Akademie der Kunst und Philosophie | Academy of Arts and Philosophy
 Académie des sciences | Academia de Artes y Filosofía | Accademia del Arte e Filosofia
 

 

Nr. 574  Johannes von Salisbury - Philosopher of Middle Ages 


On wrong Philosophy and how to improve
Domenico Ghirlandaio - Preaching of St John the Baptist

 

 
 
 
 
 

 

Aus dem Inhalt:

Johannes von Salisbury wurde zwischen 1115 und 1120 in der Nähe von Salisbury geboren. Um das Jahr 1136 begann Johannes seine Studien bei Wilhelm von Conches, Gilbert von Poitiers, Thierry von Chartres und sogar Peter Abaelard. Im Jahr 1147 schloss er seine Studien in Theologie ab und trat nach Priesterweihe und kurzer Tätigkeit für seinen Freund Abt Peter von Celle in die Verwaltung des Erzbischofs Theobald von Canterbury ein. Dort arbeitete er als Rechtsberater, Gesandter und Sekretär.

Als Theobald 1162 starb, setzte Johannes seine Tätigkeiten unter Thomas Becket fort, fiel im Rahmen des Streits mit Heinrich II. aber bald in Ungnade und musste seinem Dienstherrn 1163 ins französische Exil vorauseilen. Erst 1170 kehrte er nach Canterbury zurück, nur kurz vor der Ermordung Thomas Beckets am 29. Dezember 1170, deren Augenzeuge er wird. Ab 1174 war er als Schatzmeister in Exeter tätig, bevor er 1176 auf den Bischofsstuhl von Chartres gewählt wurde. Er starb am 25. Oktober 1180 und liegt in der Klosterkirche von Notre-Dame-de-Josaphat begraben. Als Autor trat Johannes erstmals 1157 mit seinem Lehrgedicht Entheticus de dogmate philosophorum in Erscheinung, das er wohl in den zwei vorausgehenden Jahren verfasst hatte. Es handelt sich dabei um eine Verteidigung der trivialen Bildung in Form eines Plädoyers für antike Literatur und Philosophie. Zwei Jahre später griff er in seinem Metalogicon dieses Thema nochmals auf, dehnt seine Ausführungen dabei aber auch auf Einsichten in den Lehr- und Studienbetrieb seiner Zeit aus. Im zeitgleich verfassten Policraticus (1156–59) entwarf er eine organologische Staats- und Gesellschaftstheorie, die auf Analogien zwischen menschlicher Anatomie und dem idealen Aufbau eines Staates beruht. Ursprünglich als Fürstenspiegel gedacht, wird das Werk oft als „erste große Staatstheorie des Mittelalters“ bezeichnet. Inhaltlich sollte Thomas Becket auf seine geistlichen Pflichten als Reichskanzler aufmerksam gemacht werden. Als Fürstenspiegel behielt der Policraticus bis ins 17. Jahrhundert hinein Bedeutung. Im ersten Teil kritisierte Johannes die Unsitten, die sich am Hof breitmachten und zeigt die eigentlichen Pflichten der Vertreter des Staates auf. Mit dem zweiten Teil wollte er eine Anleitung zur Tugend und zur wahren Glückseligkeit bieten. Er behandelt verschiedene antike philosophische Ansätze, will aber stets die philosophischen Lehren mit den Einsichten des Christentums verbinden. Mit der Historia Pontificalis von 1163 liegt auch ein historiographisches Werk von ihm vor, in dem er sich mit seiner Zeit als Papstgesandter und dem Reimser Konzil von 1148 bis 1152 befasst. Aus demselben Jahr stammt auch die Vita Anselmi, die er zur Kanonisierung des Scholastikers Anselm von Canterbury verfasst. Sein letztes selbst verfasstes Werk ist ein schriftlicher Bericht zu den Todesumständen von Thomas Becket, die Vita Sancti Thomae. Zudem liegt eine zweibändige Edition seiner umfangreichen Korrespondenz aus den Jahren 1153–1161 und 1163–1180 vor. Aus seiner Zeit als Bischof von Chartres 1176–1180 sind keine weiteren Schriften bekannt. Philosophische und theologische Positionen: Im Universalienstreit näherte Johannes von Salisbury sich den Auffassungen des Aristoteles. Universalien hätten ihm zufolge keine selbständige Existenz, sondern seien mentale Vorstellungen von wirklichen Gattungen. Bekannt ist Salisbury auch für seine vehementen Attacken gegen die von ihm Cornificianer genannten Bildungspragmatiker, die etwa seit Ende des 11. Jahrhunderts Einfluss auf Bildungskanon und Bildungspolitik nehmen wollten. Speziell im Entheticus de dogmate philosophorum und im Metalogicon finden sich explizite Aussagen gegen die Cornificianer und zur Verteidigung des Triviums. 

Wenn die Möglichkeit der Dinge nicht eingeschränkt wäre, könnte es keinen Wesensgrund der Dinge geben; alles wäre, wie Epikur fälschlicherweise annahm, durch Zufall da. Damit diese Welt sinnvoll aus der Möglichkeit hervorgehe, war es notwendig, dass die Möglichkeit nur zum Sein dieser Welt entsprechend geeignet war. [1]

Wenn es auch den Anschein hat, als ob "Einheit" dem Namen des Größten ziemlich nahe käme, so bleibt er doch vom wahren Namen des Größten, der das Größte selbst ist, unendlich weit entfernt. Alle Aussagen der affirmativen Theologie ("theologia affirmativa") über Gott gründen in Gottes Bezug zu den Geschöpfen. "Das gilt auch für die hochheiligen Namen, die sich bei den Hebräern und Chaldäern finden, und in denen tiefste Geheimnisse der Gotteserkenntnis verborgen liegen." [2]

Im Hinblick auf die Geschöpfe gaben die Heiden Gott mannigfache Namen. "Sie nahmen das sinnenfällig Bekannte als Hinweis auf die Ursache und den Ursprung. Dadurch wurden die einfachen Menschen des Volkes irregeleitet. Sie nahmen die Einfaltung nicht als Bild, sondern für die Wahrheit. So kam der Götzendienst ins Volk, während die Weisen meist über die Einheit Gottes richtig dachten." Manche Heiden abstrahierten, wie die Moslems, was aber an dem Grundirrtum nichts ändert. [3]

"Manche glaubten auch, man könne Gott beschwören. Darunter haben einige ihn in der Gestalt von Engeln beschworen, wie die Sissenier. Die Heiden beschworen ihn in Bäumen, wie man es vom Sonnen- und Mondbaum lesen kann. Wieder andere beschworen ihn in der Luft, im Wasser oder in Tempeln mit Hilfe von bestimmten Anrufungen. Wie sehr sie alle in die Irre gingen und weit von der Wahrheit sich entfernten, das erweisen unsere früheren Überlegungen." - Nicolaus Cusanus, De docta I, 25
Die Verehrung Gottes will aber "im Geist und in der Wahrheit (in spiritu et veritate)" angebetet werden, sonst würde man ihn als Geschöpf anbeten. "Eine solche Gottesverehrung aber ist Gotzendienst, der dem Bilde gibt, was nur der Wahrheit gebührt." Es gilt dem "größten dreieinigen Gott in seiner unendlichen Güte je nach dem Rang der Wissenschaft" nahe zu kommen und ihn zu preisen. [4]
 

Anmerkungen

[1] Johannes von Salisbury, Entheticus 579; Pierre Abaelard, Dialect II, 2, 9;  vgl. Kurse Nr. 568 Nicolaus Cusanus - Renaissance Philosopher II, Nr. 578 Pierre Abaelard, Nr. 574 Johannes von Salisbury. Ib.
[2] Pierre Abaelard, Logica; Thierry von Chartres, Lectiones de trinitate II, 53 und IV, 10; vgl. Kurse Nr. 568 Nicolaus Cusanus - Renaissance Philosopher II, Nr. 578 Pierre Abaelard , Nr. 575 Thierry de Chartres, Ib.
[3] vgl. Kurse Nr. 500 Thomas von Aquin I: Summa contra Gentiles , Nr. 570 Hilarius von Poitiers, Nr. 568 Nicolaus Cusanus - Renaissance Philosopher II, Nr. 568 Nicolaus Cusanus - Renaissance Philosopher I, Ib.
[4] Ib.
 
 


Gilbert de la Porrée (1076–1154)
 
 

Akademie der Kunst und Philosophie / Academy of Arts and Philosophy
DI. M. Thiele, President and international Coordinator
Beetherapy / Academy of Sciences

Allgemeine Infos zur Akademie der Kunst und Philosophie und den Kursen
Registration form

Zur Philosophie und Kulturgeschichte von Byzanz, des Mittelalters, der Schule von Chartres, der Renaissance, des Barock, der Aufklärung, des Idealismus, der Romantik vgl. Kurse:Nr. 551 G.W.F. Hegel I, Nr. 660 G.W.F. Hegel II, Nr. 511 Johann Gottlieb Fichte I, Nr. 658 Johann Gottlieb Fichte II, Nr. 509 F.W.J. Schelling I, Nr. 510 F.W.J. Schelling II, Nr. 513 F.W.J. Schelling III, Nr. 505 Arthur Schopenhauer I-II, Nr. 663 Arthur Schopenhauer III, Nr. 531 Platon, Nr. 533 Aristoteles, Nr. 623 Johann Ludwig Wilhelm Müller, Nr. 020 Johann Wolfgang von Goethe I-II, Nr. 673 Johann Wolfgang von Goethe III, Nr. 553 Friedrich Schiller I-II, Nr. 675 Friedrich Schiller III, Nr. 554 Friedrich Hölderlin I-II, Nr. 512 Novalis I, Nr. 671 Novalis II, Nr. 677 Jean Paul, Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Nr. 630 Johann Ludwig Tieck, Nr. 631 Adelbert von Chamisso, Nr. 567 Gottfried Wilhelm Leibniz, Nr. 665 Molière, Nr. 622 Victor Hugo I, Nr. 674 Victor Hugo II, Nr. 629 Voltaire I-II, Nr. 679 Laurence Sterne, Nr. 621 Lord Byron I, Nr. 676 Lord Byron II, Nr. 628 Percy Bysshe Shelly, Nr. 561 Sir Walter Scott, Nr. 555 Angelus Silesius, Nr. 634 Hans Sachs, Nr. 619 Franz Werfel, Nr. 680 Nikos Kazantzakis, Nr. 588 Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Nr. 550 Fjodor M. Dostojewskij I-II, Nr. 506 Wladimir Sergejewitsch Solowjow, Nr. 664 Philosophie der Kunst, Nr. 661 Philosophie der Geschichte I, Nr. 686 Philosophie der Geschichte II, Nr. 687 Philosophie der Geschichte III, Nr. 687 Philosophie der Geschichte IV, Nr. 687 Philosophie der Geschichte V, Nr. 659 Wissenschaftslehre I, Nr. 666 Wissenschaftslehre II, Nr. 681 Wissenschaftslehre III, Nr. 682 Wissenschaftslehre IV, Nr. 683 Wissenschaftslehre V, Nr. 684 Wissenschaftslehre VI, Nr. 685 Wissenschaftslehre VII, Nr. 545 Sittenlehre I-II, Nr. 614 Sittenlehre III, Nr. 544 Staats- und Rechtslehre I-II, Nr. 641 Staats- und Rechtslehre III, Nr. 644 Staats- und Rechtslehre IV, Nr. 655 Staats- und Rechtslehre V, Nr. 618 St. Ephraim der Syrer, Nr. 617 St. Cyrill von Alexandrien, Nr. 616 St. Gregor von Nazianz, Nr. 613 St. Gregor von Nyssa, Nr. 612 St. Johannes Chrysostomos, Nr. 611 St. Johannes Cassianus, Nr. 627 St. Basilius der Große, Nr. 625 Theodorus Abucara, Nr. 624 Byzantinische Wissenschaft / Philosophie, Nr. 653 St. Cyprianus, Nr. 609 St. Athanasius der Große, Nr. 605 St. Irenaeus von Lyon, Nr. 604 St. Hildegard von Bingen, Nr. 600 St. Johannes von Damaskus, Nr. 599 St. Petrus Venerabilis, Nr. 581 Bernhard von Chartres, Nr. 580 Wilhelm von Conches, Nr. 578 Pierre Abaelard, Nr. 574 Johannes von Salisbury, Nr. 577 Petrus Lombardus, Nr. 576 Gilbert de la Porrée / Gilbert von Poitiers, Nr. 565 Johannes Scotus Eriugena, Nr. 575 Thierry de Chartres, Nr. 571 Alanus ab Insulis, Nr. 572 Anselm von Canterbury, Nr. 570 St. Hilarius von Poitiers, Nr. 568 Nicolaus Cusanus I, Nr. 568 Nicolaus Cusanus II, Nr. 568 Nicolaus Cusanus III, Nr. 564 St. Ambrosius, Nr. 564 St. Augustinus I, Nr. 601 St. Augustinus II, Nr. 654 St. Augustinus III, Nr. 579 St. Albertus Magnus, Nr. 500 St. Thomas von Aquin I, ScG, Nr. 501 St.Thomas von Aquin II,  Sth I., Nr. 502 St.Thomas von Aquin III, Sth. I-II, Nr. 582 St.Thomas von Aquin IV, Sth II-II, Nr. 583 St.Thomas von Aquin V, Sth. III, Nr. 566 Meister Eckhart, Nr. 562 Dante Alighieri I-II, Nr. 672 Dante Alighieri III, Nr. 558 Calderón de la Barca, Nr. 648 Calderón de la Barca II, Nr. 650 Calderón de la Barca III, Nr. 651 Calderón de la Barca IV, Nr. 563 Miguel de Cervantes I, Nr. 645 Miguel de Cervantes II, Nr. 637 Lope de Vega I, Nr. 638 Lope de Vega II, Nr. 642 Lope de Vega III, Nr. 643 Lope de Vega IV, Nr. 652 Juan Ruiz de Alarcón, Nr. 632 Ginés Pérez de Hita, Nr. 633 Luis Vaz de Camões, Nr. 678 François Rabelais, Nr. 557 Ludovico Ariosto I-II, Nr. 668 Ludovico Ariosto III, Nr. 556 Torquato Tasso, Nr. 552 William Shakespeare I-II, Nr. 559 Wolfram von Eschenbach, Nr. 560 Walter von der Vogelweide, Nr. 662 Gottfried von Strassburg, Akademie der Kunst und Philosophie / Académie des sciences

Nr. 320 Romanische Kunst und Architektur, Nr. 350 Byzantinische Kunst und Architektur, Nr. 325 Kunst und Architektur der Gothik, Nr. 326 Kunst und Architektur der Renaissance, Nr. 586 Tizian, Nr. 591 Paolo Veronese, Nr. 597 Correggio, Nr. 670 Annibale Carracci, Nr. 520 Rembrandt, Nr. 598 El Greco, Nr. 620 Giovanni Battista Tiepolo, Nr. 590 Giovanni Bellini, Nr. 656 Andrea Solari, Nr. 657 Bernadino Luini, Nr. 587 Andrea Mantegna, Nr. 595 Jan van Eyck, Nr. 635 Rogier van der Weyden, Nr. 640 Stefan Lochner, Nr. 646 Michael Pacher, Nr. 647 Peter Paul Rubens, Nr. 649 Giotto di Bondone, Nr. 626 Luca Signorelli, Nr. 610 Piero della Francesca, Nr. 596 Perugino, Nr. 522 Raffael (Raffaello Sanzio), Nr. 523 Sandro Botticelli, Nr. 602 Benozzo Gozzoli, Nr. 606 Fra Angelico, Nr. 607 Pinturicchio, Nr. 608 Domenico Ghirlandaio, Nr. 593 Filippo Lippi, Nr. 594 Filippino Lippi, Nr. 589 Albrecht Dürer, Nr. 603 Bernard van Orley, Nr. 615 Ambrogio da Fossano detto il Bergognone, Nr. 636 Eugène Delacroix, Nr. 639 Bartolomé Esteban Murillo, Akademie der Kunst und Philosophie



Copyright © 2012-2024 Akademie der Kunst und Philosophie
Letzte Bearbeitung:29.06.2018