Akademie der Kunst und Philosophie | Academy of Arts and Philosophy
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Kurs Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II


"Voici le paradis!
Gloire, tout s'éclaire!
Gloire, tout rayonne!
Libres du lien mortel,
nous phanons, nous phanons dans la lumière,
oubliant la vie amère
pour les délices, les délices du ciel!
Sans jamais ternir l'aurore,
l'aurore qui brille sur notre front,
mille siècles passeront
et mille ciècles encore,
mill siècle!" Jules Massenet's "Le roi de Lahore" Act II
Carl Gustav Carus, Das Eismeer bei Chamonix, 1825-27

 

 
 
 
 
 

 

Aus dem Inhalt:
 

1.  Jules Massenet's "Le roi de Lahore" (Der König von Lahore)

Nach der einaktigen Oper "La Grand Tante" wagte sich Massenet gleich an ein abendfüllendes dreiaktiges Werk, "Don César de Bazan", Komische Oper, uraufgeführt an der Opéra Comique Paris 1872. Danach schrieb er zwei dramatische Werke "Marie-Magdalene" (1873) und "Ève" (1875). Beide Werke wurden mit gröstem Beifall aufgenommen, und im Juli 1876 wurde der Komponist zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. "Le roi de Lahore" war also die Oper, die ihm 1877 den ersten durchschlagenden Erfolg bescherte und seine Reputation als Theaterkomponist endgültig sicherte. Es war dieses Werk, das ihm die Pforten der Pariser Oper, des Allerheiligsten des französischen Opernlebens, öffnete. Erste Entwürfe stammen bereits aus dem Jahr 1869. Die Komposition entstand zwischen 1872 und 1877. Als er mit der Arbeit begann, gab es noch keinen festen Auftrag der Pariser Oper. Erst im Juli 1876 bat ihn die Direktion um ein Vorspiel aus dem schon fast fertigen Werk und nahm es anschließend trotz der Unerfahrenheit des Komponisten in diesem Genre ins Programm der Opéra Garnier auf. Die Uraufführung am 27. April 1877 dirigierte Edouard Deldevez. Regie führte Adolphe Mayer. Unter den Zuschauern befanden sich Gustave Flaubert, Léon Gambetta, Charles Gounod, Hortense Schneider, Gustave Doré, Georges-Eugène Haussmann, der französische Staatspräsident Patrice de Mac-Mahon und der brasilianische Kaiser Peter II. Die Aufführung war nicht zuletzt wegen der aufwändigen Bühnenbilder ein spektakulärer Erfolg. Massenet galt nun als der führende Opernkomponist seines Landes. Die Oper war damals nicht nur in Paris sehr erfolgreich. Das Werk wurde bald in ganz Europa und sogar in Amerika gespielt. Im Jahr 1977 wurde die Oper in Vancouver wieder aufgenommen. Diese Produktion wurde auch in San Francisco aufgeführt. Die Leitung hatte Richard Bonynge, und die Hauptrolle sang Joan Sutherland. Allerdings hatte er noch nicht Bayreuth besucht, das heisst er ist noch nicht unter den Einfluss von Richard Wagner gekommen, und so musste er noch lernen, einen musikalischen Gedanken durchzuhalten, ihn zur Entfaltung zu bringen und zum Wachsen, ihn zu unterstützen mit einem symphonischen Klang. Wenn es also hier Opernkomponisten gibt, deren Erbe Massenet in seiner Partitur übernimmt und entfaltet, so sind es Ambroise Thomas, sein Lehrer am Konservatorium, und Charles Gounod. Der Einfluss Gounods zeigt sich am deutlichsten im dritten Akt. [1] 

Ort und Zeit der Handlung ist Indien, zur Zeit der mohammedanischen Invasion um 1020. Personen: Louis Gallet, der gesuchteste Librettist seiner Zeit, schlug Massenet dieses Sujet aus der indischen Geschichte vor. Diese Themen wie Verteidigung des Griechentums gegen die Perser, des Christentums gegen die Muslime im Mittelalter oder alter Religionen gegen einfallende Moslems, waren angesagt, gerade in einer Zeit, in der ein rationalistischer Geist und die protestantische Rigidität alle wahrhaft religiösen Gefühle im Keim erstickten, was nicht zuletzt am Verschwinden der Bienenwachskerzen in der Kirche und einem verkümmerten Abendmahl mit einer Art Esspapier, zu sehen war. Die handelnden Personen sind: Alim, König von Lahore (Tenor), Sitâ, Priesterin in Indras Tempel und Scindias Nichte (Sopran), Scindia, königlicher Minister (Bariton),    Timour, Hohepriester Indras (Bass), Indra, indische Gottheit (Bass), Kaled, Vertrauter des Königs (Mezzosopran), ein Anführer (Bariton), ein Soldat (Bariton), Priester, Priesterinnen, Anführer, Soldaten, himmlische Seelen, Volk (Chor, Statisten), Ballett

Erster Akt: Lahore wird von dem muslimischen Sultan Mahmoud und seinen Muslim-Horden angegriffen. Daraufhin versammelt sich das Volk vor dem Tempel des Gottes Indra, um diesen um Hilfe zu bitten: "Bientôt les musulmans seront devant Lahore! / ... Ils viennent comme un flot que rien n'arrêtera! / ... La mort marche avec eux et la flamme dévore / partout sur leur chemin, les champs et les cités! / Mahmoud, le sultan redoutable, / méne ces hommes indomptés, ces hommes / ... Bientôt les musulmans seront devant Lahore!" (Bald ist der Muselmann bei uns mit seinen Heeren; Sie kommen wie das Meer, nichts hält die Schrecken auf, mit ihnen geht der Tod, die Flammen verzehren alles auf ihrem Weg, die Städte und die Felder! Mahmoud, jener furchtbare Sultan führt uns die Wilden selbst herauf... Bald ist der Muselmann bei uns mit seinen Heeren!). Die Hilfe wird vom Hohepriester Timour im Namen der Gottheit zugesagt, die die Muslime, also die Feinde allen Geistes, vernichten wird. Der Priester fragt den Minister des Königs, welche Strafe den Barbaren Mohamed erwarten wird: "Ministre du roi notre maître, / O Scindia, viens-tu nous annoncer enfin / du barbare Mahmoud le châtiment prochain?" (Minister des Herrn unseres Königs, wirst du, o Scindia, endlich uns verkünden, dass den Barbaren Mohamed gerechte Strafe trifft ?) Der Minister hat jedoch nur eins im Sinn, nämlich wie er die Pristerin aus dem Tempel zu seiner Frau machen kann. Der königliche Minister Scindia, der sich in seine eigene Nichte Sitâ verliebt hat, bittet Timour, Sitâ, die als Priesterin im Tempel tätig ist, aus diesem Amt zu entlassen. Als Timour dieses Ansinnen mit dem Hinweis, dass dies nur der König entscheiden könne, abweist, erklärt ihm Scindia, dass seine Nichte den Tempel entheilige und jede Nacht Besuch von einem unbekannten Mann erhalte. Timour verspricht der Sache nachzugehen, was Scindia aber nun in eine Zwickmühle bringt. Er will ja nicht die Bestrafung Sitâs, sondern nur ihre Freistellung vom Priesteramt. Bald darauf trifft Scindia auf seine Nichte. Bei dieser Gelegenheit gesteht er ihr seine Liebe. Sitâ erzählt ihm von dem nächtlichen Besucher, der, ohne sie zu berühren, Liebeserklärungen mache. Gleichzeitig weist Sitâ aber Scindias Liebeserklärung zurück. Dieser wird wütend, ruft Timour und andere Priester herbei und verlangt die Bestrafung Sitâs. Die hohe Geistlichkeit verurteilt Sitâ daraufhin zum Tode. In diesem Augenblick erscheint König Alim mit seinem Diener und erklärt, er selbst sei der nächtliche Besucher Sitâs, in die er sich verliebt habe. Diese Erklärung empört Timour, erstens weil er durch die heimlichen königlichen Besuche im Tempel diesen entheiligt sieht, und zweitens, weil er vom König erwartet, dass er bei seinen Soldaten im Krieg sei. Der König entschuldigt sich und unterwirft sich Timour, indem er um dessen bzw. um Indras Segen für den Feldzug bittet. Der Priester schimpft über den Pseudo-Propheten Mohammed, den sie in ihrem Wahn Prophet nennen: "Le sultan Mahmoud vient pour nos dieux! / Au nom de Mahomed, qu'ils nomment le Prophète, / ses soldats, si ta main ne les arrête, / vont chasser jusqu' ici nos poeples devant eux! / Eh bien! rassemble ton armée, marche vers le désert, / et que devant les pas, ainsi qu'une fumée, / s' efface l'ennemi menacant notre sol!" (Sultan Mahmoud hasst unsere Gottheiten schwer; er naht im Namen von Mohamed, den sie im Wahn Prophet zu nennen wagen; seine Soldaten treiben unsere Völker zu uns vor sich her. Nun wohl, bekämpf, die uns bedrohen, ziehe hin zur Wüste gleich, dass sie vor deinem Schritt wie Rauch sich zerstreuen, Vernichte unseren Feind und befreie das Reich!)

"Le sultan Mahmoud vient pour nos dieux!
Au nom de Mahomed, qu'ils nomment le Prophète, 
ses soldats, si ta main ne les arrête, 
vont chasser jusqu' ici nos poeples devant eux! 
Eh bien! rassemble ton armée, marche vers le désert, 
et que devant les pas, ainsi qu'une fumée, 
s' efface l'ennemi menacant notre sol!" Jules Massenet's "Le roi de Lahore" Act I
(Sultan Mahmoud hasst unsere Gottheiten schwer; 
er naht im Namen von Mohamed, den sie im Wahn Prophet zu nennen wagen; 
seine Soldaten treiben unsere Völker zu uns vor sich her. 
Nun wohl, bekämpf, die uns bedrohen, ziehe hin zur Wüste gleich, 
dass sie vor deinem Schritt wie Rauch sich zerstreuen, 
Vernichte unseren Feind und befreie das Reich!)
Nachdem ihm das gewährt wurde, macht er sich auf den Weg zu seinen Soldaten im Kriegseinsatz. Sitâ ist entlastet, und Scindia schwört enttäuscht Rache. [2] 

Zweiter Akt: Lager des Königs in der Wüste von Thôl. Es kommt in einer Wüste zu einer Schlacht zwischen dem Heer von Lahore und den muslimischen Invasoren. Scindia erscheint und erzählt den auf ihren König wartenden Soldaten, dass dieser verwundet und die Schlacht verloren sei. Anschließend macht sich Scindia selbst zum neuen Regenten, indem er sich von den Soldaten die Treue schwören lässt. Der König habe sich mehr auf die verbotene Liebe zur Priesterin konzentriert als auf die Bekämpfung der Muslim-Horden, weshalb er und seine Soldaten durch die Götter abgestraft würden: "Les diex vous punireient aussi, / et dans quelque immense carnage, / aux coups d'une horde sauvage, / ils vous jetteraient sans merci!" (Die Götter straften alsdann auch euch, sie ließen von blutdürstigen Horden euch hier ohne Gnade ermorden). Alle fliehen zurück in die Hauptstadt. Dort taucht auch der schwerverwundete König auf. Er berichtet von einem Verrat Scindias und dass dieser ihn hinterrücks attackiert habe. Alim glaubt wegen seiner heimlichen Tempelbesuche auch an eine Strafe Indras gegen ihn. Noch bevor er seinen Verwundungen erliegt, gesteht ihm Sitâ ihre Liebe. Diese fällt nun ihrerseits in Scindias Hand, der sie verschleppt. [3] 

Dritter Akt: Paradies Indras am Berg Meru. Im Gegensatz zum muslimischen "Paradies", das von vielen Dichtern und Malern in der Hölle verortet wird, ist das Paradies Indras dem christlichen ähnlich: Davon singen die glücklichen Seelen im Hain der Seligen im Paradies des Indra auf dem Berge Meru mit prachtvoller Vegetation, wo strahlendes Licht, unvergängliche Jugend, strahlende Himmelssonnen zu finden sind; hier ist man befreit vom irdischen Band; in dem Licht wir selig schweben, Wer lässt nicht das bittre Leben, der hier den Himmel fand! Jahrhunderte sind vergangen, Jahrhunderte werden noch kommen::

"Voici le paradis!
Gloire, tout s'éclaire!
Gloire, tout rayonne!
Libres du lien mortel,
nous phanons, nous phanons dans la lumière,
oubliant la vie amère
pour les délices, les délices du ciel!
Sans jamais ternir l'aurore,
l'aurore qui brille sur notre front,
mille siècles passeront
et mille ciècles encore,
mill siècle!" Jules Massenet's "Le roi de Lahore" Act II
König Alim ist in das Paradies der Gottheit eingegangen. Er bittet Indra um die Erlaubnis, noch einmal auf die Erde zurückkehren zu dürfen. Diese Bitte wird ihm unter der Bedingung erlaubt, dass er dort nur als Bettler leben dürfe. Bei einem Verstoß gegen diese Bedingung würde nicht nur der König, sondern auch Sitâ sofort sterben. Der König stimmt zu und darf somit auf die Erde zurückkehren. [4] 

Vierter Akt: Zimmer im königlichen Palast. Der Krieg gegen die Muslim-Horden in Lahore ist zu Ende. Die Angreifer wurden zurückgeschlagen, und Scindia lässt sich als Sieger feiern: "Aux troupes du Sultan / qui menacaient Lahore, la royale cité / notre puissance est redoutable encore. / Comme si les chassait une invisible main, / elles ont du désert regagné le chemin" (Die Truppen des Sultans, die es kühn wollten wagen, sich Lahore zu nahen, durch unsere Macht sind sie zurückgeschlagen! Als hätte sie verjagt eine unsichtbare Hand, sind sie nun aus der Wüste wieder verbannt). Gleichzeitig hält er Sitâ in seinem Palast gefangen, da sie sich weigert, seine Frau zu werden. Nach ihrem Bekunden würde sie eher sterben als Scindia zu ehelichen. [5] 

Vierter Akt: Der inzwischen wieder auf die Erde zurückgekehrte König trifft bald darauf auf Scindia, der ihn für einen Geist hält. Als Alim seine Rechte einfordert, lässt ihn Scindia für verrückt erklären. Auch der Bitte der Priester, Sitâ wieder der Geistlichkeit zurückzugeben, kommt er nicht nach. Um alle zu brüskieren, lässt Scindia Sitâ holen und stellt sie als seine Königin vor. Alim ist entsetzt und glaubt Sitâ sei ihm untreu geworden. Er versucht vergeblich mit ihr Kontakt aufzunehmen. [6] 

Fünfter Akt: Sitâ ist in den Tempel geflüchtet. Dort bittet sie die Gottheit um Vergebung und um die Zusammenführung mit ihrem Geliebten Alim. Da nähert sich Scindia mit seinen Soldaten, und Sitâ sieht keinen anderen Ausweg aus ihrer Lage als Selbstmord. Mit ihr stirbt auch Alim. Nun verwandelt sich die Szenerie. Alim und Sitâ sind gemeinsam im Paradies bei Indra. Gleichzeitig stürzt der Verräter Scindia in die Verdammnis. Gesiegt über die Truppen des Sultan haben also letztlich die indischen Gottheiten  [7] 
 

2. Antonin Dvoráks Opern «Armida» und «Russalka»; «Festmarsch», «Walzer» op. 54 und die Symphonische Dichtungen «In der Natur» op. 91, «Karneval» op. 92 und «Othello» op. 93, «Der Wassermann», «Die Mittagshexe», «Das goldene Spinnrad», «Die Waldtaube»; Leos Janácek, Smetana

Nicht nur Händel hat Ausschnitte aus Torquato Tasso's Versepos "La Gerusalemme liberata" vertont. Die Liebesgeschichte zwischen Armida und Rinaldo ist dem Epos als Episode einverwoben. Neben Benedetto Ferraris "L'Armida" komponiert ein knappes halbes Jahrhundert vorher Jean-Baptiste Lully die "Tragedie lyrique Armide" nach einem Libretto von Philippe Quinault. An dieses Versepos knüpfte ein knappes Jahrhundert später Christoph Willibald Glucks Armide (1777) an. Danach häufen sich die «Armida» -Opern, mehr und mehr zeigt sich Interesse am Kampf der Christen gegen die muslimischen Heiden: Giuseppe Scarlatti, Manfredini, Anfossi, Salieri, Sacchini, Gazzaniga, Righini, Cherubini, Jomelli, Naumann, Bertoni und Haydn legen ihre Opern vor. Haydns Oper "Armida, Dramma eroico" wurde ein großer Erfolg, man bezeichnete sie als das bislang beste Werk, am Hoftheater stand sie an der Spitze aller, auch Haydns zwischen 1784 und 1790 gespielter Opern, inkl. seines 1782 komponierten "Dramma eroicomico Orlando Paladino. Danach interessierten sich die Romantiker wie Rossini und Dvorak für diese Thematik. [8] 

Wie im Original von Tasso und in Händels Rinaldo wird auch in Dvorak's Armida schnell klar, auch der Moschee-Besuch hat wenig Sinn, wenn er nur dazu dient, Allah, dem "Lügnergott" zu verehren: "Die Mütter ziehn indes in die Moscheen, / Um zu dem bösen Lügnergott zu flehen" (Tasso). Bei Händel bekennt Armida zum Schluss, der Schwächling Allah habe keine Macht, den Christen helfe "eine stärkere Gottheit" und daher konvertiert sie zum Christentum. Auch erzählt sie wie Frauen  von muslimischen Männern unterdrückt und auf falsche Fährten geführt werden: "Als Heidin wuchs ich auf, und List und Trügen schien zum Verderb der Christen mir erlaubt. Dir folgt' ich, fing dich, führte dich in Banden vom Heere fern nach weit entlegnen Landen; Nicht tadle mich mein Oheim und mein Hüter; Er wollt' es so, er klage selbst sich an. Zu schlechtem Tun für weibliche Gemüter Führt' er zuerst den stolzen Geist hinan. Er raubte mir das köstlichste der Güter, Die edle Scheu, und störte meine Bahn. Ihm fällt zur Last die Schuld unwürd'ger Dinge, Die ich vollbracht aus Lieb', aus Zorn vollbringe" (Tasso). In Händels Rinaldo zerbricht sie ihren Zauberstab und nimmt den Glauben ihres Geliebten an, auch bei Dvorak steht die Liebe zu Rinaldo im Mittelpunkt; auch wenn sie stirbt, wird sie vorher noch getauft und wird christlich. [9] 

«Armida» (Op. 115; Burghauser 206) ist eine Oper in vier Akten von Antonín Dvorák (Musik) mit einem Libretto von Jaroslav Vrchlický nach Torquato Tassos Epos Das befreite Jerusalem. Die Uraufführung fand am 25. März 1904 im Prager Nationaltheater statt. Erster Akt: Der zauberkundige syrische Herrscher Ismen berichtet von der Ankunft des christlichen Kreuzfahrerheeres unter seinem Anführer Bohumír z Bouillonu (Gottfried von Bouillon). Dieser wolle unter dem Vorwand, das Grab Christi zu befreien, das ganze Land erobern. Hydraot ruft zum Kampf gegen die Eindringlinge auf. Doch Ismen traut der Schlagkraft des damaszenischen Heeres nicht und schlägt stattdessen eine List vor: Hydraot solle seine ebenfalls der Zauberei mächtige Tochter Armida dazu überreden, in das gegnerische Lager zu gehen, um die Ritter durch ihre Schönheit zu verwirren und Zwietracht unter ihnen zu säen. Als Armida erscheint, hört sie ihrem Vater kaum zu – so sehr ist sie in Gedanken bei einem fremden Ritter (Rinald), dem sie kürzlich bei einer Jagd begegnet ist. Als Hydraot ihr endlich sein Ansinnen erklärt hat, lehnt Armida ab. Auch Drohungen ihres Vaters können sie nicht umstimmen. Daraufhin zeigt Ismen ihr eine magische Vision des christlichen Lagers, um ihr den Ernst der Lage darzulegen. Armida bemerkt unter den Rittern ihren Angebeteten und nimmt die Aufgabe an. 

Zweiter Akt: Die versammelten Kreuzfahrer feiern Gottesdienst mit dem Eremiten Petr. Die Ritter Gernand, Roger, Dudo und Sven können es kaum erwarten, endlich den Kampf zu beginnen. Ubald richtet ihre Aufmerksamkeit auf einen Herold. Der Herold fordert die Anwesenden auf, sich vor dem Zelt des Feldherrn zu versammeln. Die schwarz gekleidete und verschleierte Armida erscheint im Lager und verlangt, den Anführer zu sprechen. Sofort entsteht Unruhe unter den Rittern. Petr erkennt die Gefahr, die von der scheinbar trauernden Frau ausgeht. Er versucht vergeblich, sie aus dem Lager zu bekommen. Rinald dagegen bietet Armida seine ritterliche Hilfe an. Die beiden erkennen sich wieder und schwärmen von ihrer gegenseitigen Liebe. Als Bohumír aus seinem Zelt tritt, bittet ihn Rinald, Armida sein Gehör zu schenken. Nachdem sie sich vorgestellt hat, erzählt sie eine Lügengeschichte: Ihr Onkel habe ihren Vater Hydraot geblendet und in den Kerker geworfen, um selbst die Macht an sich zu reißen. Da sie ihm nicht zu Willen sein wollte, habe er ihren Bruder in die Wüste verbannt. Sie sei daraufhin aus der Stadt geflohen, um die Kreuzfahrer um Unterstützung bei ihrer Rache und der Befreiung ihres Vaters zu bitten. Sie kenne einen geheimen Weg in die Stadt. Rinald und viele weitere Ritter sind sofort bereit, ihr zu helfen. Bohumír, der nicht auf so viele seiner Leute verzichten kann, beschließt, das Los entscheiden zu lassen, wer mit Armida gehen darf. Rinald und Armida haben einen Moment für sich. Da sie sich nicht auf das Los verlassen wollen, entscheiden sie sich zur Flucht. Petr schöpft Verdacht, kann die Flucht aber nicht mehr verhindern, da Ismen mit einem von Drachen gezogenen Zauberwagen auftaucht und Armida und Rinald fortbringt. 

Dritter Akt: Armida und Rinald genießen ihre Liebe in einem Zaubergarten mitten in der Wüste. Sirenen, Nymphen und Feen besingen die Schönheit und friedliche Atmosphäre des Gartens. Ismen beobachtet das Paar eifersüchtig, da er selbst ein Auge auf Armida geworfen hat. Während Rinald schläft, gemahnt Ismen Armida an ihre Pflicht, Rinald zu töten. Doch Armida steht zu ihrer Liebe und weigert sich. Weder Ismens eigene Liebeserklärung noch seine Warnungen vor der Heimtücke des Kreuzritters können sie umstimmen. Schließlich droht er, den ganzen Palast mit dem Zaubergarten über ihnen zusammenbrechen zu lassen. Armida verweist im Gegenzug auf ihre eigenen Zauberkräfte. Als Rinald erwacht, kommt es zu einem Kräftemessen zwischen Ismens und Armidas magischen Fähigkeiten. Sie lässt den von Ismen vernichteten Palast und Garten sogleich wieder in voller Pracht erscheinen. Der gedemütigte Ismen schwört Rache. Die Sirenen locken zwei Kreuzritter herbei, die sich auf der Suche nach Rinald befinden. Ismen erkennt sogleich seine Gelegenheit. Die Ritter Ubald und Sven fragen Ismen nach dem Besitzer des Schlosses. Ismen erzählt ihnen, dass Armida es für Rinald errichtet habe und es von unzähligen Dämonen bewacht werde. Allerdings befinde sich in den Gewölben des Schlosses der Diamantschild des Heiligen Michael, durch dessen magnetische Kraft sie Rinald zurückgewinnen können. Er werde ihnen den Weg dorthin zeigen. Ubald und Sven haben den Diamantschild erfolgreich an sich gebracht und sind bis zu Rinald und Armida vorgedrungen. Sie halten Rinald den Schild vor Augen, entreißen ihn so der Macht Armidas und führen ihn fort. Ismen kann nun die Burg zerstören. 

Vierter Akt: Rinald, der in einem Kampf verwundet wurde, erinnert sich an die Geschehnisse der letzten Tage. Er bereut seinen Verrat zutiefst und bittet Gott um Vergebung. Seine Freunde Ubald, Sven und Petr kommen in die Oase zurück, in der sie Rinald nach dem Angriff der Mohren zurücklassen mussten. Sie versichern ihm, dass ihm vergeben worden sei. Rinald ist voller Tatendrang. Die Kreuzfahrer drängen zum Aufbruch nach Damaskus. Rinald will mitkämpfen, ist aber noch zu schwach. Petr schlägt vor, ihm den Diamantschild zu reichen. Als Rinald darauf schlägt, heilen seine Wunden spontan. Plötzlich erscheint Ismen und greift Rinald an. Rinald gewinnt die Oberhand. Um sein Leben zu retten, verspricht Ismen ihm Nachrichten über Armida. Doch Rinald will nichts mehr von ihr wissen. Er tötet Ismen. Ein Ritter in schwarzer Rüstung nähert sich. Rinald sticht auch diesen nieder. Zu spät erkennt er, dass es sich um Armida selbst handelt. Er segnet und tauft sie, worauf sie in seinen Armen stirbt. In der Ferne erklingen die zuversichtlichen Rufe der Kreuzritter. 

Das Libretto von Jaroslav Vrchlický basiert auf der bereits vielfach vertonten «Armida»-Episode aus Torquato Tassos Epos Das befreite Jerusalem. In die Schlussszene mischte er eine andere bekannte Episode derselben Vorlage, den Kampf zwischen Tancredi und Clorinda. Darin tötet Tancredi unwissentlich seine Geliebte Clorinda, da er sie in ihrer Rüstung nicht erkennt, und tauft sie vor ihrem Tod. Diese Episode hatte bereits Claudio Monteverdi in seinem Madrigal Il combattimento di Tancredi e Clorinda verarbeitet. Wie bereits in Rusalka basiert Dvoráks Komposition hauptsächlich auf Leitmotiven, die nicht nur Personen charakterisieren, sondern auch Symbole wie den Diamantschild Michaels, das Kreuz Christi oder das Kreuzritterheer. Die für seine Werke eher untypische sinnlich-orientalische Atmosphäre erreichte Dvorák sowohl durch Melodien und Harmonien wie auch durch die Instrumentation. Beispielsweise kombinierte er Frauenstimmen mit Harfen und Holzbläsern. Der spezielle Tonfall dieser Oper ist eine Weiterentwicklung von Dvoráks in Amerika entwickeltem Stil. An seine 9. Sinfonie erinnern beispielsweise Ganztonleitern, Pentatonik und andere Exotismen. «Armida» ist die letzte der zehn Opern Dvoráks. Der Librettist Jaroslav Vrchlický schrieb den Text bereits 1888 für den Komponisten Karel Kovarovic, der jedoch die Vertonung nach mehreren Versuchen aufgab. Anschließend bot Vrchlický das Libretto Karel Bendl und Zdenek Fibich an, die aber beide kein Interesse zeigten. Dvorák, der bereits sein Oratorium Die Heilige Ludmilla auf einen Text Kovarovics vertont hatte, nahm dessen Angebot an, als er sich nach seinem Erfolg mit Rusalka 1901 nach einem geeigneten Libretto für seine nächste Oper umsah. Er begann am 11. März 1902 mit der Komposition und beendete die Arbeit am 23. August 1903. Nicht zuletzt durch seine beiden letzten Opern «Russalka» und «Armida» wurde Dvorak zu einem der bedeutendsten Opernkomponisten der Welt. [10] 

Der «Festmarsch» erklang zum erstenmal 1879 anlässlich der Vorstellung von Shakespeares Sommernachtstraum, gemeinsam mit der bekannten Musik Mendelssohns. Für einen Ball komponierte Dvorák 1879 die Prager Walzer zusammen mit einer Polka. Auch die «Polonaise» Es-dur komponierte er für einen Ball und erklang erstmals 1880. Die «Walzer» op. 54, die in ihrer ursprünglichen Gestalt als ein Klavierzyklus im Sinne Chopins stilisiert waren, gehören demselben Umkreis an wie die Prager Walzer, unterscheiden sich aber durch eine kompositorische Verfeinerung im Sinne der Romantik. Alle Walzer wurden später von ihm selbst oder verschiedenen anderen Komponisten orchestriert. [11]

Im Gegensatz zum Wahn einer Weltherrschaft, wurde im 19. Jahrhundert durch die Romantik die in weiten Schichten verwurzelte und nun ausgesprochene Idee von der Verständigung der Völker zu einer Gegenbewegung, die sich fremdem Anspruch ebenso entgegenstellte wie tyrannischer Willkür (vielfach wurde der Freiheitskampf der Griechen gegen die Türken unterstützt). Der demokratische Gedanke, der natürlich nicht auf Karl Marx zurückgeht wie einige scham- und geschichtslose Hobbyhistoriker behaupten, hatte ein breites Spektrum der Menschen erfasst. Und selbst wenn es noch an der Möglichkeit zur politischen Durchsetzung solcher Ziele fehlte, war man eine Gemeinschaft Gleichgesinnter. Da sind die Russen Glinka, Dargomyschski, Mussorgski, Balakirew, Borodin, Tschaikowski, Rimski.Korsakoff, die Spanier Granados und Albeniz, die dem ungarischen Raum verpflichteten Meister wie Liszt, Mosonyi und Erkel, um nur wenige Beispiele zu nennen aus dem Europa der Romantik. Auch Smetana (1824-1884) und Dvorák (1841-1904) gehören dazu; ihnen ging es nicht um Heimatidyllik, sie wurden nicht zu Apologeten rustikaler Kleinkunst sondern sie haben der Kunst ihrer Heimat den wohl größtmöglichen Dienst erwiesen: sie machten sie zu einem Bestandteil der Weltmusik. Sie machten die «Polka»  und den böhmischen «Furiant» genauso bekannt wie den Fluss Moldau, denn die «Moldau» ist eines der bedeutendsten symphonischen Dichtungen der Romantik. Antonin Dvoráks Ouverture «Karneval» op. 92 entstand 1891 als zweiter Teil eines geplanten Zyklus «Natur, Leben und Liebe». In ihm beabsichtigte Dvorák, ähnlich wie Smetana in «Mein Vaterland», Orchsterwerke zu vereinigen, deren Gemeinsamkeit in ihrem programmatischen Fundament zu sehen ist. So entstanden die Teile «In der Natur» op. 91, «Karneval» op. 92 und «Othello» op. 93. [12] 

In der Sammlung «Der Blumenstrauß» von 1853 fasste der tschechische Dichter Karel Jaromit Erben (1811-1870) Legenden, Märchen und Sagen in die von Schiller und Goethe vervollkommnete Form der Ballade zusammen. Dvorák  bediente sich dieser Quelle, als er seine modernsten , unmittelbar auf Janácek vorausweisenden Orchesterwerke komponierte. Mehr als Dvoráks späte Symphonien kennzeichnen die vier Symphonischen Dichtungen  «Der Wassermann» op. 107, «Die Mittagshexe» op. 108, «Das goldene Spinnrad» op. 109, und «Die Waldtaube» op. 110 den Übergang der tschechischen Musik in die Tonsprache des 20. Jahrhunderts. «Der Wassermann» op. 107 gilt als eine Variante des Scherzo diabolique, hier die Geschichte eines grausamen Wassergeistes, der Rache nimmt, als er sich von einem Menschen verraten glaubt, eine Ballade aus der Sphäre der «Russalka» (Undine-Motiv, Natursymbolik). 

«Die Mittagshexe» hat Janácek besonders geschätzt. Die ungewöhnlichen Harmonien und das fahle Kolorit beim Auftritt des Gespenstes empfand er als Vorgriff auf seine Musik. Die Mittagshexe ist eine humpelnde Vettel, die zur Mittagszeit umgeht und unartige Kinder holt. Eltern drohen damit, aus dieser Drohung wird bei einer Bauernfamilie bitterer Enst. 

In «Das goldene Spinnrad» geht es um eine aschenbrödelhaft benachteiligte Stieftochter, in die sich der König verliebt. Es ist die längst der vier symphonischen Dichtungen und wird häufig nach Angaben von Dvoráks Schwiegersohn Josef Suk gekürzt. Drei Komplexe sind in dem groß angelegten Allegro-Satzes zu unterscheiden: die Ritterwelt um den König, deren Thematik von dem einleitenden Hörnermotiv abgeleitet wird; die Liebesthematik um Mädchen und Spinnrad, verdeutlicht durch weiche Andante-Melodik; der Bereich des Bösen, musikalisch versinnbildlicht durch Verzerrungen und kaum noch identifizierbare Varianten der vorausgegangenen Themengruppen. [13] 

Die Uraufführung der «Waldtaube» hat Leos Janácek (1854-1928) 1898 in Brünn dirigiert, die Wiener Erstaufführung leitete Gustav Mahler. Beide sind stark beinflusst von dieser modernsten der Tondichtungen Dvoráks, insbesondere Janáceks «Jenufa» und dessen Tondichtung «Taras Bulba». Man könnte meinen, die «Waldtaube» sei eine Naturidylle, doch dahinter verbirgt sich eine Tragödie. Dvorák spiegelt die Ballade in einer Marcia funèbre, deren c-moll sich am Ende nach C-dur aufhellt. Das monothematische Prinzip, wie es Liszt in «Les Préludes» entwickelt hatte, wird konsequent angewandt. Sämtliche Themen stammen ab von dem einleitenden Trauermarsch-Motiv, das seinerseits eine Reminiszenz an Beethoven und Wagner darstellt. [14] 
 

3. Modest Mussorgskis «Boris Godunow» , «Eine Nacht auf dem kahlen Berge», «Bilder einer Ausstellung»; Rimski-Korsakow, Tschaikowskis «Eugen Onegin», «Francesca da Rimini» op. 32 und «Slawischer Marsch» op. 31, «Ouvertüre Solennelle» op. 49,  «Capriccio italien» op. 45; Michael Glinkas «Russlan und Ludmilla», «Caprice brillant» ; Strawinski

Alexander Puschkin entwarf 1824/25 eine Boris Godunow-Tragödie. Für die Quellenstudien verwendete er Karamsin's "Geschichte des russischen Staates". Puschkins Tragödie gewann den Mut zu ihrem sprunghaften Charakter, ihrem häufigen Wechsel der Schauplätze und ihren knappen Szenen aus Shakespeares Königsdramen. Da es für romantisch galt, Shakespeare als Vorbild zu nehmen, nannte Puschkin seine Versdichtung eine "wahrhaft romantische Tragödie". Auch Schiller mit seinem "Demetrius" und Hebbel starteten Versuche zu einem Drama. Tschaikowski, Dimitri Schostakowitsch und Rimsky-Korsakoff versuchten den Stoff musikalisch zu verarbeiten; so gibt es eine Schostakowitsch-Fassung, die 1966 in Augsburg aufgeführt wurde. Das Teatro alla Scala eröffnet 2022 die Saison mit «Boris Godunow» von Modest Mussorgski (1839-1881). «Boris Godunow», in der Urfassung fertiggestellt 1870 und danach mehrfach überarbeitet, bietet für einen Lügner, Mörder und Machtpolitiker den besten Anschauungsunterricht, "wobei das Besondere daran ist, dass der durch die Ermordung des legitimen Thronnachfolgers an die Macht gekommene Zar Boris nicht durch äußere Machenschaften, sondern durch seine Gewissensbisse zu Fall gebracht wird. Mussorgski stützte sich in seinem Libretto auf das gleichnamige Drama von Puschkin, dem wiederum Shakespeares „Macbeth“ Pate stand. Dessen Geistererscheinungen verlagert Puschkin konsequent ins Innere der Psyche, und daran hält sich auch Mussorgski. Godunows selbstquälerische Zweifel an der Macht, die in Phantasmagorien vom toten Zarewitsch münden und ihn angesichts des Todes zur Einsicht in sein sündhaftes Handeln führen, bilden die packenden Höhepunkte der Oper. Und diese Nachtzustände der Seele, die kein Licht der Vernunft erhellt und der durch keine Emanzipation beizukommen ist, ließen George Steiner in seinem klassisch gewordenen Buch „Der Tod der Tragödie“ zu dem Urteil kommen, dass «Boris Godunow» die bedeutendste Tragödie des neunzehnten Jahrhunderts sei. Dass sich das Ganze in einem bilderbuchhaft „finsteren“ Russland abspielt, trägt bei zur ungebrochenen Faszinationskraft des Werks zumal aus westlicher Sicht. Die Mailänder Scala hat mit Mussorgskis Oper nun ihre neue Spielzeit eröffnet, traditionell am Tag des heiligen Ambrosius, des Schutzheiligen der Stadt. Und wie immer gab es viel Pomp mit dem Staatspräsidenten, in dessen Beisein im Theater die Hymne gesungen wurde und der, von internationaler politischer Prominenz umgeben, der Vorstellung beiwohnte. Das Polizeiaufgebot war beträchtlich. In der Nacht zuvor hatten notorische Weltverbesserer noch die Eingangsfassade der Scala mit Farbe beschmiert." [15] 

Das Teatro alla Scala kann seit der italienischen Erstaufführung von «Boris Godunow» im Jahr 1909 auf eine lange Aufführungstradition mit insgesamt sechsundzwanzig Inszenierungen zurückblicken. "Auf ihrer Suche nach einer wie auch immer gearteten russischen Authentizität sticht besonders diejenige von 1979 mit der Regie von Juri Lubimow, dem damaligen Leiter des Moskauer Taganka-Theaters, und dem Bühnenbild von David Borowski hervor, wo die Handlung vor einer monumentalen Ikonostase spielte und Claudio Abbado die sogenannte Originalfassung von 1873 dirigierte. Eine westliche Russlandromantik spielte dabei mit – es war die Zeit, als die italienische Linke ihren Zenit erlebte, die Kontakte zur Sowjetunion blühten und Luigi Nono an seinen Freund Abbado in revolutionärem Überschwang telegrafierte: „Ich möchte mit euch im schönen Moskau sein.“ Inzwischen haben sich die Umstände geändert, nicht nur was das schöne Moskau betrifft. Die Scala hat sich sozial geöffnet und überträgt seit einigen Jahren ihre Inaugurazione auch in das Mailänder Gefängnis San Vittore, wo die Premiere gemeinsam mit prominenten Gästen gefeiert wird. Und die jetzige Inszenierung sucht den Weg zu den russischen Quellen nicht mehr über die Beschwörung einer numinosen Religiosität, sondern über die Musik. Zugrunde liegt ihr die sogenannte Urfassung, in der das Drama, ungeschönt durch spätere Ergänzungen und „Verbesserungen“, gleichsam nackt in Erscheinung tritt; an der Scala wurde sie erstmals 2002 unter dem Dirigenten Valery Gergiev gespielt. Der Polen-Akt fehlt, es gibt nur sieben Szenen, deren letzte mit dem Tod des Zaren endet – das Drama von Schuld und Sühne findet hier seinen Schluss- und Höhepunkt. Die originale Musik mit ihrem Klang- und Gestenreichtum brachte Riccardo Chailly mit dem Orchester der Scala und den brillanten Chören zu großer Wirkung. Diese Musik ist die Sensation des Abends, tragender Pfeiler des Dramas und verleiht den Szenen ihre unverwechselbare Farbe und Kontur. Das gleißende Tutti mit viel Blech und Glockenklängen bei der Zarenproklamation kippt mit seiner Drastik in eine ätzende Kritik an der Machtinszenierung um. Die episch lange Erzählung des Mönchs Pimen, von Ain Anger bravourös gestaltet, ist ein Meisterstück an musikalischer Prosa und weist mit ihrer erfinderischen Sprachbehandlung weit in die Zukunft. Der von Yaroslav Abaimov mit rührender Unschuld dargestellte Gottesnarr erhält durch ein insistierendes Zweitonmotiv sein scharfes Profil als Künder der grausamen Wahrheit vom Kindermord. Der Regisseur Kasper Holten ließ sich über weite Strecken von der Musik leiten. Für die Allgegenwart des an Boris nagenden Schuldbewusstseins schuf er die Figur des im Kindesalter ermordeten Zarewitsch, der den Zaren als stumme Rolle in blutbefleckten Kleidern ständig begleitet. Der zwischen Machtbewusstsein, Gewissensqualen und menschlicher Hinfälligkeit schwankende Zar fand in Ildar Abdrazakov einen überzeugenden Darsteller mit einer bis in die extremen Ausdrucksbereiche enorm wandlungsfähigen Stimme. Als sein Gegenspieler Fürst Schuiski mimte Norbert Ernst mit zurückhaltend-glattem Tenor den machiavellistisch coolen Intriganten... Die schamlose Machtdemonstration beim ersten Auftritt des zum Zar gekürten Boris findet vor einem goldenen Portal statt, aus dem immer neue Repräsentanten des herrschenden Systems hervorquellen. Nicht ganz unproblematisch ist der Schluss, wenn Holten den Usurpator Grigori als neuen Herrscher erscheinen lässt. Die mafiöse, von Schuiski eingefädelte Machtergreifung ist bestes Polittheater, widerspricht jedoch Mussorgskis Musik, die sich hier ganz auf den Tod des unglücklichen Herrschers konzentriert. Im Übrigen verzichtete die Inszenierung dankenswerterweise auf aktualisierende Zutaten, auch wenn sie sich bei diesem Werk fast zwangsläufig anbieten. Zu den Szenen mit den manipulierten Volksmassen, die auf Befehl akklamieren und beten, während die wenigen Unbotmäßigen brutal niedergeknüppelt werden, zur staatstragenden Rolle des Klerus, zur Warnung vor den satanischen Einflüssen des Westens und zu der als schicksalhaft empfundenen Ausweglosigkeit der politischen Verhältnisse, zu all diesen charakteristischen Ingredienzen konnte man sich leicht seinen eigenen Subtext denken." 

Nach Modest Mussorgskis Tod vollendete Rimsky-Korsakow (1844-1908) Mussorgskis Skizzen nach Gogol, denen er den Titel:«Eine Nacht auf dem kahlen Berge» gab. Das Portrait einer Walpurgisnacht wurde besonders beliebt und steht anderen berühmten Stücken der romantischen Komponisten wie Tschaikowsky mit seiner Symphonischen Dichtung «Francesca da Rimini» op. 32 und dem «Slawischen Marsch» op. 31, Berlioz mit seiner «Symphonie Phantastique» oder Liszt mit seinen Symphonischen Dichtungen «Die Hunnenschlacht» und «Mazeppa» ebenbürtig zur Seite. Es geht um den Hexenspuk auf dem "kahen Berge" (ein volkstümlicher Name für den Berg Triglaw bei Kiew /Ukraine, dem die Morgenglocken einer fernen Kirche ein widerwilliges Ende setzen. 

Der Romantiker Mussorgski entwickelt frei gebildete, nicht-diatonische Tonskalen und irreguläre Rhythmen in Anlehnung an die russisch-byzantinische Kirchen- und Volksmusik. So findet man in den "Promenaden" seiner berühmten «Bilder einer Ausstellung», die die Ein- und Überleitungen zwischen den Sätzen bilden, einen Wechsel von 6/4- und 5/4-Takten. Auch von nicht-diatonischen, alterierten Skalen - die der Hörer als russisch-ukrainisch-slavisches Kolorit wahrnimmt - ist reichlich gebrauch gemacht. Mussorgski-Ravels «Bilder einer Ausstellung» gehen weit über das hinaus, was Vertreter der neuen Musik wie Igor Strawinski (1882-1971), der wegen der bolschewistischen Revolution seit 1920 in Frankreich lebte und 1934 französischer Staatsbürger wurde und 1941 kriegsbedingt nach Los Angeles übersiedelte, daraus entwickelte. [16] 

Alexander Puschkin, der 1823 das von Lord Byron inspirierte romantische Gedicht  «Der Brunnen von Bachtschissaraj» verfasste (als Oper 1895 von Alexander von Zemlinsky/ Arnold Schönberg unter dem Namen Sarema, sowie 1911 von Alexander Alexandrowitsch Iljinkij), wurde 1820 Mitglied der Filiki Eteria und damit Förderer des griechischen Freiheitskampfes gegen die Türken. Bis 1924 lebte er an verschiedenen Orten im Süden, in Odessa (Ukraine), Chisinau (Moldau), Kamjanka (Ukraine). 1823 begann er sein bedeutendstes Werk, das Versepos «Eugen Onegin», dass 1833 veröffentlicht wurde.  Tschaikowski studierte das Werk 1877. Er entwarf ein Opernszenarium nach Puschkins Epos; das Libretto stammte von Konstantin S. Schilowski, ein wohlhabender Ukrainer, Dramaturg, Literat, Jugendfreund und Reisebegleiter Tschaikowskis. Puschkin, der wie Byron ein Förderer des griechischen Freiheitskampfes war, hatte Byron gründlich studiert und einige Zeit wie einen Gesetzgeber in Fragen der Poesie und der Lebensart verehrt. Fast Filmisch sind die Stationen des epischen Gedichts wie des Librettos aneinander gefügt. Das setzt sich in Tschaikowskis Musik fort: Charaktere und Milieus werden knapp umrissen, tauchen auf und verschwinden wieder, als Erinnerungsmotive, fast wie Leitmotive im Sinne von Wagner, die den Ablauf der Bilder durchziehen und andeutungsweise den Zusammenhang herstellen. Der lockere Aufbau entspricht eher der slawischen Oper oder dem Musikdrama Richard Wagners als den klassischen belcanto Opern. 

1876 entstand Tschaikowskis «Slawischer Marsch» op. 31, der ursprünglich «serbisch-russischer Marsch» hieß. Damals als Russland noch nicht kommunistisch verseucht war, hatte es noch große Ideale, das christliche Europa war sein Vorbild, es half zum Beispiel den Griechen beim Freiheitskampf gegen die Türken. Später, nach politischen Spannungen zwischen Serben und der Türkei, unterstützte es die Serben mit freiwilligen Truppenverbänden. All das wird im slawischen Marsch symbolisiert. Ähnlich wie Beethoven, hat auch Tscheikowki eine Schlachtensymphonie geschrieben. Die «Ouvertüre Solennelle 1812» op. 49 ist die 1878 nachgelieferte Musik zum Sieg, den die Russen 1812 über Napoleon errangen. Wie bei Beethoven, wird der Kampf der feindlichen Mächte auch bei Tschaikowki durch die Nationalhymnen der Gegner symbolisiert. Die russische Hymne siegt über die «Marseillaise» der Franzosen, nachdem es eine musikalische Auseinandersetzung gegeben hat, die von Kanonenschüssen und siegreichem Glockengeläute alles aufbietet, was ein entfesseltes Orchester hervorbringen kann. 

Tschaikowski hat 1877 eine Symphonische Phantasie nach Dante komponiert mit dem Titel «Francesca da Rimini» op. 32. Was die dramatische Darstellung des Inferno betrifft erreicht Tschaikowsky mit seiner Dante-Phantasie fast an die Dramatik von Liszt's «Dante-Sinfonie» heran. Höllengeister werden musikalisch eindrucksvoll dargestellt. 1906 fand die Uraufführung von  Rachmaninows Oper in einem Aufzug mit Prolog und Epilog op. 25 in Moskau statt. Eigentlich hatte Rachmaninow 1904 eine Shakespeare-Oper komponieren wollen, doch Modest Tschaikowski hatte ihn dazu überredet, das «Francesca da Rimini» -Libretto zu komponieren, das er für seinen Bruder Peter Iljitsch geschrieben hatte, das diesen dann zu seiner symphonischen Phantasie inspiriert hatte. Die Dramatik ist nicht in der Art wie man sie von Richard Wagner, Liszt's «Dante-Sinfonie» oder auch Tschaikowsky kennt; auch der damalige musikalische Standard für solche sturmdurchtobte, öde, felsige Gegend am Rande eines Abgrunds, wo geisterhafte Erscheinungen durch die Luft jagen, war die Walpurgisnachtszene in Charles Gounods «Faust».

Als Tschaikowski 1880 das «Capriccio italien» op. 45 komponierte, war er bereits ein anerkannter Symphoniker. Die Symphonien eins bis vier, das erste Klavierkonzert, das Violinkonzert und das Ballett «Schwanensee» erfreuten sich, neben anderen Kompositionen, großer Beliebtheit auch über die Grenzen der russischen Heimat hinaus.  Für das «Capriccio italien» hatte der römische Karnevalden Anstoß gegeben, ein Fest temperamentvoller Gesänge und Rhythmen. 

Der Oper «Russlan und Ludmilla», an der Michael Glinka (1804-1857) sechs Jahre arbeitete und 1842 vollendete, liegt ein Gedicht Puschkins zugrunde, und schildert das Werben von drei adligen Freiern um die Prinzessin Ludmilla, deren Entführung durch den bösen Zauberer Chencmor und die schließliche Befreiung der Prinzessin durch Russlan. Die Ouvertüre, die Themen aus dem Finale der Oper und aus Russlans Arie aus dem zweiten Akt enthält, besticht durch Romantik und Klarheit. Sie beginnt mit dem romantischen Eröffnungsthema und endet mit Fanfaren und Paukenschlägen in fortissimo. Während seiner Spanienreise, seines Aufenthaltes in Madrid komponierte er das Orchesterstück «Caprice brillant über das Thema der Jota aragonesa», das später auch als «Spanische Ouvertüre» bezeichnet wurde. [17] 
 

4. Der Einfluss Franz Schubert's auf die romantischen Opern 

Unverkennbar ist der Einfluss des Vorromantikers auf Wagners Opern wie Tannhäuser, der fliegende Holländer, Lohengrin und die Meistersinger. Galten Mozarts Opern den Romantikern als großes Vorbild, wie die Figur des Geistes am Ende von "Don Giovanni", der auch in einer Oper Carl Maria von Werbers, Wagners oder Berlioz' hätte auftreten können, so ist Franz Schubert z.B. in "Die Verschworenen" musikalisch ihr Wegbereiter. Auch Mozarts Singspiel Zaide oder das Serail und sein berühmtes Singspiel "Die Entführung aus dem Serail" waren Vorbilder für das Streben nach Freiheit, dem Widerstandskampf der Griechen gegen die türkische Besatzung, dem sich viele Romantiker anschlossen. In "Zaide" heisst es: "Ich werde bedacht sein, dich und mich zu retten und aus den Händen des Tyrannen befreien". Als der Sultan Soliman von der Flucht erfährt, reagiert er wie noch heute viele Mohammedaner reagieren: "O Mahomed, lass es wahr sein. Beim ersten Anblick will ich die verräterische Brut in Stücke hauen lassen." Zaide fragt im Sinne der Romantiker: "Weshalb muss ich im dunklen Kerker schmachten? Weshalb? Nur weil ich die Freiheit liebte? - Ich soll Folter und Tod erleiden, weil ich nicht Sklavin sein will." Weiter heisst es im Sinne der Romantiker, was auch heute für die von Russland bedrängte Ukraine gilt: "Kann ein Mensch ohne Freiheit glücklich sein". In Schubert's "Die Zwillingsbrüder" klingt eine Geschichte aus Cervantes' Don Qijote an, wenn er von islamischen Korsaren nach Algier verschleppt und als Sklave verkauft wird: "Die Teufelskorsaren fischten mich aus dem Meer ... und verkauften mich in Algier". Nur das Bild seiner Angebeteten konnte ihn am Leben erhalten. [18] 

Franz Schubert's «Die Verschworenen» wurde kurz nach Erscheinen des Erstdrucks (1862) von dem berühmten Victor Wilder unter dem Titel «La Croissade des Dames» (Der Frauenkreuzzug) ins Französische übersetzt. In weiteren Übersetzungen gelangte der Einakter  bereits 1863 in die USA und nach England. Die konzertante Uraufführung des Originals hatte Johann Herbeck 1861 in Wien dirigiert; kurz darauf folgte die szenische Premiere in Frankfurt a.M. Es handelt sich um in die Zeit der Kreuzzüge gegen die Türken bzw. Mohammedaner verlegte Variante jenes Ehestreiks der Soldatenfrauen, wie ihn Aristophanes in «Lysistrata» und «Die Weiberversammlung» sarkastisch geschildert hatte. Auch Anklänge an die Dramen der Spanier Cervantes, Calderon und Lope des Vega lassen sich finden. Im März und April 1823 entstanden die elf, mit Dialog verknüpften Nummern der Partitur. Im gleichen Jahr schrieb Schubert die Oper «Fierabras», die Musik zu dem Schauspiel «Rosamunde» D 797 und den Liederzyklus «Die schöne Müllerin». Die große Verschwörungsszene (Nr. 4) persifliert in d-moll sowohl die Posaunen des «steinernen Gasts» aus dem Don Giovanni wie die Tremoli und Modulationen des 1821 uraufgeführten Freischutz. Auch Beethoven, Cherubini und Spontini werden persifliert. Unverkennbar ist bezüglich der gesamten Musik der Einfluss des Vorromantikers auf Wagners Opern wie Tannhäuser, der fliegende Holländer, Lohengrin und die Meistersinger. Die Texte und Liebesgedichte könnten auch den spanischen Dramatikern entnommen sein. Ein Ritter erzählt von seinem Kampf gegen die Muslime bzw. Ungläubigen: «Die Sarazenen haben es zu spüren bekommen... bei den 100 Sarazenen, die ich erschlagen habe, will ich geloben...» Er könne aber nur einen Tag bleiben, dann müsse er wieder fort «gegen die Ungläubigen zu kämpfen». Über die Ritter heisst es: «Die Ritter ziehen ein, ich empfange sie... es ist der tapfre Rittersmann, der sein Tagewerk getan.» Die Frauen fragen: «Was hat es genützt, gegen die Ungläubigen zu kämpfen». Darauf die Ritter: «Die Strahlen, die den Mann umglänzen, erleuchten auch die Frauen... Ich habe wohl 100 Türken erschlagen, für dich ... Nun kehre ich zurück mit Lorbeer umgeben, für dich.... Ich habe entsagt und gelitten, für dich...» Die Ritter sagen, sie hätten ein Gelübbde abgelegt, wieder in den Kampf gegen die Muslime zu ziehen, es sei denn die Frauen würden sich den Harnisch anlegen. Darauf die Frauen: «Seht wie hübsch so ein Harnisch mir steht. Und die Ritter: «Bewaffnet herrlichste der Frauen, herbei ihr Ritter alle... Wer wäre da gerne nicht Sieger... Wer könnte da noch widerstehen... gebt euch gefangen Waffenbrüder ... kein Krieg mehr ... Ihr Frauen wisst, wir wollen uns nicht mehr entfernen ...» Die Frauen singen: «Liebe und Zärtlichkeit ... keine stärkere Macht.» 

Die Musik zu «Rosamunde» D 797 umfasst eine Ouvertüre, zwei Ballettmusiken, drei Zwischenaktmusiken, eine Hirtenweise für Blasinstrumente und eine Romanze für Sopransolo und drei Chöre. Erst 1867 entdeckten die Engländer Grove und Sullivan Schuberts Kompositionen neu. Warum diese typisch Schubertschen Melodien den Zeitgenossen nicht gefielen, ist ein Rätsel. [20]

Der Einfluss Franz Schubert's bezieht sich vor allem auch auf seine großen Messen in As-dur D 678 und in Es-dur D 950. Schon die Tonart As-dur ist einzigartig. Zur gleichen Zeit, in der Beethoven in seiner "Missa solemnis" die Grenzen herkömmlichen Ausdrucks sprengte, wagte auch Schubert das Außerordentliche. Es werden ungewohnte Klangverbindungen genutzt, wie sie in Lied und Oper Verwendung finden. Mit seinen enharmonischen Modulationen antizipiert das mystische "Sanktus" die Harmonik der Spätromantik. Der Klangwelt Bruckners und Wagners kommt das achtstimmige "Incarnatus" nahe. Man kann die As-dur Messe auch seine "romantische" Messe nennen mit einem häufigen Wechsel von Chor- und Solopartien. Einen Bruch mit der Überlieferung vollzog Schubert in der Es-dur Messe mit dem Verzicht auf die Orgel, dem unverständlicherweise spezifisch kirchlichen Instrument. In der Romantik hat man sich endgültig von diesem Instrument getrennt, denn es kommt einfach nicht an die innere Weihe des Orchesters, insbesondere der Posaunen heran, wie sie später von Wagner und Bruckner eingesetzt werden. Auch in Schuberts Es-dur-Messe werden zur inneren Weihe Orchester und Posaunen eingesetzt, die schon im "Christe eleison" und "Kyrie" zum Ausdruck kommen und im "Domine Deus" metaphysische Tiefen erreichen, wenn sie dort eine archaische Tonfolge intonieren. [21]
 

5. Richard Strauss, die Spätromantiker und ihre Verbundenheit mit Molière, Calderón und Cervantes; «Ein Heldenleben», «Don Juan», «Macbeth», «Tod und Verklärung», «Till Eulenspiegel», «Also sprach Zarathustra», «Don Quixote», «Guntram», «Morgen»; «Elektra», «Ariadne auf Naxos», «Salome»,  «Rosenkavalier»

Mit Werken wie seiner Tondichtung «Ein Heldenleben» op. 40, Tondichtung für großes Orchester, stand Strauss unter den renomierten Komponisten seiner Generation in Deutschland konkurrenzlos da. Weder Gustav Mahler, noch Max Reger oder Hans Pfitzner, wurde zu Lebzeiten auch nur annähernd eine solch weltweite Anerkennung zuteil. In dem Teil «des Helden Widersacher» rechnet er mit seinen Kritikern ab, zu denen auch Igor Strawinsky zählt. Mit der Tondichtung «Ein Heldenleben» steht Strauss durchaus in der Nachfolge Franz Liszts, Hector Berlioz' und Beethoven. Der Akzent liegt auf der symphonischen Durchgestaltung, auch wenn der programmatische Bezug eindeutig ist. Es liegt nahe Parallelen zu Beethovens «Eroica» und «Pastorale» zu ziehen. Während der Beethovensche Held ganz allgemein für hohe Ideale kämpft, ringt der (autobiographische Züge tragende) Strauss'sche Held auch um die Anerkennung eigener Ziele. Den autobiographischen Bezug hat Strauss vor allem deutlich gemacht durch kunstvoll verarbeitete Eigenzitate aus symphonischen Dichtungen wie «Don Juan», «Macbeth», «Tod und Verklärung», «Till Eulenspiegel», «Also sprach Zarathustra», «Don Quixote», der Oper «Guntram» und dem Lied «Morgen». Insbesondere für «Ein Heldenleben» op. 40 gilt, dass es nicht nur in seiner orchestralen Aufmachung und klanglichen Opulenz bewunderungswürdig ist, sondern auch bedeutsam in seinem symphonischen Anspruch, also durch Differenzierung des Klangkörpers bewirkten Orchesterpolyphonie, der zwingenden Logik der thematischen Entwicklungen, der Gestaltungskraft auf den unterschiedlichsten tonalen Ebenen.

Der Held des Romans von Miguel de Cervantes (1547-1616) gehört wie Hamlet, Don Juan und Faust zu den literarischen Urbildern für das ruhelose Suchen des Menschen nach Erfüllung seiner selbst. Cervantes' im Vorwort erklärte Absicht, dem noch immer volkstümlichen Ritterroman durch eine ihm überlegene Parodie zu ersetzen und seine geistvolle Ironie haben Stauss zu seiner Tondichtung animiert. Ähnlich wie Lope de Vega und Calderón de la Barca hatte auch Cervantes in seinem Don Quijote (I, 18) die Idiotie des islamischen Glaubens an Hand des feindlichen Königs Ali fanfarón (wörtlich: Ali der Angeber oder das Großmaul) beschrieben. Das Heer der Muslime enpuppt sich später als Schaf- und Hammelherde, die hinter dem Leithammel Alifanfarón bzw. dem "falschen Propheten Mohammed" hinterherläuft. Alifanfarón zieht in den Krieg wegen einer schönen Christin, die er begehrt, die aber ihr Vater "dem heidnischen Könige" nicht geben will, zumindest nicht, solanger er "nicht vorher dem Gesetze seines falschen Propheten Mohammed entsagt und sich seinem Glauben zuwendet." Sancho hat die Nase voll von dem muslimischen Gesindel, den "Spukgestalten", "verzauberten Mohren bzw. Mauren" und er wolle lieber alles im Stich lassen und "zum Teufel in die Hölle" oder nach Mekka gehen, falls es diese Leute hier wirklich gibt. Don Quijote empfiehlt ihm aber: "Geh deinen Weg lieber zu Gott, mein Sohn, ... und reite voran in jeder Richtung, die du willst."  [21] 

Hatten die Frühromantiker um Franz Schubert noch den Romantikern den Weg gewiesen, so standen die Spätromantiker wie Richard Strauss vor der Entscheidung, weiter so wie bisher oder den Weg in die Avantgarde wagen bis hin zur Atonalität und Schönbergs Harmonielehre. Der Rosenkavalier könnte als Chiffre für die Schwierigkeit des künstlers stehen, seine Inhalte in Ton und Sprache noch darstellen zu können, eine Problematik, die jegliches Kunstschaffen zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrifft. Weder in der Literatur noch in den bildenden Künsten oder in der Musik gab es Rezepte, wie zu verfahren sei, um wirkliche Kunst zu schaffen. Nichts war mehr selbstverständlich. Im Jahre 1911, als der Rosenkavalier uraufgeführt wurde, starb Gustav Mahler. Schönbergs Harmonielehre kam heraus, und seine Musik hatte bereits den Schritt in die "freie Atonalität" getan, Strawinsky wurde durch den Feuervogel international bekannt. Hinzu kam, dass oftmals kaum Inhalte vorhanden waren, die hätten transportiert werden können. Man beschäftigte sich mit alten Stoffen wie in den Opern «Elektra», «Ariadne auf Naxos», «Salome», man philosophierte über Kunst wie in «Capriccio» oder griff auf Komödien eines Molière oder Calderón zurück wie im «Rosenkavalier». [22] 

In der Komödie "Der Rosenkavalier" berufen sich Hugo von Hoffmannsthal und Richard Strauss durchaus auf Molière und Calderón, auch wenn sie vielleicht nicht an den Witz der Klassiker heranreichen. Im Sinne von Molière wird sich über die Ärzte lustig gemacht, allerdings nicht so krass wie z.B. in Molières "L’Amour Médecin" (die Liebe als Arzt) wo Lisette es auf den Punkt bringt, nämlich dass die Menschen eher an den Nebenwirkungen der Medikamente als an den Krankheiten sterben: "Sans doute ; et j’ai connu un homme qui prouvait, par bonnes raisons, qu’il ne faut jamais dire : « Une telle personne est morte d’une fièvre et d’une fluxion sur la poitrine » : mais « Elle est morte de quatre médecins, et de deux apothicaires. » (Ohne Zweifel ; und ich kannte einen Mann, der aus guten Gründen bewies, dass man niemals sagen sollte: „Eine solche Person starb an Fieber und einer Lungenentzündung auf der Brust“, sondern „Sie starb an vier Ärzten und zwei Apothekern.") Wichtig sei, dass Formalitäten eingehalten werden, das galt auch kürzlich für die Corona-Statistik und die unsinnigen und aus heutiger Sicht schädlichen Maßnahmen, die von der Schulmedizin empfohlen wurden wie Diskriminierung durch 2G-Regel und Impfpflicht mit unwirksamen Impfstoffen: "Ein Toter ist nur ein Toter und spielt keine Rolle; aber eine vernachlässigte Formalität schadet der ganzen Ärzteschaft merklich". "Il faut toujours garder les formalités, quoi qu’il puisse arriver." (Halten Sie immer die Formalitäten ein, egal was passiert.). Ein Arzt sagt: "Pour moi j’y suis sévère en diable, à moins que ce soit entre amis, et l’on nous assembla un jour trois de nous autres avec un médecin de dehors, pour une consultation, où j’arrêtai toute l’affaire, et ne voulus point endurer qu’on opinât, si les choses n’allaient dans l’ordre. Les gens de la maison faisaient ce qu’ils pouvaient, et la maladie pressait : mais je n’en voulus point démordre, et la malade mourut bravement pendant cette contestation... Un homme mort, n’est qu’un homme mort, et ne fait point de conséquence ; mais une formalité négligée porte un notable préjudice à tout le corps des médecins" (Für mich bin ich verdammt streng, es sei denn, es ist unter Freunden, und eines Tages waren wir zu dritt mit einem externen Arzt zu einer Konsultation versammelt, wo ich die ganze Angelegenheit beendete und mich nicht mit irgendjemandes Meinung abfinden wollte wenn es nicht gut gelaufen ist. Die Leute des Hauses taten, was sie konnten, und die Krankheit drängte; aber ich rührte mich nicht, und der Patient starb tapfer während dieses Streits... Ein Toter ist nur ein Toter und spielt keine Rolle; aber eine vernachlässigte Formalität schadet der ganzen Ärzteschaft merklich). Hauptsache, die Schulmedizin, bzw. Biotech-Medizin wird positiv dargestellt, zur Not können Statistiken gefälscht, Nebenwirkungen und Tote schöngeredet bzw. in der Statistik nicht erfasst werden: "Pour raisonner... Il vaut mieux mourir selon les règles, que de réchapper contre les règles." (Zur Vernunft ... Lieber nach den Regeln sterben, als gegen die Regeln überleben). [23]

Auch was die Komödie "Le Médecin malgré lui" (Der Arzt wider Willen) betrifft, ist der Klassiker von Molière stärker als "Der Rosenkavalier": Vertont wurde die Komödie "Le Médecin malgré lui" übrigens von Charles Gounod und für die deutsche Sprache bearbeitet von Emil Nikolaus von Reznicek. 

Bei manchen Medizinern und Virologen im Gesundheitsministerium bzw. den angeschlossenen Biotech-Instituten RKI oder PEI, die im Land nach Holzfällerart wüten, 2G, schädliche Maskenpflicht für Kinder, Schulschließungen etc empfohlen haben, könnte man denken sie sind Mediziner wider Willen,  wie der Holzfäller in Molières "Médecin malgré lui", der sagt: "Trouve-moi un faiseur de fagots qui sache comme moi raisonner des choses, qui ait servi six ans un fameux médecin, et qui ait su dans son jeune âge son rudiment par cœur. (Finden Sie mir einen Holzfäller, der es versteht, Dinge zu begründen wie ich, der sechs Jahre lang einem berühmten Arzt gedient hat und der seine Grundlagen in jungen Jahren auswendig gelernt hat). Auch seine Frau ist nicht sonderlich begeistert von ihm: "Qu’appelles-tu bien heureuse de te trouver ? Un homme qui me réduit à l’hôpital, un débauché, un traître, qui me mange tout ce que j’ai !…Traître ! insolent ! trompeur ! lâche ! coquin ! pendard ! gueux ! belître ! fripon ! maraud ! voleur ! …" (Was nennst du sehr glücklich, dich selbst zu finden? Ein Mann, der mich ins Krankenhaus bringt, ein Wüstling, ein Verräter, der alles auffrisst, was ich habe! …Verräter! frech! irreführend! feige! frech! Trottel! Bettler! dumm! Schlingel! Schlingel! Dieb ! …). Da Martine, die Frau des Holzfällers von ihm auch geschlagen wird, denkt sie sich eine List aus, wie er die Schläge zurückbekommen kann; sie preist ihn als großen Arzt, der aber nie zugeben will, dass er ein berühmter Arzt ist; sie empfiehlt den Klienten, ihn so lange zu schlagen bis er zugebe, dass er Arzt sei. Wenn potentielle Klienten auftauchen, fragt sie: "Seroit-ce quelque chose où je vous puisse aider ?" (Könnte das etwas sein, bei dem ich Ihnen helfen kann?). Der Klient sucht nach einem Privatarzt mit besonderen Fähigkeiten: "Cela se pourroit faire ; et nous tâchons de rencontrer quelque habile homme, quelque médecin particulier qui pût donner quelque soulagement à la fille de notre maître, attaquée d’une maladie qui lui a ôté tout d’un coup l’usage de la langue. Plusieurs médecins ont déjà épuisé toute leur science après elle : mais on trouve parfois des gens avec des secrets admirables, de certains remèdes particuliers, qui font le plus souvent ce que les autres n’ont su faire ; et c’est là ce que nous cherchons." (Es könnte getan werden; und wir versuchen, einen geschickten Mann, einen Privatarzt zu finden, der der Tochter unseres Herrn etwas Linderung verschaffen kann, die von einer Krankheit befallen ist, die ihr plötzlich den Gebrauch der Zunge genommen hat. Mehrere Ärzte haben bei ihr bereits ihre ganze Wissenschaft erschöpft: aber man findet manchmal Leute mit bewundernswerten Geheimnissen bestimmter besonderer Heilmittel, die meistens tun, was andere nicht tun konnten; und danach suchen wir). Marine ist froh, dass sie sich nun an ihrem Mann rächen kann: "Vous ne pouviez jamais vous mieux adresser pour rencontrer ce que vous cherchez ; et nous avons un homme, le plus merveilleux homme du monde pour les maladies désespérées." (Es gibt keine bessere Adresse, um zu finden, wonach Sie suchen; und wir haben einen Mann, den wunderbarsten Mann der Welt für verzweifelte Krankheiten). Valère will wissen, wo er ihn finden kann: "Hé ! de grâce, où pouvons-nous le rencontrer ?" Martine: "Vous le trouverez maintenant vers ce petit lieu que voilà, qui s’amuse à couper du bois." (Sie finden ihn jetzt in der Nähe dieses kleinen Ortes hier, der Spaß am Holzhacken hat). Die Klienten sind verwundert: "Un médecin qui coupe du bois ! ... Qui s’amuse à cueillir des simples, voulez-vous dire ?" (Ein Arzt, der Holz hackt!... der gerne Kräuter pflückt, meinst du?) Martine: "Non ; c’est un homme extraordinaire qui se plaît à cela, fantasque, bizarre, quinteux, et que vous ne prendriez jamais pour ce qu’il est. Il va vêtu d’une façon extravagante, affecte quelquefois de paroître ignorant, tient sa science renfermée, et ne fuit rien tant tous les jours que d’exercer les merveilleux talents qu’il a eus du ciel pour la médecine." (Nein ; Er ist ein außergewöhnlicher Mann, der es genießt, skurril, bizarr, schrullig und den man nie für das halten würde, was er ist. Er geht extravagant gekleidet umher, tut manchmal so, als würde er unwissend erscheinen, hält seine Wissenschaft schweigsam und vermeidet jeden Tag so sehr, wie die wunderbaren Talente, die er vom Himmel für die Medizin hat, auszuüben.) Valère: "C’est une chose admirable que tous les grands hommes ont toujours du caprice, quelque petit grain de folie mêlé à leur science." (Es ist eine bewundernswerte Sache, dass alle großen Männer immer eine Laune haben, ein kleines Körnchen Wahnsinn, der sich mit ihrer Wissenschaft vermischt). Manch einer nennt ihn, wie den Chef des RKI, einen "le médecin des parroquets" (Papageiendoktor). Martine meint, der Wahnsinn dieses Mannes sei größer als man glauben mag, denn er gehe manchmal so weit, dass er sich schlagen lassen wolle, um mit seiner Leistungsfähigkeit einverstanden zu bleiben: "C’est ainsi que nous en usons quand nous avons besoin de lui." (So verwenden wir es, wenn wir es brauchen.) Valère: "Voilà une étrange folie !" (Das ist ein seltsamer Wahnsinn!) Martine: "Il est vrai ; mais, après cela, vous verrez qu’il fait des merveilles." (Es ist wahr ; aber danach werden Sie sehen, dass es Wunder wirkt). Valère: "Comment s’appelle-t-il ?" (Wie ist sein Name ?) Martine: "Il s’appelle Sganarelle. Mais il est aisé à connoître : c’est un homme qui a une large barbe noire, et qui porte une fraise, avec un habit jaune et vert." (Sein Name ist Sganarelle. Aber er ist leicht zu erkennen: Er ist ein Mann mit einem großen schwarzen Bart, der eine Halskrause trägt, mit einem gelb-grünen Mantel). Lucas: "Un habit jaune et vart ! C’est donc le médecin des parroquets ?" (Ein gelb-grüner Mantel! Er ist also der Papageientoktor?)  Die Klienten sind beeindruckt, dieser Mann müsse eine universelle Medizin haben.: "Il faut que cet homme-là ait la médecine universelle... Téligué ! v’là justement l’homme qu’il nous faut. Allons vite le charcher... Nous vous remercions du plaisir que vous nous faites." (...Er ist genau der Mann, den wir brauchen. Holen wir ihn schnell... Wir danken Ihnen für die Freude, die Sie uns bereiten). Martine erinnert nocheinmal an die Schläge, die verabreicht werden müssen: "Mais souvenez-vous bien au moins de l’avertissement que je vous ai donné." Lucas: "Hé ! morguenne ! laissez-nous faire : s’il ne tient qu’à battre, la vache est à nous." (Hallo ! Leichenhalle! Überlass es uns: Wenn er nur schlagen will, gehört die Kuh uns). Valère zu Lucas: "Nous sommes bien heureux d’avoir fait cette rencontre ; et j’en conçois, pour moi, la meilleure espérance du monde." (Wir sind sehr glücklich, dieses Treffen gemacht zu haben; und ich begreife es für mich als die beste Hoffnung der Welt). Der Holzfäller und Papageiendoktor Sganarelle singt hinter dem Theater bei einer Flasche Wein, als er die Leute bemerkt: "Que diable ! à qui en veulent ces gens-là ?" (Was zum Teufel ! Wen wollen diese Leute?) Valère: "Je vous demande si ce n’est pas vous qui se nomme Sganarelle." (Ich frage dich, ob du nicht Sganarelle genannt wirst). Sganarelle: "Oui et non, selon ce que vous lui voulez." (Ja und nein, je nachdem, was Sie von ihm erwarten). Valère: "Nous ne voulons que lui faire toutes les civilités que nous pourrons." (Wir wollen ihm nur alle Höflichkeit geben, die wir können). Sganarelle: "En ce cas, c’est moi qui se nomme Sganarelle." (In diesem Fall heiße ich Sganarelle) Valère: "Monsieur, il ne faut pas trouver étrange que nous venions à vous ; les habiles gens sont toujours recherchés, et nous sommes instruits de votre capacité." (Herr, Sie müssen es nicht seltsam finden, dass wir zu Ihnen kommen; geschickte Leute werden immer gesucht, und wir wurden über Ihre Kapazität informiert). Sganarelle: "Il est vrai, messieurs, que je suis le premier homme du monde pour faire des fagots." (Es ist wahr, meine Herren, dass ich der erste Mann auf der Welt bin, der Reisig macht)... Valère erinnert sich, was ihm gesagt wurde: "Faut-il, monsieur, qu’une personne comme vous s’amuse à ces grossières feintes, s’abaisse à parler de la sorte ! qu’un homme si savant, un fameux médecin, comme vous êtes veuille se déguiser aux yeux du monde, et tenir enterré des beaux talents qu’il a !" (Ist es notwendig, mein Herr, dass sich eine Person wie Sie mit diesen groben Vorwänden amüsiert, sich herablässt, so zu reden? dass ein so gelehrter Mann, ein so berühmter Arzt, wie Sie es sind, sich in den Augen der Welt verkleidet und seine feinen Talente begräbt!) Sganarelle, à part: "Il est fou." (Er ist verrückt). Valère: "De grâce, monsieur, ne dissimulez point avec nous." (Bitte, Herr, verstellen Sie sich nicht). Sganarelle: "Comment ?" (Wie?) Lucas: "Tout ce tripotage ne sart de rian ; je savons cen que je savons." (All dieses Gefummel ist nichts; Ich weiß, was ich weiß). Sganarelle: "Quoi donc ! que me voulez-vous dire ? Pour qui me prenez-vous ?" (Was also! was wollen Sie mir sagen? Für wen halten Sie mich?) Valère: "Pour ce que vous êtes, pour un grand médecin." (Für das, was Sie sind, für einen großartigen Arzt). Sganarelle: "Médecin vous-même ; je ne le suis point, et je ne l’ai jamais été." (Arzt selbst; Ich bin es nicht und war es nie). Valère, für sich: "Voilà sa folie qui le tient. (Haut.) Monsieur, ne veuillez point nier les choses davantage ; et n’en venons point, s’il vous plaît, à de fâcheuses extrémités." (Das ist sein Wahnsinn, der ihn festhält. (laut) Herr, leugnen Sie die Dinge nicht länger...) Sganarelle: "Messieurs, en un mot autant qu’en deux mille, je vous dis que je ne suis point médecin." (Meine Herren, mit einem Wort ebenso wie mit zweitausend sage ich Ihnen, dass ich kein Arzt bin). Valère: "Vous n’êtes point médecin ?" (Sie sind kein Arzt?) Da er immer weiter behauptet, kein Arzt zu sein, nehmen sich die Klienten einen Stock und schlagen, wie von seiner Frau empfohlen, so lange zu bis er gesprächig wird. Sganarelle: "Ah ! ah ! ah ! messieurs, je suis tout ce qu’il vous plaira." (Ah! Ah! Ah! Meine Herren, ich bin, was immer Sie wollen... Was zum Teufel ist das, meine Herren? Bitte, ist es ein Scherz oder seid ihr beide extravagant, dass ihr mich als Arzt haben wollt?). Valère: "Quoi ! vous ne vous rendez pas encore, et vous vous défendez d’être médecin ?" (Was ! Du gibst noch nicht auf und verleugnest, Arzt zu sein?) Sie schlagen weiter auf ihn ein. Sganarelle: "Diable emporte si je le suis !... Ah ! ah ! Hé bien ! messieurs, oui, puisque vous le voulez, je suis médecin, je suis médecin ; apothicaire encore, si vous le trouvez bon. J’aime mieux consentir à tout que de me faire assommer." (Teufel nimmt mich, wenn ich es bin!... Ah! Ah! Also ! Meine Herren, ja, wenn Sie wollen, ich bin Arzt, ich bin Arzt; Apotheker nochmal, wenn du es gut findest. Ich stimme lieber irgendetwas zu, als bewusstlos geschlagen zu werden). Valère: "Ah ! voilà qui va bien, monsieur : je suis ravi de vous voir raisonnable." (Ah! das ist in Ordnung, mein Herr. Ich freue mich, Sie vernünftig zu sehen). Lucas: "Vous me boutez la joie au cœur, quand je vous vois parler comme ça." (Du erfüllst mein Herz mit Freude, wenn ich dich so reden sehe). Valère: "Je vous demande pardon de toute mon ame." (Ich bitte Sie von ganzem Herzen um Verzeihung). Lucas: "Je vous demandons excuse de la libarté que j’avons prise." (Ich entschuldige mich für die Freiheit, die ich mir genommen habe). Sganarelle fragt sich, was sich vielleicht Karl Lauterbach im Gesundheitsministerium oder Lothar Wieler im RKI fragen: "Ouais ! seroit-ce bien moi qui me tromperois, et serois-je devenu médecin sans m’en être aperçu ?" (Ja ! Könnte ich mich wirklich geirrt haben und wäre ich Arzt geworden, ohne es zu merken?) Valère: "Monsieur, vous ne vous repentirez pas de nous montrer ce que vous êtes ; et vous verrez assurément que vous en serez satisfait." (Sir, Sie werden es nicht bereuen, uns zu zeigen, was Sie sind; und Sie werden sicher feststellen, dass Sie damit zufrieden sein werden). Sganarelle: "Mais, messieurs, dites-moi, ne vous trompez-vous point vous-mêmes ? Est-il bien assuré que je sois médecin ?" (Aber, meine Herren, sagen Sie, betrügen Sie sich nicht? Ist es sicher, dass ich Arzt bin?) Valère: "Comment, vous êtes le plus habile médecin du monde." (Wie, Sie sind der geschickteste Arzt der Welt). Lucas: "Un médecin qui a gari je ne sais combien de maladies." (Ein Arzt, der ich weiß nicht wie viele Krankheiten behandelt hat).  Als er hört, dass er sich aussuchen könne was er wolle für seine Dienste, will er gerne wieder Arzt und Apotheker sein, ähnlich wie unsere Narren aus den Biotech-Firmen wie Biontech / Pfizer, die an den Maßnahmen des Gesundheitsministeriums und des RKI durch die Herstellung einer nur ein paar Tage wirksamen mRNA-Imfstoffs, kräftig verdienen. Sganarelle: "Je gagnerai ce que je voudrai ?... Ah ! je suis médecin, sans contredit. Je l’avois oublié ; mais je m’en ressouviens. De quoi est-il question ? Où faut-il se transporter ?" (Ich gewinne, was ich will?... Ah! Ich bin Arzt, ohne Zweifel. Ich hatte es vergessen; aber ich erinnere mich daran. Worum geht es? Wohin sollen Sie transportiert werden?)... Lucas: "Palsanguenne ! v’là un médecin qui me plaît ; je pense qu’il réussira, car il est bouffon." (Hier ist ein Arzt, den ich mag; Ich denke, er wird Erfolg haben, weil er ein Narr ist). Ähnlich argumentieren die Narren von ZDF, WDR, 3Sat mit den Wissenschaftssendungen Nano, Scobel, Quarks oder die evangelische Kirche mit EKD (Annette Kurschus) und Diakonie (Ulrich Lilie) in Bezug auf die sogenannte "wissensbasierte" Medizin bzw. Biotech-Medizin mit Gentherapie oder mRNA-Impfstoffen. Sie bringen den neuen Arzt zur Familie des kranken Mädchens und schwärmen von seinen Fähigkeiten so wie man heute von den zweifelhaften Fähigkeiten eines Ugur Sahin oder Lothar Wieler schwärmt: "Oui, monsieur, je crois que vous serez satisfait ; et nous vous avons amené le plus grand médecin du monde... C’est un homme qui a fait des cures merveilleuses... Il est un peu capricieux, comme je vous ai dit ; et, parfois, il a des moments où son esprit s’échappe, et ne paroît pas ce qu’il est." (Ja, mein Herr, ich glaube, Sie werden zufrieden sein; und wir haben Ihnen den besten Arzt der Welt gebracht... Er ist ein Mann, der wunderbare Heilmittel hervorgebracht hat... Er ist ein wenig launisch, wie ich Ihnen sagte; und manchmal hat er Momente, in denen sein Geist entkommt und nicht scheint, was er ist). Lukas meint, er könne manchmal etwas seltsam wirken, was wohl daher komme, dass er einen kleinen Schlag auf den Kopf hatte: "qu’il a quelque petit coup de hache à la tête." Für Valère sei das eben Wissenschaft: "Mais, dans le fond, il est toute science ; et bien souvent il dit des choses tout à fait relevées." (Aber im Grunde ist es alles Wissenschaft; und sehr oft sagt er Dinge, die ziemlich erhaben sind). Der Vater der kranken Tochter, Géronte, will ihn sehen: "Je meurs d’envie de le voir ; faites-le-moi vite venir." (Ich möchte ihn unbedingt sehen; bring ihn schnell zu mir), merkt aber bald: "Quel diable d’homme m’avez-vous là amené ? ... je l’enverrois promener avec ses goguenarderies" (Was für einen Teufel hast du mir hierher gebracht?... ich würde ihn mit seinem Geplänkel wegschicken.), was man von den neuen Biotech-Medizinern des RKI auch sagen könnte, die die Bevölkerung mit ihren Maßnahmen malträtiet haben. Der Holzfäller, Sganarelle, der hier die Rolle des Arztes einnimmt, stellt seine neue Arztpraxis vor: "C’est l’office du médecin de voir les tétons des nourrices." (Es ist die Arztpraxis, um die Brustwarzen der Krankenschwestern zu sehen). 

Als seine Praxis kritisiert wird, ist er empört, ähnlich wie die Flitzpiepen vom Gesundheitsministerium oder dem RKI sich über Kritik an ihren unsinnigen Maßnahmen empören: "As-tu bien la hardiesse de t’opposer au médecin ? Hors de là." (Haben Sie den Mut, sich dem Arzt zu widersetzen? Raus da). Auch große Förderer der Biotech-Medizin wie Karl Lauterbach sind über die Kritik an den Methoden der Biotech-Medizin und ihren eigenen Schlussfolgerungen (Impfpflicht mit mRNA-Impfstoffen) empört.  Es wird gefragt: "Est-ce là la malade ?" (Ist das der Patient?) Geronte, der Vater der Patientin Lucinde: "Oui, Je n’ai qu’elle de fille ; et j’aurois tous les regrets du monde si elle venoit à mourir." (Ja, ich habe nur diese Tochter; und ich würde alles auf der Welt bereuen, wenn sie sterben würde). Sganarelle, der "Papageiendoktor" argumentiert wie unsere Biotech-Mediziner, die alle Toten gerne als Corona-Tote klassifizieren: "Qu’elle s’en garde bien ! Il ne faut pas qu’elle meure sans l’ordonnance du médecin... Voilà une malade qui n’est pas tant dégoûtante, et je tiens qu’un homme bien sain s’en accommoderoit assez." (Passen Sie gut darauf auf! Sie darf nicht ohne ärztliche Verordnung sterben... Hier ist ein Patient, der nicht so ekelhaft ist, und ich denke, dass ein sehr gesunder Mann es genug ertragen würde). Géronte: "vous l’avez fait rire, monsieur." (Sie haben sie zum Lachen gebracht, Herr").  Trotzdem scheinen unsere Biotech-Mediziner diesem Doktor nicht das Wasser reichen zu können. Sganarelle: "Tant mieux : lorsque le médecin fait rire le malade, c’est le meilleur signe du monde. (à Lucinde.) Hé bien ! de quoi est-il question ? Qu’avez-vous ? quel est le mal que vous sentez ?" (Umso besser: Wenn der Arzt den Patienten zum Lachen bringt, ist das das beste Zeichen der Welt. (zu Lucinde.) Nun! worum geht es? Was hast du? Was ist der Schaden, den Sie fühlen?" Lucinde antwortet mit Zeichen und führt ihre Hand an ihren Mund, ihren Kopf und ihr Kinn: "Han, hi, hou, han." Sganarelle: "Hé ! que dites-vous ?" (Hallo ! Was sagen Sie ?) Lucinde, fährt mit den gleichen Gesten fort: "Han, hi, hon, han, han, hi, hon." Sganarelle: "Quoi ?" (Was ?)  Lucinde: "Han, hi, hon." Sganarelle: "Han, hi, hon, han, ha. Je ne vous entends point. Quel diable de langage est-ce là ?" (Han, hi, hon, han, ha. Ich höre dich nicht. Was zum Teufel für eine Sprache ist das?) Géronte: "Monsieur, c’est là sa maladie. Elle est devenue muette, sans que jusques ici on en ait pu savoir la cause ; et c’est un accident qui a fait reculer son mariage." (Sir, das ist ihr Problem. Sie ist stumm geworden, ohne dass wir bisher die Ursache kennen konnten; und es war ein Unfall, der ihre Ehe zurückwarf). Sganarelle: "Et pourquoi ?" (Und warum ?) Géronte: "Celui qu’elle doit épouser veut attendre sa guérison pour conclure les choses." (Derjenige, die sie heiraten soll, will ihre Genesung abwarten, um die Dinge abzuschließen). Sganarelle: "Et qui est ce sot-là, qui ne veut pas que sa femme soit muette ? Plût à Dieu que la mienne eût cette maladie ! je me garderois bien de la vouloir guérir." (Und wer ist dieser Narr, der nicht will, dass seine Frau stumm bleibt? Wollte Gott, dass meine diese Krankheit hatte! Ich würde darauf achten, sie nicht heilen zu wollen). Sganarelle, sich der Patientin zuwendend: "Donnez-moi votre bras. (à Géronte.) Voilà un pouls qui marque que votre fille est muette." (Gib mir deinen Arm. (zu Géronte) Hier ist ein Puls, der zeigt, dass Ihre Tochter stumm ist). Géronte: "Hé ! oui, monsieur, c’est là son mal ; vous l’avez trouvé tout du premier coup." (Hallo ! ja, mein Herr, das ist seine Sorge; du hast es gleich gefunden). Jacqueline: "Voyez comme il a deviné sa maladie !" (Sehen Sie, wie er seine Krankheit erraten hat!) Sganarelle: "Nous autres grands médecins, nous connoissons d’abord les choses. Un ignorant auroit été embarrassé, et vous eût été dire, C’est ceci, c’est cela ; mais moi, je touche au but du premier coup, et je vous apprends que votre fille est muette." (Wir großen Ärzte wissen die Dinge zuerst. Ein Ignorant wäre verlegen gewesen und hätte zu Ihnen gesagt: Es ist dies, es ist das; aber ich, ich erreiche das Ziel beim ersten Versuch, und ich teile Ihnen mit, dass Ihre Tochter stumm ist). Géronte: "Oui : mais je voudrois bien que vous me pussiez dire d’où cela vient." (Ja, aber ich möchte, dass Sie mir sagen, woher es kommt). Sganarelle: "Il n’est rien de plus aisé ; cela vient de ce qu’elle a perdu la parole." (Nichts ist einfacher; es kommt daher, dass sie ihre Sprache verloren hat). Géronte: "Fort bien. Mais la cause, s’il vous plaît, qui fait qu’elle a perdu la parole ?" (Sehr gut. Aber bitte die Ursache, die dazu führt, dass sie ihre Sprache verliert?) Sganarelle: "Tous nos meilleurs auteurs vous diront que c’est l’empêchement de l’action de sa langue." (Alle unsere besten Autoren werden Ihnen sagen, dass dies die Behinderung der Wirkung seiner Zunge ist). Géronte: "Mais encore, vos sentiments sur cet empêchement de l’action de sa langue ?" (Aber trotzdem, Ihre Gefühle zu dieser Behinderung der Wirkung seiner Zunge?) Sganarelle: "Aristote, là-dessus, dit… de fort belles choses" (Aristoteles sagt dazu … sehr schöne Dinge). Géronte: "Je le crois." (Ich glaube ihm). Sganarelle: "Ah ! c’étoit un grand homme !" (Ah! Er war ein großartiger Mann!) Géronte: "Sans doute." (Ohne Zweifel). Heute wird zwar weniger an Aristoteles geglaubt, dafür aber an die sogenannte "wissensbasierte Schulmedizin", die als Biotech-Medizin allerdings wenig mit echter Wissenschaft zu tun hat. Er wendet ein paar lateinische Fachwörter an, spricht quasi von einer "wissensbasierten" Medizin, von "einer ganz neuen Methode" und beeindruckt die Umstehenden. Jacqueline: "L’habile homme que v’là !... Ah ! que ça est bian dit, notre homme !" (Was für ein kluger Mann du bist!... Ah! Wie gut gesagt, unser Mann!) Lucas: "Que n’ai-je la langue aussi bian pendue !" (Warum habe ich nicht so eine hängende Zunge!) Géronte: "On ne peut pas mieux raisonner, sans doute. Il n’y a qu’une seule chose qui m’a choquée : c’est l’endroit du foie et du cœur. Il me semble que vous les placez autrement qu’ils ne sont ; que le cœur est du côté gauche, et le foie du côté droit." (Besser kann man zweifelsohne nicht argumentieren. Nur eines hat mich schockiert: Es ist der Ort der Leber und des Herzens. Es scheint mir, dass Sie sie anders platzieren, als sie sind; dass das Herz auf der linken Seite und die Leber auf der rechten Seite ist). Sganarelle: "Oui ; cela étoit autrefois ainsi : mais nous avons changé tout cela, et nous faisons maintenant la médecine d’une méthode toute nouvelle." (Ja ; früher war es so: aber wir haben das alles geändert und praktizieren jetzt Medizin mit einer ganz neuen Methode). Alle geben untertänigst ihre Unwissenheit zu, wie es die Flitzpiepen von Gesundheitsministerium und RKI auch gerne hätten. Géronte: "C’est ce que je ne savois pas, et je vous demande pardon de mon ignorance." (Das wusste ich nicht und ich bitte um Verzeihung für meine Unwissenheit). Sganarelle: "Il n’y a point de mal ; et vous n’ètes pas obligé d’être aussi habile que nous." (Es gibt keinen Schaden; und Sie müssen nicht so geschickt sein wie wir). Géronte: "Assurément. Mais, monsieur, que croyez-vous qu’il faille faire à cette maladie ?" (Bestimmt. Aber, mein Herr, was sollte Ihrer Meinung nach gegen diese Krankheit getan werden?) Sganarelle: "Ce que je crois qu’il faille faire ?... Mon avis est qu’on la remette sur son lit, et qu’on lui fasse prendre pour remède quantité de pain trempé dans du vin." (Was muss meiner Meinung nach getan werden?... Mein Rat ist, sie wieder auf ihr Bett zu legen und ihr als Heilmittel eine Menge in Wein getränktes Brot zu geben.) Géronte: "Pourquoi cela, monsieur ?" (Warum ist das so, Herr?) Sganarelle: "Parcequ’il y a dans le vin et le pain, mêlés ensemble, une vertu sympathique qui fait parler. Ne voyez-vous pas bien qu’on ne donne autre chose aux perroquets, et qu’ils apprennent à parler en mangeant de cela ?" (Denn in Wein und Brot, vermischt, liegt eine sympathische Tugend, die die Menschen zum Reden bringt. Siehst du nicht, dass wir Papageien nichts anderes geben und dass sie sprechen lernen, indem sie es essen?) Géronte: "Cela est vrai ! Ah ! le grand homme ! Vite, quantité de pain et de vin." (Das ist wahr ! Ah! der große Mann! Schnell, Menge Brot und Wein). Sganarelle: "Je reviendrai voir sur le soir en quel état elle sera." (Ich werde am Abend wiederkommen, um zu sehen, in welchem Zustand sie sein wird). Auch bei einigen heutigen Heilmitteln aus der "wissensbasierten" Medizin bzw. Biotech-Medizin wie Gentherapie oder mRNA-Impfstoffe, kann man skeptisch sein und sagen: "das ist eine Mode, die ich nicht verstehe", vor allem wenn sie bei kerngesunden Menschen eingesetzt wird, auch wenn die sogenannten Schulmediziner sagen: das spiele keine Rolle, "die Mode ist heilsam". Sganarelle sagt zu Jacqueline: "Doucement, vous. (à Géronte) Monsieur, voilà une nourrice à laquelle il faut que je fasse quelques petits remèdes." (Nehmt es locker, (zu Géronte) Herr, hier ist eine Krankenschwester, für die ich ein paar kleine Heilmittel herstellen muss). Jacqueline: "Qui ? moi ? Je me porte le mieux du monde." (Die ? mich ? Ich mache das Beste der Welt). Sganarelle: "Tant pis, nourrice ; tant pis. Cette grande santé est à craindre, et il ne sera pas mauvais de vous faire quelque petite saignée amiable, de vous donner quelque petit clystère dulcifiant." (Um so schlimmer, Schwester; egal. Diese große Gesundheit ist zu fürchten, und es wird nicht schlecht sein, Ihnen ein wenig gütliches Bluten zu machen, Ihnen ein wenig dämpfendes Klistier zu geben). Géronte: "Mais, monsieur, voilà une mode que je ne comprends point. Pourquoi s’aller faire saigner quand on n’a point de maladie ?" (Aber, Herr, das ist eine Mode, die ich nicht verstehe. Warum gehen und bluten, wenn Sie keine Krankheit haben?) Sganarelle: "Il n’importe, la mode en est salutaire ; et, comme on boit pour la soif à venir, il faut se faire aussi saigner pour la maladie à venir". (Es spielt keine Rolle, die Mode ist heilsam; und wie man für den kommenden Durst trinkt, muss man sich auch für die kommende Krankheit bluten lassen). Jacqueline, en s’en allant: "Ma fi, je me moque de ça, et je ne veux point faire de mon corps une boutique d’apothicaire." (Liebling, das ist mir egal, und ich will meinen Körper nicht in eine Apotheke verwandeln). Sganarelle: "Vous êtes rétive aux remèdes, mais nous saurons vous soumettre à la raison." (Gegen Heilmittel sind Sie resistent, aber wir werden Sie der Vernunft unterwerfen können). Die heutigen Biotech-Mediziner wie Ugur Sahin, der gerne das Bundesverdienstkreuz entgegengenommen hatte, oder der Chef von Sartorius, sind natürlich keine "médecin mercenaire" und arbeiten nicht des Geldes wegen und werden schon gar nicht von der Biotech-Pharmaindustrie bezahlt. Sganarelle: "Ce n’est pas l’argent qui me fait agir" (Es ist nicht das Geld, das mich zum Handeln bringt). Géronte: "Je le crois." (Ich glaube ihm). Sganarelle, nachdem er das Geld genommen hat: "Cela est-il de poids ?" (ist es schwer?). Géronte: "Oui, monsieur." (Ja, Herr). Sganarelle: "Je ne suis pas un médecin mercenaire." (Ich bin kein Lohndoktor). Géronte: "Je le sais bien." (Ich weiß es ganz gut). Sganarelle: "L’intérêt ne me gouverne point." (Interesse beherrscht mich nicht). Géronte: "Je n’ai pas cette pensée." (Ich habe diesen Gedanken nicht). Sganarelle, "seul, regardant l’argent qu’il a reçu. Ma foi, cela ne va pas mal ; et pourvu que…" (allein, betrachtet das Geld, das er erhalten hat: Nun, das ist nicht schlecht; und vorausgesetzt... " In der neunten Szene kommt ein Gesunder, nämlich Léandre, der Geliebte von Lucinde, zum Papageienarzt. Léandre: "Monsieur, il y a longtemps que je vous attends ; et je viens implorer votre assistance." (Herr, ich habe Sie lange erwartet; und ich komme, um ihre Hilfe zu erflehen). Sganarelle, "lui tâtant le pouls. Voilà un pouls qui est fort mauvais." (der seinen Puls fühlt. Das ist ein sehr schlechter Puls." Léandre: "Je ne suis point malade, monsieur ; et ce n’est pas pour cela que je viens à vous." (Ich bin nicht krank, mein Herr; und das ist nicht der Grund, warum ich zu Ihnen komme). Sganarelle: "Si vous n’êtes pas malade, que diable ne le dites-vous donc ?" (Wenn Sie nicht krank sind, warum zum Teufel sagen Sie das nicht?) Léandre: "Non. Pour vous dire la chose en deux mots, je m’appelle Léandre, qui suis amoureux de Lucinde, que vous venez de visiter ; et comme, par la mauvaise humeur de son père, toute sorte d’accès m’est fermé auprès d’elle, je me hasarde à vous prier de vouloir servir mon amour, et de me donner lieu d’exécuter un stratagème que j’ai trouvé pour lui pouvoir dire deux mots d’où dépendent absolument mon bonheur et ma vie." (Nein. Um es Ihnen in zwei Worten zu sagen, mein Name ist Léandre, der in Lucinde verliebt ist, die Sie gerade besucht haben; und da mir durch die schlechte Laune ihres Vaters jeder Zugang zu ihr versperrt ist, wage ich Sie zu bitten, meiner Liebe dienen zu wollen, und mir Anlass zu geben, eine List auszuführen, die ich für ihn gefunden habe in der Lage, zwei Worte zu sagen, von denen mein Glück und mein Leben absolut abhängen). Sganarelle, "paroissant en colère. Pour qui me prenez-vous ? Comment ! oser vous adresser à moi pour vous servir dans votre amour, et vouloir ravaler la dignité de médecin à des emplois de cette nature !... Je vous apprendrai que je ne suis point homme à cela, et que c’est une insolence extrême…" (wütend: Für wen halten Sie mich? Wie? 'Es zu wagen, sich an Mich zu wenden, um Ihnen in Ihrer Liebe zu dienen, und die Würde eines Arztes auf solche Beschäftigungen reduzieren zu wollen!... Ich werde dir beibringen, dass ich kein Mann dafür bin und dass es eine extreme Unverschämtheit ist ...). Léandre, "tirant une bourse: Monsieur…" Léandre, einen Geldbeutel ziehend: "Herr…" Sganarelle, "De vouloir m’employer… (tenant la bourse.) Je ne parle pas pour vous, car vous êtes honnête homme ; et je serois ravi de vous rendre service : mais il y a de certains impertinents au monde qui viennent prendre les gens pour ce qu’ils ne sont pas ; et je vous avoue que cela me met en colère." (Mich anstellen zu wollen... (hält die Börse in der Hand) Ich spreche nicht von Ihnen, denn Sie sind ein ehrlicher Mann; und ich würde Ihnen gerne einen Gefallen tun: aber es gibt gewisse Unverschämtheiten in der Welt, die kommen und Leute für das halten, was sie nicht sind; und ich gestehe, dass es mich wütend macht). Léandre: "Je vous demande pardon, monsieur, de la liberté que…" (Ich bitte um Verzeihung, Sir, für die Freiheit, die...) Sganarelle: "Vous vous moquez. De quoi est-il question ?" (Sie machen Spaß. Worum geht es?) Léandre: "Vous saurez donc, monsieur, que cette maladie que vous voulez guérir est une feinte maladie. Les médecins ont raisonné là-dessus comme il faut ; et ils n’ont pas manqué de dire que cela procédoit, qui du cerveau, qui des entrailles, qui de la rate, qui du foie : mais il est certain que l’amour en est la véritable cause, et que Lucinde n’a trouvé cette maladie que pour se délivrer d’un mariage dont elle étoit importunée. Mais, de crainte qu’on ne nous voie ensemble, retirons-nous d’ici, et je vous dirai en marchant ce que je souhaite de vous." (Sie werden also wissen, Herr, dass diese Krankheit, die Sie heilen wollen, eine vorgetäuschte Krankheit ist. Die Ärzte haben dies so begründet, wie sie es sollten; und sie versäumten nicht zu sagen, dass es vom Gehirn ausging, was von den Eingeweiden, was von der Milz, was von der Leber Krankheit, nur um sich aus einer Ehe zu befreien, mit der sie belästigt wurde. Aber damit wir nicht zusammen gesehen werden, ziehen wir uns von hier zurück, und ich werde Ihnen unterwegs sagen, was ich von Ihnen wünsche). Sganarelle: "Allons, monsieur : vous m’avez donné pour votre amour une tendresse qui n’est pas concevable ; et j’y perdrai toute ma médecine, ou la malade crèvera, ou bien elle sera à vous." (Kommen Sie, Herr: Sie haben mir für Ihre Liebe eine unvorstellbare Zärtlichkeit gegeben; und ich werde meine ganze Medizin verlieren, oder die Patientin wird sterben, oder sie wird Ihnen gehören). Léandre möchte sich als Apotheker verkleiden und von Sganarelle noch ein paar wichtige Fachbegriffe lernen: "Il me semble que je ne suis pas mal ainsi pour un apothicaire ; et, comme le père ne m’a guère vu, ce changement d’habit et de perruque est assez capable, je crois, de me déguiser à ses yeux." (Mir scheint, ich bin nicht schlecht als Apotheker; und da der Vater mich kaum gesehen hat, ist dieser Mantel- und Perückenwechsel, glaube ich, hinreichend geeignet, mich vor seinen Augen zu verbergen). Sganarelle: "Sans doute." (Ohne Zweifel). Léandre: "Tout ce que je souhaiterois seroit de savoir cinq ou six grands mots de médecine, pour parer mon discours et me donner l’air d’habile homme." (Ich möchte nur fünf oder sechs große medizinische Wörter kennen, um meine Sprache zu schmücken und mich wie einen klugen Mann aussehen zu lassen). Sganarelle: "Allez, allez, tout cela n’est pas nécessaire, il suffit de l’habit : et je n’en sais pas plus que vous." (Komm schon, komm schon, das ist alles nicht nötig, nur der Mantel: und ich weiß nicht mehr als du). Léandre: "Comment !" (Wie?) Sganarelle: "Diable emporte si j’entends rien en médecine ! Vous êtes honnête homme, et je veux bien me confier à vous comme vous vous confiez à moi." (Nimm es zum Teufel, wenn ich nichts in der Medizin höre! Sie sind ein ehrlicher Mann, und ich bin bereit, Ihnen zu vertrauen, wie Sie sich mir anvertrauen). Léandre: "Quoi ! vous n’êtes pas effectivement…" (Was ! du bist nicht wirklich...). Sganarelle erklärt die "wissensbasierte" Medizin und wie er dorthin gefunden habe, wie er um Rat gefragt werde; er schwärmt davon, dass man immer gleich bezahlt werde, egal ob man es gut oder schlecht mache,  es sei immer die Schuld desjenigen, der sterbe. Schließlich sei das Gute an diesem Beruf, dass es unter den Toten Ehrlichkeit gebe, die größte Diskretion; und man sehe nie einen, der sich über den Arzt beschwere, der ihn getötet habe, ähnlich wie sich heute niemand von den Toten beschwert, die durch die Biotech-Medizin bzw. mRNA-Impfung gestorben sind: "Non, vous dis-je ; ils m’ont fait médecin malgré mes dents. Je ne m’étois jamais mêlé d’être si savant que cela ; et toutes mes études n’ont été que jusqu’en sixième. Je ne sais point sur quoi cette imagination leur est venue ; mais quand j’ai vu qu’à toute force ils vouloient que je fusse médecin, je me suis résolu de l’être aux dépens de qui il appartiendra. Cependant vous ne sauriez croire comment l’erreur s’est répandue, et de quelle façon chacun est endiablé à me croire habile homme. On me vient chercher de tous côtés ; et, si les choses vont toujours de même, je suis d’avis de m’en tenir toute la vie à la médecine. Je trouve que c’est le métier le meilleur de tous ; car, soit qu’on fasse bien, ou soit qu’on fasse mal, on est toujours payé de même sorte. La méchante besogne ne retombe jamais sur notre dos ; et nous taillons comme il nous plaît sur l’étoffe où nous travaillons. Un cordonnier, en faisant des souliers, ne sauroit gâter un morceau de cuir qu’il n’en paie les pots cassés ; mais ici l’on peut gâter un homme sans qu’il en coûte rien. Les bévues ne sont point pour nous, et c’est toujours la faute de celui qui meurt. Enfin le bon de cette profession est qu’il y a parmi les morts une honnêteté, une discrétion la plus grande du monde ; et jamais on n’en voit se plaindre du médecin qui l’a tué". (Nein, ich sage es Ihnen; Sie haben mich trotz meiner Zähne zum Arzt gemacht. Ich hatte mich nie daran gestört, so gelehrt zu sein; und alle meine Studien waren nur bis zum sechsten. Ich weiß nicht, warum ihnen diese Vorstellung kam; aber als ich sah, dass sie um jeden Preis wollten, dass ich Arzt werde, entschloss ich mich, einer zu werden, auf Kosten von wem auch immer. Sie glauben jedoch nicht, wie sich der Irrtum verbreitet hat und wie teuflisch alle mich für einen klugen Mann halten. Sie suchen mich von allen Seiten; und wenn es immer so läuft, bin ich der Meinung, dass ich mein Leben lang bei der Medizin bleiben sollte. Ich finde es die beste Arbeit von allen; denn ob man es gut oder schlecht macht, man wird immer gleich bezahlt. Der unangenehme Job fällt nie auf unseren Rücken; und wir schneiden nach Belieben an dem Zeug, an dem wir arbeiten. Ein Schuhmacher kann kein Stück Leder verderben, ohne dafür zu bezahlen; aber hier kann man einen Mann verwöhnen, ohne dass es etwas kostet. Die Fehler liegen nicht bei uns, und es ist immer die Schuld desjenigen, der stirbt. Schließlich ist das Gute an diesem Beruf, dass es unter den Toten Ehrlichkeit gibt, die größte Diskretion der Welt; und du siehst nie einen, der sich über den Arzt beschwert, der ihn getötet hat). Léandre: "Il est vrai que les morts sont fort honnêtes gens sur cette matière." (Es ist wahr, dass die Toten in dieser Angelegenheit sehr ehrliche Menschen sind). Sganarelle, "voyant des hommes qui viennent à lui. Voilà des gens qui ont la mine de me venir consulter, (à Léandre.) Allez toujours m’attendre auprès du logis de votre maîtresse." (Sganarelle, der Männer zu sich kommen sieht. Es gibt Leute, die kommen, um mich um Rat zu fragen). In der nächsten Szene wird der Arzt wieder gerufen, weil man die Heuchelei der anderen Ärzte satt hat, die ihr nur teure Medikamente bzw, gefährliche Medikamte ähnlich den heutigen Biotech-Medikamenten wie mRNA-Impfstoffen usw. verschrieben haben, von denen manche sagen: "aber ich hatte ehrlich gesagt Angst, dass es sie in die Hölle schicken würde; und man sagt, dass diese fetten Ärzte ich weiß nicht wie viele Menschen mit dieser Erfindung getötet haben."  . Sganarelle: "Qu’y a-t-il ?" (Was ist es ?). Thibaut: "Sa pauvre mère, qui a nom Parrette, est dans un lit malade il y a six mois." (Seine arme Mutter, die Parrette heißt, lag seit sechs Monaten im Krankenbett). Sganarelle, "tendant la main comme pour recevoir de l’argent. Que voulez-vous que j’y fasse ?"  (Sganarelle, der seine Hand ausstreckt, als wolle er etwas Geld entgegennehmen. Was soll ich dagegen tun?) Thibaut: "Je voudrions, monsieu, que vous nous baillissiez queuque petite drôlerie pour la garir." (Ich möchte, Sir, dass Sie einen kleinen Witz machen, um sie zu heilen). Sganarelle: "Il faut voir de quoi est-ce qu’elle est malade." (Man musst sehen, was mit ihr los ist). Thibaut: "Elle est malade d’hypocrisie, monsieu... Oui, c’est-à-dire qu’aile est enflée partout ; et l’an dit que c’est quantité de sériosités qu’alle a dans le corps, et que son foie, son ventre, ou sa rate, comme vous voudrois l’appeler, au glieu de faire du sang, ne fait plus que de l’iau. Alle a, de deux jours l’un, la fièvre quotiguienne, avec des lassitudes et des douleurs dans les mufles des jambes. On entend dans sa gorge des fleumes qui sont tout prêts à l’élouffer ; et parfois il li prend des syncoles et des conversions, que je crayons qu’alle est passée. J’avons dans notre village un apothicaire, révérence parler, qui li a donné je ne sais combien d’histoires ; et il m’en coûte plus d’eune douzaine de bons écus en lavements, ne v’s en déplaise, en aposthumes qu’on li a fait prendre, en infections de jacinthe, et en portions cordales. Mais tout ça, comme dit l’autre, n’a été que de l’onguent miton-mitaine. Il veloit li bailler d’eune certaine drogue que l’on appelle du vin amétile ; mais j’ai-z-eu peur franchement que ça l’envoyît a patres ; et l’an dit que ces gros médecins tuont je ne sais combien de monde avec cette invention-là." (Sie ist krank vor Heuchelei, Herr... Ja, das heißt, sie ist überall geschwollen; und man sagt, dass es eine Menge Ernsthaftigkeit ist, die sie im Körper hat, und dass ihre Leber, ihr Bauch oder ihre Milz, wie Sie es nennen möchten, anstatt Blut, nichts anderes als Wasser produziert. Sie hat seit zwei Tagen das tägliche Fieber, mit Müdigkeit und Schmerzen... Ich habe einen Apotheker in unserem Dorf, Ehrfurcht zu sprechen, der ihr ich weiß nicht wie viele Geschichten erzählt hat; und es kostet mich mehr als ein Dutzend gute Kronen an Einkäufen, bei allem Respekt, an Aposthumen, die ihr zugefügt wurden, an Hyazintheninfektionen und an Herzportionen. Aber das alles war, wie der andere sagt, nichts als Salbe. Er wollte ihm eine bestimmte Droge namens 'vin amétile' geben; aber ich hatte ehrlich gesagt Angst, dass es sie in die Hölle schicken würde; und man sagt, dass diese fetten Ärzte ich weiß nicht wie viele Menschen mit dieser Erfindung getötet haben). Sganarelle wartet wie unsere Biotech-Pharmafirmen noch auf die monetäre Unterstützung: "tendant toujours la main, et la branlant comme pour signe qu’il demande de l’argent. Venons au fait, mon ami, venons au fait." (Sganarelle streckt immer noch seine Hand aus und schüttelt sie, als wolle er signalisieren, dass er um Geld bittet. Kommen wir zum Punkt, mein Freund, kommen wir zum Punkt). Thibaut: "Le fait est, monsieu, que je venons vous prier de nous dire ce qu’il faut que je fassions." (Tatsache ist, Herr, ich komme, um Sie zu bitten, uns zu sagen, was ich tun muss). Sganarelle: "Je ne vous entends point du tout." (Ich kann dich überhaupt nicht hören). Perrin: "Monsieu, ma mère est malade ; et v’là deux écus que je vous apportons pour nous bailler queuque remède." (Monsieur, meine Mutter ist krank; und hier sind zwei Kronen, die ich Ihnen bringe, um uns einige Heilmittel zu geben). Sganarelle: "Ah ! je vous entends, vous. Voilà un garçon qui parle clairement, et qui s’explique comme il faut. Vous dites que votre mère est malade d’hydropisie, qu’elle est enflée par tout le corps, qu’elle a la fièvre, avec des douleurs dans les jambes, et qu’il lui prend parfois des syncopes et des convulsions, c’est-à-dire des évanouissements ?" (Ah! Ich höre Sie. Hier ist ein Junge, der deutlich spricht und sich gut erklärt. Sie sagen, dass Ihre Mutter an Wassersucht erkrankt ist, dass sie am ganzen Körper geschwollen ist, dass sie Fieber hat, mit Schmerzen in den Beinen, und dass bei ihr manchmal Ohnmacht und Krämpfe auftreten, d.h. Ohnmachtsanfälle?) Perrin: "Hé ! oui, monsieu, c’est justement ça." (Hallo ! Ja, mein Herr, genau das ist es). Sganarelle: "J’ai compris d’abord vos paroles. Vous avez un père qui ne sait ce qu’il dit. Maintenant vous me demandez un remède ?" (Ich habe Ihre Worte zuerst verstanden. Sie haben einen Vater, der nicht weiß, was er sagt. Jetzt fragen Sie mich nach einem Heilmittel?) Perrin: "Oui, monsieu." (Ja, Herr) Sganarelle verschreibt ein Mittel: "Un remède pour la guérir ?... Allez. Si elle meurt, ne manquez pas de la faire enterrer du mieux que vous pourrez." (Ein Heilmittel, um sie zu heilen?... Machen Sie weiter. Wenn sie stirbt, sollten Sie sie so gut wie möglich begraben). In der dritten Szene trifft Sganarelle auf die schöne Krankenschwester, die er gerne heilen wurde, weil er für sie schwärmt, weshalb er den eifersüchtigen Ehemann verdammt: "Voici la belle nourrice. Ah ! nourrice de mon cœur, je suis ravi de cette rencontre ; et votre vue est la rhubarbe, la casse, et le séné, qui purgent toute la mélancolie de mon ame." (Hier ist die schöne Krankenschwester. Ah! Krankenschwester meines Herzens, ich freue mich über dieses Treffen; und dein Anblick ist Rhabarber, Cassia und Senna, die alle Melancholie aus meiner Seele vertreiben). Jacqueline: "...monsieu le médecin, ça est trop bian dit pour moi, et je n’entends rian à tout votre latin." (Monsieur der Arzt, es ist mir zu gut gesagt, und ich verstehe gar nichts von Ihrem Latein). Sganarelle: "Devenez malade, nourrice, je vous prie ; devenez malade pour l’amour de moi. J’aurois toutes les joies du monde de vous guérir." (Werden Sie krank, Pflegerin, bitte; krank werden aus Liebe zu mir. Ich hätte alle Freude der Welt, Sie zu heilen). Jacqueline: "Je sis votre sarvante ; j’aime bian mieux qu’an ne me garisse pas." (Ich bin Ihr Diener; Ich bevorzuge es sehr, dass man mich nicht verwöhnt). Sganarelle: "Que je vous plains, belle nourrice, d’avoir un mari jaloux et fâcheux comme celui que vous avez !" (Wie sehr bemitleide ich Sie, schöne Krankenschwester, einen eifersüchtigen und lästigen Ehemann zu haben, wie Sie ihn haben!) Jacqueline: "Que velez-vous, monsieu ? C’est pour la pénitence de mes fautes ; et là où la chèvre est liée, il faut bian qu’aile y broute." (Was haben Sie vor, mein Herr? Es ist für die Buße meiner Fehler; und wo die Ziege angebunden ist, da muss sie grasen). Sganarelle: "Comment ! un rustre comme cela ! un homme qui vous observe toujours, et ne veut pas que personne vous parle !" (Was ! so ein Flegel! ein Mann, der dich immer beobachtet und nicht will, dass jemand mit dir spricht!) Jacqueline: "Hélas ! vous n’avez rian vu encore ; et ce n’est qu’un petit échantillon de sa mauvaise humeur." (Ach! Sie haben noch nichts gesehen; und das ist nur ein kleiner Ausschnitt seiner schlechten Laune). Er empört sich darüber, dass die Krankenschwester von ihrem Ehemann misshandelt wird, obwohl er selbst wegen der Misshandlung seiner Frau zum Arzt wider Willen verdammt wurde: "Est-il possible ? et qu’un homme ait l’ame assez basse pour maltraiter une personne comme vous ? Ah ! que j’en sais, belle nourrice, et qui ne sont pas loin d’ici, qui se tiendroient heureux de baiser seulement les petits bouts de vos petons ! Pourquoi faut-il qu’une personne si bien faite soit tombée en de telles mains ! et qu’un franc animal, un brutal, un stupide, un sot… pardonnez-moi, nourrice, si je parle ainsi de votre mari…" (Ist es möglich ? und dass ein Mann niedrig genug ist, um eine Person wie Sie zu misshandeln? Ah! Wie viele kenne ich, schöne Krankenschwester, und die nicht weit von hier sind, die dir gerne nur die kleinen Zehenspitzen küssen würden! Warum muss ein so gut gemachter Mensch in solche Hände fallen! und dass ein aufrichtiges Tier, ein brutales, ein dummes, ein Narr ... verzeihen Sie mir, Amme, wenn ich so über Ihren Mann spreche ...). Jacqueline: "Hé ! monsieu, je sais bian qu’il mérite tous ces noms-là." (Hallo ! Herr, ich weiß, dass er all diese Namen verdient). Sganarelle: "Oui, sans doute, nourrice, il les mérite ; et il mériteroit encore que vous lui missiez quelque chose sur la tête, pour le punir des soupçons qu’il a." (Ja, kein Zweifel, Amme, er verdient sie; und er verdient es immer noch, dass du ihm etwas auf den Kopf legst, um ihn für seinen Verdacht zu bestrafen). Jacqueline: "Il est bian vrai que si je n’avois devant les yeux que son intérêt, il pourroit m’obliger à queuque étrange chose." (Es ist ganz richtig, wenn ich nur sein Interesse vor Augen hätte, könnte er mich zwingen, etwas Seltsames zu tun). Sganarelle: "Ma foi, vous ne feriez pas mal de vous venger de lui avec quelqu’un. C’est un homme, je vous le dis, qui mérite bien cela ; et, si j’étois assez heureux, belle nourrice, pour être choisi pour… (Dans le temps que Sganarelle tend les bras pour embrasser Jacqueline, Lucas passe sa tête par dessous, et se met entre eux deux. Sganarelle et Jacqueline regardent Lucas, et sortent chacun de leur côté, mais le médecin d’une manière fort plaisante.)" (Nun, es würde dir nicht schaden, dich mit jemandem an ihm zu rächen. Er ist ein Mann, sage ich Ihnen, der das wohl verdient; und, wenn ich Glück hatte, eine schöne Krankenschwester, die ausgewählt wird für … (Als Sganarelle sich ausstreckt, um Jacqueline zu küssen, steckt Lucas seinen Kopf darunter und tritt zwischen sie. Sganarelle und Jacqueline sehen Lucas an und gehen jeder für sich , aber der Arzt auf eine sehr angenehme Art). In der sechsten Szene heilt Sganarelle Lucinde, die sich allerdings nur stumm gestellt hat, damit sie den von ihrem Vater vorgesetzten Bräutigam nicht heiraten muss. Léandre, ihr Geliebter, tritt als Apotheker auf. 

Die Heilung Lucindes wird natürlich den Heilmitteln und Ärzten zugeschrieben "ô grande vertu du remède ! ô admirable médecin !" (O große Tugend des Heilmittels! O bewundernswerter Arzt!), so wie man heute den Sieg über Corona den mRNA-Impfstoffen und sinnlosen Maßnahmen wie 2G und den entsprechenden Virologen wie Karl Lauterbach zuschreibt, obwohl weder die Impfstoffe noch die Virologen etwas zur Erreichung der Herdenimmunität beigetragen haben außer tonnenweise Müll, falsche Hegel-Zitate und Verdrehung der Tatsachen; statt von Impfnebenwirkungen und post-vac sprechen sie von Long-Covid..Jacqueline: "Monsieu, v’là votre fille qui veut un peu marcher." (Herr, hier ist Ihre Tochter, die ein wenig spazieren gehen möchte). Sganarelle: "Cela lui fera du bien. Allez-vous-en, monsieur l’apothicaire, tâter un peu son pouls, afin que je raisonne tantôt avec vous de sa maladie." (Es wird ihr gut tun. Gehen Sie fort, Herr Apotheker, fühlen Sie ein wenig ihrem Puls, damit ich bald mit Ihnen über ihre Krankheit sprechen kann). Er beginnt etwas realitätsfern über die Krankheit zu räsonieren wie unsere heutigen "wissensbasierten" Mediziner über Corona: "Monsieur, c’est une grande et subtile question entre les docteurs, de savoir si les femmes sont plus faciles à guérir que les hommes. Je vous prie d’écouter ceci, s’il vous plaît. Les uns disent que non, les autres disent que oui : et moi je dis que oui et non ; d’autant que l’incongruité des humeurs opaques, qui se rencontrent au tempérament naturel des femmes, étant cause que la partie brutale veut toujours prendre empire sur la sensitive, on voit que l’inégalité de leurs opinions dépend du mouvement oblique du cercle de la lune ; et comme le soleil, qui darde ses rayons sur la concavité de la terre, trouve…"Herr, es ist eine große und subtile Frage zwischen Ärzten, ob Frauen leichter geheilt werden als Männer. Ich bitte Sie, sich das bitte anzuhören. Einige sagen nein, andere sagen ja: und ich sage ja und nein; um so mehr, als die Inkongruenz der undurchsichtigen Säfte, die sich im natürlichen Temperament der Frauen befinden, die Ursache dafür sind, dass der brutale Teil immer über den Sensiblen herrschen will, sehen wir, dass die Ungleichheit ihrer Meinungen auf der schrägen Bewegung beruht des Mondkreises...). Lucinde, zu Léandre: "Non, je ne suis point du tout capable de changer de sentiment." (Nein, ich bin überhaupt nicht in der Lage, mein Gefühl zu ändern). Géronte: "Voilà ma fille qui parle ! ô grande vertu du remède ! ô admirable médecin ! Que je vous suis obligé, monsieur, de cette guérison merveilleuse ! et que puis-je faire pour vous après un tel service ?" (Da spricht meine Tochter! O große Tugend des Heilmittels! O bewundernswerter Arzt! Wie dankbar bin ich Ihnen, mein Herr, für diese wunderbare Heilung! und was kann ich nach einem solchen service für sie tun?) Sganarelle, der auf die Bühne geht und sich mit seinem Hut Luft zufächelt: "Voilà une maladie qui m’a bien donné de la peine !" (Diese Krankheit hat mir große Schmerzen bereitet!) Lucinde: "Oui, mon père, j’ai recouvré la parole ; mais je l’ai recouvrée pour vous dire que je n’aurai jamais d’autre époux que Léandre, et que c’est inutilement que vous voulez me donner Horace.... Rien n’est capable d’ébranler la résolution que j’ai prise... Vous m’opposerez en vain de belles raisons... Tous vos discours ne serviront de rien... C’est une chose où je suis déterminée... Il n’est puissance paternelle qui me puisse obliger à me marier malgré moi...Vous avez beau faire tous vos efforts... Mon cœur ne sauroit se soumettre à cette tyrannie... Et je me jetterai plutôt dans un couvent que d’épouser un homme que je n’aime point" (Ja, mein Vater, ich habe meine Sprache wiedererlangt; aber ich habe dich dazu gebracht, Ihnen zu sagen, dass ich nie einen anderen Mann haben werde als Léandre, und dass es sinnlos ist, dass Du mir Horace geben willst... Nichts kann meinen Entschluss erschüttern... Du wirst dich mir mit guten Gründen vergeblich widersetzen... Dein ganzes Gerede wird nutzlos sein... Es ist etwas, wozu ich entschlossen bin... Es gibt keine väterliche Macht, die mich zwingen kann, gegen meinen Willen zu heiraten... Ganz egal wie sehr du es versuchst... Mein Herz kann sich dieser Tyrannei nicht unterwerfen... Und ich stürze mich lieber in ein Kloster, als einen Mann zu heiraten, den ich nicht liebe.). Géronte stammelt nur "Mais…Quoi !" (Aber... Was!) Lucinde, "parlant d’un ton de voix à étourdir. Non. En aucune façon. Point d’affaires. Vous perdez le temps. Je n’en ferai rien. Cela est résolu." (Lucinde, sprach in einem Tonfall, um zu betäuben: Nein. Auf keinen Fall. Du verschwendest Zeit. Ich werde nicht. Dies ist gelöst). Géronte sehnt sich nach dem alten Zustand zurück, ähnlich wie unsere Gesundheitsminister den Krankheitszustand möglichst in die Länge ziehen möchten, damit wenigstens die Biotech-Pharmafirmen gut daran verdienen können: "Ah ! quelle impétuosité de paroles ! Il n’y a pas moyen d’y résister. (à Sganarelle.) Monsieur, je vous prie de la faire redevenir muette." (Ah! welche Ungestümheit der Worte! Es gibt keine Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. (zu Sganarelle.) Herr, bitte schalten Sie sie wieder stumm). Sganarelle: "C’est une chose qui m’est impossible. Tout ce que je puis faire pour votre service est de vous rendre sourd, si vous voulez" (Das ist etwas, das für mich unmöglich ist. Alles, was ich für Ihren Dienst tun kann, ist, Sie taub zu machen, wenn Sie so wollen) [24]

Anklänge an Calderón de la Barca finden sich auch im "Rosenkavalier". In den Dramen und Komödien der Spanier des goldenen Zeitalters gilt, wer ernsthaft am Islam festhält, als Jemand, der nicht ganz bei Trost ist. Daher konvertieren in den Komödien die vernünftigen Muslime zum Christentum, nur die eher lächerlichen Figuren, heute könnte man sagen, die, die nicht ganz bei Trost sind, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit ihrer Verschwörung "Deutsche Islamkonferenz (DIK)", halten standhaft an der islamischen Ideologie fest. Alle Anderen organisieren sich als Ex-Muslime und lassen Mohammed als lächerliche Figur erscheinen wie im "Rosenkavalier", wo er als "Lakai" namens Mohammed auftritt und Geränke servieren oder fallen gelassene Taschentücher aufheben muss: "mit einer Kerze in der Hand, sucht das Taschentuch, findet es, hebt es auf, trippelt hinaus." Manche von Mohammeds Zeitgenossen sind sogar "zwanzigmal ärger als Türken", wie der Haushofmeister feststellt. [25] 
 

6. Der Einfluss durch Beethovens «Missa Solemnis», Mozart, Haydn, Claudio Monteverdis «Vespro della Beata Vergine» (Marienvesper), Heinrich Schütz' «Weihnachtshistorie» SWV 435a und «Symphoniae sacrae», Bachs «Weihnachtsoratorium», Giovanni Pierluigi da Palestrina, Vivaldi's Chorwerke wie «Magnificat» RV 611 und «Gloria» RV 589, Händels Oratorien wie «Messias»,  «Israel in Egypt», «Salomo», «Susanna»  und Opern wie «Arianna in Creta»

Beethovens Einfluss insbesondere durch seine Symphonien und die «Missa Solemnis» auf romantische Werke wie Franz Schuberts «Ave Maria», seine große Messen in As-dur D 678 und in Es-dur D 950, Felix Mendelssohn -Bartoldy's Oratorien «Paulus» und «Elias», Carl Maria von Weber's «Missa sancta» Nr. 1 Es-Dur («Freischützmesse») und Nr. 2 G-Dur («Jubelmesse»), Franz Liszts «Christus», Richard Wagners «Parsifal», Hans Pfizners «Palestrina», Engelbert Humperdincks «Hänsel und Gretel», Anton Bruckners Symphonien und Messen, Giuseppe Verdi's «Quattro Pezzi Sacri» mit «Ave Maria», «Stabat Mater», «Laudi alla Vergine Maria» und «Te Deum», Antonin Dvoraks «Stabat Mater», Camille Saint Saens' Weihnachtsoratorium «Oratorio de Noel», «Messe de Requiem» op. 54, Georges Bizet's «Agnus Dei» (L'Arlésienne), Hector Berlioz' «L'Enfance du Christ» und seine «Grande Messe des Morts» mit dem berühmten «Sanctus», Caesar Franck's «Messe solenelle» und «Messe à trois voix» mit der bekannten Arie «Panis Angelicus», Edward Elgar's Symphonien und die Oratorien «The Apostles», «The Kingdom» und «The Dream of Gerontius», Adolphe Adams Weihnachtslied «Minuit, Crétiens!», das populäre Weihnachtslied «Adeste fideles» (Nun freut euch, ihr Christen) ist nicht zu übersehen. Beethoven wählte für seine Messe D-Dur, die ihm Würde, Größe und Freudigkeit bedeutete. Es ist auch die Tonart seiner Ode an die Freude, die ihn seit 1817 beschäftigte und kurz nach der Messe vollendet wurde. Er formulierte die Ansprüche christlicher Musik wie folgt: Vertrautheit mit dem gregorianischen Choral sowie den katholischen Hymnen und Psalmen, dazu eine genaue Kenntnis des lateinischen Messetextes. Dazu studierte er auch Palestrinas Kirchenmusik und ließ sich eine genaue deutsche Übersetzung der lateinischen Messetexte anfertigen. Je mehr Beethoven zur Tonsprache seines Spätstils durchdrang, um so wichtiger wurde ihm der Kontrapunkt. Die plötzlichen harmonischen Wendungen in der "Missa Solemnis" sind oft so wie sie z.B. Palestrina und seine Zeitgenossen liebten, bevor die abendländische bzw. christliche Musik sich nach dem Dur-Moll-System richtete. Der romantische Komponist Vincent d' Indy schrieb einmal, Beethovens "Missa Solemnis" sei reiner Ausdruck einer tiefen katholischen Gläubigkeit, und die moderne Theologie hat das Werk als liturgisch korrekt bezeichnet. Die christliche Religion war für Beethoven aber nicht unverrückbares Dogma, sondern ein ständiges Ringen um das Gottes- und damit Selbstverständnis. Die Bestätigung fand er nicht nur in christlichen Lehren sondern auch in jenen des klassischen Griechenland und Italien, selbst in Indien, also in den vor-christlichen Religionen.  Das kommt im Gloria zum Ausdruck: "Gloria in excelsis Deo. Et in terra pax hominibus bonae voluntatis." (Ehre sei Gott in der Höhe. Und Frieden auf Erden Friede den Menschen, die guten Willens sind). Das schliesst natürlich Diejenigen aus, die sich gegen die Christentheit wenden wie die Muslime oder die den Frieden brechen wie das kommunistische Russland und die heutige russisch-orthodoxe Kirche. Denn weder Mohammed noch Allah sind die Heiligen sondern Christus: "Quoniam tu solus Sanctus, tu solus Dominus, tu solius Altissimus, Jesu Christe, cum Sancto Spiritu in gloria Dei Patris." (Denn Du allein bist der Heilige, Du allein der Herr, Du allein der Höchste, Jesus Christus, mit dem heiligen Geist in der Herrlichkeit Gottes des Vaters). Und im Sanctus heisst es: "Sanctus Dominus Deus Sabaoth. Pleni sunt caeli et terra gloria tua." (Heilig. heilig, heilig, Herr, Gott der Heerscharen. Himmel und Erde sind erfüllt von Deiner Herrlichkeit). Großen Einfluss übten auch Mozarts  «Lauretanische Litanei» KV 195,  «Missa brevis» C-dur, KV 257 «Krönungsmesse» KV 317, «Missa Solemnis» KV 337, «große Messe» in c-Moll KV 427, sein «Requiem» KV 626, «Vesperae solennes de confessore» C-Dur KV 339 sowie Joseph Haydn (1732-1809) und seine letzte Symphonien, sein Oratoriien «Die Jahreszeiten» und «Die Schöpfung» und seine «Cäcilienmesse», «Heiligmesse», «Harmoniemesse», «Theresien-Messe», «Missa in tempore belli» («Paukenmesse») und «Missa in angustiis» (Nelsonmesse) sowie seine Opern «Armida» und «Il mondo della luna» aus.

Die Erzengel Raphael, Gabriel, Uriel in Haydns Oratorium «Die Schöpfung» haben vermutlich Goethe zum Gesang der Erzengel Raphael, Gabriel und Michael im Prolog zum «Faust» angeregt. Natürlich wird Händels Vorbild in den Chören deutlich, die in der «Schöpfung» einen breiteren Raum einnehmen, als es der italienischen Oratorien-Tradition entsprach. Was den Romantikern besonders gefiel, war, dass Haydn den Naturschilderungen im prägnant formulierten Detail unmittelbare Anschaulichkeit verleiht.

Haydns Oratorium «Die Jahreszeiten» hat Carl Maria von Weber und Richard Wagner inspiriert. Der Herbstchor Nr. 31 und der Jagdchor Nr. 29 könnte fast als Stück aus Webers romantischer Oper «Der Freischütz» halten. Das Spinnerlied Nr. 38 lässt an die entsprechende Szene in Richard Wagners Oper «Der Fliegende Holländer» denken; die Lieder und Chöre der Romantik knüpfen hier an, Mendelssohns «Lied ohne Worte», Schuberts «Gretchen am Spinnrade», Gounods Gretchen-Szene und der Wagner des fliegenden Holländers. Der Chor Nr. 31 ist eine Apotheose des Winzertums, ein ländliches Bacchanal in Töne gesetzt, fast schon wie in Hector Berlioz' «Symphonie Phantastique».  Die Einleitung zum «Sommer» und die Gewitterszene sind symphonische Dichtungen, die von romantischen Komponisten bewundert wurden wie Rimskij-Korsakow und Richard Strauss. Fast schon romantisch verfährt Haydn mit dem Herbst, dem gewichtigsten Abschnitt der Partitur. Die Ernte wird vom Bauern, vom Winzer , vom Jäger jubelnd eingebracht; und es wird gefeiert. Nr. 27-29 enthalten eine der schönsten Jagdszenen der Musikliteratur mit Hörnergeschmetter und Winzerfest, einem 6/8- Tanz mit Trommeln und Pfeifen. Eine Cavatine (Nr. 34) verkündet den Begin des Winters, der mit dem Schneesturm (Nr. 36) losbricht. Hier tritt eine Schlüsselfigur der anbrechenden Romantik auf: der Wanderer bei Wind und Wetter wie in Schuberts «Winterreise» . Die Einleitung zum «Winter» ist neben dem Chaos aus der «Schöpfung» eine der tiefsinnigsten instrumentalen Eingebungen Haydns und führt in großem Bogen von J.S.Bach, dessen «h-moll-Messe» Haydn gekannt hat, über Mozart bis zu Richard Wagner, dessen «Tristan» -Akkord ahnungsvoll vorklingt. Haydns letzten Messen wie die «Harmoniemesse», «Theresien-Messe», «Missa in tempore belli» («Paukenmesse»), «Heiligmesse» und «Missa in angustiis» (Nelsonmesse), die zwischen 1796 und 1802 entstanden, folgen auf Haydns letzte Symphonie, die Londoner, Nr. 104, und seine Oratorien «Die Jahreszeiten» und «Die Schöpfung». Daher können die letzten Messen sowohl der Wiener Klassik als auch der frühen Romantik zugeordnet werden. Erkennbar sind Spuren von Haydns Londoner und Pariser Symphonien, von Mozarts Opern mit ihrem Gleichgewicht zwischen Orchester, Soli und Chor.. Haydn, der große epische Baumeister und Symphoniker bereitet, wie später Beethoven, der Romantik den Weg. 

Georg Philipp Telemann (1681-1767) gilt eigentlich immer noch als verkannter Komponist, dabei hat er zum Beispiel sein Oratorium «Der Tag des Gerichts» 35 Jahre vor Haydns «Schöpfung» komponiert. Etwa 40 Telemann-Opern sind bekannt, die erste schrieb er schon mit zwölf Jahren. Auch ein «Don Quichote der Löwenritter» (1761) ist darunter sowie die Suite  «Burlesque de Quichotte» (schon 1694 bearbeitete Henry Purcell den Stoff und schrieb eine Schauspielmusik). Telemanns Suite ist eine Art Programmusik fast im Sinne der Romantiker; zumindest versucht er die Bilder und Personen zu charakterisieren, zum Beispiel im volkstümlich-kräftigen Satz über Sancho Pansa oder im musikalischen Vergleich zwischen dem Galopp der Rosinante und dem Esel Sanchos. Beim Angriff des Ritters auf die Wimdmühlen erscheint ein Sturmmotiv vergleichbar mit dem «stürmenden Aeolus» aus der Suite «Hamburger Ebb und Flut» (1723), die er zur Hundertjahrfeier des Hamburger Admiralitätskollegium komponierte. Ähnliches gilt für den Liebesseufzer des Ritters, die vergleichbar sind mit denen des verliebten Neptun. Auch lernte er die slawische Volksmusik «in ihrer wahren barbarischen Schönheit» (Telemann) kennen und führte sie als erster Komponist in die klassische / barocke Musik ein. Telemanns Musik wurde in ganz Europa bewundert, von Frankreich bis Russland.

18 Messen hat Mozart geschrieben, wobei sicher ist , dass sein Komponieren dabei stärker reglementiert wurde, als es der freien Entfaltung der schöpferischen Kräfte des Meisters zuträglich war. Von Mozart wurden kurze Messen verlangt als Reaktion auf jene italienische Virtuosen-Kirchenmusik des 18. Jahrhunderts, in der Kastraten und Primadonnen das Hochamt zu einer Fortsetzung des Opernvergnügens gemacht hatten. Der Fürstbischof Colloredo erließ ein Edikt, das sich scharf gegen die opernhafte Messe der Neapolitaner wandte. Volkstümlicher als die «Missa brevis» wurde die «Krönungsmesse». Die «Lauretanische Litanei» KV 195 aus dem Jahr 1774 deutet auf den Entstehungsort Loreto, lateinisch lauretum (Lorbeerhain), hin. Es ist ein italienisches Städtchen in der Provinz Ancona, das zu den ältesten Marienwallfahrtsorten zählt. Die Basilika des Heiligen Hauses in Loreto existiert seit dem 4. Jahrhundert und war schon immer einer der wichtigsten Wallfahrtsorte in Italien. Die Legende erzählt, dass eine reiche Fürstenfamilie aus Konstantinopel die Überreste des Heiligen Hauses unter Führung der Engel aus Palästina bis nach Loreto in Sicherheit brachte. Denn Palästina war 1291 in die Hände der muslimischen Barbaren bzw. ungläubigen Türken gefallen. Die Verehrung der Muttergottes von Loreto ist nicht nur ein Symbol der menschlichen Dimension der Heiligen Familie, sondern auch eine Warnung an die ungläubigen Muslims in Palästina und Erinnerung für alle Pilger, die seit dem Mittelalter an diese Orte kamen, um das Mysterium des Christentums und den Ruf der Jungfrau zu erkennen. Das liturgische Fest der Muttergottes von Loreto wird in der Nacht vom 9. auf den 10. Dezember gefeiert. In Mozarts «Lauretanischen Litanei» die einen straff gegliederten Aufbau besitzt, kommt das symphonische Prinzip zu voller Entfaltung, wie es später von den Romantikern fortgeführt wurde. [26] 

Auch Claudio Monteverdi (1567-1643) mit seinen Opern «L'Orfeo, Favola in Musica», «L'Incoronazione di Poppea», seiner «Vespro della Beata Vergine» (Marienvesper, 1610) und Heinrich Schütz (1585-1672), wurde sogar von den Romantikern wiederentdeckt, mit seiner «Historia der freuden- und gnadenreichen Geburt Gottes und Mariens Sohnes, Jesu Christi» , den «Symphoniae sacrae» (1650), «Magnificat» SWV 468 und sein mit 86 Jahren komponiertes «Deutsches Magnificat» SWV 494, «Schwanengesang» SWV 482-494, den Weihnachtsmotetten «Hodie Christus natus», SWV 456, «Das Wort war Fleisch», SWV 385, «Der Engel sprach zu den Hirten», SWV 395, «Ein Kind ist uns geboren», SWV 384, Psalmen Davids (1619) wie Psalm 136, SWV 45 für fünfstimmigen Capellchor, zwei vierstimmige Favoritchöre, Trompetenchor mit Pauken und Basso continuo, bei dem klangliche Farbbänder der Sänger-Trompeten-Posaunen-Oboenchöre nebeneinander herlaufen und die Sänger verstärken, beeinflussten die Romantiker ebenso wie Bachs «Weihnachtsoratorium» mit der berühmten ersten Kantate "Jauchzet, frohlocket! Auf, preiset die Tage! / Rühmet, was heute der höchste getan! / Lasset das Zagen, verbannet die Klage! / Stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an! / Dienet dem Höchsten mit herrlichen Chören! / Lasst uns den Namen des Herrschers verehren!" und der letzten Kantate, die gegen die Feinde der Christenheit gerichtet ist, worunter man früher vor allem die Muslime verstand, die "alle falsche List" aufwanden um "dem Heiland nachzustellen": "Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben, / so gib, dass wir im festen Glauben / nach deiner Macht und Hilfe sehn. / Wir wollen dir allein vertrauen, / so können wir den scharfen Klauen / des Feindes unversehrt entgehn." [27]

Besonders in der Romantik galten die Werke Giovanni Pierluigi da Palestrinas (um 1525-1594) als mit einer religiösen Aura umgeben. Er galt mit seiner «Missa Papae Marcelli» als Retter der mehrstimmigen Kirchenmusik und damit der Musik überhaupt. Eine Tat, die Hans Pfizner zum Gegenstand seiner Oper «Palestrina» gemacht hat.

Das gilt auch für Vivaldi's Chorwerke wie «Salve Regina» in c-moll, «Gloria» RV 589 und das «Magnificat» RV 611, dessen fünf Arien stilistische Züge aufweisen, die typisch sind für Vivaldis Opern, so zum Beispiel die abfallende Chromatik in der Begleitung des Quia respexit (Mezzosopran) oder die Synkopisierung und die sogenannten Lombardischen Rhythmen des Esurientes. Dazu noch einmal ein genauerer Blick auf Antonio Vivaldi (1678-1741) und den Markus-Basilika in Venedig. Die jetzige Basilika ist die dritte St. Markus-Kieche. Die erste wurde im Jahre 829 vom Dogen G. Partecipazio begonnen, um die sterblichen Überreste des Sankt Markus, des zweiten Evangelisten aufzunehmen. Diese war vorher von Alexandria nach Venedig gebracht worden. Die Venezianer betrachteten Sankt Markus fortan als ihren Schutzpatron und Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit. Mit dem Bau der dritten St. Markus-Kirche wurde 1063 begonnen; nun erhielt sie die Form eines griechischen Kreuzes mit einer Kuppel über der Vierung und vier anderen über den äußersten Enden der Schiffe. Bald wurde die Kathedrale Mittelpunkt des Lebens der Stadt. Hier wurden die Dogen gewählt, erhielten die Admirale, die gegen die Türken kämpfen sollten, den Admiralsstab; hier trafen sich Kaiser und Päpste, versammelten sich die Kreuzfahrer, bevor sie ins Heilige Land zogen um es von den Sarazenen bzw. Muslimen zu befreien. Musik spielte hier schon immer eine große Rolle. Spätestens zu Beginn des 16. Jahrhunderts ging von der «Cappella di San Marco» jener Impuls aus, der sich während des 17. und 18. Jahrhunderts über die Stadt ausbreitete und jenes intensive Musikleben schuf, das den Ruhm der venezianischen Musiker über ganz Europa verbreiten sollte. Komponisten wie Gabrieli, Claudio Monteverdi und vielen anderen verdankte Venedig die außerordentliche Entwicklung und das hohe Niveau seines Musiklebens zu der Zeit als Antonio Vivaldi geboren wurde. Man muss nicht unbedigt gläubig sein, um von der Wirkung dieser Kirche tief berührt zu werden; das sollte auch für Vivaldi weitreichende Folgen haben: Im Alter von 15 Jahren erhielt er die Tonsur und wurde später zum Priester geweiht. Es ist also kein Zufall, wenn Vivaldis beste Kompositionen eher unter den geistliche Musikschöpfungen zu finden sind als in seiner reichen Produktion an Instrumentalmusik mit über 450 Concerti, seinen mehr als 40 Opern oder seinen weltlichen Kantaten. Die Art und Weise wie er die ihm wohl vertraute Heilige Schrift in die Musik übersetzte, zeigt uns, dass es sich hierbei nicht um eine nur oberflächliche Berührung handelte, sondern dass er eine tiefe und aufrichtige Liebe empfand. Wie anders sollte man eine Erklärung finden für die starke Schöpferkraft, die den Gegensatz zwischen dem «Gloria in excelsus Deo» und dem «Et in terra pax hominibus buonae voluntatis» des «Gloria» gestaltete, die weiche Modulation nach c-moll bei den Worten «dulcedo et spes» im 71. Takt des ersten Teiles des «Salve Regina», den heftigen Ausbruch «dispersit superbos» im «Fecit potentiam» des «Magnificat» oder - wie es später bei dem Romantiker Bruckner z.B. in seiner Trauermusik der siebenten Symphonie verwendet wird - das schmerzvolle Drängen des «Te ergo» im «Te Deum».Vivaldi verstand es, sich von jenem Manierismus zu befreien, der sich in die Instrumentalmusik einschlich, sowie von dem Formalismus, der die Opernmusik beherrschte und so nicht nur die geistliche Musik erneuerte. 

Händels «Messias» regte Komponisten wie Mozart, Haydn und Beethoven an und übte starken Einfluss auf die Romantiker. Im Sinne der Romantik stellt Händel mit seinem «Messias» ein kosmisches Christentum dar. Christus wird dargestellt als ein Kontinuum aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, also als Ergebnis einer Entwicklung von langer Hand, als historisches Faktum und als in die Zukunft wirkende Kraft. Der «Messias», was im Hebräischen «der Gesalbte» bedeutet, das heißt der gesalbte König, der Gottes Reich heraufführen wird. Die Auserwählten des Alten Bundes gehen in eins mit denen, die im Sinne des Neuen Testaments Christus folgen im Gegensatz zu denen, die sich an den verfälschten Koran halten. Sehr bald wurde der «Messias» von Charles Jennes ins Deutsche übersetzt und mit einer Devise Vergils versehen: «Majora cantamus» (Lasst uns größere Dinge besingen), aus der vierten Ekloge Vergils, die Alexander Pope 1710 frei nachgeahmt hatte in seinem Werk: «Messias, eine geistliche Ekloge im Stil von Vergils Pollio». Händel sieht Leben und Leiden des Erlösers von der Gewissheit des Heils überstrahlt. Händels «Messias» kommt mit wenig Text aus wie die berühmten Arien zeigen wie "Tröste dich, mein Volk, spricht dein Gott. Redet freundlich, Boten, mit Jerusalem und predigt ihr, dass die Knechtschaft nun zu Ende und ihre Missetat vergeben. Vernehmet die Stimme des Predigers in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg und ebnet durch Wildnis ihm Pfade, unserm Gott. Alle Tale macht hoch erhaben und alle Berge und Hügel tief, das Krumme grad und das Raue macht gleich. Denn die Herrlichkeit Gottes, des Herrn wird offenbaret. Alle Völker werden es sehen, da es Gott, unser Herr, verheissen hat." , "So spricht der Herr, Gott Zebaoth: Noch eine kleine Zeit, und ich beweg den Himmel und Erde, das Meer und das Trockene und ich beweg die Menschheit. Es bebt der Himmel, die Erde, das Meer, das Trockene, die Menschheit erbebt. Dann wird der Trost aller Völker erscheinen." , "Der Herr, den ihr sucht, kommt plötzlich zu seinem Tempel: und der Engel des neuen Bundes, den ihr begehret, steht auf, er erscheint, so spricht Gott, der Herr. Doch wer wird ertragen den Tag seiner Ankunft und wer besteht, wenn er erscheinet? Denn er entflammt wie des Läuterers Feuer. Und er wird reinigen und läutern das Volk des Bundes, auf dass er bringe Gott, seinem Herrn, ein Opfer in Gerechtigkeit und Heiligkeit." , "Denn sieh, der Verheissene des Herrn erscheint auf Erden, und sein Name heisst Immanuel: 'Gott mit uns'." , "O du, die Wonne verkündet in Zion, steig empor zur Höhe der Berge! O du, die Gutes verheisset Jerusalem, erheb dein Wort mit Macht, ruf es laut und sei getrost, verkündige den Städten des Landes: Er kommt, dein Gott. O du, die Wonne verkündet in Zion, steh auf, strahle, denn dein Licht ist nah, und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir." , "O du, die Wonne verkündet in Zion, verkündet in Jerusalem, steh auf, verkünde den Städten des Landes: Er kommt, dein Gott., die Herrlichkeit des Herrn ist über dir erschienen." , "Denn blick auf: Finsternis deckt alle Welt, dunkle Nacht alle Völker. Doch über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheinet vor dir; und die Heiden wandeln im Licht und Könige im Glanze deines Aufgangs."  Weitere Arien folgen wie "Denn es ist uns ein Kind geboren, uns zum Heil ein Sohn gegeben, und die Herrschaft ist gelegt auf seine Schulter; und sein Name soll heissen: Wunderbar, Herrlicher, der starke Gott, der Ewigkeiten Vater und Friedefürst!" , "Es waren Hirten beisammen auf dem Felde, die hüteten ihre Herden des Nachts. Und siehe, der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn umleuchtete sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Ich bringe euch frohe Kunde von dem Heil, das da wird allen Völkern. Denn euch ist heut in Davids Stadt der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr." , "Und alsobald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und allen Menschen Heil!" , "Erwach, frohlocke, o Tochter von Zion; auf, du, Tochter Jerusalem! Blick auf, dein König kommt zu dir, er ist der rechte Helfer, und bringet allen Völkern Heil." Der krasse Gegensatz zum Islam wird auch hier deutlich: "Sein Joch ist sanft, die Last ist leicht."  , "Seht an das Gotteslamm, es trägt in Geduld die Sünde der Welt." , "Er ward verschmähet und verachtet, von allen verschmäht, ein Mann der Schmerzen und umgeben mit Qual." , "Den Rücken bot er den Peinigern, hielt die Wange dar der rohen Feinde Wut, er barg nicht sein Antlitz vor Schmach und Schande." ... "Hoch tut euch auf und öffnet euch weit, ihr Tore der Welt, denn der König der Ehren ziehet ein. Wer ist der König der Ehren? Der Herr, stark und mächtig im Streite. Hoch tut euch auf und öffnet euch weit, ihr Tore der Welt, denn der König der Ehren ziehet ein. Wer ist der König der Ehren? Gott Zebaoth; er ist der König der Ehren." , "Du fuhrest in die Höh', hast gefangen das Gefängnis; du erwarbest Gnade für uns, ja selbst für deine Feinde, dass Gott, der Herr, stets wohne bei ihnen." , "Der Herr gab das Wort: Gross war die Menge der Boten Gottes." , "Wie lieblich ist der Boten Schritt, die uns verkünden den Frieden; sie bringen frohe Botschaft vom Heil, das ewig ist." , "Ihr Schall gehet aus in jedes Land und ihr Wort an alle Enden der Welt"  , "Warum denn rasen und toben die Heiden im Zorne und warum halten die Völker stolzen Rat? Die Kön'ge der Welt stehen auf, und die Fürsten entflammen in Aufruhr wider den Herrn und seinen Gesalbten." , "Der da thronet im Himmel, er lacht ihrer Wut, der Herr, er spottet ihres Grimmes." , "Du zerschlägst sie mit dem eisernen Zepter, du zerbrichst sie zu Scherben wie des Töpfers Gefässe." , "Halleluja, denn Gott, der Herr, regieret allmächtig, Halleluja! Das Königreich der Welt ist fortan das Königreich des Herrn und seines Christus, und er regiert auf immer und ewig, Halleluja! Herr der Herren, der Welten Gott, und er regiert auf immer und ewig, Halleluja!". Auf das berühmte Halleluja folgt der dritte Teil mit "Ich weiss, dass mein Erlöser lebet und dass er erscheint im letzten Tag dieser Erd'. Wenn Verwesung mir gleich drohet, wird dies mein Auge Gott doch sehen" , "Sie schallt, die Posaun', und die Toten erstehn unverweslich, wir werden verwandelt. Denn dies Verwesliche wird erstehn unverweslich, und dies Sterbliche wird verklärt zur Unsterblichkeit." , "Dann wird erfüllet, was da geschrieben stehet: Der Tod ist in den Sieg verschlungen." und "Würdig ist das Lamm, das da starb, und hat versöhnet uns mit Gott durch sein Blut, zu nehmen Stärke und Reichtum und Weisheit und Macht und Ehre und Hoheit und Segen. Alle Gewalt und Ehr' und Macht und Lob und Preis gebühret ihm, der sitzet auf seinem Thron, und also dem Lamm auf immer und ewig." 

Besonders Händels Oratorium «Israel in Egypt» ist bis heute eine Grunderzählung menschlichen Strebens nach Freiheit und kam dem Freiheitsdrang der Romantiker entgegen. Es ist bekannt, dass nicht nur Joseph Haydn von der Bildhaftigkeit des «Israel in Egypt» Anregungen für seine Oratorien "Die Schöpfung" und "Die Jahreszeiten"  erhalten hat. Auch die Romantiker wie Felix Medelssohn Bartholdy gehören zu den Komponisten, die sich der Verbreitung der Händelschen Oratorien in Deutschland mit Leidenschaft verpflichtet fühlen. 1833 führte er zum Niederrheinischen Musikfest «Israel in Egypt» in eigener Bearbeitung auf. Auch Robert Schuhmann nimmt Händels  «Israel in Egypt» als Vorbild für seine Oratorien. So wie die romantischen Komponisten heute an Aktualität nichts verloren haben, so gilt dies auch für die Komponisten und Kompositionen, die sie inspirierten, insbesondere das Oratorium «Israel in Egypt», das in seiner tiefen Wirkung als unübertroffen gilt. 

Damals musste Israel seine Freiheit zwar nicht gegen muslimische Hamas-Terroristen verteidigen, aber gegen die Macht anderer Despoten. Warum der RIAS-Kammerchor Händel nun nicht singen will, wirft ein schlechtes Bild auf den Chor und lässt die Chrorleitung als Antisemiten erscheinen. 2023 feierte der RIAS-Kammerchor sein fünfundsiebzigjähriges Bestehen. Für seine musikalischen Leistungen wurde das Vokalensemble vielfach ausgezeichnet. "Alles andere als preisverdächtig ist indes die Idee des Chors, Händels Oratorium «Israel in Egypt» kurzerhand aus dem Programm seines Neujahrskonzerts zu nehmen. Die bizarre und etwas ungelenke Begründung lautet: „Die Welt ist in Unruhe.“ In dem Oratorium gebe es „eine einseitige und alles erobernde Macht, die vor allem durch den Chor repräsentiert wird“. Angesichts der Weltläufe mit den Bedrohungen durch Ukraine- und Gazakrieg meinen die Sangesleute, sich und ihren Besuchern eine solche Konstellation nicht zumuten zu können. Schließlich finde ja auch der aktuelle Krieg im Nahen Osten „kein Ende“ und bringe „unendliches Leid über Zivilist*innen auf allen Seiten“. Lieber möchten die Musiker das neue Jahr mit einer Bitte um Frieden einläuten. Worum geht es? Und wer ist die ominöse „Macht“, vor der die RIAS-Sänger sich und ihr Publikum beschützen möchten? Händels Oratorien gehören zur Standardliteratur für Chöre und erfreuen sich auch außerhalb von Kirchenmauern größter Beliebtheit. In der Zeit um 1730 machte sich auf dem Londoner Opernparkett, das Händel lange mit großem Erfolg bespielt hatte, Konkurrenz breit. Der geschäftstüchtige Komponist verlegte sich deshalb auf die Produktion alttestamentlicher Oratorien. «Israel in Egypt» brachte er 1739 in nur einem Monat zu Papier. Das Oratorium fußt auf dem biblischen Buch Exodus, das zu den bekanntesten Überlieferungen der Menschheit gehört. Schon im Altertum war die Exoduserzählung eine Revolution: Sie erzählt von Israels Auszug aus dem alles Leben erdrückenden Ägypten in die politische Freiheit. Am Ende ist Israel nur dem eigenen Gott gegenüber verpflichtet – und keiner irdischen Macht. Das ist kein Aufruf zur Theokratie, zur Unterdrückung „im Namen Gottes“, sondern ein heilender und hoffender Blick aller Unterdrückten auf die nur relative Macht von dieser Welt. Als der Text vom achten Jahrhundert v. Chr. an entstand, war die erzählte Zeit – die Zeit des Alten Ägypten – längst vergangen. Die Assyrer bedrängten Israel, und in der Geschichte vom Auszug aus Ägypten brachen sich Freiheitswille und Hoffnung Bahn. Der Unrechtsherrscher prallt am Schilfmeer und im Toben der Urfluten auf den Gott Israels. Gott gebietet dem Despoten und seinen Schergen Einhalt: „But the waters overwhelmed their enemies, there was not one of them left“, heißt es bei Händel. Freiheit – mit aller Macht! Die Exoduserzählung ist bis heute eine Grunderzählung menschlichen Strebens nach Freiheit. Die Reformation Martin Luthers, die amerikanische Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King oder die Landlosenbewegungen Südamerikas gewannen ihre Kraft aus dieser Erzählung. Man sollte meinen, dass diese kräftige Freiheitsbotschaft gerade jetzt in unsere Zeit gehört. Dass nun in der RIAS-Erklärung in einem Atemzug „der Krieg im Nahen Osten“ mit der „einseitigen und alles erobernden Macht“, die „im Chor repräsentiert wird“, genannt wird, ist entlarvend: Wer die Geschichte durchdenkt, könnte meinen, hier sei Ägypten gemeint. Weit gefehlt: Der Chor besingt die Zehn Plagen unter Gottes Ausführung und den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Der RIAS-Chor will die Erzählung mit Biegen und Brechen auf den Kopf stellen." 

Händel (1685-1759) hat sein Oratorium «Salomon» HWV 67 für Soli, Chor und Orchester durchaus an das italienische Oratorio angelehnt, allerdings war diese neue Kunstform für ihn kein Opernersatz, wie das in Italien der Fall war, wo während der Fastenzeit die Theater geschlossen waren und man sich auf die nichszenische Darbietung biblischer Stoffe beschränkte, sondern einen Schritt nach vorn in eine neue Dimension des dramatischen Genres. Das Jahr 1748 brachte zwei Oratorien hervor, «Salomon» und «Susanna», in denen vor allem Händels Naturgefühl sich ausleben konnte und somit zu den wohl schöpferisch gelungendsten Genrebildern beitrug, die in seinen dramatischen Vokalwerken zu finden sind, was auch den Romantikern besonders gefiel, da hier die zeremonielle Bedeutung der Musik oder das Musikdrama / Bühnenweihespiel im Sinne von Wagner in den Mittelpunkt gestellt wird. Daneben bieten sich Händel so viele Möglichkeiten, naturhafte Verbundenheit mit Welt und Menschen in Einzelbildern zu entwerfen, die vor allem in der Naturschilderung zu besonderen Tonbildern führten, an denen gerade dieses Oratorium so reich ist; und es gibt weniger Schlachtengemälde wie im «Judas Maccabaeus» oder «Joshua». Der unbekannte Librettist von  «Salomon» und «Susanna» zeigt seine Vorliebe für die Beschreibung von Natur- und Pflanzenwelt. Auch die Liebesszenen, die dem prüden viktorianischen Zeitalter ziemlich anstößig erschienen, weshalb man sie in vielen Ausgaben des 19. Jahrhunderts einfach ausließ, sind eine Erfindung des Librettisten, der darin wohl vom italienischen oratorio erotico beeinflusst wurde und natürlich vom ersten Buch der Könige (Kap. 11) wo Salomon ein Harem von 700 Frauen und 300 Nebenfrauen (Kebsweibern) zugeschrieben wird. Wenn am Ende des ersten Aktes unter der freudig bejahenden Antwort der Königin beide sich zu ihrem Liebesnest begeben, bittet der Chor die Blumen, die Lüfte und Nachtigallen, ihre süße Zweisamkeit zu hüten und keinen Störer ihrer Ruhe zuzulassen. Diese auch tonal ausbalancierte Sequenz idyllischen Friedens stellt Händel das schönste Zeugnis aus, und der als  «Nachtigallenchor» so berühmte Schlusssatz des ersten Aktes bringt die im Text ausgedrückte Naturverbundenheit im Orchester in rhythmischer Vielfalt zu echt poetischer Wirkung; man hört in den Streichern das Säuseln des Zephirs, in den Flöten das harmonische Mit- und Gegeneinander des Nachtigallenschlags, bis in den tieferen Registern der Streichinstrumente der scheidende Tag in die Dunkelheit einer lauen Sommernacht versinkt.  Der dritte Akt behandelt «Die Ankunft der Königin von Saba». Die Königin ist beeindruckt von den Taten des Salomo, seinem Tempel und dem Sieg gegen die Feinde Israels. Mit den Worten  «The name of the wicked shall quickly be past; / But the fame of the just shall eternally last» (Der Name des Bösen wird schnellstens vergehen, Doch der Ruhm der Gerechten wird ewig bestehen) endet das Oratorium. 

Aber auch Opern von Händel wie seine «Arianna in Creta» beeinflusste die späteren Komponisten. Wie jedes von Händels Theaterstücken muss Arianna in Creta im Kontext anderer Projekte verstanden werden. Händel verhalf zur gleichen Zeit alten Opern zu neuem Leben, schrieb englische Oratorien für seine zweisprachige Besetzung um und verfasste Pasticci anhand von Arien moderner italienischer Komponisten. Händel verfolgte während seiner Spielzeiten in den frühen 1730er Jahren stets eine Strategie der künstlerischen Vielfalt, und seine Arianna war ein wesentlicher Bestandteil seines Bestrebens, sich gegen die Opera of the Nobility zu behaupten. Arianna in Creta behandelt ein philosophisches Thema, das im Zeitalter der Romantik und selbst im 21. Jahrhundert noch reizvoll bleibt: Unerschütterlichkeit und Liebe werden Barbarei und Grausamkeit besiegen. Es ist eine moralische Botschaft, die während der Sinfonia in der Anfangsszene der Oper deutlich gemacht wird. Das 1734 gedruckte Libretto besagt, dass „der Stein, auf dem der Vertrag von Athen geschrieben steht, herunterfällt und in Stücke zerbricht. Vier Cupidos fliegen durch die Lüfte.“ Diese Bühnenanweisung bekräftigt die Bildhaftigkeit der Oper: Liebe zerstört die alte von Hass und Tod geprägte Ordnung. Die Liebe wird hierbei von den vier aufsteigenden Cupidos symbolisiert. Im Gegensatz dazu steht die zerbrochene Marmortafel, auf der das primitive Abkommen zwischen Athen und Kreta eingraviert ist. Das Konzept der ernsthaften Liebe als überlegener Sieger ist auch das Motto für Alcestes’ beständige Beziehung zu Carilda, die ihn zunächst verachtet. Jeder der Hauptcharaktere der Oper besitzt eine wichtige dramatische Funktion als ein Teil der Philosophie, dass wahre Liebe irrationale Gewalt besiegt. Daher können wir verstehen, dass Arianna in Creta – wie auch mehrere andere Opern von Händel aus den 1730er Jahren, wie z. B. Partenope, Orlando, Alcina und Serse – ein überzeugendes, gefühlvolles Thema enthält, demzufolge Erleuchtung und Zufriedenheit aus der Asche des Unglücks hervorgehen. Vermutlich erst im November 1734, als die Oper in den Spielplan des Coventgarden-Theaters einbezogen wurde, fügte Händel die Balletteinlagen hinzu. [28] 
 

7. Joseph Joachim Raff (1822 - 1882)

Joseph Joachim Raff (1822 - 1882), dessen 200. Geburtstag letztes Jahr gefeiert wurde, galt zu Lebzeiten als einer der gefragtesten Komponisten der deutschen Romantik und wurde von zeitgenössischen Kommentatoren in eine Reihe mit Wagner und Brahms gestellt. Sein kompositorisches Schaffen umfasst Opern, Sonaten, Sinfonien, Instrumentalkonzerte, Suiten sowie Ouvertüren und Kammermusik. Seiner Orchestrierungskunst sind auch die Erstfassungen der frühen Sinfonischen Dichtungen Franz Liszts zu verdanken, die dieser am Klavier konzipierte und nach seinen Vorgaben Raff zum Orchestrieren überließ. [29] 

Die 3. Sinfonie „Im Walde“ verbreitete seinen Ruhm rasch, ebenso wie die auch heute noch gelegentlich gespielte fünfte Sinfonie „Lenore“. In Wiesbaden, wo Raff auch einige Zeit mit seinem Kollegen Richard Wagner verbrachte, wirkte er bis 1877. Neben seiner anfänglichen Tätigkeit als Lehrer für Klavier sowie Dozent für Harmonik gilt diese Zeit als seine produktivste Phase kompositorischen Schaffens. Der zunehmende Erfolg seiner Werke erlaubte es ihm, ab Anfang der 1870er Jahre als freischaffender Komponist zu arbeiten. Im Jahre 1878 folgte er der Berufung zum ersten Direktor des Hoch’schen Konservatoriums in Frankfurt am Main, das dank seines Wirkens recht schnell einen internationalen Ruf erlangte. Damit hatte sich sein sehnlichster Wunsch nach einer gesicherten Existenz erfüllt. Während fünf Jahren bewies er seine großen Fähigkeiten als Pädagoge und Organisator und war als Komponist und Konservatoriumsdirektor hoch angesehen. Weggefährten dieser Zeit waren unter anderem Clara Schumann und Julius Stockhausen. Raff berief sowohl Vertreter der Neudeutschen Schule als auch der Konservativen als Lehrkräfte an das Hoch’sche Konservatorium, da ihm eine ausgewogene Berücksichtigung beider Lager wichtig war. [30] 

Zu Raffs Lebzeiten wurden seine Werke häufig aufgeführt. Im 20. Jahrhundert war er weitgehend vergessen. Etwa seit 1970 und insbesondere ab den 1980er Jahren wurden zahlreiche Werke (vor allem die Instrumentalmusik) auf Tonträgern veröffentlicht. Aus Anlass seines 200. Geburtstags gab es im Jahr 2022 sehr viele Konzerte mit Musik von Raff, u. a. auch die Uraufführung zweier seiner Opern (Die Eifersüchtigen am 3. September 2022 in Arth, Samson am 11. September 2022 in Weimar). Weitere Opern sind König Alfred (Text: Gotthold Logau), große heroische Oper in 4 Akten, 1848–1850, Uraufführung 1851 in Weimar; Dame Kobold (Text: Paul Reber nach Calderón), gewidmet der Großherzogin Sophie von Sachsen Weimar, komische Oper in 3 Akten, op. 154, 1869, Uraufführung 1870 in Weimar; Benedetto Marcello (Kunst und Liebe), (Text: Joachim Raff, 1875), lyrische Oper in 3 Akten, 1877–1878, konzertante Uraufführung bei den Herbstlichen Musiktagen, Bad Urach 2002. Weitere Werke für Chor und Orchester sind: Te Deum für gemischten Chor und Orchester, (1853); Dornröschen, Märchenepos für Soli, Chor und Orchester, (1854, unveröffentlicht), Wachet auf! (Emanuel Geibel), Kantate für Soli, Chor und Orchester, op. 80; Deutschlands Auferstehung, Kantate für Männerchor und Orchester, Festkantate zum 50. Jahrestag der Völkerschlacht von Leipzig, op. 100, 1862/3; Psalm 130 De Profundis für 8-stimmigen Sopran, Chor und Orchester, Franz Liszt gewidmet, op. 141, 1867; Zwei Lieder für gemischten Chor und Orchester, op. 171, 1871, Nr. 1 Im Kahn, Nr. 2 Der Tanz (Paul Flemming); Morgenlied (J. E. Jacobi) für gemischten Chor und Orchester, op. 186A, 1873; Einer Entschlafenen (Arnold Börner, Pseudonym Raffs) für Sopran, Chor und Orchester, op. 186B, 1873; Die Tageszeiten (Helge Heldt, Pseudonym Helene Raffs) für Chor, Klavier und Orchester, op. 209, 1877; Die Sterne (Helge Heldt, Pseudonym Helene Raffs), Kantate für Chor und Orchester, WoO 54, 1880; Welt-Ende – Gericht – Neue Welt. Oratorium nach Worten der heiligen Schrift, zumal der Offenbarung Johannis für Mezzosopran, Bariton, Chor und Orchester, op. 212, 1879–1881. [31] 

Mit der Wiederentdeckung der Romantik scheint sich heute eine Aufwertung seines Schaffens anzubahnen. Seine besten Kompositionen zeichnen sich ganz sicher durch eine reiche künstlerische Anlage und Ausdruckskraft aus. Mit Geschmack hatte er es verstanden, Formen des damals noch eher verpönten Barocks und der Klassik mit dem Gedankengut seiner Zeit zu verbinden. Bisweilen weisen seine Kompositionen auf Tschaikowski, Mahler und Richard Strauss voraus: Man kann Raffs Musik daher als zentralen „missing link“ des 19. Jahrhunderts zwischen Mendelssohn Bartholdy und Schumann einerseits und den genannten späteren Komponisten andererseits bezeichnen. Besonders eng sind die Beziehungen zu Tschaikowski, der die Musik von Raff gut kannte, ihn hoch wertschätzte und Ideen von Raff u. a. in seinen Sinfonien weiterentwickelte (Raff 3./Tschaikowski 6., Raff 7./Tschaikowski 4., Raff 10./Tschaikowski 5. Sinfonie). 11 Symphonien hat Raff geschrieben, viele Orchesterwerke und Konzerte. [32] 
 

8. Zum 150. Geburtstag von Sergej Rachmaninow; «Rhapsodie über ein Thema von Paganini für Klavier und Orchester» op. 43, «Sinfonische Tänze für großes Orchester» op. 45, «Die Toteninsel» op. 41

Heute wird über Sergej Rachmaninow (1873-1943), dessen 150. Geburtstag 2023 gefeiert wurde, anders geredet und gedacht. Wolfgang Rihm, dessen Orchesterwerk „Verwandlung 4“ letzten Sommer gemeinsam mit der zweiten Symphonie Rachmaninows auf dem Programm des Lucerne Festivals stand, war glücklich über diese Nachbarschaft: „Das ist Musik, die ich mit jeder Faser meines Herzens liebe – nicht nur weil sie handwerklich perfekt ist, ohne die Perfektion akademisch auszustellen (die Begleitungen seiner Melodien sind ja fast sämtlich kanonische Verzweigungen derselben, alles ist thematisches Material), sondern weil sie auf eine tief persönliche Weise empfunden ist.“ Daniil Trifonov wies darauf hin, dass Rachmaninow im ersten Satz des dritten Klavierkonzerts die Solo-Kadenz zum Höhepunkt der Durchführung im Sonatensatz macht. "Die Stelle der höchsten manuellen Anforderung ist zugleich die der höchsten logischen Verdichtung. Virtuosität wird hier komplett in den Dienst gedanklicher Arbeit gestellt. Wo haben alle, die Rachmaninow bloßen Zirkus vorwerfen, ihre Ohren?! Der erste Satz des zweiten Klavierkonzerts, mit dem Tom Ewell 1955 in Billy Wilders Komödie „Das verflixte siebte Jahr“ Marilyn Monroe rumzukriegen suchte, ist einer der gelungensten Sonatenhauptsätze seit Beethovens Neunter. Der Musikhistoriker Charles Rosen hatte bemerkt, dass kaum ein Komponist nach Beethoven es noch vermocht habe, in der Durchführung eine solche Spannung aufzubauen, dass der Einsatz der Reprise wieder als bedeutendes Ereignis erscheine. Rachmaninow ist das geglückt. Mehr noch: Er überwand mit diesem Satz ein altes Formproblem, das sich zwischen Schubert und Beethoven herauskristallisiert hatte. Der Entwicklungsprozess der Sonatenform schien kurze, zukunftsoffene Motive wie bei Beethoven zu verlangen und sperrte sich gegen  geschlossene Liedmelodien wie bei Schubert. Rachmaninow verwendet hier Themen von nie gekannter Länge und Gesanglichkeit (allein das Hauptthema erstreckt sich über sechs Partiturseiten) und entfesselt gleichwohl mit Absplitterungs- und Verkürzungstechniken einen Sonatenprozess von mitreißender Konsequenz. Da hat ein Ingenieur und Architekt ein Grenzwertproblem gemeistert." In seinen Werken wie der Toteninsel op. 29 zeigt sich seine Ähnlichkeit mit den Tondichtungen der Spätromantiker wie Richard Strauss und Franz Schreker (1878-1934, z.B. die romantische Suite). [33] 

Ein Drittes kommt hinzu: Rachmaninows Musik ist durchzogen vom Klang der Glocken und den liturgischen Läutmustern russisch-orthodoxer Kirchen, die sein Lehrer Stepan Smolenski erstmals systematisch erforscht hatte. Das zweite Klavierkonzert beginnt solistisch mit einem typischen Blagowest-Läuten, das die Gläubigen zum Gottesdienst ruft. "Im Dissonanzgebrauch bildet Rachmaninow anfangs sogar die für Glocken typische Differenz von Schlagton und Summtönen ab; seine Harmonik erwächst oft aus dem Versuch, die „unsauberen“ Spektren des schwingenden Glockenmetalls in ein wohltemperiertes Stimmungssystem zu übertragen. Rachmaninow ist Ethnologe von Ritualitätsformen und Spektralist von Idiophonen in einem. In der Reprise, auf dem Höhepunkt, hören wir im Klavier ein Triswon-Geläut, wie es für hohe Festtage und beim Abendmahl üblich ist. Rachmaninow überschreibt im zweiten Klavierkonzert die westliche Sonatenform mit der Liturgie des orthodoxen Gottesdienstes, bezieht also nicht nur Russland und Westeuropa aufeinander, sondern zugleich eine Form des Diskurses auf eine der Frömmigkeit." Dies betrifft vor allem seine Chorwerke wie  die Liturgie des hl. Johannes Chrysostomos op. 31, die Glocken für Solostimmen Chor und Orchester, op. 35, die Vespermesse, op. 37 und die russischen Volkslieder für Chor und Orchester, op. 41. [34] 

Auch als Stalin-Kritiker erweist sich Sergej Rachmaninow viel entschiedener und freiheitsliebender im Sinne der Romantik als Prokowjew. "Dass Rachmaninow mit seiner Paganini-Rhapsodie Bewunderung von Modernisten wie Bartók und Lutoslawski hervorrief, übersehen seine Verächter geflissentlich. Swjatoslaw Richter machte darauf aufmerksam, dass Prokofjew Rachmaninow nur deshalb so verachtete, weil er dessen Klavierstil, der Schärfe in den Etudes-tableaux, alles verdankte... Und er wurde – viel entschiedener, als Prokofjew und Schostakowitsch es jemals konnten oder wollten – zum aufrechten Stalin-Gegner im amerikanischen Exil, als er zusammen mit Ilja Tolstoi 1931 in der „New York Times“ das schreckliche „Joch einer zahlenmäßig verschwindenden, aber perfekt organisierten Bande von Kommunisten“ anprangerte, „die mit Mitteln des roten Terrors dem russischen Volk ihre Missherrschaft“ aufzwingen. Wenig später fuhr George Bernhard Shaw in die Sowjetunion und sang zur Zeit des Holodomors das Lob Stalins. Seinen Zeitgenossen Rachmaninow aber bezeichnete Shaw als „Vulgär-Töner“." 

Schon nach der Oktoberrevolution kamen Rachmaninow Zweifel, ob durch ein bolschewistisch-kommunistisches System überhaupt noch Möglichkeiten für eine künstlerische Betätigung gegeben seien. Sein kluger Entschluss (der von Kommunisten natürlich als Fehlschluss bezeichnet wird), führte im Dezember 1917 zur freiwilligen Emigration, zunächst nach Stockholm, im nächsten Jahr in die USA, wo bereits schon früher auf einer Konzerttournee stürmisch gefeiert worden war. In seinen Werken, besonders in «Sinfonische Tänze für großes Orchester» op. 45 setzt er sich, ähnlich wie Schostakowitsch, mit dem Krieg, vor allem aber mit dem kommunistischen Regime auseinander, das zig-millionenfachen Tod und unsägliches Leid brachte.  Das Finale der «Sinfonischen Tänze für großes Orchester» bildet den dramatischen Höhepunkt des gesamten Werkes. Bereits in der Einleitung (Lento assai) vermitteln abwärtslaufende schmerzliche Akkorde der Bläser eine düstere Stimmung. zwölf Glockenschläge leiten einen Hexensabbat ein. Das Ende des Hexensabbats führt zu einer kämpferischen Auseinandersetzung, die vom Hauptthema und dem Dies irae - Motiv bestimmt wird. Allerdings bestimmen nicht Tod und Geisterspuk des Stalinismus bzw. Putinismus den Ausgang des Satzes, sondern mit gesteigerter Intensität das alte russische Tanzthema, dessen urwüchsige Rhythmen das Werk kraftvoll beenden, womit Rachmaninow zum Ausdruck bringt, dass sich Russland eines Tages aus der Umklmmerung des Stalinismus bzw. Putinismus befreien werden.[35] 

Der Dirigent Paavo Järvi erwidert den Kritikern: "Hört diese Musik ohne all den Unsinn, der euch von euren Professoren vorab eingetrichtert wurde. Schaut in die Partituren! Lest nach, was dort geschrieben steht, aber nicht so aufgeführt wird! Die Diskrepanz zwischen beidem ist oft erstaunlich. Radu Lupu sagte mir einst: Die wichtigste Entscheidung, die ein Musiker trifft, ist die des Tempos. Ähnlich wie bei Bruckner besteht auch bei Rachmaninow die Gefahr, Höhepunkte künstlich zu vergrößern, schöne Momente sentimental abzumelken und dem Augenblick die gesamte Form zu opfern. Man hört dann immer: Rachmaninow als Pianist und Eugene Ormandy als Dirigent hätten das genauso gemacht. Ihre berühmten Aufnahmen liegen ja vor. Dazu muss man wissen, dass damals die Dirigenten Könige waren und die Solisten genauso wie die Komponisten sich ihnen unterordneten. Das tat auch Rachmaninow. Seine Partituren sagen aber oft das Gegenteil von dem, was man auf den Aufnahmen hört. Das betrifft auch die Kürzungen: Sie haben einfach damit zu tun, dass es auf den Schallplatten nicht genügend Platz gab... Natürlich gibt es die Schicht romantischen Empfindens darüber. Entdeckt man aber, wie alles gefügt ist, stellt man fest: überall Klarheit, nichts Ungefähres, keine gekünstelten Übergänge. Zugleich ist Rachmaninows Musik sehr russisch. Wenn ich sage „russisch“, so muss ich das erklären: Es gibt russische Komponisten, die weit weniger russisch sind als er. Tschaikowsky zum Beispiel ist viel kosmopolitischer. Und natürlich findet man bei Strawinsky wie bei Prokofjew viel „Russisches“. Aber bei Rachmaninow ist es anders: Er ist russisch in einer nicht-exotischen Weise; er will kein westliches Publikum mit seinem Russentum beeindrucken; er ist russisch nicht für andere. Er ist russisch aus sich selbst und für sich selbst, in einer sehr schlichten, ehrlichen Weise, die ihre Wurzeln in der Melodik der alten Folklore hat und in der ich die Essenz des Russischen höre: dessen Tiefe, dessen Traurigkeit, dessen poetische Schönheit." [36] 

Vladimir Michailowitsch Jurowski, Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper und Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin, meint, "Man könnte Rachmaninow mit dem Ritter von der traurigen Gestalt – Don Quixote – vergleichen, der sein Leben dem Dienst an einem unsichtbaren, deswegen für andere wertlosen, lächerlichen Ideal widmete. Für Rachmaninow war dieses Ideal das für immer verlorene Russland seiner Kindheit und Jugend, das Russland des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Verloren für ihn als „weißen“ Emigranten, der seine Heimat nie wieder betreten würde, auch als erwachsen gewordenen Menschen, dem das Land seiner Kindheit für immer verwehrt bleibt. Für die daheimgebliebenen Russen war jenes alte Russland nach der bolschewistischen Revolution, wie Atlantis, ebenfalls für immer untergegangen. Diesen herb-nostalgischen Aspekt der Musik Rachmaninows habe ich erst richtig verstanden, als meine ganze Familie die Sowjetunion kurz vor deren Zerfall, im Sommer 1990, verließ. Es war ein Abschied vom Land auf unbestimmte Zeit (vielleicht für immer) und gleichzeitig von meiner Kindheit (ich war 18). Der Zufall wollte es, dass mein Vater sich damals mit den „Symphonischen Tänzen“ von Rachmaninow dirigentisch beschäftigte, und so teilte er viele Gedanken zu dieser Musik mit mir, der ich dieses Werk erstmals für mich entdeckte. Mein Vater nannte den Mittelteil des ersten Satzes (mit dem traurigen Saxofonthema) eine „perfekte Emigrantenmusik“. Mir ist dieser Begriff seitdem im Kopf stecken geblieben. Ich kann mich immer noch an dieses krasse Gefühl von 1990 erinnern, in einer Musik, die ganze fünfzig Jahre zuvor entstanden ist, die Analogie zur eigenen Lebenssituation gefunden zu haben. Auch eine Endzeitstimmung, die sich damals in der UdSSR breit machte, die wachsende Angst vor einem faschistischen Putsch oder vor dem Wiederkommen des kommunistischen Regimes nach dem rapiden Absturz der Perestroika-Euphorie – all jenes spiegelte sich plötzlich in den letzten, apokalyptisch-schaurigen Seiten des dritten Satzes der „Symphonischen Tänze“ wider, die sicherlich unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs entstanden waren. In diesem allerletzten von Rachmaninow verfassten musikalischen Satz überkreuzen sich zwei weitere Zitate: das katholische „Dies irae“ und das orthodoxe „Alleluja“ aus seiner eigenen, nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs komponierten „Vespermesse“ – ein Schlüsselwerk zum Verständnis von Sergej Rachmaninow und seiner Weltanschauung!" [37] 
 

9. Die Natur in der Kunst, insbesondere in der Musik der Romantik I

Spätestens seit der Romantik wurde der Rheinfall auf dem Kontinent und den Britischen Inseln zum Begriff. William Turner schuf einige berühmte Gemälde, Lord Byron formulierte die passenden Zeilen. Nach drei Besuchen erwies Johann Wolfgang von Goethe dem Wasserfall sogar im „Faust II“ seine literarische Reverenz: „So bleibe denn die Sonne mit im Rücken! / Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend, / Ihn schau’ ich an mit wachsendem Entzücken. / Von Sturz zu Sturz wälzt er jetzt in tausend, / Dann abertausend Strömen sich ergießend, / Hoch in die Lüfte Schaum an Schäume sausend. / Allein wie herrlich diesem Sturm ersprießend, / Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer, / Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend, / Umher verbreitend duftig kühle Schauer. / Der spiegelt ab das menschliche Bestreben. / Ihm sinne nach und du begreifst genauer: / Am farbigen Abglanz haben wir das Leben“ Das urbildliche, das Ideale, das sich von unserem wecheltvollen Leben abspiegelt, das sein farbiger Abglanz ist, das ist es, was die Idealisten und Romantiker zum Ausdruck bringen. Das zeigt sich eindrucksvoll in den Gemälden der Maler wie Joseph Mallord William Turner, John Constable, Carl Gustav Carus und Caspar David Friedrich. Fast noch größer dürfte aber die Wirkung der Musik in der Romantik gewesen sein. Vorgemacht hat es Beethoven mit seiner 6. Symphonie ("Patorale"). Die Sätze sind überschrieben mit "Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande", "Szene am Bach", "Lustiges Zusammensein der Landleute", Gewitter, Sturm", "Hirtengesang, frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm". Gefolgt sind ihm Franz Schubert (1797-1828) und Robert Schumann (1810-1856) mit ihren Liederzyklen, Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847), Carl Maria von Weber (1786-1826) mit seinem "Freischütz", Richard Wagner (1813-1883), Franz Liszt (1811-1886), einer der bedeutendsten Vertreter der Programmusik, Anton Bruckner (1824-1896), dessen 200. Geburtstag 2024 gefeiert wird; Max Bruch (1838-1920) z.B. mit seinen Oratorien "Odysseus" op. 41, Arminius op. 48, Achilleus op. 50, Salamis, Kriegsgesang der Griechen op. 25, seiner Oper "Die Lorelei" op. 16 und der Sinfonie Es-Dur op. 28, Max Reger (1873-1916), Hector Berlioz (1803-1869), Charles Gounod (1818-1893), Camille Saint-Saens (1835-1921), Jules Massenet (1842-1912), Georges Bizet (1839-1875) GiuseppeVerdi (1813-1901), Gioacchino Rossini (1792-1868), Antonin Dvorak's Opern "Armida" und Rusalka", Josef Bohuslav Foerster mit dem Beginn des dritten Aktes seiner Oper "Eva" am Ufer der Donau, "im Hintergrund ein weiter, freier Ausblick auf die Landschaft",  Bedrich Smetana (1824-1884) mit "Die Moldau" und "Aus Böhmens Hain und Flur" aus seinem Zyklus symphonischer Dichtungen "Mein Vaterland", Frédéric Chopin (1810-1849), der Meister in der Kunst der weitgezogenen Kantilenen, dessen Genialität Robert Schumann früh entdeckte und den Eugène Delacroix portraitierte, Ottorino Respighi (1879-1936), der als Romantiker durch sein Gefühl für poetische Bilder, die Eindrücke und Klänge der Landschaft seine Tondichtungen komponierte wie "Die Vögel", "Drei Bilder von Botticelli", "Pini di Roma", "Fontane di Roma", "Feste di Romane", Gustav Mahler (1860-1911) mit seiner Symphonie Nr. 8, der "Symphonie der Tausend", Richard Strauss (1864-1949) mit seinen Naturbeschreibungen aus "eine Alpensymphonie", Engelbert Humperdinck (1854-1921), Hans Pfitzner (1869-1949) mit seiner musikalischen Legende in drei Akten "Palestrina", Peter Tschaikowsky (1840-1893) mit seiner Symphonischen Phantasie nach Dante op. 32 und seiner "Manfred-Sinfonie" nach Lord Byron op. 58, Sergej Rachmaninow (1873-1943), der sich als Stalin-Kritiker viel entschiedener und freiheitsliebender im Sinne der Romantik erweist als Prokowjew und in dessen Werken wie der Toteninsel op. 29 und seiner Dante-Oper 0p. 25 sich seine Ähnlichkeit mit den Tondichtungen der Spätromantiker wie Richard Strauss und Franz Schreker zeigt. [38] 

Franz Schubert hat die Liedkultur in seinen Liederzyklen "Winterreise", "Die schöne Müllerin" und "Schwanengesang" begründet. Naturbilder kommen vor allem in den Liedern "Wohin ? Ich hört ein Bächlein rauschen", "Des Müllers Blumen, Am Bach viel kleine Blumen stehn", "Des Baches Wiegenlied", "Der Lindenbaum, Am Brunnen vor dem Tore", "Auf dem Flusse, Der du so lustig rauschtest", "Frühlingstraum, Ich träumte von bunten Blumen", "Der stürmische Morgen", "Die Nebensonnen" nach Gedichten von Wilhelm Müller oder "Frühlingssehnsucht, Säuselnde Lüfte, wehend so mild", "Aufenthalt, Rauschender Strom, brausender Wald" nach Gedichten von Ludwig Rellstab und "Am Meer, Das Meer erglänzte weit hinaus" nach einem Gedicht von Heinrich Heine. 

Robert Schumann hat diese Kultur fortgesetzt und umfangreiche Liederzyklen hinterlassen. Aber auch in seinen Opern zeigt sich die Vertonung der Naturszenen, so z.B. in seinen Szenen aus Goethes Faust. In der zweiten Abteilung wird der Sonnenaufgang in Töne gesetzt ("anmutige Gegend. Faust auf blumigen Rasen gebettet") und der Engel Ariel besingt die geistige Dimension der Natur: "Horchet! Horscht! dem Sturm der Horen! / Tönend wird für Geistesohren / schon der neue Tag geboren. / Felsentore knarren rasselnd, / Welch Getöse bringt das Licht! / Es trompetet, es posaunet, / Auge blitzt und Ohr erstaunet, / Unerhörtes hört sich nicht. / Schlüpfet zu den Blumenkronen, / Tiefer, tiefer, still zu wohnen, / in den Felsen, unter's Laub; / Trifft es euch, so seid ihr taub". Faust hat sich in der Natur erholt, besingt die Elemente der Natur und den Regenbogen als Gleichnis des Lebens: "Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig, / Äther'sche Dämm'rung milde zu begrüßen; / Du Erde warst auch diese Nacht beständig / Und atmest neu erqickt zu meinen Füßen, / Beginnest schon mit Lust mich zu umgeben, / Du regst und rührst ein kräftiges Beschließen, / Zum höchsten Dasein immerfort zu streben. / ... So bleibe denn die Sonne mir im Rücken! / Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend, / Ihn schau' ich an mit wachsendem Entzücken. / Von Sturz zu Sturzen wälzt er jetzt in tausend, / Dann abertausend Strömen sich ergießend, / Hoch in die Lüfte Schaum an Schäume sausend. / Allein, wie herrlich, diesem Sturm ersprießend. / Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer, / Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend, / Umher verbreitend duftig kühle Schauer. / Der spiegel ab das menschliche Bestreben. / Ihm sinne nach, und du begreifst genauer: / Am farbigen Abglanz haben wir das Leben." 

Großer Beliebtheit erfreute sich unter Dichtern und Komponisten der Romantik die Genoveva-Legende, besonders bei Ludwig Tieck, Friedrich Hebbel und Robert Schumann. Schumanns Oper "Genoveva" gilt, was die Musik betrifft, als ein wichtiges Werk Schumanns. Auch die Natur spielt eine große Rolle, so heisst es in der Regieanweisung für den ersten Akt: "Großer Schlosshof in Siegfrieds Burg. Rechts das Schlossgebäude, zu dessen Haupttor eine Treppe führt; gegenüber eine Kirche, ebenfalls mit Treppe. Den Hintergrund bildet eine teilweise mit Efeu bewachsene Mauer, in deren Mitte das Burgtor mit Zugbrücke. Durch das Zugtor blickt man auf eine malerische Landschaft." In seinem Stück "Leben und Tod der heiligen Genoveva" beschreibt Tieck wie unter Karl Martell, Europäer  zusammengetrommelt werden mussten um Abderrahman, den arabischen Statthalter von Spanien, (überschritt 732 die Pyrenäen, schlug den Herzog Eudo von Aquitanien an der Dronne und fiel in der Niederlage bei Tours und Poitiers) wieder ins islamische Afrika zu vertreiben. Bei Schumann heisst es: "Zu einem gottgefäll'gen Kampfe rüstet ihr euch! / Es gilt dem Erzfeind unseres Glaubens, / Abdorrhaman, der aus Spanien / In das Frankenland hereingebrochen. / ... Von seinen Greuln empört, / erhebt sich der gewalt'ge Karl Martell / Und ruft die Tapfern dieses Landes auf, / Den Frechen mit dem Schwert zu strafen, / ...Allem Heidenvolk zum Jammer". Nach Tieck will ein Unterhändler von dem Sarazenenheere Karl Martell zur Aufgabe bewegen, und droht nach der Schlacht "die nicht ermord'ten Ritter" zu versklaven. Zudem meint er, Abdorrhaman sei "aller Christen Freund", eine Floskel, die sogar heute noch von Imamen (den sogenannten Lügenpriestern "an allen Sinnen blöde", "Schelmenzunft-Berater") angewendet wird, um Politiker und Bischofe einzulullen, damit sie in Ruhe ihre Moscheen in Europa bauen und ihre Zeichen überall aufpflanzen können, obwohl sie eigentlich gekommen sind "Von Spanien aus Europa zu verwüsten". Dazu Karl Martell: "Noch morgen soll sich die Erklärung zeigen, / Ob größer Mahoms oder Christus' Macht. / Ungläub'ge Hund', an allen Sinnen blöde, / Der Christenheit zur Strafe hergesandt, / Als Geißel scharf für ihre Sünden schnöde, / Und drum besiegtet ihr Hispanias Land. / Doch haben wir uns all' zu Gott gekehrt, / Und keine Heidenmacht kann uns bezwingen, / Wir sind mit seinem heil'gen Wort bewährt, / In seinem Namen muss es uns gelingen. / Ihr Bettler aus Arabiens Wüstenein, / Die nackt gelegen dort im heißen Sand, / Die nie gesehn des Goldes Glanz und Schein, / Die weder Acker, Pflug noch Brot gekannt, / Bis euch empört ein hochverfluchtes Haupt / Und euch gestellt in die verruchten Rotten, / dass ihr die teure Christenheit beraubt." Ein Christ fechtet und besiegt einen Moslem, der noch "Allah" gerufen hatte: "Der Lügen Vater, du Leutverführer, Schelmenzunft-Berater – Jetzt hör', du Tor, wie man mit Recht soll flehn: Herr Christ, magst mir in meinem Streit beistehn. Siehst wohl, dass dies die rechte Art zu beten? Sie hilft uns gern ungläub'ge Feinde töten. Er ist gestorben und mag nicht mehr hören, es hilft nicht viel, dem Tauben Wahrheit lehren." Abdorrhaman: "Soll denn nur Schmach die Sarazenen decken, / Soll Mahoms Glaube wieder untergehn?" Während die Christen bei Poitiers den Sieg gegen die ungläubigen Moslem erringen, hat Genoveva ein Christuserlebnis. Johann Ludwig Tieck kommt in seiner Genoveva zum Schluss, die "Fabelgötter ", vor allem der "Lügnergott" Allah (Tasso) oder wie Verdi ihn nennt "Stolto Allhà!" (lächerlicher, verblödeter Allah) könnenn nicht mehr schützen: "Die Fabelgötter wollten nicht mehr schützen, / Die Toten sprachen, predigten die Leichen, / Verstockte fühlten sich vom Geist durchblitzen, / Der Heiland rief, da half kein Widerstreben, / Sie mussten sich ihm all zu eigen geben." Als Christ müssse man jedoch gewappnet bleiben, denn "gleich den giftigen Gewürmen" kommt der Islam bzw. Islamismus immer wieder nach Europa: "Doch kann uns nur ein ew'ger Kampf beschirmen, / Wir sehn schon neue Flut daher geschwommen / Und wildre Wogen sich auf wilde türmen; / Es hat des Mahoms Reich Ursprung genommen / Und wütet gleich den giftigen Gewürmen, / So schickt es Gott, dass wir gewappnet bleiben, / Wir können nur im Kampf an Jesum glauben." 

Der vierte Akt spielt in einer wilden Felsgegend. "Düsterer Wolkenhimmel. Ganz in der Ferne ragen die Türme von Siegfrieds Burg hervor. Man hört einen Waldbach rauschen. Links, zwischen Baumgestrüpp, am Fuße eines Felsblockes ziemlich versteckt ein Kreuz mit einem Marienbild."  Genoveva, von ihren Verfolgern bedrängt, hat ein Christuserlebnis: "Wie wird die Luft von Tönen wach, / Wie weh'n zum Herzen sie mit mild! / Und Fels und Wald hallt von den Tönen nach, / Wie wird auf einmal alles Leid  gestillt! / ... Was schau ich? / Öffnet sich der Höhle Dach? / Der Himmel über mir von Glanz erfüllt, / Und in dem Glanz der Liebe Bild! / Allgütiger!" In der Regieanleitung heisst es: "Ein rosiger Schein, von dem Marienbild ausgehend, ergießt sich über Genoveva."  Später verwandelt sich die Bühne wieder in die erste Szene des ersten Aktes. Der Doppelchor singt: "Bestreut den Weg mit grünem Mai'n, / Lasst den Ruf erschallen ins Land hinein: / Die viel Geduldet, die edle Herrin, / Sie kehrt zurück!"

Als Felix Mendelssohn Bartholdy 1843 die Uraufführung der zweiten Fassung seiner ersten Walpurgisnacht, Kantate zur gleichnamigen Ballade verfasst von Johann Wolfgang von Goethe, im Leipziger Gewandhaus dirigierte, waren Robert Schumann und Hector Berlioz, der sich begeistert über das Werk äußerte, anwesend. Das Werk beginnt mit der zweiteiligen Ouverture: "Das schlechte Wetter" und "Der Übergang zum Frühling". Weiter heißt es: "Es lacht der Mai / Der Wald ist frei / von Eis und Reifgehänge. / Der Schnee ist fort, / am grünen Ort / ..." Das Erlebnis der Natur hatte immer wieder schöpferische Kräfte freigelegt. Vor allem in der Hebridenouverture, in der Schottischen und Italienischen Symphonie erwies sich Mendelssohn als "Landschaftsmaler" von Rang (Richard Wagner). Reisen nach England, Italien, die Schweiz und Frankreich erweiterten seinen Horizont und zugleich konnte er im internationalen Musikleben Fuß fassen. Hatte sich Mendelssohn im Jahre 1828 für die Komposition der Ouverture "Meeresstille und glückliche Fahrt" durch Gedichte von Goethe zu einer naturschildernden musikalischen Erfindung anregen lassen, so kamen nun Reiseeindrücke hinzu. Natur und Landschaft beflügelten die Phantasie des Künstlers. Besonders die Reise nach Schottland und der Besuch der Fingalshöhle auf der Hebrideninsel Staffa inspirierte ihn zur "Hebriden-Ouverture" und zu seiner Schottischen Symphonie. Auch in Italien ließ sich Mendelssohn von der Landschaft inspirieren. Er hatte aber eine Vorliebe für den Deutschen Wald, für "Buchen, Linden, Eichen und Tannen".und weniger für Zypressen. [39]

Carl Maria von Weber kam 1817 aus Prag nach Dresden. Der Dresdner Intendant Graf Vitzthun hatte es beim König Friedrich August III. durchsetzen können, eine deutsche Oper ins Leben zu rufen; für deren Leitung war Weber genau der richtige Mann. Er formte Oper und Orchester für die Romantik um. Auch Richard Wagner, der berühmteste der Weberschen Nachfolger schwärmte zeitlebens von diesem Orchester als von einer "Wunderharfe". Die schöne Natur dieser Umgebung Dresdens inspirierte ihn; die zahlreichen Spaziergänge im nahen Kreppgrund und in der bizarren Felslandschaft der Sächsischen Schweiz übten ihren Einfluss auf die Atmosphäre der "Freischütz" - Musik, insbesondere auf die der Wolfsschlucht. Der Erfolg des "Freischütz" ist nicht nur als Wendepunkt im Kampf um ein deutsches Operngenre zu betrachten, bei dem schließlich Wagner den Sieg davontrug, sondern generell in der romantischen Oper. Welche Oper vor dem "Freischütz" hätte die Natur so in Töne setzen können? Die vier Hörner am Anfang der Ouvertüre, aus denen die stille Majestät, die Unermesslichkeit des Wakdes spricht, die Modulation im Rezitativ, das Agathes Arie "Leise, leise" einleitet, vergleichbar mit Rezias Begrüßung der Sonne in der berühmten Ozean-Arie im zweiten Akt des "Oberon", dann das Rauschen der Tannenwipfel - so etwas gab es vor Weber nicht. Und schließlich ist der Freischütz eine der ersten Opern, die, ähnlich wie die Zauberflöte, zwar nicht mit Leitmotiven, aber mit Erinnerungsmotiven arbeitet. In Carl Maria von Webers romantischer Oper "Der Freischütz" in drei Akten nach dem Libretto von Friedrich Kind geht es um den Menschen, der sich im Kampf gegen finstere Mächte behaupten muss. In der Musik wird das ausgedrückt durch die Verlagerung der Rhythmik, also Synkopen; ein gutes Beispiel ist Max' Arie "Durch die Wälder, durch die Auen" im ersten Akt, die mit den Worten: "Doch mich umgarnen finstre Mächte" endet. Am Ende des ersten Aktes sprechen die Musik und Kaspar's Worte es deutlich aus: "Umgebt ihn, ihr Geister mit Dunkel beschwingt, / schon trägt er knirschend eure Ketten." Begeistert von der Oper waren neben Wagner auch E.T.A. Hoffmann, Hector Berlioz und Goethe. 

Im zweiten Akt wendet Agathe sich an Christus: "Welch schöne Nacht! / Leise, leise, fromme Weise, / schwing dich auf zum Sternenkreise! / ...Vor Gefahren / Uns zu wahren / Sende deine Engelscharen!" Dann ertönt die Verwandlungsmusik: "Furchtbare Waldschlucht, grösstenteils mit Schwarzholz bewachsen, von hohen Gebirgen rings umgeben. Von einem derselben stürzt ein Wasserfall. Der Vollmond scheint bleich. Zwei Gewitter von engegengesetzer Richtung sind im Anzug. Weiter vorwärts ein vom Blitz zerschmetterter, ganz verdorrter Baum, inwendig fauf, so dass er zu glimmen scheint. Auf der anderen Seite, auf einem knorrigen Ast eine große Eule mit feurig rädernden Augen. Auf den anderen Bäumen Raben und anderes Waldgevögel."

Auch in Carl Maria von Webers romantischer Oper "Oberon" in drei Akten nach Christoph Martin Wielands gleichnamiger Dichtung wird die Freiheit verteidigt, eine Errungenschaft des Christentums, und gekämpft wird gegen die finsteren Mächte der islamischen Korsaren und Kalifen. Der Elfenkönig Oberon hat eine Vision, in der seine Hilfe als Retter gefordert wird: "Warum musst du schlafen, O Held voll Mut? / Ein Mädchen sitzt weinend an Babylons Flut! / Auf rette sie dir, eh als Opfer sie sinkt!" Oberon schickt den Herzog Hüon von Guienne, das Mädchen aus dem Harem zu befreien und stattet ihn mit dem Zauberhorn aus. Hüon ist entschlossen das Mädchen aus den Händen der barbarischen Muslime zu retten und bittet Oberon: "Sei ein Führer mir, holder Geist! / Zu dem Thron des Ungläubigen leite mich... Zum Kalifen leite mich! / Dort sei der Arm, sei das Herz bewährt! / Holder Geist sei mein Führer, / Leite zu dem Gottverworf'nen mich!!" Im zweiten Akt beginnen die Naturschauspiele mit dem Chor der Luft-, Erd-, Wasser- und Feuergeister und der Sturmmusik. In der Regieanleitung heisst es: "Donner und Blitz ... Es wird dunkel. Die Felslandschaft verschwindet ... Unter dem Leuchten der Blitze erscheint ein ödes Felsengestade am Meeresufer. Gewitterdunkelheit." Es folgt Rezitativ und Ozean-Arie der Rezia. Oberon erscheint und "aus dem Wasser tauchen Meermädchen auf und kommen ans Land; von beiden Seiten, von oben und unten zeigen sich Nymphen, Sylphiden, Elfen und Feen, zuletzt von oben Luftgeister". [40]

Richard Wagners Vertonungen von Naturschauspielen auch im Zusammenhang mit großen weltgeschichtlichen Ereignissen sind Legendär; z.B. wenn Wolfram von Eschenbach im dritten Aufzug des "Tannhäuser" die Hymne an den Abendstern "O du mein holder Abendstern" singt, oder Lohengrin im ersten Akt erscheint ("in einem Nachen, von einem Schwan gezogen, wird auf dem Flusse in der Ferne sichtbar") und am Ende des dritten Aufzugs des "Lohengrin, romantische Oper in drei Akten" Abschied nehmen ("Mein lieber Schwan!") und zur Gralsburg zurückkehren muss.  Die Natur im Zusammenhang mit der Weltentstehung wird natürlich vor allem im "Der Ring des Nibelungen" in Töne gesetzt, z.B. durch die Beschreibung des Wassers am Beginn seines "Rheingold", dem Abstieg Wotans durch die Schlucht, und seiner Darstellung von Donner, Blitz und Regenbogen am Ende der Oper, dem Lenzlied oder der Hymne an den Frühling "Winterstürme wichen / dem Wonnemond, / in mildem Lichte / leuchtet der Lenz / ..." im ersten Akt der "Walküre", das berühmte Orchestervorspiel "auf dem Gipfel eines Felsenberges" zu Beginn des dritten Aktes und des Feuers am Ende der "Walküre" mit dem Wotan-Monolog, eine Szene, die von Wagner als wichtigste Szene bezeichnet wird "für den Gang des ganzen großen vierteiligen Dramas",  des Waldwebens im "Siegfried", Siegfrieds Rheinfahrt in der "Götterdämmerung", mit der Beschreibung des Sturms in "Der fliegende Holländer", der Stimmung in der Natur zur Zeit des Johannisfest in "Die Meistersinger von Nürnberg", der Frühlingsstimmung in der Blumenaue im dritten Aufzug des "Parsifal".

Anton Bruckner, dessen 200. Geburtstag 2024 gefeiert wird, steht voll in der Tradition der frühromantikischen Klangwelt Schuberts und Webers, dennoch ist der Einfluss Wagners nicht zu überhören. Nach seinem Studium ließ er sich von dem Linzer Kapellmeister Otto Kitzler in die "moderne" , also romantische Musik, einführen und lernte durch ihn Richard Wagners «Tannhäuser» kennen, den Kitzler in Linz zur Aufführung brachte. Eine neue Welt der Romantik öffnete sich Bruckner und löste eine Flut schöpferischer Kräfte aus, die in ihm schon lange gereift waren. Jetzt entstand seine erste offizielle Symphonie, die «c-moll-Symphonie». Hier zeigt sich, dass Bruckner, trotz seiner tiefen Verehrung für Wagner, diesen nicht kopiert. Er übernimmt Wagners durch Chromatik, Enharmonik und Alteration bestimmte Harmonik, verliert sich dabei aber nicht an ihn, sondern verschmlizt ihn in sich ein. Bbrruckner bbleibt sich treu und Palästrina und den christlichen Mystikern des Mittelalters ähnlich, gebraucht er seine Musik als Mittel hymnischer Anbetung und Verherrlichung. Auch die Einflüsse Beethovens sind nicht zu übersehen. In ihrer ersten (Linzer) Form entstand die «c-moll-Symphonie» 1865-66, wobei Bruckner sowohl das Adagio als auch das Scherzo während dieser Zeit grundlegend umarbeitete. Im Jahr 1884, dem Jahr seiner Umsiedlung nach Wien wurde das Werk weiter umgearbeitet, aber alle diese Korrekturen veränderten Das Werk nicht grundlegend. Die «wiener Fassung» der «1. Symphonie» entstand 1890-91.

Die 1873 komponierte 3. Symphonie in d-moll, deren erste Fassung mit Zitaten aus Richard Wagners Bühnenwerken durchwoben war, wurde zu Bruckners «Wagner-Symphonie». Sie ist auch «Richard Wagner, dem unerreichbaren, weltberühmten und erhabenen Meister der Dicht- und Tonkunst in tiefster Ehrfurcht gewidmet.» Mit der «Symphonie Nr. 3», deren Widmung Richard Wagner dankend annahm, war Bruckners Stil vollends ausgereift. Die erste Aufführung 1877 stieß zwar auf Ablehnung, doch einige junge Musiker, unter ihnen Gustav Mahler, standen damals fest hinter Bruckner. 

In der  «Symphonie Nr. 4», Es-dur, die «Romantische» in der zweiten Fassung von 1878/1880 hat der Komponist nach eigenen Angaben Anregungen aus der Natur erhalten. Das gilt beispielsweise für das lyrische zweite Thema des Kopfsatzes, dessen motivischer Kern von Bruckner als Gezwitscher der Waldmeise gedeutet wurde, während die kontrapunktierende Gegenstimme das eigene Glücksgefühl, solche Naturstimmen im Walde lauschen zu können, ausdrücken soll. Von einem Jagd-Scherzo ist die Rede und einem Volksfest im Finale. Die Deutung der  «Romantischen»  als eine «Waldsymphonie» wird gestützt durch Bruckners eigene Beschreibung des Kopfsatzes: «Mittelalterliche Stadt - Morgendämmerung - von den Stadttürmen ertönen Morgenweckrufe - die Tore öffnen sich - auf stolzen Rossen sprengen die Ritter hinaus ins Freie, der Zauber des Waldes umfängt sie - Waldesrauschen - Vogelgesang - und so entwickelt sich das romantische Bild.»:Durch die Umarbeitungen hat das Finale allerdings den Volksfestcharakter verloren. 

Die «Symphonie Nr. 5» B-dur war Bruckners Lieblingssymphonie, 1894 in Graz uraufgeführt. 1875 wurde er zum Lektor für Harmonielehre und Kontrapunkt an der Wiener Universität ernannt. Sein Feind Eduard Hanslick, ein Brahms-Anhänger, wurde dadurch zu seinem endgültigen Gegner, denn dieser lehrte ebenfalls dort an der Universität, allerdings mit weniger Zuspruch als Bruckner. Die späten Symphonien Schuberts hat Bruckner aufgegriffen und weiterentwickelt. So wurde er zum wirklichen symphonischen Romantiker, der Beethovens Symphonie-Typus übernahm, ihn aber in eine gänzlich neue Beleuchtung rückte.  Für den Katholiken Bruckner bedeutete Musikmachen Gottesdienst. Aber auch seine geistliche Musik unterscheidet sich nicht vom symphonischen Stil, dessen Programm Romantik hieß, eine Musik des gesteigerten Naturgefühls. 

Die «Symphonie Nr. 7» E-dur.ist auch als «Wagner-Symphonie» bezeichnet worden. Bruckner schrieb sie unter der Vorahnung vom Tod Richard Wagners. Dem ausgedehnten ersten Satz schließt sich das cis-moll-Adagio an, in dem er Wagnersche Tuben verwendet. Ihnen ist das immer wiederkehrende Hauptthema des Satzes überantwortet. In Kontrast zum zweiten Thema findet sich im ersten ein elegisch-romantischer Gesang, den wohl nur Bruckner in dieser Art zu realisieren gegeben war. In der Klangsprache, der Instrumentation und der Harmonik steht gerade diese Symphonie Richard Wagner nahe. Bruckner überträgt auch hier Wagners musikalisches Vokabular in eine gänzlich andere Späre. Schon 1885 dirigierte Hermann Levi die Siebente in München; Hans Richter folgte mit einer Aufführung durch die Wiener Philharmoniker. Auch in Köln und Prag, in Amsterdam, New York und Chicago, in Berlin, Dresden und London trugen durch Aufführungen der Siebenten entscheidend zur erfolgreichen Rezeption von Bruckners Gesamtwerk bei. 

Romantisch-instrumentales Singen beherrscht natürlich auch weite Teile des Wagnerischen Werkes. Das «Siegfried-Idyll», das Bruckner wohl auch kannte, lässt sich als Inbegriff von Kantabilität bezeichnen, schließlich basiert es auf Gesangsthemen. Diese Komposition steht in engem Zusammenhang mit seinem «Der Ring des Nibelungen». Zwei Themen aus «Siegfried» dominieren das Stück: Brünhildes Bekenntnisse «ewig bin ich, ewig war ich» und «O, Siegfried, Herrlicher. Hort der Welt». Hinzu treten weitere «Ring» -Motive wie Brünhildes Schlummer-Motiv.

Gustav Mahler's Symphonien sind eigentlich keine im klassischen Sinne, sondern Tondichtungen. So zum Beispiel die erste Symphonie, "Der Titan" nach dem gleichnamigen Werk von Jean Paul. Zum ersten Satz schrieb Mahler ganz im Sinne von Beethoven: "Frühling und kein Ende. Die Einleitung schildert das Erwachen der Natur am frühen Morgen." Der zweite Satz könnte Beethovens "Lustiges Zusammensein der Landleute" aus der "Pastorale" entsprechen. Der dritte Satz wurde inspiriert durch das Musikstück "Des Jägers Leichenbegräbnis", begleitet durch einen Zug der Tiere. Der vierte Satz erinnert an Dantes Inferno: "Dall'inferno al paradiso." Mit seiner Symphonie Nr. 8, der "Symphonie der Tausend" wird das Ende von Goethe's Faust II vertont.

Richard Strauss knüpft mit seinen Naturbeschreibungen wie "Sonnenaufgang", "Eintritt in den Wald", "Wanderung neben dem Bache", "Am Wasserfall", "Auf blumigen Wiesen", "Auf der Alm", "Auf dem Gletscher", "auf dem Gipfel, Vision", "Nebel steigen auf", "Die Sonne verdüstert sich allmählich", "Stille vor dem Sturm", "Gewitter und Sturm", "Sonnenuntergang", "Nacht" aus "eine Alpensymphonie" an Wagner an. 

Hatte Strauss in seiner Alpensymphonie "auf dem Gipfel" auch die geistige Komponente der Natur ("Vision") angedeutet, so hat Hans Pfitzner am Ende des ersten Aktes seines "Palestrina" die Vision bzw. geistige Welt hinter der Natur ausführlicher in Töne gesetzt. Durch diese Vision erhält Palestrina seine Inspiration als Künstler wieder: "Allmacht - Geheimniskraft! / Wie durch die eigene Brust / Selig nun zieht / Allmächt'ge Schöpferlust, / Ewiges Hohelied! / Wunder ist Möglichkeit, / Allwo sie weit Wlten erschafft!" / ... Liebes-Mysterium! / Fühle durch tiefe Nacht / Durch Wonnen der Geistesmacht" / ... Innig zu loben / Die ewige Liebesmacht, / Die den Frieden gebracht. / Den Frieden." Nach einem langen Streit (zweiter Akt), ob die neue Musik von Palestrina überhaupt angemessen sei, das Christentum darzustellen und zu fördern, erhält Pierluigi Palestrina im dritten Akt Besuch vom Papst persönlich, der ihn als Komponisten und Musiker wieder einsetzen will: "Fürst der Musik aller Zeiten! Dem Papste Diener und Sohn." In der Regieanleitung heisst es:"Die letzten Strahlen der Abendsonne sind aus dem Zimmer gewichen, welches nun in abendliche Dunkelheit gehüllt ist." Palestrina beginnt zu komponieren, von der Straße ertönen die Rufe: "Evviva Palestrina, evviiva der Retter der Musik!" 

Bei Engelbert Humperdinck ist die Naturatmosphäre besonders im zweiten Bild seines Märchenspiels in drei Bildern, "Hänsel und Gretel", unverwechselbar eingefangen., wo der Wald für die verirrten Kinder zu leben und zu sprechen beginnt: Vogelrufe, Rauschen, Irrlichter, gespenstische Laute werden musikalisch umgesetzt. Humperdinck folgt dem Prinzip des vollständig durchkomponierten Musikdramas. Der Höhepunkt des Bildes ist erreicht, wenn strahlendes Licht durch die Wolken und die im "Abendsegen" angerufenen vierzehn Engel die Himmelsleiter herabschreiten. Feierlich bilden sie einen Reigen um die schlafenden Kinder und stellen zwei Schutzengel an ihre Seite. 

Max Reger gelangt, über die Tristan-Harmonik Wagners hinausgehend, bis dicht an die Grenzen der Atonalität, was in seinem Klavierkonzert f-moll op. 114 zum Ausdruck kommt. Insbesondere mit seinen Werken «Symphonischer Prolog zu einer Tragödie» op. 108 für großes Orchester und «Eine romantische Suite» op. 125 für großes Orchester nach Gedichten von Eichendorff mit den ursprünglichen Satzbezeichnungen: Mondnacht, Elfentanz, Elfenspiel, Helios, Sonnenaufgang, kann er als Spätromantiker bezeichnet werden.. 

Camille Saint-Saens überträgt in seinen Konzerten (Violinkonzerte, Cellokonzert, Klavierkonzerte, La Rapsodie d'Auvergne) Elemente der großen französischen Oper. Das gilt auch für  «Samson et Dalila» und seine «Messe de Requiem» op. 54. [41]
 

10. Die Natur in der Kunst, insbesondere in der Musik der Romantik II; Tschaikowskis «Manfred-Sinfonie» nach Lord Byron; Hector Berlioz' «Symphonie fantastique», «Damnation de Faust», «Benvenuto Cellini», «Béatrice et Bénédict», «Les Troyens» (die Trojaner); Franz Liszts  «Mazeppa», «Hunnenschlacht» , «Les Préludes», «Orpheus», «Dante-Sinfonie», «Hungaria» «Faust-Sinfonie»; Jules Massenet's «Esclarmonde», Verdis «Nabucco», «Attila» , «Il Corsario» , «I Lombardi alla prima crociata» , «Simon Boccanegra» , «Macbeth» 

In seiner "Manfred-Sinfonie" nach Lord Byron op. 58, die von Tschaikowsky 1885 vollendet und von Balakirew in Auftrag gegeben wurde, hat der erste Satz folgendes Vorwort: "Manfred wandert in den Alpen. Gequält von Zweifeln, Gewissensbissen und Hoffnungslosigkeit ist seine Seele namenlosen Leiden ausgesetzt. Weder die mystischen Wissenschaften, deren Geheimnisse er geweissagt hat und durch die die Geister der Unterwelt zu seiner Verfügung stehen, noch irgendetwas anderes kann ihm Vergessen bringen, wonach ihm sehnlichst verlangt. Die Erinnerung an Astarte, die er liebte und verloren hat, brennt in seiner Brust. Nichts kann das Unglück lindern, dass in Manfreds Seele brennt und ihn endlos und unbarmherzig den Höllenqualen der Verzweiflung aussetzt." Im zweiten Satz erscheint die Alpenfee Manfred im Regenbogen des Wasserfalls. Der dritte Satz ist "Pastorale" überschrieben, "das einfache, freie und friedvolle Leben der Bergbewohner." Was folgt ist eine Art Bacchanal des Arimanes, in dem er und sein "Teufelsanhang" gepriesen werden. Manfred distanziert sich aber von Ihnen  Das Werk hebt an mit drei thematischen Elementen, die in anderen Sätzen wiederkehren. Das erste und bedeutendste ist das Manfred-Thema, das gleich zu Beginn von der Bassklarinette und den Fagotten gespielt wird. Der Mittelteil ist ein Andante in D-dur, in dem das Astarte-Thema, das von den gedämpften Violinen vorgetragen wird.

Der Schauplatz des Manfred-Dramas ist in den Hochalpen, teils in Manfreds Schloss, teils in den Gebirgen. Im zweiten Akt in einem tieferen Tal in den Alpen, am Wasserfall ruft er die Fee, die ihm aber nicht weiter helfen kann. Die vierte Szene spielt in der Halle des Arimanes, er sitzt "auf seinem Throne, einer Feuerkugel, von Geistern umgeben". Die "Hymne der Geister", die ihm dienstbar sind loben ihn wie die Moslems ihren Allah: "Heil uns'rem Meister! Fürst von Luft und Land! / Auf Wolken geht und Wassern er einher, / Der Elemente Zepter in der Hand, / Der sie zum Chaos wirrt, gebietet er! / Er haucht – und Sturm zerschlägt die Meeresflut, / Er spricht – und Wolken donnern Antwort rund, / Er blickt – und gäh' verlischt der Sonne Glut, / Er kommt – und bebend platzt der Erde Grund; / Wohin er tritt, erhebt sich ein Vulkan, / Sein Schatten ist die Pest, vor seinem Pfad / Läuft der Komet und knarrt der Himmelsplan; / Gestirn wird Asche, wenn er zürnend naht. / Vom Krieg sind täglich Opfer ihm geweiht; / Ihm zahlt der Tod Tribut; der Lebenshauch / Mit aller seiner Schmerzunendlichkeit, / Und jeder Geist ist sein, wo immer auch." Die fatalistischen Geister rufen im Sinne der islamischen Philosophie: "Ruhm, Arimanes, dir! Wir, die den Nacken / Der Menschen beugen, beugen uns. vor dir. / ... Ruhm, Arimanes, dir! Wir harren auf Dein Winken." Als Manfred erscheint, soll er Arimanes sklavenartig anbeten wie es noch heute in den Moscheen üblich ist: "Knie nieder, Sklav'! bet'an! Wie? du erkennst / Nicht dein und unsern Herrn? Beb'und gehorch! / ... Wirf nieder dich in den verfluchten Staub! / Befürcht' das Ärgste sonst. / ... Und wagst zu weigern / Vor Arimanes Thron, was alle Welt / Gewährt – die Schrecken seiner Herrlichkeit / Nicht in Beachtung ziehend? Bück' dich! sag' ich." Manfred antwortet, er solle sich erst vor Christus beugen: "Lass' ihn sich erst vor seinem Höhern beugen, / Dem unbeschränkten Oberherrn, dem Schöpfer, / Der zur Verehrung ihn nicht schuf. Er knie – / Wir knien dann vereint. / ... Zermalmt den Wurm! / Reißt ihn in Stücke!" Schließlich erkennen die Geister aber, dass er sich nicht täuschen lässt wie ein einfacher "Tropf" oder Moslem. Manfred will seine Astarte wiedersehen, was ihm auch für kurze Zeit gewährt wird. Im dritten Akt, Die Sonne sinkt schon in die Berge, wird deutlich, dass er nicht die falschen Götter wie Arimanes oder Allah mit ihrem "Teufelsanhang" verehrt, sondern den echten Schöpfer Christus: 

"Strahlenkugel! Abgott einst
Der jungen Welt! des kräftigen Geschlechts
Gesunder Menschheit, jener Riesensöhne,
Die Engel mit noch schön'ren Wesen zeugten,
Als jene waren, die herabgelockt
Verirrte Geister, die zurück nicht können;
Glorreichster Ball! der angebetet wurde,
Eh'kund war das Geheimnis deiner Schöpfung;
Du des Allmächt'gen erster Abgesandter!
Der auf Chaldäas Bergeshöh'n erfreute
Das Herz der Hirten, bis es sich ergoss
In Dankgebet; du körperlicher Gott!
Des Unerkannten Stellvertreter! der
Zum Schatten dich erkor; du erster Stern!
Du Sternen-Mittelpunkt! der noch die Welt
Erträglich macht, und Herz und Farbe allen
Gestimmt hat, die in deinen Strahlen wandeln;
Der Jahreszeiten Vater! der Klimate
Und ihrer Völker Fürst! denn nah'und fern
Nimmt eingeborner Geist wie äußeres
Erscheinen Färbung an von dir – du steigst
Und scheinst und sinkst in Glorie!" George Gordon Noel Lord Byron, Manfred III

Seine Tätigkeit als Dirigent vermittelte Franz Liszt die nötige Kenntnis und Erfahrung um für das Orchester zu komponieren. Dabei orientierte er sich an den Ideen Hector Berlioz', der in seiner "Symphonie fantastique" und dem lyrischen Monodram "Lélio" Wagners Plan eines Gesamtkunstwerkes antizipiert hatte.  Wie Berlioz legte auch Liszt seinen Orchesterwerken ein außermusikalisches Programm zugrunde und schuf in der Vertonung z.B. literarischer Vorlagen das Genre der sinfonischen Dichtung, das bald überall nachgeahmt und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein gepflegt wurde. In Vivtor Hugo's 1831 veröffentlichten Gedichtzyklus "Feuilles d'automne" fand er z.B. die lyrische Meditation "Ce qu'on entend sur la montagne", die durch die hohe Musikalität der Sprache seinen Intentionen entsprach: vom "leisen flüstern des Waldes in den Bäumen" bis zur "Ätherharfe" und dem "glücklichen Hymnus des Meeres". In seiner endgültigen Form nannte er sie später "Berg-Symphonie". 

Von einem weiteren Gedicht Victor Hugo's ließ sich Liszt inspirieren, nämlich von dem 34. Gedicht aus seinem Zyklus "Les Orientales". Er komponierte die vierte seiner "Douze études d'exécution transcendante" und orchestrierte das Klavierstück noch im selben Jahre, 1851, zur Symphonischen Dichtung "Mazeppa" um. Es ist vergleichbar mit der "Hunnenschlacht" und ganz aktuell mit der Invasion der muslimisch-russischen Horden in die Ukraine. Damals wurde der ukrainische Held Mazeppa, über den auch Voltaire und Lord Byron geschrieben hatten, von seinen Feinden auf ein wildes Pferd gebunden, das mit ihm durch die Steppe jagt, bevor es tot zusammenbricht. Mazeppa wird gerettet und zieht als König der Ukraine siegreich gegen seine Widersacher zu Felde. Die drei Abschnitte Ritt, Verschmachten und Rettung sind durch ein gemeinsames  Thema verbunden, das sowohl Schmerz und Verzweiflung zum Ausdruck bringt, wie den Triumpf, wenn zum Schluss der Kosakenmarsch erklingt.

In einer seiner berühmtesten Tondichtungungen vertonte er die monumentale Ode "Les Préludes" aus den "Méditations poétiques" von Alphonse de Lamartine. Ähnlich wie Victor Hugo's "Ce qu'on entend sur la montagne", ist auch Lamartines Ode reich an musikalischen Metaphern. "Innere Musik, unsagbare Harmonie, / Harfen, die ich in den Lüften schwingen hörte, / Als sei's das ferne Echo himmlischer Konzerte." 

Als Prolog zu einer Aufführung von Christoph Willibald Gluck's "Orpheus und Eurydike" komponierte Liszt in wenigen Wochen seine Symphonische Dichtung "Orpheus"; Richard Wagner sagte daüber: "Dies ist eine der schönsten, vollendetsten, ja unvergleichlichsten Tondichtungen." Liszt hatte sich etwas von der Programmusik entfernt, es ging ihm nicht nur um Naturbeschreibung, sondern auch um die musikalische Darstellung der Empfindungen. Im Programmheft hieß es damals entsprechend: "Wäre es uns gelungen, unsere Gedanken vollständig zu verkörpern, so hätten wir gewünscht, den verklärten ethischen Charakter der Harmonien, welche von jedem Kunstwerk ausstrahlen, zu vergegenwärtigen, die Zauber und die Fülle zu schildern, womit sie die Seele überwältigen, wie sie wogen gleich elysischen Lüften, ... den lichtblauen Äther, womit sie die Erde und das ganze Weltall wie mit einer Atmosphäre, wie mit einem durchsichtigen Gewand unsäglichen mysteriösen Wohllauts umgeben." Man fühlt sich erinnert an Lamartines "Les Preludes", aber Liszt hat sich jenem Orpheus zugewandt, "dessen Name so majestätisch und voll Harmonie über den poetischen Mythen der Griechen schwebt." Camille Saint-Saens, der die Form der symphonischen Dichtung in den 1870er Jahren für Frankreich erschloss, übertrug das Werk 1885 für Klaviertrio. 

Hector Berlioz verstand seine "Symphonie fantastique" mit dem Untertitel "Episoden aus dem Leben eines Künstlers", als autobiographisches Werk, in dem Realität und Fiktion zu einer romantischen Einheit verschmelzen. Ähnlich autobiographisch ist Liszt's "Sinfonie zu Dantes Commedia" ("Dante-Sinfonie") mit einer Widmung an Richard Wagner: "Wie Virgil den Dante, hast Du mich durch die geheimnisvollen Regionen der lebensgetränkten Tonwelten geleitet. - Aus innigstem Herzen ruft Dir zu: 'Tu sei lo mio maestro, e il mio autore!' und weiht Dir das Werk in unwandelbar getreuer Liebe Dein F. Liszt." Die beiden kolossalen Sinfonien zu Dantes "Divina Commedia" und Goethes "Faust" verstand der Komponist als seine wichtigsten sinfonischen Dichtungen. Die beiden Hauptgedanken des "inferno" erweisen sich als rhythmisch identisch mit Schlüsselversen der dichterischen Vorlage, die als Inschrift auf dem Tor zur Hölle den Eintretenden mit Angst und Entsetzen erfüllen. So ist z.B. Mohammed, den Dante als Irrlehrer, sittenlos und gewalttätig, beurteilt, im Inferno angesiedelt. Passend dazu ist die Musik, wenn die Themen des "Inferno" entweder eine herabziehende Schwere haben, oder sich grimmig, wie Sisyphos, auf derselben Stelle unnütz abarbeiten. Inmitten des wahrhaft höllischen Satzes, dessen grelle Dissonanzen und chromatische Seufzer- und Klagemotive weit über die Tonsprache des 19. Jahrhunderts hinausgehen, erklingt ein schönes "Andante amoroso" in Fis-Dur, der Tonart, die nicht nur für Liszt Klangsymbol der Liebe war, sondern auch für Alexander Scrjabin und Gustav Mahler. Aus den finsteren Abgründen steigen die Schatten Paolo und Francesca da Riminis empor. Der zweite Satz "Purgatorio", entspricht in seinem lichten D-Dur weniger dem Fegefeuer christlicher Mystik, als vielmehr dem "Berg der Läuterung", wie Dante ihn sah; kein Ort des Schreckens also, sondern eine hoffnungsvolle Vorstufe der Seligkeit. Ein wunderbar leises, das Gemüt beruhigendes Säuseln lässt das Meer erscheinen mit fast ohne Wellen, ein wolkenloser Himmel wölbt sich über die weihevolle Stille, in welcher wir den Flügelschlag des Engels zu vernehmen glauben, der über das Meer der Unendlichkeit dahinschwebt. Rauschend aufsteigende Harfenarpeggien führen zum Schlussteil. In H-Dur stimmt der Frauenchor den Lobgesang des Magnificat an. Der Wechselgesang von Hosanna und Halleluja, der das Werk beschließt, gehört zum Faszinierendsten, was die Musik der Romantik geschaffen hat.

Bilder waren ebenfalls beliebte Vorlagen für Orchesterwerke wie man an Modest P. Mussorgski's (von Ravel orchestriert) "Bilder einer Ausstellung" oder Franz Liszts "Hunnenschlacht" sehen kann, für dessen Programmvorlage Wilhelm von Kaulbachs monumentales Gemälde diente, das die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern darstellt, in der im Jahre 451 die Gothen unter Theoderich auf das Hunnenheer Attilas  trafen, der Geißel Gottes. Liszt stellt die Hunnen als eine Art Naturgewalt da, die wie später die Muslime über die Christenheit herfallen. Liszt schreibt dazu: "Beim Gespräch mit Kaulbach und in Betrachtung seines Meisterwerkes, das auch kommende Generationen noch bewundern und studieren werden, glaubte ich, seine Idee ließe sich auch in Musik ausdrücken, vermag doch diese Kunst, den Eindruck der beiden übernatürlichen und kontrastierenden Lichter durch zwei Motive darzustellen, deren eines das wilde und barbarische Wesen repräsentiert, das die Hunnen zur Verwüstung so vieler Länder und Völker trieb, während das andere in sich die ruhigen Kräfte und die strahlenden Tugenden der christlichen Idee trägt. Und ist diese nicht gleichsam inkarniert in dem gregorianischen Gesang Crux fidelis?" Der Text entstammt dem frühchristlichen Hymnus "Pange lingua gloriosi lauream certaminis des Fortunatus". Die Hunnenschlacht stellt für Liszt weniger ein musikalisches Schlachtengemälde dar, als den Sieg der christlichen Idee.

Seine Tondichtung "Hungaria" ähnelt von der Thematik der "Hunnenschlacht", geht es doch auch hier um den Kampf der christlichen Völker gegen die wilden Horden der Türken. Ende 1839 kehrte Liszt nach fast 20 Jahren wieder in seine ungarische Heimat zurück und war tief bewegt von dem Enthusiasmus, mit dem er dort empfangen wurde. 1840 veröffentlichte der Dichter Mihaly Vörösmarty eine Huldigungsode an Franz Liszt, auf die der Komponist mit seiner sinfonischen Dichtung "Hungaria" antwortete. Ihre Uraufführung, die Liszt 1856 in Budapest dirigierte, gestaltete sich zu einem der größten Triumpfe seiner künstlerischen Laufbahn. Ein immer wieder umgestaltetes Thema durchzieht die ganze Partitur, die das Schicksal des ungarischen Volkes nachzeichnet: aus der Unterdrückung: "Unsere Schuld und unseres Schicksals Ketten / Drücken schwer, als hundertjär'ges Leid" erhebt sich das Volk, um für seine nationale Unabhängigkeit zu kämpfen. Ludwig II., einer der hoffnungsvollsten Regenten Ungarns, fiel 1626 in der Schlacht von Mohács, die das Land von der drohenden Gefahr des türkischen bzw. osmanischen Reiches befreien sollte. Triumphierend beschliesst die Nationalhymne das Werk.

1854 entstand die «Faust-Sinfonie», Liszts umfangreichstes und bedeutendstes Instrumentalwerk. 1857 fand die Uraufführung in einem Weimarer Festkonzert statt, in dem auch die sinfonische Dichtung "Die Ideale" erstmals erklang. Berlioz' Werk "La Damnation de Faust" übte auf Liszt einen nachhaltigen Eindruck aus, der auch in der Widmung der "Faust-Sinfonie" an Berlioz abzulesen ist. Liszt setzt die Themen als Klangsymbole ein, vergleichbar der Leitmotivtechnik Wagners oder der "idée fixe Berlioz'. Das der Person Fausts zugeordnete Thema, mit dem das Werk beginnt, erscheint im Mephisto-Satz als teuflische Fratze. Genial hat Liszt verstanden Mephisto zu charakterisieren. Nahezu das gesamte Material des ihm gewidmeten Satzes besteht in entstellten Varianten der Thematik der beiden vorangehenden Sätze. Ein weiteres Beispiel ist das Motiv der Sehnsucht bzw. Liebe, das den ersten Satz beschließt und im Mittelsatz eine tragende Rolle spielt, bevor es von Mephisto karikiert wird. Mehrfach erscheint im dritten Satz der "Faust-Sinfonie" ein Thema der fast drei Jahrzehnte früher entstandenen "Malédiction", einer Jugendkomposition für Klavier und Orchester. Hier ist der entsprechende Abschnitt "Orgueil" (Hochmut) überschrieben. Die Verwünschung (Malédiction), die der im Streit um Fausts Seele den Engeln unterliegende Mephisto in der Grablegungsszene des zweiten Teils ausspricht: "Und wie es sich gehört, fluch ich euch allzusammen!" ist der Schlüssel zu seinem Wesen. Der "Chorus mysticus" mit "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis" - für Tenorsolo und Männerchor gesetzt gilt als das Gegenstück zu dem Magnificat für Frauenchor, das die "Dante-Sinfonie" beschließt  - greift den Rhythmus des Faust-Motivs wieder auf. 

Auch andere Autoren beschäftigten sich mit dem Faust-Stoff, so zum Beispiel Nikolaus Lenau, Grabbe und Heine. Liszt vertonte sogar zwei Episoden aus Lenaus Faust. Die poetische Kraft von Lenaus Epos, seine Naturschilderungen und der mystisch-religiöse Charakter inspirierten ihn 1860 zu den beiden Episoden aus Lenaus Faust, die er seinem Schüler Carl Tausig zueignete. Vor allem die erste, "Der nächtliche Zug" würde bald von Katholiken kritisiert. Der Protest richtete sich gegen die Verwendung des Chorals "Pange lingua gloriosi corporis mysterium" in einem profanen Kunstwerk. Liszt hatte die auf Thomas von Aquin zurückgehende Melodie in veränderter Gestalt zur Vertonung folgender Verse Lenaus verarbeitet: "Mit Fackellichtern wandelt Paar an Paar / In weißen Kleidern eine Kinderschar / Zur heilig nächtlichen Johannisfeier, / In zarten Händen Blumenkränze tragend; / Jungfrauen dann, im ernsten Nonnenschleier / Freudvoll dem süßen Erdenglück entsagend; / Mit Kreuzen dann, im dunkeln Ordensrocke, / Gesenkten Hauptes und in Bart und Locke / Den weißen Morgenreif der Ewigkeit / Sie schreiten singend fort die Waldesbahnen." Dem feierlichen nächtlichen Zug steht der "Tanz in der Dorfschänke" als Kontrast zur Seite. Auch weitere Mephistowalzer folgten als abstrakte Auseinandersetzungen mit dem Geist des Widersachers. Den zweiten Mephistowalzer skizzierte Liszt 1880 in Rom, orchestrierte das Werk im Jahr darauf in Budapest und brachte es dort zur Uraufführung. Die den Regeln widersprechende Behandlung der Tonalität gent dabei weit über das damals übliche Maß kompositorischer Freiheit hinaus. Große Teile seines umfangreichen Werkes warten immer noch auf ihre Wiederentdeckung, obwohl Liszt eine Schlüsselfigur in der Musik der Romantik darstellt. 

Zur Enthüllung der Denkmäler Goethes, Schillers und Wielands erklang 1857, neben der "Faust-Sinfonie" und anderen kleineren Werken, Liszts sinfonische Dichtung "Die Ideale", der ein Gedicht Schillers als Programm zugrunde lag. Es beginnt als klangliche Umsetzung jugendlichen Strebens: "Bis an des Äthers bleichste Sterne / Erhob ihn der Entwürfe Flug; / Nichts war so hoch und nichts so ferne / Wohin ihr Flügel ihn nicht trug." Es folgt eine gewisse Enttäuschung: "Doch ach! Schon auf des Weges Mitte / Verloren die Begleiter sich; / Sie wandten treulos ihre Schritte, / Und einer nach dem andern wich." Aber all das kann die künstlerische Kreativität nicht behindern. Liszt ergänzt das Gedicht musikalisch durch eine Art Schlussapotheose. Liszt hat durch seine Musik die elegische Lyrik des Schillerschen Gedichtes in eine neue Geistesregion gestellt.

Nicht nur in der "Symphonie fantastique", auch in Hector Berlioz' Opern werden Bilder in der Natur vertont, z.B. in «Béatrice et Bénédict», komische Oper in zwei Akten op. 27 nach Shakespeares «Viel Lärm um nichts», «Les Troyens» (die Trojaner), der Beginn seiner Oper "Damnation de Faust", wenn Faust bei Sonnenaufgang allein in den Feldern einer ungarischen Ebene den Frühling besingt: "Le vieil hiver a fait place au printemps; / La nature s'est rajeunie; / Des cieux la coupole infinie / Laisse pleuvoir mille feux éclatants. / Je sens glisser dans l'air la brise matinale; / De ma poitrine ardente un souffle pur s'exhale. / J'entends autour de moi le réveil des oiseaux, / Le long bruissement des plantes et des eaux / Oh! qu'il est doux de vivre au fond des solitudes, / Loin de la lutte humaine et loin des multitudes!" (Der alte Winter ist dem Frühling gewichen, Jung ist wieder die Natur. Von unendlichen Himmelsdom Ergießen sich Ströme von glänzendem Licht. Die Morgenbrise fühle ich die Luft bewegen; Ein reiner Atemzug löst sich aus meiner brennenden Brust. Um mich her höre ich das Erwachen der Vögel, Das stetige Rauschen der Pflanzen und Wasserläufe. O, wie schön ist das Leben in völliger Einsamkeit, Weit weg vom Streit und der Menge der Menschen!) und von Ferne den Reigen der Bauern hört, der später vom Marsch einer Armee übertönt wird. Im vierten Teil der Oper befindet sich Faust in einer Wald- und Höhlenlandschaft, wenn er seine Hymne an die Natur ("Invocation à la Nature") vorträgt: "Nature immense, impénétrable et fière..." (Unermessliche, unerforschliche, stolze Natur...). 

Wenn der Karneval als fünfte Jahreszeit der Natur durchgeht, muss auch Hector Berlioz' Oper "Benvenuto Cellini, Opéra comique en deux actes et quatre tableaux" genannt werden, denn sie beginnt im ersten Akt mit dem Rosenmontag, gefolgt vom Fastnachtdienstag. Erst im zweiten Akt ist Aschermittwoch, nun muss Cellini weiter an seiner Skulptur arbeiten. Im vierten Bild (8. Szene) vergleicht er sein Schicksal mit einem Schiff im Sturm und wünscht sich ein einfaches Leben als Hirte: "Sur les monts les plus sauvages / Que ne suis-je un simple pasteur, / Conduissant aux pâturages / Tous le jours un troupeau voyageur! / Libre, seul et tranquille, / Sans labeur fatiguant, / Errant loin des bruits de la ville, / Je chanterais gaîment; / Puis le soir dans ma chaumière, / Seul, ayant pour lit la terre, / Comme aux bras d'une mère / Je dormirais content. / Sur les monts les plus sauvages ... etc" (Auf den wildesten Bergen wäre ich nur ein einfacher Hirte, der auf die Weide führt alle Tage eine wandernde Herde! Frei, allein und ruhig, ohne ermüdende Arbeit, fern von dem Lärm der Stadt umherirrend, würde ich lustig singen; Dann, am Abend in meiner Strohhütte, einzig als Bett der Erde habend, wie in den Armen einer Mutter würde ich glücklich einschlafen. Auf den wildesten Bergen...etc.). Damals wurde in der Walpurgisnacht mit Walzern in den Mai getanzt. Das hat Carl Maria von Weber in seiner Komposition für Klavier "Aufforderung zum Tanz" festgehalten und Hector Berlioz orchestriert. Benvenuto Cellini (1500-1571) war Goldschmied und Bildhauer; in seiner Selbstbiographie (Neapel 1758. Übersetzung aus dem Italienischen von Goethe, Tübingen 1803) betont er darin mehrfach seine Wahrheitsliebe, so im III. Buch, 8. Kapitel, und im IV. Buch, 7. Kapitel, wo er von sich als einem «beständigen Freunde der Wahrheit und Feind der Lüge» spricht. "Benvenuto Cellini", entstanden nach Berlioz' italienischen Reisen und Ausdruck seiner Bewunderung für den großen florentinischen Künstler, wurde 1838 bei seiner ersten Aufführung so ablehnend vom Pariser Publikum aufgenommen, dass in der Folge die Türen der Pariser Opéra für den Komponisten zeit seines Lebens verschlossen blieben. Dennoch strotzt die Oper vor Vitalität und Urwüchsigkeit und enthält gute und echt romantische Musik.

Ein weiteres Beispiel ist Hector Berlioz' Oper «Béatrice et Bénédict». Der este Akt spielt im Regierungspalast von Messina auf Sizilien. Von der Terrasse des Palastes ist das Meer zu sehen. Gefeiert wird dort der Sieg über die islamischen Mauren im 16. Jahrhundert. Man ist froh, weil es nun keine Gefahr mehr gibt durch islamische Räuberbanden: "Le Maure est en fuite! victoire!" (Der Maure ist in die Flucht geschlagen! Sieg!). Der erste Akt endet mit einem duo-nocturne, die Sonne ist untergegangen und das Mondlicht wird vom Wasser reflektiert.

Im zweiten Akt von «Béatrice et Bénédict» wird gezeigt wie der Albtraum Islam vorher Angst und Schrecken auf Sizilien verbreitete, wovon Béatrice ein Lied singen kann: "Le jour du départ de l'armée, / Je ne pus m'expliquer / L'etrange sentiment de tristesse alarmée / Qui de mon coeur vint s'emparer. / Il part, disais-je, il part, je reste. / ... Des plus noires terreurs / La nuit suivante fut rempli ... / Les Maures triomphaient, j'entendais leurs clameurs; / Des flots du sang chrétien la terre était rougie. / En rêve je voyais Bénédict haletant, / Sous un monceau de mort sans secours expirant; / Je m'agitais sur ma brûlante couche; / Des cris d'effrai s'échappaient de ma bouche. / En m'éveillant enfin je ris de mon émoi; / Je ris de Bénédict, de moi, / De mes sottes alarmes. / Hélas, hélas! ce rire était baigné de larmes." (als die Armee abmarschierte legte sich ein seltsames Gefühl der Angst um mein Herz. Er geht fort und ich bleibe zurück. .. Die schwärzesten Ängste begleiteten mich die ganze Nacht. In einem Alptraum wären die Mauren die Sieger, ich konnte ihre Rufe hören, der Boden war geträngt mit christlichem Blut. Im Traum sah ich Benedikt, sterbend ohne eine helfende Hand, mein Bett brannte und Schreie des Entsetzens drangen aus meinen Lippen. Als ich aufwachte, musste ich über meine Ängste lachen, ich lachte über Benedikt, über mich selbst, über meinen dummen Schrecken, meine Gelächter badete in Tränen.) Zum Schluss erklingt der Hochzeitsmarsch sowohl für Hero und Claudio als auch für Beatrice und Benedikt:  "Dieu, qui guides nos bras pour chasser l'infidèle, / Préside à cet heureux moment! / Ange du chaste hymen, viens prendre sous ton aile / Ce couple amoureux et charmant! / Il réunit beauté, jeunesse, / Gloire, fidélité, tendresse. / Comble de tes faveurs / Ces deux nobles coers!" (O Herr, der du unsere Arme stärkst um die ungläubigen Moslems in die Flucht zu schlagen, sieh herunter auf diese glückliche Stunde! Schutzengel lass diese Hochzeit begleiten und dieses liebende und charmante Paar unter ihre Flügel nehmen! Ihre Vereinigung ist eine Mischung aus Schönheit und Jugend, Ehre und Treue...) 

Emanuel Chabrier (1841-1894) darf natürlich nicht vergessen werden. Er gilt als einer der frühesten Förderer des Werkes Richard Wagners in Frankreich. Ihm kam als Chorleiter erhebliches Verdienst an der französischen Erstaufführung von  «Tristan und Isolde» zu. Seine letzte Oper «Gwendoline» wurde dadurch beeinflusst. Nach einer Spanienreise komponierte er seine «Espana, Rhapsodie für Orchester». Die Uraufführung dieses Werkes 1883 verschaffte dem bis dahin wenig bekannten Komponisten große Popularität. 

Beachtlich ist die Naturszenerie zu Beginn des dritten Aktes von Georges Bizet's "Carmen". In der Regie heisstes: "Des Rochers ... site pittoresque et sauvage ... solitude complète et noire."

In Jules Massenet's "Esclarmonde" wird im zweiten Akt eine verzauberte Insel beschrieben: schöne Gärten, hinten und links Felsen, auf der rechten Seite das Meer. Mondschein. Geister tanzen am Strand. Roland und Esclarmonde treffen sich auf der Insel. Esclarmonde klärt ihn über ihre Zauberkraft auf und gesteht ihm ihre Liebe. Der völlig hingerissene Roland erliegt ihrem Charme, und es kommt zu einer Liebesnacht. Sie will ihn aber nicht zu lange von seiner eigentlichen Aufgabe, dem Kampf gegen die Sarazenen, abhalten: "O mon amant! Ton peuple a besoin de secours! / Le chef de Sarrazins, Sarwégur l' implacable, / tient assiégé dans Blois le viux roi Cléomer, / va arracher les tiens au deuil qui les accable! / La gloire à mon amour te rendra bien plus cher! (Oh meine Liebe, Deine Leute brauchen deine Hilfe! Der Chef der Sarazenen, der unerbittliche Sarwégur, belagert König Cléomer in Blois; geh, schnapp ihn dir und schütze die Bevölkerung vor ihm. Dein gloreicher Sieg wird dich für mich noch begehrenswerter machen). Bei dieser Gelegenheit erhält er von seiner Geliebten das Schwert des Heiligen St. Georg, dem "himmliche Kräfte" beigemessen werden, mit dem er unbesiegbar wird: "Cette epée a du ciel recu le privilège / d' assurer la victoire au loyal chevalier / qui garde son serment sans jamais l'oublier, / contre tous les périls cette arme le protège." (Dieses Schwert hat vom Himmel die gesegnete Kraft erhalten, den Sieg herbeizuführen für den loyalen Ritter, der sich an den Schwur hält und ihn niemals bricht; diese Waffe wird ihn gegen jedes Übel schützen). Die Bedingung ist die Geheimhaltung ihrer Beziehung und der Kampf für das Christentum. Sie verspricht, ihn mit Hilfe ihrer Zauberkraft täglich (oder besser nächtlich) zu besuchen, wo immer er sich auch aufhalte. Roland versichert, das Schwert sachgerecht einzusetzen, zum Nutzen des Christentums und natürlich nicht gegen die Christen, wie es zur Zeit der russische Despot in der Ukraine unternimmt: "O glaive, à ton aspect je m' incline avec crainte / et c'est en frémissant qu'ici je te recois, / ô lame redoutable et sainte, / forme divine de la Croix! / Avant de te saisir pour augmenter ma gloire, / chrétien, je m'agenouille humblement devant toi! / Céleste emblème de la foi!" (O Schwert, Ich beuge mich vor dir in Furcht, und ich bebe wenn ich dich erhalte, o furchbar und heilige Klinge, heilige Form des Kreuzes! Bevor ich dich beschlagnahme für die Unterstützung meiner gloreichen Aufgabe, als Christ kniee ich vor dir nieder! Himmlisches Symbol des Glaubens!). 

Der dritte Akt zeigt die Folgen des Krieges gegen die Sarazenen bzw. Muslime: Feuer und zerstörte Dörfer. Frankreich wird von den Sarazenen bedroht. Die Muslime bzw. Sarazenen fordern einen Tribut von 100 Jungfrauen, um den Harem des Sultans zu bestücken, eine Tatsache, die schon von vielen spanischen Dichtern wie Calderon, Cervantes oder Lope de Vega thematisiert wurde. Der König von Frankreich beklagt: "Pour nous sauver il faudrait un prodige! / L'infâme Sarwégur aujourd'hui même exige / un tribut de cent vierges captives. / Le cruel à ce prix nous offre le salut, / et vers le ciel en vain montent nos voix plaintives!" (Nur ein Wunder kann uns jetzt retten! Der berüchtigte Sarwégur fordert heute einen Tribut von 100 Jungfrauen als seine Gefangenen. Der grausame Tyrann garantiert uns Sicherheit zu diesem Preis und unsere jammernden Stimmen steigen zum umsonst zum Himmel!). Wie in der von Russland überfallenen Ukraine, fragt sich das Volk: "Dois-tu subir la loi d'un vainquereur déstesté?" (Musst du die Vormachtstellung eines verhassten Eroberers erdulden?) Die Sarazenen sind schon im Anmarsch, da erscheint Roland. Roland, der ja dank seines St. Georgs Schwerts unbesiegbar ist, fordert den muslimischen bzw. sarazenischen König zum Duell heraus: "Toi, va dire à ton maître, / à ce barbare impie / qu'un chrétien le défie / en combat singulier! / O peuple, reprends courage, et tu triompheras! / Dieu ne nous abandonne pas! / Jeunes guerriers, renez vos armes / et volons ensemble aux combats!" (Geh und sag deinem Meister, dem gottlosen Barbaren, dass ein Christ ihn zu einem Zweikampf herausfordert! O Volk, habt Mut und ihr werdet siegreich sein! Gott hat uns nicht verlassen! Junge Kämpfer nehmt eure Waffen und lasst uns zusammen kämpfen!) Roland gewinnt dieses Duell natürlich. Die Sarazenen müssen den Schatz ihres Anführers Roland und den Franzosen überreichen. Damit ist die Bedrohung Frankreichs beendet, und der dankbare französische König will Roland nun zu seinem Schwiegersohn machen. Dieser schlägt aber zu aller Überraschung die Hand der Königstochter aus. Auf Nachfrage gesteht er seine Liebe zu Esclarmonde und erzählt von deren Zauberkraft. Daraufhin warnt ihn der Bischof von Blois vor Hexerei, ohne die Tatsachen zu prüfen, eine Verfahrensweise wie sie noch heute bei den oberen der Kirche üblich ist; statt im islamischen Pseudo-Gott einen Dämon zu sehen, bezichtigt der Bischof die christliche Königstochter Esclarmonde der Hexerei und dass sie mit Dämonen gemeinsame Sache mache. Der Ritter Roland weist den verirrten Bischof zurecht: "Non! Un démon par qui l'âme est perdue et flétrie / ne m'eût pas ordonné de sauver ma patrie! (Nein! Ein Demon, durch welchen die Seele verloren und entehrt ist, hätte mich nicht beauftragt, mein Land zu retten!) Mit Hilfe ihrer Zauberkraft erscheint Esclarmonde und ist von ihrem Liebhaber enttäuscht, da dieser ihre Liebe scheinbar verraten hat.

Der vierte Akt beginnt mit einem Naturschauspiel auf einer Waldlichtung in den Ardennen: "Dans le forêt Ardennes; ; une clarière avec des grands arbres. A gauche, des rochers surmontès de plantations et dissimulant l'entrée d'une sombre caverne. Au fond, paysage ensoleillé. Des sylvains et des nymphes sont groupés et étendus, au fond, sous les arbres; d'autres danset à l'ombre de ses arbres. Appels de Trompettes au lointain, puis se rapprochant rapidement. Les sylvains ètonnés arrêtent leurs danses rt écoutent; bientôt paraîssant à cheval quatre hérauts sonnant de la trompette, porte-étendard et un héraut proclamant le tournoi... tous s'éloignet. Les sylvains et les nymphes s'avancent peu à peu et, rassurés, ils reprennent leurs danses aprés que les derniers appels de trompette se perdent dans les profondeurs de la forêt." 

Auch in anderen Opern fängt Jules Massenet die Athmosphäre eines Ortes muslikalisch ein, wie etwa im ersten Akt von "Le Jongleur de Notre Dame", den Marktplatz von Cluny: "Nous sommes en Bourgogne ou XIV siècle. Au milieu de la place, l'orme traditionnel; sous L'orme, un banc. On apercoit la facade de l'abbaye avec una statue de la vierge au dessut de la porte. C'est le premier jour du mois de Marie et jour de marché. Des filles et des garcons dansent la bergerette. Les marchands sont prés de leurs échoppes. Des bourgeois et bourgeoises, des chevaliers, des clercs, des paysans et paysannes, des gueux vont et viennent." [42]

Bei den Belcanto-Komponisten wie Rossini wird selten eine Natur-Athmosphäre in Töne gesetzt. Aber dennoch kann man sie finden, zum Beispiel in seinem Wilhelm Tell und in der Gewittermusik aus "La Cenerentola" (Aschenputtel) und "Il Barbiere di Siviglia".

Giuseppe Verdi ist nicht unbedingt berühmt wegen seiner Naturbeschreibungen, sondern eher wegen seiner Musik, die die romantische Philosophie zum Ausdruck bringt, die immer eine Philosophie der Freiheit ist. So zum Beispiel im "Nabucco", denn so wie es hier um die Befreiung der Hebräer vom Joch des Nebukadnezar und die Vertreibung des Verräters (Ismael) geht, der den "Lügengott" Baal verehrt, so hatte sich zu Verdis Lebzeiten Griechenland vom Joch der ismaelitischen Osmanen bzw. Türken und ihrem "Lügengott" Allah befreit. Was Zacharias am Ende des ersten Acts zu Ismael sagt, könnte man heute den Muslimen sagen: "Dalle genti sii reietto, / Dei fratelli traditore! / Il zuo nome maledetto / Fia l'obbrobio d'ogni età! / 'Oh, fuggite il maledetto', / Terra e cielo griderà." (Ja, ganz Israel wird schmähen dich, Verräter an den Brüdern. Mit Verachtung soll dich sehen wer zum wahren Glauben sich bekennt! Gram und Schrecken wird entstehen, wo man deinen Namen nennt!) Im Gegensatz zu den heutigen Muslimen, die weiterhin an ihrem "Lügengott" festhalten, erkennen Nebukadnezar und Ismael - zumindest in der Oper - dass sie bisher einen "Lügengott" oder "Unheilsgötzen" angebetet hatten; nun bekennen sie sich zum Gott der Hebräer, der eigentlich Christus ist. Dazu Zacharias: "Ein mächtiger Herrscher wirst du durch den Segen Gottes sein! 

Auch in Verdis Oper Attila geht es um die Freiheit Europas bzw. Italiens. In der Oper werden die Verwüstungen geschildert, die Attila angerichtet hat und die an die Verwüstungen der Russen in der Ukraine erinnern: "Cara patria, già madre e reina / Di possenti magnanimi figli, / Or macarie, deserto, ruina, / Su cui regna silenzio e squallor" (Teures Heimatland, ehemals Mutter und Königin von kräftigen und großmütigen Söhnen, Jetzt ein Trümmerhaufen, eine Wüste, eine Ruine, über die Düsternis und Schweigen regieren). Raffael hat die Szene im ersten Akt schon in seinem berühmten Bild festgehalten. Auch Verdis Oper ist beeindruckend: Attila hat einen Traum, in dem ihn ein alter Mann bei den Haaren ergreift und ihm befiehlt: "Di flagellar L'incarco / Contro i mortali hai sol. / Tarretra! Or chiuso è il varco; / Questo de' numi è il suol!" (Du bist als Geißel ausersehen allein gegen die Menschheit. Ziehe dich zurück! Der Weg ist nun versperrt: Dieses ist das Gebiet der Götter!" Attila bekennt: "E l'alma in petto ad Attila / S'aahiaccia pel terror." (Und die Seele in Attilas Brust ist gelähmt vor Schrecken), vor allem als er den alten Mann (Papst Leo) später tatsächlich trifft und er die gleichen Worte wiederholt. Odabellas Romanze aus dem ersten Akt "O nel fuggente nuvolo" ist eines jener Stücke, in denen Verdi auf die Begleitung durch das volle Orchesters zugunsten einer Handvoll von Soloinstrumenten verzichtet. Hinter der Gesangsstimme weben Harfe, Englisch Horn, Flöte und Cello einen lichten Klangteppich, mit dem die Stimmung des Waldes, der klare Himmel und ein naher Bach eingefangen werden, in dem sich die Strahlen des Mondes spiegeln. Im Vergleich zu Wagner geht Verdi zu jener Zeit aber noch die romantische Tiefe ab. 

In Giuseppe Verdis "Il Corsario" (Libretto Francesco Maria Piave nach Lord Byron) kündigt sich schon der griechische Freiheitskampf an: "dal braccio nostro oppresso / il Musulman cadrà / All'armi, all'armi e intrepidi / cadiam, cadiam sull' empia Luna." (Erdrückt von unserer Übermacht wird der Muselmann unterliegen. Zu den Waffen, zu den Waffen, ohne Verzagen lasst uns den verruchten Halbmond überfallen). Auch die Frauen aus dem Harem sollen befreit werden, denn sie wollen vom Pascha und dem "verruchten Halbmond" nichts mehr wissen: "M'ama Said! io l'odio! / O vile musulman, tu non conosci, / tu non comprendi ancora / qual alma io chiuda in petto!" (Seid liebt mich, doch ich verabscheue ihn. O ekelhafter Muselman, du kennst nicht und kannst noch nicht verstehen die Gefühle meines Herzens). Der Pascha von Coron hat außer seinen hundert Frauen nur noch eins im Kopf: "Nuovi supplizi, / orribili, mai noti / all'uom, al demone, / immaginar saprò." (Neue, furchtbare Foltern, weder von Menschen noch vom Teufel gekannt, werde ich ersinnen). Ohne Freiheit kann es auch keine Liebe geben: "E può la schiava un palpito sentir / per l'oppressore? / Nel core sol dei liberi / sa germogliar l'amore." (Kann das Herz einer Sklavon für ihren Unterdrücker schlagen? Liebe kann nur gedeihen unter freien Menschen). 

Auch in Giuseppe Verdis "I Lombardi alla prima crociata" (Libretto Temistocle Solera nach Tommaso Grossi und Torquato Tasso) geht es um die Freiheit Europas und anderer christlicher Städte wie Jerusalems, die von Halbmond-Bannern bedroht werden, "Sugl' empi vessilli che il ciel maledi"(den schändlichen Bannern, die der Himmel verdammt). Im zweiten Akt an einem herausragenden Punkt einer Berggegend, am Eingang einer Höhle, tritt ein Einsiedler heraus:  "l'empie bende squarciar de' Musulmani" (die Horden der gottlosen Muselmanen niederschlagend), denn man will auch im nahen Osten sich als freier Mensch bewegen und sich nicht verstecken müssen: "Musulman la veste il dice / Ritiriamci" (Nach seinem Kleid ein Muselman. ziehen wir uns zurück!), "Odi, un branco musulmano / Ha la figlia a me rapita... / Tutta l'Europa là vedi raccolta, / Al voler di Goffredo sogetta! / ... Stolto Allhà! sovra il capo ti piomba / Già dell'ira promessa la piena; / Santa voce pertutto ribomba / Proclamante l'estremo tuo di." (Hör mir zu! Eine muselmanische Bande hat mir meine Tochter geraubt... Dort kannst du das zusammengeströmte Europa sehen, das dem Willen Godefroys gehorcht!... Lächerlicher, verblödeter Allah! Auf dein Haupt entlädt sich schon das ganze Gewicht des verheißenen Zorns. Überall erklingt die Heilige Stimme, deinen letzten Tag verkündend). Der Chor singt: "È squarciata la barbara benda, / L'infedele superbo fuggi." (Die barbarische Horde ist zerschlagen, und der hochmütige Ungläubige flieht). In der Regie heisst es später: "soldati turchi inseguiti dai Crociati, indi donne dell'harem e Sofia" (Die Kreuzfahrer verfolgen türkische Soldaten. Die Haremsdamen und Sofia kommen). Die Frauen rufen: "Chi ne salva dal barbaro? / Sdegno, se il profeta i suoi fidi lasciò" (Wer erretet uns aus der barbarischen Schmach, wenn der Prophet seine Gläubigen verließ?) 

Beachtlich ist die Figur der Giselda und der Gesang der Pilger zu Beginn des 3. Aufzugs im Tal Josaphat. In der Ferne sind die Umrisse der Heiligen Stadt Jerusalem zu sehen. Nach einer fanfarenartigen, kurzen Orchestereinleitung ertönt der Chor sehr leise: "Gerusalm! .Gerusalm! . la grande, la promessa città!", die Melodie wird von den Holzbläsern begleitet, und Bratschenläufe umschreiben sie mit weichen Klängen. Der Bass übernimmt das Wort: er beschwört das Erscheinen Christi, die unwiderstehliche Kraft seines Wesens und seine Leiden herauf - zu fernen Gnadenorten weisend. Die Pilger sind ergriffen, in einer leisen, Unisono-Melodie widerspiegelt sich dieses Gefühl, beinahe streicheln sie mit ihren Augen die Landschaft, wo sich einst Christi Geschichte abspielte. Im vierten Aufzug hat Giselda in der nähe von Jerusalem im Traum eine Vision: vor ihr erscheinen "spiriti celesti" (himmlische Geister). 

Im Gegensatz zu italienischen Belcanto-Opern findet sich in Verdis Opern durchaus Musik, die die Natur darstellt wie zum Beispiel in seiner Oper "Simon Boccanegra". Hier vertont Verdi gleich zweimal das Meer: in der schönen romantischen Begleitung der Arie Amelias und in der Melodie Boccanegras im dritten Aufzug. Amelias Arie zu Beginn des ersten Aufzugs gilt in ihrer Art als eines der großartigsten Stücke, die Verdi je geschrieben hat. Die einleitende Musik malt das Meer im Glanze der Morgenröte. Diese strömende Melodie leitet die einzige dreiteilige, reprisenhafte Arie in der Oper ein, die einzige, die ein Naturschauspiel darstellt. Der dramatische Gipfelpunkt der Oper ist das Duet Amelias mit dem Dogen, wo sie ihre Geschichte erzählt, wie sie von Korsaren geraubt wurde und sich herausstellt, dass sie die verlorene Tochter des Dogen ist. Das Finale des ersten Aufzugs spiegelt den Spätstil Verdis wider. Was das künstlerische Niveau betrifft befinden wir uns in unmittelbarer Nähe des "Othello". In vieler Hinsicht ähnelt es dessen Sturmszenen, nur dass es sich hier um den Sturm der Massen handelt. Der Doge spricht die Problematik der Venezianer an, statt sich auf "Il regno ampio dei mari" (das große Reich der Meere) zu konzentrieren und die Türken zu bekämpfen, zerfleischen sie sich gegenseitig. Im dritten Aufzug tritt Boccanegra auf den zum Meer blickenden Erker hinaus und singt eine kurze Hymne auf das Meer. Die die Wellen malende, den dominanten Ton umschreibende Figuration tritt erst beim letzten Ton des Ariosos in den Grundton, bis dahin die Musik in beinahe skstatischer Spannung haltend. 

In seinem "Macbeth" hat Verdi in dem von Hexen dominierten 3. Akt ein Hexenballet eingeschoben, um ihn dadurch zu einem noch gewaltigeren Tableau der übersinnlichen Mächte zu erweitern. "Eine dunkle Höhle. In der Mitte ein kochender Kessel. Blitz und Donner... nach und nach kommen Luftgeister herab."  Der vierte Akt spielt in einer öden Gegend an der Grenze zwischen Schottland und England. "In der Ferne der Wald von Birnam. Schottische Flüchtlinge, Männer, Frauen, Kinder." [44] 
 
 

10. Die Natur in der Kunst, insbesondere in der Musik der Romantik III; Wagners «Rheingold» , «Walküre», «Siegfried», «Götterdämmerung», «Tristan und Isolde», «die Meistersinger von Nürnberg» 

Joseph Mallord William Turner (1775-1851) war ein englischer Maler, Aquarellist und Zeichner. Er gilt als der bedeutendste bildende Künstler Englands in der Epoche der Romantik. Landschaften und Seestücke waren seine bevorzugten Themen, dem Licht und der Atmosphäre galt dabei sein besonderes Interesse. Seine Darstellungsweise ging bis zur Entmaterialisierung des Gegenständlichen; zudem machte er das Licht und die Farbe von Sonnenlicht, Feuer und Wasser in ganz neuartiger Weise zum eigentlichen Thema seiner Bilder. Durch diese Art der Malerei hat er einen ebenso wichtigen Beitrag zur Romantik geleistet wie die großen romantischen Komponisten.

Die Natur ist nur der äußere Ausdruck des Geistigen, was die Materialisten bis heute nicht einsehen wollen. Die Musik am Beginn von Wagners "Rheingold", das Rheingold-Motiv und das Werde-Motiv deuten hin auf das goldene Zeitalter. Nach dem Raub des Goldes durch Alberich ist ein neuer Weltzustand entstanden, sozusagen die makrokosmische Grundlage für alle kommende Individualisierung und Vorbedingung für die Mission Wotans. Der zweite Auftritt "Freie Gegend auf Bergeshöhen" führt uns musikalisch angededeutet durch das Wallhall-Motiv zur Welt der Götter. In seinem Prosaentwurf zum Nibelungendrama charakterisiert Wagner die besondere Aufgabe der Götter mit den Worten: "Die Absicht ihrer höheren Weltordnung ist sittliches Bewusstsein". Wotan hat sozusagen sich mit Loge den Widerpart selbst in seine Lichspäre hereingeholt, sich mit ihm verbunden und damit eine Gegenwelt erzeugt, die sich von der alten Zeit durch einen gewissen Grad von Eigenbewusstsein unterscheidet. In den enormen Wallhall-Klängen, mit denen Wotan das gelungene Werk preist, tönt uns dieses "Eigenbewusstsein" plastisch entgegen: "Vollendet das ewige Werk! / Auf Berges Gipfel / Die Götterburg, / Prächtig prahlt / Der prangende Bau! / Wie im Traume ich ihn trug / Wie mein Wille ihn wies, / Stark und schön / Steht er zur Schau: / Herer, herrlicher Bau!" Als Freya mit ihrer Götterspäre uneingeschränkt waltete, gab es sprießendes Leben aber kein waches, erwägendes Bewusstsein. Das wird durch das Freya-Motiv angedeutet. Die Riesen, die die Burg gebaut haben, wollen nun Freya als Lohn. Im dritten Auftritt "Unterirdische Kluft" soll den Riesen mit Loges Hilfe ein anderer Lohn verschafft werden. Durch die Schwefelkluft geht es mit Wotan und Loge in das Reich der Zwerge, erkennbar durch das "Schmide-Motiv" und "Tarnhelm-Motiv". Alberich verwandelt sich zuletzt in eine Kröte und wird eingefangen. Man kann auch sagen, hinter der Erscheinung des "Riesenwurms" und der "Kröte" steckt mehr als bloße Prahlsucht. "Sie offenbart eine polare Kräftewirksamkeit, die, in die Hand des Widersachers gegeben, die Harmonie der Schöpfung ins Groteske und Grausige verzerrt. In diesen beiden Prinzipien der Hypertrophie und Degeneration sah Goethe das eigentliche Wirken des Widergöttlichen in der Evolution." Die Musik bringt diesen "Entartungsprozess" zum Ausdruck. Im vierten Aufritt geht es zurück in die "Freie Gegend auf Bergeshöhen". Die Riesen erhalten das Gold als Lohn, Freya bleibt den Göttern erhalten. Nur den Ring hätte Wotan gerne behalten, wäre nicht Erda erschienen mit ihren berühmten Worten: "Weiche, Wotan, weiche! / flieh des Ringes Fluch!". Mit dem beeindruckenden Gewitter und Regenbogen, auf dem die Götter nach Wallhall einziehen, endet die Oper. Aus der Tiefe dringt der Klageruf der Rheintöchter an Wotans Ohr, "als Zeugnis dafür, dass die Wunde, die der alten Harmonie geschlagen wurde, verbunden, aber nicht geheilt ist. Denn der Sturz in den Egiosmus hat Natur und Kreatur, die ganze elementarische Welt mit sich gerissen, und ist eine vollzogene, nicht mehr rückgängig zu machende Weltentatsache." [45] 

Im ersten Aufzug der Walküre erklingt später das C-Dur des Schwertmotives, was Siegmunds Blick nach dem Stamm der Eche bannt. Seine Heldenmission: die Gewinnung des Schwertes aus dem Baumstamm der Esche; "oder des metaphorischen Bildes entkleidet: dei Herauslösung des Ich-Bewusstseins aus dem Stammbaum des Blutes." Auch in dem berühmten Lenzlied wird der Augenblick eines neuen Erdzeitalters offenbar. "Dem Frühlingshauch eines erwachenden Selbsterlebens mussten die alten, verbrauchten Winterkräfte eines morsch gewordenen Sippentums weichen." Im zweiten Aufzug ist ein "wildes Felsengebirge" zu sehen; "im Hintergrund zieht sich von unten her eine Schlucht herauf, die auf ein erhöhtes Felsjoch mündet." Es ertönt das Ritt-Motiv und der Walkürenruf. Und es wird klar, dass Wotan durch seine "Einweihungen" ein Wissen empfangen hat, das alle Bewusstseinhorizonte der übrigen Götter weit übersteigt. Man denke an Wotans Freundschaft mit Loge und vor allem an seine Verbindung mit Erda, jenem über der normalen Götterwelt ("Asenwelt") stehenden Bewussteins, dessen Urweisheit Wotan damit zufloss. So ist er der einzige unter den Asengöttern, dessen Blick Vergangenheit und Zukunft, im Rahmen seiner Mission, umgreift und "der den Sinn all der Widersprüchlichkeiten erkennt, die sich notwendig ergeben müssen. Denn er weiß, dass ohne Widersachermacht ein freies Selbstbewusstsein sich nicht bilden kann. Und er weiß auch, dass dies Folgen haben muss. Keiner der Götter kann die Überscahu mit ihm teilen. Nur ein Wesen ist ausersehen, ihm darin zu folgen: der freie, seiner göttlichen Ich-Kraft bewusst gewordener Mensch!" Im dritten Aufzug befinden wir uns auf  "Auf dem Gipfel eines Felsengebirges, rechts begrenzt ein Tannenwald die Szene. Links der Eingang einer Felshöhle, die einen natürlichen Saal bildet: darüber steigt der Fels zu seiner höchsten Spitze auf. Nach hinten ist die Aussicht gänzlich frei; höhere und niedere Felssteine bilden den Rand vor dem Abhange ... Einzelne Wolkenzüge jagen, wie vom Sturm getrieben, am Felsensaume vorbei." Die Walküren sind in voller Waffenrüstung. Man kann sagen, das Geschehen des dritten Aufzugs bringt in die Offenbarung, was geistig bereits entschieden ist. Der Walkürenruf dringt aus allen weiten eines kosmischen Umkreises an unser Ohr. Ein wildes Jauchzen elementarer Urgewalten, in denen die germanische Seele Wotan und sein jagendes Heer anwesend wusste, Schlachten lenkend, Siege erfechtend, Schicksal besiegelnd. "Natürlich ist das, was im Wind dahinsaust, was im Wasser dahinfließt oder zerstiebt, nicht nur das materielle Abbild, das der grobe Verstand sieht, es lebt eben in der manigfaltigsten Weise in Wasser, Luft und Feuer Ätherisches und Astrales der Engel. Die Elemente Wotans, eines Wesens der Erzengel-Hierarchie, waren vorzugsweise jene von Luft und Feuer." Wotans wahrer Wille verschmilzt mit Brünhildes Tat. Und wir erkennen am Ende der Oper, wie es wirklich sein "Herz-Stuck" ist, das sich hier von ihm löst. Und gerade diese Übereinstimmung beider Wesen zeigt uns, dass wir dieses Sich-Lösen nicht als eine Bestrafung, sondern als Opfer des Gottes aufzufassen haben. Bei Wotan handelt es sich nicht um einen Sinneswandel, sondern einem Durchdringen des Gottesbewusstseins zu klarer Erkenntnis um die Weltnotwendigkeit dieses Opfers. Musikalisch werden diese Ereignisse in der großartigen Schluss-Symphonie zum Ausdruck gebracht, mit dem Schlummer- (Waberlohe-) Motiv, dem Schlaf-Motiv und dem Feuerzauber-Motiv.  [46] 

Das Vorspiel des zweite Aufzugs des "Siegfried" beginnt mit einer der schwärzesten Harmonien des Quintenkreises, f-moll. In ihr baut sich, drohend-unheimlich, die Welt Fafners und Alberichs vor uns auf. "Damit sehen wir uns an die Urkräfte jener Vernichtungsgewalten herangeführt, die abgrundtief in der Seele verborgen drohen. Es sind Kräfte ungehemmter Gier nach Macht und Beseitz -, schrankenloser Egoismus." Im Drama tritt er uns in der Gestalt des zum "Drachen" verwandelten Fafner entgegen. In der Regieanweisung heisst es: "Tiefer Wald, ganz im Hintergrund die Öffnung einer Höhle... Links gewahrt man durch Waldbäume eine zerklüftete Felswand. Finstere Nacht." Als Gegenpol haben wir die Welt des Siegfried und das berühmte Waldvogel-Motiv. "Das in ätherische Lichthöhen sich emporrankende Freya-Motiv gibt der Harmonie ihr Dur-Licht wieder." Der Wald beginnt zu rauschen und schwillt zu geheimnisvollem Weben, aus dessen wiegenden Rhythmen sich der Gesang des "Waldvogels" immer deutlicher heraushebt. "Die Hauptmotivik dieses Waldvogel-Themas aber ist das zu Sechzehntel-Gängen beschleunigte Lebenslust-Motiv Siegfrieds. Aus seinen absteigenden Quartfolgen erst bildet sich nach und nach der eigentliche Vogelruf heraus." Hier bestätigt sich Wagners Wort, dass wir auf der Bühne sehen und dadurch erkennen sollen, was uns aus der Musik entgegentönt. "Die Gleichsetzung des Vogelrufes mit Siegfrieds Lebenslust-Motiv fordert auf, den Ruf des Waldvogels und Siegfrieds so lenbensfroh gestimmte Seele als ein Zusammengehöriges zu schauen: Der Blick hinaus in die Natur ist gleichzeitig ein Blick in die eigene Seele." Gegen Fafner kämpfend, weiß Siegfried nicht, dass er diesen Drachen, den er als Weltenkraft "außen" besiegt, auch in seinen Seelengründen trägt. Der Kampf muss im Sinne des Kampfes Michaels verstanden werden, d.h. als ein makrokosmischer Kampf der göttlichen Licht-Sphäre wider die Geister der Finsternis. Im dritten Aufzug zeigt sich eine Wilde Gegend am Fuße eines Felsenberges. "Nacht, Sturm und Wetter, Blitz und heftiger Donner, der schließlich nachlässt, während Blitze noch längere Zeit die Wolken durchkreuzen." Mit den jagenden Rhythmen des Ritt-Motives und den unisonen Oktavgängen des Götternot-Themas hebt das Vorspiel zum dritten Akt an. Erda wird gerufen, aber es liegt im Wesen jeder Zeitenwende, wo Altes zerbricht und Neues langsam sich bildet, dass es "wirr und kraus" die Welt durchrüttelt und sie in ein Chaos zu stürzen droht. "Allein wie ließe sich Freiheit im voraus bestimmen? Was sich dem Zwang der Welt entzieht, kann nicht in das Rad der Notwendigkeit gezwungen werden. Die schöpferische Wachheit dieses Freiheitselementes entzieht sich daher auch dem träumenden Sinnen Erdas." Am Ende der Oper wird durch die Musik deutlich (z.B. durch die Friedensmelodie), wie Brünhilde zum Tor für eine höhere Gotteskraft wird, als es die Asen-Welt bedeutet. Sogar Augustinus hatte betont, dass Christus schon vor dem eigentlichen Christentum existierte. Wagner hat zu diesem Thema die Opern Tannhäuser, Lohengrin und Parsifal geschrieben. [47] 

Der erste Aufzug der "Götterdämmerung" beginnt nach dem Auftritt der Nornen mit einer in Töne gesetzten Morgenröte. Gleichzeitig dämmert auch der neue Weltentag herauf. Dass wir dieses "Tagesgraun" tatsächlich als das aufleuchten einer "kosmischen Morgenröte" zu verstehen haben und nicht nur als Tongemälde eines irdischen Sonnenaufgangs, können wir der Motivik ablauschen. "Eine zarte Cello-Kantilene leitet das Weichen der alten Welten-Nacht ein. Ihr Melos ist aus dem Regenbogen-Motiv des Rheingold-Schlusses gewoben und zeigt am Ende eine deutliche Verflechtung mit dem Siegfried-Motiv." Auch Siegfrieds berühmte "Rheinfahrt" bedeutet für den inneren Vorgang des Dramas mehr als Abschluss des Vorspiels und Überleitung zum ersten Aufzug. "Sie hat eine mythische Funktion zu erfüllen, die man gleichnishaft als ein Geburtsgeschehen bezeichnen könnte." Die Musik beginnt mit Es-Dur und A-Dur in Erinnerung an die Heldenthematik und Fahrtenlust. Später trübt sich die Klarheit der Harmonie. Die Modulation leitet nach Ces-Moll über, in dessen "Verwechslung mit h-Moll" sich "das Trügerische der ganzen Gibichungenmusik erfühlen lässt." Und dieses "Trügerische" liegt tief verwurzelt in der schon korrumpierten irdischen Leiblichkeit. Der Abschluss der "Rheinfahrt" in h-Moll lassen dieses "Hineinsteigen" in die irdische Leiblichkeit musikalisch erkennen. Waltrautes Bitte an Brünhilde in der dritten Szene, sie möge den Rheintöchtern den "Ring" zurückgeben, wäre ein "kosmischer Anachronismus", denn das hieße Rückgängigmachung alles dessen, was Sinn und Ziel der ganzen Kosmogonie war: die Ich-Werdung des Menschen. Auch die Welt Wotans und Wallhalls macht eine Entwicklung durch. Ihr Untergang, die  "Götterdämmerung" ist in diesem übergeordneten Weltzusammenhang als der Fortschritt zu erkennen hin zum Christentum. "Nur durch die Liebe kann in ferner Zukunft die Harmonie zum 'Umkreis' wieder hergestellt werden. Doch das ist die Mission Parsifals." Der zweite Aufzug beginnt mit einer wenig romantischen Nacht, nämlich mit einer dämonischen Einflüsterung ("Mordwerk-Motiv"). Alberichs schwarze Inspiration tritt bei Hagen jedoch offen Türen ein. Hagen; hier zeigt sich die Ähnlichkeit zwischen Kingsor im Parsifal und Hagen. In sorgloser Heiterkeit wird der dritte Aufzug eröffnet: "Wildes Wald- und Felsental am Rhein, der im Hintergrund an einem steilen Abhange vorbeifließt." Das Erscheinen der Rheintöchter nringt eine neue Motivik, die den ganzen ersten Teil der Szene beherrscht. Mit diesem Rheintöchter-Melos ist uns ein "Hinweis auf den gemeinsamen ätherischen Sphärenbereich"  gegeben, der "Undinen und Sylphen" umfasst. Rückblickend erhält die Einleitungsmusik moch einen tieferen Gehalt. "Mit dem Weckruf der Jugend beginnend, der ihn einst schon hineingeführt hatte in jene ätherische Bilde-Kräfte-Welt, zeigt sie uns Siegfrieds Weg erneut zurück in jene Sphäre des schaffenden Lebens", der nature naturans. Die Musik nach Siegfrieds und später die nach Brünhildes Tod sagt mehr als alle Worte. Nur soviel: es wird etwas "Neues entstehen, etwas, das der Schöpfung erwachsen wird neben der Welt der Götter, der Elementarwesen, der Riesen- und Zwergenwelt: die Hierarchie Mensch, in der das Irdisch-Geschöpfliche in unauflöslicher Verbundenheit mit seinem Geist-Teil durch die ewige Liebe vereint ist." [48]

Es ist nicht nur die Kirchen-Musik seit Palästrina, Monteverdi, Bach, Mozart, Beethoven Träger des Christlichen, sondern die Musik schlechthin hat in sich das "Christliche" aufgenommen. "Wie unter der römischen Universal-Zivilisation das Christentum hervortrat, so bricht jetzt aus dem Chaos der modernen Zivilisation die Musik hervor. Beide sagen aus: 'Unser Reich ist nicht von dieser Welt'. Das heißt eben: Wir kommen von innen, ihr von außen; wir entstammen dem Wesen, ihr dem Scheine der Dinge... Der Geist des Christentums war es, der die Seele der Musik neu wieder belebte." (Wagner) Richard Wagner hat die Geschichte von Gottfried von Strassburg in seinem Musikdrama "Tristan und Isolde" in Musik gefasst, so dass das Drama auch für die heutige Zeit aktuell bleibt. Er sah im Tristan-Drama "einen Ergänzungsakt des großen, ein ganzes Weltverhältnis umfassenden Nibelungenmythos." Das Drama bzw. der Mythos zeigt auch dieses Herauswachsen der neuen Persönlichkeitsbewussten Marke-Kultur aus dem alten Kollektiv-Bewusstsein in dem Abhängigkeitsverhältnis der neuen gegenüber der alten Kulturauf: Cornwall ist Irland tributpflichtig. Aber mit dem fortschreitenden Erstarken der neuen Bewusstseinskräfte, deren hervorragendster Vertreter und Wegbereiter eben Tristan war, lehnte sich die neue Welt notwendigerweise gegen die alte auf. Ein altes Bewusstsein bekämpften auch Odysseus und Achileus, als sie gegen Troja zogen, oder Alexander, als er Kleinasien und Persien eroberte. Cornwall verweigert den Tribut, Tristan zieht siegreich gegen Morold zu Feld; der "Abnabelungsprozess" vom alten, magischen Bewusstseinszustand ist vollendet. Kurwenal ruft: "Hei! unser Held Tristan! Wie der Zins zahlen kann!" Das reflektierende Bewusstsein vom Ich ist hier schon weit stärker ausgeprägt als bei Siegfried beispielsweise. Tristans Kampf mit Morold bedeutet gleichzeitig ein übermächtiges Heraufschlagen dieses alten Bewusstseins, ähnlich wie der Kampf des Christentum gegen den Islam mit der Devise der Erneuerung des alten orientalischen Zustands. Isolde verliebt sich in Tristan: "Er sah mit in die Augen..." Was vollzieht sich in diesem Augenblick? Dieses Ahnen um den Einzug kosmischer Liebeskräfte in das Innerste der Seele wandelt auch den weiten, noch ungeformten Seelengrund ihres eigenen Wesens. Was bisher altes Seelenerbe war, wird zu "Herzenskräften, die unzertrennlich mit Isoldes eigenem Wesen verbunden sind."  Sie singt: "Er schwur mit tausednd Eiden / Mir ew'gen Dank und Treue!"  Auch in der Harmonie liegen offenbare Geheimnisse, nämlich wenn eine As-Dur-Kadenz auftritt; sie ist für Wagner immer der Ausdruck des Jungfräulichen, des Unirdischen. Das bezeugt die Verwendung dieser Tonart zur Charakterisierung des Wesens von Elisabeth, von Elsa, oder Eva Pogner in den "Meistersingern". Es ist die Seelenhaltung der Devotion, der Hinneigung zum wahrhaft Göttlichen. Im dritten Akt kommen wir zum Herz des Werkes und Tristans Vision. Die Ich-Werdung ist an ein Ende gekommen. Nur eine aus innerster Freiheit heraus wirkende Kraft, die unberührt blieb von allen bisherigen Wirkenskräften der Evolution wie sie vor allem bei Muslimen durch ihre luziferische Gottheit gefördert wird - , könnte dieses Wunder bewirken. Und um dieses Wunder geht es Wagner, der damit das Drama Gottfried von Strassburgs auf eine höhere Ebene hebt. Von Kurwenal ist die Heilerin längst gerufen. In einer an Schönheit und Weihe nicht zu übertreffenden Vollendung hat Wagner jene Vision Tristans gestaltet, die ihm das Nahen Isoldes offenbart. "Musikalisch ist sie wohl das höchste, was Wagner an apollinisch schönen Klängen hervorgezaubert hat. Kein Mensch kann ungerührt diesen überirdischen Tönen lauschen." Diese Stelle lässt zum erstenmal in dem Werk ein E-Dur erklingen: "Wie sie selig, / Hehr und milde / Wandelt durch / Des Meer's Gefilde? / Auf wonnigen Blumen / Lichten Wogen / Kommt sie sanft / Ans Land gezogen." Hier setzt die Vision Tristans ein, in der Isolde ganz körperlos schwebend herannaht, rein nur Idee, da hören wir auf längere Zeit das herrliche E-Dur erklingen. "Ich schreibe die unsagbar ruhevolle Wirkung dieser Stelle hauptsächlich dem Umstande zu, dass unser Ohr drei Stunden lang das E-Dur umspielen gehört und damit erwartet hatte, und jetzt erst - endlich! - die ersehnte, wahrhaft auflösende, erlösende Tonart wahrnimmt." Als einzigen Aufklingen der Tonika darf man dieses Erscheinen der "erlösenden Tonart" wohl als das Herz des Werkes bezeichnen. Auch "für den Quintenkreis ist diese, im Zeichen des Löwen stehende Tonart, das Herz. In allen Meisterwerken ist es die Verkünderin der wahren, dem Göttlichen verbundenen Liebe." Wenn uns also jetzt plötzlich apollinische Klänge umgeben, dann kann das nur so verstanden werden, dass wir durch die Katharsis geschritten sind, die uns ermöglicht, das verlorene apollinische Sonnenreich wieder zu gewinnen. In bezug auf die Philosophie der Geschichte bzw. Entwicklung der Menschheit spricht man von Christus als dem "dritten Dionysos", der dieses Wiedervereinen mit dem apollinischen Lichtreich bringen wird. Von Christus als dem wahren Ich, der die Versöhnung beider Naturen herbeiführen wird und damit den Durst des Ich für immer stillen wird, indem er uns den Trank reicht, der den Zwiespalt von Liebe und Tod überwunden hat. Isolde, die als Heilerin naht, wird zum "Tor für die Christuskraft". Bei Gottfried von Strassburg hatte Tristan ihr neben Kunst und Harfenspiel auch Philosophie, die christliche Scholastik und Wissenschaft beigebracht. Wie Faust bei seinem Himmelsanstieg durch das "Ewig-Weibliche" der Christussphäre entgegengeht, so naht sich dem Helden durch die ewig-weibliche Seelennatur der wahre Heiler seiner Wunde. Dargestellt in einer Oboenkantilene, "einer der süssesten Eingebungen in der ganzen Musikliteratur! - wie eine geläuterte Seele aus der Asche aufsteigt." Was ist geläutert? Der furchbare Schmerz, der Tristan aus seiner Erkenntnis wurde, war für ihn wie ein Nach-Tod-Erlebnis, in dem alles selbstische Verlangen verbrannte; "und wie ein Phönix ersteht ihm durch die Christus-Nähe in seiner Vision die reine Liebe, die wohl Selbstheit, doch keine Selbstsucht kennt."  [49]

Die große Oper des Sommernachtstraumes, "die Meistersinger von Nürnberg" darf natürlich nicht fehlen. Wir hatten ja schon angedeutet, dass alles, was Natur, Naturerscheinung ist, eigentlich nur die äußere Hülle des Göttlichen ist, also Natur quasi als Offenbarung des Kosmos an die Menschen. Im zweiten Aufzug wird schon gesungen: "Johannistag! Johannistag! / Blumen und Bänder so viel man mag!" Später tritt Hans Sach auf und singt den berühmten Fliedermonolog. "Zarte duftend-tönende Hörnerklänge öffnen uns das Tor zu diesem Sommernachtstrau (Flieder-Motiv). Der Fliederduft ist aus den Terzen förmlich zu atmen." Dieser innige Hörnerklang, von leisen Geigentremolo umschwirrt, ist gleichzeitig aush ein tiefempfundener Nachklang von Walters Frühlings-Melos, das in der Seele Sachsenes wie in einer verklärten Urbildlichkeit aufleuchtet. Die symphonische Dichtung am Beginn des dritten Aufzugs zählt zu den klangschönsten und ergreifendsten Orchestersätzen und rückt die Meistersinger in die Nähe des Parsifal. "Von der Welten-Nacht kündete der Tristan. Vom Erden-Tag erzählen die Meistersinger. Die Nacht, das Todesdunkel ist überwunden. Das heißt auf menschliche Ebene gehoben: 'Ändert euren Sinn, die Reiche des Himmels sind herbeigekommen!' Das war der Ruf des Wegbereiters am Jordan. 'Wach auf! Es nahet gen den Tag', klingt die Botschaft der 'Meistersinger' ... So werden die 'Meistersinger'. zum Wegbereiter für den 'Parsifal'." Im Wahnmonolog geht Sachs der Frage nach, ob Wahn immer Verblendung sein muss "oder spricht sich durch ihn eine höhere Wirksamkeit aus, die nicht unbedingt in Verblendung führen müsste, wenn sie in der rechten Weise vom Bewusstsein des Menschen ergriffen würde? Diese Frage drängt sich uns durch die Tatsache auf, dass nach dem in mahnendem Posaunenklang ertönenden Wahn-Motiv plötzlich das Thema des Lenz-Gebotes im Orchster aufklingt. Dieses Thema war im Flieder-Monolog Ausdruck eines Kosmisch-Übermenschlichen, ein Frühlings-Melos, befreit von Leidenschaft und Überschwang und damit ach frei von allen trübenden Wahngebilden. Aus leisen Hörnerklängen, die schon als reines Tonerlebnis wie eine zu Klang gewordene Freya-Welt anmuten können, erhebt sich das Thema und steigt höher und höher empor in immer unbezwinglicherem Drängen, während Sachs weiter von der Wahn-Blindheit des menschlichen Bewusstseins spricht." Die Philosophie im Sinne von Wagner und Sachs hat Hand Pfizner so ausgedrückt: "Das Beglückende, Interessante, Wertvolle, Reizvolle aller musikalischen Gestaltung besteht letzten Endes darin, dass ein Einfall den andern gebiert; sozusagen ein Haupteinfall die andern aus sich heraustreibt, deren organische Zusammengehörigkeit dadurch gewährleistet wird." Während der Johannizeit ist der Mensch stark mit der Natur verbunden, aber gerade dann muss auch das objektiv geistige gesucht werden. Dieses Suchen des objektiv Geistigen versinnbildlicht die Taufe, die Wagner hier einen "Hans" an der "Pegnitz" vollziehen lässt, was im menschheitlichen Zusammenhang einst der "Christ's Vorlaufer" am Jordan tat. Am Ende der Oper wendet sich Sachs gegen eine östliche und westliche Pseudokultur, die das wahre Wesen der der Kunst verzerren und verderben; er nennt es der "welsche Dunst und Tand". Es ist als ein flammender Apell an Mitteleuropa zu verstehen, es möge seine Aufgabe erkennen und sich nicht verlieren. [50] 
 

11. Die Natur in der Musik der Romantik IV; Richard Wagners «Tannhäuser», «Lohengrin», «Parsifal»

Hinter der höfischen Kultur und der Gotik spielte sich ein Geisteskampf ab, der um die Seele des Abendlands entbrannt war. Der Islam hatte Spanien erobert, und schob sich über Sizilien und Süditalien, wo sich der Staufenkaiser Friedrich II. stark mit ihm verband, immer mächtiger in die europäische Welt hinein. In den Chroniken des 13. Jahrhunderts und in der Legende der heiligen Elisabeth von Thüringen wird der Sängerkrieg als ein historisches Ereignis behandelt und auf die Jahre 1206 und 1207 datiert. Auf dem Sängerwettstreit hat der Kampf gegen den Arabismus begonnen. Mit dem Erwachen der starken intellektuellen Kräfte geht Hand in Hand die Entfesselung der niederen Minne. Es ist besonders tiefsinnig, dass gerade aus dem gleichen Lande, aus dem der schwarze Magier Klingsor herbeigeholt wird, auch die grosse Heilige (Elisabeth) kommt. Als Magier hat Klingsor seinen Wettstreit zu führen gesucht. Er ist in die schwarze Kunst eingeweiht. "Zu Paris, so hören wir, fand er eine gute Schule; zu Konstantinopel lernte er, aber auch in Bagdad und Babylon war er drei Jahre in Mohammeds Diensten." Gerade der Minnegesang und die ritterliche Epik seiner Zeit waren vom Ungeist der niederen Minne bedroht. "Wie hätte er, neben allen Bewunderern, nicht Feindschaft finden sollen? Sogar ein Gottfried von Straßburg, der in seiner Tristandichtung wohl die Welt der "edlen Herzen" zu verherrlichen wusste, aber die Seelen nicht aus dem Minnezwang heraus zur Befreiung des Herzens hinzuleiten verstand, mischte sich unter die Gegner Wolframs. Er verhöhnte ihn als einen "Erfinder wilder Mären.... Wolfram entlarvt die Sternenweisheit, die arabischen Geistes ist und die Seelen in Unfreiheit bannt." Mit seinem "Lied an den Abendstern" verherrlicht er das Wunder der Venus Urania, der Himmelsliebe, deren Trägerin Elisabeth auf Erden gewesen ist. Verstrickt sich Heinrich von Ofterdingen (bei Wagner Tannhäuser genannt) in ein Gefühls- und Gedankenwirrwarr, kündet Wolfram den Gralsweg. Der Islam hatte damals eine Wissenschaft, aber sie, insbesondere die Sternenkunde, wusste nichts von der Freiheit und dem Wert der einzelnen Menschenseele. Sie kannte wohl Allah, einen Luzifer-Götzen, aber nicht den göttlichen Sohn, der die Menschheit zur Freiheit berufen hatte. Wolfram entlarvt die Sternenweisheit, die islamisch-arabischen Geistes ist und die Seelen in Unfreiheit bannt. [51]

Richard Wagner hat in seiner Lohengrindichtung dem Grafen Telramund die Gestalt der Ortrud zugesellt als Trägerin des heidnischen Zauberwesens; sie ruft noch die alten Götter an, um  - ähnlich wie der islamische Klingsor - den Kampf gegen die Gralskräfte aufzunehmen. Durch Wagners "Romantische Oper" ist die strahlende Gestalt des Gralsgesandten weithin bekannt geworden. Wagner schreibt an Liszt zur Figur der Gegenspielerin Ortrud: "Sie möchte die Welt und die Natur ausrotten, nur um ihren vermoderten Göttern wieder Leben zu schaffen." Sie ist damit auch die Antagonistin der Gralsritter, die das Christentum gegen den Islam bzw. heidnische Horden aus dem Osten verteidigen. Lohengrin weissagt dem König zum Schluss einen Sieg gegen die Horden aus dem Osten: "Nach Deutschland sollen noch in fernen Tagen / des Ostens Horden siegreich nimmer ziehn!". Auch Etzel, der grosse Hunnenkönig Attila, ist eine über die Jahrhunderte hinaus wirkende Sagengestalt. "Er, der den Bestand des christlichen Abendlandes mit seinen Heerzügen auf das äusserste bedroht hatte, wurde noch immer hinter all dem wirkend empfunden, was bis in spätere Zeiten hinein mit den Einfällen der Ungarn die mitteleuropäische Kultur beunruhigte. Parzival aber und seine über den Tod hinaus wirkende Gegenwart in der Sendung Lohengrins steht als der Garant für das Schicksal des christlichen Abendlandes da. Dieses darf aus dem Reiche der Toten Führung und Schutz erwarten. Die Hüter des Grals sind die mächtigen Beschirmer der christlichen Sendung Europas. Wenn um die Mitte des 13. Jahrhunderts die Lohengrin-Sage volkstümlich gemacht wird, so kann damit eine unmittelbare Parallele zwischen den Hunnen- und Ungarnzügen früherer Jahrhunderte und dem Tatarensturm der Gegenwart empfunden werden. 1241 hatte sich die christliche Ritterschaft Schlesiens dem Ansturm des großen Mongolenheeres entgegengestellt. Sie war dabei in der Schlacht von Liegnitz völlig aufgeopfert worden, aber das Mongolenheer zog sich zurück." Ein rätselhafter Vorgang, hinter dem man das Walten unsichtbarer Mächte zu spüren glaubte. Verdi hat dies eindrucksvoll vertont in seiner Oper "Attila". Die Lohengrin-Dichtung mit ihren ausführlichen Schilderungen der Heldenkämpfe gegen die Ungarn und Sarazenen bzw. Muslime konnte ermutigend wirken für die Ritterschaft, "deren heilige Aufgabe es war, den Schild über die christliche Kultur des Abendlandes zu halten." [52]

Bereits im "Tristan und Isolde" wurde an manchen Stellen die Tonart As-Dur verwendet; ihre spezifische Verwendung bei Richard Wagner dient der Charakterisierung des Überirdischen und Jungfräulichen, der Hinwendung zum Göttlichen. Im Parsifal wird sie zur Haupt- und Grundtonart. Es kommt auf eine bestimmte Seelenhaltung in bestimmten Situationen an. "Immer dort, wo ihre Seele sich gleichsam zur 'Schale', zum 'Kelch' formt, um ein Höheres, Geistiges zu empfangen - man denke an Elsas Traumerzählung, an die Nachtwache im 'Tristan' oder an die 'Geistberührung', die Evchen durch Sachs empfängt -, ertönt diese Harmonie... Im Parsifal-Vorspiel liegt das Zu-Empfangende im geistigen Gehalt des Liebesmahlspruches." Und das Erklingen der As-Dur-Harmonie nach diesem Wort aus der Höhe kündet von Christus, dem "zentralen Mittelpunktsereignis der ganzen Weltschöpfung". Beim Glaubens-Thema geht es nicht darum, etwas blind zu glauben, wie es von heutigen Klerikern oft gefordert wird, sondern um höchste Erkenntnis. "In diesem Sinne gibt Wagner dem Thema auch eine zweifache Ausdrucksform: ein Weben, das die zartesten Keime der Seele in ätherischen Lichteshöhen zum Erblühen bringt, und gleichzeitig als eine in die Tiefen steigende und in mächtigen Akkorden gefügte Klangarchitektur, aus der man ein durchchristetes Wallhall-Thema heraushören könnte." Im ersten Akt hört man das erste zarte Erklingen eines "makrokosmischen Christuserlebens", das dieser Stelle ihren einmaligen Zauber verleiht; der erste Niederschlag jenes Karfreitagserlebnisses in Wagners Seele. Die Waldes-Melodie, die so unser Herz berührt, "offenbart sich bei genauerem Hinhören als eine Umgestaltung, fast könnte man sagen: Metamorphose des Schmerzens-Motives aus dem Liebesmahlspruch. Wie in der 'wilden Schmerzensnacht' die menschliche Seele webt auch draußen in der Natur die Christusspäre." Auch das Zauber- oder Verführungsmotiv erklingt hier zum ersten Mal. Es wird harmonisch von einem Akkord getragen, den man mit gutem Grund einen "mystischen Akkord" nennt. In seiner Intervallstruktur ist er gestaltgleich mit dem Tristan-Akkord. Das Klingsor-Motiv allerdings erklingt als ein neues Thema. "Die diesem Motiv zugrunde liegenden Harmonien haben etwas Teuflisches; denn jedesmal vor dem Harmoniewechsel ist der Grundton der zu verlassenden Harmonie in eine gänzlich irrationale verminderte (tiefalterierte) Sept umzudeuten, damit die folgende Mollterz entstehen kann." Vom geistig-qualitativen Ton-Erlebnis her betrachtet, bedeuten diese "problematischen Umdeutungen" in Wahrheit einen Missbrauch der Enharmonik. Denn es geht hier nicht um echte Verwandlung, sondern um verwirrende, trügerische Verwechslung, durch die harmonische Sphären beziehungslos nebeneinandergestellt werden. Damit aber charakterisiert dieses Thema die Klingsor-Gestalt, die bei Wagner den abstrakten Arabismus bzw. Islam symbolisiert und der zusammen mit dem mohammedanischen Allah, der eigentliche Luzifer, mit "seinen bösen Künsten" im Mittelalter die Gralsritter bekämpfte. Alberichs Fluch und das Klingsor-Motiv stehen beide in b-Moll. Allerdings liegt zwischen beiden ein gewaltiger Unterschied. Was im "Ring" unverrückbare Notwendigkeit war, Weltenschicksal, dem Siegfried nicht entgehen konnte, wird hier zu einer Tat des Menschen, der keine Zwangsläufigkeit innewohnt. Jeder kann sich heute frei entscheiden, ob er als Gralsritter für das Christentum streitet oder ob er sich von islamischen "Geistlichen" einlullen lässt und mit Klingsor gegen das Christentum kämpft. Die Wiedergewinnung des Speers heißt ja, dass sich das Ich aus der Scheinwelt der Sinne und des islamischen Truges befreit, die Egoität überwindet und sich seiner wahren Wesensnatur gemäß verwirklicht. Klingsors Macht ist letztlich die Ohnmacht der Ritterschaft, so wie die christlichen Würdenträger heute nur noch damit beschäftigt sind Missbrachsfälle aufzuklären und zumindest in Europa so ohnmächtig sind, dass sie dem Islamismus nichts entgegenzusetzen haben. Parsifals Weg führt ihn in den Umkreis der Gralsburg, in den "heiligen Hain", der von makrokosmischen Christuskräften erfüllt ist, wie uns das Thema der "Waldesmorgenpracht" offenbart. Zur berühmten Verwandlungsszene sagt Wagner selbst: "In diesem Interess hatte die Vorüberführung einer wandelnden Szene durchaus nicht als, wenn auch noch so künstlerisch ausgeführter, dekorativ-malerischer Effekt zu wirken, sondern, unter der Einwirkung der die Verwandlung begleitenden Musik, sollten wir, wie in träumerischer Entrückung, eben nur unmerklich die 'pfadlosen' Wege zur Gralsburg geleitet werden, womit zugleich die sagenhafte Unauffindbarkeit derselben für Unberufene in das Gebiet der dramatischen Vorstellung gezogen war." [53]

Das Bühnenbild im zweiten Aufzug zeigt Klingsors Schloss. Die Neuinszenierung des Parsifal 2023 in Bayreuth von Jay Scheib ist mit Ausnahme der "augmented Reality" recht gut gelungen, was natürlich auch an StarsängerInnen wie Elina Garanca als Kundry, Georg Zeppenfeld als Gurnemanz und Pablo Heras-Casado als Dirigent liegt. Die Regie lässt Klingsor quasi als Zuhälter mit einer Horde von Prostituierten in einem von Muslim-Clans dominierten Stadtteil erscheinen, in dem die Männer ihre Frauen nur verschleiert herum laufen lassen. Kundry trägt anfangs ein islamisches Kopftuch, schliesslich ist sie ja Muslimin, die erst später von Parsifal getauft wird, als das Reich des Zuhälters Klingssor längst zusammengebrochen ist. Auch Uwe Eric Laufenberg mit seiner Neuinszenierung des Parsival 2016 hatte den zweiten Akt durchaus so inszeniert wie es Wagner in den späteren Angaben über den Zaubergarten Klingsors vorgesehen hatte: Die Architektur solle man sich "im arabischen Stil" vorstellen. Bei Wagner heisst es im zweiten Akt wörtlich: "Tropische Vegetation, üppigste Blumenpracht; nach dem Hintergrunde zu Abgrenzung durch die Zinne der Burgmauer, an welche sich seitwärts Vorsprünge des Schlossbaues selbst, arabischen reichen Stiles, mit Terrassen anlehnen... Von allen Seiten her, zuerst aus dem Garten, dann aus dem Palaste, stürzen wirr durcheinander, einzeln, dann zugleich immer mehr schöne Mädchen herein; sie sind mit flüchtig übergeworfenen, zartfarbenen Schleiern verhüllt". Laufenberg hat konsequenterweise die Blumenmädchen erst ganzkörperverschleiert und dann in Bauchtänzerinnen verwandelt. Die islamische Welt wird mit der des Klingsor, also der Welt des Widersachers und Antichristen assoziiert. Parsifal tritt mit moderner Kampfausrüstung auf die Bühne - vor allem im Kampf gegen antichristliche Bestrebungen im Islam. Dennoch geht es auch um "Erlösung dem Erlöser", das heisst Rettung des wahren Christentums aus den Händen des konfessionellen Christentums. Diese Inszenierung kam beim Publikum gut an, nicht zuletzt auch wegen der Sänger Klaus Florian Vogt als Parsifal, Georg Zeppenfeld als Gurnemanz, Elena Pankratova als Kundry sowie den Blumenmädchen. Auch 2017 war wieder ein Erfolg. Wie 2016 siedelt der Regisseur Uwe Eric Laufenberg die Gralsritter im muslimischen Kriegsgebiet an. Der Gegenspieler der Gralsritter und des Parsifal ist Klingsor; "er herrscht über ein orientalisches Lustbad und sammelt Kruzifixe als phallische Trophäen." Parsifal zerbricht Klingsors Speer und hält ihm das Kreuz entgegen, als banne er eine finstere Macht, nämlich Klingsors oder Mohammeds finstere Welt des Islam. Wenn Parsifal Klingsors Lustgarten zum Einsturz bringt, steht das für das Einstürzen des Zentrums der finsteren Macht, des "gewaltigen dogmatisch-kitschigen Erinnerungsbusiness" in Mekka. Auch Wagners Götterdämmerung kann man als Untergang der alten Götterwelt, inkl. der des Islams ("Allah-Dämmerung"), bezeichnen. Klingsor tritt als eine Art Zuhälter auf, die Blumenmädchen, insbesondere Kundry sind seine Haremsdamen. In Kundry wird die "widergöttliche Dämonie dann ins Menschliche heruntergetragen", sie stellt "diese namenlose von Luzifer ergriffene und korrumpierte Welt des Geschöpfseins" dar. Ähnlich wie Hagen aus der Götterdämmerung hasst Klingsor die "Frohen", wie Alberich wird er zum Widerpart alles Lichten, wird ebenfalls zum Repräsentanten eines teuflischen, also "ahrimanischen Prinzips". [54]

In der Blumenmädchenszene wird das Kose-Motiv in As-Dur gespielt und weist auf den nicht zu übersehenden Zusammenhang, der zwischen den von der sprossenden Natur ausstrahlenden Wirkung und jenen des Heiligen Grales besteht. "In beiden Fällen haben wir es mit ätherischen Lebenskräften zu tun. Und die Musik offenbart uns, was in den Gralsmysterien immer gewusst wurde: dass hinter den Lebenskräften der Natur und jenen des Heiligen Grales dieselbe Göttlichkeit steht: der 'Lebensgeist' des zweiten Paradiesbaumes, der in vorchristlicher Zeit als paradiesischer Nachklang in den Wirkenskräften der Göttin Freya verehrt wurde, durch die Menschwerdung Christi aber zur Erde gebracht, nunmehr dem Heiligen Gral entströmt." Kundry, die Parsifal verführen soll, bringt ihn zur Selbsterkenntnis und spricht dies auch aus: "Bekenntnis / Wird Schuld in Reue enden, / Erkenntnis / In Sinn die Torheit wenden." Musikalisch gesprochen, läuft es auf den "mystischen Akkord" hin, dem eigentlichen Ziel der ganzen bisherigen Entwicklung. "Der 'mystische Akkord' entspricht in seiner musikalischen Stellung und Lage genau dem 'Tristan-Akkord', wie er gleich zu Beginn des Vorspieles zum Tristan-Drama erklingt. Was in Parsifals Seele gleichzeitig entbunden wird, ist also die ganze Leidens- und Sehnsuchtswelt Tristans." Die Erfüllung dieses Sehnens ist nur möglich, wenn das Ich sich von der alten Götterwelt, zu der auch der Islam zählt, bzw. dem Atheismus abwendet um ein höheres Dasein zu gewinnen. "Diese Wahrheit hat Wagner während der Arbeit an den 'Meistersingern' gefunden. Im 'Parsifal' wird sie Nachvollzug der Erlösungstat von Golgatha." Die dritte Stufe seiner Erkenntnisleiter erhellt sich ihm nicht durch den Muezzinruf, wie die Kölner Kultubanausin und Oberbürgermeisterin uns glauben machen will, sondern der "Weckruf des Grals-Themas, von Trompeten und Posaunen feierlich intoniert, führt ihn der göttlichen Welt entgegen." Ihm wird bewusst, dass der "Speer in Klingsors Hand" nicht bleiben darf. Erst das vom Atheismus oder Islam befreite Ich, d.h. "der aus der Fessel Kligsors entwundene Speer" ist das wahre Ich. Deshalb ist Parsifals Erkenntnis so wichtig, dass die Wiedergewinnung des "Speeres" nicht Niederzwingung oder Eliminierung jener Kundry-Natur bedeuten kann, sondern deren Verwandlung, wie der Islam nur dazu da ist, die Muslime und Atheisten zu motivieren, sich zu Christen zu verwandeln. Es ist also nicht abwegig den Islam mit Allah, dem Widersacher oder "Klingsor als Vollstrecker eines heiligen Willens zu erkennen." Musikalisch wird dieser Zusammenhang von drei tremolierten "mystischen Akkorden" getragen, die über einen Orgelpunkt chromatisch in die Tiefe sinken. "Christus - das Urbild dieses hohen Ich - zwingt nicht; er lässt den Menschen frei, auch wenn diese Freiheit ein Entfallen aus seiner eigenen Wesenssphäre bedeutet. Der Christus-Sphäre entfallen heißt aber, automatisch in den Bereich gelangen, in dem der Widersacher 'Fürst dieser Welt ist'. Insofern ist es letztlich diese Chistusshäre selbst, die der Klingsor-Tat Raum gewährt." In der Kunst wurde dies vielfach dargestellt. [55]

Von einem Wandlungsprozess kündet das Vorspiel des dritten Aufzugs. Das "Motiv der Öde" signalisiert eine Gegend, in der früher die islamische Burg Klingsors stand; auf die heutige Zeit übertragen könnte es auch bedeuten eine Gegend, in der früher der Islam herrschte wie in den Kriegsgebieten des nahen Ostens.  "Das Auseinanderklaffen zwischen Geistesflug und Erdenleib erfordert einen langen Prozess der Läuterung und allmähliche Assimilierung des Irdisch-Physischen an das Geistige. Denn auf dem Weg aus diesem Erdental darf das Irdisch-Leibliche, eben 'Kundry', nicht zurückgelassen werden. Eine völlige Verwandlung der Kundry-Welt fordert der Zukunftsweg Parsifals, eine Verwandlung, die Mensch und Natur bis in die physische Stofflichkeit hinein ergreift." Gerade in dieser Auseinandersetzung zeigt sich der grundlegende Unterschied zwischen den mittelalterlichen Dichtungen wie Parsifal und Tristan, die aus der "Gemütsseele" heraus geschrieben wurden und Wagners Neuschöpfungen, die in der "Bewusstseinseele" wurzeln. Zur Szene, in der Parsifal mit dem Speer erscheint, schreibt Lorenz: "Es hat wohl noch kein Tonsetzer gewagt, einen Melodieton (Orgelpunkt ist etwas anderes) so lange aushalten zu lassen. Wieder ein Beweis des beispiellos mächtigen musikalischen Atems des Meisters." Metaphysisch bestätigt die Musik die Verbindung Parsifals mit dieser vergänglichen, den Todeskräften preisgegebenen Geschöpf-Natur, also sein Wandeln in dieser Welt der Geistesferne und Verlassenheit. Im cis, das Endton der Zauber-Motivik und gleichzeitig Anfangston des nun ertönenden Mitleids- bzw Blick-Motives ist, liegt musikalisch der wichtige Hinweis, dass die tragende und ungebrochene Seelenkraft dieses Parsifal-Weges die "Nachfolge jener Liebeskraft ist, die durch die 'Heiland-Klage' zu Parsifal spricht... Was der dritte Akt im Bilde bringt, ist fernste Menschheitszukunft." Das Mitleid Parsifals ist aber mehr als bloßes Mitgefühl. "Das Mitleid Christi war umfassendes Welten-Schmerzerleben. Es umfing alles, was in der Welt des Vaters bis zum Ereignis der Zeitenwende von der Menschheit durchlitten ward. Christi Passion, sein Sühnetod schufen erst die Möglichkeit, in der Nachfolge dieses urbildlichen Erleidens, selbst zum Träger dieser höchsten Mitleidskraft zu erwachsen. So stellt das Mitleid eine besondere Steigerung der Liebe dar, die keineswegs von Anbeginn auf der Erde zu finden war, die zu gewinnen und zu verwirklichen jedoch eines der großen Ziele dieser Erdenentwicklung ist." In Wagners Ring-Tetralogie war es Brünhilde, die zum erstenmal im heidnischen Götterkreis Mitgefühl empfand, als sie todverkündend vor Siegmund stand. Seit Christus geht es um die Erringung eines "Herzens-Wissens", in dem Liebe zum Licht einer "entluziferisierten Erkenntnis" wird.   [56]

Das Blumenaue-Motiv erinnert an das Waldweben im "Siegfried", was ein erster musikalischer Hinweis dafür ist, "dass die Christus-Kraft nun auch die ganze Natur durchflutet... So wird das Blumenaue-Thema auch zu einem durchchristeten Freya-Motiv." Der "Karfreitagszauber" spricht aus, wie die vergängliche Welt der Dinge voll Hoffnung auf den Menschen blickt, von dem sie sich ein Unvergängliches erwartet, nicht zuletzt auch, dass sich der Mensch um das Wohl der Tiere und der gesamten Erde kümmere, statt sie zu ruinieren und Tiere zu drangsalieren und durch Massentierhaltung und Gentechnik zu quälen, wie auch Schopenhauer anmahnt.  [57]

Parsifal tritt in ein Mysterium ein, "in die unsichtbare Gralsburg, die jedoch eine geistige, urbildliche Realität ist... Künstlerisch lässt sich dasjenige, was bereits zur Gänze der überirdischen Seinssphäre angehört, nur im Bild darstellen: die Heilung des Amfortas, die Entsühnung der Kundry-Welt und damit die Wiedergewinnung eines verlorenen Paradieses." Die Wissenschaft hat inzwischen bestätigt, dass klassische Musik einen positiven Effenkt auf Menschen und Tiere ausübt. Das gilt von Mozarts und Haydns Musik und besonders auch von Wagners Musik. Das Geheimnis der klassischen Musik, insbesondere der Wagner'schen Musik, ist es nach Steiner, bestimmte Schwingungen im "Ätherleib" zu erzeugen. "Man braucht die Dinge gar nicht wirklich zu verstehen, aber man bekommt ihre wohltätigen Wirkungen durch den Ätherleib. Der Ätherleib hängt mit allen Wallungen des Blutes zusammen. Richard Wagner hat das Geheimnis des gereinigten Blutes verstanden. In seinen Melodien liegen die Schwingungen, die im Ätherleibe des Menschen sein müssen, wenn er sich so läutert, wie es nötig ist, um das Geheimnis des Heiligen Grales zu empfangen. Es handelt sich bei Richard Wagners Schaffen um eine religiöse Vertiefung der Kunst, zuletzt aber um ein tiefes Verständnis des Christentums. Er wusste, dass in der musikalischen Gestalt das Christentum am besten zum Vorschein kommen kann." [58]
 

12. In der Nachfolge der Romantiker und Spätromantiker; Alexander Glasunow, Béla Bartók, Serge Prokofieff, Dimitri Schostakowitsch


Alexander Konstantinowitsch Glasunow (1865-1936) begann 1880 auf Empfehlung von Mili Balakirew ein privates Studium bei Nikolai Rimski-Korsakow, der von dem Talent seines Schülers beeindruckt war. Die Uraufführung von Glasunows Sinfonie Nr. 1 im Jahr 1882 bedeutete für den jungen Komponisten den Durchbruch. Unter der Führung Rimski-Korsakows vollendete er Borodins Oper Fürst Igor. Nachdem Glasunow in den 1890er Jahren zu einer international anerkannten Persönlichkeit avanciert war, nahm er 1899 eine Professur für Instrumentation am Sankt Petersburger Konservatorium an. 1905 übernahm er die Leitung dieses Institutes, die er bis 1930 innehatte. 1922 wurde er Mitglied der Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique. 

Glasunow vereint in seiner Musik national-russische Einflüsse mit Stilelementen Pjotr Tschaikowskis. So lassen sich in seinem Werk Tendenzen zu volksliedhafter Themenbildung, Exotismen und metrischen Freiheiten feststellen. Auf der anderen Seite sticht an Glasunows Musik eine große handwerkliche Meisterschaft und eine souveräne Beherrschung der Kompositionstechnik hervor: Glasunow war ein brillanter Orchestrator, ein ausgefeilter Kontrapunktiker und ein Meister der Formgebung. 1889 beeindruckte ihn die Aufführung von Wagners Ring des Nibelungen. Seine Werke sind zum Beispiel: Sinfonie Nr. 1 E-Dur op. 5 Slawonische, Sinfonie Nr. 2 fis-Moll op. 16, Sinfonie Nr. 3 D-Dur op. 33, Sinfonie Nr. 4 Es-Dur op. 48, Sinfonie Nr. 5 B-Dur op. 55, Sinfonie Nr. 6 c-Moll op. 58, Sinfonie Nr. 7 F-Dur op. 77, Sinfonie Nr. 8 Es-Dur op. 83, Sinfonie Nr. 9 d-Moll o.op. (einsätziges Fragment), Ouvertüre über drei griechische Themen Nr. 1 g-Moll op. 3, Ouvertüre über griechische Themen Nr. 2 D-Dur op. 6, Serenade Nr. 1 A-Dur, op. 7, „Zum Gedächtnis eines Helden“, Elegie op. 8, Suite caractéristique op. 9, Serenade Nr. 2 F-Dur für kleines Orchester op. 11, Poème lyrique in Des-Dur. Andantino für Orchester op. 12, Stenka Rasin, sinfonische Dichtung op. 13, La forêt (Der Wald), sinfonische Fantasie op. 19 (Endfassung 1887), Hochzeitsprozession für Orchester Es-Dur op. 21, Slawonisches Fest, sinfonische Skizzen, Op. 26A, Das Meer, Fantasie E-Dur op. 28, Der Frühling, Tongemälde in D-Dur op. 34 op. 34, Aus dem Mittelalter, Suite op. 79, Violinkonzert a-Moll op. 82, Klavierkonzert Nr. 1 f-Moll, Klavierkonzert Nr. 2 H-Dur op. 100, Concerto ballata C-Dur op. 108 für Violoncello und Orchester, Les Sylphides (Chopiniana) op. 46 (1893, erweitert 1906), Raimonda, Ballett op. 57, Les Ruses d’Amour (Liebeslist), Ballett op. 61, Die Jahreszeiten, Ballett op. 67, Salome, Bühnenmusik (Introduktion und Tanz der Salome) zu dem gleichnamigen Drama von Oscar Wilde op. 90, Der König der Juden, Schauspielmusik op. 95

Béla Bartók (1881-1945) war mit Kodaly nicht nur ein Komponist von größter Bedeutung, sondern auch als Musikethnologe einer der ersten, die sich dieser Disziplin annahmen und ihre daraus gewonnenen Erkenntnisse für die Kompositionen nutzte. In bester Liszt-Nachfolge komponierte er seine «Rapsodie» op.1, seine Klavierkonzerte, das «Divertimento für Streichorchester» und das «Konzert für Orchester». Seine Werke werden gespeist aus einer Vielfalt melodisch-rhythmisch-harmonischer Methaphern nach archaischen Vorbildern, transsylvanischer, rumänischer, bulgarischer oder slowakischer Herkunft. [59]

Serge Prokofieff (1891-1953) hat eine Vorliebe für Theater und Ballet. Wie die Werke «Skytische Suite» für großes Orchester op. 20 und «Leutnant Kijé» op. 60, Symphonische Suite, sind die Kompositionen aus handlungsgebundener Musik hervorgegangen. Als ganz besonders ist auch seine Ballet-Suite «Romeo und Juliia» hervorzuheben. Diese romantische Geschichte hat Komponisten zu mehr als 20 Opern inspiriert, nicht zuletzt Gounod's «Roméo et Juliette» , kleinere Stücke wie die Ouverture «Romeo und Julia» nach Shakespeare von Peter Tschaikowsky, nicht eingerechnet. Das komplette Ballet wurde das erste Mal im Brno Opera House / Tschechien 1938 aufgeführt, 1946 im Bolschoi-Theater und 1956, 1965 in Covent Garden / London. Als emigrierter Komponist wurde Prokofieff als Systemgegner betrachtet. Nach dessen Heimkehr 1936 passten einige Werke wie seine Oper «Der Spieler» nicht mehr zur Ideologie des Sozialistischen Realismus. Daher kam es erst 1963 zu einer konzertanten russischen Erstaufführung in Moskau unter Gennadi Roschdestwenski. Weitere wichtige Aufführungen gab es hauptsächlich im freien Westen, so zum Beispiel 1953 in Neapel, 1956 in Paris, 1956 in Darmstadt (deutsche Erstaufführung), 1957 in Pilsen, 1966 in Toulouse, 1969 in Hannover, 1969 in Edinburgh, 1970in  Tartu (erste szenische Produktion in der Sowjetunion, d.h. Estnische Sozialistische Sowjetrepublik, 1972 in Leipzig, 1973 in München, erst 1974 im Bolschoi-Theater Moskau (erste dortige szenische Produktion), am Mariinski-Theater, dem ursprünglich vorgesehenen Uraufführungsort, wurde «Der Spieler» erstmals am 5. Dezember 1991 gespielt. Seitdem gab es dort noch zwei weitere Produktionen, die am 18. Juni 1996 bzw. am 21. Juni 2007 Premiere hatten. Bei Prokofieffs Oper «Krieg und Frieden» (Wojna i mir) op. 91 nach dem Roman von Leo Tolstoi wurde er mehr oder weniger vom durch Bolschewisten dominierten Moskauer staatlichen Kunstkomitee gezwungen, seine Oper mehrmals umzuarbeiten; weniger lyrische Szenen, Liebenkonflikte um Natascha und lieber eine stärkere Betonung der patriotischen und nationalen Belange. Schließlich war der Kommunismus durch zig-Millionen Tote, die er allein in Russland gefordert hatte, fast am Ende; nur durch den Angriffskrieg der Nazis konnten sich die Bolschewisten bzw. Stalinisten in Russland wieder einen Sinn geben, nämlich die nationale Verteidigung wie zur Zeit Napoleons; und so konnte der Kommunismus sein Image wieder aufpolieren. 

Das «Konzert für Orchester Nr. 3» in C-dur op. 26 wurde bereits 1917 im bolschewistischen Petrograd skizziert, aber erst in französischer Emigration vollendet. Russisch-ukrainisches (Prokowjew wurde im ukrainischen Sonzowka geboren) Kolorit prägt das lyrisch-melodische Einleitungsthema (Andante) des ersten Satzes. Das Finale beweist, dass Prokofjew einiges der romantischen Symphonik Tschaikowskis zu verdanken hat. Das Klangbild des Finales greift vor auf die lyrischen Melodien der Liebesszenen des Balletts «Romeo und Julia» und die 5. und 7. Symphonie. Das «Konzert für Orchester Nr. 1» in Des-dur op. 10 verarbeitet die Musik romantischer Komponisten wie Schumann, Liszt, Tschaikowski, Rachmaninow, Skijabin. Das als «Concertino» geplante Des-dur-Konzert zeigt bei aller Verwandtschaft zu Rachmaninows c-moll- , Liszts Es-dur- und Tschaikowskis b-moll-Konzert, durchaus schon seinen eigenen Charakter. Zur Zeit als die Ballette «Der Stählerne Schritt», «Der verlorene Sohn» und «Am Dnjepr» herauskamen, schrieb Prokoffieff als meisterhafter Pianist und Komponist in den Jahren 1931/32 das vierte und fünfte Klavierkonzert. Das «Konzert für Orchester Nr. 4» in B-dur op. 53 enthält im ersten Satz jenen jugendlichen Schwung, den nur vier Jahre später das Portrait der Julia in dem Ballett «Romeo und Julia» op. 64 treffend charakterisiert. Auch das melodisch ausgewogene Andante steht den Szenen der Liebe und Freiheit im Sinne der Romantik (was er im russischen Bolschewismus natürlich nicht finden konnte) in den Balleten «Der verlorene Sohn» und «Romeo und Julia» nahe; es soll daher auch "nicht ohne eine gewisse Überlegenheit" gespielt werden. Das dramatische Zentrum des Konzerts bildet der dritte Satz (Moderato). Im Finale kehrt er zur heiteren Welt der Julia-Musik zurück. Der erste Satz aus dem «Konzert für Orchester Nr. 5» in G-dur op. 55 enthält eine gewisse Dissonanzakkordik, weshalb er einen etwas herben Zug vermittelt. Der zweite Satz (Moderato ben accentuato) beinhaltet einen Marsch, dessen musikalische Mittel sich an den berühmten aus der «Liebe zu den drei Orangen» anlehnen und wie eine Vorahnung der Mercutio-Musik aus «Romeo und Julia» klingen. [60]

Dimitri Schostakowitsch (1906-1975) legt in seinen Werken eine musikalisch einzigartige Kritik des Bolschewismus bzw. Stalinismus vor. Selbst seine «7. Symphonie» op. 60, die gewöhnlich als Kriegs-Symphonie angesehen wird, hat einen Requiem-Charakter; darin werden auch alle diejenigen eingeschlossen, die in den den Jahren des Stalinismus umgekommen waren. Manche davon hatte Schostakowitsch persönlich gekannt, wie seinen Gönner Marschall Tuchaschewsky und den Theaterdirektor Vsevolodeyerhold. Er konnte nicht öffentlich trauern, da es, wie heute beim Putinismus, nicht erlaubt war, Tränen der Rührung für Freunde zu vergießen, die als Staatsfeinde eliminiert worden waren. Der Keim zur 7. Symphonie hat eigentlich in den Psalmen Davids gelegen, insbesondere in den Versen, die auf den Zorn des Herrn hinweisen auf jene, die das Menschheitsgesetz brechen. Die Symphonie wie auch die meisten anderen Werke sind kein Propagandawerk, sondern ein Werk weltumfassender Bedeutsamkeit und ein Bekenntnis dafür, dass das Gute im Menschen zum Beispiel das Schlechte, also den Bolschewismus und Stalinismus überwältigen wird. Auch seine «10. Symphonie» e-moll op. 93, die er 1953 komponierte, ist ein Bekenntnis zum Weltfrieden und Kritik am Kommunismus und damit mehr als von der Partei geforderte sozialistisch gefärbte Humanität. 

Eine musikalische Kritik des Sowjet-Systems findet sich auch in seinem Ballet und seiner Ballet-Suite «The Age of Gold» (Das goldene Zeitalter). Die Instrumentierung ist genial, die Klangfarben des Orchesters werden optimal genutzt, und der Rhythmus ist unwiderstehlich. Doch der Bürokratie der Sowjets war dies alles zuwider. Der Titel «Das goldene Zeitalter» ist satirisch gemeint und bezieht sich auf eine Industriemesse in Westeuropa. Das ganze Ballet bietet ein Bild von zwei gegensätzlichen Systemen, das freie System des Westens im Gegebsatz zum Kommunismus. Verurteilt wurde es, weil die Kommunisten in diesem Ballet als träge und falsch dargestellt werden. Die Repräsentanten der westlichen Welt haben viel freieres Spiel. [61]

Selbst bei den mehr impressionistischen Komponisten wie Claude Debussy (1862-1918) und Maurice Ravel (1875-1937) finden sich klassizistische und romantische Akzente. In Ravels «Daphnis und Chloe» zum Beispiel werden wie bei den Romantikern verschiedene tonmalerische Elemente verwendet, um die «Morgendämmerung» in einer lieblichen arkadischen Landschaft zu schildern. Einem Crescendo sind Arpeggien der Halzbläser, Streicher, Celesta und Glissandi der Harfen beigefügt, die das Murmeln der Bäche wiedergeben, die Melodie einer Hirtenweise und Vogelrufe erklingen. Seine Werke «Alborada del gracioso» und «Rhapsodie espagnole» zeigen seine Liebe zu Spanien und der spanischen Literatur, zum Beispiel eines Cervantes. Ähnlich auch Debussys «Iberia» und «La Mer».   [62] 
 

13. Komponistinnen in der Romantik und in der Nachfolge der Romantiker: Fanny Hensel, Clara Schumann, Lili Boulanger, Avril Coleridge-Taylor

Man hat sich damals wie heute hauptsächlich mit Liedern und kleinformatigen Klavierstücken und Kammermusikwerken von Komponistinnen beschäftigt und damit das Voruteil untermauert, Frauen könnten kein komplizierten kompositorischen Aufgaben lösen. Weitgehend unbekannte oder unpublizierte Chorwerke der drei überragenden Komponistinnen Fanny Hensel (1805-1847), Clara Schumann (1819-1896), Lili Boulanger (1893-1918), Avril Coleridge-Taylor (1903-1998) entkräftet dieses Vorurteil. Zudem gibt es heute zunehmend auch weibliche Dirigentinnen, die ihren männlichen Kollegen in nichts nachstehen. [63] 

Chorwerke, unter ihnen ein biblisches Oratorium, nehmen im immer noch unzureichend erforschten und unzugänglichen Schaffen von Fanny Hensel, der ältesten Schwester Felix Mendelssohn Bartholdys, ein wichtige Stelle ein. In ihrem «Nachtreigen» für 8 stimmigen gemischten Chor und den «Gartenliedern» für Sopran, Alt, Tenor und Bass op. 3 (1846) verwendet sie Beethovensche Melodik ud mischt sie mit romantischer Harmonik und Klangphantasie. [64]

Clara Schuman ,war nicht nur die bedeutendste Pianistin der Romantik, sondern auch eine profilierte Komponistin. Schon mit 11 Jahren komponierte sie vier Polobaisen für Klavier. Später komponierte sie neben Klavierwerken auch gemischte Chöre nach Gedichten von Emanuel Geibel für vier Stimmen. [65]

Lili Boulanger, die Tochter eines Opernkomponisten und Gesangslehrers gewann 1913 im Alter von 19 Jahren und als erste Frau den begehrten «Prix de Rome» des Pariser Konservatoriums mit der Kantate «Faust et Hélène». In Chorwerken wie «Les Sirènes» oder das heiter-virtuose «Renouveau», das ihr einen weiteren Kompositionspreis einbrachte, und die «Hymne au Soleil» zeigen, wie sich die Komponistin mit ihren Vorbildern Wagner, Fauré und Debussy schöpferisch auseinandersetzt und zu ihrer eigenen Tonsprache findet. Ihre Harmonik stoßt manchmal sogar an die Grenzen der Tonalität. [66]

Gwendolen Avril Coleridge-Taylor (8. März 1903 – 21. Dezember 1998) war eine englische Pianistin, Dirigentin und Komponistin. 1939 zog sie nach Buxted in East Sussex. Ihre erste Komposition, "Goodbye Butterfly", schrieb sie im Alter von 12 Jahren. Später gewann sie ein Stipendium für Komposition und Klavier an der Trinity College of Music in 1915, wo sie Orchestrierung and Komposition bei Gordon Jacob and Alec Rowley, und das Dirigieren z.B. bei Henry Wood lernte. 1933 machte sie ihr Debut als Dirigentin in der Royal Albert Hall. Sie war die erste weibliche Dirigentin der H.M.S. Royal Marines und eine häufige Gast Dirigentin beim BBC Orchestra and the London Symphony Orchestra. 1938 war sie die erste weibliche Dirigentin beim bandstand in London's Hyde Park. Sie gründete ein eigenes Orchester mit mehr als 100 Musikern. Sie schrieb eine Biographie über ihren Vater, den Komponisten Samuel Coleridge-Taylor (London: Dobson, 1979). Sie publizierte unter dem Namen Peter Riley.

Unter ihren Orchesterwerken sind besonders «Sussex Landscape», (1940) Op. 27 bekannt, aber auch andere Werke wie «Spring Magic: Fairy Ballet Suite» (1920), «To April, poem for orchestra» (1933), «Wyndore for choir and orchestra» (1936), «Piano Concerto in F minor» (1938), «Suite for String Orchestra», «Symphonic Impression» (1942), «The Peace-Pipe» (1949), «Golden Wedding Ballet Suite», «Comet Prelude» (1952), «Ceremonial March to celebrate Ghana's Independence» (1957), «The Weeping Flower» (1964), «In Memoriam» (1967), «The Dreaming Water-Lily for voice and orchestra», «The Sea for voice and orchestra». [67]
 
 
 

Anmerkungen 

[1] Wissenschaftsbriefe / Science Review Letters 2022, 21, Nr. 1369; "Le roi de Lahore". Oper in fünf Akten des französischen Komponisten Jules Massenet, Paris 1877. Das Libretto stammt von Louis Gallet. Die Uraufführung fand am 27. April 1877 in der Opéra Garnier der Pariser Oper statt; vgl. Kurse Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Nr. 505 Arthur Schopenhauer I-II, Nr. 663 Arthur Schopenhauer III, Nr. 664 Philosophie der Kunst, Akademie der Kunst und Philosophie
[2] Ib.
[3] Ib.
[4] Ib.; zum "Paradies" der Muslime vgl. Kurse Nr. 562 Dante Alighieri, Nr. 557 Ludovico Ariosto I-II, Nr. 668 Ludovico Ariosto III, Nr. 640 Stefan Lochner, Nr. 649 Giotto di Bondone, Nr. 626 Luca Signorelli, Nr. 523 Sandro Botticelli, Nr. 606 Fra Angelico, Nr. 589 Albrecht Dürer, Ib.
[5] Ib.
[6] Ib.
[7] Ib.
[8] Wissenschaftsbriefe / Science Review Letters 2024, 23, Nr. 1565; 2022, 21, Nr. 1384; Armida (Op. 115), Oper in vier Akten von Antonín Dvorák mit einem Libretto von Jaroslav Vrchlický nach Torquato Tassos Epos Das befreite Jerusalem. Die Uraufführung fand am 25. März 1904 im Prager Nationaltheater statt; vgl. Kurse Nr. 556 Torquato Tasso, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Ib.
[9] Ib.
[10] Ib.
[11] Ib.
[12] Ib.
[13] Ib.
[14] Ib.
[15] Wissenschaftsbriefe / Science Review Letters 2024, 23, Nr. 1562; 2022, 21, Nr. 1385 und FAZ 2022, Nr. 287; vgl Kurse Nr. 506 Wladimir Solowjew, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Ib.
[16] Ib.
[17] Ib.
[18] Wissenschaftsbriefe / Science Review Letters 2022, 21, Nr. 1386; Franz Schubert, die Verschworenen, Oper in einem Akt, Libretto Ignaz Franz Castelli; vgl. Kurse Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Ib.
[19] Ib.; zu: Dramen der Spanier Cervantes, Calderon und Lope des Vega vgl. Kurse Nr. 558 Calderón de la Barca, Nr. 648 Calderón de la Barca II, Nr. 650 Calderón de la Barca III, Nr. 651 Calderón de la Barca IV, Nr. 563 Miguel de Cervantes I, Nr. 645 Miguel de Cervantes II, Nr. 637 Lope de Vega I, Nr. 638 Lope de Vega II, Nr. 642 Lope de Vega III, Nr. 643 Lope de Vega IV, Ib.
[20] Ib.; vgl. Franz Schuberts großen Messen in As-dur D 678 und in Es-dur D 950
[21] Wissenschaftsbriefe / Science Review Letters 2022, 21, Nr. 1387; 2024, 23, Nr. 1558; Richard Strauss, Ein Heldenleben op. 40, Tondichtung für großes Orchester; Ders.:  Der Rosenkavalier, Komödie für Musik in drei Aufzügen, Libretto: Hugo von Hoffmannsthal; Ders.: Don Quixote, Fantastische Variationen über ein Thema ritterlichen Charakters für großes Orchester op. 35; vgl. Anm. 19 und Kurse Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Nr. 563 Miguel de Cervantes I, Ib.
[22] Ib.
[23] Ib.; zu: nicht so krass wie z.B. in Molières "L’Amour Médecin" (die Liebe als Arzt) vgl. Kurs Nr. 665 Molière, Ib.
[24] Ib.; zu: Auch was die Komödie "Le Médecin malgré lui" (Der Arzt wider Willen) betrifft, ist der Klassiker stärker, vgl. Kurs Nr. 665 Molière, Ib. 
[25] Ib.; zu: In den Dramen und Komödien der Spanier des goldenen Zeitalters, vgl. Anm. 19 und Kurs Nr. 614 Sittenlehre III, Ib.
[26] Wissenschaftsbriefe / Science Review Letters 2024, 23, Nr. 1561;  2022, 21, Nr. 1388; 2023, 22,  Nr. 1491 und FAZ 2023, Nr. 293; Benedikt Hensel/Michael Sommer 2023: Welt in Unruhe. Der RIAS-Kammerchor will Händel nicht singen, Osnabrück, Frankfurt; vgl. Kurse Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Ib.
[27] Ib.
[28] Ib.
[29] Wissenschaftsbriefe / Science Review Letters 2023, 22, Nr. 1403;
[30] Ib.
[31] Ib.
[32] Ib.
[33] Wissenschaftsbriefe / Science Review Letters 2023, 22, Nr. 1416 und FAZ 2023, Nr. 77; Von Paavo Järvi 2023: Eine starke Persönlichkeit von absoluter Integrität. Rachmaninow hatte in allen Fragen Klasse, Stil und die Hand am Drücker der Zukunft. Zürich, Frankfurt a.M.; Vladimir Michailowitsch Jurowski 2023: An einen Ritter. München, Berlin 
[34] Ib.
[35] Ib.
[36] Ib.
[37] Ib.
[38] Wissenschaftsbriefe / Science Review Letters 2023, 22, Nr. 1425, 1428; 2024, 23, Nr. 1560 und FAZ 2023, Nr. 109; vgl. Kurse Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Nr. 020 Johann Wolfgang von Goethe I-II, Nr. 621 Lord Byron I, Nr. 676 Lord Byron II, Nr. 562 Dante Alighieri I-II, Nr. 672 Dante Alighieri III, Nr. 630 Johann Ludwig Tieck, Nr. 556 Torquato Tasso, Ib.
[39] Ib.
[40] Ib.
[41] Ib.
[42] Ib.; zu Cellini vgl. auch Kurs Nr. 684 Wissenschaftslehre VI, Ib.
[43] Ib.
[44] Ib.
[45] Wissenschaftsbriefe / Science Review Letters 2023, 22, Nr. 1427; Friedrich Oberkogler 1978, Richard Wagner. Vom Ring zum Gral, Stuttgart; Rudolf Meyer 1980: Die Gralsgeschichte, Stuttgart; Kurt Pahlen 1981, Richard Wagner Parsifal, kompletter Text und Erläuterung zum vollen Verständnis des Werkes, München; vgl. Kurse Nr. 559 Wolfram von Eschenbach, Nr. 634 Hans Sachs, Nr. 662 Gottfried von Strassburg, Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Ib.
[46] Ib.
[47] Ib.
[48] Ib.
[49] Ib.; vgl. Kurs Nr. 662 Gottfried von Strassburg, Ib.
[50] Ib.; vgl. Kurs Nr. 634 Hans Sachs, Ib.
[51] Ib.
[52] Ib.; vgl. Kurs Nr. 559 Wolfram von Eschenbach, Ib.
[53] Ib.
[54] Ib.
[55] Ib.
[56] Ib.
[57] Ib.
[58] Ib.
[59] Wissenschaftsbriefe / Science Review Letters 2024, 23, Nr. 1559
[60] Ib.
[61] Ib.
[62] Ib.
[63] Ib.
[64] Ib.
[65] Ib.
[66] Ib.
 
 


Giambattista Tiepolo, Rinaldo enchanted by Armida,1745
 
 
 


Giambattista Tiepolo, Rinaldo und Armida im Zaubergarten, um 1752

Torquato Tasso wird  am 11. März 1544 in Sorrent geboren und stirbt am 25. April 1595 in Rom. Er war ein italienischer Dichter des 16. Jahrhunderts. Am bekanntesten wurde er durch das Epos La Gerusalemme liberata. Bernardo Tasso, der Vater Torquatos, war ein Graf aus dem Hause Tasso von Bergamo, von dem sich auch die Linie derer von Thurn und Taxis (italienisch della Torre e Tasso) ableitet. Zwischen 1532 und 1558 arbeitete er als Sekretär im Dienste Ferrante Sanseverinos, des Fürsten von Salerno. Tassos Mutter war Porzia dei Rossi, die Tochter einer noblen neapolitanischen Familie mit Wurzeln in Pistoia. Torquato wurde in Abwesenheit seines Vaters geboren, da dieser von 1543 bis 1544 mit seinem Herrn am vierten italienischen Krieg zwischen Karl V. und Franz I. teilnehmen musste. Von seinen Geschwistern lernte Tasso nur seine ältere Schwester Cornelia kennen, da der 1542 geborene Bruder (er hieß ebenfalls Torquato) im Jahr seiner Geburt verstarb. Im Jahr 1560 begann Torquato Tasso in Padua mit dem Studium der Rechtswissenschaften, besuchte aber im Jahr darauf nur noch Vorlesungen in Philosophie und Sprachfertigkeit bei Francesco Piccolomini (1520–1604) und Carlo Sigonio. In jenen Jahren gehörte Tasso auch einem privaten Kreis von Gelehrten rund um Sperone Speroni an. In dieser Umgebung arbeitete er intensiv an der Fertigstellung des Rinaldo. Das erzählende Gedicht wurde im Sommer 1562 mit einer Widmung an Luigi d’Este, den damaligen Dienstherrn von Bernardo Tasso, veröffentlicht. Im November 1562 begann Tasso ein Studium in Bologna, wo er oft private Literatur-Akademien besuchte. Den Sommer verbrachte er bei seinem Vater in Mantua, wo dieser als Sekretär von Guglielmo Gonzaga arbeitete. Er wurde unter dem Namen Pentito Mitglied der von Gonzaga gegründeten Academia degli Eterei und nahm an der Universität seine unterbrochenen Studien wieder auf. Ob Tasso seine Studien jemals abschloss, ist nicht bekannt. Während seines Aufenthaltes in Padua verfasste er seine ersten lyrischen Stücke. Einige davon widmete Tasso der jungen Hofdame Lucrezia Bendidio, die einer vornehmen ferraresischen Familie entstammte und vielfach als Tassos erste Liebe bezeichnet wird. 

Tasso kennt man heute fast nur noch aus Goethe's "Torquato Tasso". Darin geht es, ähnlich wie bei Hölderlin, auch darum das Schicksal der Christenheit im Kampf mit den Sarazenen und Türken in dichterischer Form darzustellen  Doch Torquato Tasso ist ein berühmter italienischer Dichter. Sein bekanntestes Werk ist "Das befreite Jerusalem", das auch Händel zu seinem "Rinaldo" inspirierte. Auch Händels Kreuzritter-Oper "Rinaldo" erinnert an den Konflikt der christlichen Länder mit dem Islam. Georg Friedrich Händel brauchte 1710 ganz einfach handfeste Figuren, mit denen er deftigen Bühnenzauber entfalten konnte, um als Neuling das Publikum an der Themse zu beeindrucken. Das passende Personal liess er sich von dem Librettisten Giacomo Rossi aus dem Kreuzritterepos "Das befreite Jerusalem" von Torquato Tasso zusammenstellen, sowie aus Ariosts "Orlando furioso" und der Legende um die Zauberin Armida. Interessant ist die Inszenierung von Herzog: "Die Mannen des christlichen Heerführers Goffredo (Gottfried von Bouillon) werden gezeigt als eine Truppe von Aktenträgern, die, ziemlich albern, die Rituale der Delegationen bei Friedensverhandlungen und Krisensitzungen durchexerziert. Ihr Gegenspieler Argante, Verhandlungsführer der sarazenischen (also islamischen) Seite, ist ein Weichei, er giert mehr nach Sex als nach Macht. Bei seinem genüsslich zelebrierten Ausschnüffeln der Reizwäsche der Zauberin Armida und den plumpen Annäherungsversuchen an die schöne Almirena, Geliebte des Titelhelden Rinaldo, kommen einem unweigerlich die Nachrichten von den Kölner Massengrabsch-Szenen in den Sinn. Überdies entwickelt die Regie einen gehörigen Theaterdonner, der untrüglich nach Sprengstoff und Kalaschnikow-Geratter klingt." Eine gewisse Albernheit wird auch dadurch gefördert, dass Händel Rinaldo, Goffredo, Eustazio für Countertenor bzw. Alt vorgesehen hatte; dennoch sind die Arien von Rinaldo ("Cara sposa, amante cara") im ersten Akt und seiner Freundin Almirena ("Lascia ch'io pianga") im zweiten Akt einzigartig in der Operngeschichte

Nicht nur Händel hat Ausschnitte aus Torquato Tasso's Versepos "La Gerusalemme liberata" vertont. Die Liebesgeschichte zwischen Armida und Rinaldo ist dem Epos als Episode einverwoben. Neben Benedetto Ferraris "L'Armida" komponiert ein knappes halbes Jahrhundert vorher Jean-Baptiste Lully die "Tragedie lyrique Armide" nach einem Libretto von Philippe Quinault. An dieses Versepos knüpfte ein knappes Jahrhundert später Christoph Willibald Glucks Armide (1777) an. Danach häufen sich die "Armida" -Opern, mehr und mehr zeigt sich Interesse am Kampf der Christen gegen die muslimischen Heiden: Giuseppe Scarlatti, Manfredini, Anfossi, Salieri, Sacchini, Gazzaniga, Righini, Cherubini, Jomelli, Naumann, Bertoni und Haydn legen ihre Opern vor. Haydns Oper "Armida, Dramma eroico" wurde ein großer Erfolg, man bezeichnete sie als das bislang beste Werk, am Hoftheater stand sie an der Spitze aller, auch Haydns zwischen 1784 und 1790 gespielter Opern, inkl. seines 1782 komponierten "Dramma eroicomico Orlando Paladino. Auch die Romantiker wie Rossini und Dvorak komponierten eine Armida-Oper. 

Wie im Original von Tasso und in Händels Rinaldo wird auch in Dvorak's Armida schnell klar, auch der Moschee-Besuch hat wenig Sinn, wenn er nur dazu dient, Allah, dem "Lügnergott" zu verehren: "Die Mütter ziehn indes in die Moscheen, / Um zu dem bösen Lügnergott zu flehen" (Tasso). Bei Händel bekennt Armida zum Schluss, der Schwächling Allah habe keine Macht, den Christen helfe "eine stärkere Gottheit" und daher konvertiert sie zum Christentum. Auch erzählt sie wie Frauen von muslimischen Männern unterdrückt und auf falsche Fährten geführt werden: "Als Heidin wuchs ich auf, und List und Trügen schien zum Verderb der Christen mir erlaubt. Dir folgt' ich, fing dich, führte dich in Banden vom Heere fern nach weit entlegnen Landen; Nicht tadle mich mein Oheim und mein Hüter; Er wollt' es so, er klage selbst sich an. Zu schlechtem Tun für weibliche Gemüter Führt' er zuerst den stolzen Geist hinan. Er raubte mir das köstlichste der Güter, Die edle Scheu, und störte meine Bahn. Ihm fällt zur Last die Schuld unwürd'ger Dinge, Die ich vollbracht aus Lieb', aus Zorn vollbringe" (Tasso). In Händels Rinaldo zerbricht sie ihren Zauberstab und nimmt den Glauben ihres Geliebten an, auch bei Dvorak steht die Liebe zu Rinaldo im Mittelpunkt; auch wenn sie stirbt, wird sie vorher noch getauft und wird christlich. Der Librettist Jaroslav Vrchlický schrieb den Text bereits 1888 für den Komponisten Karel Kovarovic, der jedoch die Vertonung nach mehreren Versuchen aufgab. Anschließend bot Vrchlický das Libretto Karel Bendl und Zdenek Fibich an, die aber beide kein Interesse zeigten. Dvorák, der bereits sein Oratorium Die Heilige Ludmilla auf einen Text Kovarovics vertont hatte, nahm dessen Angebot an, als er sich nach seinem Erfolg mit Rusalka 1901 nach einem geeigneten Libretto für seine nächste Oper umsah. Er begann am 11. März 1902 mit der Komposition und beendete die Arbeit am 23. August 1903. Nicht zuletzt durch seine beiden letzten Opern "Russalka" und "Armida" wurde Dvorak zu einem der bedeutendsten Opernkomponisten der Welt. Vgl. Kurse Nr. 556 Torquato Tasso, Nr. 557 Ludovico Ariosto I-II, Nr. 668 Ludovico Ariosto III, Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Akademie der Kunst und Philosophie
 
 


Caspar David Friedrich, Der Watzmann, 1824-25


Caspar David Friedrich, Schwäne im Schilf, Goethe-Museum, Frankfurt
 


Turner, Fall of the Rhine at Schaffhausen, Museum of Fine Arts
 


Joseph Mallord William Turner Rheinfall 1841


Turner, Rhine Falls of Schaffhausen

Joseph Mallord William Turner (1775-1851) war ein englischer Maler, Aquarellist und Zeichner. Er gilt als der bedeutendste bildende Künstler Englands in der Epoche der Romantik. Landschaften und Seestücke waren seine bevorzugten Themen, dem Licht und der Atmosphäre galt dabei sein besonderes Interesse. Seine Darstellungsweise ging bis zur Entmaterialisierung des Gegenständlichen; zudem machte er das Licht und die Farbe von Sonnenlicht, Feuer und Wasser in ganz neuartiger Weise zum eigentlichen Thema seiner Bilder. Durch diese Art der Malerei hat er einen ebenso wichtigen Beitrag zur Romantik geleistet wie die großen romantischen Komponisten.

Die Natur in der Kunst und vor allem in der Musik der Romantik zeigt sich besonders in den Musikdramen Richard Wagners. Die Natur ist nur der äußere Ausdruck des Geistigen, was in Turners Gemälden und Aquarellen zum Ausdruck kommt. Die Musik am Beginn von Wagners "Rheingold", das Rheingold-Motiv und das Werde-Motiv deuten hin auf das goldene Zeitalter. Nach dem Raub des Goldes durch Alberich ist ein neuer Weltzustand entstanden, sozusagen die makrokosmische Grundlage für alle kommende Individualisierung und Vorbedingung für die Mission Wotans. Der zweite Auftritt "Freie Gegend auf Bergeshöhen" führt uns musikalisch angededeutet durch das Wallhall-Motiv zur Welt der Götter. In seinem Prosaentwurf zum Nibelungendrama charakterisiert Wagner die besondere Aufgabe der Götter mit den Worten: "Die Absicht ihrer höheren Weltordnung ist sittliches Bewusstsein". Wotan hat sozusagen sich mit Loge den Widerpart selbst in seine Lichspäre hereingeholt, sich mit ihm verbunden und damit eine Gegenwelt erzeugt, die sich von der alten Zeit durch einen gewissen Grad von Eigenbewusstsein unterscheidet. In den enormen Wallhall-Klängen, mit denen Wotan das gelungene Werk preist, tönt uns dieses "Eigenbewusstsein" plastisch entgegen: "Vollendet das ewige Werk! / Auf Berges Gipfel / Die Götterburg, / Prächtig prahlt / Der prangende Bau! / Wie im Traume ich ihn trug / Wie mein Wille ihn wies, / Stark und schön / Steht er zur Schau: / Herer, herrlicher Bau!" Als Freya mit ihrer Götterspäre uneingeschränkt waltete, gab es sprießendes Leben aber kein waches, erwägendes Bewusstsein. Das wird durch das Freya-Motiv angedeutet. Die Riesen, die die Burg gebaut haben, wollen nun Freya als Lohn. Im dritten Auftritt "Unterirdische Kluft" soll den Riesen mit Loges Hilfe ein anderer Lohn verschafft werden. Durch die Schwefelkluft geht es mit Wotan und Loge in das Reich der Zwerge, erkennbar durch das "Schmide-Motiv" und "Tarnhelm-Motiv". Alberich verwandelt sich zuletzt in eine Kröte und wird eingefangen. Man kann auch sagen, hinter der Erscheinung des "Riesenwurms" und der "Kröte" steckt mehr als bloße Prahlsucht. "Sie offenbart eine polare Kräftewirksamkeit, die, in die Hand des Widersachers gegeben, die Harmonie der Schöpfung ins Groteske und Grausige verzerrt. In diesen beiden Prinzipien der Hypertrophie und Degeneration sah Goethe das eigentliche Wirken des Widergöttlichen in der Evolution." Die Musik bringt diesen "Entartungsprozess" zum Ausdruck. Im vierten Aufritt geht es zurück in die "Freie Gegend auf Bergeshöhen". Die Riesen erhalten das Gold als Lohn, Freya bleibt den Göttern erhalten. Nur den Ring hätte Wotan gerne behalten, wäre nicht Erda erschienen mit ihren berühmten Worten: "Weiche, Wotan, weiche! / flieh des Ringes Fluch!". Mit dem beeindruckenden Gewitter und Regenbogen, auf dem die Götter nach Wallhall einziehen, endet die Oper. Aus der Tiefe dringt der Klageruf der Rheintöchter an Wotans Ohr, "als Zeugnis dafür, dass die Wunde, die der alten Harmonie geschlagen wurde, verbunden, aber nicht geheilt ist. Denn der Sturz in den Egiosmus hat Natur und Kreatur, die ganze elementarische Welt mit sich gerissen, und ist eine vollzogene, nicht mehr rückgängig zu machende Weltentatsache."

Das Vorspiel des zweite Aufzugs des "Siegfried" beginnt mit einer der schwärzesten Harmonien des Quintenkreises, f-moll. In ihr baut sich, drohend-unheimlich, die Welt Fafners und Alberichs vor uns auf. "Damit sehen wir uns an die Urkräfte jener Vernichtungsgewalten herangeführt, die abgrundtief in der Seele verborgen drohen. Es sind Kräfte ungehemmter Gier nach Macht und Beseitz -, schrankenloser Egoismus." Im Drama tritt er uns in der Gestalt des zum "Drachen" verwandelten Fafner entgegen. In der Regieanweisung heisst es: "Tiefer Wald, ganz im Hintergrund die Öffnung einer Höhle... Links gewahrt man durch Waldbäume eine zerklüftete Felswand. Finstere Nacht." Als Gegenpol haben wir die Welt des Siegfried und das berühmte Waldvogel-Motiv. "Das in ätherische Lichthöhen sich emporrankende Freya-Motiv gibt der Harmonie ihr Dur-Licht wieder." Der Wald beginnt zu rauschen und schwillt zu geheimnisvollem Weben, aus dessen wiegenden Rhythmen sich der Gesang des "Waldvogels" immer deutlicher heraushebt. "Die Hauptmotivik dieses Waldvogel-Themas aber ist das zu Sechzehntel-Gängen beschleunigte Lebenslust-Motiv Siegfrieds. Aus seinen absteigenden Quartfolgen erst bildet sich nach und nach der eigentliche Vogelruf heraus." Hier bestätigt sich Wagners Wort, dass wir auf der Bühne sehen und dadurch erkennen sollen, was uns aus der Musik entgegentönt. "Die Gleichsetzung des Vogelrufes mit Siegfrieds Lebenslust-Motiv fordert auf, den Ruf des Waldvogels und Siegfrieds so lenbensfroh gestimmte Seele als ein Zusammengehöriges zu schauen: Der Blick hinaus in die Natur ist gleichzeitig ein Blick in die eigene Seele." Gegen Fafner kämpfend, weiß Siegfried nicht, dass er diesen Drachen, den er als Weltenkraft "außen" besiegt, auch in seinen Seelengründen trägt. Der Kampf muss im Sinne des Kampfes Michaels verstanden werden, d.h. als ein makrokosmischer Kampf der göttlichen Licht-Sphäre wider die Geister der Finsternis. Im dritten Aufzug zeigt sich eine Wilde Gegend am Fuße eines Felsenberges. "Nacht, Sturm und Wetter, Blitz und heftiger Donner, der schließlich nachlässt, während Blitze noch längere Zeit die Wolken durchkreuzen." Mit den jagenden Rhythmen des Ritt-Motives und den unisonen Oktavgängen des Götternot-Themas hebt das Vorspiel zum dritten Akt an. Erda wird gerufen, aber es liegt im Wesen jeder Zeitenwende, wo Altes zerbricht und Neues langsam sich bildet, dass es "wirr und kraus" die Welt durchrüttelt und sie in ein Chaos zu stürzen droht. "Allein wie ließe sich Freiheit im voraus bestimmen? Was sich dem Zwang der Welt entzieht, kann nicht in das Rad der Notwendigkeit gezwungen werden. Die schöpferische Wachheit dieses Freiheitselementes entzieht sich daher auch dem träumenden Sinnen Erdas." Am Ende der Oper wird durch die Musik deutlich (z.B. durch die Friedensmelodie), wie Brünhilde zum Tor für eine höhere Gotteskraft wird, als es die Asen-Welt bedeutet. Sogar Augustinus hatte betont, dass Christus schon vor dem eigentlichen Christentum existierte. Wagner hat zu diesem Thema die Opern Tannhäuser, Lohengrin und Parsifal geschrieben.

Der erste Aufzug der "Götterdämmerung" beginnt nach dem Auftritt der Nornen mit einer in Töne gesetzten Morgenröte. Gleichzeitig dämmert auch der neue Weltentag herauf. Dass wir dieses "Tagesgraun" tatsächlich als das aufleuchten einer "kosmischen Morgenröte" zu verstehen haben und nicht nur als Tongemälde eines irdischen Sonnenaufgangs, können wir der Motivik ablauschen. "Eine zarte Cello-Kantilene leitet das Weichen der alten Welten-Nacht ein. Ihr Melos ist aus dem Regenbogen-Motiv des Rheingold-Schlusses gewoben und zeigt am Ende eine deutliche Verflechtung mit dem Siegfried-Motiv." Auch Siegfrieds berühmte "Rheinfahrt" bedeutet für den inneren Vorgang des Dramas mehr als Abschluss des Vorspiels und Überleitung zum ersten Aufzug. "Sie hat eine mythische Funktion zu erfüllen, die man gleichnishaft als ein Geburtsgeschehen bezeichnen könnte." Die Musik beginnt mit Es-Dur und A-Dur in Erinnerung an die Heldenthematik und Fahrtenlust. Später trübt sich die Klarheit der Harmonie. Die Modulation leitet nach Ces-Moll über, in dessen "Verwechslung mit h-Moll" sich "das Trügerische der ganzen Gibichungenmusik erfühlen lässt." Und dieses "Trügerische" liegt tief verwurzelt in der schon korrumpierten irdischen Leiblichkeit. Der Abschluss der "Rheinfahrt" in h-Moll lassen dieses "Hineinsteigen" in die irdische Leiblichkeit musikalisch erkennen. Waltrautes Bitte an Brünhilde in der dritten Szene, sie möge den Rheintöchtern den "Ring" zurückgeben, wäre ein "kosmischer Anachronismus", denn das hieße Rückgängigmachung alles dessen, was Sinn und Ziel der ganzen Kosmogonie war: die Ich-Werdung des Menschen. Auch die Welt Wotans und Wallhalls macht eine Entwicklung durch. Ihr Untergang, die  "Götterdämmerung" ist in diesem übergeordneten Weltzusammenhang als der Fortschritt zu erkennen hin zum Christentum. "Nur durch die Liebe kann in ferner Zukunft die Harmonie zum 'Umkreis' wieder hergestellt werden. Doch das ist die Mission Parsifals." Der zweite Aufzug beginnt mit einer wenig romantischen Nacht, nämlich mit einer dämonischen Einflüsterung ("Mordwerk-Motiv"). Alberichs schwarze Inspiration tritt bei Hagen jedoch offen Türen ein. Hagen; hier zeigt sich die Ähnlichkeit zwischen Kingsor im Parsifal und Hagen. In sorgloser Heiterkeit wird der dritte Aufzug eröffnet: "Wildes Wald- und Felsental am Rhein, der im Hintergrund an einem steilen Abhange vorbeifließt." Das Erscheinen der Rheintöchter nringt eine neue Motivik, die den ganzen ersten Teil der Szene beherrscht. Mit diesem Rheintöchter-Melos ist uns ein "Hinweis auf den gemeinsamen ätherischen Sphärenbereich"  gegeben, der "Undinen und Sylphen" umfasst. Rückblickend erhält die Einleitungsmusik moch einen tieferen Gehalt. "Mit dem Weckruf der Jugend beginnend, der ihn einst schon hineingeführt hatte in jene ätherische Bilde-Kräfte-Welt, zeigt sie uns Siegfrieds Weg erneut zurück in jene Sphäre des schaffenden Lebens", der nature naturans. Die Musik nach Siegfrieds und später die nach Brünhildes Tod sagt mehr als alle Worte. Nur soviel: es wird etwas "Neues entstehen, etwas, das der Schöpfung erwachsen wird neben der Welt der Götter, der Elementarwesen, der Riesen- und Zwergenwelt: die Hierarchie Mensch, in der das Irdisch-Geschöpfliche in unauflöslicher Verbundenheit mit seinem Geist-Teil durch die ewige Liebe vereint ist." Vgl. Kurse Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Akademie der Kunst und Philosophie
 
 


Turner-Gotthard-1804

Die Natur in der Kunst der Romantik zeigt sich eindrucksvoll in Gemälden der Maler wie Joseph Mallord William Turner, John Constable, Carl Gustav Carus und Caspar David Friedrich. So revolutionär und unzeitgemäß Turner auch erscheint, so war sein Stil doch weder völlig voraussetzungslos noch abseits des Zeitgeistes. Das Interesse am Unwirklichen in der romantischen Literatur, die Vorliebe der Zeitgenossen für das Aquarell und seine Eignung zu lichtheller Landschaftsdarstellung, die dramatischen Lichteffekte Rembrandts, die atmosphärischen Szenerien Lorrains, die Farbigkeit Thomas Gainsboroughs und die Farbenlehre Goethes flossen in den Malstil Turners ein. Noch 1833 reiste er über Berlin, Dresden, Prag und Wien, um in den großen Museen die Alten Meister zu studieren. Die Sonne selbst, vor Turner kaum einmal als Lichtquelle Gegenstand der Malerei, taucht schon in den frühen Landschaften auf, die meist eine morgendlich oder abendlich beleuchtete Stimmung wiedergeben. Sind hier die Einzelheiten noch eher detailliert ausgeführt und mit Staffagefiguren bevölkert, entmaterialisieren sich die Sujets im Spätwerk immer mehr und die Konturen lösen sich in diffuse Übergänge auf. Ein Minimum an Gegenständlichem ist mit einem Höchstmaß an atmosphärischen Farb- und Helligkeitsabstufungen wiedergegeben. Seine Darstellungsweise war immer Ausdruck von sinnlich Erfahrenem und ebenso sinnlich Wahrzunehmendem. Seine Malweise, vor allem in den Landschaften, bei denen es nicht um topographische Treue ging, folgte keiner peniblen Vorzeichnung. Wie Goethes Farbenlehre die romantische Malerei, so beeinflusste seine Faust-Dichtung die romantische Musik, von Schumann, über Berlioz bis zu Mahler.

Auch in Schumann's Opern zeigt sich die Vertonung der Naturszenen, so z.B. in seinen Szenen aus Goethes Faust. In der zweiten Abteilung wird der Sonnenaufgang in Töne gesetzt ("anmutige Gegend. Faust auf blumigen Rasen gebettet") und der Engel Ariel besingt die geistige Dimension der Natur: "Horchet! Horscht! dem Sturm der Horen! / Tönend wird für Geistesohren / schon der neue Tag geboren. / Felsentore knarren rasselnd, / Welch Getöse bringt das Licht! / Es trompetet, es posaunet, / Auge blitzt und Ohr erstaunet, / Unerhörtes hört sich nicht. / Schlüpfet zu den Blumenkronen, / Tiefer, tiefer, still zu wohnen, / in den Felsen, unter's Laub; / Trifft es euch, so seid ihr taub". Faust hat sich in der Natur erholt, besingt die Elemente der Natur und den Regenbogen als Gleichnis des Lebens: "Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig, / Äther'sche Dämm'rung milde zu begrüßen; / Du Erde warst auch diese Nacht beständig / Und atmest neu erqickt zu meinen Füßen, / Beginnest schon mit Lust mich zu umgeben, / Du regst und rührst ein kräftiges Beschließen, / Zum höchsten Dasein immerfort zu streben. / ... So bleibe denn die Sonne mir im Rücken! / Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend, / Ihn schau' ich an mit wachsendem Entzücken. / Von Sturz zu Sturzen wälzt er jetzt in tausend, / Dann abertausend Strömen sich ergießend, / Hoch in die Lüfte Schaum an Schäume sausend. / Allein, wie herrlich, diesem Sturm ersprießend. / Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer, / Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend, / Umher verbreitend duftig kühle Schauer. / Der spiegel ab das menschliche Bestreben. / Ihm sinne nach, und du begreifst genauer: / Am farbigen Abglanz haben wir das Leben." 

Richard Strauss knüpft mit seinen Naturbeschreibungen wie "Sonnenaufgang", "Eintritt in den Wald", "Wanderung neben dem Bache", "Am Wasserfall", "Auf blumigen Wiesen", "Auf der Alm", "Auf dem Gletscher", "auf dem Gipfel, Vision", "Nebel steigen auf", "Die Sonne verdüstert sich allmählich", "Stille vor dem Sturm", "Gewitter und Sturm", "Sonnenuntergang", "Nacht" aus "eine Alpensymphonie" an Wagner an. 

Im ersten Aufzug der Walküre erklingt später das C-Dur des Schwertmotives, was Siegmunds Blick nach dem Stamm der Eche bannt. Seine Heldenmission: die Gewinnung des Schwertes aus dem Baumstamm der Esche; "oder des metaphorischen Bildes entkleidet: dei Herauslösung des Ich-Bewusstseins aus dem Stammbaum des Blutes." Auch in dem berühmten Lenzlied wird der Augenblick eines neuen Erdzeitalters offenbar. "Dem Frühlingshauch eines erwachenden Selbsterlebens mussten die alten, verbrauchten Winterkräfte eines morsch gewordenen Sippentums weichen." Im zweiten Aufzug ist ein "wildes Felsengebirge" zu sehen; "im Hintergrund zieht sich von unten her eine Schlucht herauf, die auf ein erhöhtes Felsjoch mündet." Es ertönt das Ritt-Motiv und der Walkürenruf. Und es wird klar, dass Wotan durch seine "Einweihungen" ein Wissen empfangen hat, das alle Bewusstseinhorizonte der übrigen Götter weit übersteigt. Man denke an Wotans Freundschaft mit Loge und vor allem an seine Verbindung mit Erda, jenem über der normalen Götterwelt ("Asenwelt") stehenden Bewussteins, dessen Urweisheit Wotan damit zufloss. So ist er der einzige unter den Asengöttern, dessen Blick Vergangenheit und Zukunft, im Rahmen seiner Mission, umgreift und "der den Sinn all der Widersprüchlichkeiten erkennt, die sich notwendig ergeben müssen. Denn er weiß, dass ohne Widersachermacht ein freies Selbstbewusstsein sich nicht bilden kann. Und er weiß auch, dass dies Folgen haben muss. Keiner der Götter kann die Überscahu mit ihm teilen. Nur ein Wesen ist ausersehen, ihm darin zu folgen: der freie, seiner göttlichen Ich-Kraft bewusst gewordener Mensch!" Im dritten Aufzug befinden wir uns auf  "Auf dem Gipfel eines Felsengebirges, rechts begrenzt ein Tannenwald die Szene. Links der Eingang einer Felshöhle, die einen natürlichen Saal bildet: darüber steigt der Fels zu seiner höchsten Spitze auf. Nach hinten ist die Aussicht gänzlich frei; höhere und niedere Felssteine bilden den Rand vor dem Abhange ... Einzelne Wolkenzüge jagen, wie vom Sturm getrieben, am Felsensaume vorbei." Die Walküren sind in voller Waffenrüstung. Man kann sagen, das Geschehen des dritten Aufzugs bringt in die Offenbarung, was geistig bereits entschieden ist. Der Walkürenruf dringt aus allen weiten eines kosmischen Umkreises an unser Ohr. Ein wildes Jauchzen elementarer Urgewalten, in denen die germanische Seele Wotan und sein jagendes Heer anwesend wusste, Schlachten lenkend, Siege erfechtend, Schicksal besiegelnd. "Natürlich ist das, was im Wind dahinsaust, was im Wasser dahinfließt oder zerstiebt, nicht nur das materielle Abbild, das der grobe Verstand sieht, es lebt eben in der manigfaltigsten Weise in Wasser, Luft und Feuer Ätherisches und Astrales der Engel. Die Elemente Wotans, eines Wesens der Erzengel-Hierarchie, waren vorzugsweise jene von Luft und Feuer." Wotans wahrer Wille verschmilzt mit Brünhildes Tat. Und wir erkennen am Ende der Oper, wie es wirklich sein "Herz-Stuck" ist, das sich hier von ihm löst. Und gerade diese Übereinstimmung beider Wesen zeigt uns, dass wir dieses Sich-Lösen nicht als eine Bestrafung, sondern als Opfer des Gottes aufzufassen haben. Bei Wotan handelt es sich nicht um einen Sinneswandel, sondern einem Durchdringen des Gottesbewusstseins zu klarer Erkenntnis um die Weltnotwendigkeit dieses Opfers. Musikalisch werden diese Ereignisse in der großartigen Schluss-Symphonie zum Ausdruck gebracht, mit dem Schlummer- (Waberlohe-) Motiv, dem Schlaf-Motiv und dem Feuerzauber-Motiv. Vgl. Kurse Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Akademie der Kunst und Philosophie
 
 


Caspar David Friedrich, Schwäne im Schilf, Goethe-Museum, Frankfurt

Die Schwäne des Caspar David Friedrich können auf die Musik in Richard Wagner's "Lohengrin, Romantische Oper in 3 Akten" und "Parsifal, Bühnenweihfestspiel in 3 Akten" hinweisen. Hinter der höfischen Kultur und der Gotik spielte sich ein Geisteskampf ab, der um die Seele des Abendlands entbrannt war. Der Islam hatte Spanien erobert, und schob sich über Sizilien und Süditalien, wo sich der Staufenkaiser Friedrich II. stark mit ihm verband, immer mächtiger in die europäische Welt hinein. In den Chroniken des 13. Jahrhunderts und in der Legende der heiligen Elisabeth von Thüringen wird der Sängerkrieg als ein historisches Ereignis behandelt und auf die Jahre 1206 und 1207 datiert. Auf dem Sängerwettstreit hat der Kampf gegen den Arabismus begonnen. Mit dem Erwachen der starken intellektuellen Kräfte geht Hand in Hand die Entfesselung der niederen Minne. Es ist besonders tiefsinnig, dass gerade aus dem gleichen Lande, aus dem der schwarze Magier Klingsor herbeigeholt wird, auch die grosse Heilige (Elisabeth) kommt. Als Magier hat Klingsor seinen Wettstreit zu führen gesucht. Er ist in die schwarze Kunst eingeweiht. "Zu Paris, so hören wir, fand er eine gute Schule; zu Konstantinopel lernte er, aber auch in Bagdad und Babylon war er drei Jahre in Mohammeds Diensten." Gerade der Minnegesang und die ritterliche Epik seiner Zeit waren vom Ungeist der niederen Minne bedroht. "Wie hätte er, neben allen Bewunderern, nicht Feindschaft finden sollen? Sogar ein Gottfried von Straßburg, der in seiner Tristandichtung wohl die Welt der "edlen Herzen" zu verherrlichen wusste, aber die Seelen nicht aus dem Minnezwang heraus zur Befreiung des Herzens hinzuleiten verstand, mischte sich unter die Gegner Wolframs. Er verhöhnte ihn als einen "Erfinder wilder Mären.... Wolfram entlarvt die Sternenweisheit, die arabischen Geistes ist und die Seelen in Unfreiheit bannt." Mit seinem "Lied an den Abendstern" verherrlicht er das Wunder der Venus Urania, der Himmelsliebe, deren Trägerin Elisabeth auf Erden gewesen ist. Verstrickt sich Heinrich von Ofterdingen (bei Wagner Tannhäuser genannt) in ein Gefühls- und Gedankenwirrwarr, kündet Wolfram den Gralsweg. Der Islam hatte damals eine Wissenschaft, aber sie, insbesondere die Sternenkunde, wusste nichts von der Freiheit und dem Wert der einzelnen Menschenseele. Sie kannte wohl Allah, einen Luzifer-Götzen, aber nicht den göttlichen Sohn, der die Menschheit zur Freiheit berufen hatte. Wolfram entlarvt die Sternenweisheit, die islamisch-arabischen Geistes ist und die Seelen in Unfreiheit bannt. 

Richard Wagner hat in seiner Lohengrindichtung dem Grafen Telramund die Gestalt der Ortrud zugesellt als Trägerin des heidnischen Zauberwesens; sie ruft noch die alten Götter an, um  - ähnlich wie der islamische Klingsor - den Kampf gegen die Gralskräfte aufzunehmen. Durch Wagners "Romantische Oper" ist die strahlende Gestalt des Gralsgesandten weithin bekannt geworden. Wagner schreibt an Liszt zur Figur der Gegenspielerin Ortrud: "Sie möchte die Welt und die Natur ausrotten, nur um ihren vermoderten Göttern wieder Leben zu schaffen." Sie ist damit auch die Antagonistin der Gralsritter, die das Christentum gegen den Islam bzw. heidnische Horden aus dem Osten verteidigen. Lohengrin weissagt dem König zum Schluss einen Sieg gegen die Horden aus dem Osten: "Nach Deutschland sollen noch in fernen Tagen / des Ostens Horden siegreich nimmer ziehn!". Auch Etzel, der grosse Hunnenkönig Attila, ist eine über die Jahrhunderte hinaus wirkende Sagengestalt. "Er, der den Bestand des christlichen Abendlandes mit seinen Heerzügen auf das äusserste bedroht hatte, wurde noch immer hinter all dem wirkend empfunden, was bis in spätere Zeiten hinein mit den Einfällen der Ungarn die mitteleuropäische Kultur beunruhigte. Parzival aber und seine über den Tod hinaus wirkende Gegenwart in der Sendung Lohengrins steht als der Garant für das Schicksal des christlichen Abendlandes da. Dieses darf aus dem Reiche der Toten Führung und Schutz erwarten. Die Hüter des Grals sind die mächtigen Beschirmer der christlichen Sendung Europas. Wenn um die Mitte des 13. Jahrhunderts die Lohengrin-Sage volkstümlich gemacht wird, so kann damit eine unmittelbare Parallele zwischen den Hunnen- und Ungarnzügen früherer Jahrhunderte und dem Tatarensturm der Gegenwart empfunden werden. 1241 hatte sich die christliche Ritterschaft Schlesiens dem Ansturm des großen Mongolenheeres entgegengestellt. Sie war dabei in der Schlacht von Liegnitz völlig aufgeopfert worden, aber das Mongolenheer zog sich zurück." Ein rätselhafter Vorgang, hinter dem man das Walten unsichtbarer Mächte zu spüren glaubte. Verdi hat dies eindrucksvoll vertont in seiner Oper "Attila". Die Lohengrin-Dichtung mit ihren ausführlichen Schilderungen der Heldenkämpfe gegen die Ungarn und Sarazenen bzw. Muslime konnte ermutigend wirken für die Ritterschaft, "deren heilige Aufgabe es war, den Schild über die christliche Kultur des Abendlandes zu halten." 

Bereits im "Tristan und Isolde" wurde an manchen Stellen die Tonart As-Dur verwendet; ihre spezifische Verwendung bei Richard Wagner dient der Charakterisierung des Überirdischen und Jungfräulichen, der Hinwendung zum Göttlichen. Im Parsifal wird sie zur Haupt- und Grundtonart. Es kommt auf eine bestimmte Seelenhaltung in bestimmten Situationen an. "Immer dort, wo ihre Seele sich gleichsam zur 'Schale', zum 'Kelch' formt, um ein Höheres, Geistiges zu empfangen - man denke an Elsas Traumerzählung, an die Nachtwache im 'Tristan' oder an die 'Geistberührung', die Evchen durch Sachs empfängt -, ertönt diese Harmonie... Im Parsifal-Vorspiel liegt das Zu-Empfangende im geistigen Gehalt des Liebesmahlspruches." Und das Erklingen der As-Dur-Harmonie nach diesem Wort aus der Höhe kündet von Christus, dem "zentralen Mittelpunktsereignis der ganzen Weltschöpfung". Beim Glaubens-Thema geht es nicht darum, etwas blind zu glauben, wie es von heutigen Klerikern oft gefordert wird, sondern um höchste Erkenntnis. "In diesem Sinne gibt Wagner dem Thema auch eine zweifache Ausdrucksform: ein Weben, das die zartesten Keime der Seele in ätherischen Lichteshöhen zum Erblühen bringt, und gleichzeitig als eine in die Tiefen steigende und in mächtigen Akkorden gefügte Klangarchitektur, aus der man ein durchchristetes Wallhall-Thema heraushören könnte." Im ersten Akt hört man das erste zarte Erklingen eines "makrokosmischen Christuserlebens", das dieser Stelle ihren einmaligen Zauber verleiht; der erste Niederschlag jenes Karfreitagserlebnisses in Wagners Seele. Die Waldes-Melodie, die so unser Herz berührt, "offenbart sich bei genauerem Hinhören als eine Umgestaltung, fast könnte man sagen: Metamorphose des Schmerzens-Motives aus dem Liebesmahlspruch. Wie in der 'wilden Schmerzensnacht' die menschliche Seele webt auch draußen in der Natur die Christusspäre." Auch das Zauber- oder Verführungsmotiv erklingt hier zum ersten Mal. Es wird harmonisch von einem Akkord getragen, den man mit gutem Grund einen "mystischen Akkord" nennt. In seiner Intervallstruktur ist er gestaltgleich mit dem Tristan-Akkord. Das Klingsor-Motiv allerdings erklingt als ein neues Thema. "Die diesem Motiv zugrunde liegenden Harmonien haben etwas Teuflisches; denn jedesmal vor dem Harmoniewechsel ist der Grundton der zu verlassenden Harmonie in eine gänzlich irrationale verminderte (tiefalterierte) Sept umzudeuten, damit die folgende Mollterz entstehen kann." Vom geistig-qualitativen Ton-Erlebnis her betrachtet, bedeuten diese "problematischen Umdeutungen" in Wahrheit einen Missbrauch der Enharmonik. Denn es geht hier nicht um echte Verwandlung, sondern um verwirrende, trügerische Verwechslung, durch die harmonische Sphären beziehungslos nebeneinandergestellt werden. Damit aber charakterisiert dieses Thema die Klingsor-Gestalt, die bei Wagner den abstrakten Arabismus bzw. Islam symbolisiert und der zusammen mit dem mohammedanischen Allah, der eigentliche Luzifer, mit "seinen bösen Künsten" im Mittelalter die Gralsritter bekämpfte. Alberichs Fluch und das Klingsor-Motiv stehen beide in b-Moll. Allerdings liegt zwischen beiden ein gewaltiger Unterschied. Was im "Ring" unverrückbare Notwendigkeit war, Weltenschicksal, dem Siegfried nicht entgehen konnte, wird hier zu einer Tat des Menschen, der keine Zwangsläufigkeit innewohnt. Jeder kann sich heute frei entscheiden, ob er als Gralsritter für das Christentum streitet oder ob er sich von islamischen "Geistlichen" einlullen lässt und mit Klingsor gegen das Christentum kämpft. Die Wiedergewinnung des Speers heißt ja, dass sich das Ich aus der Scheinwelt der Sinne und des islamischen Truges befreit, die Egoität überwindet und sich seiner wahren Wesensnatur gemäß verwirklicht. Klingsors Macht ist letztlich die Ohnmacht der Ritterschaft, so wie die christlichen Würdenträger heute nur noch damit beschäftigt sind Missbrachsfälle aufzuklären und zumindest in Europa so ohnmächtig sind, dass sie dem Islamismus nichts entgegenzusetzen haben. Parsifals Weg führt ihn in den Umkreis der Gralsburg, in den "heiligen Hain", der von makrokosmischen Christuskräften erfüllt ist, wie uns das Thema der "Waldesmorgenpracht" offenbart. Zur berühmten Verwandlungsszene sagt Wagner selbst: "In diesem Interess hatte die Vorüberführung einer wandelnden Szene durchaus nicht als, wenn auch noch so künstlerisch ausgeführter, dekorativ-malerischer Effekt zu wirken, sondern, unter der Einwirkung der die Verwandlung begleitenden Musik, sollten wir, wie in träumerischer Entrückung, eben nur unmerklich die 'pfadlosen' Wege zur Gralsburg geleitet werden, womit zugleich die sagenhafte Unauffindbarkeit derselben für Unberufene in das Gebiet der dramatischen Vorstellung gezogen war." 

Das Bühnenbild im zweiten Aufzug zeigt Klingsors Schloss. Die Neuinszenierung des Parsifal 2023 in Bayreuth von Jay Scheib ist mit Ausnahme der "augmented Reality" recht gut gelungen, was natürlich auch an StarsängerInnen wie Elina Garanca als Kundry, Georg Zeppenfeld als Gurnemanz und Pablo Heras-Casado als Dirigent liegt. Die Regie lässt Klingsor quasi als Zuhälter mit einer Horde von Prostituierten in einem von Muslim-Clans dominierten Stadtteil erscheinen, in dem die Männer ihre Frauen nur verschleiert herum laufen lassen. Kundry trägt anfangs ein islamisches Kopftuch, schliesslich ist sie ja Muslimin, die erst später von Parsifal getauft wird, als das Reich des Zuhälters Klingssor längst zusammengebrochen ist. Uwe Eric Laufenberg mit seiner Neuinszenierung des Parsival 2016 hatte den zweiten Akt durchaus so inszeniert wie es Wagner in den späteren Angaben über den Zaubergarten Klingsors vorgesehen hatte: Die Architektur solle man sich "im arabischen Stil" vorstellen. Bei Wagner heisst es im zweiten Akt wörtlich: "Tropische Vegetation, üppigste Blumenpracht; nach dem Hintergrunde zu Abgrenzung durch die Zinne der Burgmauer, an welche sich seitwärts Vorsprünge des Schlossbaues selbst, arabischen reichen Stiles, mit Terrassen anlehnen... Von allen Seiten her, zuerst aus dem Garten, dann aus dem Palaste, stürzen wirr durcheinander, einzeln, dann zugleich immer mehr schöne Mädchen herein; sie sind mit flüchtig übergeworfenen, zartfarbenen Schleiern verhüllt". Laufenberg hat konsequenterweise die Blumenmädchen erst ganzkörperverschleiert und dann in Bauchtänzerinnen verwandelt. Die islamische Welt wird mit der des Klingsor, also der Welt des Widersachers und Antichristen assoziiert. Parsifal tritt mit moderner Kampfausrüstung auf die Bühne - vor allem im Kampf gegen antichristliche Bestrebungen im Islam. Dennoch geht es auch um "Erlösung dem Erlöser", das heisst Rettung des wahren Christentums aus den Händen des konfessionellen Christentums. Diese Inszenierung kam beim Publikum gut an, nicht zuletzt auch wegen der Sänger Klaus Florian Vogt als Parsifal, Georg Zeppenfeld als Gurnemanz, Elena Pankratova als Kundry sowie den Blumenmädchen. Auch 2017 war wieder ein Erfolg. Wie 2016 siedelt der Regisseur Uwe Eric Laufenberg die Gralsritter im muslimischen Kriegsgebiet an. Der Gegenspieler der Gralsritter und des Parsifal ist Klingsor; "er herrscht über ein orientalisches Lustbad und sammelt Kruzifixe als phallische Trophäen." Parsifal zerbricht Klingsors Speer und hält ihm das Kreuz entgegen, als banne er eine finstere Macht, nämlich Klingsors oder Mohammeds finstere Welt des Islam. Wenn Parsifal Klingsors Lustgarten zum Einsturz bringt, steht das für das Einstürzen des Zentrums der finsteren Macht, des "gewaltigen dogmatisch-kitschigen Erinnerungsbusiness" in Mekka. Auch Wagners Götterdämmerung kann man als Untergang der alten Götterwelt, inkl. der des Islams ("Allah-Dämmerung"), bezeichnen. Klingsor tritt als eine Art Zuhälter auf, die Blumenmädchen, insbesondere Kundry sind seine Haremsdamen. In Kundry wird die "widergöttliche Dämonie dann ins Menschliche heruntergetragen", sie stellt "diese namenlose von Luzifer ergriffene und korrumpierte Welt des Geschöpfseins" dar. Ähnlich wie Hagen aus der Götterdämmerung hasst Klingsor die "Frohen", wie Alberich wird er zum Widerpart alles Lichten, wird ebenfalls zum Repräsentanten eines teuflischen, also "ahrimanischen Prinzips".

In der Blumenmädchenszene wird das Kose-Motiv in As-Dur gespielt und weist auf den nicht zu übersehenden Zusammenhang, der zwischen den von der sprossenden Natur ausstrahlenden Wirkung und jenen des Heiligen Grales besteht. "In beiden Fällen haben wir es mit ätherischen Lebenskräften zu tun. Und die Musik offenbart uns, was in den Gralsmysterien immer gewusst wurde: dass hinter den Lebenskräften der Natur und jenen des Heiligen Grales dieselbe Göttlichkeit steht: der 'Lebensgeist' des zweiten Paradiesbaumes, der in vorchristlicher Zeit als paradiesischer Nachklang in den Wirkenskräften der Göttin Freya verehrt wurde, durch die Menschwerdung Christi aber zur Erde gebracht, nunmehr dem Heiligen Gral entströmt." Kundry, die Parsifal verführen soll, bringt ihn zur Selbsterkenntnis und spricht dies auch aus: "Bekenntnis / Wird Schuld in Reue enden, / Erkenntnis / In Sinn die Torheit wenden." Musikalisch gesprochen, läuft es auf den "mystischen Akkord" hin, dem eigentlichen Ziel der ganzen bisherigen Entwicklung. "Der 'mystische Akkord' entspricht in seiner musikalischen Stellung und Lage genau dem 'Tristan-Akkord', wie er gleich zu Beginn des Vorspieles zum Tristan-Drama erklingt. Was in Parsifals Seele gleichzeitig entbunden wird, ist also die ganze Leidens- und Sehnsuchtswelt Tristans." Die Erfüllung dieses Sehnens ist nur möglich, wenn das Ich sich von der alten Götterwelt, zu der auch der Islam zählt, bzw. dem Atheismus abwendet um ein höheres Dasein zu gewinnen. "Diese Wahrheit hat Wagner während der Arbeit an den 'Meistersingern' gefunden. Im 'Parsifal' wird sie Nachvollzug der Erlösungstat von Golgatha." Die dritte Stufe seiner Erkenntnisleiter erhellt sich ihm nicht durch den Muezzinruf, wie die Kölner Kultubanausin und Oberbürgermeisterin uns glauben machen will, sondern der "Weckruf des Grals-Themas, von Trompeten und Posaunen feierlich intoniert, führt ihn der göttlichen Welt entgegen." Ihm wird bewusst, dass der "Speer in Klingsors Hand" nicht bleiben darf. Erst das vom Atheismus oder Islam befreite Ich, d.h. "der aus der Fessel Kligsors entwundene Speer" ist das wahre Ich. Deshalb ist Parsifals Erkenntnis so wichtig, dass die Wiedergewinnung des "Speeres" nicht Niederzwingung oder Eliminierung jener Kundry-Natur bedeuten kann, sondern deren Verwandlung, wie der Islam nur dazu da ist, die Muslime und Atheisten zu motivieren, sich zu Christen zu verwandeln. Es ist also nicht abwegig den Islam mit Allah, dem Widersacher oder "Klingsor als Vollstrecker eines heiligen Willens zu erkennen." Musikalisch wird dieser Zusammenhang von drei tremolierten "mystischen Akkorden" getragen, die über einen Orgelpunkt chromatisch in die Tiefe sinken. "Christus - das Urbild dieses hohen Ich - zwingt nicht; er lässt den Menschen frei, auch wenn diese Freiheit ein Entfallen aus seiner eigenen Wesenssphäre bedeutet. Der Christus-Sphäre entfallen heißt aber, automatisch in den Bereich gelangen, in dem der Widersacher 'Fürst dieser Welt ist'. Insofern ist es letztlich diese Chistusshäre selbst, die der Klingsor-Tat Raum gewährt." In der Kunst wurde dies vielfach dargestellt. 

Von einem Wandlungsprozess kündet das Vorspiel des dritten Aufzugs. Das "Motiv der Öde" signalisiert eine Gegend, in der früher die islamische Burg Klingsors stand; auf die heutige Zeit übertragen könnte es auch bedeuten eine Gegend, in der früher der Islam herrschte wie in den Kriegsgebieten des nahen Ostens.  "Das Auseinanderklaffen zwischen Geistesflug und Erdenleib erfordert einen langen Prozess der Läuterung und allmähliche Assimilierung des Irdisch-Physischen an das Geistige. Denn auf dem Weg aus diesem Erdental darf das Irdisch-Leibliche, eben 'Kundry', nicht zurückgelassen werden. Eine völlige Verwandlung der Kundry-Welt fordert der Zukunftsweg Parsifals, eine Verwandlung, die Mensch und Natur bis in die physische Stofflichkeit hinein ergreift." Gerade in dieser Auseinandersetzung zeigt sich der grundlegende Unterschied zwischen den mittelalterlichen Dichtungen wie Parsifal und Tristan, die aus der "Gemütsseele" heraus geschrieben wurden und Wagners Neuschöpfungen, die in der "Bewusstseinseele" wurzeln. Zur Szene, in der Parsifal mit dem Speer erscheint, schreibt Lorenz: "Es hat wohl noch kein Tonsetzer gewagt, einen Melodieton (Orgelpunkt ist etwas anderes) so lange aushalten zu lassen. Wieder ein Beweis des beispiellos mächtigen musikalischen Atems des Meisters." Metaphysisch bestätigt die Musik die Verbindung Parsifals mit dieser vergänglichen, den Todeskräften preisgegebenen Geschöpf-Natur, also sein Wandeln in dieser Welt der Geistesferne und Verlassenheit. Im cis, das Endton der Zauber-Motivik und gleichzeitig Anfangston des nun ertönenden Mitleids- bzw Blick-Motives ist, liegt musikalisch der wichtige Hinweis, dass die tragende und ungebrochene Seelenkraft dieses Parsifal-Weges die "Nachfolge jener Liebeskraft ist, die durch die 'Heiland-Klage' zu Parsifal spricht... Was der dritte Akt im Bilde bringt, ist fernste Menschheitszukunft." Das Mitleid Parsifals ist aber mehr als bloßes Mitgefühl. "Das Mitleid Christi war umfassendes Welten-Schmerzerleben. Es umfing alles, was in der Welt des Vaters bis zum Ereignis der Zeitenwende von der Menschheit durchlitten ward. Christi Passion, sein Sühnetod schufen erst die Möglichkeit, in der Nachfolge dieses urbildlichen Erleidens, selbst zum Träger dieser höchsten Mitleidskraft zu erwachsen. So stellt das Mitleid eine besondere Steigerung der Liebe dar, die keineswegs von Anbeginn auf der Erde zu finden war, die zu gewinnen und zu verwirklichen jedoch eines der großen Ziele dieser Erdenentwicklung ist." In Wagners Ring-Tetralogie war es Brünhilde, die zum erstenmal im heidnischen Götterkreis Mitgefühl empfand, als sie todverkündend vor Siegmund stand. Seit Christus geht es um die Erringung eines "Herzens-Wissens", in dem Liebe zum Licht einer "entluziferisierten Erkenntnis" wird. 

Das Blumenaue-Motiv erinnert an das Waldweben im "Siegfried", was ein erster musikalischer Hinweis dafür ist, "dass die Christus-Kraft nun auch die ganze Natur durchflutet... So wird das Blumenaue-Thema auch zu einem durchchristeten Freya-Motiv." Der "Karfreitagszauber" spricht aus, wie die vergängliche Welt der Dinge voll Hoffnung auf den Menschen blickt, von dem sie sich ein Unvergängliches erwartet, nicht zuletzt auch, dass sich der Mensch um das Wohl der Tiere und der gesamten Erde kümmere, statt sie zu ruinieren und Tiere zu drangsalieren und durch Massentierhaltung und Gentechnik zu quälen, wie auch Schopenhauer anmahnt. 

Parsifal tritt in ein Mysterium ein, "in die unsichtbare Gralsburg, die jedoch eine geistige, urbildliche Realität ist... Künstlerisch lässt sich dasjenige, was bereits zur Gänze der überirdischen Seinssphäre angehört, nur im Bild darstellen: die Heilung des Amfortas, die Entsühnung der Kundry-Welt und damit die Wiedergewinnung eines verlorenen Paradieses." Die Wissenschaft hat inzwischen bestätigt, dass klassische Musik einen positiven Effenkt auf Menschen und Tiere ausübt. Das gilt von Mozarts und Haydns Musik und besonders auch von Wagners Musik. Das Geheimnis der klassischen Musik, insbesondere der Wagner'schen Musik, ist es nach Steiner, bestimmte Schwingungen im "Ätherleib" zu erzeugen. "Man braucht die Dinge gar nicht wirklich zu verstehen, aber man bekommt ihre wohltätigen Wirkungen durch den Ätherleib. Der Ätherleib hängt mit allen Wallungen des Blutes zusammen. Richard Wagner hat das Geheimnis des gereinigten Blutes verstanden. In seinen Melodien liegen die Schwingungen, die im Ätherleibe des Menschen sein müssen, wenn er sich so läutert, wie es nötig ist, um das Geheimnis des Heiligen Grales zu empfangen. Es handelt sich bei Richard Wagners Schaffen um eine religiöse Vertiefung der Kunst, zuletzt aber um ein tiefes Verständnis des Christentums. Er wusste, dass in der musikalischen Gestalt das Christentum am besten zum Vorschein kommen kann." Vgl. Kurse Nr. 559 Wolfram von Eschenbach, Nr. 634 Hans Sachs, Nr. 662 Gottfried von Strassburg, Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Akademie der Kunst und Philosophie
 
 

Romantische Kunst und Philosophie
Akademie der Kunst und Philosophie / Academy of Arts and Philosophy
DI. M. Thiele, President and international Coordinator
M. Thiele College of Beetherapy / Academy of Arts and Philosophy / Sciences

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Zur Philosophie und Kulturgeschichte von Byzanz, des Mittelalters, der Schule von Chartres, der Renaissance, des Barock, der Aufklärung, des Idealismus, der Romantik vgl. Kurse:Nr. 551 G.W.F. Hegel I, Nr. 660 G.W.F. Hegel II, Nr. 511 Johann Gottlieb Fichte I, Nr. 658 Johann Gottlieb Fichte II, Nr. 509 F.W.J. Schelling I, Nr. 510 F.W.J. Schelling II, Nr. 513 F.W.J. Schelling III, Nr. 505 Arthur Schopenhauer I-II, Nr. 663 Arthur Schopenhauer III, Nr. 531 Platon, Nr. 533 Aristoteles, Nr. 623 Johann Ludwig Wilhelm Müller, Nr. 020 Johann Wolfgang von Goethe I-II, Nr. 673 Johann Wolfgang von Goethe III, Nr. 553 Friedrich Schiller I-II, Nr. 675 Friedrich Schiller III, Nr. 554 Friedrich Hölderlin I-II, Nr. 512 Novalis I, Nr. 671 Novalis II, Nr. 677 Jean Paul, Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Nr. 630 Johann Ludwig Tieck, Nr. 631 Adelbert von Chamisso, Nr. 567 Gottfried Wilhelm Leibniz, Nr. 665 Molière, Nr. 622 Victor Hugo I, Nr. 674 Victor Hugo II, Nr. 629 Voltaire I-II, Nr. 679 Laurence Sterne, Nr. 621 Lord Byron I, Nr. 676 Lord Byron II, Nr. 628 Percy Bysshe Shelly, Nr. 561 Sir Walter Scott, Nr. 555 Angelus Silesius, Nr. 634 Hans Sachs, Nr. 619 Franz Werfel, Nr. 680 Nikos Kazantzakis, Nr. 588 Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Nr. 550 Fjodor M. Dostojewskij I-II, Nr. 506 Wladimir Sergejewitsch Solowjow, Nr. 664 Philosophie der Kunst, Nr. 661 Philosophie der Geschichte I, Nr. 686 Philosophie der Geschichte II, Nr. 687 Philosophie der Geschichte III, Nr. 687 Philosophie der Geschichte IV, Nr. 687 Philosophie der Geschichte V, Nr. 659 Wissenschaftslehre I, Nr. 666 Wissenschaftslehre II, Nr. 681 Wissenschaftslehre III, Nr. 682 Wissenschaftslehre IV, Nr. 683 Wissenschaftslehre V, Nr. 684 Wissenschaftslehre VI, Nr. 685 Wissenschaftslehre VII, Nr. 545 Sittenlehre I-II, Nr. 614 Sittenlehre III, Nr. 544 Staats- und Rechtslehre I-II, Nr. 641 Staats- und Rechtslehre III, Nr. 644 Staats- und Rechtslehre IV, Nr. 655 Staats- und Rechtslehre V, Nr. 618 St. Ephraim der Syrer, Nr. 617 St. Cyrill von Alexandrien, Nr. 616 St. Gregor von Nazianz, Nr. 613 St. Gregor von Nyssa, Nr. 612 St. Johannes Chrysostomos, Nr. 611 St. Johannes Cassianus, Nr. 627 St. Basilius der Große, Nr. 625 Theodorus Abucara, Nr. 624 Byzantinische Wissenschaft / Philosophie, Nr. 653 St. Cyprianus, Nr. 609 St. Athanasius der Große, Nr. 605 St. Irenaeus von Lyon, Nr. 604 St. Hildegard von Bingen, Nr. 600 St. Johannes von Damaskus, Nr. 599 St. Petrus Venerabilis, Nr. 581 Bernhard von Chartres, Nr. 580 Wilhelm von Conches, Nr. 578 Pierre Abaelard, Nr. 574 Johannes von Salisbury, Nr. 577 Petrus Lombardus, Nr. 576 Gilbert de la Porrée / Gilbert von Poitiers, Nr. 565 Johannes Scotus Eriugena, Nr. 575 Thierry de Chartres, Nr. 571 Alanus ab Insulis, Nr. 572 Anselm von Canterbury, Nr. 570 St. Hilarius von Poitiers, Nr. 568 Nicolaus Cusanus I, Nr. 568 Nicolaus Cusanus II, Nr. 568 Nicolaus Cusanus III, Nr. 564 St. Ambrosius, Nr. 564 St. Augustinus I, Nr. 601 St. Augustinus II, Nr. 654 St. Augustinus III, Nr. 579 St. Albertus Magnus, Nr. 500 St. Thomas von Aquin I, ScG, Nr. 501 St.Thomas von Aquin II,  Sth I., Nr. 502 St.Thomas von Aquin III, Sth. I-II, Nr. 582 St.Thomas von Aquin IV, Sth II-II, Nr. 583 St.Thomas von Aquin V, Sth. III, Nr. 566 Meister Eckhart, Nr. 562 Dante Alighieri I-II, Nr. 672 Dante Alighieri III, Nr. 558 Calderón de la Barca, Nr. 648 Calderón de la Barca II, Nr. 650 Calderón de la Barca III, Nr. 651 Calderón de la Barca IV, Nr. 563 Miguel de Cervantes I, Nr. 645 Miguel de Cervantes II, Nr. 637 Lope de Vega I, Nr. 638 Lope de Vega II, Nr. 642 Lope de Vega III, Nr. 643 Lope de Vega IV, Nr. 652 Juan Ruiz de Alarcón, Nr. 632 Ginés Pérez de Hita, Nr. 633 Luis Vaz de Camões, Nr. 678 François Rabelais, Nr. 557 Ludovico Ariosto I-II, Nr. 668 Ludovico Ariosto III, Nr. 556 Torquato Tasso, Nr. 552 William Shakespeare I-II, Nr. 559 Wolfram von Eschenbach, Nr. 560 Walter von der Vogelweide, Nr. 662 Gottfried von Strassburg, Akademie der Kunst und Philosophie / Académie des sciences

Nr. 320 Romanische Kunst und Architektur, Nr. 350 Byzantinische Kunst und Architektur, Nr. 325 Kunst und Architektur der Gothik, Nr. 326 Kunst und Architektur der Renaissance, Nr. 586 Tizian, Nr. 591 Paolo Veronese, Nr. 597 Correggio, Nr. 670 Annibale Carracci, Nr. 520 Rembrandt, Nr. 598 El Greco, Nr. 620 Giovanni Battista Tiepolo, Nr. 590 Giovanni Bellini, Nr. 656 Andrea Solari, Nr. 657 Bernadino Luini, Nr. 587 Andrea Mantegna, Nr. 595 Jan van Eyck, Nr. 635 Rogier van der Weyden, Nr. 640 Stefan Lochner, Nr. 646 Michael Pacher, Nr. 647 Peter Paul Rubens, Nr. 649 Giotto di Bondone, Nr. 626 Luca Signorelli, Nr. 610 Piero della Francesca, Nr. 596 Perugino, Nr. 522 Raffael (Raffaello Sanzio), Nr. 523 Sandro Botticelli, Nr. 602 Benozzo Gozzoli, Nr. 606 Fra Angelico, Nr. 607 Pinturicchio, Nr. 608 Domenico Ghirlandaio, Nr. 593 Filippo Lippi, Nr. 594 Filippino Lippi, Nr. 589 Albrecht Dürer, Nr. 603 Bernard van Orley, Nr. 615 Ambrogio da Fossano detto il Bergognone, Nr. 636 Eugène Delacroix, Nr. 639 Bartolomé Esteban Murillo, Akademie der Kunst und Philosophie



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Letzte Bearbeitung:15.11.2024