Akademie der Kunst und Philosophie | Academy of Arts and Philosophy Académie des sciences | Academia de Artes y Filosofía | Accademia del Arte e Filosofia |
Nr. 550 Fjodor M. Dostojewskij I-II Novelist and Philosopher |
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Aus dem Inhalt:
1. Dostojewskij über Tierquälerei, Tolstoi und KantDostojewskij meinte, "dass Russen das alte Europa mehr lieben als die Europäer." Er steht für die Geistesfreiheit ein. Dazu muss natürlich das "Joch des Materialismus" abgeschüttelt werden. Auch der Sozialismus ist "natürlich unwahr und aussichtslos". Dostojewskij geht es ähnlich wie Goethe, Schiller, Shakespeare, Novalis, den deutschen Idealisten um "gewissermaßen eine richtige Wissenschaft" statt Unwissenschaftlichkeit, Ungeist oder Dogmatismus. Wo liegt die "Urquelle aller Wahrheit"? [2][3][4][5][6][7][8][9][10][11][12][13][14][15][16][17][18][19][20][21] [22][23][24]"Die Grundlage des Universums ist nicht Ungeist, Widergeist, dessen Verbindung mit dem Geiste sich nie begreifen liesse, sondern selbst Geist. Kein Tod, keine leblose Materie, sondern überall Leben, Geist, Intelligenz. Geisterreich und durchaus nichts anderes." [3][5] "Auf der Erde gehen wir gleichsam in die Irre, und hätten wir nicht das kostbare Vorbild Christi vor Augen, würden wir ganz in die Irre geraten und zugrunde gehen wie das Menschengeschlecht vor der Sintflut. Vieles auf Erden ist uns verborgen, aber als Ersatz dafür ist uns das stille, geheime Gefühl gegeben, daß uns ein lebendiges Band mit einer anderen Welt verknüpft, mit einer höheren, himmlischen Welt. Auch die Wurzeln unserer Gedanken und Gefühle liegen nicht hier, sondern in anderen Welten. Das ist auch der Grund, weshalb die Philosophen sagen, daß wir das Wesen der Dinge auf Erden nicht begreifen können. Gott nahm Samenkörner aus anderen Welten und säte sie auf dieser Erde, und es erwuchs sein Garten, und es ging alles auf, was aufgehen konnte. Leben und lebendig sein kann das Aufgegangene aber nur durch das Gefühl seiner Berührung mit anderen geheimnisvollen Welten. Wenn dieses Gefühl in dir schwach wird oder erstirbt, dann stirbt auch das, was in dir herangewachsen war. Dann wirst du dem Leben gegenüber gleichgültig werden und es sogar hassen. So denke ich darüber." [1] - Fjodor M. DostojewskijÄhnlich wie Schopenhauer wendet sich Dostojewskij aus christlichen Gründen gegen Tierquälerei [7]: "Wir sprachen über die Schönheit dieser Gotteswelt und über ihr großes, Geheimnis: wie jedes Gräschen, jedes Käferchen, die Ameise, die goldene Biene, alle in erstaunlicher Weise ihren Weg kennen, obgleich sie keinen Verstand besitzen, wie sie von Gottes Geheimnis zeugen und es unaufhörlich selbst erfüllen. ... Alles ist schön und prächtig, weil alles die Wahrheit ist. Schau dir das Pferd an, dieses große Tier, das dem Menschen so nahesteht, oder den Ochsen, diesen ernsten, nachdenklichen Gesellen, der ihn ernährt und für ihn arbeitet. Betrachte ihre Gesichter; welche Sanftmut, welche Anhänglichkeit an den Menschen, der sie oft unbarmherzig schlägt, welche Gutmütigkeit, welche Zutraulichkeit und welche Schönheit liegt in ihren Gesichtern! Es ist sogar rührend, wenn man bedenkt, daß diese Tiere keine Sünde kennen; denn alles ist vollkommen, alles außer dem Menschen ist frei von Sünden, und mit ihnen ist Christus noch eher als mit uns. ... Die ganze Schöpfung und jede Kreatur, jedes Blättchen strebt nach dem Wort, preist Gott, betet weinend zu Christus und vollführt das alles unbewußt, durch das Geheimnis seines sündlosen Lebens ... Dort im Wald haust ein furchtbarer Bär. Er ist ein grausames, wildes Tier und trägt dennoch keine Schuld daran. Und ich erzählte ihm, wie ein Bär einmal zu einem großen Heiligen kam, der in einer kleinen Zelle im Wald seinem Seelenheil lebte. Der große Heilige erbarmte sich des Tieres, ging furchtlos zu ihm hin und gab ihm ein Stück Brot. »Geh«, sagte er, »Christus sei mit dir!« Und das wilde Tier entfernte sich gehorsam und sanftmütig, ohne ihm etwas getan zu haben ... Liebet die ganze Schöpfung Gottes, das Weltall wie auch jedes Sandkörnchen! Liebet jedes Blättchen, jeden Lichtstrahl Gottes! Liebet die Tiere, liebet die Pflanzen, liebet jedes Ding! Wenn du jedes Ding liebst, wirst du das Geheimnis Gottes in den Dingen erfassen. Und wenn du es einmal erfaßt hast, wirst du es immer mehr und tiefer erkennen, unaufhörlich, Tag für Tag. Und du wirst schließlich die ganze Welt mit allumfassender Liebe liebgewinnen. Liebet die Tiere! Ihnen hat Gott einen Anfang des Denkens gegeben und eine harmlose Lebensfreude. Trübt ihnen diese Freude nicht, quält sie nicht, nehmt ihnen nicht ihre Freude, handelt nicht der Absicht Gottes zuwider! Mensch, überhebe dich nicht über die Tiere." [1] - Fjodor M. DostojewskijDostojewskij geht es um eine Art "Höhenpsychologie". Während die alten Philosophen den "verstiegenen Menschen ins meson, die gute Mitte, zurückzuführen hatten, müssen die Neuen den modernen Menschen an die Region der Höhe als solche erinnern, sofern er der Mensch ist, der sich im Durchschnitt und darunter am wohlsten fühlt." Dostojewskij hatte bei seiner Londonreise 1862 den wiedererrichteten Crystal Palace in Sydenham bei London besucht. Die 1863 erschienene Reisebeschreibung "Winterliche Aufzeichnungen über sommerliche Eindrücke" könnte man als die Geburtsstunde der Globalisierungsgegnerschaft bezeichnen. Dostojewskij schreibt in seinem Londonkapitel angesichts des Kristallpalasts und des Londoner Amüsierbetriebs, der gesamte Westen sei in einer Art von konsumistischem Baalskult gefangen. Man kann auch sagen, die breiten Mehrheiten sind längst zur glaubenslosen Internationale der Endverbraucher konvertiert. Für Dostojewskij ist aber nicht - wie für Tolstoi - der Monotheismus des Islams die Lösung, sondern das ursprüngliche Christentum. [27] Tolstoi war - im Gegensatz zu den deutschen Idealisten und Dostojewslij - der Ansicht, Kant formuliere in philosophischer Sprache christliche Wahrheiten, spreche über den Sinn des Lebens und verbinde "die logisch nicht erklärbaren Grundlagen menschlicher Erkenntnis zu einem harmonischen Ganzen." Von wirklicher Harmonie kann aber nicht die Rede sein. Tolstoi übersah, dass Kants Ansicht zur mechanistischen Naturerkenntnis und Atheismus, allenfalls Monotheismus führt. In späteren Jahren wendete sich Tolstoi - nachdem er exkommuniziert wurde - dem Islam zu. Tolstois an Kant geschulte Lehre von einem dem Menschen immanenten, von kirchlichen Dogmen und Sakramenten unabhängigen Religiosität sowie sein Pazifismus waren der Grund, warum die orthodoxe Kirche ihn als ihren schlimmsten inneren Feind ansah. Der orthodoxe Denker Pawel Florenski nannte Kant einen "Pfeiler des Hasses wider Gott", der sich der mechanistischen Naturerkenntnis verschrieben habe. [35] Im Gegensatz zu Tolstoi lebte Dostojewslij im Geist der Slawophilen und beschrieb deren Philosophie. Es gehe um das "Gebot der allmenschlichen Vereinigung" und zwar nicht im "Geiste eines persönlichen Egoismus, in dem sich jetzt Menschen und Nationen künstlich und und unnatürlich in ihrer Zivilisation vereinigen, zum 'Kampf ums Dasein', indem sie mittels positiver Wissenschaft dem freien Geiste moralische Grenzen setzen und zu gleicher Zeit sich gegenseitig Gruben graben, belügen, beschimpfen und verleumden. Das Ideal der Slawophilen war vielmehr die Vereinigung im Geiste der wahren großen Liebe, ohne Lüge und Materialismus." [1] Viele Russen haben sich von der europäischen materialistischen Philosophie (soweit man sie überhaupt Philosophie nennen kann) blenden lassen und wurden von Europäern dafür verachtet. Man sprach von "Barbarentum" oder "Grattez le Russe et vous verrez le Tartare". Dostojewskij fragt sich, "wie soll es da nicht interessant sein, frage ich, dass gerade diese sich am schnellsten den Verneinern der Zivilisation, den Zerstörern der Kultur, der 'äußersten Linken' anschließen, und dass dieses in Russland niemanden wundert, ja nicht einmal zum Nachdenken bringt? Wie soll einem das nicht merkwürdig erscheinen?": "Darauf, schon in der Mitte dieses Jahrhunderts, erachteten sich einige von uns bereits für würdig, zum französischen Sozialismus überzutreten, und sie nahmen ihn ohne das geringste Bedenken für die endgültige Lösung der allmenschlichen Vereinigung, also für die Erreichung unserer ganzen Idee, die uns bis jetzt mit sich fortgerissen. Auf diese Weise hielten wir für das realisierte Ziel das, was in Wirklichkeit der größte Egoismus war, was den Gipfel der Unmenschlichkeit, der ökonomischen Sinnlosigkeit und des politischen Wirrwarrs, den Gipfel der Verleugnung aller menschlichen Natur, den Gipfel der Vernichtung jeder menschlichen Freiheit ausmachte." [1] - Fjodor M. DostojewskijInteressant ist was Alexander von Humboldt, der mit Goethe befreundet war, über die Tataren herausgefunden hat. Danach pflegte man den Mongolen und Chinesen, die Tataren entgegenzusetzen. "In den Analen der Chinesen heißen sie Ta-taren, und das dem Namen zugesetzte r scheint vielmehr eine spätere Verstümmelung. Das älteste Dokument in dem man diesen Zusatz findet, ist ein Brief Ludwigs des Heiligen, an seine Mutter, nachdem jene Völker durch Rußland, nach Ungarn, und selbst bis Schlesien vorgedrungen waren. Der König spricht den Wunsch und die Hoffnung aus, daß die ganze Christenheit sich erheben werde, um diese Horden in ihre tartaria sites - Tartarusgleiche Wohnsitze zurückzutreiben. - So mag diese abweichende Benennung vielleicht nur einem bon-mot den Ursprung verdanken. Mit diesen Völkerschaften vermischt finden wir früh ganz verschiedenartige türkische Stämme, deren mehrere schon Dschingis Chan seinem Heere vereinigt hatte. Diese von den Mongolen sehr abweichenden Ties machten bald die Mehrzahl dieser verwüstenden Horden, von denen die Chanate in der Krim abstammen." So wird auch verständlich, dass Russland, das lange Zeit unter dem Tatarenjoch gelitten hatte, immer wieder die Tataren aus der Krim vertrieben hat. [26] Nach Dostojewskij wird das "ganze Slaventum unter den Flügeln Russlands" zur allgemeinen Versöhnung beitragen. Es geht um die Befreiung und Erhebung der Slaven, um persönliche Freiheit und "Auferstehung ihres Geistes" und nicht darum Russland politisch zu verstärken. Es werde von selbst geschehen, wenn die Zeit dazu kommt. Es sei der natürliche Ausgang der Balkanfragen. Russland als Beschützer und Erhalter der Christenheit, vor allem der Christenheit in den Ursprungsländern des Christentums: heutige Türkei und alle arabischen und asiatischen Länder - übrigends eine Rolle, die Russland schon seit Iwan III. zusteht. "Zum Zeichen dessen hat dieser den zweiköpfigen byzantinischen Adler über das alte Wappen Russlands gestellt." Es geht um das "Wesen der Orientfrage", um Christen, die "von den gottlosen Heiden, den Türken, unterdrückt werden." Die Idee des russischen Volkes, sein Dienst an Christo sei die "künftige Einigung aller östlichen Christen zu einer Gemeinschaft; indem sie den Christen gegen die Türken, die Unterdrücker der Christenheit" helfen. Im Volke bestehe sogar die Vorstellung, dass Russland nur dazu lebe, um Christo zu dienen und vor den ungläubigen Muslimen das Christentum zu schützen. [10] Dostojewskij spricht von einer "gemeinen muselmännischen Horde", die systematisch vorgeht und nach Anordnung des Sultans, der Minister und Regenten. Ganz Europa, wenigstens seine hervorragendsten Vertreter, die gleichen Menschen und Nationen, die gegen Sklaverei geschrieen, den Sklavenhandel aufgehoben, bei sich den Despotismus abgeschafft, die Menschenrechte verkündet, die Wissenschaft geschaffen und die Welt durch die Macht des Wissens in erstaunen gesetzt, die Menschenseele durch Kunst und ihre heiligen Ideale durchgeistigt und entzückt und Begeisterung und Glauben in den Menschenherzen geweckt haben, indem sie ihnen für die nächste Zukunft Gerechtigkeit und Wahrheit versprachen - "diese selben Völker und Nationen wenden sich plötzlich alle (fast alle) von den Millionen unglücklicher Wesen, Christen, Menschen, ihren zugrundegehenden und geschändeten Brüdern ab.... Vor den Augen der sterbenden Brüder werden ihre Schwestern geschändet, vor den Augen der Mütter werden die Säuglinge in die Höhe geworfen und mit Bajonetten aufgefangen; Dörfer werden zerstört, Kirchen in Schutt verwandelt, alles wird schonungslos vertilgt, - und das von einer wilden gemeinen muselmännischen Horde, einer verschworenen Feindin der Zivilisation. Es ist eine systematische Vernichtung; es ist keine Räuberbande, die sich während der Kriegswirren zufällig gebildet hat und immerhin das Gesetz fürchtet. Nein, es ist ein System darin, es ist die Kriegsmethode eines riesengroßen Reiches. Die Räuber gehen nach den Anordnungen und Befehlen der Minister und Regenten des Reiches und des Sultans selbst vor. Und Europa, das christliche Europa, die hohe Zivilisation, sieht mit Ungeduld zu. ... man bestreitet in Europa die Tatsachen." Stattdessen beschuldigt man Russland, es werde sich als eine Barbarenhorde über Europa stürzen und die Zivilisation vernichten - übrigens dieselbe Zivilisation, die solche Barbarei duldet!. Selbst ein so angesehener Historiker wie Gordon A. Craig spricht von einer "panslawistischen Agitation in Moskau", die mit "chauvinistischen Tönen aus London und protürkischen Reden in Budapest beantwortet wurde." [10][38] Ziel sei es, so Dostojewskij "dass das Türkische Reich nicht mehr bestehe und dass die Balkanhalbinsel befreit sei und sein eigenes Leben lebe." Er hatte vorausgesehen, dass man in Europa sogar über die Türken mit mehr Respekt sprechen werde, als über Russland, dass die Balkanländer unabhängig werden oder unter dem Protektorat und der Aufsicht eines "europäischen Konzerts der Mächte, darunter auch Russlands" stehen werden. Ihm schwebte eine "brüderliche Vereinigung der Völker" vor, die nicht durch politische Gewalt und mit dem Schwerte zusammengehalten wird. [16] "Wenn die Nationen nicht von höheren, uneigennützigen Ideen und den höchsten Zielen des Dienstes der Menschheit leben, sondern einzig ihren 'Interessen' dienen, so müssen sie erstarren, ohnmächtig werden und sterben." [1] - Fjodor M. DostojewskijÄhnlich wie Augustinus, versicherte auch Dostojewskij, es sei weder bei ihm noch beim russischen Volk ein voreingenommener Hass auf die Juden vorhanden. Er übt zwar Kritik, wenn er vom "religiösen Dogma" der "Absonderung und Abgeschlossenheit von allem, was nicht Judentum ist, und die Unverschmelzbarkeit mit anderen Völkern" spricht und sagt: "die slawische Frage würde doch schon längst zugunsten der Slawen und nicht zugunsten der Türken entschieden sein, wenn die Jüdische Idee in der Welt nicht so stark wäre." Aber er spricht nur im allgemeinen vom Judentum und von der jüdischen Idee, "die die ganze Welt ergreift, an Stelle des 'mißlungenen' Christentums." Den Materialismus habe der Mensch zwar zu allen Zeiten vergöttert, aber diese Grundidee der Bourgeoisie "ward doch nicht zu einer Wahrheit und Weltanschauung, sondern ist vom Christentum stets bekämpft worden! Jetzt aber wird es im Gegenteil zur Tugend erhoben! So darf man wohl annehmen, es sei nicht einflußlos geblieben, dass an den Börsen dort allenthalben Juden herrschen, dass nicht umsonst sie die Kapitale lenken, nicht umsonst, ich wiederhole es, sie die Beherrscher der ganzen internationalen Politik sind!" [36] "Der Materialismus triumphiert, die blinde, gefräßige Begierde nach persönlicher materieller Versorgung, die Gier nach persönlichem Zusammenscharren des Geldes, und - der Zweck heiligt die Mittel -: all das wird als höchstes Ziel anerkannt, als das Vernünftige, als Freiheit, an Stelle der christlichen Idee der Rettung einzig durch engste ethische und brüderliche Vereinigung der Menschen." [37] - Fjodor M. DostojewskijDostojewskij prangerte wie Ariosto die Tataren und andere Turkvölker wie Türken, Krimtataren, Tscherkessen als "Christenpeiniger" an, deren Ziel es war, russische Christen zu unterjochen und zu zwingen, zum "heidnischen Glauben Mohammeds" überzutreten; christliche Sozialisten, die ebenfalls begannen das Christentum zu ruinieren waren im Prinzip nicht anders als die Tataren. [1][27] "Wie kömmt es, dass ihr Christi Lehensleute 2. Der europäische Osten und das sozialistische Joch; der asiatische Osten, Orientalismus"Der Sozialismus ist nämlich nicht nur ein Problem, das den Arbeiter, den sogenannten vierten Stand berührt; er ist vor allem ein atheistisches Problem: Es geht um die moderne Verkörperung des Atheismus, um einen babylonischen Turm, der ausdrücklich ohne Gott gebaut wird, nicht um den Himmel von der Erde aus zu erreichen, sondern um den Himmel zur Erde herabzuholen" [1] - Fjodor M. Dostojewskij"Dostojewskij hatte erkannt, dass im modernen naturwissenschaftlichen Erkennen die Wesenheit des Menschen nicht enthalten ist. Daher auch seine Gegnerschaft zu Kant und dem Ahnherrn und klassischen Begründer des Positivismus, David Hume; diese Sichtweise sollte in Kant und später im Neu-Positivismus eines Erst Mach (1838-1916), Richard Avenarius (1834-1896) und Bertrand Arthur William Russell (1872-1970) gipfeln. Für Letzteren gibt es weder Materie noch Geist, noch ein Ich, sondern nur Sinnesdaten; die Naturwissenschaft sei die einzige Quelle unseres Wissens, erkennt Sinnesdaten und weiter nichts. Gott, Unsterblichkeit, Religion seien entbehrlich. Auch Mach und Avenarius sahen das Ideal der Wissenschaft in der Ausmerzung aller "metaphysischen Zutaten". Mach gilt als geistiger Ahnherr des "Wiener Kreises" von Neupositivisten. Heute ist das geschehen, was Dostojewskij befürchtet hatte, dass im Osten Europas aus rein naturwissenschaftlich-materialistischem Denken eine neue Staats-Sozial-Ordnung aufgerichtet wurde. "Die praktische Probe, was die naturwissenschaftliche Methode wird, wenn sie in den Köpfen gewisser Sozialrevolutionäre Wurzel fasst, zeigen uns die Männer des Bolschewismus. Die verkörperte naturwissenschaftliche Methode haust heute in Russland durch Helphands Schaffnerdienste, denn er hat den plombierten Wagen geführt durch Deutschland durch, um die Männer des Bolschevismus unter der Ägide von Ludendorff und Hindenburg nach Russland zu führen." Zuerst blühte das nazurwissenschaftliche Denken als soziale Blüte im Osten auf und breitete sich fast im gesamten Osten aus, weil man die Sache nicht an der Wurzel anpackte, am naturwissenschaftlich-materialistischen Leben selber. Ein Welle des Denkens und Empfindens ging durch die Welt. Erregt wurde diese Welle durch das sozialwissenschaftliche materialistische Denken. Indem diese Welle sich ausbreitete, ergriff sie das notwendig soziale Denken, wurde da zur zerstörerischen Gewalt der Menschheit. Und der groteske Marxismus "das ist die soziale Blüte und Frucht der materialistisch naturwissenschaftlichen Methode im sozialen Denken." Wenn nicht durch den Geist dasjenige befruchtet wird, "was wir Naturerkenntnis nennen, dasjenige namentlich, was wir Kunst nennen, so geht die Menschheit einem raschen Verfalle, einem furchtbaren Verfalle entgegen. Lassen Sie drei Jahrzehnte noch so gelehrt werden, wie an unseren Hochschulen gelehrt wird, lassen sie noch dreißig Jahre so über soziale Angelegenheiten gedacht werden, wie heute gedacht wird, dann haben sie nach diesen dreißig Jahren ein verwüstetes Europa." [41] Merkwürdig ist, wie seit dem 9. Jahrhundert von dem übrigen Europa wie zurückgeschoben worden ist nach Osten, "dasjenige, was bleiben sollte, was nicht angefressen werden sollte von dem Westen, wie es dann in der äußeren Form des sogenannten Russischen Reiches in den verschiedenen Jahrhunderten auftritt, innerlich merkwürdig das Alte bewahrend und in der Hülle des Alten wie in einer Puppenhülle ein Neues vorbereitend für eine spätere Kultur! Mysterienkulte, möchte man sagen, haben sich noch erhalten innerhalb dieses russischen Volkes, mit Mysterienvorstellungen lebt dieses russische Volk, welches wenig verstanden hat von den abstrakten religiösen Begriffen des Westens, welches aber viel erfühlt, im tiefsten, tiefsten Inneren erfühlt von den Kulturformen, von dem, was des Menschen Gemüt in bildhafter Form zu dem Göttlichen hinüberbringt." Im Osten bewahrte man sich von dem Alten noch so viel, als nötig war, um unberührt von dem Neuen, dem neuen Materialistischen, die Brücke wenigstens sich freizuhalten ins Geistige. Nicht genug, dass der europäische Osten über Jahrhunderte die Tataren und das osmanische Reich erdulden musste, wurde er zusätzlich durch den Leninismus unterdrückt. "Die Karikatur jedes höheren Menschheitsstrebens, die im Leninismus, Trotzkismus als letzte karikaturhafte Konsequenz der rein materialistischen sozialistischen Ideen sich geltend gemacht hat, ist wie ein Kleid, das nicht zum Leibe passt, übergezogen den Menschen des Ostens. Noch nie sind größere Gegensätze zusammengestoßen als die Seele des europäischen Ostens und der widermenschliche Trotzkismus oder Leninismus." [42] Der asiatische Osten bewahrt eine alte spirituelle Kultur, deren Zeit aber abgelaufen ist. Der mitteleuropäische Geist ist dazu berufen, "die Menschheit hinwegzuführen über diese zwei Betäubungsmittel: über das Betäubungsmittel des Orientalismus, über das Betäubungsmittel des Amerikanismus." [43] Was meinte der Schreiber der Apokalypse mit dem, was sich auf 666 bezieht? Da sollte nach den Intentionen gewisser Mächte mit der Menschheit etwas geschehen, und es wäre geschehen, wenn das Mysterium von Golgatha nicht eingetreten wäre. Daruf beruht nämlich das, was die den menschenliebenden Göttern feindlichen Wesen immer machen, dass sie das, was diese den Menschen guten geistigen Wesenheiten zu einer späteren Zeit machen wollen, in einen früheren Zeitpunkt verlegen wollen, wo die Menschheit noch nicht reif dazu ist. "Es hätte dasjenige, was erst in der Mitte unseres Zeitraumes hätte geschehen sollen, was also erst 1080 Jahre nach dem Jahre 1413 geschehen soll, was erst also im Jahre 2493 geschehen soll - da erst soll der Mensch so weit sein mit Bezug auf das bewusste Erfassen seiner eigenen Persönlichkeit -, schon 666 durch ahrimanisch-luziferische Kräfte dem Menschen eingeimpft werden sollen. Was wollte man erreichen auf seiten dieser Wesen? Sie wollten dadurch dem Menschen die Bewusstseinsseele geben, hätten ihm aber dadurch eine Natur eingepflanzt, die es ihm unmöglich gemacht hätte, seinen weiteren Weg zum Geistselbst, zum Lebensgeist und zum Geistesmenschen zu finden. Man hätte abgeschnitten seinen Zukunftsweg und hätte den Menschen für ganz andere Entwicklungsbahnen in Anspruch genommen." Während des byzantinischen Reiches wurden Gelehrte (vor allem Monophysisten und andere Häretiker) aus dem Reich vertrieben, erst nach Edessa und später von Edessa nach Nisibis. Und so versammelten sich um das Jahr 666 in der persischen Akademie von Gondishapur diese Gelehrten. Hätte das seinen vollen Erfolg gehabt, was von der Akademie von Gondishapur beabsichtigt war, dann wären im 7. Jahrhundert überall hochgelehrte Wissenschaftler entstanden, die jene Kultur von 666 über Europa und Norafrika verbreitet hätten, eine Kultur, die die Menschheit zu früh erreicht hätte, die erst zum Jahr 2493 erreicht werden sollte. "Und an dessen Stelle ist der Mohammedanismus, ist Mohammed mit seiner Lehre geblieben, und es ist nur der Islam anstelle desjenigen gekommen, was von der Akademie von Gondishapur hätte ausgehen sollen. Die Welt war durch das Mysterium von Golgatha abgebracht worden von dieser ihr verderblichen Richtung." Dadurch wurde der Sinn der Menschen auf das Mysterium von Golgatha und damit auf etwas ganz anderes hingelenkt, als das, was von der Akademie von Gondishapur hätte ausgehen sollen. Dadurch verbreitete sich das, was "jene hohe, aber teuflische Weisheit", welche die Akademie von Gondishapur intendierte, verhinderte. So wurde durch das Christentum die Ausbreitung jener einseitigen Wissenschaftlichkeit zum Heile der Menschheit verhindert. "Zurückgeblieben ist der Menschheit schon etwas von dem, was damals hätte geschehen sollen und was nur abgestumpft worden ist, indem von etwas Großartigem der phantastische, jämmerliche Islam herausgekommen ist." Es handelt sich um einen neupersischen Impuls, der zur Unzeit den Zarathustra-Impuls wieder brachte. Und sogar die katholische Kirche stand unter dem Einfluss der Akademie von Gondishapur als sie 869 das Dogma bestimmte, man habe nicht an den Geist zu glauben, sondern nur an Leib und Seele. [44] Seltsamerweise hat gerade der Islam die sogenannte "Gottesleugner-Krankheit" gebracht. Denn "wir leugnen, wenn wir uns recht verstehen, erst dann den Gott nicht ab, wenn wir ihn durch Christus wieder finden." Infolge des Mysteriums von Gogatha haben wir eine gesundende, eine heilsame Kraft in uns. Der Christus ist für uns alle im wahrsten Sinne des Wortes der Heiland, der Arzt gegenüber jener Krankheit, die den Menschen zum Gottesleugner machen kann. Der Christus ist ein Arzt dagegen. [45] Der Sozialismus und später der Kommunismus ist die "moderne Verkörperung des Atheismus". Ähnlich wie im Islam wird das Christentum von linken Ideologen bekämpft - wie neuerdings wieder in China. Nach dem Amtsantritt von Parteichef Xi Jinping verspüren Chinas linke Ideologen wieder Oberwasser und versuchen der zur Zeit schnellen Ausbreitung des Christentums entgegen zu wirken. Nach inoffiziellen Schätzungen gibt es bald so viele Christen wie Mitglieder der kommunistischen Partei. Chinesische Parteiideologen wollen sich "wieder auf den Marxismus besinnen." Dabei glauben seit 1968 nur noch Sonder- oder Koranschüler daran, dass die in Theorie und Praxis längst tief kompromittierte kommunistische Sache eine Zukunft hätte. Die Schriften der Autoren vorrevolutionärer und revolutionärer Negativität wie Heidegger, Bakunin (sein freimütiges Gewaltmanifest von 1869, Die Prinzipien der Revolution), Marx, Lenin (Wladimir Uljanow, Bruder eines Terroristen) etc. sind für Menschen mit zeitgenössischen intellektuellen, moralischen und ästhetischen Fähigkeiten unlesbar geworden; sie sind in einer illusionären Fremdsprache geschrieben, dass ihre abstossende Wirkung die Forscherneugier überwiegt. Zudem bieten sie Anschauungsunterricht für eine Begriffsgläubigkeit, wie man sie sonst nur bei fundamentalistischen Sekten beobachtet. [30] Man muss vor dem Hintergrund des kommunistischen Terrors die Frage zulassen, ob nicht auch in heutigen Diskursen "neue Kampfkollektive" mit einem Mandat zu blutigen Aktionen ausgestattet werden. In europäischen Ländern versorgen Sozialisten und Linksterroristen inhaftierte Salafisten mit Rat und Anwälten. Unter dem Namen "Islamische Gefangenenhilfe" werden mutmassliche Attentäter und radikalisierte Jugendliche unterstützt. [28] Zur Zeit besinnt sich Russland auf seine Wurzeln (die nicht Sozialismus, Leninismus und Stalinismus sind) und - nach dem militärischen Vorgehen der Türken gegen Russland - auch darauf, wer seine Feinde wirklich sind, nämlich islamistische Tataren und Türken, die Russland über Jahrhunderte unterjocht hatten. Nicht nur Wirtschaftswissenschaftler sehen die Türkei unter der Herrschaft der islamistischen AKP-Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan schon eine ganze Weile auf einem sehr problematischen Weg; sie prophezeihen der Türkei, dass sie eine "harte Landung" erleben werde; sie sehen eine signifikante Zunahme der Korruption und Schmiergeldzahlungen. "Und die Aufklärung von Fällen von Korruption und Bereicherung, in die höchste AKP-Politiker bis hinauf zum Präsidenten verwickelt seien, werde politisch unterdrückt." Zum Teil sind die Politiker in Geschäfte mit den Terroristen verwickelt. Sicherheitshalber hat Moskau Kampfhubschrauber nach Armenien verlegt, an die Nordostgrenze der Türkei. Türken und Turkvölker haben nicht nur dem christlichen Armenien Land weggenommen, auch die Krim wurde von Tataren - deren Schutzmacht die Türkei ist - bevölkert; Dschihadisten kämpfen für die ukrainische Seite im Donbass, "die meisten von ihnen seien über die Türkei ins Land gereist, ihr Endziel sei ein Dschihad gegen Russland." Im Süden der Türkei versuchen die von Ankara unterstützten Turkmenen weiter Land für die Türkei zu gewinnen. Neuerdings will die Türkei sogar griechische Inseln und Teile Syriens erobern; tatsächlich dürfte es darauf hinauslaufen, dass die Türkei mit russischer und europäischer Hilfe aus Zypern und der anatolischen Küste herausgedrängt wird um dort eine europäische Sicherheitszone einzurichten. Russland will christliche Länder mehr unterstützen; die von der Türkei besetzten Gebiete sollen an ihre rechtmässigen Besitzer zurückgegeben werden, nämlich christliche Armenier, Syrer und Griechen. Auch die Hagia Sophia soll wieder christliche Kirche werden. Der Zwergenaufstand der Türkei ist gescheitert, "Erdogans zwischenzeitlicher Versuch, das Osmanische Reich wieder auferstehen zu lassen, ist krachend gescheitert. Er schmiss sich an die Muslimbrüder in Ägypten ran - die wurden von einem erfolgreichen Militärputsch hinweggefegt. Er hofierte Präsident Assad in Syrien und die Ajatollahs in Iran - heute im syrischen Bürgerkrieg seine größten Feinde." [2][6][34] Russland versteht sich seit Dostojewskij als "Schutzpatron der Christenheit" und Förderer der "wahren Religion". Die Christenheit soll wieder in die arabischen Länder zurückkehren. Der Islam soll dort verdrängt werden, wo er nichts zu suchen hat, zum Beispiel in Jerusalem, in der Levante oder in Europa. Die Türkei war früher überwiegend christlich; auch heute noch versucht die Türkei Christen zu verdrängen. Seit Anfang des 20. Jh.s. und insbesondere seit den Balkankriegen 1912/13 wurden die christlichen Minderheiten des Osmanischen Reiches als “innere Feinde” gebrandmarkt. Von diesem traditionellen Feindbild hat sich die Türkei niemals verabschiedet, im Gegenteil: Während der sogenannten Befreiungskriege 1919–1922 wurde es noch stärker ausgebaut, um Widerstand nicht nur gegen die alliierten Besatzer des Osmanischen Reiches zu mobilisieren, sondern auch gegen christliche Mitbürger bzw. rückkehrende Überlebende des Völkermordes. "Die Vernichtung von 3,5 Millionen Christen im letzten Jahrzehnt osmanischer Herrschaft – vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg – bildet das tabuisierte Gründungsverbrechen der Republik Türkei. Personen und Institutionen, die unmittelbar am Völkermord des nationalistischen Weltkriegsregimes der so genannten Jungtürken beteiligt waren, wurden von Mustafa Kemal in den republikanischen Staatsapparat übernommen. Die Republik rehabilitierte auch jene, die 1919/20 von osmanischen Sondergerichtshöfen wegen ihrer Verbrechen an Armeniern zum Tode verurteilt wurden und zahlte, sofern die Urteile vollstreckt worden waren, den Angehörigen der Hingerichteten eine staatliche Rente. Den politisch Hauptverantwortlichen des Völkermordes an den Armeniern – Innenminister Mehmet Talat und Kriegsminister Ismail Enver – errichtete die Republik Türkei Ehrengrabmäler auf dem Istanbuler Freiheitshügel. "Was mit dem Genozid begann, wird per Grundbucheintrag komplettiert: Die Türkei geht wieder einmal gegen die christliche Minderheit der Aramäer vor." Aramäische Kirchen sollen der islamischen Religionsbehörde Diyanet übergeben werden. Die meisten AKP-Medien schwiegen dazu, nur die Zeitung "Yeni-Akit", "das extremste islamistische Hetzblatt im Medienarsenal der AKP" tat sich durch die Darstellung hervor, es werde versucht, die Aramäer von außen gegen die Türkei aufzuhetzen. "Das ist ein altes stattliches Narrativ im Umgang mit den Aramäern. Sobald diese Minderheit ihre Rechte zu verteidigen sucht, wird die einflussreiche aramäische Diaspora in staatlichen und staatlich gelenkten Medien als Ansammlung von Verrätern dargestellt, die im Verbund mit ausländischen Staaten der Türkei schaden wollten. Auf solche Schilderungen griff 'Yeni Akit' auch in diesem Fall zurück." Sie zählen zu den ältesten christlichen Gemeinden der Welt, ihre Zahl ist wie die aller Christen im Nahen Osten zuletzt stark geschrumpft, und jetzt werden ihnen auch ihre letzten Besitztümer genommen: die syrisch-orthodoxen Aramäer (auch Assyrer genannt), deren Siedlungsgebiet in der südostanatolischen Region Tur Abdin liegt, am „Berg der Diener Gottes“. Ihnen gehören dort Hunderte Kirchen und Klöster, die teilweise seit dem vierten und fünften Jahrhundert genutzt werden. Im Juni 2017 enthüllte die türkisch-armenische Zeitung „Agos“ aus Istanbul, dass der türkische Staat in einer beispiellosen Enteignungsoperation mindestens 50 frühchristliche Monumente beschlagnahmt und dem staatlichen, sunnitischen Religionsamt Diyanet überschrieben hat; Dutzende weitere Enteignungen sollen noch folgen. Die Bauten sind damit möglicherweise der Zerstörung ausgeliefert. „Agos“ gegenüber bestätigte das Gouverneursamt der zuständigen Provinz Mardin die Beschlagnahmungswelle, die Kirchen, Klöster, Friedhöfe und umfangreiche Ländereien betrifft. Damit stehen die christlichen Gemeinden Anatoliens, die ihre Existenz auf die Zeit der Apostel zurückführen und während des Völkermords von 1915 im Osmanischen Reich Hunderttausende Opfer zu beklagen hatten, praktisch vor der Auslöschung. Viele Aramäer verließen bereits in den 90er Jahren ihre alten Siedlungsgebiete, als der Bürgerkrieg zwischen den Kurden von der PKK und dem türkischen Staat seinen Höhepunkt erfuhr. Heute leben nach Angaben ihres deutschen Bundesverbandes in der EU 350 000 und in Deutschland 150 000 Aramäer. In Tur Abdin blieben nur noch 2000 bis 3000 Christen, die versuchen, ihre religiösen Stätten zu bewahren. Lediglich in Istanbul existiert noch eine größere Gemeinde. Zum Opfer der aktuellen Enteignungen wurde auch das berühmteste Kloster der Türkei, Mor Gabriel aus dem Jahr 397. Das Kloster nahe der Stadt Midyat ist eines der weltweit ältesten und eines der wenigen, die seit mehr als 1600 Jahren aktiv genutzt werden. Kaum eine Stiftung religiöser Minderheiten in der Türkei verfügt über so umfangreiche Schutzurkunden. Die Kloster-Stiftung wurde 1851-52 auf Befehl des Sultans Abdülmecid I. gegründet und selbst während der Enteignungen von Minderheitenbesitz nach Gründung der Republik Türkei 1923 gesetzlich geschützt. Sie wurde 2002 außerdem in die staatliche Liste der religiösen Stiftungen aufgenommen, die als Grundeigentümer legale Protektion genießen. Das alles soll nun offenbar nicht mehr gelten. „Mit dem Gesetz von 2002 konnten wir einige Grundstückstitel sichern, die auf den Namen unserer Stiftung lauteten, für andere lief der juristische Prozess“, zitierte Agos den Stiftungsvorsitzenden Kuryakos Ergün. „Es war uns aber nicht möglich, alle Besitztümer einzuklagen. Gleichzeitig wurden neue Grundbücher angelegt, und die Katasterämter ignorierten die Gesetzgebung.“ Der Hintergrund ist kompliziert. Nur als anerkannte religiöse Stiftung – wie im Fall von Mor Gabriel – können Kirchen in der Türkei Immobilien besitzen. Aufgrund der republikanischen Enteignungswellen wurden viele Kirchen und Liegenschaften der Aramäer seit den 30er Jahren in Dorfeigentum überführt, auch weil die Aramäer anders als die griechisch-orthodoxe und die armenisch-apostolische Kirche nicht als religiöse Minderheit anerkannt sind. Als die Dörfer der zuständigen Provinz Mardin im Zuge einer Gebietsreform 2012 zu Landkreisen aufgewertet wurden, fiel ihr Grundbesitz an das staatliche Schatzamt – ein neuer staatlicher Vorwand für eine alte Enteignungsmethode. Die Kirchen und Klöster wurden anschließend dem staatlichen Religionsamt Diyanet übergeben. Die riesige Behörde ist allerdings de facto nur für den Islam zuständig und hat vom Christentum nicht die geringste Ahnung. Die Mehrheit der Christen fühlt sich von ihr nicht vertreten, und das Amt begreift sich nicht als Anwalt der Minderheiten. Auch das Kloster Mor Gabriel steht seit zehn Jahren unter dem Druck gerichtlicher Attacken angrenzender Dörfer, die ohne Grundbuchurkunden zu besitzen, Ländereien des Klosters für sich beanspruchen, ohne dass Diyanet sich eingeschaltet hätte. Die Aramäer in Deutschland haben bestürzt auf die Presseberichte reagiert und die Bundesregierung um Hilfe gebeten. „Die aktuellen überfallartigen Massenkonfiszierungen im Tur Abdin im Südosten der Türkei sind beispiellos und haben unvorstellbare Ausmaße angenommen“, so der Vorsitzende des Bundesverbands, Daniyel Demir. Die Übertragung der zunächst 50 Immobilien an den Staat scheine „nur die Spitze des Eisbergs“ zu sein. Es sei zu befürchten, dass die Jahrtausende alten Kirchen und Klöster veräußert oder in Moscheen umgewandelt würden. Tatsächlich ist nach einer kurzen Phase relativer Toleranz nach dem Amtsantritt der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP 2002 in den vergangenen Jahren wieder ein Rückfall in die Unterdrückung zu beobachten. Damals öffnete ein Gesetz den Weg für religiöse Minderheiten, um beschlagnahmte Besitztümer wieder einzuklagen. "Doch mittlerweile wurden historische christliche Kirchen wieder in Moscheen umgewandelt, selbst die als Museum genutzte Hagia Sophia in Istanbul wird schleichend wieder als islamisches Gotteshaus genutzt." Unterdessen hat die EU-Abgeordnete Renate Sommer (CDU) die Konfiszierung des aramäischem Eigentum im Südosten der Türkei scharf kritisiert. „Die momentanen Verstaatlichungen von jahrtausendealtem urchristlichem Kulturerbe sind absolut beispiellos“, erklärte Sommer. „Ganz offensichtlich arbeitet die türkische Regierung daran, die Minderheit der Aramäer im Land nicht nur – wie schon seit Jahren – weiterhin zu drangsalieren, sondern regelrecht auszulöschen.“ Vor diesem Hintergrund sei es ein „Hohn“, dass die Türkei weiterhin offiziell darauf bestehe, Mitglied der EU zu werden. Renate Sommer ist in der Fraktion der Europäischen Volkspartei für den Fortschrittsbericht zur Türkei zuständig. [40] In einem Bieterwettstreit
um das 8400 Quadratmeter große Terrain am Quai Branly kam es zum
Duell zwischen Saudi-Arabien und Russland. Die Golfmonarchie wollte dort
eine Moschee bauen. Viele Franzosen sind Putin dankbar, dass am Seine-Ufer
keine Moschee errichtet wurde. Als Präsident setzte sich Sarkozy maßgeblich
dafür ein, dass das Grundstück am denkmalgeschützten Seine-Ufer
an Putin ging. Nun wird das neue "kulturell-spirituelle Zentrum" am Eiffelturm
eröffnet gibt es einen neuen Blick auf den Eiffelturm: Die russisch-orthodoxe
Kathedrale im Zentrum von Paris. Mit dem Zentrum verbindet sich Putins
Kernbotschaft von Russland als Schutzmacht "traditioneller Werte" und eines
"christlichen Europas." [33]
3. "Pakistanisierung der Türkei"Die Türkei hat eine klare Ansage gemacht, wie der Westen und Russland erobert werden sollen: "Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten." (Recep Tayyip Erdogan) Das Minarett steht heute als Symbol des ideologischen Macht- und Überlegenheitsanspruch des Islams im nahen Osten. Es wird als Machtsymbol der Eroberung wahrgenommen. Amtsträger der mainstreamverhafteten und politisierten EKD, sind als verkappte Muslime selbst für eine Ausbreitung des Islams. Viele westliche Kirchenvertreter reden unkritisch über die Türkei und nutzen Verharmlosen und Verschweigen als Rechtfertigung einer eklatanten Gleichgültigkeit orientalischen Christen gegenüber. Der EKD-Ratsvorsitzenden Bischof Heinrich Bedford-Strohm, bekannt für politisch vordergründige Antworten, die auch von Claudia Roth oder Aiman Mazyek stammen könnten, meint "Minarette sind Teil der sakralen Bauten im Islam und für sich kein Ausdruck einer Bedrohung." Sogar dem Ahmadiyya-Islam wird in Deutschland der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuerkannt. Laut dem "Handbuch der Weltanschauungen" der evangelischen Kirche sah sich der Gründer der Ahmadiyya-Gemeinde, Ghulam Ahmad, als "Inkarnation aller Propheten von Adam über Abraham bis zu Jesus und Mohammed". Heute soll die Bewegung in bis zu 190 Ländern mehr als zehn Millionen Anhänger haben. In Deutschland wird die Zahl der Anhänger auf 30 000 bis 50 000 geschätzt. Sein Ziel ist "der Sieg des Islam". Kein Wunder, dass sich inzwischen viele fragen: es "sei absolut schleierhaft, wie diese Gemeinde den Status einer öffentlichen Körperschaft erlangen und sogar zum Kooperationspartner der Bundesregierung werden konnte." Eine besonders naive Landesbischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Ilse Junkermann, findet es besonders gut, "wenn eine Moschee gebaut wird." Mitglieder der mainstreamverhafteten und politisierten EKD wie ihr Amtsträger Bedford-Strohm fällt es leicht, "obsolete politische Einordnungen nachzubeten", wenn es aber darum geht "theologisch begründete Stellungnahmen abzugeben, was weitaus anspruchsvoller ist", wird kläglich versagt. Der christlichen Kirche obliegt nicht die Belehrung über das vermeintlich politisch Richtige, sondern die Wahrhaftigkeit in Glaubensdingen und Glaubensvermittlung, sowie die tätige Nächstenliebe. Letztere postuliert sogar die Feindesliebe. Ein Politiker kann das Gespräch verweigern, ein Christ nicht. Bedford-Strohms Vorwurf, die AfD baue Ängste auf und schüre den "Kampf der Kulturen", könnte ebenfalls von Claudia Roth stammen. Bedford-Strohm begnügt sich damit, ängstliche oder besorgte Menschen, die angeblich "Flüchtlinge pauschal verdächtigen", als Diskriminierungsexperte seinerseits zu verdächtigen. Da die evangelische Kirche Nachwuchsprobleme hat, bildet sie in Deutschland neuerdings islamische Seelsorger aus wie den Imam Sagir, "Vertreter eines sunnitisch-konservativen Mainstream-Islams", der "bei einer christlichen Kirche eine Ausbildung als Telefonseelsorger absolviert" hat. Auch wenn der Islam nicht zu Deutschland gehört, "Der Islam gehört in Deutschland zum Gefängnisalltag." Dasselbe gilt natürlich für andere EU-Länder auch; Attentäter aus Frankreich und Belgien sind erst im Gefängnis zu Extremisten geworden. [29]Manche Schriftsteller sprechen von einer "Pakistanisierung der Türkei". Der staatseigene Flughafen Atatürk und die "Turkish Airlines" gelten als "Dschihad-Express" ähnlich wie die Fluggesellschaften "Fly Emirates" oder "Etihad". Militär und Geheimdienst hängen in der Türkei dem Irrglauben an, radikale Islamisten fördern und für eigene Zwecke steuern zu können, ohne das eigene Land in Mitleidenschaft zu ziehen. "Es ist ein offenbares Geheimnis, dass Ankara islamistische Kräfte in Syrien unterstützte und unterstützt - und sei es nur durch Wegsehen." Istanbul ist eine Drehscheibe auf dem Weg zu den Kampfplätzen in der Levante. Von hier aus geht es mit dem Bus oder dem Flugzeug weiter ins türkisch-syrische Grenzgebiet. In der Anonymität der Metropole können Extremisten untertauchen, "Kontakte zu Rekruteuren verschiedenster islamistischer Brigaden knüpfen. Im istanbuler Stadtteil Fatih etwa, dem Viertel der Frommen, in dem verschleierte Frauen und bärtige Männer in weiten hosen zum Straßenbild gehören." In den Läden, in denen "Dschihadisten-T-Shirts, -Flaggen, oder -Spruchbänder" verkauft werden, gibt es Telefonnummern oder "Hinweise auf einschlägige Teehäuser, Moscheen und Koranschulen." Einwohner im Grenzgebiet berichten von Lastwagen, die in der Nacht die Grenze nach Syrien passieren. In manchen Orten gehen "islamistische Rebellen, unter anderem aus den Reihen der unter dem Banner von Al Quaida kämpfenden Nusra-Front, ein und aus - und auch IS-Kämpfer. Fotos zeigen, dass Aktivisten der regierungsnahen türkischen Hilfsorganisation IHH Dschihadisten in Syrien mit Hilfslieferungen unterstützen. Die Übergänge zwischen den Milieus sind fließend - ebenso jene zwischen humanitärer Unterstützung und Waffenhilfe." [32] Kraftvoll wird in
Europäischen Zeitungen ausgemalt: "Russische Bomber provozieren Amerikaner".
Zwei russische Jagdbomber vom Typ SU-24 hätten den amerikanischen
Zerstörer Donald Cook in der Ostsee etwa 70 Seemeilen vor St. Petersburg
mehrmals in gefährlicher Höhe überflogen. Dies wird als
eine Provokation Russlands bezeichnet. "Es wird nicht die Frage gestellt,
was ein amerikanisches Kriegsschiff in der gegenwärtigen Lage eigentlich
in der Ostsee in der Nähe Russlands zu suchen hat. Korrekter müsste
die Überschrift wohl lauten: Amerikanischer Zerstörer provoziert
die Russen." Auch die Äusserungen amerikanischer Thinktanks oder des
amerikanischen Präsidenten Harry Truman sind scheinbar nicht bekannt.
Heute müssen amerikanische Zerstörer vor allem vor der türkischen
Küste kreuzen. [25]
4. Mittelalterliches Großreich der Kiewer Rus gilt als die Keimzelle Russlands, der Ukraine und WeißrusslandsDas heutige Russland interessiert sich für das christliche Europa, nicht die gottlose EU mit Bürokraten, die niemand gewählt hat, und das aus Amerika geführt wird. Besonders wichtig ist Russland und der Kirche, einen "Genozid" an Christen "im Nahen Osten, in Nord- und Zentralafrika und in einigen anderen Regionen" zu verhindern, zum Beispiel auch die unter dem türkischen Druck schrumpfende griechische Gemeinde unter Bartholomäus. Dies verlange "dringende Massnahmen und eine engere Zusammenarbeit zwischen den christlichen Kirchen". Im Danilow-Kloster, dem Sitz des Patriarchen Kirill von Moskau und ganz Russland, reagiert man auf politische Gebote der Stunde. Im Syrien-Einsatz wird auf den Weg des Christentums nach Russland über Byzanz verwiesen, mit Moskau als "Drittem Rom" nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453, auf Zar Nikolaj I., der sich Mitte des 19. Jahrhunderts zum Beschützer der Christen im Osmanischen Reich erklärte. Man verweist auf die Fürsorge des Patriarchen für die orthodoxen Christen in Syrien, die dort mehr als 10 Prozent der Bevölkerung stellen. Es schimmert das Franziskus-Motto von der "Ökomene des Blutes" durch, wenn der Orthodoxe und der Lateiner über die Verfolgung der Christen "in vielen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas" klagen, wo "Familien, Dörfer und ganze Stände unserer Brüder und Schwestern in Christus ausgelöscht, ihre Kirchen verwüstet und barbarisch ausgeplündert werden". Das mittelalterliche Großreich der Kiewer Rus gilt als die Keimzelle Russlands, der Ukraine und Weißrusslands. Seit Herbst 2016 steht eine Bronzestatue am Kreml. Sie zeigt Großfürst Wladimir, der die Rus im Zehnten Jahrhundert von Kiew aus beherrschte und christianisierte. Heute stehen die Russische Orthodoxe Kirche und das Ökomenische Patriachat vor dem Schsma, wenn Russland und die Ukraine sich nicht wieder vertragen. [19]"Liebet das Volk Gottes, lasst nicht zu, dass Fremdlinge euch die Herde abspenstig machen; denn wenn ihr in Trägheit und geringschätzigem Stolz und vor allem in Eigennutz einschlafet, so werden sie von allen Seiten kommen und euch eure Herde abspenstig machen. Legt dem Volke unermüdlich das Evangelium aus!" [1] - Fjodor M. DostojewskijWoher kommt die Rettung für Russland und die ganze Welt? Dostojewskij war davon überzeugt, dass die russischen Klöster eine wichtige Rolle dabei spielen: "Wie würden sie sich aber wundern, wenn ich sage, daß von diesen frommen, sich nach einsamem Gebet sehnenden Mönchen vielleicht noch einmal die Rettung der russischen Erde kommen wird! Denn in Wahrheit sind sie in der Stille vorbereitet »auf den Tag und die Stunde und den Monat und das Jahr«. Sie bewahren bis dahin in ihrer Einsamkeit das Bild Christi herrlich und unentstellt in der Wahrheit Gottes, so wie es aus der Zeit der ältesten Väter, der Apostel und Märtyrer überliefert ist; und sobald es nötig ist, werden sie es der schwankenden Wahrheit dieser Welt zeigen. Das ist ein gewaltiger Gedanke. Vom Osten her wird dieser Stern aufgehen. So denke ich über den Mönch – und ist das wirklich unwahr und hochmütig? Schaut euch doch nur die Weltleute und diese ganze Welt an, die sich über das Volk Gottes erhaben dünkt: Ist nicht bei ihnen das Antlitz Gottes und seine Wahrheit entstellt? Sie haben ihre Wissenschaft, doch in der Wissenschaft ist nur das enthalten, was den Sinnen unterworfen ist. Die geistige Welt aber, die höhere Hälfte des menschlichen Wesens, wird vollständig negiert und mit einem gewissen Triumph, ja sogar mit Haß zurückgewiesen. Die Welt hat die Freiheit verkündet, besonders in der letzten Zeit – und was sehen wir als Resultat dieser ihrer Freiheit? Nur Knechtschaft und Selbstmord! Denn die Welt sagt: »Du hast Bedürfnisse, darum befriedige sie; du besitzt dasselbe Recht wie die Vornehmsten und Reichsten! Scheue dich nicht, sie zu befriedigen, sondern steigere sie sogar noch!« Das ist die heutige Lehre der Welt. Darin sehen sie die Freiheit. Und was ist die Folge dieses Rechtes auf Steigerung der Bedürfnisse? Bei den Reichen Isolierung und geistiger Selbstmord, und bei den Armen Neid und Mord. Denn das Recht haben sie ihnen zwar gegeben, doch die Mittel zur Befriedigung der Bedürfnisse haben sie ihnen nicht gewiesen. Sie versichern, die Welt werde sich immer mehr einigen, sich zu einer brüderlichen Gemeinschaft zusammenschließen, indem sie die Entfernungen verkürzt und die Gedanken durch die Luft übermittelt. O weh, glaubt nicht an eine solche Einigung der Menschen! Dadurch, daß sie unter Freiheit nur Steigerung und schnelle Befriedigung ihrer Bedürfnisse verstehen, verderben sie ihre Natur, weil sie in sich viele sinnlose, dumme Wünsche und Gewohnheiten und törichte Einfälle wecken. Sie leben nur, um einander zu beneiden und ihre Lüste und ihre Eitelkeit zu befriedigen. Diners, Spazierfahrten, Equipagen, hoher Rang und knechtische Untergebene: diese Dinge gelten bereits als so notwendiges Bedürfnis, daß sie sogar ihr Leben, ihre Ehre und ihre Menschenliebe opfern, um nur dieses Bedürfnis zu befriedigen, und sich sogar töten, wenn sie es nicht befriedigen können. Bei denen, die nicht reich sind, sehen wir dasselbe; die Armen aber betäuben ihren Ärger, daß sie ihre Bedürfnisse nicht befriedigen können, und ihren Neid einstweilen durch Trinken. Bald werden sie sich jedoch an Blut statt an Branntwein berauschen; dahin bringt man sie ja geradewegs. ... Vom Volk kommt Rußlands Rettung. Und das russische Kloster hat von jeher in enger Beziehung zum Volk gestanden. Wenn das Volk isoliert ist, so sind wir es auch. Das Volk ist auf unsere Art gläubig; ein ungläubiger Weltverbesserer wird bei uns in Rußland doch nichts erreichen, mag er es noch so aufrichtig meinen und einen noch so genialen Verstand besitzen. Behaltet das gut im Gedächtnis! Das Volk wird den Atheisten entgegentreten und sie niederringen, und es wird ein einiges, rechtgläubiges Rußland erstehen! Behütet das Volk, bewahrt sein Herz vor allem Übel! Erzieht es in der Stille! Das ist das große Werk, das ihr als Mönche auszuführen habt, denn dieses Volk ist der Träger des göttlichen Glaubens!" [1] - Fjodor M. Dostojewskij "Die träumerische Liebe dürstet nach einer Großtat, rasch ausgeführt und von allen gesehen. Es kommt so weit, daß man sogar sein Leben hingibt, nur wenn die Sache schnell erledigt wird und so, daß alle es sehen und loben – wie auf der Bühne. Die tätige Liebe dagegen ist Arbeit und Geduld; sie ist für manche Menschen gewissermaßen eine richtige Wissenschaft. Ich kann es Ihnen im voraus sagen: Sobald Sie mit Schrecken wahrnehmen, daß Sie all Ihrem Bemühen zum Trotz dem Ziel nicht nur nicht näher kamen, sondern sich scheinbar von ihm entfernten – in diesem selben Augenblick, das prophezeie ich Ihnen, werden Sie plötzlich das Ziel erreichen und deutlich Gottes wundertätige Kraft erkennen! Gott hat Sie die ganze Zeit geliebt, die ganze Zeit insgeheim geleitet." [1] - Fjodor M. Dostojewskij "In seiner frühesten Zeit, das heißt in den ersten drei Jahrhunderten, erschien das Christentum auf der Erde nur in Gestalt der Kirche und war nur Kirche. Als nun der heidnische römische Staat christlich zu werden wünschte, nahm er beim Übergang zum Christentum notwendigerweise die Kirche in sich auf, obgleich er in sehr vielen Einrichtungen ein heidnischer Staat blieb. Es mußte im Grunde auch so sein. Es war noch viel heidnische Kultur und Weisheit im römischen Staat zurückgeblieben, ja, heidnisch waren sogar die Grundlagen und Ziele des Staates. Die christliche Kirche aber konnte bei ihrem Eintritt in den Staat von ihren Grundlagen, von dem Stein, auf dem sie stand, nichts aufgeben. Sie konnte nur ihre eigenen Ziele verfolgen, die ihr der Herr gesetzt und gewiesen hatte, und die waren unter anderen, die ganze Welt, und folglich auch den ganzen alten heidnischen Staat, zur Kirche zu machen. Nicht die Kirche muß sich also künftig wie ›jede gesellschaftliche Vereinigung‹ oder wie eine ›Vereinigung von Menschen zu religiösen Zwecken‹ (um mit dem Autor, dem ich widerspreche, zu reden) einen Platz im Staat suchen, vielmehr muß in der Folgezeit jeder irdische Staat zur Kirche werden und nichts als Kirche sein; auf Ziele, die nicht mit den kirchlichen vereinbar sind, muß er verzichten. Das alles erniedrigt ihn durchaus nicht; es nimmt ihm weder seine Ehre noch seinen Ruhm als großer Staat, noch den Ruhm seiner Herrscher; es weist ihm nur statt des unrechten heidnischen Weges den richtigen und wahren Weg, den einzigen Weg zu den ewigen Zielen." [1] - Fjodor M. Dostojewskij "Die Kirche soll sich nach Theorien, die in unserem neunzehnten Jahrhundert entstanden sind, in den Staat umwandeln, gleichsam aus einer niederen Gestalt in eine höhere, um dann im Staat aufzugehen; sie soll der Wissenschaft, dem Zeitgeist und der Kultur einfach weichen. Will sie das nicht und sträubt sie sich, wird ihr zur Strafe eine Art Ecke inmitten des Staates angewiesen, auch das natürlich nur unter Aufsicht, wie es gegenwärtig überall in den westeuropäischen Ländern der Fall ist. Nach der russischen Vorstellung und Zuversicht soll sich jedoch nicht die Kirche in den Staat umwandeln wie aus der niederen in eine höhere Form, sondern der Staat muss im Gegenteil zuletzt dahin kommen, dass er sich würdig erweist, einzig und allein Kirche zu werden und nichts anderes." [1] - Fjodor M. Dostojewskij "Alle Verbannungen zur Zwangsarbeit, zu denen früher noch Körperstrafen kamen, bessern niemand und schrecken keinen Verbrecher ab; denn die Zahl der Verbrechen vermindert sich nicht, sondern wächst immer mehr. Das müssen Sie zugeben. Infolgedessen ist die Gesellschaft auf diese Weise gar nicht geschützt; man sondert wohl ein schädliches Mitglied ab und verbannt es weit weg, daß es niemand mehr zu sehen bekommt, aber an seiner Stelle erscheint sogleich ein anderer Verbrecher, womöglich gar zwei. Wenn irgend etwas sogar in unserer Zeit die Gesellschaft schützt und den Verbrecher bessert und in einen anderen Menschen verwandelt, so allein das Gesetz Christi, das sich im Bewußtsein des eigenen Gewissens kundtut. Nur wer sich seiner Schuld als Sohn der Gemeinschaft Christi, das heißt der Kirche, bewußt ist, wird die Schuld auch vor der Gemeinschaft, das heißt vor der Kirche, bekennen. Nur vor der Kirche vermag der heutige Verbrecher seine Schuld zu bekennen, nicht vor dem Staat. Läge also die Gerichtsbarkeit in den Händen einer Gemeinschaft wie der Kirche, würde diese Gemeinschaft wissen, wen sie aus der Verbannung zurückzurufen und wiederaufzunehmen hat. Solange aber die Kirche keine tatsächliche Gerichtsbarkeit ausübt, sondern nur die Möglichkeit einer moralischen Verurteilung besitzt, solange hält sie sich von jeder tatsächlichen Bestrafung des Verbrechers fern. Sie schließt ihn nicht aus ihrer Mitte aus, sie verweigert ihm nicht ihren mütterlichen Trost. Ja mehr noch, sie bemüht sich sogar, die christliche Gemeinschaft mit dem Verbrecher in vollem Umfang aufrechtzuerhalten; sie läßt ihn zum Gottesdienst und zum Abendmahl zu, gibt ihm Almosen und verkehrt mit ihm wie mit einem Verblendeten, nicht wie mit einem Schuldigen. O Gott, was würde aus dem Verbrecher, wenn ihn die christliche Gemeinschaft, das heißt die Kirche, ebenso verstoßen würde wie das bürgerliche Gesetz? Was würde geschehen, wenn ihn die Kirche nach jeder Bestrafung durch das bürgerliche Gesetz auch ihrerseits mit Ausschluß aus der Gemeinschaft bestrafen würde? Eine größere Strafe für den russischen Verbrecher wäre nicht denkbar, denn die russischen Verbrecher sind noch gläubig. Doch wer weiß, vielleicht würde dann etwas Furchtbares eintreten? Vielleicht würde das verzweifelte Herz des Verbrechers den Glauben verlieren – und was dann? Als zärtliche, liebende Mutter hält sich die Kirche von einer tatsächlichen Bestrafung fern, da der Schuldige ohnehin durch das staatliche Gericht schon schwer gestraft ist und einer ihn doch bemitleiden muß. Der Hauptgrund aber, weshalb sich die Kirche fernhält, ist, daß das Gericht der Kirche als einziges die Wahrheit in sich einschlieft und es sich deshalb mit keinem anderen Gericht materiell und moralisch vereinbaren läßt, auch nicht vorübergehend. Auf Kompromisse kann man sich nicht einlassen. Der ausländische Verbrecher, sagt man, bereut nur selten, bestärken ihn doch gerade die modernen Lehren in der Anschauung, daß sein Verbrechen kein Verbrechen sei, sondern nur eine Auflehnung gegen die ihn zu Unrecht unterdrückende Macht. Die Gesellschaft sondert ihn kraft ihrer Macht mechanisch aus und begleitet den Ausschluß mit ihrem Haß (so berichtet man wenigstens in Westeuropa von sich selbst); man haßt diesen Bruder, bleibt seinem weiteren Schicksal gegenüber gleichgültig und vergißt ihn völlig. Alles geht ohne das geringste Mitleid der Kirche vonstatten, denn vielfach gibt es dort keine Kirchen mehr, nur noch ein Kirchenpersonal und prächtige kirchliche Gebäude; die Kirchen selbst aber suchen längst aus der niederen Form in die höhere überzugehen, das heißt in den Staat – zumindest in den lutherischen Ländern. In Rom wird schon seit tausend Jahren der Staat an Stelle der Kirche verkündet. Der Verbrecher fühlt sich daher nicht als Glied der Kirche, sondern als Ausgestoßener und verfällt der Verzweiflung. Und wenn er in die Gesellschaft zurückkehrt, geschieht es nicht selten mit solchem Haß, daß ihn die Gesellschaft von selber meidet. Wie das schließlich endet, können Sie sich selbst sagen. In vielen Fällen scheint es bei uns nicht anders zu sein, der Unterschied ist jedoch der, daß es außer den eingesetzten Gerichten bei uns noch eine Kirche gibt, die niemals die Verbindung mit dem Verbrecher als ihrem lieben, immer noch teuren Sohn aufgibt. Außerdem besteht und erhält sich noch theoretisch ein kirchliches Gericht; und wenn es jetzt auch nicht tätig ist, so lebt es doch jedenfalls für die Zukunft, und zweifellos erkennt es auch der Verbrecher selbst mit innerem Instinkt an. Es ist ganz richtig gesagt worden: Würde das Gericht der Kirche in seiner ganzen Kraft eingesetzt, das heißt, würde sich die ganze Gesellschaft in eine einzige Kirche verwandeln, so hätte nicht nur das Kirchengericht einen wesentlich stärkeren Einfluß auf die moralische Besserung des Verbrechers, auch die Zahl der Verbrechen würde sich wahrscheinlich ungeahnt vermindern. Die Kirche würde den künftigen Verbrecher in vielen Fällen zweifellos ganz anders beurteilen als jetzt; sie wäre fähig, den Ausgeschlossenen zurückzuholen, den Bösen Planenden zu warnen und den Gefallenen aufzurichten." [1] - Fjodor M. Dostojewskij "Vorläufig ist die christliche Gemeinschaft noch nicht fertig und beruht nur auf sieben Gerechten; da diese jedoch nicht abnehmen werden, wird sie unbeirrt fortbestehen, und ihre Umwandlung aus einer beinahe noch heidnischen Vereinigung in eine einzige, die Welt umspannende und beherrschende Kirche abzuwarten. Amen, es soll also geschehen, und sei es auch erst am Ende der Zeiten ... es ist das einzige, dem eine Erfüllung vorherbestimmt ist! Die langen Zeiten brauchen uns nicht zu beirren; denn das Geheimnis der Zeiten ist in der Weisheit Gottes, in seiner Voraussicht und seiner Liebe eingeschlossen. Und was nach menschlicher Rechnung vielleicht noch sehr fern ist, das steht nach göttlicher Vorherbestimmung vielleicht schon vor der Tür. Amen, es soll also geschehen!" [1] - Fjodor M. Dostojewskij "Es gibt unter ihnen jedoch einige, nicht viele Menschen, von besonderer Art, die glauben an Gott und sind Christen, zugleich aber auch Sozialisten. Sehen Sie, die fürchten wir am meisten; die sind gefährlich! Der christliche Sozialist ist schrecklicher als der atheistische!‹ Diese Worte frappierten mich schon damals. Jetzt, meine Herren, sind sie mir plötzlich, ich weiß nicht wieso, wieder eingefallen." [1] - Fjodor M. DostojewskijIn den siebziger Jahren schrieb Dostojewskij: "Durch die Wendung nach Asien kann mit uns dasselbe geschehen, was mit Europa geschah, als Amerika entdeckt wurde.... Mit der Strömung nach Asien wird sich unser Geist wieder erheben und werden sich unsere Kräfte wieder starken" und zeigt damit viel Ähnlichkeit mit Solowjew. [31] "Also hat sich wieder ein wildes und stolzes mohammedanisches Volk dem weißen Zaren unterworfen, werden jetzt die asiatischen Völker denken.... Der Name des weißen Zaren muss über den Chans und Emiren stehen, muss über dem der Kaiserin von Indien leuchten, ja sogar über dem des Kalifen." [1] - Fjodor M. DostojewskijDostojewskij zitiert aus den "Moskauer Nachrichten" und spricht von einer "katholischen Verschwörung" gegen Deutschland und Russland. Der Klerus habe sich sogar mit "unmißverständlicher Zärtlichkeit über den Koran geäußert". Sogar England solle die Hauptrolle in diesen Intrigen spielen. Der Papst habe freudig von den "türkischen Siegen" gesprochen und Russland eine "furchtbare Zukunft" prophezeit. [39] "Und was den kriegerischen Katholizismus anbetrifft, so hat er nicht erst jetzt, sondern von Anfang an, wie allen bekannt, leidenschaftlich die "rechtgläubige" Türkei gegen das schismatische Russland unter seinen Schutz genommen. Die Gesinnungslosigkeit des eifernden Klerus ist sogar so weit gegangen, dass sich ein Vertreter dieser Partei mit unmißverständlicher Zärtlichkeit über den Koran geäußert, so dass selbst die ultramontane "Germania es für nötig befunden hat, ähnliche Ausfälle durch die Bemerkung abzuschwächen, dass, wenn man sich auch der Siege der Türken über die verhassten Russen freuen müsse, es doch nicht ganz angebracht sei, gleich Sympathie für den Islam zu bekunden." [1] - Fjodor M. Dostojewskij II5. Was gelten Propheten wie Dostojewskij und Solschenizyn im eigenen Land? Russland begeht den hundertsten Geburtstag von Alexander SolschenizynZum Hundertsten des russischen Großschriftstellers Alexander Solschenizyn 2018 laufen die Feierlichkeiten in seiner Heimat längst auf Hochtouren. Im Moskauer Bolschoi-Theater hatte die GULag-Oper „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ Premiere, die, vor neun Jahren von dem Komponisten Alexander Tschaikowsky geschrieben, jetzt vom Sohn des Jubilars Ignat Solschenizyn dirigiert wurde. Im zentralrussischen Rjasan, wo der rehabilitierte Solschenizyn Mathematik lehrte, wird ein Museum eröffnet. Die Moskauer Wohnung, wo der Autor vor seiner Ausweisung 1974 inhaftiert wurde, ist als Gedenkort institutionalisiert, in seinem Geburtsort Kislowodsk steht ein neues Monument. Es ist bemerkenswert, dass die Anfeindungen von rechten und linken Aktivisten kommen, während die Machtspitze dem unbequemen Patrioten huldigt. Freilich hat der vor zehn Jahren verstorbene Solschenizyn mit Präsident Putin politisch sympathisiert und aus seinen Händen sogar einen Staatspreis entgegengenommen, nachdem er Ehrungen, die ihm dessen Vorgänger Michail Gorbatschow und Boris Jelzin angetragen hatten, zurückwies. Er begrüßte, was er als Russlands Wiederaufbau durch Putin ansah, hielt dem Westen vor, die Schwäche des Landes ausgenutzt zu haben, und tat die Demokratie unter Jelzin als Anarchie und Ausverkauf ab. Der Schriftsteller verzieh dem Präsidenten sogar seine Herkunft aus dem KGB, der ihn brutal verfolgt hatte, mit dem Argument, Putin habe für den Auslandsnachrichtendienst gearbeitet und nicht etwa Dissidenten verhört. "Dabei ist Solschenizyn sich im Grunde stets treu geblieben und hat teuer dafür bezahlt. Als Sohn eines zaristischen Offiziers, der aber vor seiner Geburt umkam, wuchs er bei der alleinerziehenden Mutter im südrussischen Rostow auf. Schon während seines Studiums an der mathematisch-physikalischen Fakultät begann er, an seinem Buch „August Vierzehn“ zu schreiben, das Russlands Weg in die Revolution nachzeichnet und das viel später Teil seines unvollendeten Hauptwerks „Das Rote Rad“ werden sollte. Während des Zweiten Weltkriegs kämpfte er als Artillerist drei Jahre an der Front, bis er Anfang 1945 verhaftet wurde, weil er sich in Feldbriefen abfällig über den Oberbefehlshaber Stalin geäußert hatte. Acht Jahre verbrachte er in diversen Straflagern. Seine erste Frau ließ sich von ihm scheiden, um ihre Arbeit nicht zu verlieren. Als Mathematiker hatte Solschenizyn aber auch Glück im Unglück, er kam in ein Forschungsinstitut innerhalb des Lagersystems, die sogenannte „Scharaschka“, wo hochqualifizierte Gefangene technische Innovationen entwickelten und wo er den ebenfalls abgeurteilten Germanisten Lew Kopelew kennenlernte. Diese Erfahrung verarbeitete er zu dem Roman „Der erste Kreis der Hölle“, für den er 1970 den Literaturnobelpreis bekam. Wegen kritischer Bemerkungen über den Institutsleiter wurde er dann freilich in ein elendes Arbeitslager im kasachischen Ekibastus verbannt, das ihn zu dem Epochenroman „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ inspirierte. Das Buch schildert in kernig volkstümlicher Sprache, wie ein einfacher Mann, der an der Front kämpfte, in deutsche Gefangenschaft geriet, floh und denunziert wurde und im Straflager zu überleben versucht. In ihm spricht sich auch schon Solschenizyns Liebe zu schlichten, genügsamen Gemütern aus, die in der bald darauf entstandenen Erzählung „Matrjonas Hof“ eine alte Bäuerin zur christlichen Heiligenfigur erhebt. Doch als der „Iwan Denissowitsch“ 1962 in der Literaturzeitschrift „Nowyj mir“ erschien – nachdem Parteichef Nikita Chruschtschow dafür persönlich grünes Licht gegeben hatte –, machte er seinen Autor für einen kurzen Augenblick zum Liebling der Intellektuellen, der Machthaber und des Volkes. Doch es folgten Jahre des Publikationsverbots, da „Der erste Kreis“ und die ebenfalls autobiographische „Krebsstation“ im Untergrund zirkulierten und nur im Westen publiziert wurden. Untragbar wurde er für das Regime, nachdem der KGB sich eines Typoskripts des dreibändigen Enthüllungswerks „Archipel GULag“ bemächtigte und der Autor Anweisung gab, die längst nach Paris geschmuggelten Abschriften unverzüglich zu drucken. Die aus zahllosen Zeugenberichten zusammengetragene Dokumentation über das Zwangsarbeitssystem, das dem Sowjetstaat zugrunde lag, versetzte dessen Ansehen einen entscheidenden Schlag." [46]Während der
zwanzig Jahre, die er im Westen, die meiste Zeit im amerikanischen Bundestaat
Vermont, zubrachte, kritisierte er den Westen ähnlich wie Dostojewskij.
1978 erklärte er Harvard-Studenten, es werde immer unwahrscheinlicher,
dass die westliche Lebensform mit ihrer konsumorientierten Marktwirtschaft
das führende Modell auf dem Planeten Erde sein könne. Auch in
den im Westen großzügig verwirklichten Menschenrechten, bei
gleichzeitiger Entlastung von Pflichten, sah er keinen Segen. Linke und
materialistische Intellektuelle beschimpfte er als eitles „Gebildetenpack“
(obrasowanschtschina), das die Machthaber bekämpfe, ohne eine praktikable
Alternative anbieten zu können. "Erstaunlich, wie aktuell manche Positionen
heute klingen, die Solschenizyn so lange haben gestrig aussehen lassen."
[47]
6. Ukrainisch-orthodoxe Landeskirche als weitere unsinnige KirchenspaltungAuf einem „Vereinigungskonzil“ soll eine neue, von Moskau unabhängige orthodoxe Kirche gegründet werden. Das Konzil soll in der mittelalterlichen, prächtigen Sophienkathedrale stattfinden, der ältesten Kirche Kiews. Ziel der Synode ist es, die drei derzeit bestehenden, konkurrierenden orthodoxen Kirchen im Land zusammenzuführen. Die größte von ihnen ist seit 1686 dem Moskauer Patriarchat unter Patriarch Kyrill I. unterstellt. Die zweitgrößte Kirche, die sich nach der Auflösung der Sowjetunion 1992 von Moskau abspaltete, untersteht dem Kiewer Patriarchat mit Patriarch Filaret. Beide Gruppen verfügen jeweils über Tausende Gemeinden. Die Kirche des Kiewer Patriarchats wird von Moskau und der orthodoxen Weltkirche jedoch nicht anerkannt. Um diesen Knoten zu durchschneiden, entschloss sich der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., 2018, eine eigenständige und vereinte orthodoxe Kirche in der Ukraine ins Leben zu rufen. Der seit der Antike in Konstantinopel residierende Patriarch ist unter allen orthodoxen Kirchenoberhäuptern der Welt der „Erste unter Gleichen“. Wenn Konstantinopel künftig die oberste Autorität für die Orthodoxen in der Ukraine wäre, bedeutete dies einen empfindlichen Verlust für das Moskauer Patriarchat. Die Moskauer Kirche verlöre damit ein gutes Drittel aller Gemeinden. Weil Kyrill I. als Reaktion auf die Bemühungen Bartholomaios I. den Kontakt nach Istanbul abgebrochen hat, wird auch von einer Spaltung (Schisma) der weltweit etwa 350 Millionen orthodoxen Christen gesprochen. Die jüngsten Entwicklungen im Kirchenstreit werden in Russland scharf kritisiert. Das Staatsfernsehen behauptete, in der Ukraine erlebten die Anhänger der Moskauer Kirche heute eine „(Christen-)Verfolgung wie im alten Rom“. Patriarch Kyrill I. wandte sich in dieser Woche mit Briefen an internationale Organisationen sowie an den Papst, Bundeskanzlerin Angela Merkel und den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Er forderte sie auf, die Gläubigen des Moskauer Patriarchats gegen „Diskriminierung und Druck seitens der ukrainischen Behörden“ zu verteidigen. Von den zu Moskau gehörenden Bischöfen in der Ukraine haben die meisten die Einladung aus Konstantinopel zum Kiewer Konzil postwendend zurückgeschickt. Ein Metropolit sagte, für alle Angehörigen seiner Kirche sei die Teilnahme am „sogenannten Vereinigungskonzil“ untersagt und werde „Disziplinarmaßnahmen“ nach sich ziehen. Die meisten Ukrainer sind orthodox. Taufen und kirchliche Trauungen erfreuen sich heute viel stärkerer Beliebtheit als in der Zeit des verordneten sowjetischen Atheismus. Nach einer Untersuchung des amerikanischen Pew-Instituts halten 51Prozent der Ukrainer Religion für einen wichtigen oder sehr wichtigen Bestandteil ihrer nationalen Identität. Das sind deutlich mehr als in Deutschland (34 Prozent), jedoch weniger als in den Nachbarländern Russland und Polen. 78 Prozent der Bevölkerung beschreiben sich selbst als orthodoxe Christen. Mehr Ukrainer als Russen treten für die Trennung von Staat und Kirche ein. [48]Das „Vereinigungskonzil“ zur Schaffung einer neuen orthodoxen Kirche in der Ukraine bestimmte in geheimer Wahl deren erstes Oberhaupt. Wahlsieger war der nur 39 Jahre alte Epifanij (bürgerlich Serhij Dumenko), bisher Metropolit von Perejaslaw und Bila Zerkwa. Er wurde offenbar im zweiten Wahlgang von den anwesenden Bischöfen mit 36 Stimmen gewählt. Darin liegt die historische Bedeutung, aber auch das Risiko der Kirchengründung: Nach mehr als 300 Jahren wird in der Ukraine mit dem Segen des informellen Oberhaupts aller Orthodoxen, des Patriarchen Bartholomaios I. von Konstantinopel, eine von Moskau unabhängige orthodoxe „Ortskirche“ gegründet. Doch der Einfluss des Moskauer Patriarchen Kyrill I. bleibt zunächst stark: „Seine“ Bischöfe in der Ukraine hatten das Konzil fast alle boykottiert. Damit dürfte es auf absehbare Zeit zwei Kirchenstrukturen im Land geben, jede mit mehreren tausend Gemeinden. Epifanij feierte am Sonntag als Kirchenführer seinen ersten Gottesdienst in der fast benachbarten Michaelskirche, deren Kuppeln von außen ebenso golden glänzen wie die Sophienkirche von innen. Epifanij bestimmte die Michaelskirche zu seiner Kathedralkirche. Sie war nach ihrer Zerstörung in der Stalinzeit wegen angeblicher „künstlerischer Minderwertigkeit“ erst 2000 wieder aufgebaut worden. [49] Bezeichnend ist , dass den Tataren bzw. Muslimen die Kirchenspaltung gefiel: "in der Tat begrüßte der Mufti der Muslime im Land am Sonntag die Kirchengründung". Die neue Kirche werde eine „Kirche ohne Putin, ohne Patriarch Kyrill, ohne Gebete für Russlands Staat und Armee“ sein und solle „echte ukrainische Bürger“ heranziehen. Dann zitierte er einen Satz, den er auf Otto von Bismarck zurückführte und auf die heutige russisch-ukrainische Konfrontation münzte: „Nicht Generäle gewinnen Kriege, sondern Schullehrer und Gemeindepfarrer,“ was ähnlich klingt wie der türkische Schlachtruf: "Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten." (Recep Tayyip Erdogan). [50] Der Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., hat die im Dezember 2018 gegründete Orthodoxe Kirche der Ukraine als neue, unabhängige Landeskirche anerkannt. Er unterzeichnete in Istanbul den „Tomos“, einen Erlass dieses Inhalts. Bartholomaios ist das informelle Oberhaupt aller Orthodoxen. Er übergab das Dokument feierlich dem ersten Oberhaupt der neuen Kirche, Metropolit Epifanij. Ein Vertreter der Russischen Orthodoxen Kirche in Moskau teilte mit, man erkenne die Eigenständigkeit der neuen Kirche nicht an, und bezeichnete den Tomos als „Papier, das Ergebnis unbändiger politischer Ambitionen ist“. Der Sprecher von Patriarch Krill sagte, Patriarch Bartholomaios habe sich „endgültig von der Weltorthodoxie abgewandt“. Die Unterschrift unter den Tomos sei „nichtig“ und eine „geistige Kapitulation“. Der Leiter des Außenamts der Kirche, Metropolit Ilarion, verglich das Geschehen mit der Kirchenspaltung 1054 zwischen Rom und Konstantinopel. Die Spaltung zwischen Moskau und Kiew könne „Jahrzehnte oder Jahrhunderte dauern“. [51] Die größten Schätze der Russischen Orthodoxen Kirche sind die großen Lawra-Klöster. Insgesamt gibt es fünf dieser Klöster. Solange der russische Machtbereich expandierte, vom kleinen Großfürstentum Moskau bis zur späten Sowjetunion, erweiterten immer neue Klöster und Gotteshäuser den Besitzstand dieser Kirche. Doch mit dem Ende des Zarenreichs und erst recht jenem der Sowjetunion zog sich die Staatsgrenze hinter die Klostermauern zurück. Der Staat schrumpfte; die staatsnahe Kirche dagegen versuchte, die Stellungen zu halten. Heute liegen drei der fünf Lawras, dazu etwa 12000 Gemeinden, deren oberste geistliche Autorität in Moskau ansässig ist, in der Ukraine. Ähnliches hat es in kleinerem Maßstab schon einmal gegeben: Nach dem Untergang des Zarenreiches fand sich ein Lawra-Kloster im Ausland wieder, im wiedervereinigten Polen. Damals wurde mit Hilfestellung des polnischen Staates eine eigenständige (autokephale) orthodoxe Kirche gegründet. So wurde die Lawra von Potschajiw zum größten Wallfahrtsort der fast vier Millionen im damaligen Polen lebenden Orthodoxen. In der Ukraine ist im Dezember 2018, ein Jahrhundert später, ebenfalls eine eigenständige Kirche, die Orthodoxe Kirche der Ukraine (PZU), gegründet worden. Im Januar 2019 ist ihr im Dezember 2018 gewähltes erstes Oberhaupt, Metropolit Epifanij, feierlich in sein Amt eingeführt werden. Diesmal hat die Kirchenfrage weit größere Sprengkraft. In Kiew nämlich stand im Mittelalter die Wiege der russischen Staatlichkeit; ausserdem ist die Ukraine heute das (nach Russland) zweitgrößte orthodox geprägte Land der Welt. [52] In Moskau meldete sich Präsident Wladimir Putin zu Wort. Er verglich die Lage in der Ukraine mit der Christenverfolgung zu Sowjetzeiten. Er kritisierte die dortige Kirchengründung und warnte davor, dass Russland „sich das Recht vorbehält, zu reagieren und alles zu tun“, um die „Menschenrechte und die Rechte der Gläubigen zu verteidigen“. Die Sorge ist groß, dass in nächster Zeit ein Kampf um Klöster und Kirchen ausbricht, wie ihn Europa lange nicht gesehen hat. Mögliche Anzeichen für eine Eskalation gibt es bereits. Zum Beispiel in der Kiewer Innenstadt, wo sich die älteste der fünf Lawras befindet. "Hier liegt das im 11. Jahrhundert gegründete Kiewer Höhlenkloster. In unterirdischen Gängen, in denen die Mönche einst lebten, kann man heute die sterblichen Überreste von 120 Heiligen besichtigen, mumifizierte Leichname, die als Reliquien verehrt werden. Die malerisch an den Hängen über dem Dnjepr gelegene Klosteranlage mit 14 Kirchen und Kapellen umfasst 32 Hektar. Der prächtige obere Teil der Anlage wird hauptsächlich als Museum genutzt; die dort gelegene Hauptkirche fiel 1941, als Wehrmachtseinheiten im Kloster stationiert waren, einer Explosion zum Opfer und wurde erst im Jahr 2000 (mit bescheidener finanzieller Hilfe aus Deutschland) wieder aufgebaut. Der tiefer gelegene Teil ist der Verwaltungssitz der nach Moskau orientierten orthodoxen Kirche; auch etwa 200 Mönche leben hier. [53] Der 90 Jahre alte Ehrenpatriarch Filaret hat etwas andere Vorstellungen. "Filaret hatte nach der staatlichen Trennung Russlands und der Ukraine 1991 den Aufbau einer eigenen Kirche maßgeblich vorangetrieben. Er sagte vor wenigen Tagen in einem Interview zur Zukunft der Klöster, dass eine gewaltsame Übernahme „von vornherein ausgeschlossen“ sei. Filaret verwies auf das gerade verabschiedete Gesetz, wonach Gemeinden und Klöster mit dem Beschluss einer Zweidrittelmehrheit der Betroffenen die Kirche wechseln, zum Beispiel von der „Moskauer“ zur neuen Orthodoxen Kirche der Ukraine übertreten können. Ein weiteres Gesetz sieht jetzt außerdem vor, dass die „Moskauer“ Kirche sich künftig auch in ihrem Namen offiziell als „russisch“ bezeichnen muss – bisher nennt sie sich einfach „ukrainisch“. Wenn die Mönche der Lawra dazu nicht bereit seien, sagte Filaret, „dann haben sie keinen rechtlichen Status. Und wenn sie keinen rechtlichen Status haben, werden sie vieles verlieren.“ Das betreffe auch die Kiewer Lawra. „Sie ist ein ukrainisches Heiligtum und muss der ukrainischen Kirche gehören, nicht der russischen.“ Die Mönche würden sich den Umständen schon fügen." [54] Noch schwieriger ist die Lage rund um die Lawra von Potschajiw. Auch dort wurde inventarisiert, auch dort werden einige Gegenstände vermisst. Mehr noch: Inzwischen streiten der Staat und die „Moskauer“ Kirche offen darüber, wessen Eigentum die großen Kirchen und Gebäude dort eigentlich sind. „Das ist unser Haus“, sagte der Klostervorsteher, Metropolit Wolodymyr, einem ukrainischen Fernsehsender, „und wir haben nicht vor, irgendwohin wegzugehen.“ Potschajiw liegt weit im Westen der Ukraine; zu verschiedenen Zeiten hatte das Kloster zu Polen gehört, woran auch seine mitteleuropäische, barocke Kirchenarchitektur erinnert. Hier verlief im späten Zarenreich die vorderste Front jenes Kampfes, in dem es galt, Andersgläubige „nicht nur dem Blute, sondern auch dem Geiste nach“ zu „wahren russischen Menschen“ zu machen, wie ein orthodoxes Diözesanblatt 1889 schrieb. Die Lawra wurde kurz darauf auch zu einem Zentrum der nationalistischen Bewegung. Im 20. Jahrhundert brachten Schikanen der sowjetischen Behörden gegen das Kloster die Mönche an den Rand des Aufgebens. Heute leben wieder etwa 200 Mönche in der Lawra. Wie werden sie auf die neue Lage reagieren? Kirchenjurist Bachow sieht die neuen Gesetze sehr kritisch: „Sie zielen darauf ab, unsere Kirche zu beseitigen.“ Das sei eine „schwerwiegende Einmischung des Staates in kirchliche Angelegenheiten“. Dabei sind die großen Klöster nur die Spitze des Eisbergs: Auch von den insgesamt etwa 16000 orthodoxen Gemeinden im Land gehört die Mehrheit immer noch zur „Moskauer“ Kirche, nur etwa ein Viertel hatte sich bereits in den vergangenen Jahrzehnten abgespalten. Bachow hält das alles für juristisch fragwürdig. Schon die Zweidrittelregelung sieht er als unzulässige Einmischung des Gesetzgebers. Von den ersten 50 Übertritten seit Gründung der neuen Kirche im Dezember, sagt er, seien nur 20 als ordnungsgemäß anzuerkennen, nämlich dort, wo der Priester und die Gläubigen im Konsens übergetreten seien. Alles andere sei „Sachwat“, eine rechtswidrige Eroberung, zumeist „initiiert von der örtlichen Bevölkerung und mit Unterstützung der kommunalen Behörden“. In manchen Fällen seien „radikale Elemente, Nationalisten“ angereist und hätten für den Übertritt agitiert oder sogar gedroht. Auch behauptet Bachow, es habe „etwa zehn nicht aufgeklärte Fälle von Brandstiftungen“ an kirchlichen Gebäuden gegeben. [55] Ganz anders sieht
Rostislaw Pawlenko die Entwicklung. Der Politologe Pawlenko, „Berater für
humanitäre Fragen“ des Staatspräsidenten Petro Poroschenko, ist
der hohe Beamte, der die Gründung der neuen Kirche persönlich
mit ausgehandelt hat. Dazu war er auch mehrfach in Istanbul, wo in einem
alten Stadtviertel am Goldenen Horn Bartholomaios I. residiert, der Patriarch
von Konstantinopel. Bartholomaios ist als „Ökumenischer Patriarch“
das informelle Oberhaupt aller Orthodoxen in der Welt; er hat, unterstützt
von türkischen und ukrainischen Imamen, der neuen ukrainischen Kirche
ihre Eigenständigkeit verliehen, woraufhin ihm der Moskauer Patriarch
Kyrill I. den Kampf ansagte und verkündete, die orthodoxe Weltgemeinschaft
sei jetzt gespalten. Pawlenko, zugleich Leiter des Kiewer Strategieinstituts
NISS, verweist auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte. Nach jahrelangem Rechtsstreit war der Fall „St. Michaels-Gemeinde
gegen Ukraine“ 2007 bis nach Straßburg gelangt. Der Gerichtshof bestätigte,
dass eine Gemeinde wie diese am Stadtrand von Kiew – entgegen der damaligen
Auffassung der Behörden – das Recht habe, mit Mehrheitsentscheidung
ihre Zugehörigkeit zu wechseln. Auch damals ging es um die Loslösung
von der „Moskauer“ Kirche. Auf dieser Grundlage, sagt Pawlenko, hätten
die jetzt verabschiedeten Gesetze für klarere Bestimmungen gesorgt.
Der EuGH dürfte damit aber überfordert sein. [56]
7. Dostojewskij als Vorbild und unsterblicher Schriftsteller"Und doch können wir uns unmöglich von Europa lossagen. Europa ist uns zum zweiten Vaterlande geworden - ich selbst bin der erste, der sich leidenschaftlich zu Europa bekennt. Europa ist uns allen fast ebenso teuer wie Russland." [1] - Fjodor M. DostojewskijS. Rushdie schreibt: "die unsterblichen Schriftsteller der Vergangenheit waren seine Vorbilder. Schließlich war er nicht der erste, der wegen seiner Kunst bedroht, geächtet und verdammt wurde." Er dachte an den "großartigen Dostojewskij, der dem Erschießungskommando gegenüberstand und, nachdem er in letzter Minute begnadigt worden war, vier Jahre im Gefangenenlager verbrachte." [57] Es geht nach Dostojewski
um die Einigung "aller Völker nach dem Gesetze Christi und des Evangeliums"
und nicht um Gesetze, die sich auf den Koran berufen, wie die des Osmanischen
Reiches. Erdogan betreibt nicht nur eine "Pakistanisierung der Türkei",
sondern er will das Osmanisches Reich wiederbeleben. Dazu kommentiert die
„Neue Zürcher Zeitung am Sonntag“ die Pläne des türkischen
Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Truppen in das vom Bürgerkrieg
zerrissene Libyen zu entsenden: „Erdogan kommt der von den Vereinten Nationen
anerkannten und von der EU nur halbherzig unterstützten Zentralregierung
in Tripolis zu Hilfe. Seine wahren Interessen sind andere: zum Teil politisch-religiös,
zum Teil wirtschaftlich, vor allem geostrategisch. Die Regierung des libyschen
Ministerpräsidenten Fajis al-Sarradsch wird der sunnitischen Muslimbruderschaft
zugerechnet, Erdogans Netzwerk in Nahost. Türkische Firmen werden
am Wiederaufbau in Libyen wie in Syrien verdienen. Erdogans geopolitische
Phantasien aber sollten die Europäer wachrütteln. Dem Staatschef
geht es um das Wiederaufleben des Osmanischen Reichs. Der Traum der türkischen
Nationalisten vom Zugriff auf Syrien, Zypern, die Ägäis und Libyen
bedeutet nur mehr Instabilität an Europas Grenzen. Außenpolitisch
aktiver werden und Rüstungslieferungen an die Türkei stoppen"
wäre ebenso angezeigt wie Sanktionen auch gegen Firmen, die mit der
Türkei zusammenarbeiten. [58]
8. Taufe des Großfürsten Wladimir als Grundlage für die Christianisierung der Kiewer RusSchon die Annexion der Krim im Jahr 2014 hatte Putin mit ihrer religiösen Bedeutung für Russland begründet – einem Argument, das schon nach der ersten Annexion von 1783 russische Ansprüche legitimieren sollte. Putin hatte vor gut sieben Jahren die „außerordentliche zivilisatorische und sakrale Bedeutung der Halbinsel“ hervorgehoben und sie mit der Bedeutung des Jerusalemer Tempelbergs für Juden und Muslime verglichen. Auf dem „geistigen Boden“ der Krim „haben sich unsere Vorfahren erstmals und auf ewig als einiges Volk begriffen“, sagte Putin damals. In der ukrainischen Stadt Cherson, seit dem 3. März 2022 unter Kontrolle des russischen Militärs, habe die Taufe des Großfürsten Wladimir stattgefunden, „welche die Grundlage für die Christianisierung der Kiewer Rus war“, sagte Putin im Dezember 2014. Das Christentum sei zur starken verbindenden Kraft geworden, „durch die eine einheitliche russische Nation und ein einheitlicher Staat entstand – aus den unterschiedlichen Stämmen der ostslawischen Welt“. [59]Die Wiege der russischen Kultur und der russisch-orthodoxen Kirche ist Kiew, die Hauptstadt der Ukraine. "Die Christianisierung des alten Reichs, der sogenannten Kiewer Rus, im Jahr 988 hatte Fürst Wladimir anlässlich seiner Heirat mit Prinzessin Anna von Byzanz betrieben, der Tochter des byzantinischen Kaisers Romanos II. Bei der Feier zum tausendsten Todestag Wladimirs hatte Putin 2015 gesagt: „Die Annahme des Christentums beruhte auf der tiefen Liebe Fürst Wladimirs zu seinem Vaterland, auf seinen ernsthaften geistigen Überlegungen, auf der Suche nach einer einheitlichen Grundlage, um das Volk und die zersprengten Ländereien zu einen. Indem er innere Unruhen beendete und äußere Gegner zerstörte, legte Fürst Wladimir den Anfang für eine geeinte russische Nation. Er hat den Weg gebahnt zu einem starken, zentralisierten Staat.“ Mit einem Jahr Verspätung enthüllte Putin 2016 eine zwölf Meter hohe Statue Fürst Wladimirs vor dem Kreml. Heute sind etwa 70 Prozent der 44 Millionen Ukrainer orthodoxe Christen. Seit 1991 gibt es in der Ukraine drei Kirchen, die einem orthodox-byzantinischen Ritus folgen. Die kleinste ist die griechisch-katholische, die zwar treu zum Papst ist, aber weiter zum byzantinischen Ritus steht. Ihr Wirkungsgebiet ist vor allem der Westen der Ukraine. Deren Oberhaupt Schewtschuk hatte schon am Tag des russischen Angriffs gesagt, es sei „unsere persönliche Verantwortung und heilige Pflicht als Bürger der Ukraine, unser Heimatland, unser Gedächtnis und unsere Hoffnung, unser gottgegebenes Recht auf Existenz zu schützen." [60] Die Ukrainische Orthodoxe Kirche blieb immer moskautreu und ist Kirill unterstellt. "Umso bemerkenswerter war der Aufruf ihres Oberhaupts, des Metropoliten von Kiew und der Ukraine Onufrij, der forderte, den „Bruderkrieg“ zwischen dem ukrainischen und russischen Volk sofort zu beenden, und der auf den Nationalmythos der Rus verwies: Das ukrainische und das russische Volk seien aus der Taufe im Dnepr hervorgegangen. „Und es ist die größte Schande für uns, dass wir gegeneinander kämpfen.“ Dieser Krieg sei weder vor Gott noch vor den Menschen zu rechtfertigen, und deshalb verteidige seine Kirche die Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine. Damit distanzierte sich der moskautreue Metropolit vom Moskauer Patriarchat, was bei einem Sieg Putins zu seiner sofortigen Abberufung führen dürfte. Von russischer Seite war dieser Aufruf als Dienst am „Kriegsverbrecher Selenskyj“ gebrandmarkt worden. Alle drei Kirchen der Ukraine haben sich sofort und unzweifelhaft auf die Seite des ukrainischen Volkes gestellt. Für das Moskauer Patriarchat ist das ein Warnsignal, weil es damit rechnen kann, dass der Unmut in der russischen Bevölkerung und zunehmend auch im eigenen Klerus über die Kremltreue des Patriarchen wachsen wird. Der wiederum sieht sich innerkirchlich auch dem Druck ultrakonservativer Kräfte ausgesetzt, denen Kirills Kurs schon zu liberal erscheint... Das Zusammenwirken von Staat und Kirche beklagten im Februar 2012 auch die jungen Frauen der Performancegruppe Pussy Riot, die in bunten Kleidern in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau herumsprangen, die als Prestigebau der Orthodoxen Kirche gilt. In ihrem Protestsong hieß es: „Der KGB-Chef ist ihr oberster Heiliger. Er steckt Demonstranten ins Gefängnis... Der Patriarch glaubt an Putin, besser sollte er, der Hund, an Gott glauben“." [61] Was Putin und Kirill eine, so der emeritierte Berliner Ostkirchenexperte Heinz Ohme, sei die Erfahrung der Sowjetunion, die das Christentum ausrotten wollte. "Die substanzielle Gefährdung des Christentums und der orthodoxen Kirche zwischen 1917 und 1989 gehöre zu den Schlüsselerfahrungen, die bei Putins gegenwärtiger Geschichtsdeutung zu berücksichtigen seien. Die Grundfigur sei eine existenzielle Bedrohung Russlands durch den Westen. In der Kriegserklärung vom 24. Februar wirft Putin dem Westen vor, „unsere traditionellen Werte zu zerstören und uns seine Pseudowerte aufzudrängen, die uns, unser Volk von innen zerfressen sollen, all diese Ideen, die er bei sich bereits aggressiv durchsetzt und die auf direktem Weg zu Verfall und Entartung führen, denn sie widersprechen der Natur des Menschen“. Kirill, der aus einer Priesterfamilie kommt und wie Putin aus Leningrad – heute Sankt Petersburg – stammt, ist Mönch, war aber nie ein Einsiedler in brauner Kutte. Bevor er Patriarch wurde, hatte er jahrelang das Außenamt des Patriarchats geleitet. Die westlichen Kirchen, auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), schätzten seine Aufgeschlossenheit. Alle im Ausland tätigen Vertreter der orthodoxen Kirche mussten eine Verpflichtungserklärung gegenüber dem früheren Geheimdienst KGB unterschreiben und waren gezwungen, hinterher Berichte abzugeben. Kirill, der mehrere Sprachen spricht und viel internationale Erfahrung hat, war bei Ökumenischen Versammlungen – etwa bei der Tagung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) 1989 in Moskau – umworben, weil er als offen und zugänglich galt. 1961 durften die orthodoxen Kirchen erstmals in den ÖRK eintreten, der russische Staat hatte sich erhofft, auf diese Weise Einfluss auf den ÖRK nehmen zu können. Das kirchliche Interesse bestand darin, angesichts der elementaren Bedrohung durch den Staat Unterstützer im Westen zu finden. Aktuell hat der geschäftsführende Generalsekretär des ÖRK, Ioan Sauca, selbst orthodoxer Priester, Kirill gebeten, im Krieg zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. „Bitte erheben Sie ihre Stimme, und sprechen Sie im Namen der leidenden Brüder und Schwestern, von denen die meisten auch gläubige Mitglieder der orthodoxen Kirche sind“, schrieb er... Kirill vermeidet es derzeit penibel, von einem Krieg zu sprechen. Es handele sich beim Überfall auf die Ukraine um einen internen Konflikt innerhalb der „Rus“, so Kirill, der dazu schweigen will, was angesichts des Protests russisch-orthodoxer Priester und Mönche zunehmend schwierig wird. Kirill benennt nicht etwa die Russische Föderation als Angreifer, sondern macht „böse Kräfte“ dafür verantwortlich, die „immer gegen die Einheit der Rus und der Kirche gekämpft“ hätten... In ihrem moralischen Überlegenheitsgefühl gegenüber einem sittenwidrigen Westen stehen sich Kirill und Putin in nichts nach. Putin war von seiner Mutter heimlich getauft, aber nicht religiös sozialisiert worden – zu Beginn seiner Präsidentschaft musste er erst lernen, ein Kreuz zu schlagen. Im Garten seiner Wochenenddatsche befindet sich, wie Ortskundige berichten, eine Kapelle." [62] Putins Beichtvater,
Metropolit Tichon Schewkunow, ist eine Schlüsselfigur für die
jüngste Sakralisierung der russischen Politik. "Er leitet den Rat
für Kulturfragen beim Moskauer Patriarchen und ist Vorsteher des Sretenski-Klosters
unweit des Sitzes des russischen Geheimdiensts. Zuständig ist er für
die Beziehung zu allen Museen und Kulturinstitutionen Russlands... Schewkunow
hatte vor seinem Eintritt ins Kloster ein Studium an der staatlichen Filmhochschule
Moskau absolviert. Sein Film „Untergang eines Weltreichs. Byzantinische
Lektion“ war 2008 als bester Dokumentarfilm mit dem Goldenen Adler – dem
russischen Gegenstück zum Golden Globe Award – ausgezeichnet worden.
Er gründete einen eigenen Verlag. Sein Buch „Heilige des Alltags“
erreichte in Russland eine Auflage von zwei Millionen und hat ihn populär
gemacht. In mehreren Episoden berichtet er, wie die Mönche in den
letzten Jahren der Sowjetunion mit dem Kommunismus fertiggeworden sind.
Er berät Putin in allen Kultur- und Geschichtsfragen. Beide bilden
ein tatkräftiges Tandem. Im Dezember 2017 hatte Putin in der Christ-Erlöser-Kathedrale
eine Bischofssynode der orthodoxen Kirche besucht – es war das erste Mal,
dass ein Staatsoberhaupt bei einem Konzil zugegen war. Damals hatte die
Ukraine im Mittelpunkt gestanden, das Kiewer und Moskauer Patriarchat stritten
um die Vorherrschaft. Kurz davor war Putin auf die Krim gereist, um ein
Denkmal für Alexander III. einzuweihen. Er hatte diese Gelegenheit
genutzt, um einige Prioritäten seiner künftigen Politik zu erläutern.
Ein souveräner Staat müsse sich nicht nur auf wirtschaftliche
und militärische Stärke stützen, sondern auch auf seine
Traditionen, sagte Putin damals: „Fortschritt ist nicht möglich ohne
Respekt vor der eigenen Geschichte, Kultur und religiösen Werten.“
Darin sehen Osteuropakundige die Koordinaten seiner vierten Amtszeit im
Kreml. Putin hat auch aus der Sicht von Osteuropahistorikern nicht den
Verstand verloren. Er verfolgt mit seinem großrussischen Sendungsbewusstsein
seine Ziele." [63]
9. Geschichte Russlands; AmateurhistorikerPutin betätigt sich schon seit einiger Zeit als Chef-Amateurhistoriker. "Seine Thesen über Geschichte und Gegenwart der Ukraine sind wissenschaftlicher Unfug. Der Präsident hat aber zumindest in Russland die Macht, seine Sicht der Dinge zur „Wahrheit“ zu erklären", nicht zuletzt um den Angriffskrieg und die mit ihm einhergehenden Verbrechen irgendwie zu rechtfertigen. "Vor allem muss man befürchten, dass Putin und Lawrow den historischen Unsinn, den sie verbreiten, wirklich glauben. Da man über Lügen nicht verhandeln kann, ist es auch nicht möglich, den Weg zu gehen, den manche Friedensbewegte im Westen den überfallenen Ukrainern raten zu müssen glauben." [64]Die Erinnerung an die Zeit des „Großen Vaterländischen Kriegs“ von 1941 bis 1945 zwar war schon in der Ära von Staats- und Parteichef Leonid Breschnew (1964–1982) eine feste Größe im Jahresablauf und im öffentlichen Raum, und sie hatte auch in den 1990er-Jahren durchgehend eine hohe Bedeutung. "Immerhin wurde 1995 der Siegespark in Moskau eröffnet, und im selben Jahr wurde anlässlich der Feiern zum 50. Jahrestag des Sieges über Deutschland auch das Reiterdenkmal für Marschall Schukow auf dem Manegeplatz enthüllt. Dennoch war im neuen Jahrtausend nach dem Amtsantritt von Wladimir Putin und vor allem seit 2012 eine deutliche Intensivierung des Erinnerns an Siege, Heldentaten und die vergangene Größe Russlands zu beobachten. Als Akteure dieses Wandels traten neben dem Staat vor allem die russisch-orthodoxe Kirche und die Russische Militärhistorische Gesellschaft hervor. Insbesondere die Russische Militärhistorische Gesellschaft, gegründet im Dezember 2012 per Präsidialerlass Putins, entfaltete eine bemerkenswerte Tätigkeit. Zu ihrem Vorsitzenden wurde der damalige Kulturminister Wladimir Medinski gewählt. Die Gesellschaft sieht sich in der Tradition der von 1907 bis 1914 bestehenden Kaiserlichen Russischen Militärhistorischen Gesellschaft. Ziel der Gesellschaft ist laut ihrem Statut „die Konsolidierung der Kräfte des Staates und der Gesellschaft beim Studium der militärhistorischen Vergangenheit Russlands, die Mitwirkung beim Studium der russischen Militärgeschichte, die Verhinderung von Versuchen zu ihrer Verfälschung, die Gewährleistung der Popularisierung der Errungenschaften der militärhistorischen Wissenschaft, die Erziehung zu Patriotismus, die Hebung des Prestiges des Militärdienstes und die Bewahrung von Objekten des militärhistorisch-kulturellen Erbes“. Im Kuratorium sitzen unter anderem Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Innenminister Wladimir Kolokolzew, was den hohen Rang der Organisation unterstreicht. Die Militärhistorische Gesellschaft arbeitet eng mit dem Kulturministerium und dem Verteidigungsministerium zusammen, sie errichtet im ganzen Land Helden- und Schlachtendenkmäler, bisher mehr als 200 an der Zahl, sie veranstaltet anlässlich der Jahrestage bedeutender Schlachten spektakuläre Reenactments und Gedenk-Festivals, organisiert Ausstellungen und betreut Gedenkstätten sowie Museen, etwa das Museum des Sieges in Moskau, das Museum der heldenhaften Verteidigung und Befreiung Sewastopols und das Museum der Feldherren des Sieges in Staraja Russa. Entlang von Autostraßen wurden Informationstafeln zu Ereignissen des „Großen Vaterländischen Krieges“ aufgestellt, U-Bahn-Züge wurden mit militärhistorisch-patriotischen Inhalten dekoriert, Mitglieder der Gesellschaft fungierten als Berater bei der Produktion der vielen Spiel- und Dokumentarfilme, die Kriegen und Kriegshelden gewidmet sind." [65] Besonderen Stellenwert hat die Kinder- und Jugendarbeit. Ähnlich wie die Hitlerjugend, wird auch hier indoktriniert. "Systematisch wird militärisches Heldentum verklärt, werden Veranstaltungen angeboten, um die Jugend zu militarisieren. An Schulgebäuden wurden mehr als 2100 Gedenktafeln für Helden der Sowjetunion angebracht, die Gesellschaft veranstaltet „militärpatriotische Lager“ für Kinder und Jugendliche von zwölf bis 18 Jahren mit integrierten „Kursen für junge Kämpfer“.Gekleidet in historische Uniformen machen sich die Jugendlichen in diesen Lagern mit den Schlachten der Vergangenheit vertraut und erhalten eine einfache militärische Grundausbildung." [66] Gegen Denkmäler ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Im Stadtzentrum von Moskau etwa wurde 2016 auf dem Borowitzki-Platz ein gigantisches Denkmal für Wladimir den Heiligen enthüllt, den Fürsten, der von 978 bis 1015 in Kiew regierte und dort 988 das Christentum einführte. Nur wenn Putins Namenspatron Wladimir programmatisch für den Anspruch Moskaus auf die Tradition der Kiewer Rus und die gemeinsame Geschichte Russlands und der Ukraine steht und womöglich Putins Krieg gegen die Ukraine rechtfertigen soll, wird es problematisch. Natürlich können Reliefs Szenen zeigen aus den Schlachten gegen Napoleon, mit der Inschrift darunter: „Die Heerführer der russischen Armee – die Helden des Vaterländischen Krieges von 1812“, können Tafeln über die Befreiung Moskaus und die Wahl des ersten Zaren aus dem Hause Romanow im Jahr 1612 berichten, die „Wiedervereinigung von Russland und Kleinrussland“ im Jahr 1654 als Meilenstein verbucht, auch Peter I. und Katharina II. können als Lichtgestalten präsentiert werden und natürlich auch darüber: "Peter gegenüber stehen Negativfiguren wie der ukrainische Hetman Iwan Maseppa, der mit den Schweden paktiert hatte. Bei Katharina II. werden die Einnahme der Festung Ismail (ein wichtiger Sieg gegen die Türken) sowie die Angliederung der Krim und die Errichtung des Gouvernements „Neurussland“ besonders hervorgehoben. Die Aufteilung Polens wird als Wiedergewinnung der weißrussischen und ukrainischen Territorien beschrieben, die einst zur Kiewer Rus gehörten." [67] Auch wenn die Revolutionen von 1905 und 1917 als bedrohliche Machenschaften und als ein vom Westen gefördertes Zerstörungswerk in Szene gesetzt werden, kann das durchaus nachvollzogen werden. Die Hauptakteure werden genannt, vor allem die Bolschewiki. So heißt es über die „Verschwörung der Eliten“: „Alle, die die Monarchie stürzten und den großen Februar-Wirbel in Russland erzeugten, gehörten der Elite an. Der russischen Elite, die nach dem Rezept Otto von Bismarcks gefüttert wurde, der bekräftigt hatte: ‚Um Russland zu Fall zu bringen, muss man nur unter der Elite Verräter finden und aufpäppeln, und mit ihrer Hilfe das Selbstbewusstsein eines Teils des großen Volkes so weit verändern, dass es alles Russische hasst, seine Sippe hasst, und sich dessen nicht bewusst ist. Alles Übrige ist eine Frage der Zeit.‘ 1917 war diese Zeit gekommen.“ Allerdings die Unabhängigkeitsbewegung in der Ukraine als Teil dieser großen und vom Ausland gesteuerten Verschwörung gegen Russland darzustellen, trifft so nicht zu. [68] Seltsam ist zudem, dass die Kommunisten, die mindestens so grausam wenn nicht noch verheerender wüteten als die Nazis, vom Moment ihrer Machtergreifung an eine positive Wertung erhalten, weil es ihnen gelungen sei, die "Autorität des Staates wiederherzustellen. Dafür steht etwa das Zitat eines ehemaligen zarischen Generals: „Man kann viele Ideen der Bolschewiki vollständig ablehnen, man kann ihre Parolen für Utopien halten, aber man muss leidenschaftslos anerkennen, dass der Übergang der Macht in die Hände des Proletariats im Oktober 1917, durchgeführt von Lenin und Trotzki, die Rettung des Landes brachte, indem die Anarchie überwunden wurde.“ Bürgerkrieg und ausländische Intervention lassen den Staat zerfallen, aber von 1921 an geht es bergauf: Die Sowjetunion sammelt die verlorenen Gebiete wieder ein, ihre Bevölkerungszahl steigt, die Wirtschaftskraft wächst. Die Herrschaft Stalins wird mitsamt ihren schrecklichen Facetten gezeigt, aber vor allem als Zeit des Aufbaus, in der die Grundlage dafür geschaffen wurde, dass die Sowjetunion den Zweiten Weltkrieg gewinnen konnte. Daneben ein passendes Zitat von Putin: „Wir werden immer daran denken, dass der Sieg durch die Einigkeit und ehrliche Brüderschaft aller Völker der UdSSR erreicht wurde.“ Diese manipulative Geschichtsvermittlung erscheint zusammen mit den eingangs beschriebenen Maßnahmen als ein Gesamtkonzept für die patriotische Erziehung und Militarisierung der russischen Gesellschaft. Die Vergangenheit wird systematisch für Belange der Gegenwart in Stellung gebracht. Gefragt ist nicht kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte, sondern die Vermittlung einer eindeutigen Geschichtserzählung, in der die Guten und die Bösen klar benannt sind. "Alles läuft auf die Verherrlichung von Macht, Expansion des Imperiums, Kampf, Sieg und Heldentum hinaus. Wer sich dieser Erzählung verweigert oder auch nur versucht, sie zu relativieren, wird eingeschüchtert, bedroht oder als „ausländischer Agent“ gebrandmarkt. Davon zeugen unter anderem das Verbot von Memorial International, Gerichtsurteile gegen Historiker und Maulkörbe wie das 2014 erlassene Gesetz, das „Lügen“ über den Großen Vaterländischen Krieg unter Strafe stellt oder das 2021 in Kraft getretene Verbot, die Politik Stalins mit derjenigen Hitlers zu vergleichen. Sogar in die Verfassung wurde der Schutz des offiziellen Geschichtsnarrativs mittlerweile aufgenommen. In Artikel 67 heißt es: „Die Russländische Föderation ehrt die Erinnerung an die Verteidiger des Vaterlandes und stellt den Schutz der historischen Wahrheit sicher. Eine Herabsetzung der Heldentat des Volkes bei der Verteidigung des Vaterlandes wird nicht zugelassen.“ Der Historiker spricht von einer "mentalen Kriegsvorbereitung". [69] Von Rückschlägen
im aktuellen Ukraine-Krieg sollen die Russen ebenso wenig etwas mitbekommen
wie von den vermutlich Zigtausenden eigenen Kriegsgefallenen, von denen
einige noch im vergangenen Jahr an der Parade zum 9.?Mai teilgenommen haben
sollen. "Doch Fehler einzugestehen ist in Putins Apparat unmöglich,
nur der Weg nach vorne ist salonfähig. Man erwarte von Putin als Oberbefehlshaber
an diesem Montag „die Erklärung, dass unser Feind nicht nur die Nazis
in der Ukraine sind“, heißt es in einem am Wochenende von dem Geschäftsmann
Konstantin Malofejew veröffentlichten Appell; der Imperialist und
Monarchist wird schon mit Russlands Landnahme in der Ukraine von 2014 verbunden.
„Unser Feind sind die USA und die NATO.“ Man fordere, dass am 9. Mai ein
„Tribunal über ukrainische Neonazis“ geschaffen werde, schrieb Malofejew
und echote die Moskauer Rhetorik, „Nazis“ nun auch außerhalb der
Ukraine jagen zu wollen: „Alle Verbrecher müssen bekommen, was sie
verdienen, in Mariupol, in Kiew, London und Washington.“ Niemand sollte
Stalins Entscheidungen im und vor dem Krieg hinterfragen; im sogenannten
Großen Terror hatte er die Rote Armee gleichsam enthaupten lassen
und Angriffswarnungen ignoriert. In dieser Tradition steht Putin, der Stalins
Bündnis mit Hitler der Jahre 1939 bis 1941 gerechtfertigt und Polen
eine Mitschuld am Zweiten Weltkrieg gegeben hat. Russland erinnert an den
Sieg im „Großen Vaterländischen Krieg“, und der beginnt erst
mit dem deutschen Angriff. [70]
10. Dem Moskauer Patriarchen Kirill droht wegen dessen Rechtfertigung des Ukrainekrieges und seiner Unterstützung der häretischen Ideologie der „Russischen Welt“ die ExkommunikationEin Historiker der Humboldt-Universität zu Berlin.schreibt zurecht: "Während die russische Armee im Osten der Ukraine derzeit eine Ortschaft nach der anderen in Schutt und Asche legt und immer weiter vorrückt, scheint es, als müsse die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) gerade eine schwere Niederlage einstecken." Ein Landeskonzil aus Bischöfen, Priestern, Mönchen und Laien erklärte die „vollständige Eigenständigkeit und Unabhängigkeit“ der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK), die seit 1990 als autonome Kirche dem Moskauer Patriarchat unterstand. Hierzu seien „einschlägige Ergänzungen und Änderungen des Statuts“ der UOK beschlossen worden. "Die Bedeutung dieser Versammlung und ihres Beschlusses lässt sich schon daran ablesen, dass das letzte Landeskonzil der UOK vor mehr als zehn Jahren, im Juli 2011, zusammengetreten war. Das jetzige Konzil fand übrigens auf den Tag genau dreißig Jahre nach der Bischofssynode von Charkiw statt, welche den damaligen Kiewer Metropoliten Filaret für abgesetzt erklärt hatte, weil dieser zusammen mit den anderen ukrainischen Bischöfen es im November 1991 gewagt hatte, den Moskauer Patriarchen um die Verleihung der kirchlichen Selbständigkeit, der „Autokephalie“, zu bitten. Genau drei Jahrzehnte später hat die UOK von sich aus nun doch ihre Unabhängigkeit von Moskau erklärt. Dieser Paukenschlag kam wiederum nur drei Tage nach einem Konzil der mit der UOK konkurrierenden autokephalen Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU), welche der Ökumenische Patriarch 2019 in die Selbständigkeit entlassen hatte. Weder die ROK noch deren ukrainischer Zweig, die UOK, erkennen aber bislang diese Kirche als kanonisch an. Doch die OKU forderte bei ihrem Konzil die UOK auf, sich endlich vom Moskauer Patriarchen Kirill loszusagen wegen dessen Rechtfertigung des Ukrainekrieges und seiner Unterstützung der häretischen Ideologie der „Russischen Welt“ und mit ihr, der OKU, in einen konstruktiven Dialog zu treten." [71]In der Erklärung
ihres Landeskonzils hat die UOK nun am vergangenen Freitag erstmals explizit
ihre „Ablehnung der Position von Patriarch Kirill von Moskau und ganz Russland
zum Krieg in der Ukraine“ erklärt und den Krieg unmissverständlich
als Verstoß gegen das fünfte Gebot („Du sollst nicht töten“)
bezeichnet. Schon gleich am ersten Tag des Krieges hatte Metropolit Onufrij,
der seit 2014 an der Spitze der UOK steht, erklärt, ein solcher brudermörderischer
Krieg lasse sich mit nichts rechtfertigen, „weder vor Gott noch vor den
Menschen“. Seither hatte Onufrij, wie er jetzt im Rahmen des Konzils berichtete,
mehrfach mit Patriarch Kirill telefoniert, doch ohne Erfolg. "Kirill hatte
wiederholt öffentlich den Krieg theologisch und historisch gerechtfertigt,
zuletzt auch in einer Rede vor dem Russischen Föderationsrat am 17.
Mai. Die viel beschworene „Symphonie“ von Orthodoxer Kirche und Staatsmacht,
die im Falle Kirills dazu führte, dass schließlich selbst der
eigentlich um diplomatische Zurückhaltung bemühte Papst ihn als
„Staatskleriker“ und „Messdiener Putins“ bezeichnete, hat zu erheblichen
Dissonanzen zwischen der Russischen und der Ukrainischen Orthodoxen Kirche
geführt. Angesichts von Kirills Interpretation der „militärischen
Spezialaktion“ Russlands als einer notwendigen Verteidigung der Einheit
der heiligen Rus gegen feindliche westliche Kräfte blieb der UOK offenbar
keine andere Wahl, als nunmehr ihre vollständige Unabhängigkeit
von der ROK zu erklären. Ist der Krieg doch der Vater aller Dinge?"
Am 11. April 2022 war ein Appell von Priestern an die Oberhäupter
der Orthodoxen Kirchen und zwei Tage später ein weiterer Appell von
Laien an Metropolit Onufrij veröffentlicht worden. "In beiden Erklärungen
wurde nicht nur verlangt, die gottesdienstliche Kommemoration von Patriarch
Kirill als Kirchenoberhaupt zu beenden, sondern auch dessen Verurteilung
und Exkommunikation als Vertreter der imperialistisch-nationalistischen
Häresie der „Russischen Welt“ gefordert. Dass es sich bei der von
Staat und Kirche in Russland gleichermaßen propagierten Lehre der
„Russischen Welt“ (in scharfer Abgrenzung zur „Westlichen Welt“) um eine
theologische Irrlehre handle, die einen politischen mit einem kirchlichen
Imperialismus verbinde und nun zur Rechtfertigung des Krieges diene, ist
auch die Kernaussage einer theologischen Erklärung, die seit ihrer
Veröffentlichung am 13. März – dem Sonntag der Orthodoxie – von
fast 1500 orthodoxen Theologen weltweit unterzeichnet worden ist." [72]
11. Verkehrte Wissenschaft und Philosophie; Massenhafte Ausweisung der intellektuellen Elite durch die Sowjetmacht; Gründe für die Rückständigkeit Russlands gegenüber der westlichen Zivilisation; Putin, Lenin, Trotzki, Iwan IljinBeginnend mit dem 24. Februar, hat eine enorme Anzahl von Russen (Studenten, Professoren, Musiker, Schriftsteller) die Heimat verlassen, da sie nicht einverstanden waren mit Putins Krieg gegen die Ukraine. "Ein neuerlicher Abschied vom Verstand begann mit dem Septembertag, an dem die „teilweise“, in Wirklichkeit aber chaotische und hirnlose Mobilmachung verkündet wurde, als sich die hellhörigsten und gescheitesten jungen Leute überstürzt ins Ausland absetzten, alle Schwierigkeiten überwindend, um nur nicht in den Krieg gegen die Ukraine zu geraten. Sie hauen ab im Auto, auf dem Fahrrad oder dem E-Scooter und sogar zu Fuß, durch die Steppe nach Kasachstan und auch nach Kirgisistan, Georgien, Norwegen – egal wohin, Hauptsache weg. Indem Russland seine jungen Köpfe verliert, geht ihm rasant seine Zukunft verloren. Und diejenigen, die nicht geflohen sind, haben die traurige Chance, aus der Ukraine als Fracht 200, wie es in der russischen Armee heißt, zurückzukehren – im Sarg oder Leichensack. Ihren Tod vergüten die Wehrkommandos den Verwandten mit Geld, der eine kauft davon ein Auto, der andere eine Kuh oder ein Schwein." [73]Russland verabschiedet sich nicht zum ersten Mal vom Verstand. Unter Nikolai I. veröffentlichte 1836 der Philosoph Pjotr Tschaadajew den „Ersten Philosophischen Brief“, in dem er die Gründe für die Rückständigkeit Russlands gegenüber der westlichen Zivilisation beschrieb sowie die Unfähigkeit des Landes, einen Staat aufzubauen. Das war, wie der Schriftsteller und Emigrant Alexander Herzen schrieb, „ein Schuss in dunkler Nacht“. Der Zar ließ den Philosophen für verrückt erklären. "Ärzte wurden beauftragt, ihn regelmäßig zu untersuchen. Eine subtilere Verhöhnung ist schwer vorstellbar. Dieser Fall wurde zum Symbol. Möglicherweise war da der klügste Mann Russlands zum Idioten erklärt worden. Die kollektive Verbannung des Verstandes vom russischen Territorium begann später, als die Sowjets an die Macht kamen. Wir begehen in diesen Tagen ein eigenartiges Jubiläum. Vor hundert Jahren machten sich der deutsche Dampfer „Oberbürgermeister Haken“ und wenige Wochen darauf das Trajektschiff „Preußen“ mit einer einzigartigen philosophischen Fracht aus Petrograd nach Deutschland auf – an Bord befanden sich die klügsten Köpfe Russlands jener Zeit. Im Grunde genommen war das eine Geste der Nachsicht. Lenin hatte eigentlich vor, sie nach Sibirien zu verbannen oder sie zu erschießen, aber dann wurde entschieden, einen der proletarischen Diktatur nicht wesenseigenen Humanismus walten zu lassen – und man schickte sie ins Ausland. Trotzki schrieb: „Wir haben diese Leute ausgewiesen, da es keinen Anlass gab, sie zu erschießen, aber sie noch länger zu ertragen war unmöglich.“ Auf Lenins Befehl schickte man die Wissenschaftler in die unbefristete Emigration, ohne Rückfahrkarte, als „Kriegsspione“ und Handlanger der Weißgardisten. Im Kampf gegen Andersdenkende hat sich Russland zu keiner Zeit um irgendetwas geschert. Hartes Abrechnen mit unliebsamen Personen, einschließlich des jungen Dostojewski, der wegen einer Lappalie ins Straflager geschickt wurde, war an der Tagesordnung. Doch die massenhafte Ausweisung der intellektuellen Elite durch die Sowjetmacht stellte einen beispiellosen politischen Willkürakt dar. In einem Brief an Stalin vom Sommer 1922 teilte Lenin seine Überlegungen mit: „. . . müsste man ein paar hundert solcher Herrschaften gnadenlos ins Ausland abschieben. Wir werden Russland auf lange Zeit säubern.“ Gesagt, getan. Mit Hilfe von Felix Dserschinski, dem Chef der GPU (dem Vorläufer von NKWD-KGB), wurden Listen der „Fünften Kolonne“ zusammengestellt. Wohnungen der zur Ausweisung Bestimmten wurden durchsucht, Professoren unter Hausarrest gestellt. Später, während der Perestroika, wurde dem Schiff, mit dem die unliebsamen Denker abgeschoben wurden, der schöne Name „Philosophenschiff“ gegeben. Doch Oppositionelle mit Frauen und Kindern gab es viele, ungefähr 270 Menschen, so dass man sie bis Ende 1922 auch mit der Eisenbahn und mit anderen Schiffen aus der Heimat deportierte." [74] Was waren das für Menschen, die vor 100 Jahren Russland wegen Lenin und Trotzki verlassen mussten? "Der wahrscheinlich bekannteste unter ihnen war der Philosoph Nikolai Berdjajew. Lenin hasste ihn ganz persönlich. Berdjajew hatte einen Verriss über Lenins vorrevolutionäres philosophisches Werk „Materialismus und Empiriokritizismus“ verfasst. Er fand darin Hunderte von Ungereimtheiten und Fehlern. Lenin nannte ihn „Beliberdjajew“ (in Anspielung auf dessen idealistisches „beliberda“ – dummes Geschwätz). Gerade mit ihm wollte er auf grausamste Weise abrechnen. Doch überraschenderweise verteidigte Dserschinski das Leben von Berdjajew. Nachdem er in seinem Arbeitszimmer an der Ljubjanka mit dem zu diesem Zeitpunkt inhaftierten Philosophen gesprochen hatte, empfand er plötzlich Respekt für den Mann und stellte ihm sogar einen Wagen für die Heimfahrt zur Verfügung. Nichtsdestoweniger wurde Berdjajew gnadenlos aus Russland rausgeworfen. In seiner Jugend war er Marxist gewesen, genau wie der russisch-orthodoxe Philosoph Sergej Bulgakow, den Lenin als Verräter eigenhändig in die Emigrantenliste eintrug... Unter den Abreisenden befand sich der später weltbekannte Pitirim Sorokin – ein Soziologe, der sich in Amerika einen Namen machte. An der Universität wurde Sorokin von einem Studenten namens John F. Kennedy hoch geschätzt. Auch Berdjajew erlangte im Westen Berühmtheit – mit „Das neue Mittelalter“, seinem Buch über Russland und Europa, das ein internationaler Bestseller wurde... Und übers Schwarze Meer schickte man eine große Gruppe sogenannter ukrainischer Nationalisten, Gegner nicht nur der Sowjetmacht, sondern auch einer Vereinigung mit Russland. Sie wurden in Prag freundlich empfangen, sehr zum Ärger der Bolschewiki. Andere Gruppen von Anhängern einer freien Ukraine wurden unterdessen nach Sibirien verbannt. Die Tschekisten gestatteten den Säulen des russischen Denkens, nur lächerlich wenig Gepäck auf das „Philosophenschiff“ mitzunehmen: einen Hut, einen Mantel, zwei Paar lange Unterhosen, 15 Zigaretten, ein Paar Schuhe (die man anhatte). Man durfte auch zwanzig Dollar mitnehmen, doch das sah eher nach einer Falle aus, denn auf den Besitz von Devisen stand im sowjetischen Russland Tod durch Erschießen. Im Übrigen drohte Exilanten die Erschießung für die illegale Rückkehr nach Hause. Die jetzige putinsche Ideologie ist voller Löcher. Das Moskauer „Haus der Russen im Ausland“ widmet dem Jahrestag des „Philosophenschiffs“ eine große Ausstellung, doch mit einem Plakat mit der Aufschrift „Du sollst nicht töten“ auf die Straße zu gehen ist verboten. Die Archive der aus dem Land gejagten Philosophen sind in den Jahren der Perestroika auf verschlungenen Wegen zurück in die Heimat gelangt. Das Erbe des russischen Denkens fand in Buchform einen Verlag in Paris – YMCA-Press –, der Alexander Solschenizyn tatkräftig unterstützt hatte (er war ebenfalls des Landes verwiesen, allerdings schon 1974). Der jahrelange Verlagsleiter war Nikita Struve, der Sohn des Politikers und Publizisten Pjotr Struve, eines berühmten Gegners Lenins, der 1921 Russland verließ, ein Jahr vor dem „Philosophenschiff“... Gibt es eine historische Verbindung zwischen der Emigration Anfang der 1920er Jahre und den heutigen Flüchtlingen? Die damalige war vor allem eine kriegsbedingte Emigration – die riesige weiße Armee hatte das Land verlassen. Heute handelt es sich um eine Antikriegsemigration von Menschen, die empört sind über den Krieg und die sich der Mobilmachung entziehen. Die Emigranten der ersten Welle träumten Tag und Nacht davon, dass die Macht der Bolschewiki nicht ewig andauern werde. Sobald Lenin stirbt, kehren wir zurück. Aber Lenin starb, und es kam Stalin – und diejenigen, die ausgereist waren, hatten das unsagbare Glück, nicht in einem stalinschen GULag der 1930er bis 1950er Jahre zu landen." [75] Heute tut die Staatsmacht alles dafür, "mit mehr als fragwürdigen Referenden und der Anerkennung der östlichen Regionen der Ukraine als Teil Russlands, um vom Ufer der Weltzivilisation abzulegen und, wie Berdjajew sagen würde, in ein neues Mittelalter abzudriften. Wie viele Mittelalter stehen noch bevor? Ich sage es Ihnen: Das ist das letzte, das putinsche Mittelalter." Ein Mittelalter mit Raketen-Abwehrsystemen und einem russischen Geheimdienst, der es auf die Infrastruktur-Netze Europas abgesehen hat. Kürzlich kamen die Verteidigungsminister und obersten Militärs von fast fünfzig Staaten in Brüssel zusammen, um ihre weitere Unterstützung der Ukraine abzustimmen. Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow dankte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht für die Lieferung des ersten von vier Luftverteidigungssystemen IRIS-T SLM, das jetzt übergeben worden war. „Eine neue Ära der Luftverteidigung hat begonnen“, schrieb er vor Beginn des Treffens, an dem er persönlich teilnahm, auf Twitter. Lambrecht selbst sprach in Brüssel von einer wichtigen Unterstützung der Ukraine „im Kampf gegen Raketenbeschuss, gegen diesen Terror, der gegenüber der Bevölkerung ausgeübt wird“. Das vom deutschen Hersteller Diehl Defense entwickelte System ist nicht nur das erste westliche, "sondern auch das modernste Luftverteidigungssystem, das die Ukraine bekommen hat." IRIS-T wurde 2005 als Lenkflugkörper für das Kampfflugzeug Eurofighter in Dienst gestellt. Darauf aufbauend entwickelte Diehl Defence ab 2007 ein bodengestütztes Luftverteidigungssystem mittlerer Reichweite; der Zusatz SLM steht für Surface Launched Medium Range. Dafür wurde die Reichweite der Abfangrakete deutlich erhöht, jeweils acht davon starten aus einem mobilen Werfer. Sie steuern ihr Ziel mit einem hochmodernen störresistenten Infrarotsuchkopf an, können die Zieldaten aber auch per GPS übertragen bekommen. Erfasst wird das Ziel durch ein Radar mit 360-Grad-Abdeckung. Diese Konfiguration ist dem alten Patriot-System überlegen, bei dem mehrere Einheiten kombiniert werden müssen, um eine Rundumverteidigung zu gewährleisten. "Der zweite große Vorteil gegenüber Patriot sind die deutlich geringeren Kosten. Eine Abfangrakete kostet rund 400.000 Euro, während ein moderner PAC-3-MSE-Lenkflugkörper auf fast fünf Millionen Euro kommt. IRIS-T soll deshalb vor allem gegen Drohnen, Kampfhubschrauber, Kampfflugzeuge, Marschflugkörper und Kurzstreckenraketen eingesetzt werden. Dagegen können die Patriot-Raketen auch ballistische Mittelstreckenraketen abfangen. Sie haben eine größere Reichweite, bis zu 160 Kilometer, und einen viel stärkeren Gefechtskopf." [76] Ein Drei-Sterne_General spricht über die Fehlkalkulationen: Die Russen haben diesen Krieg mit vier schweren Fehlkalkulationen begonnen. "Erstens haben sie gedacht, sie seien militärisch so überlegen, dass sie mit ihren Panzern einfach nach Kiew fahren können, wie im Kalten Krieg nach Budapest und Prag. Zweitens haben sie erwartet, der Westen würde still halten, wie zuvor im Georgienkrieg und bei der Annexion der Krim. Drittens haben sie unterschätzt, welchen Preis sie für diese Aggression würden zahlen müssen, die vielen Toten, die Isolation, die Sanktionen. Viertens haben sie kalkuliert, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: die Ukraine von der Landkarte zu wischen und die NATO zu zerbrechen. All das ist nicht eingetroffen, und wie groß die Schwierigkeiten und die Frustrationen in der russischen Führung inzwischen sind, zeigt die Tatsache, dass Putin einen neuen Oberkommandierenden für den Krieg ernannt hat. Aber ein einziger Mann kann sicher nicht die grundsätzlichen, tief sitzenden Probleme des russischen Militärs lösen." Was sind diese grundsätzlichen Probleme? "Die zentralisierte Kommandostruktur, die jahrzehntelange Korruption, das mangelhafte Logistiksystem und die offensichtliche Unfähigkeit, die Operationen der Luft-, Land- und Seestreitkräfte zu koordinieren. Seit dem Angriff im Februar haben die Russen nicht eine einzige nach unserem Verständnis integrierte Operation zustande gebracht – zum Glück. Die russische Luftwaffe ist praktisch keine Hilfe für die Heerestruppen, und die Schwarzmeerflotte versteckt sich, seit die Ukraine im April den Kreuzer Moskwa versenkt hat." Nach den Explosionen an den Gaspipelines in der Ostsee und der Sabotage am Kommunikationsnetz der Bahn stellt sich manchmal die Frage, ob auch wir im Westen schon im hybriden Krieg mit Russland sind. "Nun, ich glaube, dass Putin und sein Regime angesichts der militärischen Lage nur noch eine Hoffnung haben: dass der Westen in seiner Unterstützung für die Ukraine nachlässt. Also tun sie alles, um den Krieg zu verlängern und im Westen Angst und Unsicherheit zu verbreiten. Dazu sind ihnen alle Mittel recht: die jungen Männer, die jetzt als Kanonenfutter einberufen werden, ebenso wie Anschläge auf die Infrastruktur im Westen. Ich glaube, dass wir deshalb in den nächsten Wochen und Monaten noch mehr solcher Sabotageakte und Anschläge oder zumindest Versuche erleben werden... Ein imperialistischer Angriffskrieg darf im 21. Jahrhundert nicht erfolgreich sein. Die gute Nachricht ist, dass dieser Winter die letzte Chance Russlands ist, die Energie-Karte zu spielen, denn ein Jahr später wird es die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl so nicht mehr geben." [77] Schlechte Philosophien haben in Russland schon immer einen Nährboden gefunden, man denke nur an den Marxismus, Leninismus. Auch heute bezieht sich Putin gerne darauf und auf den "Philosoph der Diktatur" Iwan Iljin, der Mussolini und Hitler als Retter Europas gefeiert hat. Heute ist er Putins Staatsdenker. Als Wladimir Putin unlängst im Georgssaal des Kreml den Anschluss seiner ukrainischen Eroberungen feierte, setzte er ans Finale seiner Rede ein Zitat. „Und ich möchte mit dem Wort eines wahren Patrioten schließen, einem Wort Iwan Iljins“, sagte er. „Wenn ich Russland als Mutterland empfinde, dann heißt das, dass ich als Russe liebe, denke, singe und rede; dass ich an die spirituelle Kraft des russischen Volkes glaube. Sein Geist ist mein Geist, sein Schicksal mein Schicksal.“ Iljin war ein russischer Philosoph des zwanzigsten Jahrhunderts. "Im Zarenreich gehörte er zur Elite, die Oktoberrevolution zwang ihn zur Emigration. Wie Lenin liebte er deutsche Philosophie (in einer Schrift über Hegel entwarf er eine Kur zur Heilung der leidenden Gottheit durch die Totalität des Staates), und so ging er nach Deutschland. Er feierte Mussolini und Hitler, und für Russland hoffte er auf Erlösung durch Glaube und Führer. Weil die Nazis seine Zuneigung nicht erwiderten (und er ihren Antisemitismus nicht teilte), ging Iljin 1938 in die Schweiz. Er starb 1954 in Zollikon. Unter Putin wurde er wiederentdeckt. Seine Gebeine wurden nach Moskau geholt und neben denen Puschkins und Solschenizyns im Donskoj-Kloster bestattet. Putin brachte Blumen und hat ihn seither immer wieder zitiert. Wie kommt es, dass Putin, der in der Ukraine „den Faschismus bekämpft“, einen Verherrlicher des Faschismus feiert? Die Antwort ist: Weil die Argumente, mit denen Iljin Mussolini und Hitler lobte, auch als Lob des Putinismus verstanden werden können. Iljin schreibt zum Beispiel, der Faschismus sei „richtig“, denn in der Stunde der Gefahr würden „die gesunden Kräfte des Volkes“ immer zur „Vormundschaftsdiktatur“ neigen... 1933 verteidigte Iljin Hitlers Machtergreifung mit dem Argument, die „nationale Begeisterung“ müsse „diktatorisch“ zupacken. Der „neue Geist“ des Nationalsozialismus, „Patriotismus, Glaube an die Identität des deutschen Volkes und die Kraft des deutschen Genies, Ehrgefühl, Opferbereitschaft (faschistisches „sacrificio“), Disziplin, soziale Gerechtigkeit und klassenübergreifende, brüderlich-volkstümliche Einheit“ – dieser Geist brenne „jedem aufrichtigen Nationalsozialisten“ im Herzen... Iljin feiert Faschismus und Nationalsozialismus besonders wegen derjenigen Züge, die sie mit dem Totalitarismus Lenins und Stalins gemeinsam haben. Er baut damit eine Brücke vom kommunistischen Jugendglauben der Generation Putin zur rechtsradikalen Ideologie des heutigen Russlands. Dazu gehört der Erlösungsglaube. Lenin wollte die Welt vom Kapital erlösen, und Putin hat im Saal des Drachentöters St. Georg jetzt wieder behauptet, Russland schütze die Menschheit vor dem „Satanismus“ des Westens. Die Brücke vom Leninismus zum Putinismus aber baute Iljin: Er entwarf für Putins antiwestliche Erlösungsideen eine taugliche Begründung, indem er Diktatur nicht mehr kommunistisch begründete, sondern national-religiös. Dabei baute er auch einen Steg für Putin persönlich. Iljin war zwar von Lenins Geheimdienst, der Tscheka, verfolgt worden. Gegen politischen Terror aber hatte er grundsätzlich nichts einzuwenden. Er forderte „zu verurteilen, zu verhaften, zu erschießen“, und seine Kritiker haben ihn „die Tscheka Gottes“ genannt. Putin, der als Offizier des sowjetischen Geheimdienstes KGB in der Nachfolge der Tscheka steht, dürfte das gefallen. Aber auch die Neigung des Sowjetkommunismus zur Diktatur findet sich, rechtsradikal begründet, bei Iljin wieder. Lenin lehrte, der Kommunismus brauche keine „formale“ Demokratie, weil er durch seine wissenschaftliche Grundlage ohnehin das Richtige tue – auch wenn das Volk manchmal murre. Iljin sah das von seinem konservativen Standpunkt aus ähnlich. Das russische Volk, schrieb er, sei nach Jahrzehnten des Bolschewismus nicht in der Lage, sinnvolle Wahlen zu halten. Einstweilen könne es nur durch eine „autoritär-erziehende“ Diktatur geführt werden. Jeder Russe müsse deshalb drei Dinge lieben: „Gott, das Mutterland und den nationalen Führer.“ Der Weg von Stalins zu Putins Personenkult ist damit von einem Verehrer der Zaren gebahnt worden." [78] Die UN-Vollversammlung
hat Russlands Krieg in der Ukraine jetzt mit 143 von 193 Stimmen verurteilt.
Das sind 74 Prozent. Sie widerlegt eine der zentralen Behauptungen, mit
denen Wladimir Putin seinen Krieg in der Ukraine rechtfertigt: die These,
dass Russland nicht nur für sich selbst kämpfe, sondern auch
für die „Mehrheit der Menschheit“, die der „kollektive Westen“ einem
System von Plünderung und Hungerterror aussetze. Putin hat diese „antikoloniale“
Erzählung zuletzt am 30. September 2022 vorgetragen. "Das war der
Tag, als sein Land (eigentlich das größte Kolonialreich der
Welt) die ukrainischen Gebiete Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja
zu russischem Gebiet erklärte. Dem Publikum verkaufte er diese imperiale
Eroberung als Beweis, dass Russland seine „Befreiungsmission“ ernst nehme
und sich an die Spitze einer „emanzipatorischen“ Weltbewegung gegen „unipolare
Hegemonie“ setze. Die UN-Vollversammlung hat ihm diese Story jetzt um die
Ohren gehauen. Sie hat seinen Krieg verurteilt, nur vier Länder haben
Russland unterstützt. Bloß 45 haben sich enthalten oder nicht
abgestimmt. Wie sehr Russlands Überfall auf die Ukraine seinen globalen
Einfluss schwächt, zeigt ein Vergleich mit einer anderen Abstimmung.
Sie fand im März 2014 statt, gleich nach der Annexion der Krim. Putin
hatte damals die Ukraine zwar schon angegriffen, doch anders als heute
schien sein Krieg noch nicht auf Vernichtung zu zielen. In der UN-Vollversammlung
war die Mehrheit gegen ihn deshalb noch knapp: Immerhin 49 Prozent der
Mitgliedstaaten wollten Russland nicht verurteilen. Viele enthielten sich,
elf Länder aus dieser Fraktion stellten sich sogar offen auf die Seite
Moskaus. Damit ist es aus. Dass die Gruppe der offenen Unterstützer
sich halbiert hat, ist für Russland schon schlimm genug. Aus diesem
Kreis hat Putin so enge Verbündete wie Venezuela und Kuba verloren
sowie so große ehemalige Opfer westlicher Kolonialpolitik wie Sudan
und Simbabwe. Noch trüber sieht es für Russland aber aus, wenn
es um die „Neutralen“ geht, also Länder, die nicht abgestimmt oder
die sich enthalten haben. Ihre Zahl ist seit 2014 von 82 auf 45 gesunken,
und die der Kritiker ist entsprechend gewachsen. Die Mehrheit des globalen
Südens, den Russland nach Putins Erzählung ja vor dem „neokolonialen“
Westen schützt, ist von Enthaltung zu Verurteilung geschwenkt. Dazu
gehören gewesene westliche Kolonien wie Bangladesch, Ägypten
und Kenia, aber auch viele der traditionell amerikakritischen Staaten Lateinamerikas
wie Argentinien, Brasilien und Paraguay. Auch alte Verbündete wie
Angola sind dabei. Russland ist damit auf allen Kontinenten in der Defensive."
[79]
12. Zur Geschichte der Sowjetmacht und der russischen Philosophie und Literatur; Putin als fleißiger Schüler Stalins; Puschkin, Tolstoi, Dostojewskij, Solschenizyn; Mazeppa macht in der europäischen Musik und Literatur Karriere, von Lord Byron über Voltaire, Victor Hugo, Franz Liszt, TschaikowskiImmerhin hat die chinesische Regierung sich von den revisionistischen Worten ihres Botschafters in Frankreich distanziert. „China respektiert den souveränen Status der ehemaligen sowjetischen Länder nach der Auflösung der Sowjetunion“, sagte die Außenamtssprecherin in Peking. Chinas Position in dieser Frage habe sich nicht geändert. China respektiere die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder. Botschafter Lu Shaye hatte kürzlich im französischen Sender LCI bezweifelt, dass die 14 Länder der ehemaligen Sowjetunion souveräne Staaten seien. [80]Doch Russland bedroht weiterhin seine Nachbarstaaten. So fühlt sich Moldau von Russland bedroht und sieht daher ihre Zukunft in der Europäischen Union. Im Juni 2022 bekam Moldau wie die Ukraine den Kandidatenstatus verliehen, verbunden mit weiteren Hausaufgaben, bevor Beitrittsverhandlungen beginnen können. Mitte März 2023 war ein geheimer Plan des russischen Geheimdienstes FSB bekannt geworden, der aus dem Jahr 2021 stammt und eine auf zehn Jahre angelegte Strategie beschreibt, um das ganze Land in die russische Einflusssphäre zu bringen. "Seit der Sezession 1990 gilt das nur für die Teilrepublik Transnistrien, deren Führer Moskau ergeben sind, das dort eigene Truppen stationiert hat. Gemäß dem Plan sollen auch in der Republik Moldau jene Kräfte unterstützt werden, die enge Beziehungen zu Russland wollen. Außerdem soll der Einfluss Rumäniens zurückgedrängt und eine Kooperation des Landes mit der NATO unterbunden werden. Im Februar hatte der russische Präsident Wladimir Putin ein Dekret von 2012 annulliert, demgemäß der Konflikt um Transnistrien nur „unter Einhaltung der Souveränität, territorialen Integrität und Neutralität Moldaus“ erfolgen könne. Die moldauische Präsidentin Maia Sandu warnte vor russischen Umsturzversuchen. Moskau versuche, Bürger aus Russland, Montenegro, Belarus und Serbien ins Land zu schleusen, um „die legitime Regierung durch eine illegale, von der Russischen Föderation kontrollierte Regierung zu ersetzen“. Mehrere prorussische Aktivisten wurden verhaftet, darunter ein Angehöriger der „Wagner“-Miliz. Die zivile EU-Mission hat einen ebenso klaren wie engen Fokus: Sie soll dem Land helfen, hybride Bedrohungen zu erkennen und wirksam darauf zu reagieren. Das betrifft ausdrücklich Cyberangriffe und die Manipulation von Informationen... Die Außenminister sprachen sich außerdem für einen neuen Sanktionsrahmen aus, der sich speziell gegen Personen und Organisationen richtet, die Moldau zu destabilisieren versuchen." [82] Der emeritierte Professor für Polonistik an der Humboldt-Universität zu Berlin, Heinrich Olschowsky, meint, ein Rückblick in die Kulturgeschichte fördere mentale Strukturen, historische Denkmuster zutage, die sich nun als Humus erweisen, auf dem Putin seine wahnhafte Geschichtspropaganda pflanzen kann. "Schauen wir auf die Zeit nach der Französischen Revolution, da sich nationale Ideen und Bewegungen entfalteten. Die revolutionäre Losung veranlasste viele Völker (namentlich Ost- und Südosteuropas), eigene und fremde Patrone abzuschütteln. Zarin Katharina II. sah darin ein westliches Gift, mit dem sich der unmittelbare Nachbar, die Adelsrepublik Polen, angesteckt habe. Dies war der Grund und die Verteidigung der orthodoxen Minderheit nur ein Vorwand, um gemeinsam mit Preußen und Österreich die zweite und dritte Teilung dieses Staates (1792, 1795) zu vollziehen. Das Zarenreich war das Ergebnis einer jahrhundertelangen kontinentalen Kolonisierung, sprich, der Eroberung nicht-russischer Territorien und Völker vornehmlich nach Osten und Süden hin, wo es keine staatlichen Strukturen gab, die Widerstand hätten organisieren können." [83] Der Epochenumbruch, die Revolution der Bolschewisten von 1917 änderte daran prinzipiell nichts. Die bolschewistische Revolution widmete das Erbe des Imperiums nur um in einen „unverbrüchlichen Bund freier Republiken“, wie es in der sowjetischen Hymne hieß. "Aus diesem Bund hätte man theoretisch austreten können müssen. Aber die Hymne enthält schon den Widerspruch dazu; die mythische „große Rus‘“ habe die Union der Republiken „auf ewig zusammengefügt“! Das bekräftigte Stalin 1937, am zwanzigsten Jahrestag der Oktoberrevolution, in einem Trinkspruch über die Kontinuität der Sowjetunion mit dem russischen Imperium. Der Diktator rühmte die Zaren dafür, dass sie ein Riesenreich zusammengezimmert hätten, das den Bolschewiki als Erbe zugefallen sei und das sie ausgebaut und gefestigt hätten. „Darum ist jeder, der danach trachtet, Teile und Nationalitäten vom sozialistischen Staat abzutrennen, ein Feind des Staates, der Völker der UdSSR. Und wir werden jeden dieser Feinde samt seiner Sippe vernichten.“ Putin erweist sich als fleißiger Schüler Stalins und von dessen Herrschaftslogik. Wie das Sowjetreich 1939 mit dem Segen Hitlers und nach dem Sieg über Nazideutschland 1945 erweitert wurde, ist bekannt. Dabei verdammte die Sowjetführung den Imperialismus westlicher Länder, verteidigte das eigene Imperium aber bis in die Gorbatschow-Ära mit Zähnen und Klauen. Die Selbstauflösung der Sowjetunion 1991, die Putin als größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts empfand, war eigentlich der größte geopolitische Anachronismus des Jahrhunderts. Denn hier vollzog sich die Entkolonialisierung, die weltweit am Übergang der Fünfziger- und Sechzigerjahre ihren Höhepunkt erreicht hatte, ein halbes Jahrhundert verspätet. Die Sowjetunion, der stolze Sieger im opferreichen Zweiten Weltkrieg, zerlegte sich selbst. Das Imperium hatte das Streben der Völker nach politischer Emanzipation im eigenen Machtbereich verschlafen. Dafür musste eine Ursache gefunden werden. Nicht im Innern, denn das hätte Kritik an den Verbrechen des kommunistischen Regimes verlangt wie sie Solschenizyn in seinem Manifest „Wie wir Russland umbauen müssen“ 1990 vergeblich anmahnte. Dazu hatten die neue Machtelite um Jelzin und auch die Mehrheit der Beherrschten keine Lust. Die verdienstvolle zivilgesellschaftliche Initiative von Memorial blieb die Sache einer Minderheit. Putin hinderte dessen Aktivisten zunächst daran, das stalinistische Staatssystem aus der Perspektive der Opfer aufzuarbeiten. Schließlich ließ er die Organisation verbieten. Die Ursache für das Ende der Sowjetunion wurde, je länger, desto heftiger, nach außen projiziert, auf „Nationalisten und Faschisten“ in der Ukraine, auf die nach Selbständigkeit strebenden baltischen und kaukasischen Republiken, auf das liberale Europa, das die Russen nicht verstehe, schließlich auf den Westen insgesamt, der die Russen, mit ihrer Lebensart bedrohe. Solche Meinungen ließen sich den enttäuschten, weil um Wohlstand wie um das Ansehen einer Weltmacht gleichermaßen geprellten Massen gut verkaufen, zumal sie eine Kombination von Minderwertigkeits- und Überlegenheitsgefühl mobilisierten: die russische Tradition des Anti-Okzidentalismus. Dieser hat religiöse Wurzeln im Schisma, der Spaltung der Christenheit in die westlich-lateinische und östlich-byzantinische Kirche 1054. Daraus ergab sich mit der Zeit auch die politische Konkurrenz zwischen dem größten Repräsentanten der Orthodoxie, Moskaus „Drittem Rom“, und dem ersten, dem lateinischen Rom. Auch wenn im 19. Jahrhundert die religiösen Dogmen längst säkulare Formen – wie Panslawismus oder das Eurasien-Konzept – angenommen hatten, ließ sich das Dogma, das unverbildete „rechtgläubige Russland“ habe eine erlösende Mission zu erfüllen, von Fall zu Fall instrumentalisieren. Besonders nachhaltig auch im Ausland dann, wenn es eine künstlerisch starke Gestaltung fand wie etwa in Fjodor Dostojewskis religiös-philosophischer Utopie. Sie setzte das mönchisch-eremitische Ideal einer gewaltfreien, duldsamen Frömmigkeit gegen die römisch-katholische Machtkirche und ihre Inquisition." [84] Schon damals gab unter den europäischen Dichtern Unterstützer des Freiheitskampfes und damit Gegner des Opportunisten Alexander Puschkin. Das problematische Verhältnis des Zarenreiches zu Europa erreichte im 19. Jahrhundert seinen konfrontativen Höhepunkt zur Zeit der Herrschaft des „Knutenzaren“ Nikolais I., dessen Thronbesteigung die blutige Abrechnung mit den Dekabristen, die eine Verfassung verlangt hatten, vorausging. "Fünf Jahre später, 1830, erhob sich Warschau gegen die Moskowiter. Die Polen, seit den drei Teilungen eine Nation ohne souveränen Staat, waren nicht bereit, sich widerstandslos der russischen Teilungsmacht zu unterwerfen. Als römisch-katholisches Land galt es den Russen ohnehin als von der panorthodoxen Gemeinschaft aller Slawen abtrünnig. Die Kabinette in Westeuropa hielten sich gegenüber dem Aufstand zurück, doch einige liberale französische Deputierte und deutsche Dichter unterstützten den Freiheitskampf der Polen gegen die Despotie. Vertreter der geistigen Elite Russlands reagierten empört, sie fühlten sich in ihrem imperialen Patriotismus beleidigt. Neben anderen äußerte sich auch der Freigeist und pragmatische Opportunist Alexander Puschkin. Er beschimpfte die französischen Gegner der Autokratie in einem Gedicht als „Verleumder Russlands“ und drohte mit Rückgriff auf die Geschichte: Sie sollten, bevor sie sich gegen Russland stellen, Napoleons Niederlage bei Borodino bedenken. Der Konflikt zwischen Polen und Russen sei ein familiärer Bruderzwist, argumentierte er, den man im Westen nicht verstehe und aus diesem man sich heraushalten solle. Seine Vision von einer Lösung des Konflikts fasste er in das Bild von den vielen Strömen slawischer Völker, die alle ins große russische Meer münden. Diese Formel wie auch die Stereotype vom „hochmütigen Polen“ und der „treuen Rus“ haben sich, von der Autorität des Nationaldichters gestützt, im kollektiven Bewusstsein der Russen eingenistet. In Dostojewskis Romanen erscheinen Polen als Adlige und Jesuiten-Zöglinge und sind auf Figuren von Hochstaplern und Falschspielern festgelegt. Die aktuellen irrwitzigen Hasstiraden des russischen Ex-Präsidenten Dmitri Medwedew gegen die Polen und ihren Stolz auf die republikanische Tradition bleiben ohne einen geschichtspolitischen Kontext unbegreiflich. Puschkin hielt die Balance zwischen einem vieldeutigen künstlerischen Ausdruck und dem, was er seiner Stellung am Hofe schuldig war. Der Zar erklärte sich zum persönlichen Zensor des Dichters, so wurde die Fessel zur Quelle des Stolzes: ein russisches Syndrom. Für diese Balance steht auch sein, wie er es nannte, „Trommelwirbelpoem“ Poltawa, mit dem er den Sieg Peters I. über den Schwedenkönig Karl XII. feierte und zugleich dem Petersburger Hof als Signal seiner Botmäßigkeit einen „Knochen hinwarf“. In der Gestalt des Kosakenhetmans Mazeppa behandelt das Poem die ukrainische Frage. Als facettenreicher Abenteurer machte die Figur in der europäischen Literatur Karriere, von Lord Byron über Victor Hugo bis zu Bertolt Brecht. Der historische Mazeppa erstrebte für das ukrainische Hetmanat mehr Selbständigkeit von Russland und wechselte deshalb die Fronten von Peter I. zu Karl XII. Seit seiner Niederlage bei Poltawa ist er für Puschkin und die russische Geschichtserzählung ein Verräter, für die Ukrainer ein tragischer Held. Das Selbstbild des Imperiums fand auch seinen Niederschlag in der geringschätzigen Art, wie bedeutende Geistesschaffende Russlands kleinere Nationen behandelten. Leo Tolstoi verbrachte fünf Jahre (1851 bis 1855) als Offiziersanwärter im Kaukasus und verarbeitete seine Erfahrungen dort in Erzählungen wie „Die Kosaken“ oder „Der Überfall“. Die aufständischen Tschetschenen, Tscherkessen, Abreken, Tataren und andere, gegen die Krieg geführt wird, beschäftigen den Erzähler hauptsächlich durch ihre exotische äußere Erscheinung. Eine ethnische oder kulturelle Identität oder politische Interessen, die sie unterscheidbar gemacht hätten, gestand er den „Bergbewohnern“ nicht zu. Wie selbstverständlich berichtet der Erzähler über die Überlegenheit der russischen Armee, die mit handwerklicher Präzision gegen die chaotischen Überfälle der kaukasischen Krieger vorgeht. Tolstoi fragt nicht, wie die „Bergvölker“ unter die Herrschaft des Imperiums kamen, ihr Freiheitskampf erscheint als räuberische Rebellion. Ein Echo dieser Einstellung klingt in den abschätzigen Bemerkungen von Alexander Solschenizyn nach, vor allem aber in Joseph Brodskys hasserfülltem Gedicht „Auf die Unabhängigkeit der Ukraine“. Doch zurück zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Zu den kritischen europäischen Stimmen anlässlich der Niederschlagung des polnischen Aufstandes gehörte auch die des Schriftstellers Marquis Astolphe de Custine, der Russland bereiste und über seine Beobachtungen und Eindrücke schrieb (La Russie en 1839). Vom Geist der Aufklärung geprägt, zeichnete de Custine das Reich Nikolais I. als religiös fundierte Autokratie, in der der Herrscher göttliche Allmacht beansprucht. Auch die Geschichte war Besitz des Zaren, der die Chronik des Landes nach Belieben veränderte und seinem Volk täglich historische Wahrheiten mitteilte, die der Fiktion des jeweiligen Augenblicks entsprachen. Das gesellschaftliche Leben in Russland gleiche einer Verschwörung gegen die Wahrheit, notiert de Custine. Im Petersburg der Dreißigerjahre seien viele davon überzeugt, dass Europa sich in unfruchtbarem Liberalismus zerlege, während Russland mächtig bleibe, weil es unfrei sei. Russland, so berichtet der Franzose, betrachte Europa als Beute, die ihm früher oder später durch seine innere Zwietracht in die Hände fallen werde. Einen solchen Umgang mit der Geschichte als Besitz des Staates perfektionierte die Sowjetmacht im 20. Jahrhundert, und Putin nutzt diese Tradition für die Durchsetzung seines wahnhaften Geschichtsbildes." [85] Dabei gab es damals
in Russland Denker, die die eigene Kultur und das Verhältnis zu Europa
kritisch analysierten, wie der Philosoph Wladimit Solowjew oder der Freund
und Widersacher Puschkins, Pjotr Tschaadajew, in seinen „Philosophischen
Briefen“. Tschaadajew befand: „Russland ist eine Welt für sich, gefügig
dem Willen, dem Gutdünken, den Launen eines einzelnen Menschen, ob
er nun Peter oder Iwan heiße, einerlei, es kommt aufs gleiche hinaus
– es ist die Verkörperung der Willkür“ (Apologie eines Wahnsinnigen).
"Ein mögliches Korrektiv der staatlichen Willkür sah Tschaadajew
in der Religion, die sich aber von der weltlichen Macht unabhängig
machen müsse, wie das seiner Meinung nach der lateinischen Kirche
im Streit mit dem Kaiser im Mittelalter gelungen sei. Die russische Orthodoxie
hingegen, in den Fußstapfen des byzantinischen Cäsaropapismus
wandelnd, sei der kaiserlichen Gewalt gänzlich unterworfen. Wobei
der Staat sich die Kirche nicht bloß einverleibt habe, sondern von
ihr geheiligt worden sei. Zugleich funktioniere dieser Staat nach dem asiatischen
Herrschaftsmuster des Mongolen-„Jochs“. Die Bestätigung seiner Diagnose
erfuhr Tschaadajew, als der Moskauer Polizeichef ihn auf Anweisung des
Zaren für wahnsinnig erklärte." [86]
Anmerkungen [1] Vgl. Kurs Nr.
550 Fjodor M. Dostojewskij. Akademie der Kunst und Philosophie
Archangel Michael,
Byzantine mosaic in La Martorana, also known as Santa Maria dell'Ammiraglio
in Palermo, Sicily, 12th century
Wirkung und Nachwirkung in Europa: z.B. die Propyläen am Münchner Königsplatz als Denkmal. Infolge des Falls von Byzanz 1453 hatten sich griechischsprachige Gelehrte in ganz Europa niedergelassen, wo sie die Kenntnis der altgriechischen Sprache und Schriften beförderten. Restriktionen und Repressalien der osmanischen Herrscher führten zu weiteren Migrationswellen, vor allem von Kaufleuten. Seit dem 17. Jahrhundert konnte eine größere Anhängerschaft, besonders unter Intellektuellen und Bürgerlichen, für die Befreiung Griechenlands gewonnen werden, was sich etwa auch in der Gräzisierung von Namen oder dem Philhellenismus ausdrückte. Nach dem Wiener Kongress und den Karlsbader Beschlüssen war der griechische Freiheitskampf auch im deutschsprachigen Raum ein gewichtiges Thema, was sich auch daran zeigte, dass Schriftsteller das zeitgenössische Griechenland zum Thema nahmen (beispielsweise Wilhelm Müller (Der kleine Hydriot), Leopold Schefer oder Goethe, der Gedichte aus dem Neugriechischen übersetzte). Diese Haltung entstand auch in Opposition zu einer überdauernden Griechenfeindlichkeit, die im Wesentlichen eine Spätfolge des religiösen Schismas war. Trotz Ereignissen wie dem Massaker von Chios sahen viele Politiker vor allem die Geschäftsbeziehungen zum Osmanischen Reich gefährdet; ähnlich wie heute auch die Politiker um Geschäftsbeziehungen fürchten, so dass die deutsche Bundeskanzlerin Merkel bei den Komikern sogar als Bauchtänzerin des türkischen Präsidenten dargestellt wird. Die Freiheit Griechenlands führte zu einer Schwächung des Osmanischen Reiches in Europa und wurde zum Vorbild weiterer Unabhängigkeitsbewegungen in Südosteuropa; Moscheen wurden wieder in Kirchen zurückverwandelt und hässliche neue Moscheen zerstört; unverständlicherweise werden heute wieder Moscheen - sogar im christlichen Europa gebaut. Auf dem Balkan, allem voran in gemischt besiedelten Gebieten, entstanden Konflikte zwischen christlichen und muslimischen Bewohnern. Der Kampf gegen die ungläubigen Türken wird auch thematisiert bei Dostojewski und Wladimir Solowjew. Die Endphase des Kampfes der Griechen gegen die Türken wurde durch das Eingreifen fremder Mächte bestimmt. Es eilten die modernisierten ägyptischen Streitkräfte unter der Führung von Mehmet Ali den Türken zu Hilfe. Im Jahre 1825 landeten sie auf der Peloponnes und eroberten den Hafen von Navarino. Die Revolution war damit im Prinzip gescheitert. Es war nun ein leichtes, die Peloponnes von den zerstrittenen Griechen zurückzuerobern. Die europäischen Großmächte waren allerdings in keinem Fall dazu bereit, Mehmet Ali die Herrschaft sowohl über Ägypten als auch über Griechenland zu überlassen. Man einigte sich darauf, die Kräfte zu vereinen und eine Drei-Mächte-Flotte nach Navarino zu senden. In der Schlacht von Navarino im Oktober 1827 versenkte die europäische Flotte den Großteil der gegnerischen Schiffe. Der Kommandeur der Alliierten gegen die Türken war der britische Admiral Sir Edward Codrington (1770-1851). Damit hatte der Sultan den europäischen Großmächten auf der Peloponnes militärisch nichts mehr entgegenzusetzen. Den letzten Akt der Revolution bestimmte der Russisch-Osmanische Krieg (1828–1830). Nach dem russischen Einmarsch in das Osmanische Reich und der Kapitulation des Sultans wurde im Rahmen des Londoner Protokolls im Jahre 1830 die Errichtung eines kleinen, unabhängigen, griechischen Königreiches beschlossen. Das neue Königreich sollte, so wurde beschlossen, von dem deutschen Prinzen Otto I. von Bayern regiert werden. Dieser Prinz als König von Griechenland war für die drei Großmächte eine akzeptable Lösung. (From the early stages
of the revolution, success at sea was vital for the Greeks. When they failed
to counter the Ottoman Navy, it was able to resupply the isolated Ottoman
garrisons and land reinforcements from the Ottoman Empire's provinces,
theatening to crush the rebellion; likewise the failure of the Greek fleet
to break the naval blocade of Missolonghi (as it did several times earlier)
in 1826 led to the fall of the city. The Greek fleet was primarily outfitted
by prosperous Aegean islanders, principally from three islands: Hydra,
Spetses and Psara. Each island equipped, manned and maintained its own
squadron, under its own admiral. Although they were manned by experienced
crews, the Greek ships were not designed for warfare, equipped with only
light guns and staffed by armed merchantmen. Against them stood the Ottoman
fleet, which enjoyed several advantages: its ships and supporting craft
were built for war; it was supported by the resources of the vast Ottoman
Empire; command was centralized and disciplined under the Kapudan Pasha.
The total Ottoman fleet size consisted of 20 three-masted ships of the
line, each with about 80 guns and 7 or 8 frigates with 50 guns, 5 corvettes
with about 30 guns and around 40 brigs with 20 or fewer guns.
In the face of this
situation, the Greeks decided to use fire ships, which had proven themselves
effective for the Psarians during the Orlov Revolt in 1770. The first test
was made at Eresos on 27 May 1821, when an Ottoman frigate was successfully
destroyed by a fire ship under Dimitrios Papanikolis. In the fire ships,
the Greeks found an effective weapon against the Ottoman vessels. In subsequent
years, the successes of the Greek fire ships would increase their reputation,
with acts such as the destruction of the Ottoman flagship by Constantine
Kanaris at Chios, after the massacre of the island's population in June
1822, acquiring international fame. Overall, 59 fire ship attacks were
carried out, of which 39 were successful. At the same time, conventional
naval actions were also fought, at which naval commanders like Andreas
Miaoulis distinguished themselves. The early successes of the Greek fleet
in direct confrontations with the Ottomans at Patras and Spetses gave the
crews confidence and contributed greatly to the survival and success of
the uprising in the Peloponnese. Later, however, as Greece became embroiled
in a civil war, the Sultan called upon his strongest subject, Muhammad
Ali of Egypt, for aid. Plagued by internal strife and financial difficulties
in keeping the fleet in constant readiness, the Greeks failed to prevent
the capture and destruction of Kasos and Psara in 1824, or the landing
of the Egyptian army at Methoni. Despite victories at Samos and Gerontas,
the Revolution was threatened with collapse until the intervention of the
Great Powers in the Battle of Navarino in 1827. (vgl. Kurse Nr.
554 Friedrich Hölderlin II, Nr.
350 Byzantinische Kunst und Architektur, Nr.
622 Victor Hugo, Nr. 619 Franz Werfel,
Nr.
621 Lord Byron, Nr.
623 Johann Ludwig Wilhelm Müller,
Nr.
020 Goethe,
Nr. 552 William
Shakespeare II, Akademie der Kunst und Philosophie
Auch wenn es manchmal nicht danach aussieht, beginnt nach Wladimir Solowjew eine Epoche des Friedens und der friedlichen Ausbreitung der christlichen Europäischen Kultur nach allen Seiten. In der Ausbreitung der Europäischen Kultur sieht er den Sinn der Geschichte. Alle werden Europäer. Der Begriff des Europäers fällt mit dem Begriff des Menschen zusammen und der Begriff der Europäischen Kulturwelt mit dem Begriff der Menschheit. "Anfangs gab es nur Griechische, dann Römische Europäer, später erschienen alle möglichen anderen, zuerst im Westen, dann auch im Osten; es erschienen die russischen Europäer, und drüben, jenseits des Ozeans, die amerikanischen Europäer, jetzt müssen die türkischen, persischen, indischen, japanischen, vielleicht sogar die chinesischen Europäer erscheinen." (Wladimir Solowjew) Gefahr für Europa drohe vom Antichrist; "Die innere Bedeutung des Antichrists als eines religiösen Usurpators, der durch 'Raub' und nicht durch geistliche Tat die Würde des Sohnes Gottes zu erlangen sucht, seine Verbindung mit dem Pseudopropheten", der durch lügenhafte Wunder die Menschen verführe, die "Flagge eines verfälschten Christentums" hisse, sei nicht zu unterschätzen. Um der systematischen Lüge beizukommen, gehe es nicht nur um die "Widerlegung einer angeblichen Religion, sondern die Aufdeckung eines wirklichen Betrugs." Solowjew bezieht sich nicht auf Tolstoi und Kant sondern auf Johannes von Damaskus, Fjodor M. Dostojewskij und sieht "in der engsten Annäherung und der friedlichen Zusammenarbeit aller christlichen Völker und Staaten nicht nur einen möglichen, sondern den notwendigen und sittlich verpflichtenden Weg, den die christliche Welt gehen muss, um nicht von niederen, elementaren Kräften verschlungen zu werden." Die Mittel für das Wirken des Antichtists werden zwar durch Wissenschaft, Technik und Verkennung des Christentums im Westen bereitgestellt, die Bedrohung kommt aber aus dem Osten, vom Islam bzw. "Panmongolismus". Solowjew nennt die "geheime und unermüdliche Tätigkeit" der islamischen Bruderschaft der Senussi, die den Islam nicht nur predige, sondern die seit langem mit "regelrechten Rüstungen für den heiligen Krieg" begonnen habe, über große Waffenarsenale verfüge und deren Propaganda die ungewöhnliche Ausbreitung des Islam in Afrika zuzuschreiben sei, der die christlichen Missionare machtlos gegenüberstünden. Solowjew warnt davor, den Islam zu verharmlosen und den Pseudopropheten Mohammed aufzuwerten, wie es von den christlichen Kirchen heutzutage praktiziert wird und die die "Augen vor der gegenwärtigen und der künftigen Lage der Dinge verschließen", was "schon allzu viele Leute gar zu gern" täten. Vgl. Kurse Nr. 550 Fjodor M. Dostojewskij, Nr. 350 Byzantinische Kunst und Architektur, Nr. 506 Wladimir Solowjew. Akademie der Kunst und Philosophie "Mir scheint, dass der Erfolg des Panmongolismus schon im voraus durch jenen hartnäckigen und aufreibenden Kampf erleichtert werden wird, den einige europäische Staaten gegen den Islam werden zu führen haben, nachdem dieser in Westasien, in Nord- und Mittelafrika zu neuem Leben erwacht ist." - Wladimir Solowjew Der Hl. Georg, aus
der damals überwiegend christlichen Türkei (griechisch-byzantinisch,
der Name Türkei existierte noch nicht) stammend, war ein römischer
Offizier. Er starb um 304 als Märthyrer unter Kaiser Diokletian in
Kappadozien oder Lydda und wird bereits seit dem 4. Jahrhundert verehrt.
Georg ist Namensgeber des Landes Georgien. Er war Schutzpatron von Richard
Löwenherz. Verschiedene Orden, wie der Hosenbandorden, der auch Orden
des hl. Georg in England genannt wird, das Georgskreuz, z.B. in der Flagge
Englands, oder die Georgsmedaille leiten ihre Bezeichnung von dem Heiligen
ab. Gedenktag ist der 23. April. Viele Kirchen, Kathedralen und Klöster
sind nach ihm benannt, nicht zuletzt auch in Deutschland oder der Ukraine.
Wichtige Kirchen in der Ukraine sind zum Beispiel die St. Georgs-Kathedrale
in Lemberg (Lwiv) oder die St. George the Victorious Church in Kyiv. Das
Wappen für die Ukraine müsste eigentlich den St. Georg
enthalten und nicht den Dreizack, das Zeichen für die goldene Horde
(muslimische Tataren). Im heutigen Russland wird allerdings St. Georg für
das St. Georgsband missbraucht, mit dem in Russland Kämpfer ausgezeichnet
werden, die gegen Christen z.B. in der Ukraine gekämpft haben.
Die bekannte Legende, die Darstellung des hl. Georg als Ritter, der einen
Drachen mit einer Lanze durchbohrt und tötet, nachdem sich das dortige
Volk zum Christentum bekehrte, ist auch heute aktuell, denn der Kampf gegen
den Drachen, der Luzifer symbolisiert, scheint in der heutigen Türkei
und Aserbaidschan fast verloren; es gibt dort fast keine Christen mehr.
Der hl. Georg konnte den Drachen nur besiegen, weil die Menschen sich dort
zum Christentum bekannten; heute sind die Menschen in der Türkei und
Aserbaidschan Muslime, ehemalige Kirchen verfallen und werden nicht für
den Gottesdienst genutzt, sondern in Moscheen umfunktioniert um die Mächte
des Luzifer anzurufen. Mit Calderón könnte man fragen: wie
nennt man, wenn ein Aserbaidschanischer Präsident oder anderer Despot
christliche Nachbarländer angreifen lässt? "bandido monstruo
asaltas sus confines" (Monsterbandit stürmt seine Grenzen). Das erinnert
an die Vorgeschichte Georgiens, das über 400 Jahre lang unter islamischer
Herrschaft stand. Der Sultan der Seldschuken, Mahmud II sammelte 1121 ein
gewaltiges islamisches Heer unter Führung von Naim al-Din Ilghazi
bin Artuq, Emir von Aleppo, um in Georgien einzufallen. Der Legende nach
griff der Heilige Georg auch bei späteren Kämpfen gegen muslimische
Invasoren ein, z.B. soll er am 12. August 1121 an der Schlacht gegen die
Seltschuken die Georgier zum Sieg verholfen haben. Der Ausgang der Schlacht
am Didgori ermöglichte die Rückeroberung von Tiflis und weiter
Teile des Kaukasus, die unter islamischer Vorherrschaft standen. Der Sieg
gegen eine islamische Übermacht, welcher von Zeitgenossen als übernatürliches
Wunder gepriesen wurde, begründete die mittelalterliche Blütezeit
Georgiens und nimmt heute noch einen wichtigen Platz in der georgischen
Identität ein. Vgl. Kurse Nr.
522 Raffael (Raffaello Sanzio), Nr.
647 Peter Paul Rubens, Nr.
648 Calderón de la Barca II, Nr.
625 Theodorus Abucara, Nr.
600 St. Johannes von Damaskus, Nr.
624 Byzantinische Wissenschaft / Philosophie, Nr.
350 Byzantinische Kunst und Architektur, Akademie der Kunst und
Philosophie
Akademie
der Kunst und Philosophie / Academy of Arts and Philosophy
Allgemeine
Infos zur Akademie der Kunst und Philosophie und den Kursen
Zur Philosophie und Kulturgeschichte von Byzanz, des Mittelalters, der Schule von Chartres, der Renaissance, des Barock, der Aufklärung, des Idealismus, der Romantik vgl. Kurse:Nr. 551 G.W.F. Hegel I, Nr. 660 G.W.F. Hegel II, Nr. 511 Johann Gottlieb Fichte I, Nr. 658 Johann Gottlieb Fichte II, Nr. 509 F.W.J. Schelling I, Nr. 510 F.W.J. Schelling II, Nr. 513 F.W.J. Schelling III, Nr. 505 Arthur Schopenhauer I-II, Nr. 663 Arthur Schopenhauer III, Nr. 531 Platon, Nr. 533 Aristoteles, Nr. 623 Johann Ludwig Wilhelm Müller, Nr. 020 Johann Wolfgang von Goethe I-II, Nr. 673 Johann Wolfgang von Goethe III, Nr. 553 Friedrich Schiller I-II, Nr. 675 Friedrich Schiller III, Nr. 554 Friedrich Hölderlin I-II, Nr. 512 Novalis I, Nr. 671 Novalis II, Nr. 677 Jean Paul, Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Nr. 630 Johann Ludwig Tieck, Nr. 631 Adelbert von Chamisso, Nr. 567 Gottfried Wilhelm Leibniz, Nr. 665 Molière, Nr. 622 Victor Hugo I, Nr. 674 Victor Hugo II, Nr. 629 Voltaire I-II, Nr. 679 Laurence Sterne, Nr. 621 Lord Byron I, Nr. 676 Lord Byron II, Nr. 628 Percy Bysshe Shelly, Nr. 561 Sir Walter Scott, Nr. 555 Angelus Silesius, Nr. 634 Hans Sachs, Nr. 619 Franz Werfel, Nr. 680 Nikos Kazantzakis, Nr. 588 Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Nr. 550 Fjodor M. Dostojewskij I-II, Nr. 506 Wladimir Sergejewitsch Solowjow, Nr. 664 Philosophie der Kunst, Nr. 661 Philosophie der Geschichte I, Nr. 686 Philosophie der Geschichte II, Nr. 659 Wissenschaftslehre I, Nr. 666 Wissenschaftslehre II, Nr. 681 Wissenschaftslehre III, Nr. 682 Wissenschaftslehre IV, Nr. 683 Wissenschaftslehre V, Nr. 684 Wissenschaftslehre VI, Nr. 685 Wissenschaftslehre VII, Nr. 545 Sittenlehre I-II, Nr. 614 Sittenlehre III, Nr. 687 Philosophie der Geschichte IV, Nr. 687 Philosophie der Geschichte V, Nr. 544 Staats- und Rechtslehre I-II, Nr. 641 Staats- und Rechtslehre III, Nr. 644 Staats- und Rechtslehre IV, Nr. 655 Staats- und Rechtslehre V, Nr. 618 St. Ephraim der Syrer, Nr. 617 St. Cyrill von Alexandrien, Nr. 616 St. Gregor von Nazianz, Nr. 613 St. Gregor von Nyssa, Nr. 612 St. Johannes Chrysostomos, Nr. 611 St. Johannes Cassianus, Nr. 627 St. Basilius der Große, Nr. 625 Theodorus Abucara, Nr. 624 Byzantinische Wissenschaft / Philosophie, Nr. 653 St. Cyprianus, Nr. 609 St. Athanasius der Große, Nr. 605 St. Irenaeus von Lyon, Nr. 604 St. Hildegard von Bingen, Nr. 600 St. Johannes von Damaskus, Nr. 599 St. Petrus Venerabilis, Nr. 581 Bernhard von Chartres, Nr. 580 Wilhelm von Conches, Nr. 578 Pierre Abaelard, Nr. 574 Johannes von Salisbury, Nr. 577 Petrus Lombardus, Nr. 576 Gilbert de la Porrée / Gilbert von Poitiers, Nr. 565 Johannes Scotus Eriugena, Nr. 575 Thierry de Chartres, Nr. 571 Alanus ab Insulis, Nr. 572 Anselm von Canterbury, Nr. 570 St. Hilarius von Poitiers, Nr. 568 Nicolaus Cusanus I, Nr. 568 Nicolaus Cusanus II, Nr. 568 Nicolaus Cusanus III, Nr. 564 St. Ambrosius, Nr. 564 St. Augustinus I, Nr. 601 St. Augustinus II, Nr. 654 St. Augustinus III, Nr. 579 St. Albertus Magnus, Nr. 500 St. Thomas von Aquin I, ScG, Nr. 501 St.Thomas von Aquin II, Sth I., Nr. 502 St.Thomas von Aquin III, Sth. I-II, Nr. 582 St.Thomas von Aquin IV, Sth II-II, Nr. 583 St.Thomas von Aquin V, Sth. III, Nr. 566 Meister Eckhart, Nr. 562 Dante Alighieri I-II, Nr. 672 Dante Alighieri III, Nr. 558 Calderón de la Barca, Nr. 648 Calderón de la Barca II, Nr. 650 Calderón de la Barca III, Nr. 651 Calderón de la Barca IV, Nr. 563 Miguel de Cervantes I, Nr. 645 Miguel de Cervantes II, Nr. 637 Lope de Vega I, Nr. 638 Lope de Vega II, Nr. 642 Lope de Vega III, Nr. 643 Lope de Vega IV, Nr. 652 Juan Ruiz de Alarcón, Nr. 632 Ginés Pérez de Hita, Nr. 633 Luis Vaz de Camões, Nr. 678 François Rabelais, Nr. 557 Ludovico Ariosto I-II, Nr. 668 Ludovico Ariosto III, Nr. 556 Torquato Tasso, Nr. 552 William Shakespeare I-II, Nr. 559 Wolfram von Eschenbach, Nr. 560 Walter von der Vogelweide, Nr. 662 Gottfried von Strassburg, Akademie der Kunst und Philosophie / Académie des sciences Nr. 320 Romanische Kunst und Architektur, Nr. 350 Byzantinische Kunst und Architektur, Nr. 325 Kunst und Architektur der Gothik, Nr. 326 Kunst und Architektur der Renaissance, Nr. 586 Tizian, Nr. 591 Paolo Veronese, Nr. 597 Correggio, Nr. 670 Annibale Carracci, Nr. 520 Rembrandt, Nr. 598 El Greco, Nr. 620 Giovanni Battista Tiepolo, Nr. 590 Giovanni Bellini, Nr. 656 Andrea Solari, Nr. 657 Bernadino Luini, Nr. 587 Andrea Mantegna, Nr. 595 Jan van Eyck, Nr. 635 Rogier van der Weyden, Nr. 640 Stefan Lochner, Nr. 646 Michael Pacher, Nr. 647 Peter Paul Rubens, Nr. 649 Giotto di Bondone, Nr. 626 Luca Signorelli, Nr. 610 Piero della Francesca, Nr. 596 Perugino, Nr. 522 Raffael (Raffaello Sanzio), Nr. 523 Sandro Botticelli, Nr. 602 Benozzo Gozzoli, Nr. 606 Fra Angelico, Nr. 607 Pinturicchio, Nr. 608 Domenico Ghirlandaio, Nr. 593 Filippo Lippi, Nr. 594 Filippino Lippi, Nr. 589 Albrecht Dürer, Nr. 603 Bernard van Orley, Nr. 615 Ambrogio da Fossano detto il Bergognone, Nr. 636 Eugène Delacroix, Nr. 639 Bartolomé Esteban Murillo, Akademie der Kunst und Philosophie Letzte Bearbeitung:23.02.2024 |