brand an, bis die hohen
Flammen des Zorns in vielen Herzen lohen.

Und so, von ihr entflammt, zum König kamen
Roger und Rodomont und Mandricard
(Weil nun die Christen nichts mehr unternahmen,)
Und trugen in des Königs Gegenwart
Die Streitigkeiten vor, und auch den Samen
Erfuhr er, wie der Zwist geboren ward,
Und baten ihn, dass er entscheiden wolle,
Wer zum Gefecht den Vortritt haben solle.

Marfisa gleichfalls sprach von ihrer Sache
Und wollt' auch ihren Kampf beendigt sehn,
Den Mandricard mit ihr begann, um Rache
Zu nehmen für den Hohn, der ihr geschehn:
Nicht einen Tag, nicht eine Stunde mache
Sie andren Platz, um ihr voranzugehn,
Vielmehr ausdrücklich müsse sie verlangen
Zuerst mit dem Tartaren anzufangen.

So will auch Rodomont der erste sein,
Den Streit mit dem Rivalen auszutragen;
Denn nur um hier die Mohren zu befrein,
Hab' er erlaubt die Sache zu vertagen.
Dawider legt Einsprache Roger ein
Und sagt, er könn' es nimmermehr ertragen,
Dass Rodomont sein Pferd ihm nehm' und er
Nicht eher kämpfen soll' als irgendwer.

Das Maß des Wirrwarrs aber wird erst voll,
Als Mandricard erklärt, dass nach den Rechten
Roger den weißen Aar nicht führen soll,
Und wenn die andren drei zu kämpfen dächten,
So, ruft er wütend und vom Zorn wie toll,
Woll' er zugleich mit allen dreien fechten.
Zu kämpfen dachten freilich alle drei,
Wenn nur der König sagen wollt', es sei.

Der König, der den Frieden wünschte, that,
Was möglich war, mit Mahnungen und Bitten,
Doch fand er, dass er taube Leute bat,
Die Frieden nicht noch Waffenstillstand litten.
So sann er wenigstens auf einen Rat,
Wie sie zum Kampfe nach einander schritten,
Bis ihm zuletzt der beste Ausweg schien,
Um Reihenfolg' und Rang das Loos zu ziehn....

Die tolle Zwietracht lacht, da sie es schaut:
Nun fürchtet sie nicht mehr, dass Friede drohe.
Sie fährt beinah vor Freuden aus der Haut,
Durchs ganze Lager läuft die siegesfrohe.
Der Übermut tanzt mit und jubelt laut
Und schüttet Holz und Reisig in die Lohe
Und sendet bis zum Sternenreich empor
Sein Siegsgeschrei Sanct Michael ins Ohr.

Paris erbebt, die Seine rauscht und wallt
Bei diesem graus'gen Schrei, und die Ardennen
Durchbraust der Widerhall, dass durch den Wald
Die wilden Tier' aus ihrem Neste rennen.
Von Blaie und von Rouen die Küste hallt,
Die Alpen hören es und die Cevennen;
Die Rhone hört's, Garonne und Rhein nicht minder;
Die Mütter pressen an die Brust die Kinder." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 27
 

5. Tasso's Gedicht »il Rinaldo«

Rinalds Gemalin war Clarisse, Tochter des Hugo von Bordeaux. Tasso hat die Liebe der beiden in seinem Gedichte »il Rinaldo« besungen.   [68] 
"So kam er und umfing voll Freudigkeit
Mutter und Weib und Kind und all die seinen
Und auch die Vettern, die der Kampf befreit.
Und als er kam, da konnt' es wahrlich scheinen,
Die Schwalbe komme nach der Hungerzeit,
Den Mund voll Futters, zu den lieben Kleinen.
Zwei Tage blieb er oder drei; dann ritt
Er weiter und nahm andre Reiter mit.

Guiscard, der erstgeborne, und Alard
Und Richard und der jüngre Richard reiten
Dem Helden nach, der ganz in Waffen starrt,
Und auch die Vettern wollen ihn begleiten.
Die Schwester aber, die des Tages harrt,
Der allzu langsam scheint heran zu schreiten,
Sagt ihren Brüdern, sie sei krank und schwach,
Und bleibt daheim und folgt der Schar nicht nach." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 30
 
 

6. Rinaldo, Orlando und das Problem der gefährlichen Waffen in falschen Händen

Rolands Schwert in den Händen der Muslime; das erinnert an die islamischen Länder Pakistan oder Iran, das auch für das von einem Muslim kürzlich verübte Attentat auf S. Rushdie verantwortlich ist, obwohl er den Koran nur als das bezeichnet hat was ihn ausmacht, nämlich eine Ansammlung von "Satanischen Versen", die auch in der iranischen Fatwa wieder auftauchen; Rushdie sagte damals: "Man könnte Khomeinis Fatwa selbst als eine Ansammlung satanischer Verse ansehen." Beise Länder  haben oder versuchen die Atombombe zu bauen: "Bedenke selbst, was für Gefahren drohn / Der ganzen Christenheit und allen Frommen, / Seit Durindane jetzt, wie einmal schon, / In die Gewalt des Heidentums gekommen!" Iran gilt als das gefährlichste Land mit unkontollierbaren Muslim-Horden und bleibt damit "ein Machtpolitischer und weltanschaulicher Widersacher des Westens, zunehmend gestützt von Russland und China." [69] 

Durch Unachtsamkeit bzw. Rolands "Raserei" oder "Wahnsinn" gerät die Waffe in die Hände des Feindes der Christenheit. Rinaldo will das schlimmste verhindern und Roland heilen. [70] 

»Desselben Tages aber hat der Sohn
Des Agrican das Schwert davongenommen.
Bedenke selbst, was für Gefahren drohn
Der ganzen Christenheit und allen Frommen,
Seit Durindane jetzt, wie einmal schon,
In die Gewalt des Heidentums gekommen!
Auch Güldenzaum, der los und ledig dort
Umherlief, nahm der Heide mit sich fort. (...)

Fragt nicht, ob bei dem kläglichen Bericht
Rinald bestürzt sei und sich gräm' und härme.
Das Herz im Leibe schmilzt ihm, anders nicht
Als Eis zu schmelzen pflegt vor Sonnenwärme,
Und unverbrüchlich macht er's sich zur Pflicht,
Roland zu suchen, wo er immer schwärme,
Voll Hoffnung, wann er erst gefunden sei,
Ihn bald zu heilen von der Raserei." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 31
 

Zuerst wollte Rinaldo die Muslime sofort zurückdrängen: "Wollt' er zuerst die Saracenenscharen / Vertreiben und die Stadt Paris befrein." Doch dann entschlossen sie sich nachts anzugreifen: "Man traf des Königs Feldwacht schlafend an, / Schlug alle tot, nahm keinen erst gefangen, / Und kam ins Mohrenlager ungestört, / Eh einer sie gesehn hatt' und gehört. / Im ersten Anlauf warf sich jetzt Rinald / Auf die bestürzten ahnungslosen Wachen / Und schlug sie und zerschmiss sie dergestalt, / Dass keinem Zeit blieb sich davon zu machen. / Den Heiden, deren erste Spitze bald / Zerbrochen ward, verging dabei das Lachen. / Schlaftrunken, waffenlos, voll Angst und Zittern, / Schirmten sie sich nur schlecht vor solchen Rittern. / Damit das Herz den Saracenen sinke, / Ließ jetzt der Paladin zum Überfall / Die Kriegstrompete blasen und die Zinke / Und seinen Namen schrein mit lautem Schall. / ... So kühn war in dem Heer kein Veteran, / Dass ihm die Haare nicht zu Berge stiegen, / Als er den Ruf »Rinald und Montalban!« / So furchtbar hörte durch die Lüfte fliegen. / Von dannen stob das Heer vor seinem Nahn, / Und das Gepäck blieb in der Eile liegen. / Nicht warten mochten sie auf jene Wut, / 
Die allen schon bekannt war, nur zu gut." [71] 
"Doch weil die Freund' einmal beisammen waren,
(Mocht' es nun Fügung oder Zufall sein,)
Wollt' er zuerst die Saracenenscharen
Vertreiben und die Stadt Paris befrein.
Er riet indes den Angriff aufzusparen
Für nächste Nacht, (der Vorteil sei nicht klein,)
Bis um die dritte oder vierte Wache
Der Schlaf die Tropfen spreng' aus Lethe's Bache.

Er ließ die ganze Schar im Walde liegen
Und hielt sie über Tag zurück vom Feld.
Als aber Phöbus dann, hinabgestiegen
Zur alten Mutter, dunkel ließ die Welt
Und man giftlose Schlangen, Bären, Ziegen
Und andre Tiere sah am Sternenzelt,
Die vor dem größren Licht zu schwinden pflegen,
Da ließ er schweigend sich sein Heer bewegen. 

Und Aquilant, Grifon und Vivian,
Guidon, Alard und Samson, diese drangen
Vor mit Rinald, den übrigen voran,
Und suchten leis' ans Lager zu gelangen.
Man traf des Königs Feldwacht schlafend an,
Schlug alle tot, nahm keinen erst gefangen,
Und kam ins Mohrenlager ungestört,
Eh einer sie gesehn hatt' und gehört.

Im ersten Anlauf warf sich jetzt Rinald
Auf die bestürzten ahnungslosen Wachen
Und schlug sie und zerschmiss sie dergestalt,
Dass keinem Zeit blieb sich davon zu machen.
Den Heiden, deren erste Spitze bald
Zerbrochen ward, verging dabei das Lachen.
Schlaftrunken, waffenlos, voll Angst und Zittern,
Schirmten sie sich nur schlecht vor solchen Rittern.

Damit das Herz den Saracenen sinke,
Ließ jetzt der Paladin zum Überfall
Die Kriegstrompete blasen und die Zinke
Und seinen Namen schrein mit lautem Schall.
Dann spornt' er Bajard, der beim ersten Winke
Dahinflog über Palisad' und Wall
Und Reiter umwarf, Fußvolk niederkrachte
Und Hütten und Gezelt zu Falle brachte. 

So kühn war in dem Heer kein Veteran,
Dass ihm die Haare nicht zu Berge stiegen,
Als er den Ruf »Rinald und Montalban!«
So furchtbar hörte durch die Lüfte fliegen.
Von dannen stob das Heer vor seinem Nahn,
Und das Gepäck blieb in der Eile liegen.
Nicht warten mochten sie auf jene Wut,
Die allen schon bekannt war, nur zu gut.

Stets folgt Guidon ihm, der nicht minder schafft,
Die Söhne Olivers, sie folgen beide,
Richard, Alard, die ganze Brüderschaft.
Bahn bricht sich Samson mit des Degens Schneide;
Aldigers, Vivians furchtbare Kraft
Erprobt zu seinem Schaden mancher Heide.
Wer heute mit Rinalds Panier ins Feld
Geritten ist, der zeigt sich auch als Held.

Auf seinen Dörfern und dem Herrensitze
Hielt siebenhundert Reiter Haimons Sohn,
Jeder des Kriegs gewohnt bei Kält' und Hitze,
Nicht schlechter als Achilles' Myrmidon;
Die boten, wenn es galt, dem Feind die Spitze,
Dass ihrer hundert nicht vor tausend flohn,
Und viele fand man unter diesen Leuten,
Die mit berühmten den Vergleich nicht scheuten.

Und war Rinald an Städten und an Gold
Nicht eben reich, so war er doch mit Mienen
Und Worten gegen sie stets gut und hold,
Und was er hatte, theilt' er auch mit ihnen;
Daher kein einziger durch höhern Sold
Jemals verlockt ward andren Herrn zu dienen.
Rinald entfernte nie dies Aufgebot
Von Montalban als nur im Fall der Not.

Doch jetzt, damit Paris gerettet werde,
Ließ er die eigne Veste schwach besetzt,
Und auf die Mohren fiel dies Fähnlein Pferde,
Dies Fähnlein, das ich rühmte eben jetzt,
Sie hetzend, wie der Wolf die woll'ge Herde
Am Phalanteïschen Galesus hetzt
Oder der Leu den bärt'gen Schwarm am Strande
Des Cynips anfällt im Barbarenlande.

Dem Kaiser war's durch Boten hinterbracht,
Dass Haimons Söhne vor Paris erschienen
Und einen Angriff planten für die Nacht.
Er stand bereit, um einzuhaun mit ihnen,
Und als es Zeit war, führt' er in die Schlacht
Die Paladin', und mit den Paladinen
Zog auch der Sohn des Monodant ins Feld,
Der Freund der Flordelis, der weise Held,

Auf den sie Monde lang umsonst geharrt,
Den sie gesucht durch Wälder und Gefilde.
Jetzt plötzlich sah sie ihren Brandimart
Und kannt' ihn schon von fern am Helm und Schilde.
Als er der teuren auch ansichtig ward,
Verließ er Schlacht und Mord und ward voll Milde
Und fiel ihr um den Hals und gab ihr dann
Küsse wohl tausend oder nah daran."

Der König Agramant schlief im Gezelte
Den ersten Schlaf, da weckt' ihn ein Trabant
Und sagt' ihm, dass es schnell zu fliehen gelte,
Wenn er nicht fallen woll' in Feindes Hand.
Der König sah sich um; Verwirrung stellte
Dem Blick sich dar; rings ohne Widerstand
Flohn seine Leute, nackt und ohne Waffen,
Zu eilig, um den Schild nur aufzuraffen. 

Bestürzt und völlig ratlos ließ der Sohn
Trojans den Harnisch um die Brust sich schnallen.
Da kamen Balugant und Falsiron,
Grandon erschien, und er vernahm von allen,
Er werde, wenn er bleibe, nächstens schon
Gefangen werden oder hilflos fallen,
Und dass von großem Glück zu sagen sei,
Wenn er mit heiler Haut entkomm' und frei.

So sprach Marsil, so sprach der Greis Sobrin,
So sprachen alle wie mit einer Stimme:
Ganz nah bedrohe das Verderben ihn,
Weil schon Rinald den nächsten Wall erklimme,
Und wenn er warte, bis der Paladin
Hier sei, mit solchem Volk, mit solchem Grimme,
So werd' er selbst und jeder Saracen
Gefangen werden oder untergehn.

Leicht aber sei es noch sich mit dem Reste
Nach Arles, nach Narbonne durchzuhau'n.
Man könn' in jener wie in dieser Veste
Sich lange halten und dem Glück vertrau'n.
Wenn er nur lebe, hofften sie das beste
Und einen Tag der Rache noch zu schau'n,
Falls man das Heer in Ordnung wieder bringe,
Wodurch gewiß der Sieg zuletzt gelinge. 

Der Rat erschien dem König gut und klug,
So hart es war den Rückzug zu beschließen.
Es ging nach Arles wie im Sturmesflug
Auf Straßen, wo sie nicht auf Feinde stießen.
Nächst dieser Führung kam es ihrem Zug
Zu statten, dass sie Nachts das Feld verließen.
Es war ein Rest von zwanzigtausend Mann,
Der so Rinalden aus dem Garn entrann.

Der Rest, der vor Rinald und Karl entrann,
(Wohl hunderttausend Mann, wie ich gelesen,)
Lief durch Gefild und Berg und Tal und Tann,
Um vor dem Schwert der Franken zu genesen,
Traf aber meist gesperrte Straßen an
Und färbte rot, was grün und weiß gewesen.
So macht es nicht der Sericaner Held,
Der mehr abseits aufpflanzte sein Gezelt." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 31
 

7. Astolf's Reise zu den »Höllenbolgen« und später ins Paradies um von dort Rolands verlornen Verstand zurückzuholen; Gott hat Roland zum "Schützer seiner Christenheit" gemacht; wie Nebukadnezar hat er seine Pflicht verletzt und wurde mit Wahnsinn gestraft; seine Reise zum Lethestrom, wie Fürsten bzw. Politiker die guten Künste und denkmalgeschützte Bauwerke nicht fördern

Astolf hat sich einiges zugemutet als  er zu den »Höllenbolgen« reist: "Der Ritter wollte da hinuntergehn, / Um die zu schaun, die keinen Tag mehr schauen, / Und, um die Höllenbolgen anzusehn, / Sich bis zum Mittelpunkt der Welt getrauen." »Höllenbolgen« sind nach dem von Dante eingeführten Terminus technicus die Stufen oder Abschnitte der trichterförmigen Terrasse, als welche er die Hölle darstellt. "Die Hölle" in Dantes "Divina Commedia" (Göttliche Komödie) umfasst ausser dem Vorhof neun Höllenkreise, die wie ein Trichter im Mittelpunkt der Erde zusammenlaufen, dem Sitz Luzifers. Je tiefer die Seelen der Verdammten, umso größer ihre Verfehlungen und umso größer auch ihre Strafen. Dantes Mahnungen und Warnungen stehen in vollem Einklang mit der Lehre der Kirche, der er sich als Autorität immer unterworfen hat. Grunddogma ist für ihn der Glaube an die Dreieinigkeit Gottes. Thomas von Aquin und Albertus Magnus befinden sich im Paradies; Mohammed, den Dante als Irrlehrer, sittenlos und gewalttätig, beurteilt, der das Böse wollte und sich darin verhärtete, befindet sich in der Hölle. Am Eingang der Hölle heißt es: „Das sind die Stifter falscher Lehren / und allerlei sektiererischer Anhang. / Viel voller als du denkst, sind diese Gräber. / In Massen liegen Gleichgesinnte drin, / und eingebettet in gestufte Gluten" (Dante, Göttliche Komödie IX Inferno). In Dantes Göttlicher Komödie erleidet z.B. Mohammed in der Hölle das, was er in seinen "satanischen Versen" (Koran) den Nicht-Muslimen, also denen, die nicht an die islamischen Zeichen (Koran, Halbmond, Mohammed und Allah) glauben, androht.  In über 200 Suren-Versen des Koran droht Allah den NichtMuslimen irdische und ewige Strafen an. Dante begegnet Mohammed, "der Zwietrachtstifter Mohammed" oder "Mahom" genannt, im tiefsten Höllenschlund. Er klagt sich selber an, seinen gerechten Lohn erhalten zu haben: "Ein Fass, dem Dauben oder Querholz fehlen, / ist nicht so löchrig wie der Sünder (Mohammed) war, / bei dem's vom Kinn bis an den After klaffte./ Zwischen den Beinen hing ihm das Gedärm. / Herz, Leber, Lunge sah man und den Sack, / der Kot aus allem macht, was wir verschlucken. / Indess ich mit den Augen ihn durchbohre, / blickt er auf mich und öffnet sich die Brust / mit Händen: 'Schau nur!' rufend, 'Selbstzerreißung! / Betrachte den verstümmelten Mohammed! / Der vor mir geht und jammert, ist Ali (der Kalif, der die Mohammedaner in zwei Sekten spaltete), / das Angesicht vom Kinn zum Schopf zerschlitzt. / Und Ärgernis und Zwiespalt haben alle, / die du hier siehst, erregt in ihrem Leben, / drum sind sie ebenso zerspalten hier. / Dort hinten steht ein Teufel, der zerstückt, / mit Schwertesschärfe feden dieser Sekte / gar grausam jedesmal, dass uns der Weg / dieselbe Schmerzensstraße führt im Kreis. / Denn immer schließt sich unsere Verwundung, / bevor an ihm vorbei wir wieder kommen. / Jedoch, wer bist du, dass du spähst und schnüffelst / dort auf der Brücke und die Strafe wohl, / die zugesprochene, verzögern möchtest?' / 'Der Tod hat ihn', erwiderte mein Meister (Vergil), / 'noch nicht ereilt, noch soll er Sünden büßen. / Damit ihm aber volle Kenntnis werde, / muss ich, der schon Gestorbene, ihn führen / von Kreis zu Kreis hienieden durch die Hölle. / Das ist so wahr wie, dass ich sprech zu dir.' / Es waren mehr als hundert, die das hörten, / und blieben stehn, vergaßen ihre Qual / und staunten aus dem Graben nur nach mit."(Dante, Göttliche Komödie XXVIII Inferno) [72] 
"Der Herzog jagte mit dem Horn am Munde
Die scheuslichen Harpyien durch die Luft
Und senkte sich hinab nach jenem Grunde,
Wo sie verschwunden waren durch die Kluft.
Aufmerksam nähert' er das Ohr dem Schlunde,
Und horch, es war als ob aus tiefer Gruft
Geheul und Klag' und ew'ger Jammer schölle,
So dass er merkte, drinnen sei die Hölle.

Der Ritter wollte da hinuntergehn,
Um die zu schaun, die keinen Tag mehr schauen,
Und, um die Höllenbolgen anzusehn,
Sich bis zum Mittelpunkt der Welt getrauen.
Was (dacht' er) kann mir schreckliches geschehn?
Denn auf mein Horn kann ich ja immer bauen.
Pluto und Satan werd' ich fliehen machen
Und auch den Hund mit dem dreifalt'gen Rachen.

Er schwingt sich hurtig von dem Hippogryphen
Und bindet draußen ihn an einen Strauch.
Dann wagt er mit dem Horn sich in die Tiefen,
Das ihn beschützen soll nach seinem Brauch.
Kaum ist er drinnen, als die Augen triefen,
Und in die Nase beißt ein schwarzer Rauch
Wie Qualm von Pech und Schwefel, nur noch schlimmer,
Er aber schreitet aus und vorwärts immer. (...)" Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 34


Astolf's eigentliche Ziel ist das irdische Paradies, von wo St. Johannes ihn nach dem Monde bringt, um von dort Rolands verlornen Verstand zurückzuholen. Das Ideal einer friedlichen Welt ohne Raubbau, ohne Fracking natürlich, ohne Gentechnik,  intensive Landwirtschaft und Luft- und Naturverpestung sieht er vor sich: "Zu diesem Wunderbau, der stolz und prächtig / Wohl sieben Meilen in die Rund' umfasst, / Lenkt jetzt Astolf sein Luftroß fein bedächtig, / Das Land bewundernd und den Lichtpalast, / Und denkt bei sich, wie wüst und niederträchtig / Und Gott und der Natur zugleich verhasst / Ist die von uns bewohnte garst'ge Welt! / So schön ist's hier, so hell und wohlbestellt." St. Johannes erklärt ihm, warum er hier sei, nämlich wie er den heil'gen Glauben verteidigen und "Kirch' und Reich" von den Muslims befreien könne: »Um zu erfahren, wie du helfen musst, / Karl und den heil'gen Glauben zu erretten, / Kömmst du zu mir, des Zwecks dir unbewusst, / Und suchest Rat an diesen heil'gen Stätten. / Nicht glaube, Sohn, dass deine Wagelust, / Dein Wissen dich hieher geleitet hätten. / Dir hätte nicht dein Horn noch Flügelpferd / Geholfen, hätt' es Gott dir nicht gewährt. / »Wir werden später noch die Art und Weise / Besprechen, wie wir Kirch' und Reich befrein; / Erst aber stärke dich mit Trank und Speise; / Denn langes Fasten muss dir lästig sein.« / So sprach er, und Astolf ging mit dem Greise, / Und sein Erstaunen war gewiß nicht klein, / Als er vernahm, er sei bei dem zu Gaste, / Der einst das Evangelium verfasste." [73] 

"Rubinen, Chrysolithen, dem Safir,
Topasen, Golde, Demant und Opalen
Sind alle Blumen ähnlich, welche hier
Die Lüft' auf die beglückten Fluren malen.
Der Rasen würde, wenn hienieden wir
Ihn hätten, die Smaragden überstrahlen.
Nicht minder herrlich ist der Bäume Grün,
Die immer Früchte tragen, immer blühn.

Die Vögel singen in dem schatt'gen Reiche,
Purpurn und gelb und grün und weiß und blau.
Rauschende Wasserbäch' und stille Teiche
Zieren mit leuchtendem Krystall die Au.
Ein leiser Windhauch, der wie immergleiche
Musik dahinfließt, nimmer scharf und rauh,
Schaukelt die Lüfte rings, damit am Tage
Die Hitze nicht beschwerlich fall' und plage;

Und jeder Blum' und Frucht und jeder Pflanze
Stiehlt er den Duft, wie er vorüberfährt,
Und mischt die Wohlgerüche, dass das Ganze
Mit Wonn' und Süßigkeit die Seele nährt.
Im Feld' erhebt sich ein Palast, vom Glanze
Lebend'ger Flamme wunderbar verklärt,
Der solche Strahlen hellen Lichts entsendet,
Wie ihr es nie auf unsrer Erde fändet.

Zu diesem Wunderbau, der stolz und prächtig
Wohl sieben Meilen in die Rund' umfasst,
Lenkt jetzt Astolf sein Luftroß fein bedächtig,
Das Land bewundernd und den Lichtpalast,
Und denkt bei sich, wie wüst und niederträchtig
Und Gott und der Natur zugleich verhasst
Ist die von uns bewohnte garst'ge Welt!
So schön ist's hier, so hell und wohlbestellt.

Das Staunen aber wird zum heil'gen Schauer
Als er den leuchtenden Palast erreicht:
Ein einz'ger Edelstein die ganze Mauer,
Vor dem Karfunkels rote Pracht erbleicht!
O Wunder! o dädalischer Erbauer!
Wo ist ein Menschenwerk, das diesem gleicht?
Verstummen mag nur jeder, der die sieben
Weltwunder uns so herrlich hat beschrieben.

Ein Greis trat aus dem lichten Säulengange
Des sel'gen Hauses zu dem Paladin.
Rot war der Mantel, weiß das Kleid, das lange,
Der Milch gleich dieses, jener dem Karmin.
Weiß war das Haupt und weiß vom Bart die Wange,
Der bis zur Brust herabfloss, und es schien,
Als komm' ein Seliger des Paradieses.
Nie sah Astolf ein würdig Haupt wie dieses.

Mit heitrem Antlitz war der Greis genaht,
Und ehrerbietig stieg Astolf vom Pferde.
Dann sprach er: »Prinz, der du nach Gottes Rat
Emporsteigst in das Paradies der Erde,
Obwohl du nicht das Ziel auf deinem Pfad
Verstandest, noch was dir begegnen werde,
Doch war's ein hoch Geheimnis, das im Flug
Dich nach des Südens Hemisphäre trug.

»Um zu erfahren, wie du helfen musst,
Karl und den heil'gen Glauben zu erretten,
Kömmst du zu mir, des Zwecks dir unbewusst,
Und suchest Rat an diesen heil'gen Stätten.
Nicht glaube, Sohn, dass deine Wagelust,
Dein Wissen dich hieher geleitet hätten.
Dir hätte nicht dein Horn noch Flügelpferd
Geholfen, hätt' es Gott dir nicht gewährt.

»Wir werden später noch die Art und Weise
Besprechen, wie wir Kirch' und Reich befrein;
Erst aber stärke dich mit Trank und Speise;
Denn langes Fasten muss dir lästig sein.«
So sprach er, und Astolf ging mit dem Greise,
Und sein Erstaunen war gewiß nicht klein,
Als er vernahm, er sei bei dem zu Gaste,
Der einst das Evangelium verfasste." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 34


Gott hat Roland zum "Schützer seiner Christenheit" gemacht "Wie er den Simson gegen Philistäer / Zum Schützer hat bestellt für die Hebräer". Aber er hat versäumt "für's heil'ge Kreuz zu ringen". Denn "Er hat vom gläub'gen Volk sich abgewendet / Da Christi Feind' am ärgsten es bedrohn. / Fluchwürd'ge Liebe hat ihn so verblendet, / Zu einer Heidin, dass er zweimal schon / Und öfter nah daran war, des getreuen / Leiblichen Vetters Leben zu bedräuen. / »Darum hat Gott mit Wahnsinn ihn geschlagen / Und hat verdunkelt seines Geistes Licht, / dass nackt er seine Scham zur Schau getragen / Und keinen kennt, zumal sich selber nicht. / So traf ja auch in den vergangnen Tagen / Nebukadnezar Gottes Strafgericht, / Der sieben Jahre lang von sich nicht wusste / Und Heu und Gras, gleich Ochsen, fressen musste." Der spanische Dichter, Schriftsteller und Komponist Temistocle Solera (1815-1878) schrieb das Libretto zu Giuseppe Verdis "Nabucco", wodurch Verdi weltberühmt werden sollte. Die Musik bringt die romantische Philosophie zum Ausdruck, die immer eine Philosophie der Freiheit ist. So zum Beispiel der feierlich fließende Hoffnungsgesang des Zacharias im ersten Act: "D'Egitto là sui lidi..." (In schweren Leidenstagen / Sandte er Moses als Retter. / Siegreich die Feinde schlagen / Half er Gideons kleiner Schar. / Niemals wird Leid euch geschehen, / Baut ihr auf den Herrn in Not und Gefahr. / ... Glückliche Friedenstage / Werden wir wiedersehen), den der Chor unisono aufnimmt; und vor allem im Gesang des Gefangenenchors am Ende des dritten Acts. So wie es hier um die Befreiung der Hebräer vom Joch des Nebukadnezar und die Vertreibung des Verräters (Ismael) geht, der den "Lügengott" Baal verehrt, so hatte sich zu Verdis Lebzeiten Griechenland vom Joch der ismaelitischen Osmanen bzw. Türken und ihrem "Lügengott" Allah befreit. Was Zacharias am Ende des ersten Acts zu Ismael sagt, könnte man heute den Muslimen sagen: "Dalle genti sii reietto, / Dei fratelli traditore! / Il zuo nome maledetto / Fia l'obbrobio d'ogni età! / 'Oh, fuggite il maledetto', / Terra e cielo griderà." (Ja, ganz Israel wird schmähen dich, Verräter an den Brüdern. Mit Verachtung soll dich sehen wer zum wahren Glauben sich bekennt! Gram und Schrecken wird entstehen, wo man deinen Namen nennt!) Im Gegensatz zu den heutigen Muslimen, die weiterhin an ihrem "Lügengott" festhalten, erkennen Nebukadnezar und Ismael - zumindest in der Oper - dass sie bisher einen "Lügengott" oder "Unheilsgötzen" angebetet hatten; nun bekennen sie sich zum Gott der Hebräer, der eigentlich Christus ist. Dazu Zacharias: "Ein mächtiger Herrscher wirst du durch den Segen Gottes sein!" [74] 

"Nahm bei der Hand ihn und gab ihm Bericht
Von mancherlei des Schweigens würd'gen Dingen;
Dann sprach er: »Sohn, du weißt vielleicht noch nicht,
Was für Gericht' im Abendland ergingen.
Vernimm denn, euer Roland, der die Pflicht
Verabsäumt hat, für's heil'ge Kreuz zu ringen,
Wird drob von Gott gestraft; denn Gott vergibt
Am schwersten dem, den er am meisten liebt.

»Roland, dem Gott die höchste Tapferkeit
Und höchste Stärke zum Geschenke machte,
Den er vor allen Menschen so gefeit,
dass ihm kein Eisen jemals Schaden brachte,
Weil er zum Schützer seiner Christenheit
Auf solche Art ihn zu bestellen dachte,
Wie er den Simson gegen Philistäer
Zum Schützer hat bestellt für die Hebräer,

»Roland, dem solche Gnade ward gespendet,
Vergalt es seinem Herrn mit schlechtem Lohn.
Er hat vom gläub'gen Volk sich abgewendet
Da Christi Feind' am ärgsten es bedrohn.
Fluchwürd'ge Liebe hat ihn so verblendet,
Zu einer Heidin, dass er zweimal schon
Und öfter nah daran war, des getreuen
Leiblichen Vetters Leben zu bedräuen.

»Darum hat Gott mit Wahnsinn ihn geschlagen
Und hat verdunkelt seines Geistes Licht,
dass nackt er seine Scham zur Schau getragen
Und keinen kennt, zumal sich selber nicht.
So traf ja auch in den vergangnen Tagen
Nebukadnezar Gottes Strafgericht,
Der sieben Jahre lang von sich nicht wußte
Und Heu und Gras, gleich Ochsen, fressen musste.

»Weil aber Rolands Schuld geringer ist
Als die, womit Nabucco sich beladen,
So setzte Gott der Strafe kürzre Frist,
Und nach drei Monden will er ihn begnaden.
Zu keinem andren Zweck hat Jesus Christ
Dich hergeführt zu uns auf weiten Pfaden,
Als dass du hören sollst durch unsren Mund,
Wie Roland wieder klug wird und gesund.

»Du musst nun freilich eine neue Reise
Mit mir antreten, fern von dieser Welt.
Entführen muss ich dich zum Mondeskreise,
Der von Planeten uns zunächst sich hält.
Denn dort ist die Arznei, durch die er weise
Wie früher werden wird und hergestellt.
Sobald der Mond uns wird zu Häupten stehen,
Soll heute Nacht die Fahrt von statten gehen.«  Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 34


Astolf und St. Johannes kommen zum Strom Lethe und zu den Schwänen, welche würdige Namen diesem Flusse entziehen. Astolf will von St. Johannes wissen, was der Strom bedeutet. St. Johannes klärt darüber auf und in welcher Beziehung große Geister und kleines Hofgesindel ("wie Säu' und Esel"), heute würde man sagen Politiker, die sich nur vom Geld leiten lassen ("Schalksnarren, Ohrenbläser, kurz und gut / Die Leute, die an Höfen vorwärts kommen, / Mehr als die Tugendhaften und die Frommen"), z.B. Gesundheitsminister und gekaufte Wissenschaftler, die nur das sagen, was der Pharma- bzw. Biotechindustrie gefällt: "Wer ist der Greis? weshalb streut er ins Bette / Des Stroms die schönen Namen nutzlos hin? / Was sind die Schwäne? und die heil'ge Stätte? / Wer ist des Tempels schöne Hüterin? / Von diesen Rätseln und Mysterien hätte / Astolf gar gerne den verborgnen Sinn, / Und also bat er um des heil'gen Mannes / Belehrung, und zur Antwort gab Johannes: / »Wisse, dass sich kein Blatt dort unten regt, / Davon nicht hier Merkmale sichtbar werden. / Zusammenstimmt, nur andre Formen trägt, / Alles Geschehn im Himmel und auf Erden. / Der Alte, dem der Bart den Busen fegt, / Den man nicht einholt mit den schnellsten Pferden, / Ist hier zu gleichem Werk und Dienst bestellt, / Den dort die Zeit versieht in eurer Welt. / ... Schalksnarren, Ohrenbläser, kurz und gut / Die Leute, die an Höfen vorwärts kommen, / Mehr als die Tugendhaften und die Frommen, / »Und die man als des Hoftons Muster preist, / Weil sie wie Säu' und Esel sich betragen, – / Sobald den Faden ihres Herrn zerreißt / Die Parce, (Venus, Bacchus sollt' ich sagen,) / Dann führt dies Hofgezücht, das träg und feist / Nur lebt, um sich den Wanst recht vollzuschlagen, / Den Namen ein Paar Tage noch im Munde, / Läßt dann ihn fallen, und er sinkt zu Grunde." [75] 

Weiter erzählt er, dass die guten Künste von den Fürsten bzw. den Politikern nicht geachtet werden, weil sie zu geizig sind und das Geld der Steuerzahler lieber für unsinnige Maßnahmen ausgeben, statt die Künste und Besitzer von Denkmalgeschützen Häusern zu fördern: »Wie Schwäne so sind auch die Dichter selten, / Die mein' ich, die mit Recht man Dichter heißt; / Teils weil der Himmel solcher Hochgestellten / Nie allzuviel dem Erdball überweist, / Teils weil die Fürsten geizig sind zu schelten, / Die betteln lassen den erlauchten Geist, / Die Tugend drücken, ihre Huld den schlechten / Zuwenden und die guten Künste ächten. [76] 

"Heilig ist der Unsterblichkeit der Ort,
Und eine Nymphe tritt in solcher Stunde
An der letheïschen Gewässer Bord
Und nimmt die Namen aus dem Schwanenmunde
Und reiht sie um das Bildniß, welches dort
Auf einer Säule ragt, weitab vom Grunde,
Und weihet sie und schirmt sie alle Zeit,
dass man sie schauen kann in Ewigkeit.

Wer ist der Greis? weshalb streut er ins Bette
Des Stroms die schönen Namen nutzlos hin?
Was sind die Schwäne? und die heil'ge Stätte?
Wer ist des Tempels schöne Hüterin?
Von diesen Rätseln und Mysterien hätte
Astolf gar gerne den verborgnen Sinn,
Und also bat er um des heil'gen Mannes
Belehrung, und zur Antwort gab Johannes:

»Wisse, dass sich kein Blatt dort unten regt,
Davon nicht hier Merkmale sichtbar werden.
Zusammenstimmt, nur andre Formen trägt,
Alles Geschehn im Himmel und auf Erden.
Der Alte, dem der Bart den Busen fegt,
Den man nicht einholt mit den schnellsten Pferden,
Ist hier zu gleichem Werk und Dienst bestellt,
Den dort die Zeit versieht in eurer Welt.

»Wann hier die Fäden an ihr Ziel gelangen,
Dann endet stets ein Menschenleben dort.
Dort bleibt der Ruf, hier bleibt das Schildlein hangen
Und beide dauerten unsterblich fort,
Beginge hier nicht der mit zott'gen Wangen
Und dort die Zeit an ihnen täglich Mord.
Der Alte wirft sie in den Strom, die Zeit
Taucht sie in ewige Vergessenheit.

»Und ganz wie hier die Geier und die Raben,
Die Krähen und die andre Vogelbrut
Die Namen, die das schönste Aussehn haben,
Entreißen möchten jener trüben Flut,
So dort Schmarotzer, Kuppler, feile Knaben,
Schalksnarren, Ohrenbläser, kurz und gut
Die Leute, die an Höfen vorwärts kommen,
Mehr als die Tugendhaften und die Frommen,

»Und die man als des Hoftons Muster preist,
Weil sie wie Säu' und Esel sich betragen, –
Sobald den Faden ihres Herrn zerreißt
Die Parce, (Venus, Bacchus sollt' ich sagen,)
Dann führt dies Hofgezücht, das träg und feist
Nur lebt, um sich den Wanst recht vollzuschlagen,
Den Namen ein Paar Tage noch im Munde,
Läßt dann ihn fallen, und er sinkt zu Grunde.

»Wie aber jene Schwäne das Geschmeid
Hell singend trugen und zum Tempel kamen,
So schirmt der Dichter vor Vergessenheit,
Die schlimmer ist als Tod, den würd'gen Namen.
O weise Fürsten, die zu rechter Zeit
Ihr euch befleißt dem Cäsar nachzuahmen
Und die Autoren euch zu Freunden macht!
Zu fürchten habt ihr nichts von Lethe's Nacht.

»Wie Schwäne so sind auch die Dichter selten,
Die mein' ich, die mit Recht man Dichter heißt;
Teils weil der Himmel solcher Hochgestellten
Nie allzuviel dem Erdball überweist,
Teils weil die Fürsten geizig sind zu schelten,
Die betteln lassen den erlauchten Geist,
Die Tugend drücken, ihre Huld den schlechten
Zuwenden und die guten Künste ächten.

»Glaub' mir, dass Gott die Toren der Vernunft
Beraubt und ihre Augen hat geblendet
Und wider Poesie sie abgestumpft,
Damit im Tod' ihr ganzes Dasein endet.
Denn böten sie den Musen Unterkunft,
Sie würden, welches Laster sie auch schändet,
Lebendig auferstehn aus ihrer Gruft,
Wohlriechender als Nard' und Myrrhenduft. (...)

»So – um zu schließen, wo ich erst begann, –
Sind Poesie und Kunst auf Erden teuer;
Denn wo es Weid' und Schutz nicht finden kann,
Da ist es selbst dem Wilde nicht geheuer.«
So sprach er, und dem benedeiten Mann
Flammten die Augen wie zwei helle Feuer;
Ein weises Lächeln aber machte schnell
Sein zornig Antlitz wieder sonnenhell." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 35

8. Die mutige und emanzipierte Jungfrau Bradamante, stärker als Rinaldo und Orlando, besiegt die Mohren im Zweikampf; "Sie ganz allein besiegt das Mohrenheer, / Allein wird sie den Ruhm des Tags erwerben."

Wie oben erwähnt, hatte man dem weiblichen Geschlecht früher mehr zugetraut. Nicht nur lange Reisen haben Jungfrauen unternommen, auch konnten sie sich erfolgreich gegen Mauren (heute würde man sagen gegen islamische Clankriminalität) erwehren. Bradamante lässt sich von Flordelis zur Brücke Rodomonts führen. Wie die Jungfrau das Großmaul besiegt erfährt man hier: »Kein Mann ist stärker und an Gliedern derber / Als ich, und mir erliegen schändet nicht.« / Sie lächelte: nie war ein Lächeln herber, / Aus dem mehr Zorn als alles andre spricht. / Kein Wort gab sie zurück dem stolzen Werber, / Zur Brücke kehrte sie das Angesicht, / Und mit dem goldnen Speer, die scharfen Sporen / Eindrückend, flog sie auf den trotz'gen Mohren. / Auch Rodomont ist schon bereit zum Ritte. / Er braust daher; von dem Getöse schallt, / Die Brücke, dass der Donner eherner Schritte / Im Ohre ferner Menschen widerhallt. / Der goldne Speer bleibt treu der alten Sitte: / Der Heide, der für unbesiegbar galt, / Fährt aus dem Sattel, muss die Luft durchfliegen, / Kopfüber gehn und auf der Brücke liegen." Ein anderer aufgeblasener Muslim-Bandit erleidet ein ähnliches Schicksal; man solle ihr nicht solche Weichlinge zum Kampfe schicken: "Die Jungfrau sprach: »Dein bäurisch Prahlen, Mohr, / Treibt mir die Höflichkeit nicht aus dem Herzen, / Und höflich rat' ich, kehre heim, bevor / Am harten Erdreich dir die Knochen schmerzen. / Geh, sage deinem Herrn, dass ich ans Tor / Nicht kam, mit Leuten deiner Art zu scherzen. / Ich kam hieher und habe Kampf begehrt / Mit einem Krieger, der der Mühe wert.« / Ihr beißend Wort, mit solchem Spott getränkt, / Fährt zündend ihm ins Herz, und seinem Witze / Will keine Antwort glücken. Hurtig schwenkt / Er seinen Gaul, gespornt von Zorneshitze. / Sie schwenkt zugleich und auf den Prahler lenkt / Sie Rabican und goldne Lanzenspitze. / Kaum rührt sie an den Schild, so fliegt der Mohr / Und streckt zum Himmel beide Füß' empor. / Die edelmüt'ge Heldin fing den Renner / Ihm wieder ein und sprach: »Ich sagt' es dir. / Bestellungen ausrichten ist für Männer / Von deinem Schlage besser als Turnier. / Jetzt, bitte, sag' dem König, dass er Kenner / Des Kriegs mir sende, ebenbürtig mir, / Anstatt mich mit euch andren zu behell'gen, / So unbewanderten und unanstell'gen.« [77] 
»Kein Mann ist stärker und an Gliedern derber
Als ich, und mir erliegen schändet nicht.«
Sie lächelte: nie war ein Lächeln herber,
Aus dem mehr Zorn als alles andre spricht.
Kein Wort gab sie zurück dem stolzen Werber,
Zur Brücke kehrte sie das Angesicht,
Und mit dem goldnen Speer, die scharfen Sporen
Eindrückend, flog sie auf den trotz'gen Mohren.

Auch Rodomont ist schon bereit zum Ritte.
Er braust daher; von dem Getöse schallt,
Die Brücke, dass der Donner eherner Schritte
Im Ohre ferner Menschen widerhallt.
Der goldne Speer bleibt treu der alten Sitte:
Der Heide, der für unbesiegbar galt,
Fährt aus dem Sattel, muss die Luft durchfliegen,
Kopfüber gehn und auf der Brücke liegen.(...)

Die Jungfrau sprach: »Dein bäurisch Prahlen, Mohr,
Treibt mir die Höflichkeit nicht aus dem Herzen,
Und höflich rat' ich, kehre heim, bevor
Am harten Erdreich dir die Knochen schmerzen.
Geh, sage deinem Herrn, dass ich ans Tor
Nicht kam, mit Leuten deiner Art zu scherzen.
Ich kam hieher und habe Kampf begehrt
Mit einem Krieger, der der Mühe wert.«

Ihr beißend Wort, mit solchem Spott getränkt,
Fährt zündend ihm ins Herz, und seinem Witze
Will keine Antwort glücken. Hurtig schwenkt
Er seinen Gaul, gespornt von Zorneshitze.
Sie schwenkt zugleich und auf den Prahler lenkt
Sie Rabican und goldne Lanzenspitze.
Kaum rührt sie an den Schild, so fliegt der Mohr
Und streckt zum Himmel beide Füß' empor. 

Die edelmüt'ge Heldin fing den Renner
Ihm wieder ein und sprach: »Ich sagt' es dir.
Bestellungen ausrichten ist für Männer
Von deinem Schlage besser als Turnier.
Jetzt, bitte, sag' dem König, dass er Kenner
Des Kriegs mir sende, ebenbürtig mir,
Anstatt mich mit euch andren zu behell'gen,
So unbewanderten und unanstell'gen.«

Verwundert fragen sich die Saracenen:
Wer ist's, der sich so fest im Sattel hält?
Man zählt berühmte Namen auf, bei denen
Ein Frösteln selbst im Sommer sie befällt.
Dass Brandimart es sei, scheint diesen, jenen
Scheint es Rinald zu sein, der tapfre Held,
Und viele würden gar auf Roland wetten,
Wenn sie sein Unglück nicht erfahren hätten.

Den dritten Gang erbat Lanfusa's Sohn.
»Nicht (sprach er) hoff' ich, dass der Sieg mir werde;
Jedoch entschuldigen wird man Grandon
Und Serpentin, fall' ich nun auch zur Erde.«
Was man zum Rennen braucht, das hatt' er schon
In fert'ger Ordnung, und der hundert Pferde
In seinem Stalle bestes wählt' er aus,
Das flink und tüchtig war zu solchem Strauß. 

So kam er gegen sie, doch vor dem Ritte
Begrüßt' er sie, und sie tat ihm Bescheid.
Das Fräulein sprach: »Wenn es die gute Sitte
Erlaubt, so möcht' ich fragen, wer ihr seid.«
Sehr gern erfüllte Ferragu die Bitte,
Denn sich zu nennen war er stets bereit.
Sie dann fuhr fort: »Ihr seid nicht unwillkommen,
Doch säh' ich lieber einen andren kommen.«

»Und wen denn?« fragt' er. Darauf Bradamante:
»Roger.« Und mühsam brachte sie es vor,
Und als sie diesen Namen sprach, da brannte
Das schönste Antlitz wie ein Rosenflor.
Dann sprach sie weiter: »Dessen weltbekannte
Triumphe führten mich an euer Tor;
Denn all mein Trachten ist, all mein Begehren,
Zu sehn, wie er im Kampf sich mag bewähren.«

Die Worte sprach sie, ohne zu verstehen
Welch argen Sinn die Bosheit ihnen leiht.
Der Mohr versetzte: »Lasset erst uns sehen,
Wer von uns beiden besser ist im Streit.
Sollt' es auch mir wie vielen schon ergehen,.
Dann komm' und heile meine Traurigkeit
Der edle Ritter, gegen den zu rennen
Du solchen heißen Wunsch giebst zu erkennen.«

Indes sie redeten, schob Bradamante
Vom Antlitz in die Höhe das Visier,
Und als der Mohr die schönen Züg' erkannte,
Da fühlt' er schon sich halb besiegt von ihr,
Und leise sprach er: »Einen Engel sandte
Das Paradies herab, und der steht hier,
Und eh ich noch vom Speer getroffen werde,
Strecken die schönen Augen mich zur Erde.«

Sie nahmen Feld, und wie es erst ergangen,
So flog auch Ferragu vom Sattel fort.
Die Jungfrau hatte bald sein Pferd gefangen
Und sprach: »Nun reit nach Haus und halt dein Wort.«
Zur Stadt ritt Ferragu mit roten Wangen
Und suchte Roger auf und fand ihn dort
Beim Agramant und säumte nicht dem Helden
Des fremden Ritters Forderung zu melden.

Wer jener ist, der ihn zum Kampf entbeut,
Davon hat Roger noch kein Wort vernommen;
Drum ist er siegesfroh und hocherfreut
Und läßt sich Eisenring' und Panzer kommen.
Auch dass er jene drei so jählings heut
Entsattelt sah, es macht ihn nicht beklommen.
Wie er zum Kampfe ritt und was darauf
Erfolgte, spar' für nächstes Mal ich auf." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 35

Noch ein weiterer Muslim wird von ihr besiegt: "So flog auch Ferragu vom Sattel fort." Er solle ihr endlich Roger bringen, weshalb sie überhaupt gekommen sei. Ihr Mut und ihre Ritterlichkeit hat mit der aktuellen barbarischen Kriegführung wie sie zur Zeit von der tartarisch-russischen Armee in der Ukraine praktiziert wird, nichts mehr zu tun. Weiter geht es nach Arles, wo sie Roger zum Zweikampf auffordert, denn auf muslimische Schürzenjäger waren die christlichen Frauen nicht gut zu sprechen.  Der Muslim Ferragu, der schon gegen sie verloren hatte, warnt Roger: »Glaubet mir, / 's ist keiner von den Rittern, die man nannte. / Mir schien's, als er emporschlug das Visier, / dass ich den Bruder des Rinald erkannte; / Indes nach solchen Proben im Turnier / (Weil so der junge Richard niemals rannte) / Glaub' ich vielmehr, dass es die Schwester sei; / Denn ähnlich, sagt man, sehen sich die zwei. / »Sie ist (so sagen alle, die sie kennen,) / Stark wie Rinald, wie jeder Paladin; / Ich sage, dass sie heute bei dem Rennen / Mir stärker als Rinald und Roland schien.« [77] 

Bradamante wird hier anticipando Rogers Gattin genannt, wie auch sonst bei Ariost die Verlobten als Eheleute bezeichnet werden, nach der alten Rechtsanschauung, welche dem Acte der Verlobung die ehebegründende Kraft beilegt. In Bradamantes Augen ist Roger aber noch ein Schürzenjäger: "So sprengt sie auf ihn los, doch in der Nähe / Ruft sie: »Jetzt wahr' dich, Roger, falscher Mann! / Du sollst nicht Mädchenherzen als Trophäe / Von hinnen führen, wenn ich's hindern kann.« / Roger vernimmt's und ahnt, die so ihn schmähe, / Sei jene, die er sich als Braut gewann. / Es war die Stimme seiner Bradamante, / Die unter tausenden sein Ohr erkannte." [78] 

Roger ist ersteinmal abgemeldet, sie allein entscheidet die Schlacht und will dabei nicht von Schürzenjägern gestört werden: "In kurzer Frist jagt dieser goldne Speer / Dreihundert oder mehr noch ins Verderben. / Sie ganz allein besiegt das Mohrenheer, / Allein wird sie den Ruhm des Tags erwerben. / Durch das Gefild irrt Roger hin und her, / Bis er sie trifft und spricht: »Ich werde sterben, / Wenn du nicht hörst; was hab' ich dir getan, / Dass du mich fliehst? beim Himmel, hör' mich an.«... / »Beim Kämpfen andre Leute unterbrechen, / Ist bäurisch, Roger, und unritterlich. / Mein Arm soll aber bald den Frevel rächen, / Denn er ist stark genug für sie und dich.« / Roger versucht zur Ruhe sie zu sprechen / Mit sanften Worten, doch wie irrt er sich! / An die ergrimmte noch ein Wort zu wenden, / Das, sieht er, hieße nur die Zeit verschwenden." [79] 

»Sie ist (so sagen alle, die sie kennen,)
Stark wie Rinald, wie jeder Paladin;
Ich sage, dass sie heute bei dem Rennen
Mir stärker als Rinald und Roland schien.«
Kaum hörte Roger die Geliebte nennen,
Da, wie der Morgenschimmer mit Karmin
Die Luft bestrahlt, erglühten ihm die Wangen.
Sein Herz erschrak: was ist nun anzufangen. (...)

So sprengt sie auf ihn los, doch in der Nähe
Ruft sie: »Jetzt wahr' dich, Roger, falscher Mann!
Du sollst nicht Mädchenherzen als Trophäe
Von hinnen führen, wenn ich's hindern kann.«
Roger vernimmt's und ahnt, die so ihn schmähe,
Sei jene, die er sich als Braut gewann.
Es war die Stimme seiner Bradamante,
Die unter tausenden sein Ohr erkannte.

Wohl merkt er, dass dies mehr bedeuten solle,
Als was sie sag'; er werde angeklagt.
Er merkt, dass sie dem pflichtvergessnen grolle,
Und hätte gern ein Wort für sich gesagt.
Er winkt ihr also, dass er sprechen wolle.
Schon aber mit geschlossnem Helme jagt
Sie auf ihn los, die ganz von Wut entbrannt ist,
Ihn hinzuschleudern, wo vielleicht kein Sand ist. (...)

In kurzer Frist jagt dieser goldne Speer
Dreihundert oder mehr noch ins Verderben.
Sie ganz allein besiegt das Mohrenheer,
Allein wird sie den Ruhm des Tags erwerben.
Durch das Gefild irrt Roger hin und her,
Bis er sie trifft und spricht: »Ich werde sterben,
Wenn du nicht hörst; was hab' ich dir getan,
Dass du mich fliehst? beim Himmel, hör' mich an.« (...)

»Beim Kämpfen andre Leute unterbrechen,
Ist bäurisch, Roger, und unritterlich.
Mein Arm soll aber bald den Frevel rächen,
Denn er ist stark genug für sie und dich.«
Roger versucht zur Ruhe sie zu sprechen
Mit sanften Worten, doch wie irrt er sich!
An die ergrimmte noch ein Wort zu wenden,
Das, sieht er, hieße nur die Zeit verschwenden." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 36

 

9. "Beim Christengott – denn ihn will ich bekennen; / Und ehren, wie mein Vater ihn geehrt" Die Jungfrau Marfisa, die vorher für das maurische Lager gekämpft hatte, will sich taufen lassen und für das christliche Lager kämpfen; wenn Männer die Bedeutung der Frauen in Kunst und Politik kleinreden; Marfisa's Taufe;  "heim gen Osten kehren, / Und taufen wolle sie ihr ganzes Land" damit endlich Schluss ist mit dem Schwören "auf jenes Buch des Heidenpfaffen"

Mongrana und Claramont heißen nach den fabelhaften Genealogien der Ritterromane die beiden vornehmsten Häuser, welche ihren Ursprung auf Astyanax, Hectors Sohn, zurückführen.  Jenes, zu welchem Roger gehört, von König Chlodwig, dieses vom Kaiser Constans abstammend. Darüber klärt Roger Marfise auf: "Wie Roger sprach, stand mit verklärten Wangen / Marfisa da und horchte voll Begier. / dass sie aus solchem Quell hervorgegangen, / Quell so berühmter Ströme, schmeichelt' ihr; / Sie wusste ja, dass ihm zwei Ström' entsprangen, / Dort der von Claramont, Mongrana hier, / Die in der Welt seit vielen, vielen Jahren / So reich an Heldenglanz wie keiner waren. Sie hört die Geschichte und wie sie und Roger von Muslim-Banden behandelt wurden und will sich beim Muslim-Clan rächen und zum christlichen Glauben konvertieren; Sie schämt sich für die falsche Partei gekämpft zu haben, nämlich für die Mauren gegen die Christen und dem Maurenkönig gedient zu haben: "Kaum aber hatt' ihr Bruder die genannt, / Die hinterlistig Roger niederstießen, / Großvater, Vater, Ohm des Agramant, / Und die sein Weib in Elend sterben ließen, / Da hielt sie nicht mehr an sich; zornentbrannt / Rief sie: »Mein Bruder, mag's dich nicht verdrießen, / Du hast versäumt, was deine Pflicht gebot, / dass du nicht rächtest unsres Vaters Tod. / »Trojan zwar und Almonte lebten nicht / So lang', um dir Genugthuung zu geben, / Doch war die Rach' an ihren Kindern Pflicht. / Da Roger lebt, kann Agramant noch leben? / Nie wirst du diesen Makel vom Gesicht / Abwaschen, dass du solche Schuld vergeben / Und nicht nur nicht den König umgebracht hast, / Nein, auch um Sold dich dienstbar ihm gemacht hast. / »Beim Christengott – denn ihn will ich bekennen / Und ehren, wie mein Vater ihn geehrt, – / Ich will mich nicht von meiner Rüstung trennen, / Bis ich den Mord gesühnt mit meinem Schwert. / Mir brennt das Herz und ewig wird es brennen, / Wenn Roger jetzt zurück zum Heere kehrt / Des Königs oder eines andren Mohren, / Es sei denn, um die Frevler zu durchbohren.« Wie früher die Maurenkönige so rufen heute islamische Fußballer und Bürgermeister: "Anrufend dann den großen Mahomed / Schwört er auf jenes Buch des Heidenpfaffen". Heute kommen die christlichen bzw. atheistischen Politiker in die Moscheen, an "gemeinnützige" islamische Akademien und lassen sich den Koran, "jenes Buch des Heidenpfaffen" erklären und zeigen wie die Mohammedaner "zu dem bösen Lügnergott flehen" (Tasso). Sie meinen es sei der Gleiche wie der christliche Gott, was nicht nur einige Islamwissenschaftler sondern nach dem II vatikanischen Konzil sogar die Päpste Johannes Paul II und Franziskus behaupten! [80] 
"Kaum aber hatt' ihr Bruder die genannt,
Die hinterlistig Roger niederstießen,
Großvater, Vater, Ohm des Agramant,
Und die sein Weib in Elend sterben ließen,
Da hielt sie nicht mehr an sich; zornentbrannt
Rief sie: »Mein Bruder, mag's dich nicht verdrießen,
Du hast versäumt, was deine Pflicht gebot,
dass du nicht rächtest unsres Vaters Tod.

»Trojan zwar und Almonte lebten nicht
So lang', um dir Genugthuung zu geben,
Doch war die Rach' an ihren Kindern Pflicht.
Da Roger lebt, kann Agramant noch leben?
Nie wirst du diesen Makel vom Gesicht
Abwaschen, dass du solche Schuld vergeben
Und nicht nur nicht den König umgebracht hast,
Nein, auch um Sold dich dienstbar ihm gemacht hast.

»Beim Christengott – denn ihn will ich bekennen
Und ehren, wie mein Vater ihn geehrt, –
Ich will mich nicht von meiner Rüstung trennen,
Bis ich den Mord gesühnt mit meinem Schwert.
Mir brennt das Herz und ewig wird es brennen,
Wenn Roger jetzt zurück zum Heere kehrt
Des Königs oder eines andren Mohren,
Es sei denn, um die Frevler zu durchbohren.«

O wie bei diesen Worten vor Vergnügen
Ihr schönes Antlitz Bradamant' erhob!
Sie sprach ihm zu, den Pflichten zu genügen,
Die ihm Marfisa ins Gewissen schob;
Gleich soll' er sich zu Kaiser Karl verfügen,
Der heute noch mit Ehr' und hohem Lob
Den Namen Rogers, seines Vaters, nenne
Als eines Kriegers, wie er wen'ge kenne."  Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 36


Berühmte Kriegerinnen des Alterthums werden aufgezählt, Harpalyce, die thracische Königstochter, welche ihr Reich gegen den Sohn Achills Neoptolemus verteidigte; Tomiris, die Königin der Massageten, deren Sieg über Cyrus Herodot erzählt; die von Virgil besungene Camilla, des Königs Turnus Bundesgenossin; die Amazone Penthesilea, die den Trojanern beistand; ferner die Königinnen Dido, Zenobia und Semiramis: "Und treue Frauen, keusche, starke, weise, / 
Gab es nicht bloß in Rom und Griechenland". Darauf waren die Männer neidisch: "Nicht nur dass viele Männer sich verbünden / Und sich einander loben vor der Welt, / Sie forschen auch begierig und verkünden, / Was etwa bei den Frau'n sich schlecht verhält. / Sie möchten nicht, dass Frauen höher stünden / Und rennen jede nieder, bis sie fällt, – / Die Alten mein' ich, – als ob ihre Kränze / Verwelkten, wenn das Lob der Frauen glänze." [81] 

Ariost nennt Dichter seines Zeitalters, welche den Frauen gehuldigt haben. Michael Marullo, ein Grieche von Geburt, s. Z. ein gepriesener Hymnensänger und Epigrammendichter; Johannes Pontano; zwei Mitglieder der bekannten Florentiner Familie Strozzi, von denen besonders der jüngere sich durch lateinische und italienische Verse und als Kenner der griechischen Sprache hervortat; der berühmte Cardinal Pietro Bembo, Ariosts getreuer Freund; Bernardino Capella aus Rom, Verfasser lateinischer Gedichte; Luigi Alamanni aus Florenz; endlich die beiden Herren aus Mantua, Franz Gonzaga, der Schwager des Herzogs Alfons, und Luigi Gonza zubenannt Rodomonte, zweiter Graf von Sabbioneta. Der hier erwähnte »Bildner der Höflinge« ist der s. Z. weltberühmte Balthasar Castiglione, dessen Buch il Cortigiano (der Höfling) lange Zeit in Europa als Autorität in allen Fragen der Eleganz und feinen Sitte gegolten hat. [82] 

Nun soll aber weiter "Von Rogers und von Bradamante's Liebe" gesprochen werden. Von den Taten Marfisa's und Bradamante's will Ariost singen, weil sie noch unbekannt sind: "Ich rede von Marfis' und Bradamante, / Deren Triumph' und hohe Sieg' ans Licht / Zu ziehn ich redlich allen Fleiß verwandte, / Und dennoch kenn' ich neun von zehnen nicht. / Sehr gern erzähl' ich alles mir bekannte, / Teils weil man schöne Taten ins Gesicht / Der Menschen rücken soll, teils um die Frauen, / Die ich verehr' und liebe, zu erbauen." [83] 

Wenn so, wie beim Erwerben andrer Gaben,
Die uns Natur nicht mühelos verleiht,
Die Frau'n sich Tag und Nacht befleißigt haben
Mit höchstem Fleiß und langer Emsigkeit
Und Werk' erschaffen, die das Aug' erlaben, –
Wenn, sag' ich, so die Frauen ihre Zeit
Den Künsten widmeten, durch die auf Erden
Sterbliche Tugenden unsterblich werden,

Und selbst im Stande wären zu erzählen,
Was groß an ihnen ist und rühmenswert
Und nicht bloß betteln gingen bei den scheelen
Autoren, die, von blassem Neid verzehrt,
Das gute, das man sagen kann, verhehlen,
Indeß das schlechte jedermann erfährt, –
Dann würd' ihr Lob vielleicht zu Höhen fliegen,
Die männliche Berühmtheit nie erstiegen.

Nicht nur dass viele Männer sich verbünden
Und sich einander loben vor der Welt,
Sie forschen auch begierig und verkünden,
Was etwa bei den Frau'n sich schlecht verhält.
Sie möchten nicht, dass Frauen höher stünden
Und rennen jede nieder, bis sie fällt, –
Die Alten mein' ich, – als ob ihre Kränze
Verwelkten, wenn das Lob der Frauen glänze.

Nie aber kann und konnte Zung' und Hand,
Nie kann und konnte Reden oder Schreiben
(Sei's durch Verkleinern, wo sich gutes fand,
Sei's durch die Kunst, was schlecht zu übertreiben)
Bewirken, dass der Frauen Ruhm verschwand.
Ein Teil davon wird stets erhalten bleiben.
Jedoch dass er das rechte Maß erreicht,
Ihm auch nur nahe kömmt, sieht man nicht leicht.

Nicht Harpalyce, nicht Tomiris nur,
Nicht Hectors und des Turnus Helferinnen,
Nicht jene, die zur See nach Libyen fuhr,
Ein neues Reich für Sidon zu gewinnen,
Nicht nur Zenobia noch, auf Babels Flur,
Die mächtigste von Asiens Königinnen,
Nicht diese nur sind wegen ihrer Siege
Wert, dass ihr Waffenruhm die Welt durchfliege.

Und treue Frauen, keusche, starke, weise,
Gab es nicht bloß in Rom und Griechenland;
Dergleichen hat die Sonn' auf ihrer Reise
Vom Indus nach Hesperien stets gekannt.
Sie sind nur todt mit ihrem Ruhm und Preise;
Ein Name kaum von tausend wird genannt,
Und das, weil die Autoren ihrer Zeit
Verlogen waren und regiert vom Neid.

Trotzdem, o Frauen, die ihr Tugend liebt,
Geht euren Weg und laßt nicht das gerechte
Und hohe Werk im Stich, das ihr betriebt,
Aus Furcht, dass es euch keine Ehren brächte.
Denn wie es keine gute Sache giebt,
Die immer dauert, so auch keine schlechte.
War Dint' und Schreibpapier für euch nicht da
In frührer Zeit, heut ist es anders ja.

Schon geht für euch Marull, schon geht Pontan,
Zwei Strozzi, Sohn und Vater, gehn ins Feuer,
Und er, der, so wie wir ihn selber sahn,
Die Höflinge gebildet hat, ist euer.
Auch Bembo und Capell und Alaman
Und jene zwei, Mars wie den Musen theuer,
Beid' aus dem Fürstenhause, dessen Land
Der Menzo spaltet und der See umspannt; (...)

Wenn ich von dieser alles, was ich weiß,
Und alles, was ich möchte, niederschriebe,
Das würde lang, und doch bei allem Fleiß
Besorg' ich, dass noch vieles übrig bliebe;
Auch gäb' ich dann ja die Geschichte preis
Von Rogers und von Bradamante's Liebe,
Die fortzusetzen ich gleichwohl versprach,
Als ich das letzte Mal sie unterbrach.

Jetzt, da ihr mich zu hören Willens seid,
Und ich hier bin, um euch mein Wort zu halten,
Spar' ich es auf für eine frei're Zeit,
Die Kunst an ihrem Lobe zu entfalten.
Zwar braucht sie's nicht, dass man ihr Verse weiht,
Denn sie versteht es selbst der Kunst zu walten;
Doch werd' ich's tun, weil ihren hohen Wert
Zu loben immerdar mein Herz begehrt.

Drum schließ' ich kurz, dass unter euch, o Damen,
Gar manche ruhmeswert gewesen ist,
Nur dass wir nichts von solchem Ruhm vernahmen
Durch der Autoren Neid und Hinterlist.
Das wird nun anders, weil ihr eure Namen
Durch eigne Werke zu verew'gen wisst.
Wüssten die Schwägerinnen auch dergleichen,
Man wüsste mehr von ihren Heldenstreichen.

Ich rede von Marfis' und Bradamante,
Deren Triumph' und hohe Sieg' ans Licht
Zu ziehn ich redlich allen Fleiß verwandte,
Und dennoch kenn' ich neun von zehnen nicht.
Sehr gern erzähl' ich alles mir bekannte,
Teils weil man schöne Taten ins Gesicht
Der Menschen rücken soll, teils um die Frauen,
Die ich verehr' und liebe, zu erbauen."  Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 37


Bradamante ist auch nach Arles gekommen, Frankreich zu retten vor den Muslim-Banden ("Frankreich zu retten vor den fremden Plagern."). Sie wurde von allen freudig begrüsst: "Kaum hieß es, Bradamante sei gekommen, / So herscht' im Lager Jubel, Freud' und Glück. / Ein jeder neigte sich, hieß sie willkommen, / Und nickend gab sie jeden Gruß zurück. / Sobald Rinald die Kunde hat vernommen, / Geht er entgegen ihr ein gutes Stück; / Die Brüder kommen, Vettern und Vasallen, / Und froh wird sie begrüßt von ihnen allen."  [84] 

Die Jungfrau Marfisa, die vorher für das maurische Lager gekämpft hatte, will sich taufen lassen und für das christliche Lager kämpfen: "Viele Potentaten sah sie im Leben, aber keiner schien, so reich er war, so glänzend seine Taten, ihr solcher Ehre würdig. Aber ihn, den großen Karl, hielt sie für tapfrer, weiser als irgend einen König oder Kaiser." Später wolle sie als Christin in ihre orientalische Heimat zurückkehren und das Christentum dort etablieren: "Und; fuhr sie fort, sie wolle Christum ehren, / Und wenn es Karl erlaub' und Agramant / Zuvor vertilgt sei, heim gen Osten kehren, / Und taufen wolle sie ihr ganzes Land / Und dann mit Waffen jene Welt bekehren, / Wo man Macon verehr' und Trivigant; / Auch solle, was sie noch erkämpf' auf Erden, / Des Kaisers und des wahren Glaubens werden." [85] 

Mit großem Pomp wurde Marfisa's Taufe gefeiert: "Sie machten für die nächste Mittagszeit / (Und Karl wollt' in Person nach allem sehen) / Mit Pomp und Schimmer einen Platz bereit, / Marfisa's Taufe festlich zu begehen. / Die Bischöf' und die hohe Geistlichkeit, / Die sich aufs christliche Gesetz verstehen, / Ließ Karl zusammenrufen, und von diesen / Ward sie im heil'gen Glauben unterwiesen. / Im hohenpriesterlichen Festornate / Kam Erzbischof Turpin und taufte sie. / Karl selbst hob aus dem Bad des Heils die Pate / Mit aller schicklichen Zeremonie." [86] 

"Der Jüngling ritt nach Arles, wo in fester
Verschanzung sein Gebieter Zuflucht fand.
Dagegen Bradamant' und Rogers Schwester,
Die Freundschaft jetzt und Schwägerschaft verband,
Eilten dahin, wo Kaiser Karl in bester
Schlachtordnung mit dem ganzen Heere stand,
Um in der Feldschlacht oder durch Belagern
Frankreich zu retten vor den fremden Plagern.

Kaum hieß es, Bradamante sei gekommen,
So herscht' im Lager Jubel, Freud' und Glück.
Ein jeder neigte sich, hieß sie willkommen,
Und nickend gab sie jeden Gruß zurück.
Sobald Rinald die Kunde hat vernommen,
Geht er entgegen ihr ein gutes Stück;
Die Brüder kommen, Vettern und Vasallen,
Und froh wird sie begrüßt von ihnen allen. 

Als ruchbar ward, das andre Fräulein sei
Marfisa, deren Ruhm die Welt durchtönte,
Die bis an Spaniens Marken von Katai
Siegprangend komme, die triumphgekrönte,
Da strömte vornehm und gering herbei,
Da sprang empor, wer erst der Ruhe fröhnte,
Da stieß und quetscht' und schob sich im Gedränge,
Das schöne Frauenpaar zu sehn, die Menge.

Als sie vor Karl voll Ehrerbietung traten,
Sah man zum ersten Male (schreibt Turpin)
Marfisa knieen. Viele Potentaten
Sah sie im Leben, aber keiner schien,
So reich er war, so glänzend seine taten,
Ihr solcher Ehre würdig. Aber ihn,
Den großen Karl, hielt sie für tapfrer, weiser
Als irgend einen König oder Kaiser.

Und Karl empfing sie hold und väterlich
Und schritt aus seinen Zelten ihr entgegen
Und setzte sie zur Rechten neben sich,
Wo sonst nur Könige zu sitzen pflegen.
Entlassen ward, wer nicht von selbst entwich;
Nur wen'ge blieben, gute nur, zugegen;
Es blieben Paladin' und große Herrn;
Das niedre Volk stand draußen und von fern. 

Marfisa nahm mit sanftem Ton das Wort:
»Erhabner Cäsar, ruhmgekrönter Sieger,
Der vom tirynthischen Sund bis Indiens Bord,
Vom Schnee der Scythen bis zum heißen Niger
Das Kreuz gepflanzt hat, aller Gnaden Hort,
Gerechter, weiser Fürst, der Wahrheit Krieger,
Dein Ruhm, den keine Schrank' umschlossen hält,
Hat mich hieher geführt vom Saum der Welt.

»Die Wahrheit zu gestehn, mich trieb der Neid;
Krieg wollt' ich führen wider deine Heere,
Damit ein Fürst von solcher Herrlichkeit
Nicht andren Glaubens als ich selber wäre.
Ich rötete die Fluren weit und breit
Mit Christenblut und sann auf andre schwere
Drangsal als deine bittre Gegnerin;
Da plötzlich wandt' ein Zufall meinen Sinn.

»Auf welche Art, will ich dir später sagen;
Als ich dir schaden wollte, ward mir klar,
Dass Roger, den des Bruders Tück' erschlagen,
Roger von Risa mein Erzeuger war.
Die Mutter hatt' im Schooße mich getragen
Nach Libyen, wo sie sterbend mich gebar.
Ein Zaubrer hat mich sieben Jahr erhalten;
Dann raubte mich arabisch Volk dem Alten.

»In Persien verkaufte mich die Bande
An einen König, und ich schlug ihn todt
Und seinen Hof, als ich erwuchs; denn Schande
Und Raub der Ehre hatt' er mir gedroht.
Sein arg Geschlecht vertrieb ich aus dem Lande
Und nahm das Reich, und wie das Glück es bot,
Hatt' ich mir sieben Königreich' erstritten,
Als achtzehn Jahr' ich kaum noch überschritten.

»Und wie gesagt, aus Neid vor allen Dingen,
Aus Neid auf deinen Ruhm faßt' ich den Plan,
Von deiner Höhe dich herabzubringen, –
Vielleicht gelang's, vielleicht war es ein Wahn.
Jetzt aber senkt mein Ungestüm die Schwingen,
Und jener Wunsch ist todt und abgethan,
Seit ich nach meiner Ankunft ausgefunden,
Ich sei durch Schwägerschaft mit dir verbunden.

»Wie dir mein Vater treu war und verwandt,
So will auch ich nun treu dir und verwandt sein,
Und jener blinde Neid, den ich empfand,
Soll immerdar aus meiner Brust verbannt sein.
Mein ganzer Hass soll wider Agramant
Und seines Vaters ganzes Haus gewandt sein
Und seines Ohms; denn diese beiden haben
Die umgebracht, die mir das Leben gaben.«

Und; fuhr sie fort, sie wolle Christum ehren,
Und wenn es Karl erlaub' und Agramant
Zuvor vertilgt sei, heim gen Osten kehren,
Und taufen wolle sie ihr ganzes Land
Und dann mit Waffen jene Welt bekehren,
Wo man Macon verehr' und Trivigant;
Auch solle, was sie noch erkämpf' auf Erden,
Des Kaisers und des wahren Glaubens werden.

Karl, der nicht weniger beredt als weise
Und tapfer war und kühn im Waffenstrauß,
Pries die erlauchte Maid mit hohem Preise
Und ihren Vater und ihr ganzes Haus
Und stand ihr freundlich Red' in jeder Weise,
Und wie er's meinte, sprach sein Antlitz aus,
Und schließlich mit dem letzten Worte nannte
Er liebe Tochter sie und Anverwandte.

Und dann erhob er sich, umarmte sie
Und küßte wie ein Vater ihre Wange.
Die von Mongrana kamen jetzt und die
Von Claramont zu fröhlichem Empfange.
Langwierig wär' es zu erzählen, wie
Rinald sie ehrte, der im Waffengange
Sie oft bewundert hatt' in jenen Tagen
Als er und sie vor Schloß Albracca lagen. (...)

Sie machten für die nächste Mittagszeit
(Und Karl wollt' in Person nach allem sehen)
Mit Pomp und Schimmer einen Platz bereit,
Marfisa's Taufe festlich zu begehen.
Die Bischöf' und die hohe Geistlichkeit,
Die sich aufs christliche Gesetz verstehen,
Ließ Karl zusammenrufen, und von diesen
Ward sie im heil'gen Glauben unterwiesen.

Im hohenpriesterlichen Festornate
Kam Erzbischof Turpin und taufte sie.
Karl selbst hob aus dem Bad des Heils die Pate
Mit aller schicklichen Ceremonie. "  Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 38
 
 

10. Rolands Heilung

Der Herzog Astolf hatte ja erfahren, warum Roland wahnsinnig geworden war; er leitete nun auch die Heilung ein: "Der Herzog hatte schon die Flasche da, / Die den Verstand des Grafen trug im Bauche, / Und hält sie an die Nas' ihm nun so nah, / dass Roland nach dem ersten Atemhauche / Sie völlig leert. Und staunt, was nun geschah: / Der Geist war wieder da nach altem Brauche, / Zurück kam der Verstand im schönsten Flor, / Heller und leuchtender als je zuvor. / Wie einer, der aus bangem Schlaf erwacht, / Nachdem er schwer geträumt von Ungeheuern, / Wie die Natur sie nie hervorgebracht, / Oder von schauderhaften Abenteuern, / Sich noch verwundert, wann schon ihre Macht / Und Herrschaft seine wachen Sinn' erneuern, / So, als der Wahn von ihm genommen ward, / Blieb Roland ganz verwundert und erstarrt. / Der schönen Alda Bruder und den Mann, / Der den Verstand ins Hirn zurück ihm brachte, / Betrachtet' er und sprach kein Wort und sann, / Wann man hieher ihn trug und wie sich's machte. / Erst schaut' er diesen, dann den andren an / Und riet nicht, wo er sei, so viel er dachte. / Auch wundert' es ihn sehr, sich nackt zu sehen / Und festgeschnürt vom Kopf bis zu den Zehen."
[87] 

Als Roland aufwacht, ist er verblüfft, wie er hergekommen, in welchem Zustand er sei und warum er gebunden ist. Ariosto spielt hier auf Virgils sechste Ecloge an. Zwei Hirten finden den Silen schlafend in einer Grotte und binden ihn, um ihn zum Singen zu nötigen. Erwachend sagt Silen »solvite me« (bindet mich los): "Dann sprach er wie Silen, als ihn die Stricke / Der Hirten in der hohlen Grotte banden: / »solvite me« mit hellem, klarem Blicke, / Aus dem des Wahnsinns Spuren ganz verschwanden. / Man band ihn los, und wenig Augenblicke / Genügten, bis sie Kleider für ihn fanden, / Und jeder tröstet' ihn in seinem Schmerz; / Denn dieser Wahnsinn fiel ihm schwer aufs Herz." Roland gewann plötzlich sein ursprüngliches Wesen wieder, nur ist er nun etwas weiser geworden: "Kaum hatt' er wieder sein ursprünglich Wesen, / Mannhafter noch und weiser denn zuvor, / So war er auch von Liebe ganz genesen, / Und sie, an die er einst sein Herz verlor, / Die ihm so schön erschien, so auserlesen, / Kam jetzt gering ihm und verächtlich vor. / Sein ganzes Trachten war, sein ganzes Sinnen, / Was Lieb' ihm raubte, wiederzugewinnen." [88] 

 
"Der Herzog hatte schon die Flasche da,
Die den Verstand des Grafen trug im Bauche,
Und hält sie an die Nas' ihm nun so nah,
dass Roland nach dem ersten Atemhauche
Sie völlig leert. Und staunt, was nun geschah:
Der Geist war wieder da nach altem Brauche,
Zurück kam der Verstand im schönsten Flor,
Heller und leuchtender als je zuvor.

Wie einer, der aus bangem Schlaf erwacht,
Nachdem er schwer geträumt von Ungeheuern,
Wie die Natur sie nie hervorgebracht,
Oder von schauderhaften Abenteuern,
Sich noch verwundert, wann schon ihre Macht
Und Herrschaft seine wachen Sinn' erneuern,
So, als der Wahn von ihm genommen ward,
Blieb Roland ganz verwundert und erstarrt.

Der schönen Alda Bruder und den Mann,
Der den Verstand ins Hirn zurück ihm brachte,
Betrachtet' er und sprach kein Wort und sann,
Wann man hieher ihn trug und wie sich's machte.
Erst schaut' er diesen, dann den andren an
Und riet nicht, wo er sei, so viel er dachte.
Auch wundert' es ihn sehr, sich nackt zu sehen
Und festgeschnürt vom Kopf bis zu den Zehen.

Dann sprach er wie Silen, als ihn die Stricke
Der Hirten in der hohlen Grotte banden:
»solvite me« mit hellem, klarem Blicke,
Aus dem des Wahnsinns Spuren ganz verschwanden.
Man band ihn los, und wenig Augenblicke
Genügten, bis sie Kleider für ihn fanden,
Und jeder tröstet' ihn in seinem Schmerz;
Denn dieser Wahnsinn fiel ihm schwer aufs Herz.

Kaum hatt' er wieder sein ursprünglich Wesen,
Mannhafter noch und weiser denn zuvor,
So war er auch von Liebe ganz genesen,
Und sie, an die er einst sein Herz verlor,
Die ihm so schön erschien, so auserlesen,
Kam jetzt gering ihm und verächtlich vor.
Sein ganzes Trachten war, sein ganzes Sinnen,
Was Lieb' ihm raubte, wiederzugewinnen."  Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 39
 

11. "Wenn ihr erlauben wollt, erzähl' ich jetzt, / Wie Karl die Mohren vor die Türe setzt / ... Gekommen war der Tag, die Heidenbrut für Raub und Mord zur Rechenschaft zu ziehen"; Agramants Niederlage und Heimkehr nach Afrika; von seinen Untertanen ist er nichts gewohnt "als verstellte glatte Züge", nichts hört er "als Schmeichelei und Trug und Lüge"

Die Zeit war reif: "Gekommen war der Tag, die Heidenbrut für Raub und Mord zur Rechenschaft zu ziehen." Die Reconqista nimmt ihren Lauf "Wenn ihr erlauben wollt, erzähl' ich jetzt, wie Karl die Mohren vor die Türe setzt." Marfisa und Bradamante trugen ihren Teil dazu bei. Ariosto bringt sogar ein Zitat aus Dante's Inferno (IX, 112) »Ad Arli, ove il Rodano stagna.« Die zahlreichen Grabhügel in der Umgegend von Arles, römischen Ursprungs, wie man meint, werden von Dante erwähnt: "Welch eine Menge hier ihr Ende fand / In dieser letzten Schlacht auf beiden Seiten, / (Obschon die Rechnung äußerst ungleich stand / Und mehr der Mohren fiel in diesem Streiten / Durch Bradamante's und Marfisa's Hand,) / Das zeigt noch manche Spur in unsren Zeiten: / Bei Arles, wo die Rhon' in Sümpfe fällt, / Ist noch von Gräbern voll das ganze Feld." [89] 

Agramant muss mit leeren Schiffen wieder zurück nach Afrika und niemand traut sich zu murren, sondern wie es bei islamischen Tyrannen üblich ist, hört er nur Schmeichelei und Trug und Lüge: "Gen Afrika trägt Agramant die Flut / Mit schlechtbemannten Schiffen, die fast leer sind, / An Menschen leer, gefüllt mit Klag' und Wut, / Weil tot drei Viertel von dem ganzen Heer sind. / Der nennt ihn grausam, der voll Übermut, / Der toll, und wie es geht, wenn Zeiten schwer sind, / Sie alle sind ihm im geheimen gram, / Doch fürchten ihn, und Feigheit macht sie zahm. / Wohl öffnen ihren Mund zwei oder drei, / Die Freunde sind und auf einander bauen, / Und lassen den verborgnen Ingrimm frei. / Und er, der arme Fürst, lebt im Vertrauen, / Dass jeder ihn beklag' und treu ihm sei. / Und das geschieht ihm, weil er nichts zu schauen / Gewohnt ist als verstellte glatte Züge, / Nichts hört als Schmeichelei und Trug und Lüge. [90] 

 
"Wenn ihr erlauben wollt, erzähl' ich jetzt,
Wie Karl die Mohren vor die Türe setzt. 

Verlassen fast war König Agramant
In seiner größten Not; denn nach den Toren
Von Arles hatte sich Marsil gewandt
Und auch Sobrin und viele von den Mohren.
Dort hatten sie sich eingeschifft; man fand,
Zu Lande sei die Rettung schon verloren;
Und viele Herrn und Ritter von den Heiden
Folgten sodann dem Beispiel jener beiden.

Doch kämpfte Agramant noch eine Weile,
Und als er endlich fand, es sei genug,
Warf er das Pferd herum und ritt in Eile
Dem nächsten Tore zu, und wie im Flug
Kam Rabican ihm nach, gleich einem Pfeile,
Mit Bradamante, die ihn spornt' und schlug,
Voller Begier, den König zu durchbohren,
Durch den sie ihren Roger fast verloren.

Marfisa folgt dem Agramant desgleichen,
Denn rächen will sie heut Trojans Verrat.
Und deutlich fühlt an ihren Sporenstreichen
Ihr flinker Renner, dass sie Eile hat.
Doch weder sie noch Bradamant' erreichen
Das Tor so schnell, um Agramant den Pfad
Nach Arles abzuschneiden, ihm zu wehren,
Dass er sich rett' auf seine Kriegsgaleren. 

Und wie zwei schöne junge Pantherinnen,
Die von der Koppel gehn zu gleicher Zeit
Und sehn die schnellen Hirsch' und Reh' entrinnen,
Und zum Verfolgen ist der Weg zu weit, –
Wie die erzürnt den Rückzug dann beginnen,
Gleichsam beschämt ob ihrer Langsamkeit,
So kehrten um die Mädchen, als der Heide
Lebendig in die Stadt kam, seufzend beide.

Doch machten sie nicht Halt; in das Gedränge
Der flieh'nden sprengten sie und hieben drauf.
Bei jedem Streich fiel rechts und links die Menge,
Und wer gefallen war, stand nimmer auf.
Gar schlimm geriet der Haufen in die Enge,
Denn nicht mehr rettete der schnellste Lauf,
Weil Agramant, um leichter zu entrinnen,
Das Tor der Stadt verschlossen hielt von innen.

Die Rhonebrücken hatt' er auch gesprengt.
Ach arme Plebs! in solchen Augenblicken,
Wo der Tyrann an seinen Vorteil denkt,
Da zählest du nicht mehr als Schaf' und Zicken.
Der eine hat die Scholle rot getränkt,
Der muss im Strom, der in der See ersticken.
Viel Tote gibt es, viel Gefangne nicht,
Weil allen fast das Lösegeld gebricht.

Welch eine Menge hier ihr Ende fand
In dieser letzten Schlacht auf beiden Seiten,
(Obschon die Rechnung äußerst ungleich stand
Und mehr der Mohren fiel in diesem Streiten
Durch Bradamante's und Marfisa's Hand,)
Das zeigt noch manche Spur in unsren Zeiten:
Bei Arles, wo die Rhon' in Sümpfe fällt,
Ist noch von Gräbern voll das ganze Feld.

Indes erging von Agramant das Wort,
Dass alle großen Schiff' auslaufen sollten,
Und nur die leichtren ließ er noch im Port
Für Leute, die zu Schiff sich retten wollten.
Zwei Tage blieb er und nahm Leut' an Bord,
Auch weil es stürmt' und ihm die Winde grollten;
Am dritten Tag spannt' er die Segel aus
Und fuhr (so dacht' er wenigstens) nach Haus.

König Marsil, in großer Furcht, dass jetzt
Die Spanier noch die Zeche zahlen müssten
Und dass der finsterdroh'nde Sturm zuletzt
Herniederprasseln werd' auf seine Küsten,
Ward in Valencia schon an Land gesetzt
Und eilte seine Burgen auszurüsten
Und machte sich für jenen Krieg bereit,
Der ihn verderben sollt' in kurzer Zeit. 

Gen Afrika trägt Agramant die Flut
Mit schlechtbemannten Schiffen, die fast leer sind,
An Menschen leer, gefüllt mit Klag' und Wut,
Weil tot drei Viertel von dem ganzen Heer sind.
Der nennt ihn grausam, der voll Übermut,
Der toll, und wie es geht, wenn Zeiten schwer sind,
Sie alle sind ihm im geheimen gram,
Doch fürchten ihn, und Feigheit macht sie zahm.

Wohl öffnen ihren Mund zwei oder drei,
Die Freunde sind und auf einander bauen,
Und lassen den verborgnen Ingrimm frei.
Und er, der arme Fürst, lebt im Vertrauen,
Dass jeder ihn beklag' und treu ihm sei.
Und das geschieht ihm, weil er nichts zu schauen
Gewohnt ist als verstellte glatte Züge,
Nichts hört als Schmeichelei und Trug und Lüge.

Es war des afrikan'schen Königs Plan,
Nicht in Biserta's Hafen einzulaufen,
Denn dies Gestade, ward ihm kundgetan,
Sei schon besetzt vom Feind in starken Haufen.
Mehr oberhalb wollt' er der Küste nahn,
Um minder schwer die Landung zu erkaufen,
Und dann geradeswegs nach Hause gehn,
Um dem bedrängten Volke beizustehn.(...)

Den Leuten Dudo's waren Kraft und Mut,
Mehr als gewöhnliche, von Gott verliehen.
Gekommen war der Tag, die Heidenbrut
Für Raub und Mord zur Rechenschaft zu ziehen.
Aus Näh' und Ferne trafen sie so gut,
Dass Agramant nicht wusste, wie entfliehen.
Von oben kömmt der Hagelsturm der Pfeile,
Von vorn die Schwerter, Haken, Spieß' und Beile."  Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 39
 

12. Verherrlichung Hippolyts von Este als Besiegers der venezianischen Flotte und Vergleich mit Agramants Flucht auf dem Meere; Erstürmung Biserta's, Zerstörung der Heidentempel (Moscheen); "Mit der gefangnen Flotte der Barbaren"

»Krüge nach Samos tragen« ist wie das bekanntere »Eulen nach Athen bringen« eine griechische Redensart, die so viel bedeutet, wie etwas überflüssiges tun. Samos war im Altertum der Sitz einer berühmten Töpferindustrie. Hier bezieht Ariosto sich auf den schon früher gefeierten Sieg Hippolyts von Este über die Venezianer, die den Po mit ihren Schiffen besetzt hatten, aber vor den Kanonen Ferrara's mit großem Schaden weichen mussten. Ariost selbst wurde damals  nach Rom geschickt, um den Beistand des Papstes Julius, »des großen Hirten« zu erwirken, welcher bekanntlich abwechselnd ein Bundesgenosse und ein gefährlicher Feind des Hauses Este war. Verglichen werden die Venezianer mit den Muslimen unter Agramant, den Karl gerade zurück nach Afrika geschickt hat. [91] 

Sogar Nordafrika wird von den Christen erobert, Bizerta im heutigen Tunesien: "Astolf und Roland, gute Christen beide, die niemals ohne Gott zum Kampfe gehn, erlassen an das ganze Heer Bescheide, man solle fasten und zum Himmel flehn und dann am dritten Tag im Waffenkleide, wann das Signal erfolge, fertig stehn, die Stadt zu stürmen". Die Eroberung Bisertas und Zerstörung der Heidentempel (Moscheen) vergleicht Ariost  mit dem Höllensumpfe, was auf eine Beschreibung in Dante's Inferno, VII, 100–108 anspielt: "Vor Leichen konnte man kaum weitergehen, / Und aus unzähl'ger Wunden Blut entstand / Ein Sumpf, graunhafter, finstrer anzusehen / Als jener Sumpf, der Pluto's Stadt umspannt. / Paläste fraß und Hallen und Moscheeen, / Von Haus zu Haus fortlaufend, langer Brand". [92]

Die Mauren fliehen aus Europa, ihrem König "nachzufolgen nach den Mohrenreichen". Der muslimische König Agramant ist verzweifelt: "Der König Agramant, der mit Sobrin / Geflüchtet war, sich von der Flotte trennend, / Weinte von fern um seines Reichs Ruin, / Als er Biserta sah am Ufer brennend. / Er fuhr heran, um Nachricht einzuziehn, / Und nun das Schicksal seiner Stadt erkennend, / Wollt' er sich töten mit dem eignen Schwert, / Und tät' es, hätt' ihm nicht Sobrin gewehrt." Die Muslime erhoffen sich Unterstützung von Türken, Arabern,  Persern, Medern und sogar Armeniern (was damals noch nicht christianisiert war): »Aegyptens Sultan, der dein Nachbar ist, / Wird dich mit Geld und Truppen unterstützen; / Denn dass in Afrika der stolze Christ / So mächtig werde, kann auch ihm nicht nützen. / Und Norandin, dem du verschwägert bist, / Wird alles tun, dich vor dem Fall zu schützen, / Türk', Araber, Armenier, Perser, Meder, – / Wenn du sie darum angehst, hilft dir jeder.« [93]

Mit einem Heer von Kriegsgefangenen ("Mit der gefangnen Flotte der Barbaren") kommen die Christen aus Afrika zurück. Roger, immer noch nicht zum Christentum konvertiert, will Agramanten folgen, trifft Dudo bei Marseille und kämpft mit ihm, um die gefangenen heidnischen Könige zu befreien: "Er ging nach Arles, denn er hoffte, dort / Steh' ihm zur Fahrt die Flotte zu Gebote. / Kein Schiff lag auf dem Meer und keins im Port, / Und keine Mohren sah er außer tote. / Der König nahm die Schiffe mit sich fort, / Den Rest verbrannt' er bis zum letzten Boote. / Da dies mislang, schlug er den Landweg ein, / Der nach Marseille führt am Meeresrain. / ... Man hätte nicht das kleinste Köpfchen Mohn / Ins Wasser werfen können; denn es waren / Die Wellen ganz bedeckt, nur Schiff' umher, / Von Kriegsgefangnen und von Siegern schwer. / Die Heidenschiffe, die noch übrig blieben / Im Feuer und im Sturme jener Nacht, / (Bis auf ein Paar, die heimlich seewärts trieben,) / Hatt' in Marseille Dudo eingebracht. / Von Königen der Mohren hatten sieben, / Da sie besiegt sich fanden in der Schlacht, / Kapitulirt mit ihren sieben Schiffen / Und standen weinend nun, von Schmerz ergriffen. / ... Als Roger kam, hielt er zuerst den langen / Triumphzug für das Heer des Agramant / Und trieb sein Pferd, Gewissheit zu erlangen. / Doch in der Näh' erkannt' er sie und fand / Den König Nasamona's kriegsgefangen, / Bambirag, Agricalt und Farurant, / Balaster, Manilart mit Rimedonten, / Die ihre Tränen nicht verhalten konnten." [94]
 

"Zu lange würd' es währen, wollt' ich singen,
Was alles in der Flottenschlacht geschehn,
Und euch, siegreicher Hippolyt, von Dingen
Der Art erzählen, würde fast mir stehn,
Wie Krokodile nach Aegypten bringen,
Krüge nach Samos, Eulen nach Athen;
Denn das, was ich nach Hörensagen melde,
Habt ihr gesehn und selbst gethan im Felde. (...)

Wer jene Brände, Wracke, Trümmerreste
Und jene mannichfalten Tode sah,
Die Rache für geplünderte Paläste,
Wie damals es auf unsrem Strom geschah,
Der malt die Tod' und Schrecken sich aufs beste,
Die jenes arme Volk aus Afrika
Mit Agramant erduldet' auf dem Meere,
In finstrer Nacht ereilt von Dudo's Heere. (...)

Vor Leichen konnte man kaum weitergehen,
Und aus unzähl'ger Wunden Blut entstand
Ein Sumpf, graunhafter, finstrer anzusehen
Als jener Sumpf, der Pluto's Stadt umspannt.
Paläste fraß und Hallen und Moscheeen,
Von Haus zu Haus fortlaufend, langer Brand (...)

"Der König Agramant, der mit Sobrin
Geflüchtet war, sich von der Flotte trennend,
Weinte von fern um seines Reichs Ruin,
Als er Biserta sah am Ufer brennend.
Er fuhr heran, um Nachricht einzuziehn,
Und nun das Schicksal seiner Stadt erkennend,
Wollt' er sich töten mit dem eignen Schwert,
Und tät' es, hätt' ihm nicht Sobrin gewehrt. (...)

»Aegyptens Sultan, der dein Nachbar ist,
Wird dich mit Geld und Truppen unterstützen;
Denn dass in Afrika der stolze Christ
So mächtig werde, kann auch ihm nicht nützen.
Und Norandin, dem du verschwägert bist,
Wird alles tun, dich vor dem Fall zu schützen,
Türk', Araber, Armenier, Perser, Meder, –
Wenn du sie darum angehst, hilft dir jeder.« (...)

"Er ging nach Arles, denn er hoffte, dort
Steh' ihm zur Fahrt die Flotte zu Gebote.
Kein Schiff lag auf dem Meer und keins im Port,
Und keine Mohren sah er außer todte.
Der König nahm die Schiffe mit sich fort,
Den Rest verbrannt' er bis zum letzten Boote.
Da dies mislang, schlug er den Landweg ein,
Der nach Marseille führt am Meeresrain.

Irgend ein Schiff, so dacht' er, werd' ihn schon
Gezwungen oder gütlich überfahren.
Bereits dort angelangt war Holgers Sohn
Mit der gefangnen Flotte der Barbaren.
Man hätte nicht das kleinste Köpfchen Mohn
Ins Wasser werfen können; denn es waren
Die Wellen ganz bedeckt, nur Schiff' umher,
Von Kriegsgefangnen und von Siegern schwer.

Die Heidenschiffe, die noch übrig blieben
Im Feuer und im Sturme jener Nacht,
(Bis auf ein Paar, die heimlich seewärts trieben,)
Hatt' in Marseille Dudo eingebracht.
Von Königen der Mohren hatten sieben,
Da sie besiegt sich fanden in der Schlacht,
Capitulirt mit ihren sieben Schiffen
Und standen weinend nun, von Schmerz ergriffen.

Dudo befand am Ufer sich, noch heute
Wollt' er zum Kaiser, und der fromme Held
Hatte die Kriegsgefangnen und die Beute
Als glänzenden Triumphzug aufgestellt.
Am Ufer standen die gefangnen Leute,
Umher die Nubier, vom Sieg geschwellt,
Die einmal übers andre Dudos Namen
Ausriefen, dass es Land und Meer vernahmen.

Als Roger kam, hielt er zuerst den langen
Triumphzug für das Heer des Agramant
Und trieb sein Pferd, Gewissheit zu erlangen.
Doch in der Näh' erkannt' er sie und fand
Den König Nasamona's kriegsgefangen,
Bambirag, Agricalt und Farurant,
Balaster, Manilart mit Rimedonten,
Die ihre Tränen nicht verhalten konnten." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 40
 


 

13. Viele muslimische Ritter haben erkannt "Dass Christus Gott ist, Mahomed ein Wahn"; Rogers Rettung aus dem Schiffbruch und Taufe; "Lernt' er an diesem Ort der Christenheit / Erhabene Mysterien von dem Greise"

Auch heute stehen die muslimischen Länder in Afrika, Asien und der Levante vor der Frage, wie sie aus dem Chaos herauskommen. Mit dem Islam ist es ihnen nicht gelungen und wird auch nicht gelingen. Einzelne muslimische Ritter, die früher "Den Saracenen und der schlimmen Bande" angehört hatten, haben erkannt: "Dass Christus Gott ist, Mahomed ein Wahn". Diese Ritter wollen die eroberten muslimischen Länder sogar den Afrikanern wieder zurückgeben wenn sie den christlichen Glauben annehmen. Viele muslimische Ritter, die früher "den Saracenen und der schlimmen Bande" des Islam angehört hatten, haben erkannt: "Dass Christus Gott ist, Mahomed ein Wahn" und sind damit weiter als einige Bischöfe und Politiker in Europa, die den islamischen "Lügnergott" (Tasso) mit dem christlichen Gott verwechseln und sogar staatlichen islamischen Unterricht anbieten. Brandimart spricht "zum Agramant, der ihm befreundet war; Denn Brandimart war vormals mit den Scharen des Agramant nach Frankreichs Strand gefahren: Sie grüßten sich und reichten sich die Hand; / Dann riet der Christ dem Heiden sehr zum Frieden, / Als guter Freund, mit Gründen voll Verstand, / Und zeigt' ihm, wie sie leicht den Kampf vermieden. / Er sagt' ihm zu, dass er das ganze Land / Vom Nil bis zu den Säulen des Alciden / Aus Rolands Hand zurückerhalten solle, / Wenn er Maria's Sohn anbeten wolle. / »Ich war und bin in Lieb' euch zugetan; / Drum (sprach er) rat' ich euch, dass dies geschehe. / Herr, was ich rate, hab' ich selbst getan, / Und folglich halt' ich es für gut. Ich sehe, / Dass Christus Gott ist, Mahomed ein Wahn, / Und führt' euch gern den Weg, den ich schon gehe. / Gern nähm' ich euch und alle Freunde mit / Auf diesen Weg des Heils, den ich beschritt." Aber so wie heute die "Heidenkönige" davon nichts wissen wollen, so wurde Brandimart's Vorschlag "mit zorn'ger Stimme" vom Heidenkönig abgelehnt, weil er uneinsichtig war und sich nicht lossagen wollte "jener Rotte, meist ungläub'gen Hunden". Dennoch gab es immer mehr tapfere Heidenritter, denen die Lehren "Der wahren christlichen Religion" gedeutet wurden, "Dass Christus Gott ist, Mahomed ein Wahn". [95]

Roger ist kurz vor dem Ertrinken, da erinnert er sich, dass er sich schon längst hätte taufen lassen müssen: "Was er der Braut versprochen, alt' und neue / Gelübde fallen jetzt ihm wieder ein, / Was er Rinalden jüngst auf Eid und Treue / Geschworen und versäumt hat hinterdrein. / Fünfmal und zehnmal bittet er voll Reue, / Gott möge heut ihm seine Schuld verzeihn, / Und schwört mit gläubigem, aufricht'gem Sinne, / Ein Christ zu werden, wenn er heut entrinne / ... Und wunderbar, kaum ist der Schwur zu Ende, / So schwimmt er leicht, es wächst die Kraft der Hände. / Es wächst die Kraft und mit der Kraft das Wagen. / Er schlägt die Wellen und verdrängt sie gut; / Die Wellen schlägt er, die einander jagen, / 
Bald steigend, bald sich senkend mit der Flut. / So, auf und ab, wird er dahingetragen, / Bis dann sein Fuß auf festem Boden ruht, / Und triefend, an der Seite, wo geneigter / Der Felsen abfällt, aus dem Wasser steigt er. / Die andern alle, die ins Wasser sprangen, / Waren vom Meer besiegt und blieben da; / Nur Roger sollt' ans öde Riff gelangen, / Wie durch die Gnade Gottes nun geschah." Am rettenden Ufer trifft er auf einen Eremit. Ariosto bezieht sich auf Cap. IX der Apostelgeschichte, Sauli Bekehrung. Der Klausner wirft Rogern vor, das Fährgeld nicht zahlen zu wollen, weil er die Taufe, die Bedingung des Heils, verabsäumt hat: »Saul«, rief der Alte nähertretend, / »Saul, Weshalb verfolgst du mich und meine Frommen?« / (Wie damals Gott gesagt hat, als Sanct Paul / Den Schlag des Heils empfing, wie wir vernommen.) / »Das Fährgeld zu bezahlen, warst du faul / Und hofftest dennoch übers Meer zu kommen; / Doch Gottes Arm ist lang und holt dich ein, / Da du gedachtest ihm entrückt zu sein.« / ... Der fromme Mann fuhr fort ihn anzuklagen / Und dann zu trösten. Erst verklagt' er ihn, / dass er gesäumt die leichte Last zu tragen / Und sich dem sanften Joch zu unterziehn, / Und statt, solang' er frei war, ja zu sagen, / Als Christus bittend ihn zu rufen schien, / Mit schlechtem Anstand nun erst in sich gehe, / Da er ihn mit der Peitsche kommen sehe." [96]

Ariosto spielt hier auf die Parabel Evangelium Matth 20 an, welche erzählt wie der Herr den Arbeitern gleichen Lohn zahlt, mögen sie früh oder spät sich im Weinberge eingefunden haben: "Dann tröstend sprach er, denen, die bereuten, / 
Verschließe nicht den Himmel Gottes Sohn, / Und sagt' ihm von dem Weinberg und den Leuten, / Die allesamt empfingen gleichen Lohn. / So fromm bemüht, die Lehren ihm zu deuten / Der wahren christlichen Religion, / Lenkt' er zur Klause langsam seine Schritte, / Die ausgehöhlt war in des Felsens Mitte. / ... Und Roger trocknete sich Haar und Kleid / Und stärkte sich. Dann auf bequeme Weise / Lernt' er an diesem Ort der Christenheit / Erhabene Mysterien von dem Greise, / 
Und an dem reinen Quell vollzog im Laufe / Des nächsten Tags der Alt' an ihm die Taufe." [97] 

"Sie grüßten sich und reichten sich die Hand;
Dann riet der Christ dem Heiden sehr zum Frieden,
Als guter Freund, mit Gründen voll Verstand,
Und zeigt' ihm, wie sie leicht den Kampf vermieden.
Er sagt' ihm zu, dass er das ganze Land
Vom Nil bis zu den Säulen des Alciden
Aus Rolands Hand zurückerhalten solle,
Wenn er Maria's Sohn anbeten wolle. 

»Ich war und bin in Lieb' euch zugetan;
Drum (sprach er) rat' ich euch, dass dies geschehe.
Herr, was ich rate, hab' ich selbst getan,
Und folglich halt' ich es für gut. Ich sehe,
Dass Christus Gott ist, Mahomed ein Wahn,
Und führt' euch gern den Weg, den ich schon gehe.
Gern nähm' ich euch und alle Freunde mit
Auf diesen Weg des Heils, den ich beschritt.

»Da, Herr, liegt euer wahres Glück; fürwahr,
Kein andrer Rat kann euch zum Heil gereichen,
Am wenigsten, wenn ihr durch Fechten gar
Vom Sohne Milo's etwas wollt erreichen.
Denn der Gewinn des Siegs wird die Gefahr
Der Niederlage nicht entfernt begleichen.
Nicht viel gewinnt ihr, wenn ihr triumphirt.
Verlieren müßt ihr viel, wenn ihr verliert.

»Wenn Roland fallen sollt' und wir zugleich,
Die wir auf Tod und Leben mit ihm gingen,
Würd' etwa unser Tod das Königreich,
Das ihr verloren habt, euch wiederbringen?
Ihr könnt nicht hoffen, dass ein einz'ger Streich
Solch einen Umschwung mach' in diesen Dingen,
Dass Karl nicht Leute hätt', um alles Land
Zu hüten bis zum letzten Turm am Strand.« (...)

Der Jüngling schwamm, mit Händen und mit Füßen
Das Wasser spaltend, durch das graus'ge Meer.
So feindlich Wind und Brandung ihn begrüßen,
Bedrängt ihn sein Gewissen doch noch mehr.
Er fürchtet, Christus laß' es heut ihn büßen,
dass er die Tauf' in reiner Flut vorher
So sehr verschob, und er beginnt zu zittern,
dass Gott ihn taufen woll' in dieser bittern.

Was er der Braut versprochen, alt' und neue
Gelübde fallen jetzt ihm wieder ein,
Was er Rinalden jüngst auf Eid und Treue
Geschworen und versäumt hat hinterdrein.
Fünfmal und zehnmal bittet er voll Reue,
Gott möge heut ihm seine Schuld verzeihn,
Und schwört mit gläubigem, aufricht'gem Sinne,
Ein Christ zu werden, wenn er heut entrinne,

Und nie das Schwert zu ziehn, den Speer zu senken,
Um Heiden gegen Gläub'ge beizustehn,
Zurück nach Frankreich seinen Schritt zu lenken
Und huldigend zum Kaiser Karl zu gehn,
Nie wieder Bradamante's Herz zu kränken,
Aufs Ziel der Liebe redlich loszugehn.
Und wunderbar, kaum ist der Schwur zu Ende,
So schwimmt er leicht, es wächst die Kraft der Hände.

Es wächst die Kraft und mit der Kraft das Wagen.
Er schlägt die Wellen und verdrängt sie gut;
Die Wellen schlägt er, die einander jagen,
Bald steigend, bald sich senkend mit der Flut.
So, auf und ab, wird er dahingetragen,
Bis dann sein Fuß auf festem Boden ruht,
Und triefend, an der Seite, wo geneigter
Der Felsen abfällt, aus dem Wasser steigt er.

Die andern alle, die ins Wasser sprangen,
Waren vom Meer besiegt und blieben da;
Nur Roger sollt' ans öde Riff gelangen,
Wie durch die Gnade Gottes nun geschah.
Dann, als er oben war, der Flut entgangen,
Auf nacktem Stein, trat neue Furcht ihm nah,
Gebannt zu bleiben an die schmale Stätte,
Wo nichts ihn vor dem Hungertod' errette.

Doch ungebeugten Herzens und gefasst,
Zu dulden, was der Himmel ihm verhänge,
Stieg er geradeswegs und ohne Rast
Zur Höh' empor die harten Felsenhänge.
Gestiegen war er hundert Schritte fast,
Da – welk von Alter und des Fastens Strenge –
Naht' ihm ein Mann im Eremitenkleid,
Ehrwürdig und ein Bild der Frömmigkeit.

»Saul«, rief der Alte nähertretend, »Saul,
Weshalb verfolgst du mich und meine Frommen?«
(Wie damals Gott gesagt hat, als Sanct Paul
Den Schlag des Heils empfing, wie wir vernommen.)
»Das Fährgeld zu bezahlen, warst du faul
Und hofftest dennoch übers Meer zu kommen;
Doch Gottes Arm ist lang und holt dich ein,
Da du gedachtest ihm entrückt zu sein.« (...)

Der fromme Mann fuhr fort ihn anzuklagen
Und dann zu trösten. Erst verklagt' er ihn,
dass er gesäumt die leichte Last zu tragen
Und sich dem sanften Joch zu unterziehn,
Und statt, solang' er frei war, ja zu sagen,
Als Christus bittend ihn zu rufen schien,
Mit schlechtem Anstand nun erst in sich gehe,
Da er ihn mit der Peitsche kommen sehe.

Dann tröstend sprach er, denen, die bereuten,
Verschließe nicht den Himmel Gottes Sohn,
Und sagt' ihm von dem Weinberg und den Leuten,
Die allesamt empfingen gleichen Lohn.
So fromm bemüht, die Lehren ihm zu deuten
Der wahren christlichen Religion,
Lenkt' er zur Klause langsam seine Schritte,
Die ausgehöhlt war in des Felsens Mitte. (...)

Der Alte schob ins Feuer einen Scheit
Und brachte Früchte mancherlei zur Speise,
Und Roger trocknete sich Haar und Kleid
Und stärkte sich. Dann auf bequeme Weise
Lernt' er an diesem Ort der Christenheit
Erhabene Mysterien von dem Greise,
Und an dem reinen Quell vollzog im Laufe
Des nächsten Tags der Alt' an ihm die Taufe." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 41
 

14. Roland kommt mit den Freunden zu dem Eremiten Rogers; Olivers Heilung und Sobrins Bekehrung und Taufe

Der verletzte Oliver, ein Freund Rolands, wird zum heilkundigen Eremiten gebracht: "Der Knecht des Herrn, dem alle Engel dienen, / Begrüßte Roland und die ganze Schar / Und segnete sie rings mit frohen Mienen / Und frug nach ihrer Drangsal und Gefahr, / Obwohl ihr Kommen ihm, eh sie erschienen, / Von himmlischen Heroen gemeldet war. / Roland versetzt', er sei ans Land gegangen, / Um für den Schwager Hilfe zu erlangen, / ... Und sieh, im Namen Gottes des Dreiein'gen, / Vaters und Sohns und Geistes, gab er dann / Dem Kranken seinen Segen. O, den sein'gen / Gibt Christus eine Kraft, die alles kann! / Der Schmerz ließ ab den lahmen Fuß zu pein'gen, / Der plötzlich ganz gesund ward und fortan / Noch rüst'ger als zuvor war, noch gesunder. / Zugegen war Sobrin bei diesem Wunder." [98] 

Der Heide Sobrin will nun ebenfalls in die "heil'ge Lehre" des Christus eingeweiht werden: "Sobrin, mit dem es täglich schlimmer stand, / Seit er verwundet ward bei jenem Rennen, / Sah, wie das Wunder von des Mönches Hand / Verrichtet ward, und völlig sich zu trennen / Beschloss er von Macon und Trivigant / Und Christus den lebend'gen zu bekennen, / Und bat mit gläub'ger Inbrunst, Gott zur Ehre / Ihn einzuweihn in unsre heil'ge Lehre. / So tauft' ihn denn der Mönch und gab sogar / Ihm seine Kraft zurück durch brünstig Flehen. / Die Freude Rolands und der andren war / Ob der Bekehrung, die an ihm geschehen, / Nicht minder groß als jene, der Gefahr / Des Übels Oliver entrückt zu sehen. / Doch Roger hatt' am meisten sich gefreut, / Und mächtig wuchs sein Glaub' und Eifer heut." [99]

Ariosto macht mit »Die tote Lache, die Leben heißt,« eine Anspielung auf einen Vers Dante's (Infero, Ges. 8) wo der stygische Sumpf morta gora genannt wird, um zu verdeutlichen, dass die Getauften die Lebendigen sind, die sich aber nicht in den heidnischen Sumpf, in dem die Moslems sich befinden, ziehen lassen dürfen: "So tauft' ihn denn der Mönch und gab sogar / Ihm seine Kraft zurück durch brünstig Flehen. / Die Freude Rolands und der andren war / Ob der Bekehrung, die an ihm geschehen, / Nicht minder groß als jene, der Gefahr / Des Übels Oliver entrückt zu sehen. / Doch Roger hatt' am meisten sich gefreut, / Und mächtig wuchs sein Glaub' und Eifer heut. / Seit Roger sich gerettet aus dem Boot, / War er geblieben unter diesem Dache. / Sanft redete, wie ihm der Geist gebot, / Der Greis den Kriegern zu, stets auf der Wache / Und Hut zu sein, um rein von Schlamm und Kot / Dahin zu gehn durch diese tote Lache, / Die Leben heißt und Narren so gefällt, / Und stets emporzuschaun zu jener Welt." Die anderen erkennen nun Roger und freuen sich über seine Taufe. [100]

Seekund'ge Männer brachten schleunig dort
Das Fahrzeug an die sichre Ankerstelle.
Die Rudrer halfen Olivern von Bord
Ins Boot hinab, und durch die schäum'ge Welle
Beförderte man ihn und trug ihn fort
Ans harte Riff und nach der heil'gen Zelle,
Der heil'gen Zelle, zu demselben Mann,
Der Roger tauft', als er dem Sturm entrann.

Der Knecht des Herrn, dem alle Engel dienen,
Begrüßte Roland und die ganze Schar
Und segnete sie rings mit frohen Mienen
Und frug nach ihrer Drangsal und Gefahr,
Obwohl ihr Kommen ihm, eh sie erschienen,
Von himmlischen Heroen gemeldet war.
Roland versetzt', er sei ans Land gegangen,
Um für den Schwager Hilfe zu erlangen,

Der, als er focht für Gott mit seinem Schwerte,
In schwere Leibesnot geraten sei.
Der Greis benahm die Furcht ihm und erklärte,
Er mach' ihn bald von allem Schaden frei.
Und weil er heilender Tinctur entbehrte
Und jeder andren menschlichen Arznei,
Ging er ins Kirchlein, um zu Gott zu beten,
Und voll Vertraun sah man heraus ihn treten.

Und sieh, im Namen Gottes des Dreiein'gen,
Vaters und Sohns und Geistes, gab er dann
Dem Kranken seinen Segen. O, den sein'gen
Gibt Christus eine Kraft, die alles kann!
Der Schmerz ließ ab den lahmen Fuß zu pein'gen,
Der plötzlich ganz gesund ward und fortan
Noch rüst'ger als zuvor war, noch gesunder.
Zugegen war Sobrin bei diesem Wunder.

Sobrin, mit dem es täglich schlimmer stand,
Seit er verwundet ward bei jenem Rennen,
Sah, wie das Wunder von des Mönches Hand
Verrichtet ward, und völlig sich zu trennen
Beschloss er von Macon und Trivigant
Und Christus den lebend'gen zu bekennen,
Und bat mit gläub'ger Inbrunst, Gott zur Ehre
Ihn einzuweihn in unsre heil'ge Lehre.

So tauft' ihn denn der Mönch und gab sogar
Ihm seine Kraft zurück durch brünstig Flehen.
Die Freude Rolands und der andren war
Ob der Bekehrung, die an ihm geschehen,
Nicht minder groß als jene, der Gefahr
Des Übels Oliver entrückt zu sehen.
Doch Roger hatt' am meisten sich gefreut,
Und mächtig wuchs sein Glaub' und Eifer heut.

Seit Roger sich gerettet aus dem Boot,
War er geblieben unter diesem Dache.
Sanft redete, wie ihm der Geist gebot,
Der Greis den Kriegern zu, stets auf der Wache
Und Hut zu sein, um rein von Schlamm und Kot
Dahin zu gehn durch diese tote Lache,
Die Leben heißt und Narren so gefällt,
Und stets emporzuschaun zu jener Welt.

Vom Schiff ließ Roland Brot und Wein indessen
Und Schinken holen, und den Klausner nun,
Der, seit er sich an Obst gewöhnt, vergessen,
Wie Schnepfen riechen und gebratnes Huhn,
Ließ er, aus Mitleid, Fleisch mit ihnen essen,
Wein trinken, kurzum tun, was alle tun.
Nachdem sie sich bei Tisch getröstet, fingen
Die Herrn zu reden an von vielen Dingen.

Und wie denn oft, wenn Wort an Wort sich reiht,
Ein Ding das andre zeigt, zufäll'ger Weise,
So merkten die drei Franken mit der Zeit,
dass dieser Roger, der mit ihnen speise,
Derselbe Roger sei, des Tapferkeit
Die ganze Welt einmütig lob' und preise.
Denn auch Rinald hatt' erst ihn nicht erkannt,
Der ihm bei Arles gegenüberstand.

Sehr wohl erkannt hatt' ihn König Sobrin,
Sobald sie in das Haus des Klausners traten,
Der aber hielt, weil eine Täuschung ihn
Misleiten könnte, Schweigen für geraten.
Als nun den andern außer Zweifel schien
dass dies der Roger sei, von dessen taten
Und edler Sitt' und hoher Tapferkeit
Die ganze Welt erfüllt sei weit und breit,

Und dass er kürzlich Christ geworden sei,
Erhoben sie sich mit vergnügten Mienen.
Die Hand zum Gruße reichten ihm die drei;
Er ward umarmt und ward geküßt von ihnen.
Vor allen drängte sich Rinald herbei,
Ihm liebes anzuthun und ihm zu dienen.
Weshalb er's tat? im nächsten Buche sollt
Ihr es erfahren, wenn ihr's hören wollt." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 43
 

15. Freundschaft und verstellte Freundschaft; Rinalds Befreundung mit Roger; Empfang der Sieger und Rogers am Hofe 

Hier wurden Freundschaften enger geknüpft als je am Hof des Kaisers oder Papstes: "Der fromme Greis auf jenem Riff verstand / Die Gäste zu verknüpfen durch die Kette / Der wahren Liebe, mit so fester Hand, / Wie man's an Höfen nicht verstanden hätte. / Von solcher Dauer war hernach dies Band, / dass nichts es löste bis zum Sterbebette." Besonders Rinaldo und Roger schlossen Freundschaft: "Die meiste Zärtlichkeit und Ehre ließ / Rinald dem jungen Roger widerfahren, / teils weil der Jüngling kürzlich ihm bewies, / Wie kühn er sei und wie im Kampf erfahren, / teils weil er nie zuvor auf Ritter stieß, / Die so gesittet und anmutig waren, / Doch mehr noch weil aus Gründen mancherlei / Er wusste, wie er ihm verpflichtet sei. / Er wusste, wie aus tödlicher Gefahr / Roger den jungen Richard einst befreite, / Als ihn des Spaniers Trabantenschar / Im Bett ergriff an Flordespinens Seite, / Und wie er dann das wackre Brüderpaar, / Die Söhne Bovo's, in beherztem Streite / Den Saracenen und der schlimmen Bande / Des Bertolag entriss am Meeresstrande. / Daher Rinald sich denn verpflichtet fand / Ihn dankbar zu verehren und zu lieben / Und längst Verdruss und Kummer schon empfand, / dass notgedrungen es noch unterblieben, / Weil einer in des Kaisers Diensten stand, / Der andre bei den Mohren war geblieben. / Jetzt da er ihn als Christen wiedersah, / Sollte geschehn, was früher nicht geschah." [101]

Man freute sich dass "vor afrikanischen Gefahren / Frankreich nun sicher war für alle Zeit" . In der Hauptstadt werden die Helden gefeiert: "Mit großem Jubel und Triumphgepränge / Zieht in die Hauptstadt das gesamte Heer, / Die lustig grünt im Schmuck der Laubgehänge. / Die Pferde gehn auf Teppichen einher. / Ein Blumenschauer regnet ins Gedränge / Über die Sieger, um die Sieger her, / Den Mädchen, schöne Frau'n mit vollen Händen / Aus Fenstern und von Söllern niedersenden. / In allen Straßen, wo die Helden reiten, / Stehn Pforten und Trophäen zum Empfang / Mit Bildern von den Kriegsbegebenheiten / Und von Biserta's Brand und Untergang, / Auch manches Schaugerüst für Lustbarkeiten, / Für Bühnenspiel und Masken und Gesang, / Und aller Orten prangt in goldnen Lettern / Die wahre Inschrift: unsres Reichs Errettern! / Beim Schalle der Trompeten und Schalmein, / Bei Harmonieen kriegerischer Klänge, / Beim Händeklatschen, Lachen, Jubelschrein / Des Volkes, dem die Straße ward zu enge, / Zog in das Schloß der große Kaiser ein, / Woselbst er nun noch manchen Tag der Menge / Der Gäste gütlich tat mit Schmaus und Tanz, / Turnier und Possenspiel und Mummenschanz." [102]

 
"In niedren Hütten oft, in engen Mauern,
In Not und Trübsal, unter schwerer Last
Wird Freundschaft fester binden, länger dauern
Als in dem falschen Glanz, der üpp'gen Rast
Der Königshöfe, wo die Ränke lauern
Und Argwohn haust im prächtigen Palast,
Wo alle Menschenlieb' erstarrt in Kälte
Und Freundschaft nie sich zeigt als nur verstellte.

Daher Verträge fürstlicher Partein
So sehr zerbrechlich sich zu zeigen pflegen:
Kaiser und Papst gehn heut ein Bündnis ein
Und morgen werden sie Todfeindschaft hegen.
Denn nicht dasselbe sind der äußre Schein
Und die Gedanken, die das Herz bewegen.
Um Recht und Unrecht kümmern sie sich nie,
Und nur nach ihrem Vorteil trachten sie. (...)

Der fromme Greis auf jenem Riff verstand
Die Gäste zu verknüpfen durch die Kette
Der wahren Liebe, mit so fester Hand,
Wie man's an Höfen nicht verstanden hätte.
Von solcher Dauer war hernach dies Band,
dass nichts es löste bis zum Sterbebette.
Der Greis fand alle wohlgesinnt und bieder,
So rein von Herzen wie des Schwans Gefieder. (...)

Die meiste Zärtlichkeit und Ehre ließ
Rinald dem jungen Roger widerfahren,
teils weil der Jüngling kürzlich ihm bewies,
Wie kühn er sei und wie im Kampf erfahren,
teils weil er nie zuvor auf Ritter stieß,
Die so gesittet und anmutig waren,
Doch mehr noch weil aus Gründen mancherlei
Er wusste, wie er ihm verpflichtet sei.

Er wusste, wie aus tödlicher Gefahr
Roger den jungen Richard einst befreite,
Als ihn des Spaniers Trabantenschar
Im Bett ergriff an Flordespinens Seite,
Und wie er dann das wackre Brüderpaar,
Die Söhne Bovo's, in beherztem Streite
Den Saracenen und der schlimmen Bande
Des Bertolag entriss am Meeresstrande.

Daher Rinald sich denn verpflichtet fand
Ihn dankbar zu verehren und zu lieben
Und längst Verdruss und Kummer schon empfand,
dass notgedrungen es noch unterblieben,
Weil einer in des Kaisers Diensten stand,
Der andre bei den Mohren war geblieben.
Jetzt da er ihn als Christen wiedersah,
Sollte geschehn, was früher nicht geschah. (...)

Mit großem Jubel und Triumphgepränge
Zieht in die Hauptstadt das gesamte Heer,
Die lustig grünt im Schmuck der Laubgehänge.
Die Pferde gehn auf Teppichen einher.
Ein Blumenschauer regnet ins Gedränge
Über die Sieger, um die Sieger her,
Den Mädchen, schöne Frau'n mit vollen Händen
Aus Fenstern und von Söllern niedersenden.

In allen Straßen, wo die Helden reiten,
Stehn Pforten und Trophäen zum Empfang
Mit Bildern von den Kriegsbegebenheiten
Und von Biserta's Brand und Untergang,
Auch manches Schaugerüst für Lustbarkeiten,
Für Bühnenspiel und Masken und Gesang,
Und aller Orten prangt in goldnen Lettern
Die wahre Inschrift: unsres Reichs Errettern!

Beim Schalle der Trompeten und Schalmein,
Bei Harmonieen kriegerischer Klänge,
Beim Händeklatschen, Lachen, Jubelschrein
Des Volkes, dem die Straße ward zu enge,
Zog in das Schloß der große Kaiser ein,
Woselbst er nun noch manchen Tag der Menge
Der Gäste gütlich tat mit Schmaus und Tanz,
Turnier und Possenspiel und Mummenschanz." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 44
 

16. Eudämonisten haben einen schweren Stand; Unbeständigkeit des Glücks

Ariosto meint "Der Mensch soll nicht auf seine Herrlichkeiten / Vertraun, auf Gold und Macht und Heldentum" und führt verschiedene Herrscher an, die zwar auch Glück hatten, aber manche nachher umso tiefer stürzten: Dionys, der Tyrann von Syracus, musste nach Corinth fliehen und lebte dort in solcher Dürftigkeit, dass er als Schulmeister seinen Unterhalt suchte. Polycrates und Crösus bedürfen wohl keiner Anmerkung.  Servius Tullius, der sechste sagenhafte König Roms, war der Sohn einer Sklavin, Marius, der große Plebejer, der siebenmal Consul war, stammte von niederen Bauersleuten. Ludwig XII von Frankreich wurde, ehe er den Thron bestieg, dem Untergange sehr nahe gebracht. In den Kämpfen um die Regentschaft geriet er in der unglücklichen Schlacht bei St. Aubin in die Gefangenschaft seiner erbittertsten Gegner. Matthias Corvinus war der teilnahme an der Ermordung eines ungarischen Großen bezichtigt und in eine peinliche Untersuchung verwickelt, die ihm leicht den Kopf kosten konnte. Bald hernach wurde er König von Ungarn. Beide hier genannte Monarchen standen zu Ferrara in naher Beziehung. Hercules, der Sohn des Herzogs Alfons, hatte eine Tochter Ludwigs, Renée, zur Gemalin; König Matthias war mit Beatrice von Aragon vermählt, deren Schwester die Mutter des Herzogs Alfons und des Cardinals Hippolyt war. Hippolyt lebte außerdem als Knabe eine Zeitlang am ungarischen Hofe. [103]
 
"Je höher du den armen Menschen steigen,
Auf flücht'gem Rad Fortuna's steigen siehst,
Je schneller siehst du ihn bergab sich neigen,
dass er kopfüber in die Tiefe schießt,
Wie Crösus und Polycrates uns zeigen,
Wie man von Dionys und andren liest,
Die von den Höhn des Glücks, eh man es dachte,
Ein einz'ger Tag in tiefstes Elend brachte.

Dagegen, wer im Staube scheint zu liegen
Und an des Rades untern Rand gerät,
Der ist dem Punkt am nächsten aufzufliegen,
Wenn sich das Rad im Kreise weiter dreht.
Schon mancher hatte das Schafott bestiegen
Und thronte Tags darauf in Majestät,
Wie Servius und Marius bewiesen
Den alten Zeiten, König Ludwig diesen.

Der König Ludwig, der erlauchte Schwäher
Des Sohnes meines Herrn, – bei Sanct Albin
Ergriff der Feind ihn, dass dem Kopfe näher
Der Block des Henkers als die Krone schien.
Noch größere Gefahr, ein Schlag noch jäher
Traf den Mathias, zubenannt Corvin.
Dann sollten sie, die so daniederlagen,
Die Herscherkron' in ihrem Lande tragen.

Man sieht an den Exempeln aller Zeiten,
In unsren Tagen wie im Altertum,
dass Freud' und Leid dicht bei einander schreiten
Und nah beisammen wohnen Schimpf und Ruhm.
Der Mensch soll nicht auf seine Herrlichkeiten
Vertraun, auf Gold und Macht und Heldentum,
Noch auch verzweifeln, wann das Glück ihm grollt;
Weil ja das Rad beständig rollt und rollt." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 45
 
 

17. Der Dichter Ariosto, dem Ende seines Werkes nahe, wird von seinen Freunden beglückwünscht; Der islamische Korsar Barbarossa, der später die osmanische Flotte befehligte,  rüstete eine Expedition aus, um sie aus ihrem Schlosse Fondi in Neapel für das Serai des Sultans zu entführen; sie entkam nur mit knapper Not; Torquato Tasso's Vater

Die Frauen des gräflichen Hauses Correggio zeichneten sich durch Pflege der Dichtkunst aus, namentlich gehörte Veronica da Gambera zu den gefeierten Poetinnen des 16. Jahrhunderts. Sie war die Gemalin des Grafen Giberto de' Correggi.  Von den unten genannten Frauen ist die Mailänderin Trivulzia als eine Art Wunderkind bekannt. Sie entzückte schon im vierzehnten Lebensjahre das Publikum durch ihre »wundersamen« Gedichte. – Emilia Pia, aus dem edlen Hause Carpigio, wird von Castiglione in seinem berühmten Werke »der Hofmann« mit Lob erwähnt. »Mein Herr von Bozolo« ist Friedrich Gonzaga, dem das Schloß Bozolo am Oglio gehörte. – Die Bentivogli sind die Herren Bologna's, die Visconti das Mailänder Herrengeschlecht, die Pallavicini (ni fallor) eine große lombardische Familie. Julia Gonzaga, Vespasian Colonna's Gemalin, eine berühmte Schönheit. Der islamische Korsar Barbarossa, der später die osmanische Flotte befehligte,  rüstete eine Expedition aus, um sie aus ihrem Schlosse Fondi in Neapel für das Serai des Sultans zu entführen; sie entkam nur mit knapper Not, im Hemde zu Pferde fliehend. Ihre Schwägerin ist jene Isabella Colonna, Gemalin Ludwig Gonzaga's, deren Treue Ariost im 37. Ges. Str. 9–12 feiert. – Anna von Aragon war die Gemalin des gepriesenen Alfons d'Avalos Marchese von Vasto. [104]

Ariosto zählt eine Reihe literarischer und gelehrter Celebritäten seiner Zeit auf, von denen Molza bereits Erwähnung gefunden hat. Er und Dressin (oder Trissino) sind vielleicht die einzigen, deren Werke noch einiges Leben fristen, vom Dressin das Epos »Italia liberata da' Goti« und die älteste italienisch geschriebene Tragödie Sofonisbe. – Julio Camillo ist der Verfasser des »Teatro delle science«, eines Compendiums gelehrter Kenntnisse, um dessen willen Ariost ihn einen Wegweiser zu den »ascräischen Gestaden«, dem Reiche der Musen, nennt. – Der letzte in der Reihe Berna ist Francesco Berni, der in Italien noch heute gefeierte Erfinder des bernesken (burlesken) Stils, von welchem eine Umarbeitung des »verliebten Roland« Bojardo's sich in hohem Ansehn erhalten hat.  Der einzige Pietro Aretino ist unter den hier genannten noch heute berühmt genug. Dieser witzige und völlig schamlose Dichter wurde von seinen Zeitgenossen wegen seines Talents »der göttliche,« wegen seiner satirischen Schärfe, welche die Mächtigen der Erde nicht schonte, »die Geißel der Fürsten« genannt. – Mainardo und Leoniceno waren gelehrte Ärzte in Ferrara, letzterer der erste Übersetzer der Schriften des Galenus und der Aphorismen des Hippokrates.  [105]

Der hier genannte Bembo ist derselbe, dessen im 42. Ges. Str. 86 Erwähnung geschieht. Pietro Bembo, Geheimschreiber Leos X, später Cardinal, Venezianer von Geburt, war gleich berühmt wegen seiner lateinischen und italienischen Schriften, seiner Prosa und seiner Verse. Ariost's Lob, dass erst er die italienische Sprache »gemeinem Brauch enthoben« habe, ist zwar übertrieben, doch ist unzweifelhaft Bembo's Einfluss auf Eleganz und Feinheit der Schreibart sehr erheblich gewesen. Charakteristisch für den literarischen Epikureismus des Mannes und für die Zeit überhaupt ist es, dass man erzählte, der Cardinal lasse das Brevier von seinen Dienern lesen, weil er fürchte, seine Latinität zu verderben, wenn er es selbst tue. Der Tasso der letzten Zeile ist Bernhard, Torquato's Vater, der Verfasser des hundert Gesänge starken Rittergedichtes Amadis. [106] 

Gian Francesco Pico, Herr von Mirandola, und Alberto Pio, Herr von Carpi, zwei verwandten Häusern angehörig, waren zu ihrer Zeit als Schriftsteller angesehen. Der erstere ist nicht zu verwechseln mit dem Wunder seines Zeitalters, dem berühmten Pico della Mirandola (Giovanni), dessen Neffe er war. – Sannazar war ein hochgefeierter Dichter in Latein und Italienisch; die Schlusszeilen spielen darauf an, dass er durch seine Fischereclogen das Seeleben in die elegante Dichtung eingeführt hat. Aus der Art wie Sannazars erwähnt wird, sieht man dass Ariost mit allen übrigen Personen, die er in diesen siebenzehn Strophen aus allen Gegenden Italiens zusammenführt, persönlich bekannt war. Als Zeugnis von der Stellung des Dichters zu vornehmen Frauen, Fürsten, Edelleuten, Prälaten, Gelehrten und Poeten wird dieser »Katalog der Gönner« immer sein Interesse behalten.  [107] 

 
"O was für Frauen seh' ich, schön und klug,
O was für Ritter prangen rings am Strande,
O was für Freunde, denen nie genug
Ich danken kann für den Empfang am Lande;
Mamma, Ginevra und ein ganzer Zug
Der Frauen von Coreggio stehn am Rande.
Veronica Gambera tritt hervor,
Dem Phöbus theuer und dem Musenchor.

Ginevra seh' ich drüben, eine zweite,
Demselben Blut entstammt, und Julia
Und Sforza's Tochter und an ihrer Seite,
Im heil'gen Hain genährt, Trivulzia.
Mich dünkt, dass dort Emilia Pia schreite,
Graziosa Borgia dort und Angela,
Und mit Ricarda Este nahn dem Walle
Diana, Blanca und die Schwestern alle. (...)

Die Gattin meines Herrn von Bozolo,
Auch seine Mutter, Schwester, Muhmen kamen,
Die Fraun der Bentivogli, ebenso
Pallavicini's und Visconti's Damen,
Und sie, die allem, was man irgendwo
Mit Griechen, Römer und Barbarennamen
Gepriesen hat und heutzutage preist,
Den Kranz der Schönheit und der Huld entreißt,

Julia Gonzaga: wo ihr Fuß auch schreitet,
Wohin sie auch die holden Augen kehrt,
Ist keine, die ihr diesen Kranz bestreitet,
Die nicht als eine Göttin sie verehrt.
Von ihrer Schwägerin ist sie begleitet,
Die stets in Treue fest und unversehrt
Der zornigen Fortuna bot die Stirn.
Seht Anna Vasto, Aragons Gestirn! (...)

Lactanz und Claudio Tolomeo nahn;
Paul Pansa, Giuvenal, Dresin erscheinen;
Freund Capilupi seh' ich, Florian
Montino, Sasso, Molza, und noch einen,
Der uns den kürzren Weg, die leichtre Bahn
Gelehrt hat zu ascräischen Lorberhainen,
Julius Camillo; auch den Marc Anton
Flaminio, Sanga, Berna seh' ich schon. (...)

Seht noch zwei Alexander, aus dem Blute
Der Orologi jener, der Guarin.
Seht da Olvito, seht die Fürstenrute,
Den göttergleichen Pietro Aretin.
Seht zwei Girolamo, dort rechts der gute
Herr Veritade, links dort Cittadin.
Ich seh' Mainardo, seh' Leoniceno,
Celio, Pannizato, Teocreno.

Capello seh' ich, Bembo seh' ich droben,
Der unsrer Sprache Süß' und Reinheit mehrt,
Der sie gemeinem Brauche hat enthoben,
Und wie sie sein soll, durch sein Beispiel lehrt.
Ihm folgt Obizi, der soeben Proben
So wohlverwandter Dint' anstaunt und ehrt.
Trifon und Fracastorio sind erschienen
Und Bevazzan, und Tasso hinter ihnen. (...)

Ich seh' unsterbliche und hohe Geister,
Pio und Pico, nah an Lieb' und Blut;
Wer aber ist der dritte Mann? wie heißt er,
Auf dem der Besten Blick voll Ehrfurcht ruht?
Beschrieb man mir ihn recht, so ist's der Meister,
Den nie gesehn zu haben weh mir tut,
Jacobus Sannazar, der die Camönen
Vom Berg ans Meer gelockt mit seinen Tönen." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 46
 
 
 

18. Die Bulgaren berufen Roger auf ihren Thron, "zwischen ihm als Herrn der Bulgarei / Und Constantin der Friede sicher sei"; Rogers Hochzeit; Italien grollt dem Constantin, weil er den Sitz des Reichs nach Byzanz verlegt hat 


Die Bulgaren berufen Roger auf ihren Thron, damit "zwischen ihm als Herrn der Bulgarei / Und Constantin der Friede sicher sei"; Rogers Hochzeit wird in Paris prächtig gefeiert. Zudem erfahren wir warum Italien Groll gegen Constantin herrscht, nämlich weil er den Sitz des Reichs nach Byzanz verlegt hat. Ariost fasst noch einmal die Complimente zusammen, welche dem Gönner Ariosts Hippolyt von Este im Verlaufe des Gedichts so verschwenderisch zu teil geworden sind. Der Geburt Hippolyts, dessen Mutter Leonore von Aragon »Königin« genannt wird, weil sie die Tochter eines Königs (Ferdinand von Neapel) war, folgt die Schilderung seiner Erziehung am Hofe des ungarischen Königs Matthias Corvinus, 
dessen Gemalin Beatrice von Aragon Hippolyts Muhme war. König Matthias machte den zehnjährigen Knaben zum Erzbischof von Gran (Strigonia); im dreizehnten Lebensjahre ward er, unter Papst Alexander VI Cardinal und bald hernach Erzbischof von Mailand. Seinem Schwager, dem unglücklichen Ludwig Sforza, stand er als Ratgeber und Kriegsmann zur Seite, bis der Herzog in die Gefangenschaft Frankreichs geriet. Dann betätigte er sich in den Kriegen seines Bruders, des Herzogs von Ferrara, als tüchtiger Soldat und machte sich verdient durch Entdeckung der Verschwörung, welche Julius und Ferdinand von Este gegen Alfons angezettelt hatten (vgl. 3. Ges.). Thomas Fusco war der Erzieher und hernach der Secretär Hippolyts.    [108] 
 

"Und Roger war bereit und nahm das Reich
Von ihnen an und hatte gern versprochen
Zu kommen, wenn das Schicksal keinen Streich
Ihm spielen sollte, binnen dreizehn Wochen.
Als Leo dies vernahm, sprach er sogleich
Zu Roger, ihr Vertrag bleib' ungebrochen,
Weil zwischen ihm als Herrn der Bulgarei
Und Constantin der Friede sicher sei. (...)

Die Hochzeit wurde königlich begangen,
Wie es des Hochzeitsgebers würdig war.
Karl selber gab sie und mit solchem Prangen,
Als führ' er seine Tochter zum Altar.
So hohe Dienste hatt' er ja empfangen
Von dieser Braut und Haimons ganzer Schar,
dass er es nicht zu viel des guten fände,
Wenn er sein halbes Reich an sie verwende.

Der Hof ward frei erklärt für alle Welt;
Ein jeder komm' und geh' unangefochten.
Neun Tage gab man allen freies Feld,
Die etwas auszufechten haben mochten.
Im Freien ward ein herrlich Festgezelt
Aus Laub erbaut und Blumen drein geflochten
Und Seidenstoff und Gold, ein luft'ger Ort,
dass man nichts schönres fand in Süd und Nord.

Paris bot keinen Raum für Mann und Roß,
Für all die ungezählten Pilgerscharen,
Für arm und reich, was hier zusammenfloß
An Griechen und Lateinern und Barbaren,
Für Herren und Gesandt' und ihren Troß,
Die aus der ganzen Welt entsendet waren:
In Zelt und Hütt' und unterm Laubendach
Fand alles Unterkommen und Gemach.

Mit seltnen und erlesnen Kostbarkeiten
Begann Melissa in der letzten Nacht
Die bräutlichen Gemächer zu bereiten,
An deren Schmuck sie lange schon gedacht.
Sie hatte schon in längst verflossnen Zeiten
Für diesen Bund gebetet und gewacht,
Von dem sie wußte, welche segensvolle
Vortrefflichkeit aus ihm entspringen solle. (...)

Und jener Constantin, dem, wie wir wissen,
Das schöne Land Italien ewig grollt,
Hat unsrem Rom dies schöne Werk entrissen
Und in Byzanz es wieder aufgerollt.
Ein andrer Constantin borgt' es Melissen.
Der Schaft war Elfenbein, die Schnüre Gold,
Und schönre Bilder rings die Wände schmückten,
Als je dem Pinsel des Apelles glückten.

Die Grazien standen da mit süßer Labe
Um eine Königin in Kindesweh'n,
Und bald entwand sich ihr ein schöner Knabe,
Wie selbst die goldne Zeit ihn nicht gesehn.
Jupiter und der Gott der Rednergabe
Und Mars und Venus streuten über den
Aus vollen Händen ewigblüh'nde Kränze,
Süßes Ambrosia, Duft der Himmelslenze.

»Hippolytus« sagt' eine Schrift am Rand
Der Windeln, die des Bildes Sinn erklärte.
Bald aber nahm das Glück ihn an die Hand,
Und vor ihm schritt die Tugend als Gefährte.
Dann sah man Leut' aus einem fremden Land,
Die trugen lange Röck' und lange Bärte
Und wollten von des Knaben Vater ihn
Erbitten sich im Namen des Corvin.

Auch sah man, wie er Hercules verließ
Und Leonoren und sie scheidend ehrte;
Wie an der Donau dann das Volk sich stieß,
Um ihn zu sehn, und göttlich ihn verehrte;
Wie Ungarns weiser König dann ihn pries,
Voll Staunens, wer so reifes Wissen lehrte
Unreifen Jahren, und mit hohem Lob
Ihn über alle Reichsbaron' erhob.

Und wie der König dann dem zarten Knaben
Das Scepter von Strigonia übertrug.
Stets, im Palast wie hinter Schanz' und Graben,
Sah man das Kind in des Monarchen Zug.
Ob gegen Türken oder gegen Schwaben
Der mächt'ge König sich im Felde schlug,
Stets folgte Hippolyt, und in der Jugend
Auf hohe taten merkend, lernt' er Tugend.

Hier sah man in des Lebens Frühling ihn
Den Geist mit Wissenschaft und Künsten nähren,
Und dunklen Sinn der alten Schriften schien
Fusco an seiner Seit' ihm zu erklären.
Dies musst du suchen, jenes musst du fliehn,
Wenn du nach Kränzen strebst, die ewig währen,
Schien er zu sagen: so lebendig stand
Geberd' und Antlitz auf der Leinewand. (...)

Dort sieht man ihn vom Philosophenkreise
Und von geehrter Dichterschar umringt,
Die bald ihm der Planeten Bahn und Reise
Und Erd' und Himmel zu Papiere bringt,
Bald sanfte Elegie und muntre Weise,
Bald Heldenlied, bald holde Oden singt.
Dort lauscht er auf Musik kunstvoller Töne.
Kein Schritt, den höchste Anmut nicht verschöne.

Die Bilder, so des Zeltes Hälfte zierten,
Verherrlichten des Fürsten Knabenzeit,
Und auf der andren Hälfte triumphirten
taten der Klugheit, der Gerechtigkeit,
Der kriegerischen Kühnheit und der vierten,
Die eng in Freundschaft sich an jene reiht,
Die Tugend mein' ich, welche giebt und spendet:
Sie alle sah man hier in ihm vollendet." Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 46
 
 
 
 
 

Anmerkungen

[60] Ludovico Ariosto, Orlando furioso (Rasender Roland), Canto 23,  übersetzt von Otto Gildemeister. Berlin, 1882 ; Wissenschaftsbriefe / Science Review Letters 2022, 21, Nr. 1347, 1354 und FAZ 2022 Nr. 188, Nr. 189; Jan Wiele 2022: Fatwa, unfassbar. Das Böse im Gewand der Tugend. Zum Attentat auf Salman Rushdie; vgl. Kurse Nr. 557 Ludovico Ariosto I-II, Nr. 668 Ludovico Ariosto III, Nr. 587 Andrea Mantegna, Nr. 590 Giovanni Bellini, Nr. 556 - Torquato Tasso, Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie, Nr. 545 Sittenlehre I-II, Nr. 614 Sittenlehre III, Akademie der Kunst und Philosophie
[61] Ib.; Canto 24
[62] Ib.; Canto 25
[63] Ib.; Canto 26
[64] Ib.
[65] Ib.
[66] Ib.; Canto 27
[67] Ib.
[68] Ib.; Canto 30; zu Tasso vgl. Kurs Nr. 556 Torquato Tasso, Ib.
[69] Ib.; Canto 31; vgl. auch Kurse Nr. 545 Sittenlehre I-II, Nr. 614 Sittenlehre III, Ib.
[70] Ib.
[71] Ib.
[72] Ib.; Canto 34; zur göttlichen Komödie und Inferno vgl. Kurs Nr. 562 Dante Alighieri, Ib.
[73] Ib.
[74] Ib.; zu Nebukadnezar vgl. Kurs Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie, Ib.
[75] Ib.; Canto 35
[76] Ib.
[77] Ib.; Canto 36
[78] Ib.
[79] Ib.
[80] Ib.; vgl. Kurs Nr. 556 Torquato Tasso, Ib.
[81] Ib.; Canto 37
[82] Ib.
[83] Ib.
[84] Ib.; Canto 38
[85] Ib.
[86] Ib.
[87] Ib.; Canto 39
[88] Ib.
[89] Ib.; zu Dantes Inferno vgl. Kurs Nr. 562 Dante Alighieri, Ib.
[90] Ib.
[91] Ib.; Canto 40
[92] Ib.; zu Dantes Inferno vgl. Kurs Nr. 562 Dante Alighieri, Ib.
[93] Ib.
[94] Ib.
[95] Ib.; Canto 41; zu Tasso vgl. Kurs Nr. 556 Torquato Tasso, Ib.
[96] Ib.
[97] Ib.
[98] Ib.; Canto 43
[99] Ib.
[100] Ib.; zu Dantes Inferno vgl. Kurs Nr. 562 Dante Alighieri, Ib.
[101] Ib.; Canto 44
[102] Ib.
[103] Ib.; Canto 45
[104] Ib.; Canto 46
[105] Ib.
[106] Ib.
[107] Ib.
[108] Ib.
 
 




Raffael, Le Parnasse avec Ludovico Ariosto, Dante Alighieri, Homer, Rome, Vatican, Chambre de la Signature
 
 
 
 
 
 


Giovanni da Modena, Mohammed being tortured in Hell (detail); This picture is of an early Renaissance fresco in Bologna's Church of San Petronio, the fresco is in an inaccessible part of the church and is now only visible at an angle from a distance; this old black-and-white image shows a straight frontal view of the figures. In 2002, Islamic extremists plotted to blow up the church in order to destroy the image

In Ariostos "Orlando furioso" hat sich Astolf sich einiges zugemutet als er zu den »Höllenbolgen« reist: "Der Ritter wollte da hinuntergehn, / Um die zu schaun, die keinen Tag mehr schauen, / Und, um die Höllenbolgen anzusehn, / Sich bis zum Mittelpunkt der Welt getrauen." »Höllenbolgen« sind nach dem von Dante eingeführten Terminus technicus die Stufen oder Abschnitte der trichterförmigen Terrasse, als welche er die Hölle darstellt. "Die Hölle" in Dantes "Divina Commedia" (Göttliche Komödie) umfasst ausser dem Vorhof neun Höllenkreise, die wie ein Trichter im Mittelpunkt der Erde zusammenlaufen, dem Sitz Luzifers. Je tiefer die Seelen der Verdammten, umso größer ihre Verfehlungen und umso größer auch ihre Strafen. Dantes Mahnungen und Warnungen stehen in vollem Einklang mit der Lehre der Kirche, der er sich als Autorität immer unterworfen hat. Grunddogma ist für ihn der Glaube an die Dreieinigkeit Gottes. Thomas von Aquin und Albertus Magnus befinden sich im Paradies; Mohammed, den Dante als Irrlehrer, sittenlos und gewalttätig, beurteilt, der das Böse wollte und sich darin verhärtete, befindet sich in der Hölle. Am Eingang der Hölle heißt es: „Das sind die Stifter falscher Lehren / und allerlei sektiererischer Anhang. / Viel voller als du denkst, sind diese Gräber. / In Massen liegen Gleichgesinnte drin, / und eingebettet in gestufte Gluten" (Dante, Göttliche Komödie IX Inferno). In Dantes Göttlicher Komödie erleidet z.B. Mohammed in der Hölle das, was er in seinen "satanischen Versen" (Koran) den Nicht-Muslimen, also denen, die nicht an die islamischen Zeichen (Koran, Halbmond, Mohammed und Allah) glauben, androht.  In über 200 Suren-Versen des Koran droht Allah den NichtMuslimen irdische und ewige Strafen an. Dante begegnet Mohammed, "der Zwietrachtstifter Mohammed" oder "Mahom" genannt, im tiefsten Höllenschlund. Er klagt sich selber an, seinen gerechten Lohn erhalten zu haben: "Ein Fass, dem Dauben oder Querholz fehlen, / ist nicht so löchrig wie der Sünder (Mohammed) war, / bei dem's vom Kinn bis an den After klaffte./ Zwischen den Beinen hing ihm das Gedärm. / Herz, Leber, Lunge sah man und den Sack, / der Kot aus allem macht, was wir verschlucken. / Indess ich mit den Augen ihn durchbohre, / blickt er auf mich und öffnet sich die Brust / mit Händen: 'Schau nur!' rufend, 'Selbstzerreißung! / Betrachte den verstümmelten Mohammed! / Der vor mir geht und jammert, ist Ali (der Kalif, der die Mohammedaner in zwei Sekten spaltete), / das Angesicht vom Kinn zum Schopf zerschlitzt. / Und Ärgernis und Zwiespalt haben alle, / die du hier siehst, erregt in ihrem Leben, / drum sind sie ebenso zerspalten hier. / Dort hinten steht ein Teufel, der zerstückt, / mit Schwertesschärfe feden dieser Sekte / gar grausam jedesmal, dass uns der Weg / dieselbe Schmerzensstraße führt im Kreis. / Denn immer schließt sich unsere Verwundung, / bevor an ihm vorbei wir wieder kommen. / Jedoch, wer bist du, dass du spähst und schnüffelst / dort auf der Brücke und die Strafe wohl, / die zugesprochene, verzögern möchtest?' / 'Der Tod hat ihn', erwiderte mein Meister (Vergil), / 'noch nicht ereilt, noch soll er Sünden büßen. / Damit ihm aber volle Kenntnis werde, / muss ich, der schon Gestorbene, ihn führen / von Kreis zu Kreis hienieden durch die Hölle. / Das ist so wahr wie, dass ich sprech zu dir.' / Es waren mehr als hundert, die das hörten, / und blieben stehn, vergaßen ihre Qual / und staunten aus dem Graben nur nach mit."(Dante, Göttliche Komödie XXVIII Inferno), vgl. Kurse Nr. 562 Dante Alighieri, Nr. 557 Ludovico Ariosto I-II, Nr. 668 Ludovico Ariosto III, Nr. 558 Calderon de la Barca, Nr. 563 Miguel de Cervantes I, Nr. 645 Miguel de Cervantes II, Nr. 500 St. Thomas von Aquin: Summa contra Gentiles, Nr. 579 Albertus Magnus, Akademie der Kunst und Philosophie
 
 


Raffaello e Giulio Romano, San Michele sconfigge Satana

Immer wieder streitet der Erzengel "San Michele" auf der Seite der Christen so wie Roland (Orlando) eigentlich auch; zudem muss Roland Jungfrauen befreien, die von Korsaren oder anderen Räuberbanden geraubt wurden, so auch bei der Geschichte der Isabella von Galizien und des Prinzen Zerbin von Schottland. Dante lässt die Gewalttätigen, wie islamische Korsaren, in Lachen siedenden Bluts büßen. Die Centauren unter Chirons Führung bewachen diese Verdammten und treiben sie, wenn sie ans Ufer klettern, mit Pfeilschüssen in die heiße Flut zurück. Anspielungen auf die göttliche Komödie und selbst einzelne Verse aus derselben kommen wiederholt im Rasenden Roland vor wie hier in Canto 13.  Die islamischen Halunken werden von Roland mit ihrem "juego de cañas" beehrt, indem er einen Tisch auf die Halunken wirft. Das spanische, eigentlich maurische Reiterspiel des Rohrwerfens, juego de cañas, wird in Italien zu Ariosts Zeit von Gauklern öffentlich gezeigt. Die »Chronik des Turpin,« eine Sammlung fabelhafter Geschichten von Karl d. Gr. und seinen Paladinen, zitiert Ariost an verschiedenen Stellen als seine Quelle, so auch hier. Turpin selbst ist der Sage zufolge Erzbischof von Reims und zugleich einer der zwölf Paladine. 

Rinaldo, Orlando und das Problem der gefährlichen Waffen in falschen Händen

Rolands Schwert in den Händen der Muslime; das erinnert an die islamischen Länder Pakistan oder Iran, das auch für das von einem Muslim kürzlich verübte Attentat auf S. Rushdie verantwortlich ist, obwohl er den Koran nur als das bezeichnet hat was ihn ausmacht, nämlich eine Ansammlung von "Satanischen Versen", die auch in der iranischen Fatwa wieder auftauchen; Rushdie sagte damals: "Man könnte Khomeinis Fatwa selbst als eine Ansammlung satanischer Verse ansehen." Beise Länder  haben oder versuchen die Atombombe zu bauen: "Bedenke selbst, was für Gefahren drohn / Der ganzen Christenheit und allen Frommen, / Seit Durindane jetzt, wie einmal schon, / In die Gewalt des Heidentums gekommen!" Iran gilt als das gefährlichste Land mit unkontollierbaren Muslim-Horden und bleibt damit "ein Machtpolitischer und weltanschaulicher Widersacher des Westens, zunehmend gestützt von Russland und China." Durch Unachtsamkeit bzw. Rolands "Raserei" oder "Wahnsinn" gerät die Waffe in die Hände des Feindes der Christenheit. Rinaldo will das schlimmste verhindern und Roland heilen. (Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 31)
 

Astolf reist zu den »Höllenbolgen« und später ins Paradies um von dort Rolands verlornen Verstand zurückzuholen; Gott hat Roland zum "Schützer seiner Christenheit" gemacht; wie Nebukadnezar hat er seine Pflicht verletzt und wurde mit Wahnsinn gestraft

In Ariostos "Orlando furioso" hat sich Astolf sich einiges zugemutet als er zu den »Höllenbolgen« reist: "Der Ritter wollte da hinuntergehn, / Um die zu schaun, die keinen Tag mehr schauen, / Und, um die Höllenbolgen anzusehn, / Sich bis zum Mittelpunkt der Welt getrauen." »Höllenbolgen« sind nach dem von Dante eingeführten Terminus technicus die Stufen oder Abschnitte der trichterförmigen Terrasse, als welche er die Hölle darstellt. "Die Hölle" in Dantes "Divina Commedia" (Göttliche Komödie) umfasst ausser dem Vorhof neun Höllenkreise, die wie ein Trichter im Mittelpunkt der Erde zusammenlaufen, dem Sitz Luzifers. Je tiefer die Seelen der Verdammten, umso größer ihre Verfehlungen und umso größer auch ihre Strafen. Dantes Mahnungen und Warnungen stehen in vollem Einklang mit der Lehre der Kirche, der er sich als Autorität immer unterworfen hat. Grunddogma ist für ihn der Glaube an die Dreieinigkeit Gottes. Thomas von Aquin und Albertus Magnus befinden sich im Paradies; Mohammed, den Dante als Irrlehrer, sittenlos und gewalttätig, beurteilt, der das Böse wollte und sich darin verhärtete, befindet sich in der Hölle. Am Eingang der Hölle heißt es: „Das sind die Stifter falscher Lehren / und allerlei sektiererischer Anhang. / Viel voller als du denkst, sind diese Gräber. / In Massen liegen Gleichgesinnte drin, / und eingebettet in gestufte Gluten" (Dante, Göttliche Komödie IX Inferno). In Dantes Göttlicher Komödie erleidet z.B. Mohammed in der Hölle das, was er in seinen "satanischen Versen" (Koran) den Nicht-Muslimen, also denen, die nicht an die islamischen Zeichen (Koran, Halbmond, Mohammed und Allah) glauben, androht.  In über 200 Suren-Versen des Koran droht Allah den NichtMuslimen irdische und ewige Strafen an. Dante begegnet Mohammed, "der Zwietrachtstifter Mohammed" oder "Mahom" genannt, im tiefsten Höllenschlund. Er klagt sich selber an, seinen gerechten Lohn erhalten zu haben: "Ein Fass, dem Dauben oder Querholz fehlen, / ist nicht so löchrig wie der Sünder (Mohammed) war, / bei dem's vom Kinn bis an den After klaffte./ Zwischen den Beinen hing ihm das Gedärm. / Herz, Leber, Lunge sah man und den Sack, / der Kot aus allem macht, was wir verschlucken. / Indess ich mit den Augen ihn durchbohre, / blickt er auf mich und öffnet sich die Brust / mit Händen: 'Schau nur!' rufend, 'Selbstzerreißung! / Betrachte den verstümmelten Mohammed! / Der vor mir geht und jammert, ist Ali (der Kalif, der die Mohammedaner in zwei Sekten spaltete), / das Angesicht vom Kinn zum Schopf zerschlitzt. / Und Ärgernis und Zwiespalt haben alle, / die du hier siehst, erregt in ihrem Leben, / drum sind sie ebenso zerspalten hier. / Dort hinten steht ein Teufel, der zerstückt, / mit Schwertesschärfe feden dieser Sekte / gar grausam jedesmal, dass uns der Weg / dieselbe Schmerzensstraße führt im Kreis. / Denn immer schließt sich unsere Verwundung, / bevor an ihm vorbei wir wieder kommen. / Jedoch, wer bist du, dass du spähst und schnüffelst / dort auf der Brücke und die Strafe wohl, / die zugesprochene, verzögern möchtest?' / 'Der Tod hat ihn', erwiderte mein Meister (Vergil), / 'noch nicht ereilt, noch soll er Sünden büßen. / Damit ihm aber volle Kenntnis werde, / muss ich, der schon Gestorbene, ihn führen / von Kreis zu Kreis hienieden durch die Hölle. / Das ist so wahr wie, dass ich sprech zu dir.' / Es waren mehr als hundert, die das hörten, / und blieben stehn, vergaßen ihre Qual / und staunten aus dem Graben nur nach mit."(Dante, Göttliche Komödie XXVIII Inferno) 

Gott hat Roland zum "Schützer seiner Christenheit" gemacht "Wie er den Simson gegen Philistäer / Zum Schützer hat bestellt für die Hebräer". Aber er hat versäumt "für's heil'ge Kreuz zu ringen". Denn "Er hat vom gläub'gen Volk sich abgewendet / Da Christi Feind' am ärgsten es bedrohn. / Fluchwürd'ge Liebe hat ihn so verblendet, / Zu einer Heidin, dass er zweimal schon / Und öfter nah daran war, des getreuen / Leiblichen Vetters Leben zu bedräuen. / »Darum hat Gott mit Wahnsinn ihn geschlagen / Und hat verdunkelt seines Geistes Licht, / dass nackt er seine Scham zur Schau getragen / Und keinen kennt, zumal sich selber nicht. / So traf ja auch in den vergangnen Tagen / Nebukadnezar Gottes Strafgericht, / Der sieben Jahre lang von sich nicht wusste / Und Heu und Gras, gleich Ochsen, fressen musste." Der spanische Dichter, Schriftsteller und Komponist Temistocle Solera (1815-1878) schrieb das Libretto zu Giuseppe Verdis "Nabucco", wodurch Verdi weltberühmt werden sollte. Die Musik bringt die romantische Philosophie zum Ausdruck, die immer eine Philosophie der Freiheit ist. So zum Beispiel der feierlich fließende Hoffnungsgesang des Zacharias im ersten Act: "D'Egitto là sui lidi..." (In schweren Leidenstagen / Sandte er Moses als Retter. / Siegreich die Feinde schlagen / Half er Gideons kleiner Schar. / Niemals wird Leid euch geschehen, / Baut ihr auf den Herrn in Not und Gefahr. / ... Glückliche Friedenstage / Werden wir wiedersehen), den der Chor unisono aufnimmt; und vor allem im Gesang des Gefangenenchors am Ende des dritten Acts. So wie es hier um die Befreiung der Hebräer vom Joch des Nebukadnezar und die Vertreibung des Verräters (Ismael) geht, der den "Lügengott" Baal verehrt, so hatte sich zu Verdis Lebzeiten Griechenland vom Joch der ismaelitischen Osmanen bzw. Türken und ihrem "Lügengott" Allah befreit. Was Zacharias am Ende des ersten Acts zu Ismael sagt, könnte man heute den Muslimen sagen: "Dalle genti sii reietto, / Dei fratelli traditore! / Il zuo nome maledetto / Fia l'obbrobio d'ogni età! / 'Oh, fuggite il maledetto', / Terra e cielo griderà." (Ja, ganz Israel wird schmähen dich, Verräter an den Brüdern. Mit Verachtung soll dich sehen wer zum wahren Glauben sich bekennt! Gram und Schrecken wird entstehen, wo man deinen Namen nennt!) Im Gegensatz zu den heutigen Muslimen, die weiterhin an ihrem "Lügengott" festhalten, erkennen Nebukadnezar und Ismael - zumindest in der Oper - dass sie bisher einen "Lügengott" oder "Unheilsgötzen" angebetet hatten; nun bekennen sie sich zum Gott der Hebräer, der eigentlich Christus ist. Dazu Zacharias: "Ein mächtiger Herrscher wirst du durch den Segen Gottes sein!" (Ludovico Ariosto, Orlando furioso, Canto 34)
 

Esclarmonde und das Rolandslied

Die 1889 uraufgeführte "opèra romanesque" in vier Akten Esclarmonde gilt gemeinhin als eines von Massenets Meisterwerken und als diejenige unter seinen Opern, die am meisten Einfluss von Richard Wagner aufweist (Massenet hatte 1886 in Bayreuth begeistert den Parsifal gesehen). Das Sujet der Oper stammt aus den mittelalterlichen französischen "Chansons de geste", hauptsächlich aus dem Partonopeus de Blois, dessen Manuskript damals gerade neu aufgefunden und ediert worden war. Partonopeus wird beim Jagen in den Ardennen von der Tochter des byzantinischen Kaisers, Melior (die in anderen Quellen eine Schwester der Melusine ist), auf eine Insel mit unsichtbaren Bewohnern entrückt. Melior besucht ihn nächtens und vergnügt sich mit ihm, verbietet ihm aber, jemals ihren Schleier zu lüften. Partonopeus hält sich nicht an das Verbot, nach einigen Irrungen, Wirrungen und Prüfungen kommt es aber doch zu einem Happy End. Bei Massenet wird Partonopeus zu Roland, womit der Stoff in den Roland-Sagenkreis eingegliedert wird, und Melior wird zu Esclarmonde, die noch eine Aufpasserin in Gestalt ihrer älteren Schwester Parséis bekommt. 

Im Kern geht es bei Esclarmonde zwar um die Ver- und Enthüllung, die Rahmengeschichte spielt aber im christlichen Byzantium (Konstantinopel und seit Besetzung durch der Türken Istanbul) und in Frankreich zur Zeit der Widerstandskämpfe der Franken gegen die aus dem Süden vordringenden Muslime, gegen die vor allem Roland seinen Landsleuten zu Hilfe eilt. Wagner-Einfluss wird im christlichen Freiheitskampf gegen die Muslime (vgl. Parsifal und Lohengrin) und in der motivischen Behandlung gesehen. Das prominenteste ist das "Zaubermotiv" aus absteigenden kleinen Terzen im punktierten Rhythmus, wenn Esclarmonde und/oder Phorcas ihre magischen Kräfte einsetzen. Gerade die Zaubersprüche sind übrigens die besonders hohen Koloraturpassagen der Partie, als ob die Höhe und die Koloratur gewissermaßen für die geistige Welt bzw. das "Andersweltliche" im Charakter der Esclarmonde stünde. Weitere Leitmotive sind das Esclarmonde-Motiv, das Roland-Motiv, das Tunier-Motiv, das Hochzeits- und das Prozessions-Motiv. Esclarmonde ist eine Oper (Originalbezeichnung: „Opéra romanesque“) in vier Akten und acht Bildern mit einem Prolog und einem Epilog des französischen Komponisten Jules Massenet. Das Libretto stammt von Alfred Blau und Louis de Gramont. Die Uraufführung fand am 14. oder 15. Mai 1889 der Salle du Châtelet der Opéra-Comique in Paris statt. Die Oper beginnt mit dem Prolog: Der byzantinische Kaiser Phorcas, der auch ein großer Magier ist, verkündet seinen Rücktritt als Kaiser zu Gunsten seiner Tochter Esclarmonde. Gleichzeitig hat er auch seine Zauberkraft auf seine Tochter übertragen. Allerdings muss Esclarmonde bis zu ihrem 20. Lebensjahr gegenüber Männern verschleiert auftreten. Nach ihrem 20. Geburtstag soll dann ein Turnier stattfinden, bei dem der zukünftige Gatte Esclarmondes ermittelt werden soll. Dieser soll dann auch die Kaiserkrone übernehmen. Bis dahin wird Parséis, die Schwester von Esclarmonde, mit der Überwachung ihrer Schwester betraut. Der Prolog endet mit der Übergabe der Reichsinsignien, Krone und Schwert, an Esclarmonde. 

Erster Akt: Esclarmonde hat sich in den französischen Ritter Roland, den Herzog von Blois, verliebt. Dann erfährt sie von Enéas, einem byzantinischen Ritter und Verlobten ihrer Schwester, den die Schwester schon mit Spannung erwartet ("avez-vous combattu contre les mécréants?" - Hast du gegen die Ungläubigen gekämpft?), dass dieser tapfere Soldat Bathilde, die Tochter des französischen Königs heiraten werde. In dieser Situation bedient sich Esclarmonde ihrer Zauberkraft. Mit Hilfe der beschwörten Geister schafft sie es, Roland auf eine entlegene Insel zu locken. Dort plant sie ein Treffen mit ihm. 

Zweiter Akt: Roland und Esclarmonde treffen sich auf der Insel. Esclarmonde klärt ihn über ihre Zauberkraft auf und gesteht ihm ihre Liebe. Der völlig hingerissene Roland erliegt ihrem Charme, und es kommt zu einer Liebesnacht. Sie will ihn aber nicht zu lange von seiner eigentlichen Aufgabe, dem Kampf gegen die Sarazenen, abhalten: "O mon amant! Ton peuple a besoin de secours! / Le chef de Sarrazins, Sarwégur l' implacable, / tient assiégé dans Blois le viux roi Cléomer, / va arracher les tiens au deuil qui les accable! / La gloire à mon amour te rendra bien plus cher! (Oh meine Liebe, Deine Leute brauchen deine Hilfe! Der Chef der Sarazenen, der unerbittliche Sarwégur, belagert König Cléomer in Blois; geh, schnapp ihn dir und schütze die Bevölkerung vor ihm. Dein gloreicher Sieg wird dich für mich noch begehrenswerter machen). Bei dieser Gelegenheit erhält er von seiner Geliebten das Schwert des Heiligen St. Georg, dem "himmliche Kräfte" beigemessen werden, mit dem er unbesiegbar wird: "Cette epée a du ciel recu le privilège / d' assurer la victoire au loyal chevalier / qui garde son serment sans jamais l'oublier, / contre tous les périls cette arme le protège." (Dieses Schwert hat vom Himmel die gesegnete Kraft erhalten, den Sieg herbeizuführen für den loyalen Ritter, der sich an den Schwur hält und ihn niemals bricht; diese Waffe wird ihn gegen jedes Übel schützen). Die Bedingung ist die Geheimhaltung ihrer Beziehung und der Kampf für das Christentum. Sie verspricht, ihn mit Hilfe ihrer Zauberkraft täglich (oder besser nächtlich) zu besuchen, wo immer er sich auch aufhalte. Roland versichert, das Schwert sachgerecht einzusetzen, zum Nutzen des Christentums und natürlich nicht gegen die Christen, wie es zur Zeit der russische Despot in der Ukraine unternimmt: "O glaive, à ton aspect je m' incline avec crainte / et c'est en frémissant qu'ici je te recois, / ô lame redoutable et sainte, / forme divine de la Croix! / Avant de te saisir pour augmenter ma gloire, / chrétien, je m'agenouille humblement devant toi! / Céleste emblème de la foi!" (O Schwert, Ich beuge mich vor dir in Furcht, und ich bebe wenn ich dich erhalte, o furchbar und heilige Klinge, heilige Form des Kreuzes! Bevor ich dich beschlagnahme für die Unterstützung meiner gloreichen Aufgabe, als Christ kniee ich vor dir nieder! Himmlisches Symbol des Glaubens!). 

Dritter Akt: Frankreich wird von den Sarazenen bedroht. Die Muslime bzw. Sarazenen fordern einen Tribut von 100 Jungfrauen, um den Harem des Sultans zu bestücken, eine Tatsache, die schon von vielen spanischen Dichtern wie Calderon, Cervantes oder Lope de Vega thematisiert wurde. Der König von Frankreich beklagt: "Pour nous sauver il faudrait un prodige! / L'infâme Sarwégur aujourd'hui même exige / un tribut de cent vierges captives. / Le cruel à ce prix nous offre le salut, / et vers le ciel en vain montent nos voix plaintives!" (Nur ein Wunder kann uns jetzt retten! Der berüchtigte Sarwégur fordert heute einen Tribut von 100 Jungfrauen als seine Gefangenen. Der grausame Tyrann garantiert uns Sicherheit zu diesem Preis und unsere jammernden Stimmen steigen zum umsonst zum Himmel!). Wie in der von Russland überfallenen Ukraine, fragt sich das Volk: "Dois-tu subir la loi d'un vainquereur déstesté?" (Musst du die Vormachtstellung eines verhassten Eroberers erdulden?) Die Sarazenen sind schon im Anmarsch, da erscheint Roland. Roland, der ja dank seines St. Georgs Schwerts unbesiegbar ist, fordert den muslimischen bzw. sarazenischen König zum Duell heraus: "Toi, va dire à ton maître, / à ce barbare impie / qu'un chrétien le défie / en combat singulier! / O peuple, reprends courage, et tu triompheras! / Dieu ne nous abandonne pas! / Jeunes guerriers, renez vos armes / et volons ensemble aux combats!" (Geh und sag deinem Meister, dem gottlosen Barbaren, dass ein Christ ihn zu einem Zweikampf herausfordert! O Volk, habt Mut und ihr werdet siegreich sein! Gott hat uns nicht verlassen! Junge Kämpfer nehmt eure Waffen und lasst uns zusammen kämpfen!) Roland gewinnt dieses Duell natürlich. Die Sarazenen müssen den Schatz ihres Anführers Roland und den Franzosen überreichen. Damit ist die Bedrohung Frankreichs beendet, und der dankbare französische König will Roland nun zu seinem Schwiegersohn machen. Dieser schlägt aber zu aller Überraschung die Hand der Königstochter aus. Auf Nachfrage gesteht er seine Liebe zu Esclarmonde und erzählt von deren Zauberkraft. Daraufhin warnt ihn der Bischof von Blois vor Hexerei, ohne die Tatsachen zu prüfen, eine Verfahrensweise wie sie noch heute bei den oberen der Kirche üblich ist; statt im islamischen Pseudo-Gott einen Dämon zu sehen, bezichtigt der Bischof die christliche Königstochter Esclarmonde der Hexerei und dass sie mit Dämonen gemeinsame Sache mache. Der Ritter Roland weist den verirrten Bischof zurecht: "Non! Un démon par qui l'âme est perdue et flétrie / ne m'eût pas ordonné de sauver ma patrie! (Nein! Ein Dämon, durch welchen die Seele verloren und entehrt ist, hätte mich nicht beauftragt, mein Land zu retten!) Vgl. Kurse Nr. 557 Ludovico Ariosto I-II, Nr. 668 Ludovico Ariosto III, Nr. 562 Dante Alighieri, Nr. 558 Calderon de la Barca, Nr. 563 Miguel de Cervantes I, Nr. 645 Miguel de Cervantes II, Nr. 500 St. Thomas von Aquin: Summa contra Gentiles, Nr. 579 Albertus Magnus, Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 522 Raffael (Raffaello Sanzio), Akademie der Kunst und Philosophie
 
 


Tiziano Vecellio, Portrait of Ariosto, 1510
 

Ludovico Ariosto
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Letzte Bearbeitung:15.03.2023