Akademie der Kunst und Philosophie | Academy of Arts and Philosophy Académie des sciences | Academia de Artes y Filosofía | Accademia del Arte e Filosofia |
Kurs Nr. 567 Gottfried Wilhelm Leibniz |
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Aus dem Inhalt:
Fast alle neueren Philosophen nehmen Kant als großes Vorbild und polemisieren mit ihm gegen Leibniz und seine Philosophie. Die analytische Philosophie zusammen mit Philosophen, die nicht die "wahre Philosophie" vertreten wie der Atheist Bertrand Russell, die keine Philosophie vor Kant mehr anerkennen wollte, meinte sie könne gänzlich ohne Metaphysik auskommen. In diesem Kurs wird u.a. dargestellt, dass die Kant'sche Philosophie schon spätestens nach den deutschen Idealisten und Klassikern überholt und widerlegt war und damit die analytische Philosophie keinerlei vernünftige Grundlage besitzt. Es wird gezeigt, dass Leibniz von Philosophen wie Kant, Russell etc, bisher falsch rezipiert worden war. Heute zählen Leibniz' Werke zum Weltkulturerbe. 1700 regte er die Errichtung der "Sozietät der Wissenschaften" an, der späteren "Akademie der Wissenschaften" in Deutschland. Die Förderung der Wissenschaften regte er auch bei den Habsburgern (Österreich) und in Russland an. Leibniz gilt als einer der letzten Universalgelehrten der Neuzeit: als Philosoph und Mathematiker, Physiker und Techniker, Begründer der Computertechnologie, Jurist und politischer Schriftsteller, Geschichts- und Sprachforscher trat er hervor. (Gottfried Wilhelm Leibniz was a Philosopher of baroque period. His writings belong to UNESCO world cultural heritage. In 1711, while traveling in northern Europe, the Russian Tsar Peter the Great stopped in Hanover and met Leibniz, who then took some interest in Russian matters for the rest of his life. In 1712, Leibniz began a two-year residence in Vienna, where he was appointed Imperial Court Councillor to the Habsburgs.). Er setzte sich auch für die Gründung von Akademien in China ein: "Wäre es nicht möglicherweise denkbar, dass der Kaiser von China selbst sich veranlasst sehen könnte, einige Kollegien oder Akademien zu begründen, die dazu dienen könnten, die Wissenschaften und die Gelehrsamkeit nach europäischer Art zu pflegen, und deren Mitglieder Tataren (Manjuren), Chinesen und Europäer sein könnten? (N'y at-il point d'apparence que le Monarque de la Chine puisse porté luy même à la fondation de quelques colleges ou Scademies qui servent à cultiver les sciences et doctrines à la facon d'europe, dont des Tartares, Chinois et Europeens pourroient etre?"). Im siebzehnten Jahrhundert hatte man "keine allzu hohe Meinung von der Wissenschaft der Mediziner". Leibniz meint, es gebe Ärzte die zu viel versprechen. Aber es gebe auch Leute, die zu viel von ihnen verlangen. Die Medizin sei wie der Krieg, und die tüchtigen Generäle schätzte man doch auch noch, wenn sie geschlagen wurden. "Es ist aber erforderlich, dass die Ärzte alle notwendige Sorgfalt üben und dem Kranken bei ihren Besuchen viele Fragen stellen, bevor sie Arzneien verordnen. Es wäre auch zu wünschen, dass sie Beobachtungen anstellten und sie schriftlich festhielten, um die wichtigsten dann der Öffentlichkeit mitzuteilen." Leibniz hat selbst Ärzte dazu angeregt, jährliche Berichte über die aufgetretenen Krankheiten zu verfassen. Er war überzeugt, dass man "nicht nur in Pestzeiten, sondern ständig, einen Gesundheitsrat haben sollte, in dem politische Räte mit Ärzten zusammen tätig sein sollten." Leibniz lebte zu einer Zeit als die Türken vor Wien standen und Prinz Eugen sie zurückschlug. Der Sultan Mustafa II. (reg. 1695-1703) befand sich im Krieg mit den Russen, Polen, dem Reich und Venedig. Am 11. September 1695 erlitt er bei Zenta durch Prinz Eugen eine entscheidende Niederlage. Als Geschichtsforscher und politischer Schriftsteller nimmt Leibniz auch Stellung zu den Türkenkriegen seiner Zeit. Viele Granden des Militärs spornt es an, große Feldherrn zu werden. Dazu Leibniz 1688: "Man beginnt ernsthaft an Konstantinopel zu denken. ... Der Kaiser will nach Möglichkeit den Beschluss umsetzen, die Türken in die Enge zu treiben." Er denkt sogar als Militärstratege und meint, es käme darauf an, "den Übergang über die Save zu sichern und die Festung Ilok zu nehmen, welche die Donauschiffart bedroht und die Unseren gezwungen hat, Peterwalden aufzugeben. Den letzten Berichten zufolge hält man es für gewiss, dass die Türken in Belgrad und Umgebung noch nicht stärker sind als 10 000 Mann." Leibniz beschreibt eine türkische Gesandtschaft - sie könnte auch aus der heutigen Türkei stammen: "Vorgestern ist die türkische Gesandtschaft in Pottendorf, fünf Meilen von hier, eingetroffen, es heißt, sie gäben sich recht hochmütig." Die Raizen, griechisch-orthodoxe Serben, galten als gute Soldaten: "Man fängt an, allerlei Truppen auszuheben, darunter viele Ungarn, Raizen und Kroaten." Es geht um eine europäische Reconquista: "Gebe Gott, dass die Dinge immer gut zugunsten der Christenheit" ausgehen." Als Philosoph schreibt Leibniz auch über ausgefallene Themen wie "echte oder eingebildete Propheten", wobei er die israelischen Propheten zu den echten und den islamischen zu den unechten zählt [1]: "Indessen: erkenne ich an, dass die großen Propheten, nämlich jene, die uns die Zukunft im Einzelnen mitteilen können, übernatürlicher Gnaden teilhaftig sein müssen. Und es ist unmöglich, dass ein begrenzter Geist, so durchdringend er auch sein mag, hier Erfolg haben könnte." [2] - Leibniz1691 schreibt Leibniz: Der "hochgelehrte Herr Huet" habe ein "schönes Buch über die christliche Religion geschrieben, das zeigen will, dass die Weissagungen der Propheten des Alten Testaments auf wunderbare Weise bis in Einzelheiten des Neuen Testaments zugetroffen haben, denn die Vorhersage von Einzelheiten ist ein Wunder, das selbst der Teufel nicht nachahmen könnte." [3] Natürlich ist
die christliche Religion zeitweise über das Ziel hinausgeschossen,
man denke an die Verfolgung der Ketzer, Hexenverbrennung etc.: "In der
Absicht Ketzerei zu verhindern, hat man ihre Entstehung befördert.
Gewöhnlich verschwinden solche Dinge von selbst, wenn sie den Reiz
der Neuheit verloren haben; wenn man sie aber unterdrücken will durch
großen Lärm, den man darum macht, durch Verfolgung und durch
Widerlegung, so ist das, als ob man Feuer mit dem Blasebalg löschen
wollte.... Oft erlangt ein Mensch ohne sein Wissen die Ehre, Ketzer zu
sein." [4]
1. Leibniz als Bekämpfer des Sozianismus, Averroismus und der AntitrinitarierDennoch musste sich das Christentum zum Beispiel von der Lehre des Arius, die auf dem Konzil von Nizäa 325 verworfen wurde, abgrenzen; Verfechter dieser Lehre sind Antitrinitarier wie zum Beispiel Michel Servet, dem ein sprktakulärer Prozess in Genf gemacht wurde, der 1553 mit der Hinrichtung des Angeklagten auf dem Scheiterhaufen endete. Die Lehre Servets wurde später von dem aus Siena stammenden Fausto Sozzini (1539-1604) wieder aufgenommen. Der Handel mit sozianischen Schriften wurde zu einem lukrativen Geschäft. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts nahm die Nachfrage sprunghaft zu. Der religiöse Rationalismus wurde ein Exportgut, das Spuren im Werk von John Locke und Isaak Newton hinterlassen hat, aber auch dem Deisten John Toland ("Christianity not mysterious", 1696). Der Sozianismus, der vom Christentum kaum mehr als eine Sittenlehre übrig lässt, die Unsterblichkeit der Seele leugnet und an der Göttlichkeit des Christus zweifelt, gehört zur Vorgeschichte der Aufklärung. Auch wenn Leibniz als Vorbote der Aufklärung gilt, hat er sich entschieden gegen die Averroisten und Sozianer ausgesprochen. Zum Sozianer William Freke sagt er zum Beispiel: "Darum weigert er sich, Gottes Sohn und den Heiligen Geist anzubeten, da er glaubt, dass sie nur Geschöpfe sind. Man kann daher sagen, dass dieser Autor sich stark den Mohammedanern annähert, denen er ziemlich weit zuzustimmen scheint." (Leibniz 1694) Im vierten Jahrhundert hatte der Presbyter Arius die göttliche Dreieinigkeit bestritten, wofür er auf dem Konzil von Nizäa exkommuniziert wurde. Seither sind antitrinitarische Häresien mit seinem Namen verbunden, insbesondere die späteren Nachfahren des Arius, wie sie verstärkt mit der Reformation auftraten. Goethe reagiert wie Leibniz eher ablehnend dem Sozianismus gegenüber, also der arianisch bestimmten Ablehnung des Trinitätsdogmas; er hat diesen Streit in seinem Faust verewigt. Den Antitrinitarischen Gedanken lässt er Mephisto aussprechen. Als Faust von Mephistopheles in die Hexenküche geführt wird, um sich einer Verjüngungskur zu unterziehen, wehrt er den "Hokuspokus" zunächst als Betrug ab. Mephisto sagt jedoch: "Mein Freund, die Kunst ist alt und neu. / Es war die Art zu allen Zeiten, / Durch Drei und Eins, und Eins und Drei / Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten." [5]Leibniz war einer Meinung mit van Helmont, wenn es um die Bekämpfung alter und neuer Averroisten ging: "Ich bin ganz seiner Meinung, wenn er denjenigen widerspricht, die glauben, dass unsere Seele in den Weltgeist eingeht. Dies scheint die Ansicht mancher Mystiker und Quietisten zu sein. Aber das ist leeres Hirngespinst; zudem wäre das der Unsterblichkeit entgegen." Auch wenn er die Gassendisten und Cartesianer tadelt, die sich ausschließlich an die korpuskulare Philosophie halten, die alle Gegenstände der Natur durch Materie und Ausdehnung erklärt - heute würde man sagen analytische Philosophie - war Leibniz mit van Helmont einig. Es muß eine Verbindung zwischen den geistigen und körperlichen Dingen geben. "Denn ich bin überzeugt, dass die Gesetze der Natur und die Prinzipien der Physik nur durch die Hinzuziehung metaphysischer Prinzipien erklärt werden können, deren man bedarf, um richtig zu verstehen, was die Kraft ist." [6] In einer Untersuchung
über die Auffassung des heiligen Augustinus über das Fegefeuer,
findet Leibniz heraus, dass der "heilige Augustin unter dem reinigenden
oder dem Fegefeuer nichts anderes versteht als den brennenden Schmerz über
den Verlust der weltlichen Dinge, die man allzusehr geliebt hat." Nach
Augustinus gehen selbst die Guten durch das Fegefeuer, doch ohne dadurch
zu leiden. [7]
2. Leibniz als Goetheanist, über HexenprozesseDass Schwermetalle giftig sind, ahnte man früher auch: "Ich kann mir denken, dass die Ärzte nicht unrecht haben, wenn sie die silbernen Teller verbieten, ich denke dabei an die aus deutscher Herstellung, worin so viel Kupfer ist, dass oft Grünspan darauf zu sehen ist, besonders wenn Essig in den Saucen war. " Gottfried Wilhelm Leibniz 1696. Heute ist auch bekannt, dass sie daran beteiligt sind Parkinson und Alzheimer auszulösen. [8]Im Sinne von Goethe hoffte Leibniz, "dass man in Frankreich allmählich von der Richtung der Maschinisten wegkommt und von diesen kleinen Begriffen, die man sich von der begrenzten Großzügigkeit der Natur macht, als hätte sie nur uns das Privileg zugestanden, Seelen zu haben." Ähnlich wie Goethe meinte er, "wenn man in die Anschauungen, die man sich vom Unendlichen machen muss, weiter eingedrungen sein wird, wird man eine ganz andere Vorstellung von der Majestät der Natur haben, als zu glauben, sie bestehe nur aus Maschinen und sei nichts gewaltigeres als die Werkstatt eines Handwerkers, wie es der, übrigens gescheite, Autor der 'Entretiens sur la pluralité des Mondes' in den Gesprächen mit seiner Marquise glaubte." Viele Philosophen und Mathematiker seiner Zeit beeindruckte Leibniz nachhaltig: "Noch stärker betroffen wurde ein hervorragender italienischer Philosoph und Mathematiker, dem ich auf meiner Reise begegnet bin, denn er gestand mir, ich hätte sein ganzes philosophisches System auf einen Schlag geändert. Und jetzt arbeitet er an einem Buch, in dem er diese Vorstellungen weiter ausbaut. Mir ist das sehr recht, denn ich bin mit zu vielen anderen Dingen beschäftigt, um selbst die Samenkörner all dieser von mir entwickelten Gedanken pflegen zu können." [9] "Es liegt in der Ordnung der Natur, die Dinge zur Reife zu bringen" - Gottfried Wilhelm Leibniz 1696Verständlich, wenn Leibniz auf das Urteil eines "bornierten Gelehrten" verzichtet, insbesondere, wenn es von Universitäten stammt, an denen eine materialistisch-mechanistische Weltanschauung verbreitet ist. Heute sind es vor allem die Universitäten, die Versuchskaninchen für zweifelhafte gentechnisch veränderte Pflanzen, Tiere, Medikamente und Impfstoffe (mRNA- und Vektor-Impfstoffe) benötigen. Solche Gelehrten glauben nach Leibniz, "sie hätten das Recht, über alles hochtönend zu reden und sich als Zensoren erheben zu können. Ich werde darum in solchen Dingen stets das Urteil einer geistvollen und unvoreingenommenen Person dem eines bornierten Gelehrten vorziehen." Auch unter heutigen Wissenschaftlern gibt es diejenigen, die gar nicht nachdenken und diejenigen, die von falschen Prinzipien ausgehen wie Ugur Sahin von Biontech mit seinem Bundesverdienstkreuz. In den Komödien der damaligen Zeit wurde viel über Ärzte gespottet, man zeigte den Stadtphysicus, wie er seine goldenen Medaillen vorzeigte, "auch die Frau Doktorin, erschien auf einer Sänfte, die ihre Türken trugen". Von manch einem Wissenschaftler sagt Leibniz "dass er einer der gelehrtesten Männer der Welt gewesen ist, doch nehme ich die Wissenschaften aus, die das Nachdenken fordern; in denen hat er große Fehler gemacht." [10] "Man hätte Grund, das menschliche Geschlecht und die so universelle und so allgemeine Unwissenheit, in der es sich befindet, zu bedauern, wenn man nicht Grund zu der Hoffnung hätte, dass unser Geist in seiner Erkenntnis fortschreiten und es ihm immer besser und besser ergehen werde, trotz der anscheinenden Verfinsterungen, die seine Fortschritte unterbrechen." - Gottfried Wilhelm Leibniz"Erbitterte Eiferer" gibt es heute vor allem auf dem Gebiet der Religion, speziell im Islam. Es sind die , "welche alle diejenigen dem Teufel anheimgeben, die nicht mit jeder ihrer Lieblingsvorstellungen übereinstimmen." Wenn man sich heute die muslimischen Eiferer ansieht, ist klar, was sie unter Gott verstehen. Sie verachten vor allem die Christen und "machen aus Gott einen Tyrannen und etwas noch Niedrigeres, indem sie ihm so grausame wie lächerliche Absichten unterstellen. Und wenn man ihnen diesen entsetzlichen Übelstand vor Augen führt, ereifern sie sich in ihren Reden gegen die Vernunft, das heißt gegen die ewige Wahrheit, die Gott selber ist." [11] Erbitterte Eiferer gab es damals auch in der christlichen Kirche - man denke nur an die Hexenprozesse. Leibniz übersetzte das berühmte Buch des Pater Friedrich von Spee, das über die Hexenprozesse aufklärte, ins Französische. "Dieser Pater war ein großer Mann seiner Art, der es verdiente, besser bekannt zu sein, als er es ist." Sein Buch, "das in der Welt viel Aufsehen erregt hat, das aus dem lateinischen Original, das unter dem Titel Cautio criminalis erschien, in viele Sprachen übersetzt wurde und das die Hexenverbrenner sehr aufgebracht hat, ohne dass sie herausbringen konnten, woher es stamme." Der Jesuitenpater Friedrich Spee gilt nach Leibniz als "einer der hervorragendsten Männer seines Ordens". Er entstammte einer westfälischen Adelsfamilie. Der Pater hielt sich gerade in Franken auf, "als man dort wütend alle angeblichen Hexen verbrannte, und begleitete mehrere von ihnen zum Scheiterhaufen. Aus ihren Geständnissen und aus den von ihm angestellten Nachforschungen erkannte er die Unschuld, und das ging ihm so zu Herzen, dass er sich trotz der Gefahr, die das Aussprechen der Wahrheit damals mit sich brachte, zur Abfassung dieses Werkes entschloß ohne jedoch seinen Namen anzugeben." [12] Worauf es ankommt, ist nach Leibniz eine andere Art der Frömmigkeit. "Ich wünschte sogar, dass das aus einer grundsätzlichen Frömmigkeit heraus geschähe, die Frucht einer wohlverstandenen Wissenschaft wäre anstatt ihr entgegengesetzt zu sein, und das man das schöne Wort eines Heiden bedächte, der sagt, man könne der Gottheit keinen schöneren Lobgesang darbringen als durch Bekanntmachung der wunderbaren Kunstfertigkeit der Natur. Man weiß auch, dass Davids Psalmen und die anderen Gesänge der alten Hebräer alle angefüllt sind mit Zeugnissen für die Bewunderung der Werke Gottes in der Natur: und das die alten Priester und Weisen die größten Philosophen und Naturforscher waren. ... Wenn wir hierüber genügend nachdächten, wäre die Frömmigkeit reiner und wirksamer und hätte im Geist vieler Menschen festere Wurzeln als jetzt, wenn man nur aufgrund von Nachahmung oder Vorgabe darangehen will, Gott zu lieben, ohne das zu kennen, was ihn bewunderungswürdig macht. Daher finde ich, dass die Forderung gewisser Pietisten, die wollen, man solle Gott lieben und dabei gewissermaßen mit der Geistestätigkeit innehalten und seine Eigenschaften und Handlungen nicht wahrnehmen, auf etwas unbegreifliches zielt und geeignet ist, die wahre Frömmigkeit zu zerstören unter dem Vorwand, sie zu steigern." [13] In der Politik sollte man die Dinge etwas ruhiger angehen und durchaus auch ein wenig die "großen metaphysischen Rosse" reiten, denn schließlich erstrecke jede Handlung und jedes Ereignis seine Wirkung bis ins Unendliche, sowohl räumlich wie zeitlich. "Genauso wie das Abwesende mit dem Anwesenden verbunden ist, ist die Zukunft verbunden mit der Vergangenheit; so dass man sagen kann, dass die Gegenwart schwanger ist mit all den zukünftigen Dingen, die die Welt mit der Zeit gebären wird. ... Unsere Unkenntnis indes macht, dass wir die Zukunft als eine Sache auffassen, die noch eingerichtet werden muss, und das entfacht unsere Leidenschaften, anstatt dass wir ruhiger wären, wenn wir die Verkettung der Dinge genügend betrachteten." [14] Besonnenes Handeln
in Politik, Erziehung und Wirtschaft funktioniert aber nur, wenn man über
das Wesen des Menschen im Bilde ist. "In einem organischen Körper
gibt es nur eine beherrschende und vorzüglichste Einheit, die seine
Seele ist. Das ist das Ich in uns, das durchaus über der Mehrzahl
der anderen Seelen steht, weil es Geist ist und vermittels universeller,
notwendiger und ewiger Wahrheiten urteilt, die weder auf die Sinne noch
auf die Herleitung von Beispielen gegründet sind, sondern auf das
innere und göttliche Licht der Ideen, die die rechte Vernunft ausmachen."
[15]
3. Akademie der Wissenschaften, recherches de la nature et de l'art, keine unnützen Worte1700 regte er die Errichtung der "Sozietät der Wissenschaften" an, der späteren "Preußischen Akademie der Wissenschaften". Leibniz wurde von Friedrich III. (reg. 1688-1713), seit 1701 König Friedrich I. in Preußen als Präsident der Akademie eingesetzt. Es wurde ein Observatorium errichtet und Maßnahmen ergriffen "für Forschungen zu Natur und Kunst (measures pour faire des recherches de la nature et de l'art.)" Der Auftrag der Sozietät umfasste auch wissenschaftliche Untersuchungen im Russischen Reich und zivilisatorisch-missionarische Aufgaben bis nach China. Allerdings gestaltete es sich schwierig Gelder für die Akademie aufzutreiben. "Bislang ist die Leitung der Sozietät der Wissenschaften durch mich nur eine Ehre; denn die Sozietät soll den Kurfürsten nichts kosten, sie soll ihren eigenen Fonds haben, der lediglich aus bestimmten Privilegien bestehen soll, die der Kurfürst gewähren will, ohne dass es ihn mehr als Worte kostet, und folglich werden diese Einkünfte etwas ungewiss sein. Ich selbst werde ganz zufrieden sein, wenn ich die Ausgaben erstattet bekomme, die ich gelegentlich für das Gemeinwohl und für die Förderung der Wissenschaften tätige." Später wurden auch Frauen Mitglied der Societät: "Nun gibt es hier eine hochgelehrte Frau, die als Seltenheit gelten kann." Leibniz meint, er denke fast nur noch an das, "was zum Gedeihen der Wissenschaften beitragen kann." Er habe vom König das "Privileg zur Maulbeerzucht erhalten" und im vergangenen Jahr 12 Pfund "vorzüglicher Seide aus unseren eigenen Blättern machen lassen, und wir haben eine Million Bäume pflanzen lassen und auch mehrere Hecken, deren Blätter wir benutzen werden." [16]Bekannt ist, dass Leibniz sich mit den Wissenschaften, insbesondere der Philosophie auseinandergesetzt hat. Darüber hinaus beschäftigte er sich auch mit der Frage, wie man dem Stein der Weisen auf die Spur kommen könnte. Wenn "dieser gepriesene Stein, der allein alle Könige der Erde reich machen kann" (Molière) tatsächlich eine Art Universalheilmittel wäre, wie verbreitet wird, dann müsste man ihn zu recht sehr hoch schätzen. Doch bis er davon ganz überzeugt ist, wolle Leibniz als ungläubiger Thomas sprechen, schließlich könne es sich auch um eine gewaltige Narrheit handeln, "die die Schwäche des menschlichen Geistes und seine Fruchtbarkeit im Ersinnen schöner Hirngespinste aufs deutlichste kennzeichnet." [17] Als politischer Schriftsteller, äußert er sich auch über die Entwicklung in Russland. Er schreibt über "die Klugheit und das gute Benehmen des Zaren." Auch als er durch die schwere Niederlage am 30. November 1700 die russische Belagerung der schwedischen Festung Narwa beendete, interessierte ihn eigentlich nur Eines: "Was den gegenwärtigen Krieg betrifft, der kümmert ihn gar nicht, und er denkt ständig darüber nach, wie er seinen Staat zivilisieren kann", zum Beispiel durch Pflege der Wissenschaften. Die Frau des verstorbenen Zaren Iwans V. wolle ihre Töchter nach Deutschland schicken. "Man beabsichtigt, sie mit auswärtigen Fürsten zu verheiraten. [18] Die Vernachlässigung der Gesundheit musste man schon damals teuer bezahlen. Ähnlich wie heute kannte man für viele Krankheiten nur unzureichende schulmedizinische Methoden. Die Naturheilkunde und Bienentherapie war nur in Ansätzen bekannt. Leibniz litt an Harngries, weshalb er mit den "Überresten" seiner Gesundheit sorgsam umging: "In Verbindung mit anderen Beschwerden, an denen ich zeitweilig leide, lässt mich das daran denken, dass ich mit den Überresten meiner Gesundheit sorgsam umgehen muss, sofern dafür noch Zeit ist. Man vernachlässigt sich, während man bemüht ist, die anderen zufriedenzustellen, und erlebt zu seinem Missvergnügen, dass die Arbeit, die man geleistet hat, kaum in Betracht gezogen wird, wenn man nicht mehr in der Lage ist, sie mit gleicher Kraft fortzusetzen. Freilich habe ich immer gerne gearbeitet, und das hat mit die Arbeit leichter werden lassen. Doch am Ende wird man für diese Art von Unmäßigkeit noch bestraft." [19] Fakt ist, dass Leibniz in vielen Bereichen der Wissenschaft einen Dienst erwiesen und zum Beispiel "die wahrhafte Philosophie der unkörperlichen Substanzen begründet" hat. Andere wie der Cartesianer Cordemoy blieben darin "sehr im Unklaren" und sind - wie viele unserer heutigen Naturwissenschaftler - weit davon entfernt "die Vielfalt und das Ausmaß der Werke des unendlichen Urhebers zu erkennen, dessen Merkmale überall zu finden sind." Um die Unterteilung der Materie zu verstehen, muss man bedenken, "dass Gott in ihr schon so viel Ordnung und Verschiedenheit erzeugt hat, wie bisher darin eingeführt werden konnte, und dass so nichts unbestimmt geblieben ist. Dies lehrt die göttliche Vollkommenheit unseren Geist, und die Erfahrung durch die Sinne bestätigt es." Von solchen Einsichten sind unsere heutigen Genforscher und Mediziner allerdings weit entfernt, die nicht verstehen an was sie herumexperimentieren. Denn man kann folgern, dass die "Vielzahl der augenblicklichen Zustände die Anhäufung von unendlich vielen Lichtblitzen des Göttlichen ist, von denen jeder in jedem Augenblick eine Schöpfung oder Wiedererschaffung aller Dinge ist, da es eigentlich keinerlei fortwährenden Übergang von einem Zustand zum nächsten benachbarten gibt. Das bestätigt genau diese berühmte Wahrheit der Theologen und christlichen Philosophen, dass die Bewahrung der Dinge eine fortwährende Schöpfung ist, und bietet eine ganz besondere Möglichkeit, die Abhängigkeit aller zufälligen und veränderlichen Dinge von den unveränderlichen Göttlichen zu beweisen, das die ursprüngliche und absolut notwendige Substanz ist, ohne die nichts sein und dauern könnte. Das, so scheint es, ist der beste Gebrauch, den man von dem Wirrwarr von der Zusammensetzung des Beständigen machen kann, das bei den Philosophen so berühmt ist: Die Analyse der tatsächlichen Dauer der Dinge in der Zeit führt uns überzeugend auf die Existenz Gottes hin, so wie die Analyse der Materie, die sich gegenwärtig im Raum befindet, uns überzeugend auf die Einheiten der Substanz hinführt, auf die einfachen Substanzen, unsichtbar und unvergänglich, und folglich auf die Seelen oder die Prinzipien des Lebens, die unsterblich sein müssen und in der ganzen Natur verbreitet sind." [20] "Eine der größten Wohltaten, die Personen von hohem Rang tun können, ist es, Erleuchtung zu verbreiten, indem sie die Erforschung der Wundertaten Gottes fördern, die in der Natur erstrahlen. Das trägt auch zur Tugendhaftigkeit und zur Gesundheit bei, den zwei größten Gütern des Menschen." - Gottfried Wilhelm LeibnizEs gibt zwei Arten von Seelen, die gewöhnlichen Seelen und die vernünftigen Seelen, die bedenken, was sie tun. "Die gewöhnlichen Seelen verhalten sich rein nach dem Beispiel der Sinne, so wie die Empiriker; die vernünftigen Seelen aber untersuchen mit dem Verstand (wenn sie können), ob die zurückliegenden Beispiele auf den vorliegenden Fall anwendbar sind. Folglich können die Seelen der Tiere nicht zu notwendigen und allgemeinen Wahrheiten gelangen; so wie ein Empiriker sich niemals sicher sein kann, ob das, was ihm häufig gelungen ist, ohne das er die Ursache dafür wüsste, ihm wieder gelingen wird." [21] Die Grundlage der Computertechnologie, nämlich alles nur durch die Zahlen 0 und 1 auszudrücken, hatte schon Leibniz erfunden bzw. wiederentdeckt. "Ich glaube ich hätte diese Arithmetik als Erster ersonnen. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass man davon schon vor ungefähr viertausend Jahren etwas gewusst hat und dass ein gewisser Fohi, in uralter Zeit König und Philosoph in China, sie schon im Blick gehabt haben muss." Nur hatte er eine andere Schreibweise verwendet, nämlich - - und - statt 0 und 1. [22] Nach den großen Philosophen, so auch nach Leibniz, ist klar, dass die göttliche Kunstfertigkeit überall notwendig ist und angewandt wird; "Andernfalls hätten die Dinge nicht die Ordnung und Übereinstimmung und Vollkommenheit, die ihnen zukommen." Heute versuchen Gentechniker und Industrie davon abzuweichen, mit dem Erfolg, dass derartige Lebensmittel so vergiftet sind, dass sie als Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden können. Auch Freiheit und Unabhängigkeit werden durch die Philosophie von Leibniz wie von Aristoteles gesichert. Wenn man die Auffassung vertreten will, "dass die erste Materie eigentlich das ist, was es in der einfachen Substanz an Passivem gibt, und die Seele das ist, was es an Aktivem gibt, und dass schließlich die zweite Materie das ist, was sich daraus in den Massen oder Anhäufungen ergibt, dann will ich mit ihm darüber nicht streiten. Und ich habe keinerlei Neigung, mich ohne Not in die dornige Philosophie der Schulen zu vertiefen, sondern begnüge mich mit dem, was den Erfahrungen oder Phänomenen einigermaßen Genüge tut." [23] An Friedensverträgen hat Leibniz auf seine Art mitgewirkt. Er habe "auf diesen Frieden den Passus aus der Heiligen Schrift 'Der Friede Gottes welcher höher ist denn alle Vernunft' angewandt, und alle haben diese Anwendung gebilligt. Man hätte niemals gedacht, dass dieses Jahr, das schon so wunderbar ist, uns so etwas bis zuletzt aufgespart hat." [24] Nicht nur was seine
Akademie der Wissenschaften betrifft, vermeidet er unnütze Worte und
arbeitet für das allgemeine Wohl: "Ich arbeite grundsätzlich
für das allgemeine Wohl, ohne mich darum zu bekümmern, ob jemand
mir dafür dankt. Darin liegt, glaube ich, Nachahmung Gottes, der für
das Wohl des Universums Sorge trägt, ob die Menschen das anerkennen
oder nicht. Ich habe oft erlebt, dass Privatpersonen, die mir verpflichtet
waren, keine Dankbarkeit gezeigt haben, und das hat mich nicht abgebracht.
Noch weniger wird es mich davon abbringen, wenn die Öffentlichkeit,
die nicht unterrichtet ist, uns keinen Dank für unsere Bemühungen
zollt. ... Die Heilige Schrift verbietet uns unnütze Worte, und es
gibt kaum unnützere als die kalten Höflichkeitsbekundungen, mit
denen die Großen überhäuft werden." [25]
4. Die Religion muss nichts enthalten, was im Gegensatz zur Vernunft steht - es sei denn man hieße zum Beispiel Ibn-Rushd Abu I-Walid Muhammad (Averroes); setzen sich heutige "Leibniz-Preisträger" für die falschen Ziele ein?Seine Ideen hatte er schon 1695 veröffentlicht und sich damit gegen die Cartesianer gestellt, indem er sagte, dass die Tiere keine bloßen Maschinen seien, denn sie hätten Seelen, die ebenfalls unvergänglich seien. Natürlich gibt es Unterschiede zum Menschen: Er ist fähig, "notwendige und ewige Wahrheiten zu erkennen, welche Gegenstand der Wissenschaften sind." Normalerweise verfügt er über "Reflexion und denkt an das, was Ich genannt wird, was die Dauer oder moralische Identität einer Person bewirkt." Die Beschaffenheit der Menschen habe eine derartige Herabsetzung, wie sie beispielsweise von Lois des Bans, Jacques Esprit oder Machiavelli beschrieben wird, nicht verdient. "Ich glaube sogar, dass es heißt, Gottes Güte uns gegenüber zu verkennen, wenn man uns als so schlecht und nichtswürdig darstellt." [26]Leibniz war überzeugt, "dass die Religion nichts enthalten muss, was im Gegensatz zur Vernunft steht, und dass man der Offenbarung immer einen Sinn beilegen muss, der sie von jeglicher Absurdität ausnimmt." Er findet, dass die Menschen "recht oft ihre Vernunft nicht genügend benutzen, um den Urheber der Vernunft gründlich zu erkennen und zu ehren." Er meint wir bräuchten "Missionare der Vernunft in Europa, die die natürliche Religion predigen, auf der die Offenbarung selbst begründet ist und ohne die die Offenbarung immer falsch aufgefasst werden wird." Heute setzen sich "Leibniz-Preisträger" für die falschen Ziele ein, nämlich die "Etablierung des islamischen Religionsunterrichts und der Lehrstühle für islamische Theologie." Dabei hat sich Leibniz immer für die "Religion der Vernunft" eingesetzt; im Gegensatz zu Mohammed sei "Jesu Christi Ziel es gewesen, ihr ihren Glanz wiederzugeben, die Menschen zur wahren Kenntnis Gottes und der Seele zurückzuführen." Leider gebe es einige christliche Theologen, die sich von diesen Gedanken entfernen. "Es gibt welche, die wollen, dass eine Lehre ganz absurd erscheine, um Glauben zu verdienen, und das nennen sie Triumph des Glaubens.... Manche tun es aus Schlichtheit und erkennen nicht die Auswirkung. Das ist die Menge der Theologen, und diese Menge ist weit verbreitet." [27] Aristoteles wurde bereits von Thomas von Aquin aus den Händen des islamischen Averroës gerettet; diese Arbeit wurde von Leibniz und Anderen wie dem Italiener Fortunius Licetus fortgeführt. Die Philosophenschulen, die die von Leibniz und anderen Idealisten angenommenen Übereinstimmung des Glaubens mit der Vernunft bekämpften, nannte man Averroisten. Sie meinten, die Seele sei vergleichbar mit einem Tropfen, der sich nach dem Tod im Ozean verliert. "Diese schlechte Leere ist sehr alt und geeignet, die Laien zu verblenden." Die Averoisten hielten die menschliche Seele nach philosophischen Prinzipien für sterblich. Vergleichbar ist diese Ansicht mit der der "Einseelen-Anhänger", wie sie bei persischen, vor allem islamischen Gelehrten, und "im Reiche des Großmoguls" vertreten wird. Später wird sie von Spinoza und den Quietisten aufgegriffen, die eine "sehr weitgetriebene Vernichtung unserer individuellen Eigentümlichkeit" annehmen. "Alles sei auf das Nichts als das erste Prinzip aller Dinge zurückzuführen. Das war, wie mir scheint, noch schlimmer als die Meinung der Averroisten. Beide Lehren sind unhaltbar, ja ungereimt." Die gesamte materialistische Philosophie, wie auch heute noch verbreitet ist, wurde averroistisch. "Es ist schon möglich, dass es Atomisten gibt, die Lust hätten als Averroisten zu lehren, wenn die Verhältnisse es gestatteten." Früher durften sie an Universitäten nicht lehren, heute gibt es fast nur noch Averroisten an Universitäten, die als Naturwissenschaftler die Studenten in die Irre führen. Über die Meinung des Averroës, der die Philosophie des Aristoteles verfälscht hat [28]: "Ich finde, daß die meisten, welche sich zu den Lehren der Mathematik hingezogen fühlen, eine Abneigung gegen die Metaphysik hegen, weil sie bei jenen Licht, bei dieser dagegen Dunkelheit wahrnehmen. Der Hauptgrund für diese Erscheinung ist meines Erachtens der, daß die allgemeinen Begriffe, die von allen für am meisten bekannt angesehen werden, infolge der Oberflächlichkeit und Unbeständigkeit der Menschen im Denken zweideutig und unklar gemacht worden und daß die davon gegebenen Definitionen nicht einmal Nominaldefinitionen sind und daher nichts erklären. Dies Übel hat sich unzweifelhaft auch in die übrigen Wissenschaften eingeschlichen, die jener ersten und aufbauenden untergeordnet sind. Daher haben wir statt klarer Definitionen kleinliche Unterscheidungen, statt wahrhaft umfassender Axiome topische Regeln, die häufiger durch Gegengründe entkräftet als durch Beispiele bestätigt werden. Und dennoch wenden die Menschen die metaphysischen Ausdrücke infolge einer gewissen Notwendigkeit allenthalben an und schmeicheln sich mit dem Glauben, das zu verstehen, was sie auszusprechen gelernt haben. In Wahrheit aber sind offenbar die wahren und ergiebigen Begriffe nicht bloß der Substanz, sondern auch der Ursache, der Tätigkeit, der Beziehung, der Ähnlichkeit und vieler anderer allgemeiner Ausdrücke gewöhnlich unbekannt. Daher darf es denn niemand wundernehmen, daß jene Hauptwissenschaft, die unter dem Namen der ersten Philosophie auftritt und von Aristoteles die ersehnte oder gesuchte genannt ward, noch heute zu den gesuchten gehört. Allerdings sucht Platon in seinen Dialogen aller Arten den Inhalt der Begriffe auf, und das nämliche tut Aristoteles in der sogenannten Metaphysik, viel aber scheint das nicht genützt zu haben. Die spätem Platoniker verfielen darauf, seltsame Erdichtungen vorzutragen, und den Aristotelikern, namentlich den Scholastikern, lag mehr daran, Fragen aufzuwerfen, als sie zu lösen. In der Neuzeit haben zwar etliche ausgezeichnete Männer ihre Gedanken auch auf die erste Philosophie gerichtet, aber bis jetzt ohne sonderlichen Erfolg. Daß Descartes manches Vortreffliche vorgebracht, durch Ablenkung des Geistes vom Sinnlichen besonders das Studium Platons in gehöriger Weise wieder ins Leben gerufen und sodann mit Nutzen vom Zweifel der Akademie Gebrauch gemacht hat, kann allerdings nicht bestritten werden; allein infolge einer gewissen Unbeständigkeit oder einer Willkür im Behaupten ist er bald vom Ziele abgewichen, hat das Gewisse nicht vom Ungewissen unterschieden und daher die Natur der körperlichen Substanz verkehrterweise in die Ausdehnung gesetzt, auch von der Verbindung zwischen Seele und Körper keine richtigen Begriffe gehabt. Die Ursache von alledem war, daß er das Wesen der Substanz im Ganzen genommen nicht erfaßt hatte, denn er war sprungweise zur Lösung der schwierigsten Fragen vorgeschritten, ohne die darin enthaltenen Begriffe klargelegt zu haben. Wie sehr daher seine metaphysischen Betrachtungen der Gewißheit entbehren, erhellt aus nichts mehr als aus der Schrift, in der er dieselben auf Anraten Mersennes und anderer vergeblich in ein mathematisches Gewand zu kleiden versucht hat. Auch andere, durch Scharfsinn ausgezeichnete Männer, haben sich mit der Metaphysik befaßt und einiges tief erwogen, es aber so in Dunkelheiten eingehüllt, daß sie mehr zu weissagen als zu beweisen scheinen. Mir scheint nun aber gerade in der Metaphysik mehr Klarheit und Gewißheit nötig zu sein als in der Mathematik, weil die mathematischen Dinge ihre Proben und Beweise in sich tragen, was die Hauptursache ihres Erfolges ist, während man in der Metaphysik dieses Vorteils entbehrt. Daher ist bei dieser ein ganz besonderes Verfahren beim Aufstellen der Sätze und gleichsam ein Faden im Labyrinthe nötig, mit dessen Hilfe die Fragen, nicht weniger als bei der Methode des Euklid, völlig rechnungsmäßig gelöst werden, wobei indessen die Klarheit in acht genommen werden muß, die den landläufigen Redensarten keine Zugeständnisse macht." - Gottfried Wilhelm Leibniz 5. Leibniz als Berater des Zaren Peter der Große in Sachen Wissenschaften und Rechtswesen, "Eine Unternehmung ganz im Stile der alten Ritter der Tafelrunde": gegen Türken und den König von SchwedenEin geflügeltes Wort damals war: "Wenn die Türken und der König von Schweden nicht schrecklicher sind." Nachdem König Karl XII. infolge seiner Niederlage gegen Truppen Peters des Großen bei Poltawa 1709 der Rückweg nach Schweden abgeschnitten war, hielt er sich unter türkischem Schutz in Bender auf und bemühte sich, die Pforte zum Krieg gegen Russland zu bewegen. Leibniz urteilte über den schwedischen König: "Dieser Fürst ist immer eigensinnig, und sein Volk macht sich immer etwas vor. Das könnte sie noch in größere Schwierigkeiten bringen ... dieser Fürst will Alexander sein oder nichts." Die Heilige Allianz (Österreich, Polen, Venedig, Russland) unter dem Protektor Papst Innozenz XI. schlug die Türken - trotz der Angriffe Ludwigs XIV. im Westen, nachdem sie bis nach Wien (1683) gelangt waren, vernichtend zurück. Türkensieger sind Maximilian II. , Emanuel von Bayern und Ludwig von Baden ("Türkenlouis"). 1686-97 werden Ungarn und Belgrad von den Türken befreit. 1691 wird Siebenbürgen befreit. 1696 erobert Zar Peter I. das von Türken besetzte Asow. 1697 wird Prinz Eugen von Savoyen (1663-1736) Oberbefehlshaber des kaiserlichen Heeres. Der Großneffe Mazarins ist seit 1683 in österr. Dienst, nachdem er von Ludwig XIV. seiner kleinen Gestalt wegen abgewiesen worden war. 1697 schlägt Prinz Eugen von Savoyen die Türken vernichtend bei Zenta und erobert Sarajewo. 1716-18: Im 3. Türkenkrieg siegt Prinz Eugen bei Peterwalden, Temesvar und Belgrad. 1700-40 Feldherr und führender Staatsmann der neuen Großmacht ist Prinz Eugen. Wien wird politischer, wirtschaftlicher und kultureller Mittelpunkt des Reiches. Die Grundlagen für den wissenschaftlichen Aufschwung legt Leibniz. "Das sogenannte Einrichtungswerk (1689) schafft die Voraussetzung zur Kolonisation der durch die Türkenherrschaft entvölkerten Donau-Gebiete." Leibniz schlägt ein Dreierbündnis vor zwischen Deutschland, dem Kaiser und dem Zaren. Der Kaiser könne die Truppen und der Zar die Flotte stellen. "Das wäre eine Unternehmung ganz im Stile der alten Ritter der Tafelrunde, die für die Damen kämpfen." [29]1712 wird Leibniz Berater des Zaren Peter der Große in Sachen Wissenschaften und Rechtswesen. Der Zar hat gewünscht, "ich solle nach Karlsbad reisen, während er dort sei... der Zar hat mir nämlich durch seinen Großkanzler Graf Golovkin sagen lassen, ich solle die Gesetze verbessern und Verordnungen für das Rechtswesen und die Justizverwaltung vorschlagen." Leibniz war am 11. November 1712 zum russischen Geheimen Justizrat mit Auftrag zur Pflege der mathematischen und anderer Wissenschaften ernannt worden. Er begleitete den Zaren über Tepliz bis Dresden. "Nachdem ich dem Zaren meine Aufwartung gemacht hatte, die sehr zu meiner Zufriedenheit verlief, habe ich Nachricht aus Wien, dass ich nicht übel handelte, wenn ich das auch beim Kaiser täte, nachdem ich den Weg schon zur Hälfte zurückgelegt hätte. Der Kaiser ist sehr geneigt die Wissenschaften zu fördern... Er denkt ernsthaft daran, die Gelehrsamkeit und die guten Wissenschaften zu fördern, und sieht ein, dass es daran fehlt.... Der Kaiser hat mir die Auszeichnung erwiesen, mir in seinen Privaträumen Audienz zu geben, so wie einem seiner Minister und wie Personen mit besonderem Zutritt." Kaiser Karl VI. berief Leibniz in den Reichshofrat; zudem wurde er erster Präsident oder Direktor der von ihm organisierten Sozietäten / Akademien in Berlin (1700), Dresden (1704) und Wien (1713). Leibniz verbrachte etwa 40 Jahre im Dienst des Welfenhauses in Hannover; zuerst unter Herzog Johann Friedrich als Bibliothekar und Hofrat; dann als Histograph des Welfenhauses unter dem Kurfürsten Ernst August, der ihn 1696 zum Geheimen Justizrat ernannte; in gleicher Funktion unter dem Kurfürsten Georg Ludwig, seit 1714 auch als Georg I. König von England. Den Titel eines Geheimen Justizrats verliehen ihm auch der brandenburgische Kurfürst Friedrich III. und wie schon erwähnt Zar Peter I. [30] Überall mussten
Türken und Tataren bekämpft werden. Leibniz schreibt: "General
Steinville hat aus Transsilvanien gemeldet, dass 40 000 Tataren auf dem
Marsch seien, um in Polen einzudringen." Womöglich sei auch der König
von Schweden daran beteiligt. "Es heißt auch, der Zar werde in Deutschland
bleiben, und der König von Polen werde sowohl die Truppen des Zaren
als auch seine eigenen gegen die Türken kommandieren." Leibniz sieht
beim Zaren Zeichen dafür, "dass er den Türkenkrieg nicht fürchtet."
Auch der Kaiser "braucht alle guten Eigenschaften, die er besitzt, um seinen
guten Ruf und den des Reiches zu behaupten oder vielmehr Deutschland und
sogar Europa vor einer drohenden Gefahr zu retten." [31]
6. Leibnitz' neues Buch, "Essais de Théodicée" - Manche schreiben: "Sie haben ein Wunder gewirkt, indem sie ein Buch geschrieben haben, das allen Christen gefällt." - so wurde die Religion der Weisen zu derjenigen der ganzen Völker - im Gegensatz zum "fatum mahumetanum"Leibnitz' neues Buch, "Essais de Théodicée" wird von den meisten Zeitgenossen "für ziemlich erbaulich gehalten, sogar in England." Manche schreiben: "Sie haben ein Wunder gewirkt, indem sie ein Buch geschrieben haben, das allen Christen gefällt." Da in dem Buch Raimundus Lullus getadelt wird, erklären seine Anhänger ihm zugunsten von Lull den Krieg und wollen ihn widerlegen. Lull gehörte dem Orden der Franziskaner an, die an der Auslöschung des Templerordens beteiligt waren. Leinbniz über Lull: "Gewiss ist wenigstens, dass er eine Kunst geliefert hat, betitelt die große Kunst, die dazu nützt, über alles weitläufig zu reden: Doch meiner Ansicht nach nützt sie mehr dazu, die Dinge oberflächlich zu behandeln als sie zu vertiefen." [32]Wie allen großen Philosophen ging es Leibniz um eine Art Erziehung des Menschengeschlechts. "Das war das Ziel von Moses und anderer guter Gesetzgeber, der weisen Begründer der religiösen Orden und vor allem das von Jesus Christus, dem göttlichen Begründer der reinsten und aufgeklärtesten Religion... erst Jesus Christus zeigte die vollen Konsequenzen dieses Standpunktes und lehrte erkennen, wie Gottes Güte und Gerechtigkeit in dem, was er den Seelen zuteil werden läßt, sich vollkommen offenbart... Ihm allein gelang das, was so viele Philosophen vergebens versucht hatten, und da die Christen schließlich die Oberhand in dem römischen Reiche gewannen, das damals den besten Teil der bekannten Erde beherrschte, so wurde die Religion der Weisen zu derjenigen der ganzen Völker." Mohammed war nach Leibniz weder weise noch in der Lage das Christentum zu verstehen, aber immerhin gesteht er ihm und seinen Anhängern zu, in einer ganzen Reihe von Ländern die heidnischen Formen des Aberglaubens abgeschafft zu haben - natürlich mit dem Nachteil, dass sie das "fatum mahumetanum", also "die Meinung, welche die Mohammedaner vom Geschicke hegen", die faule Vernunft, "die ein richtiger Trugschluss ist", verbreiteten und damit einen Irrtum durch einen anderen ersetzten. "So haben bisweilen selbst die Irrtümer ihren Nutzen, aber doch gewöhnlich nur, um anderen Irrtümern abzuhelfen, und so ist, absolut gesprochen, doch die Wahrheit besser." Man müsse Menschen, heute vor allem Muslime, von ihren falschen Vorstellungen abbringen, "als ob Gott ein absoluter Fürst sei, nach Wilkür verfährt und wenig geeignet und würdig ist, geliebt zu werden." [33] "So habe ich oft junge, aufgeweckte Leute, die ein wenig die Geistreichen spielen wollten, sagen hören, es sei unnütz, die Tugend zu pflegen, das Laster zu tadeln ... da man ja doch vom Buche des Geschickes sagen könne, dass das, was geschrieben, geschrieben ist, und dass unser Benehmen daran nichts ändern kann, so dass es das beste ist, seiner Neigung zu folgen und sich nur mit demjenigen zu beschäftigen, was uns gegenwärtig zu befriedigen mag. Sie dachten dabei nicht an die eigenartigsten Folgen dieses Arguments, das zuviel beweisen würde, würde es doch zum Beispiel beweisen, dass man ein angenehm schmeckendes Getränk zu sich nehmen muss, auch wenn man wüsste, dass es vergiftet ist... infolgedessen kann ich ungestraft meiner Neigung folgen, das mir Angenehme zu mir zu nehmen, mag es auch noch so verderblich sein, was doch eine offenbare Absurdität bedeutet." - Gottfried Wilhelm LeibnizLeibniz meint, "fast zu allen Zeiten haben sich die Leute durch ein Sophisma blenden lassen, das man im klassischen Altertum als das der faulen Vernunft bezeichnete, weil es darauf hinauslief, nichts zu tun oder doch zum mindesten, sich um nichts zu kümmern und dem Hange der gegenwärtigen Freuden des Lebens zu folgen. Denn, so pflegte man's auszudrücken, wenn das Zukünftige notwendig eintrifft, so wird das Notwendige eintreffen, gleichgültig, was ich tue." Die falsch verstandene Idee von der Notwendigkeit hat das aufkommen lassen, was man als "fatum mahumetanum" oder Türkenglaube zu bezeichnet pflegt. Manche Leute verwenden auch die Faule Vernunft, wenn es sich darum handelt, seine Gesundheit und selbst sein Leben durch ein gesundes Leben zu erhalten. Wenn man ihnen einen Rat darüber gibt, so antworten sie sie recht oft, unsere Tage seien doch gezählt und es nütze nichts, gegen das ankämpfen zu wollen, was Gott uns zugedacht hat. "Und dann laufen dieselben Leute hinter den lächerlichsten Heilmitteln her, wenn das Übel, dass sie bis dahin vernachlässigt, bedrohlich näher rückt." Diese Faulheit war früher zum Teil die Quelle der abergläubischen Praktiken der Zauberer - heute sind es die Praktiken der mechanistischen Schulmediziner, "auf die die Leute geradeso leicht wie auf den Stein der Weisen hereinfallen, weil sie abgekürzte Wege haben möchten, um dem Glück mühelos die Hand zu reichen." [34] "Wie sehr auch die große Menge der Modernen die Aristotelische Logik verachtet: diese Logik enthält trotzdem unfehlbare Mittel, um bei solchen Gelegenheiten sich vor Irrtum zu hüten." - Gottfried Wilhelm LeibnizIm Grunde genommen kann keine Wahrheit einer anderen widersprechen und "das Licht der Vernunft ist ebenso ein Geschenk Gottes wie das Licht der Offenbarung." Nicht nur das Beispiel des Islams, beispielsweise wie heutige christliche Würdenträger damit umgehen, zeige "wie ungenau wir denken und wie oft wir zu Handlangern unserer Irrtümer werden." Diese Leute verwirren sich durch zweideutige und doppelsinnige Ausdrücke, unterstreichen ihre Gelehrsamkeit, fast hat es den Anschein "als hassten sie die bloße Wahrheit, vielleicht weil sie befürchten, diese sei weniger angenehm als der Irrtum. Und dies geschieht, weil ihnen die Erhabenheit des Schöpfers aller Dinge, der Quell aller Wahrheit, unbekannt ist." [35] "Denn die wahre Religion muss Eigenschaften haben, die den falschen Religionen abgehen; sonst würden ja Zoroaster, Brahma, Somonokhadon und Mohammed ebensoviel Glauben verdienen wie Moses und Jesus Christus.." - Gottfried Wilhelm LeibnizDie Kirchenväter haben bei ihren Erörterungen "keineswegs einfach die Vernunft verworfen." Bei ihren Disputen mit den Heiden bemühen sie sich gewöhnlich aufzuzeigen, "wie sehr das Heidentum der Vernunft widerspricht und wie sehr die christliche Religion ihm in dieser Hinsicht überlegen ist." Origenes meinte zum Beispiel, "die Vernunft ist weit entfernt davon, zum Christentum in Gegensatz zu stehen, sie bildet vielmehr die Grundlage dieser Religion und bekehrt alle zu ihm, die fähig sind, in eine Untersuchung einzutreten... Wäre es möglich, dass alle Menschen unter Vernachlässigung der täglichen Beschäftigungen sich dem Studium und dem Nachdenken hingäben, so bräuchte man keinen anderen Weg zu suchen, um sie zur Annahme der christlichen Religion zu bewegen." Auch Augustinus ist ähnlicher Ansicht, er meint die gewünschte Lösung sei einem heiligen, gottbegnadeten Manne vorbehalten. Luther spricht von einer himmlischen Akademie. [36] "Ich aber glaube ganz im Gegenteil, man muss hierin ein Zeichen der Kraft des Menschengeistes erblicken, welche ihn in das Innere der Dinge eindringen lässt." - Gottfried Wilhelm LeibnizAls Empiriker können wir uns natürlich irren, aber wenn unser Urteilsvermögen genau den Denkgesetzen entsprechend gebraucht wird, können wir zur Wahrheit durchdringen. "Versteht man unter Vernunft ganz allgemein die Fähigkeit, schlecht und recht zu räsonieren, dann gebe ich zu, sie vermag uns zu täuschen und täuscht uns auch wirklich." Descartes, Bayle und später Kant sprechen von Grenzen der Erkenntnis oder davon, man müsse "seinen Verstand dem Glaubensgehorsam opfern." Leibniz findet dieses Räsonnnement kraftlos. Heraus käme nur leeres oder sinnloses Gerede, wie Clemens Alexandrinus es nennen würde. Die scharfsinnigsten Menschen können sich irreleiten lassen. "Dieser Satz des Herrn Descartes, an dem seine Schüler (die überhaupt selten an seinen Aufstellungen zweifeln) festhalten, erschien mir immer sonderbar." [37] "Die völlig verworren gewordenen Vorstellungen aber müssen sich aus Gründen, die ich sogleich anführen werde, bei den Geschöpfen wieder entwirren. Daher muss man zwischen der Vorstellung, welche der innere, die Außendinge darstellende Zustand der Monade ist, und der Anschauung unterscheiden, welche das Bewusstsein oder das auf diesen innern Zustand bezügliche Wissen ist, welches weder allen Seelen noch derselben Seele immerwährend verliehen ist. Weil die Cartesianer diesen Unterschied nicht machten, fehlten sie, indem sie die Vorstellungen, welche man nicht wahrnimmt, für nichts rechneten, wie das Volk die nicht in die Sinne fallenden Körper für nichts rechnet. Das brachte auch die Cartesianer zu dem Glauben, daß nur die Geister Monaden seien und daß es keine Tierseelen und noch weniger andere Lebensprinzipien gäbe. Wie sie aber einerseits die allgemeine Ansicht allzusehr vor den Kopf stießen, indem sie den Tieren die Empfindung absprachen, so bequemten sie sich andererseits allzusehr den Vorurteilen der Menge an, indem sie eine lange Betäubung, die einer großen Verworrenheit der Vorstellungen entspringt, mit dem eigentlichen Tode verwechselten, bei dem alles Vorstellen aufhören würde, was dann die unbegründete Ansicht von der Vernichtung gewisser Seelen und die gottlose Anschauung einiger angeblicher Freigeister, welche die Unsterblichkeit der menschlichen bestritten, befestigt hat. In den Vorstellungen der Tiere besteht eine Verknüpfung, die einige Ähnlichkeit mit der Vernunft hat; dieselbe beruht jedoch einzig auf der Erinnerung an das Geschehene und nicht auf der Kenntnis der Ursachen. Daher flieht ein Hund den Stock, mit dem er geschlagen wurde, weil das Gedächtnis ihm den Schmerz vorstellt, den dieser Stock ihm verursacht hat. Auch die Menschen handeln, soweit sie blind der Erfahrung folgen, also bei drei Vierteln ihrer Handlungen, nur wie Tiere. So erwartet man z. B., daß es morgen Tag werden wird, weil man es immer durch die Erfahrung so erprobt hat. Nur der Astronom sieht es aus Gründen voraus, und sogar diese Vorhersagung wird schließlich fehlschlagen, wenn die Ursache des Tages, die nicht ewig ist, aufhört. Der wahrhafte Vernunftgebrauch aber hängt von ewigen oder notwendigen Wahrheiten, wie denen der Logik, der Zahlenlehre, der Geometrie ab, welche die unzweifelhafte Verbindung der Begriffe und die untrüglichen Schlußfolgerungen bilden. Die Geschöpfe, bei denen sich diese Schlußfolgerungen nicht zeigen, heißen Tiere, während diejenigen, welche diese notwendigen Wahrheiten kennen, im eigentlichen Sinne vernünftige Geschöpfe und ihre Seelen Geister genannt werden. Diese Seelen haben die Fähigkeit, Akte der Selbstbetrachtung vorzunehmen und das, was man Ich, Substanz, Monade, Geist nennt, kurzum die Dinge und die geistigen Wahrheiten zu betrachten, und eben das macht uns für die Wissenschaften oder beweisbaren Kenntnisse geeignet." - Gottfried Wilhelm Leibniz "Aus der höchsten Vollkommenheit Gottes folgt, dass er bei Hervorbringung des Universums den besten möglichen Plan gewählt hat, in welchem sich die größte Mannigfaltigkeit mit der größten Ordnung vereint, Ort, Raum und Zeit am besten ausgenutzt, die größte Wirkung auf den einfachsten Wegen hervorgebracht und bei den Geschöpfen die meiste Macht, das meiste Wissen, das meiste Glück und die meiste Güte findet, welche das Universum fassen konnte. Denn da im Verstande Gottes alle Möglichkeiten nach Maßgabe ihrer Vollkommenheiten nach dem Dasein streben, so muß die bestehende Welt als das Ergebnis aller dieser Bestrebungen die vollkommenste sein, welche möglich ist. Auch würde man ohne dies nicht begründen können, warum die Dinge gerade so gemacht worden sind und nicht anders. Namentlich hat die höchste Weisheit Gottes ihn zur Erwählung der Gesetze der Bewegung veranlasst, die am besten eingerichtet und den abstrakten oder metaphysischen Gründen am meisten angemessen sind. Es erhält sich danach die nämliche Menge der gesamten und unbedingten Kraft oder der Wirksamkeit, die nämliche Menge der bezüglichen Kraft oder der Rückwirksamkeit und endlich die nämliche Menge der richtenden Kraft. Ferner ist die Wirksamkeit immer gleich der Rückwirksamkeit und die Gesamtwirkung immer ihrer Gesamtursache gleichwertig. Es ist auffallend, dass man aus der bloßen Betrachtung der bewirkenden Ursachen oder des Stoffs diese Gesetze, die erst in unserer Zeit entdeckt sind und von denen ein Teil von mir selbst aufgefunden ist, nicht zu begründen vermag. Ich habe nämlich gefunden, dass man die Endzwecke zu Hilfe nehmen muss und dass diese Gesetze nicht wie die logischen, arithmetischen und geometrischen Wahrheiten vom Prinzipe der Notwendigkeit, sondern vom Prinzipe der Angemessenheit, d. h. von der Wahl der Weisheit, abhängen. Für diejenigen, welche tiefer in die Dinge einzudringen vermögen, ist dies einer der stärksten und eindringlichsten Beweise für das Dasein Gottes." - Gottfried Wilhelm LeibnizLeibniz nahm die Dinge mit Humor und meinte, wir leben in der bestmöglichen aller Welten; wer das nicht einsähe, dem fehle es an Achtsamkeit - ähnlich wie unsere heutigen Achtsamkeitsapostel es lehren, nur dass heute die Achtsamkeit gelehrt wird, damit noch effektiver "Business as usual" stattfinden kann. Leibniz bewundert die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Körpers angesichts des heutigen Lebensstils: "Ich wundere mich nicht, die Menschen zuweilen krank zu finden, wohl aber erstaune ich, dass sie dies so selten, ja dass sie es nicht ständig sind." [38] "Sagt man, die Übel seien bedeutend und ihre Zahl sei groß, verglichen mit den Gütern, dann täuscht man sich. Nur aus Mangel an Achtsamkeit verkleinern wir unsere Güter, und es bedarf einiger Übel, um diese Achtsamkeit in uns wach werden zu lassen. Wären wir für gewöhnlich krank und selten bei guter Gesundheit, dann würden wir die Größe dieses Gutes wunderbar schätzen und unsere Leiden weniger beachten... Leute, die Humor genug besitzen, Natur und Schicksal zu loben, statt sich darüber zu beklagen, selbst wenn sie nicht besonders gut abgeschnitten haben, sind, so dünkt mich, den anderen vorzuziehen." - Gottfried Wilhelm LeibnizWie Origenes war Leibniz der Ansicht, das Gute werde zu seiner Zeit vollständig die Oberhand gewinnen. Viele seiner Zeitgenossen haben das Prinzip seiner Harmonie übernommen, auch wenn Leibniz Einigen, die sich für die Partei des Origines erklärten und "mit großem Scharfsinn ihrer Sache angenommen" haben, wie Le Clerc, nur bedingt folgen wollte. Denn es ging um eine "astronomische Theologie" oder heute würde man sagen, eine Theorie, die Ähnlichkeit mit Rudolf Steiner's Kosmologie hat. "Die gegenwärtige Unordnung dieser Welt hier unten habe begonnen, als der dem Erdball vorstehende Engel, während dieser Erdball noch eine Sonne war (d.h. ein selbstleuchtender Fixstern) zusammen mit mehreren niederen Engeln seines Bezirks eine Sünde beging, vielleicht durch eine unangebrachte Auflehnung gegen den Engel einer größeren Sonne; und dass unsere Erde gleichzeitig infolge einer prästabilisierten Harmonie zwischen den Reichen der Natur und der Gnade, somit aus natürlichen, sich daraus herleitenden Gründen, mit Flecken bedeckt, verdunkelt und von ihrem Platze vertrieben worden sei, was zur Folge hatte, dass sie zu einem herumirrenden Stern oder Planeten, d.h. zum Sateliten einer anderen Sonne wurde, vielleicht gerade der Sonne, deren Vorrang der Engel nicht anerkennen wollte; und dass hierin der Sturz des Luzifers besteht... Da sei Jesus Christus zur Rettung der Menschen erschienen." Leibniz meinte schon damals, "Heutzutage aber muss man, welche Grenzen man dem Weltall zu- oder abspricht, anerkennen, dass es unzählige Erden gibt, von derselben und noch größerer Ausdehnung als die unsrige." [39] Seit Augustinus hat es in den Schulen für Aufregung gesorgt, dass "das Übel nur eine Beraubung des Seins ist, während die Tätigkeit Gottes auf etwas positives gerichtet ist." Platon, Augustinus und die Scholastiker hielten Gott für die Ursache der Materie des Bösen, die etwas positives darstellt. "Was die Kraft der Materie, das ist der Geist dem Fleische." Besitzt der Handelnde kein Urteilsvermögen, so gibt es keine Freiheit, die Seele wird zum willenlosen Verstand und das Resultat wäre, dass man "einer absurden und unerträglichen sklavischen Notwendigkeit, d.h. dem fatum mahometanum verfiele: und dies ist das Schlimmste von allem, da es Voraussicht und Überlegung zuschanden macht." Dies zeigt auch das Beispiel des Brüsseler Prozesses gegen acht islamisch-arabische Prinzessinnen, die Dienst- und Kindermädchen als Sklavinnen behandelt haben. Das sogenannte faule Sophisma, "man solle sich um nichts bekümmern, mag vielleicht zuweilen nützlich sein, um gewisse Leute anzustacheln, sich blindlings in Gefahr zu begeben, was man besonders von den türkischen Soldaten gesagt hat." In islamischen Ländern wird dadurch verhindert, dass die Menschen sich ein Urteilsvermögen aneignen, damit sie zu willenlosen Werkzeugen der islamistischen Politiker werden. Der freie Wille hält am Prinzip des zureichenden Grundes fest. Zur Erhaltung der Freiheit genügt es, dass dieser Grund antreibt, ohne zu zwingen. "Dies ist auch die Ansicht aller alten Philosophen, des Platon, des Aristoteles, wie auch des heiligen Augustinus." [40] Nicht nur die Ansichten islamischer Philosophen wie Averroes sondern auch die Wiclifs, Hobbes' und Spinozas rechtfertigen das faule Sophisma. "Ich bin weit entfernt von den Ansichten Bradwardines, Wiclifs, Hobbes' und Spinozas, die, so scheint es, jene völlig mathematische Notwendigkeit lehren und die von mir, wie ich glaube, genügend widerlegt worden sind, vielleicht deutlicher als man es gewöhnlich tut." [41] Leibniz meint, die Zufälle, in denen wir uns trotz unseres Willens befinden, hätten einen nur zu großen Anteil an dem, "was den Menschen Seligkeit verleiht oder ihnen nimmt. Nehmen wir zwei polnische Zwillinge, von denen einer von den Tataren gefangen, an die Türken verkauft, zum Abfall gebracht und in Gottlosigkeit gestürzt, verzweifelt stirbt, während der andere dank irgendeines Zufalls gerettet wird, von da an in gute Hände fällt, richtig erzogen wird, in die tiefsten Wahrheiten seiner Religion eindringt, die gebotenen Tugenden erfüllt und mit den Anschauungen eines guten Christen stirbt." Einige Theologen glauben, Gott biete den ihm geringeren Widerstand Leistenden größere Gnaden auf eine günstigere Weise an und "überlasse die anderen ihrer Halsstarrigkeit". Allerdings sei dies schwer zu erkennen; schließlich ist er auch in der Lage den hartnäckigsten Widerstand zu brechen. "Der heilige Paulus scheint den nämlichen Gedanken gehabt zu haben, als er sich hierfür als Beispiel hinstellte. Gott, sagt er, hat mir Barmherzigkeit erwiesen, um mit ein großes Beispiel seiner Geduld zu geben." [42] Im Gegensatz zu Spinoza hält Leibniz am freien Willen fest: "Verlangt man von Gott, er solle den Kreaturen keinen freien Willen geben, so verlangt man, diese Kreaturen sollen überhaupt nicht existieren." Man könne mit einer gewissen Berechtigung sagen, dass Gott diesen Kreaturen die Fähigkeit mitgegeben habe, "sich stets ihres freien Willens richtig zu bedienen, denn diese Fähigkeit wird dargestellt durch das natürliche Licht der Vernunft." Aber zu sagen, Gott versäume es, die Menschen glücklich zu machen und ihnen von Anfang an das Gute ohne jegliches Übel zu verabreichen, oder zu sagen, ihm gebreche es an gutem Willen, das Gute rein und vollkommen zu erstatten, "das hieße unseren wirklichen Gott mit dem Gotte Herodots, dem neiderfüllten, zu vergleichen" oder mit einem Dämon (islamischer Gott). "Übrigens hat man auch durchaus keinen Grund, sich darüber zu beklagen, dass man nur durch Leiden zum Heile zu gelangen pflegt und das Kreuz Jesu Christi tragen muss; denn diese Übel dienen dazu, die Erwählten zu Nachfolgern ihres Heilands zu machen und vergrößern ihr eigenes Glück." Die Weisheit müsse mannigfaches schaffen. Ein und diesselbe Sache, mag sie auch noch so edel sein, vervielfachen, das wäre Überfluß und damit eine Art Armut, wie sie heute bei den arabischen Scheichs anzutreffen ist. "Nur diamantene Knöpfe tragen, Rebhühner verzehren, Ungar- und Schraswein trinken, könnte man das als vernünftig bezeichnen? Die Natur brauchte Tiere, Pflanzen, unbeseelte Körper; Wunder gibt es unter diesen nicht mit Vernunft begabten Geschöpfen, die der Vernunft zur Übung dienen." Der Gegenstand Gottes habe etwas Unendliches an sich; seine Sorge erstrecke sich "auf das ganze Universum: was wir davon kennen, ist beinahe nichts; und da wollen wir seine Weisheit und Güte an unseren Erfahrungen messen? Welche Vermessenheit oder besser, welche Absurdität! Den Einwürfen liegen falsche Voraussetzungen zugrunde; lächerlich ist es, Recht sprechen zu wollen, wenn man den Tatbestand nicht kennt." Problematisch ist durchaus auch die Sekte der Manichäer oder der Paulisten (Manichäer in Armenien im siebten Jahrhundert n.Chr.). Sie berufen sich auf Zoroaster, der allen Dingen zwei intelligente Prinzipien zugrunde gelegt hat, ein gutes und ein schlechtes. "Diese Lehre stammt vielleicht aus Indien, wo noch eine Menge Leute diesen Irrtum anhängen, der sehr geeignet ist, die Menschen in ihrer Unwissenheit und ihrem Aberglauben irre zu leiten, da eine Menge barbarischer Völker, sogar in Amerika, auf ihn verfallen sind, ohne dazu der Philosophie zu benötigen." [43] Wer sich durch derartige Schwierigkeiten in Verlegenheit bingen lasse, scheine ein sehr beschränktes Gesichtsfeld zu haben, und "alle Absichten Gottes auf seine eigenen menschlichen Interessen reduzieren zu wollen." Dies trifft auch auf die Anhänger der mohammedanischen Prädestination zu, "wonach es gleichgültig ist, ob man gut oder böse handelt, und wobei es zur Prädestination genügt, sich einzubilden, man sei wirklich vorherbestimmt." Es gebe einige, die sich über die göttliche Gerechtigkeit und über die Grundlagen der Moral des Menschen nur schwer ausdrücken könnten, "da sie Gott zum Despoten machen und verlangen, der Mensch solle ohne Gründe von der absoluten Gewissheit seiner Erwählung überzeugt sein, was allerdings zu gefährlichen Folgen führt." Diese metaphysischen Erwägungen haben es mit der Natur des Möglichen und des Notwendigen zu tun, sie richten sich "gegen unsere Grundannahme, dass Gott die beste aller möglichen Welten erwählt habe. Es gibt Philosophen, nach deren Behauptung nur das tatsächlich Geschehende möglich ist. Sie sind es auch, die da glauben oder glauben konnten, alles sei absolut notwendig. Einige haben sich dieser Ansicht angeschlossen, weil sie als Ursache der Existenz der Dinge eine unvernünftige, blinde Notwendigkeit annahmen: und sie haben wir am stärksten zu bekämpfen." [44] "Aber die Harmonie, die sich sonst überall findet, ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass sie sich wohl auch in dem Menschenreich und ganz allgemein im Reich der Geister finden lassen würde, wenn das Ganze uns bekannt wäre. Man muss die Werke Gottes ebenso einsichtig beurteilen wie Sokrates von denen Heraklit urteilte, als er sprach: Was ich davon verstehe, gefällt mir, das übrige würde mir, glaube ich, nicht weniger gefallen, wenn ich es auch verstände." - Gottfried Wilhelm LeibnizLeibniz trat immer wieder als Geschichts- und Sprachforscher hervor. Auch über den Ursprung der Kelten hat er sich Gedanken gemacht. Es sei nicht unmöglich, dass es eine Zeit gegeben habe, in der die westlichen oder keltischen Fürsten sich zu Herren Griechenlands, Ägyptens und eines großen Stückes von Asien gemacht hätten, und dass ihr Gottesdienst in jenen Ländern seine Spuren hinterlassen habe. "Erwägt man, mit welcher Geschwindigkeit Hunnen, Sarazenen und Tataren sich eines großen Teiles unseres Festlandes bemächtigten, so wird man weniger darüber erstaunt sein; und auch die große Zahl griechischer und deutscher Worte, welche so nahe zusammenklingen, bestärkt darin." Im Gegensatz zum Abbé de la Charmoye rechnet Leibniz die Germanen zu den Kelten. [45] 7. Stratoniker, bemäntelte Absurditäten & Co - Freier Wille statt NotwendigkeitThomas von Aquin und die Thomisten vertraten dieselbe Anschauung wie das Gros der Scholastiker und der römisch-katholischen Theologen. Ebenso Aristoteles und mit ihm die Scholastik; er, Cicero und die Juristen unterscheiden das ewige, alle und zu allen Zeiten zwingende Recht von dem positiven, das nur für gewisse Zeiten und gewisse Völker Geltung hat. Die christlichen Philosophen sind zu dem Geständnis gebracht worden, "dass die Wesensbeschaffenheiten der Dinge ewig sind und dass es Sätze von ewiger Wahrheit gibt; und dass folglich die Beschaffenheit der Dinge und die Wahrheit der ersten Prinzipien unumstößlich ist." Im Gegensatz zu vielen heutigen Wissenschaftlern an Mainstram Universitäten erkannte Aristoteles, "dass die ersten Grundsätze jeder besonderen Wissenschaft sich von einer höheren Wissenschaft herleiten, die ihnen eine vernünftige Begründung gibt: und diese höhere Wissenschaft soll das Sein und infolgedessen Gott als Quelle des Seins zum Gegenstand haben." Straton, einer der Häupter der Schule des Aristoteles und Nachfolger des Theophrast, soll ähnlich wie unsere heutigen Stratoniker, die Philosophen und Wissenschaftler der Ursuppe oder des Urknalls, nach Cicero angenommen haben, dass die Welt, wie sie ist, durch die Natur, oder durch irgendeine notwendige Ursache ohne Bewusstsein erschaffen worden sei. Aber ohne Gott gäbe es überhaupt keinen Grund für die Existens der Dinge. Also bräuchte man sich vor dem Systeme Stratons durchaus nicht zu fürchten, meint Leibniz. Wenn einige sich auf die Erfahrung berufen, um zu beweisen, dass Gott besser hätte handeln können, "dann werfen sie sich zu lächerlichen Kritikern seiner Werke auf", und man sollte ihnen sagen, was man allen antwortet, die das Vorgehen Gottes bekriteln: "Ihr kennt die Welt erst drei Tage lang, habt kaum über eure Nasenspitze hinweggesehen und findet doch an ihr schon etwas auszusetzen. Wartet bis ihr sie näher kennt, und betrachtet vor allem jene Teile, die ein Ganzes (wie alle organischen Körper) bilden; dann werdet ihr auf ein Kunstwerk treffen und eine die Genzen Eurer Einbildungskraft weit übersteigende Schönheit finden. Ziehen wir daraus die Konsequenzen für die Weisheit und Güte des Schöpfers der Dinge, und auch jener Dinge, die uns unbekannt sind!" [46]Thomasius kritisiert Thomas Hobbes weil er den verdorbenen Zustand zum Maßstab und als Regel nahm, während Aristoteles den mit der menschlichen Natur am meisten übereinstimmenden Zustand vor Augen hatte. Nach Aristoteles heißt natürlich das am meisten der vollkommenen Natur des Dinges entsprechende. Auch Bayle kommt zu seltsamen Schlußfolgerungen: "Es gibt also für Gott keine Freiheit mehr, er ist durch seine Weisheit zur Schöpfung gnötigt." Dazu Leibniz: "Herr Bayle gibt also, wie es scheint, den besten Dingen von der Welt hässliche Namen und verwechselt die Begriffe, wenn er den Zustand größter Freiheit Sklaverei nennt." Er fasse die oben angeführten Worte "falsch auf und zieht daraus falsche Konsequenzen." Hobbes' Ansicht führt zum Materialismus. Anders dagegen die von Malebranche, der eine spirituelle Ansicht zugrunde liegt. Er spricht von geistigen Wesen (Engeln), die nach den gewöhnlichen Gesetzen ihrer Natur handeln, "sie sind mit feineren und wirksameren Körpern verbunden, als sie uns zu Gebote stehen. Bayle glaubt vielleicht, dass die Tiere gefühllos sind: "eben auf Grund der Ungerechtigkeit, die darin liegen würde, dass die Tiere den Leiden unterworfen sind, haben ja mehrere Cartesianer beweisen wollen, dass sie nichts weiter als Maschinen sind... unmöglich kann ein unschuldiges Wesen unter dem Regime Gottes Leiden erdulden. Der Grundsatz ist schon richtig, nur kann man meiner Meinung nach daraus nicht auf die Gefühllosigkeit der Tiere schließen." [47] "Es gehört gar nicht so viel dazu, mit Gott und dem Universum zufrieden zu sein, sich um sein Los nicht zu bangen und sich über sein Geschick nicht zu beklagen. Die Erkenntnis der wahren Prinzipien gibt uns diesen Vorteil, der viel größer ist als der Gewinn, den Stoiker und Epikuräer aus iher Philosophie zogen. Die wahre Moral unterscheidet sich von der ihrigen in Freude und Geduld: denn ihre Gemütsruhe gründete sich allein auf die Notwendigkeit, während unsere auf der Vollkommenheit und Schönheit der Dinge, auf unserer eigenen Glückseligkeit beruht." - Gottfried Wilhelm LeibnizEs ist komisch, meint Leibniz, wenn ein Mann wie Epikur die Götter und alle unkörperlichen Substanzen vernichtete und sich dennoch einbilden konnte, dass der Wille, den er selbst aus Atomen zusammensetzt, eine Herrschaft über die Atome ausübe ohne den Grund anzugeben. Karneades sah den Grund in der menschlichen Seele. "Karneades gewann nichts dabei, ausser, dass er ein wenig unachtsame Leute leichter täuschen konnte, indem er die Absurdität eines Gegenstandes, die etwas zu sehr auf der Hand liegt, einem anderen Gegenstande zuschrieb, wo sich die Dinge leichter verwirren lassen, d.h. vom Körper auf die Seele verlegte; besaßen doch die meisten Philosophen sehr unklare Vorstellungen von der Natur der Seele." Cicero und Bayle tadelten zwar Epikur, ließen seinen Schüler Karneades aber ungeschoren. "Ich begreife nicht, wie der so scharfsinnige Herr Bayle sich mit einer derartigen, bemäntelten Absurdität abfinden und so weit gehen konnte, sie als die größte Leistung des Menschengeistes auf diesem Gebiet zu bezeichnen." Als wenn das große Prinzip, wonach nichts ohne Ursache geschieht, nur auf den Körper Anwendung fände. Die Seele hat nach Platon vor dem Körper das voraus, dass sie Quelle der Handlung ist, da sie das Prinzip der Bewegung ist. Cicero sagt, dass Demokrit, Heraklit, Empedokles und Aristoteles geglaubt hätten, das Schicksal schließe Notwendigkeit ein. Cicero täuscht sich aber hinsichtlich des Aristoteles, denn dieser hat Zufälligkeit und Freiheit sehr wohl anerkannt. Manche wie Diroys haben sich dann allerdings einer sonderbaren Ansicht angeschlossen. "Wer sie verficht, bedenkt nicht, dass er damit Gott eine falsche Freiheit erhalten oder besser ihm eine falsche Freiheit zusprechen will, die Freiheit unvernünftig zu handeln. Damit werden seine Werke verbesserungsbedürftig." Von solchen Leuten werden die heutigen Gentechniker mit offenen Armen empfangen, weil sie behaupten, sie könnten die Werke Gottes verbessern. Leider trifft vielfach das Gegenteil zu: die Werke Gottes werden durch sie ruiniert (Stichwort: geklonte Menschen und Tiere). "Ich habe mich immer gewundert, wie so tüchtige Leute an so wenig philosophischen Ansichten Geschmack finden konnten." Es fängt schon mit den Bewegungsgesetzen an. Schon Descartes hatte sich getäuscht. Die richtig verstandenen Bewegungsgesetze stammen ihrem ganzen Umfang nach nicht aus der Notwendigkeit, sondern aus dem Prinzip der Vollkommenheit und Ordnung; sie sind eine Wirkung der göttlichen Auswahl und Weisheit. "So sind diese schönen Gesetze ein wunderbarer Beweis für ein intelligentes, freies Wesen und zeugen gegen das System Stratons oder Spinozas, gegen die absolute blinde Notwendigkeit." Das erschüttert die scheinbar sicherste Grundlage der Materialisten und heutigen Stratoniker, die behaupten alles sei von einer vernunftlosen natürlichen Notwendigkeit erschaffen worden und macht deutlich, dass es sich um Fehler im System handelt, "welche es am meisten von dem Geist der wahren Philosophie entfernen.". Diese Ansicht habe bei den Alten wie bei den Modernen unendliche Verirrungen verursacht und die Menschen sogar zu dem "lächerlichen Irrtum von dem faulen Sophisma getrieben hat, das sich kaum noch von dem Fatum der Türken unterscheidet." [48] Schon Laurentius
Valla hatte sich für den freien Willen und gegen Boethius ausgesprochen.
Nach den Anhängern Hobbes' und Spinozas ist das Geschehende das allein
Mögliche und muß mit vernunftloser geometrischer Notwendigkeit
geschehen. "Hobbes hielt alles für körperlich und unterwarf es
einzig und allein den mathematischen Gesetzen, Spinoza sprach Gott ebenfalls
Einsicht und Wahl ab und ließ ihm dafür eine blinde Allmacht,
aus welcher alles mit Motwendigkeit entspringt." Spinoza hat die
Dinge auf die Spitze getrieben. "Das Gottesreich bedeutet für ihn
nichts anderes als das Reich der Notwendigkeit, und zwar einer blinden
Notwendigkeit wie bei Straton." Verständlich, wenn Malebranche bezüglich
der Philosophen, die sich von der wahren Philosophie entfernt haben, ausruft:
"Was sind die Philosophen doch stumpfsinnig und lächerlich!" Leibniz
meint: "Man muß zugeben, dass die Ansichten des Herrn Hobbes etwas
seltsam und unhaltbar sind." Seine Philosophie, welche die Körper
allein zu Substanzen mache, scheine kaum der göttlichen Vorsehung
und der Unsterblichkeit der Seele günstig zu sein. Ebensowenig wolle
Hobbes von einer moralischen Notwendigkeit wissen, weil tatsächlich
alles aus physischen Ursachen erfolge. Man müsse aber zwischen der
moralischen und zwischen jener "blinden Notwendigkeit, auf Grund derer
die Dinge nach Ansicht Epikurs, Stratons, Spinozas und vielleicht auch
des Herrn Hobbes, vernunft- und wahllos und infolgedessen ohne Gott existieren."
Sein Gott scheint weiter nichts als die "blinde Natur der angehäuften
materiellen Dinge zu sein, welche nach den mathematischen Gesetzen mit
absoluter Notwendigkeit handeln, wie die Atome in Epikurs System."
[49]
8. Nach Leibniz sind Diejenigen, welche die Alte Geschichte nicht kennen oder sich nicht Rechenschaft darüber ablegen, wie "die Mohammedaner, Heiden und die Libertins", in seinen Augen "toujours enfans"Nach Leibniz sind Diejenigen, welche die Alte Geschichte nicht kennen oder sich nicht Rechenschaft darüber ablegen, wie "die Mohammedaner, Heiden und die Libertins", in seinen Augen "toujours enfans". Wie später bei Hegel liegt auch für Leibniz der Anfang der wahren Philosophie bei den Griechen. [50]Leibniz interessiert sich nicht nur für die "Ausbreitung des Christentums" im Orient, insbesondere China, sondern auch für "diese Verpflanzung des Chinesischen zu uns", womit alte und neue wissenschaftliche Errungenschaften gemeint sind. Damit hatte schon Cassini begonnen, als er alte astronomisch-chronologische Erfindungen aus Siam begutachtete. "Es scheint sich dabei um eine Erfindung zu handeln, die vor Zeiten ein großer Mann gemacht hat und die über das Fassungsvermögen der heutigen Siamesen hinausgeht. So sind die Wechselfälle der Geschichte." Sicherlich könnten aber die "Chinesen, in denen wir doch die Lehrmeister der Siamesen wie der übrigen benachbarten Völker zu sehen haben, unsere Wissbegierde noch weit ergiebigere Nahrung bieten." Auch Kepler interessiert sich dafür. Er und seine Kollegen hätten 15 geometrische Probleme gesehen, die älter als 3000 Jahre wären. Auch über den Ursprung der Chinesen und Tataren wird spekuliert. Man unterschied damals die "Asiatische" oder auch "große Tatarei" von der "Europäischen", "Kleinen" oder "Krimschen Tatarei". Unter "asiatischer Tatarei" verstand man damals alle unter chinesischer Oberhoheit stehenden nördlichen und nordwestlichen Außengebiete. Leibniz schreibt an den Jesuiten Claudio Filippo Grimaldi: "Ich schließe auch meinen Brief mit Keplers Wunsch: Mögen mit Hilfe Ihres Ordens die Chinesen nicht nur die Gesetze der Astronomie annehmen, sondern auch das sanfte Joch des Christentums." Keplers Versuch über die physikalischen Gründe der Himmelsbewegungen sei "wesentlich weiterentwickelt worden durch die Entdeckung einer harmonischen Kreisbewegung, für die ich Beweise geliefert habe." [51] Die Jesuiten verbreiteten das Christentum in Asien, vor allem China, Taiwan (Formosa), Korea, Philippinen und Mongolei. "Je jugeois si important pour estendre la foy de Jesus Christ dans toutes ces vastes contrées." (Verjus). Man war sich bewußt, dass man auf Hindernisse stoßen würde, denn "Jesus Christus ist und wird immer sein gesetzt zu einem Zeichen, dem widersprochen werden wird." In Peking konnten die Patres täglich dem chinesischen Kaiser und dem Thronfolger die abendländische Philosophie auslegen und sind dabei ein ganzes Lehrbuch der Philosophie zu verfassen, in chinesischer und tatarischer Sprache: "qui expliquent tous les jours la Philosophie à l'Empereur de la Chine, et au Prince Imperial, composent tout un cours de Philosophie pour la satisfaction et par l'ordre de cces Prices en Chinois et en Tatare, et le doivent donner au public." Was die Philosophie betrifft, waren die meisten Patres einer Meinung mit Leibniz: "On ne peut, Monsieur, donner plus d'aprobation qu'enont donnè plusiers de nos Peres aux objections que vous avez faits aux Cartesiens." Dazu Leibniz: J'approuve fort le dessein de vos peres de faire part aux Chinois de la Philosophie." Viele Patres waren Mitglieder der Acadèmie des sciences. Als wissenschaftliche Mitarbeiter in China waren sie dem Direktor des Observatoriums in Paris, Giovanni Domenico Cassini, unterstellt, dem sie auf dem Gebiet der Geodäsie (Erdvermessung) und Astronomie zuarbeiten sollten. [52] "Le dessein de porter la lumiere de Jesus Christ dans les pays eloignés, est si beau, que je n'y distingque point, ce qui nous distingue." - Gottfried Wilhelm Leibniz 9. Leibniz meint, man müsse die Herrscher dieser Welt für die Gründung einer Akademie der Wissenschaften begeistern, "denn Gott kann in keinem natürlichen Licht mit größerer Wahrheit und Wirksamkeit erfahren werden als durch die Zeichen von Weisheit und Macht, die den Dingen eingeprägt sind," Und es gäbe für sie nichts größeres zu leisten, "allein ausgenommen die Verbreitung des christlichen Glaubens." - Logisches Denken, Logik des Wahren und Falschen, Christentum als letzte Religion, KosmologieWer über die Wissenschaften, die auf der wahren Philosophie gegründet sind, "helles Licht zu verbreiten vermag" könne auch zur Verbreitung des Christentums beitragen. Nach Augustinus "kann man nur lieben, wessen Schönheit man kennt., und der göttlichen Weisheit und Macht (auf denen die Schönheit der höchsten Einsicht beruht, soweit diese für uns faßbar ist) kann man nicht besser innewerden als durch die Kenntnis ihrer Werke" Eine Enzyklopädie der Wissenschaften - nicht zu verwechseln mit der heutigen materialistischen Wissenschaft - könnte "eingehen in Gesänge zu Ehren des höchsten Schöpfers." Immer erweise sich die "Harmonie als bewundernswert, woraus sich aufs deutlichste ergibt, dass die Natur das Werk der höchsten Weisheit ist." Leibniz beklagt die kriegerischen Auseinandersetzungen: "Es wird ja auf beiden Seiten mit solcher Heeresmacht gekämpft, dass man sich fragt, wie die beteiligten Völker die unermesslichen Kosten dafür aufbringen können. So kommt es, dass auch die größten Fürsten wie arme Teufel aussehen." Dennoch haben Deutschland, Österreich, Frankreich, England es geschafft, Akademien der Wissenschaft in ihren Ländern zu gründen. Die Deutschen haben als erste eine "Gesellschaft der Naturforscher errichtet; deren Schirmherrschaft hat jetzt der große Kaiser der Christen selbst übernommen. Nach den Deutschen hatten die Engländer eine königliche Gesellschaft gegründet." Die Leopoldinische Akademie der Naturforscher war 1652 in Wien gegründet worden. Zu Ehren von Kaiser Leopold I. und Karl VI. wurde sie später "Sacri Romani Imperii Academia Caesareo Leopoldina Naturae Curiosum" benannt. Leibniz war seit 1673 Mitglied der im Jahre 1662 in London gegründeten Royal Society. 1666 wurde von Colbert die Acadèmie Royale des Sciences in Paris gegründet; Leibniz wurde offiziell am 13. März 1700 zu ihrem Mitglied ernannt. "Dann haben nach Deutschen und Engländern, die Franzosen unter der Schirmherrschaft und auch unter dem Namen ihres großen Königs eine Akademie der Wissenschaften errichtet., die ein Privileg genießt, das keine der anderen Gesellschaften hat: Der König kommt für die Unkosten für Experimente und die Pensionen der Mitglieder auf." Leibniz meint, man müsse die Herrscher dieser Welt für die Gründung einer Akademie der Wissenschaften begeistern, "denn Gott kann in keinem natürlichen Licht mit größerer Wahrheit und Wirksamkeit erfahren werden als durch die Zeichen von Weisheit und Macht, die den Dingen eingeprägt sind," Und es gäbe für sie nichts größeres zu leisten, "allein ausgenommen die Verbreitung des christlichen Glaubens." [53]Am 23. März 1692 unterzeichnete der Kangxi-Kaiser das Toleranzedikt für die Verbreitung der christlichen Religion in China. Durch die freundliche Haltung des Kaisers, der das Christentum so feierlich gebilligt hatte, hegte man die Hoffnung, sein ganzes Reich zu bekehren. "L'Empereur de la Chine a approuvé si solennellement la Religion chretienne." Man glaubte, "dass man in einigen Jahren mehr wahre Christen in China zählen wird als in ganz Europa." Die Patres schrieben Leibniz: "Je prends, Monsieur, une part tres particuliere aux tèmoignages que vous avez bien voulu rendre à nos bonnes intentions, et au zele pur et ardent de tant d'hommes apostoliques, que j'ay deja fait partir et que je ferai partir desormais en plus grand nombre chaque annèe pour aller travailler à la conversion de ce grand et florissant empire, où il y a lieu d'esperer qu'on comptera dans quelques annèes plus de veritables Chrestiens que dans toute l'Europe." Dazu Leibniz: "Daran liegt mir sehr viel, weil meines Erachtens die Chinamission das wichtigste Geschäft unserer Zeit ist: ebenso im Hinblick auf Gottes Ehre und die Ausbreitung des Christentums wie im Sinne des Gemeinwohls und der Zunahme von Wissenschaften und Künsten bei uns wie bei den Chinesen. "Je judge, que cette mission est la plus grande affaire de nos temps, tant pour la gloire de Dieu et la propagation de la religion Chrestienne, que pour le bien general des hommes et l' accroissement des sciences et arts chez nous aussi bien que chez les Chinois." Es geht ihm erstens um alles, "was mit dem Fortschritt in Wissenschaften und Künsten zu tun hat" und zweitens um die "Begründung einer soliden Philosophie", in deren Rahmen christliche Frömmigkeit und Wahrheit gleichermaßen zu ihrem Recht kommen. "Pour ne parler que de ce qui regarde le progrés des sciences et arts." und "en second liue l'etablissrment d'une philosophie solide." Dazu sei es notwendig, sich auf die antike Philosophie zu beziehen, statt auf die Lehren der kartesianischen Philosophie - eine Forderung, die heute noch Gültigkeit hat. Die Folgen des Ediktes, das dem Christentum in China die Freiheit gebracht hat ("l'edit, qui a donné la liberté à la religion Chrestienne"), war, dass man sich mit dem Herrscher über Philosophie und Naturwissenschaften unterhielt, um dem Christentum Zugang zu seinem Gemüt und dem seiner Untertanen zu verschaffen ("pour faciliter l'entrée de la religion Chrestienne dans son Esprit, et dans celuy des siens"). [54] Was die Frühzeit der Menschheit betrifft, wird man "nämlich mit Sicherheit immer zu der Einsicht gelangen, dass eine Wahrheit sich zur anderen fügt und die Heilige Schrift niemals darüber Schaden nehmen wird. (car il est seur qu'on trouvera tousjours qu'une verité s'accorde avec l'autre, et que la sainte Ecriture n'en receuvra jamais aucun tort)" Unter dem alten Namen Tangut sind die Tibeter zu verstehen. Sprache und Schrift der Tibeter wird bei den Mongolen Verehrung entgegengebracht, "weil der große Lama in Tibet ist (On m'a appris aussi que la langue et les caracteres de Tangut sont en venerstion chez les Mugals, par ce que le grand Lama ets dans le Tangut."). Mit der Sprache der Krimtataren hat man jedoch keine Übereinstimmung gefunden. Nach Leibniz könne man von den Chinesen und Tibetern viel lernen, "vor allem auf dem Gebiet der Medizin, der notwendigsten der Naturwissenschaften. (on peut dire que la Medecine aussi est le plus haut point et comme le fruit principal des connoissances des corps, puisque c'est à la Medecine de considerer les corps par rapport ou nostre)" [55] Auch über die neusten Erd- und Himmelsvermessungen wollte Leibniz informiert sein, "weil vor allem daran gelegen ist, die Mondbahn ausreichend genau zu bestimmen, um künftig genauere Aussagen über Finsternisse und andere Erscheinungen als bisher machen zu können." Aber alles das sei nichts im Vergleich zu wahrer Philosophie und Religion. "Die Einführung der Philosophie bei den Chinesen wäre überaus wirkungsvoll in Hinblick auf die nähere Vorbereitung der Gemüter darauf, die wahre Religion anzunehmen. (l'introduction de la Philosophie chez les Chinois seroit d'un grandissime effect, pour preparer les Esprits de plus prés à recevoir la veritable religion").[56] Streitgespräche mit den Cartesianern blieben nicht aus. Gezeigt werden musste ihnen, "dass sie keinesfalls über die wirklichen Naturgesetze verfügen und dass man, um zu diesen zu gelangen, in der Natur nicht nur die Materie in Betracht ziehen muss (qu'ils n'ont point les veritables loix de la nature, et que pour les avoir il faut considerer dans la nature non seulement la matiere mais aussi la force, et que les formes des anciens ou entelechies.") sondern auch die Kraft, die Formen der Alten, ihre Entelechien. Auf diese Weise glaubte Leibniz die antike Philosophie zu rehabilitieren, ohne sich deswegen in Widerspruch zu den neueren Entdeckungen zu setzen. Er wendet sich gegen eine Philosophie und Naturwissenschaft, die zu materialistisch geworden ist - und die es bis heute geblieben ist. Leibniz hatte damit der Religion und Philosophie einen großen Dienst erwiesen. "Ainsi je crois d'avoir rendu quelque service à la religion; tant en cela, qu'en ce que jespere que cela contribuera à arrester le cours d'une philosophie trop materielle qui commence à s'emparer des esprit" Der Ruhm Gottes und die Glückseligkeit der Menschen solle gefördert werden, und zwar durch die Verbreitung des Christentums wie durch die Vermehrung der soliden Wissenschaften. Wissenschaften ohne Christentum taugen nichts, wie man an modernen Cartesianern der grünen und roten Gentechnik sehen kann. [57] "Mon zele pour l'avancement de la Gloire de Dieu et de la felicité des hommes, tant par la propagation de la religion Chrestienne que par l'accroissement des sciences solides, qui nous donnent mayen d'admirer d'advantage la sagese, et la puissance de l'auteur des choses, et de mieux assister les hommes." - Gottfried Wilhelm LeibnizNicht nur die Jesuiten der Chinamission schwärmten von Leibniz: "Jeder, der auch nur den geringsten Sinn für die Wissenschaften hat, wird sich ein Vergnügen daraus machen, Umgang zu pflegen mit dem berühmten Herrn Leibniz, der in ganz Europa so wohlbekannt und so geschätzt ist, dem unser Jahrhundert so tief verpflichtet ist und dessen Erinnerung der Nachwelt so teuer sein wird" (it n'est personne por peu qu'il ait de goust por les sciences, qui ne se fasse un vrai plaisir d'avoir commerce avec le fameux Monsieur Leibniz si donnu et si estimé dans tout l'Europe, à qui nostre siecle a de si grandes obligations, et dont la memoire sera si chere à la Posterité.). Man erkannte, dass es sich bei der ursprünglichen chinesischen Philosophie um das ausgereifte System einer vollendeten Methaphysik handelt, deren Kenntnis die Chinesen, wie es scheint, schon lange vor Konfuzius eingebüßt haben.(c'est le systeme archevé d'une metaphysique parfaite, dont les Chinois ont perdu, ce semble, la connoissance dés long temps avant Confucius). Sein rechtes Verständnis könne nicht nur bei der Wiederherstellung der Prinzipien der wahren Philosophie der alten Chinesen wichtige Dienste leisten und so vielleicht dieses ganze Volk zur Erkenntnis des wahren Gottes zurückführen; darüber hinaus könne es zur Feststellung der in allen Wissenschaften anzuwendenden natürlichen Methode dienen, die von den ersten Menschen angewandt wurde zu einer Zeit als die Einsichten der Vernunft noch von der größten Lauterkeit waren. Grundsätzlich kann man sagen, "Das Christentum ist als Religion die letzte". Es trägt alle Möglichkeiten der Entwicklung in sich. Was die Menschen verbindet, das kam auf die Erde durch den Christus. In den alten Mysterien wurde den Schülern gesagt: "Es wird einmal Einer kommen, der es allen Menschen möglich machen wird, verchristet zu werden." Früher hat es für alle Menschen eine Urweisheit gegeben. Diese Urweisheit ruht noch in den Seelen, auch der Asiaten und Chinesen. Vielfach ist sie im Osten allerdings dekadent geworden, wie die Ansicht: Aufgehen im Allbewusstsein sei Erlösung. So wird es nicht sein. "Das Christentum darf nicht verwechselt werden mit anderen Religionen." Dazu ist eine Schulung des Denkens erforderlich, wie es auch von Leibniz gefordert wird. "Das Denken hat nämlich die Eigenschaft, neue Erfahrungen und Erlebnisse zu geben, das heißt, nur das zielbewusste, logische Denken. Es bildet einen sicheren Führer durch alle Welten, denn in jeder muss in derselben Weise konsequent gedacht werden." Viele Menschen können heute gar nicht mehr in Wirklichkeit denken, sondern nur noch scheinbar, weil sich ihr Denken nicht mehr im geistigen Licht sehen lassen kann. Die Leute lesen irgendeine pseudowissenschaftliche Literatur und merken gar nicht, dass das keine Gedanken mehr sind, sondern dass das "nur ein Abrollen von Gehirnprozessen ist, die sich als Gedanken zwar spiegeln, aber keine Gedanken mehr sind - es ist die absoluteste Torheit." Die Logik des Wahren und Falschen hat vor allem für die physische Welt eine Bedeutung. In der geistigen Welt wird das Wahre als etwas Gesundes und das Falsche oder der Irrtum als etwas Krankes empfunden. "Dadurch aber, indem wir uns im Nachstudieren der Inspirationswahrheiten den Sinn für das gesunde und kranke Urteil aneignen, bereiten wir uns den Weg, nun das Christus-Ereignis zu verstehen. Denn das Christus-Ereignis trat in die Welt aus dem Grunde ein, weil die Entwicklung der Menschheit drohte, krank zu werden. Von dem Christus-Ereignis, von dem Mysterium von Golgatha geht die Kraft aus, dass sich der Mensch wiederum zur Wahrheit, zur Gesundung hinwenden kann. Durch die inspirierten Wahrheiten erwerben wir uns wirklich wiederum die Möglichkeit, Sinn zu bekommen für die religiösen Wahrheiten, insbesondere für die Wahrheiten des Christentums, lernen wir wiederum verstehen, warum die Wesenheit des Christus als ein Heiland gefeiert wurde, als einer, der die Menschheit wirklich heilt, heilte und fortdauernd heilt... Gott wird Mensch. Es ist dieses eben die Formel, in der ausgesprochen werden kann, was der Christus geworden ist: Für die Erde das Urbild der Menschheit, für die Erde dasjenige, durch das die Menschheit Sinn bekommt." Dieses Urbild der Menschheit war auch nach Leibniz allen Völkern urpsrünglich bekannt, nur ist das Wissen darum in Vergessenheit geraten. [58] Sogar der designierte Thronfolger Yinreng, der vierte Sohn des Kangxi-Kaisers, der als Yongzeng-Kaiser (1722-1732) dessen Nachfolger werden sollte, eiferte seinem Vater nach in der Zuneigung zum Christentum (son amour pour la Religion Chrestienne). Für die katholischen Missionare wurde auch der Landweg nach China durch Russland geöffnet. Zu einem Vertrag zwischen dem Kaiser von China und Zar Peter I. kam es im Oktober 1706 unter Josef I. Dieser lag zwar im Streit mit dem Papst, war aber nicht weniger als sein Vater Leopold I., an guten Beziehungen zu Moskau interessiert. So erlangten die Jesuiten einen Brief von Josef I., in dem dieser dem Zaren deren Dienste, Lehrer und Schulen empfahl und die Bitte wiederholte, den Landweg nach China durch Sibirien zu öffnen. [59] "Ich höre aber, dass die Reise von Tobolsk nach China zusehends erleichtert wird, denn man hat die Wege geräumt und anstelle der Kamele kommen von Pferden gezogene Wagen in Gebrauch. Es heißt auch, dass ein kalmückischer Fürst namens Bousioucti-Khan einen mongolischen Fürsten namens Atsiaroisin-Khan geschlagen hat. Dieser mußte sich daraufhin zur Großen Mauer zurückziehen; der Sieger ist aber seinerseits durch seinen Vetter Arepta-Khan vertrieben worden. Man sagt, dass diese Tataren ohne ihre ständigen Kriege untereinander imstande wären, einen großen Teil der Welt zu überschwemmen, so wie seinerzeit Chingis-Khan. Großer Gott, was für eine Ernte wartete da noch auf die Arbeiter des Evangeliums, sobald das Christentum erst einmal fest in China verwurzelt wäre! ... Sie kennen meine Grundsätze, Ehrwürdiger Vater, die mich allen Arbeiten für das Evangelium den glücklichsten Erfolg von der Welt wünschen lassen. Denn ich zweifle nicht, dass sie jenen, die bereits Christen sind, eine gute Unterweisung zuteil werden lassen und die Ungläubigen das Wesen des wahren Glaubens lehren. (... Bon Dieu, quelle moisson encor pour des ouvriers Evangeliques, si une fois le Christianisme estoit bien établi dans la Chine... puisque je ne doute point qu'ils ne donnent des bonnes instructions à ceux qui sont deja Chrestiens et qu'ils n'apprenment aux infideles l'essence de la veritable foy.)". - Gottfried Wilhelm LeibnizLeider gab es in Asien früher auch viele islamische Herrscher, die das Christentum nicht annehmen wollten wie Soyatan, der spätere "Tigerkönig" von Siam. In den "Serails" dieser Könige ging es ähnlich zu wie heute bei den Herrscherfamilien in den Golfstaaten. Die Jesuiten konnten damals miterleben: "Die Heiden bringen den christlichen Mädchen keinerlei Achtung entgegen (les Payens ne portent nul respect aux filles chrestiennes)". Sie wurden vom Herrscher als Sklaven angesehen. Hatten sie in seinen Augen etwas verbrochen, befahl er, "sie täglich auszupeitschen, bis sie sterben würde. Dieses Martyrium währte einen Monat und war von einer solchen Grausamkeit, dass ihre Knochen und Rippen bloßgelegt wurden, und ihre Augen waren dermaßen geschwollen und traten so hervor, dass meine Schwester nicht mehr sehen konnte. Die Damen aus dem Palast vereinigten ihre Schmähungen mit den Peinigungen der Henkersknechte." [60] Viele heidnisch-islamische Länder wurden von China und Russland erobert und christianisiert. Dazu Leibniz: "Ihr Bericht, ehrwürdiger Vater, von den letzten Waffentaten der Chinesen gegen die Öloten war mir sehr willkommen. Ich wünschte sehr, eine Art Karte zu haben von den Ländern zwischen China, dem östlichen Meer, Russland, Usbekistan und Indien, um die Berichte besser verstehen zu können. Ich hoffe, dieser Sieg wird Ihren Patres erlauben, zu Lande einen Weg zu nehmen, den P. Grimaldi vergeblich versucht hatte. Der Weg nach China würde durch Persien und Usbekistan führen, d.h. über Buchara, denn dieser Krieg gegen die Öloten war es wohl, der P. Grimaldi am Durchkommen gehindert hatte." Buchara ist die Hauptstadt des vormals gleichnamigen Khanats, das von den seit 1500 hier herrschenden türkischen Usbeken auch Usbekistan genannt wurde. Einige Patres kamen auch durch das damals armenische Erzurum (heute von den Türken besetzt). Man bewunderte die Gesetze der Chinesen, die es ermöglichten "mit deren Hilfe dieses Reich seit so vielen Jahrhunderten in bewunderungswürdiger Gleichmäßigkeit regiert wird." Auch unsere fähigsten Politiker könnten daraus lernen ("et où nos plus habiles Politiques trouveront beaucoup à apprendre."). Die Jesuiten unternahmen Exkursionen in die östliche Tatarei (Manjurei) "bis zum Meer, das im Osten das Festland begrenzt und wohin meines Wissens noch niemand den christlichen Glauben getragen hat." Zudem begannen die Jesuiten auch die wichtigsten chinesischen Werke zur Medizin in eine europäische Sprache zu übersetzen und "ihre Naturgeschichte, eine unerschöpfliche Fundgrube von Rezepten und Geheimnissen, die unsere Naturforscher und Ärzte zu weiteren, bedeutsameren Entdeckungen werden leiten können." Im Gegensatz zur cartesischen Philosophie sind die meisten Jesuiten von Leibniz und seiner Philosophie besonders angetan: Diese Philosophie "stimmt am meisten mit meiner persönlichen Auffassung überein. Sie schreiben, wie wichtig es ist, dass, will man die europäische Philosophie nach China tragen, als ein Mittel, das sehr geeignet ist, die Geister zur Annahme des Evangeliums, der wahren Weisheit, zu stimmen, man sich dafür nicht der modernen Philosophie bedient, es sei denn als Schmuck und Bereicherung. Vielmehr sollte man auf die alte Philosophie zurückgreifen, deren wohlverstandene Grundsätze in sich gefestigter sind und sogar besser mit den Vorstellungen der alten Chinesen von der wahren Philosophie übereinstimmen und infolgedessen geeigneter sind, die Chinesen zur Kenntnis der übernatürlichen Philosophie zu führen." Leibniz meinte, man müsse die Praktiken und Lehren der Chinesen zum Guten auslegen, wie der Heilige Paulus, "als er in Athen einen zu Ehren der unbekannten Gottheit errichteten Altar erblickte. Andernfalls wird man einer Mission Schaden zufügen, die für das Wohl der Christenheit wie für die gesamte Menschheit mir eine der wichtigsten zu sein scheint. (S. Paul voyant à Athenes un Autel dressé à l'honneur de la Divinité inconnüe. Autrement on nuira à une Mission qui me paroist des plus considerables, pour le bien de la Chrestienté et de tout le genre humain.)" Dem Jesuiten Antoine Verjus wünscht Leibniz Erfolg, "damit die Allgemeinheit und die christliche Kirche noch lange sich eines Mannes erfreuen, dessen Verdienstlichkeit sich neben so vielen anderen bedeutenden Geschäften besonders in einer der wichtigsten Angelegenheiten offenbart hat: in der Missionierung ferner Länder. (toutes sortes de prosperités à fin que le public et l'Eglise Chrestienne jouisse long temps d'une personne dont le merite extraordinaire, outre tant d'autres occupations de consequence, s'est monstré particulierement dans uns affaire des plus importantes, qui est celle des Missions eloignées)" Ganz Asien wurde von den Jesuiten christianisiert. Franz Xaver S.J. (1506-1552), der große Apostel Indiens und Japans, wurde 1619 heiliggesprochen. Der chinesische Kaiser erlaubte "das Christentum zu predigen, wo immer in seinem Reich sie das tun wollten. All das wurde in die Tat umgesetzt. (qu'il permettoit oux autres d'aller dans quelque lieu de son Empire qu'il leur plaroit precher la Religion Chrestienne. Tout cela s'est executé.)" Schließlich ist mittlerweile die ganze Tatarei bis an die Grenze von Usbekistan dem chinesischen Kaiser untertan. "Toute la Tartarie obeit à l'Emereur de la Chine jusqu'aux Yousbecks exclusivement." [61] Die Jesuiten bewunderten Leibniz wegen seiner Lebhaftigkeit des Geistes ("la vivacité de vostre esprit") und seines großen Scharfsinns, weil er ihren Gegnern, vor allem den Jansenisten, im sogenannten Ritenstreit die Stirn bot. Die Antijesuitischen Schriften des größten Gegners der Gesellschaft Jesu, des bekannten Jansenisten und Philosophen Antoine Arnauld (1612-1694), erschienen 1690-1695 unter dem Titel La Morale pratique des Jesuites. Der Erzfeind der chinesischen Zeremonien war allerdings Kardinal Casanate. Charles Le Gobien S.J. schreibt daher an Leibniz: "Er war in dieser Auseinandersetzung führend und betrieb sie energisch. Wir hoffen, Gott wird es nicht zulassen, dass man die Bekehrung dieses großen Reiches damit blockiert, Zeremonien als Idolatrie zu deuten, die bei näherer und unvoreingenommener Betrachtung nur Ausdruck der Ehrfurcht und Dankbarkeit sind, die diese Völker ihren Ahnen und dem Gesetzgeber ihrer Nation entgegenbringen. (Nous esperons que Dieu ne permettra pas qu'on ferme la porte à la conversion de ce grand Empire, en faisant passer pour une Ideolatrie des ceremonies, que ne sont, quand on les considere de prés et sans prevention, que des marques de respect et de reconnoissance que ces peuples donnent à leurs Ancestres et au Legislateur de leur Nation.)" Jeder vernünftige Mensch müsse doch einsehen, dass sie dabei nur der Lehre des Konfuzius folgen, die dieser in seinen Büchern oft wiederholt habe: dass man die Toten geradeso ehren soll wie die Lebenden. ("suivant ce Principe de Confucius qu'il a souvent repeté dans ses livres, qu'il faut honorer les morts de la mesme maniere, dont on honore les vivants."). Dagegen könne man den Pater Verjus als einen Apostel Chinas ansehen, der schon mehr als 40 französische Jesuiten nach China entsandt habe. Wie groß die Zahl der Arbeiter des Evangeliums in diesem großen Reich auch sein mag, man werde immer mit Recht sagen: "die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind wenige." [62] Auch andere Jesuiten wie Joachim Bouvet S.J. äußern sich ähnlich: er sei überzeugt, dass sie sich irren und den Chinesen Unrecht tun, "die in den Anfängen eine so reine und lautere Philosophie gehabt zu haben scheinen - ja mehr noch, ich wage zu behaupten, dass diese vielleicht gefestigter war und vollkommener als unsere heutige Philosophie. (et je suis même persuadé qu'ils se trompent, et qu'ils font injure aux Chinois qui paroissent avoir eu dans le commencement une Philosophie aussi pure et aussi saine, et j'ose ajouter peut-ê encore plus solide et plus parfaite que n'est aujourd'hui la notre.)" Auch wenn viel von dieser alten Weisheit verloren gegangen sei und zahlreiche Fehler sich eingeschlichen haben, könne man doch an vielen Stellen "überraschende Gedanken von einer so funkelnden und reinen Helligkeit hervorblitzen" sehen, dass man eine Übereinstimmung mit den Überresten der Weisheit der Alten gewahr werde. Die Rede ist von Mercurius oder Hermes Trismegistos (der "Dreimal Größte", d.h. der "Allergrößte"), der griechische Name für Thot, den ägyptischen Gott, dessen heiliges Tier zum Beispiel der Ibis ist, mit dessen Kopf Hermes Trismegistos ebenfalls dargestellt wird. Er brachte nach Platon den Menschen die Schrift sowie alle Wissenschaften und Künste und soll die Hauptstücke seiner Weisheit in verschiedenen Büchern, den Hermetischen Schriften, niedergelegt haben. Hermes Trismegistos gehört zu den alten Philosophen oder Theologen, auf die sich schon die ersten Kirchenväter berufen hatten, um die gebildeten Heiden von der Wahrheit des Evangeliums zu überzeugen, einerseits um zu zeigen, dass auch die größten Philosophen ihre Weisheit einer einzigen Quelle verdankten, andererseits, um die Möglichkeit offenzulegen, dass man beides sein konnte: Anhänger von Platon oder Plotinus (205-270) und von Christus. [63] Es ging darum, die Kenntnis des wahren Systems der Natur und aller anderen Wissenschaften wiederzuerlangen (recouvrer la connoissance du vrai syteme de la nature et de toutes les autres sciences), auch eine natürliche Methaphysik zu erarbeiten und in einer sehr einfachen und natürlichen Anordnung alle Ideen auf ihre Gattungen und ihre Arten zurückzuführen (donner une methaphysique naturelle). Das System konnte auf die Farbenlehre im Sinne von Goethe angewendet werden. Man erhoffte nicht nur etwas über die alte chinesische Musik zu erfahren, "die seit wenigstens anderthalb- oder zweitausend Jahren verloren ist, sondern auch zur Wiedergewinnung dessen, was wir in der griechischen Musik eingebüßt haben. Deren drei Geschlechter oder Systeme das diatonische, das chromatische und das enharmonische, mitsamt allen ihren Tonarten heutzutage nur wenigen bekannt, haben in ihrer ganzen Ausdehnung ihren Platz in diesem System gefunden." Man nahm an, dass es sich um ein und dasselbe System handelt und die Zahlen von Fuxis System diejenigen des Systems Platons seien, das Cicero so dunkel fand. Die heutige chinesische Philosophie enthält allerdings wie die neuere europäische Philosophie viele Irrtümer und Widersprüche; man müsse nun zu den soliden Prinzipien der wahren und legitimen Philosophie ihres ersten Lehrers, Fuxi, zurückführen. "Nachdem in diesem ersten Schritt die so notwendige Verbindung, die zwischen den Prinzipien der wahren Philosophie und jenen der wahren Religion besteht, hergestellt wäre, wie leicht fiele es dann offensichtlich, den chinesischen Philosophen die Absurditäten des Atheismus und aller ihrer anderern Irrtümer und abergläubischen Vorstellungen vor Augen zu führen, den klaren Widerspruch, in dem diese zur alten Philosophie stehen, die ihnen zur Gewissheit geworden wäre. (Après cette demarche par la liason si nécessaire qui se trouve entre les principles de la vraie Philosophie et ceux de la vraie Religion, on voit assez de quelle facilité il seroit de faire reconnoitre aux Philosophes Chinois les absurdités de L'athéisme, et de toutes leurs autres erreurs et superstitions, et l'oposition formelle qu'a tout cela avec cette Philosophie ancienne dont ils auroient compris la certitude)." Auch Leibniz sah sich als einen eifrigen Parteigänger der Chinamission ("un partisan zelé"). Er glaubte auch, dass diese Mission große Auswirkungen auf das Christentum haben werde ("je crois qu'elles seront d'un grand effect pour la religion chrstienne.") Obwohl Leibniz genug zu tun hatte mit der Gründung der Akademie der Wissenschaften und eines Wissenschaftsjournals, setzt er sich immer wieder für die Jesuiten ein: "Es scheint mir nämlich seltsam, dass ein europäisches Gericht über die Klage einiger Europäer entscheiden soll, die aus einem fernen Land zurückgekehrt sind, über das sie möglicherweise unzureichend Bescheid wissen; dass dieses Gericht sich anmaßt, sogar den Kaiser und die weisen des größten Reiches der Welt wegen Idolatrie und Atheismus zu verurteilen, ohne sie anzuhören und ohne ausreichend Kenntnis von Sprache, Sitten und Staatsgeschäften dieses von dem unseren so verschiedenen Landes. So mancher wird sagen, dass ein solches Urteil null und nichtig wäre. (Car il me paroist estrange qu'un tribunal d'Europe juge l'accusation de quelques Europeans revenus d'un pays eloigné, dont on doute qu'ils soyent assez informés, entreprenne de condamner d'idolatrie et d'atheisme même l'Empereur et les sages du plus grand Empire du Monde sans les entendre et sans entendre assez la langue, les customes et les affaires de ce pays si different du nostre. Bien de gens diroit, qu'un tel jugement seroit de toute nullité.)" In den alten Schriften ("Philosophie perennis") soll auch der zukünftige Messias geweissagt worden sein, ebenfalls das Mysterium der heiligen Dreieinigkeit, die künftige Fleischwerdung des Wortes Gottes und den wichtigsten Umständen des Mysteriums unserer Erlösung (mystere de la tres Sainte Trinité, l'incarnation future du Verbe Divin et des principales circonstances du mystere de redemption). Überall in Asien, wo sich auch der Islam inzwischen ausgebreitet hat, werden die Missionare sich dieser neuen Waffen bedienen, um nach und nach "das Reich des Bösen zu zerstören und an seiner Stelle das Reich Jesu Christi auf fester Grundlage zu errichten. (Ce seront de nouvelles Armes dont les Missres se serviront ici pur dtruire peu à peu l'Empire du démons et y establir solidement celui de Jesus Christ.)" [64] In Europa waren die anderen Orden und einige Philosophen wie Blaise Pascal der Ansicht, die Jesuiten würden in China den Götzendienst zulassen, indem sie den Neophyten die Ausübung ihrer einheimischen Riten erlaubten. Dagegen wehrten sich die Jesuiten der Chinamission wie Le Gobien und Bouvet und auch Leibniz. Daran hänge Verderben oder Heil von ganz China (de la décision de laquelle depend la perte ou le salut de toute la Chine.) Beim Studium der alten chinesischen Werke, haben die Patres Endeckungen gemacht, die in "einem ganz besonderen Verhältnis zum Christentum stehen und einen ebenso natürlichen wie gangbaren Weg eröffnen, um den Geist der Chinesen zur Kenntnis nicht nur des Schöpfers und der natürlichen Religion, sondern auch Jesu Christi, seines eingeborenen Sohnes, und der am schwierigsten zu vermittelnden Wahrheiten des Christentums zu leiten." Das gesamte System der wahren Religion, des Christentums, sei in den klassischen Büchern der Chinesen beschlossen, und die "wichtigsten Mysterien: die Fleischwerdung des Wortes, Leben und Tod des Heilands und die wichtigsten Verrichtungen des geheiligten Diestes an ihm, gleichsam auf prophetische Weise in diesen kostbaren Quellen des chinesischen Altertums enthalten. ( ... l'étude de nouvelles découvertes, qui me paroissent D'autant plus importantes, qu'elles ouvrent une route également naturelle et facile pour conduire l'esprit des Chinois, non seulement à la connoissance du Créateur et de la religion naturelle; mais encore à Jesus Christ, son fils unique, et des verit´es les plus difficiles du Christianisme.... le systeme presqu'entier de la vraie Religion se trouve renfermé dans les livres classiques des Chinois; et que les principaux misteres de l'Incarnation du Verbe, de la vie, de la mort du Sauveur, et les principales fonctions de son saint ministere sont contenues comme d'une maniere prophétique dans ces précieux monumens de l'antiquité Chinoise.") Die Zertrümmerung durch die babylonische Sprachenverwirrung sozusagen sei der eigentliche Grund für den allgemeinen traurigen Schiffbruch, den die wahre Religion und die Wissenschaften damals bei allen Völkern erlitten habe. Es gehe also um eine Wiederherstellung dieses alten und universalen Systems der Wissenschaften (rétablir le systeme ancien et universel des sciences); dazu könne man eine kleine chinesische Akademie bilden um gemeinsam daran zu arbeiten das Christentum in China auszubreiten (formant une espece de petite Academie Chinoise ... pour dilater et affermir le Christianisme).Die Patres meinten begeistert, es sei ehrenvoll, auf seinen Spuren zu wandeln und nach seinem Vorbild Licht in Wissenschaften zu bringen, die bisher undurchdringlich schienen. ("Il est bien glorieux, monsieur, de marcher sur vos traces, et de developer à vostre imitation des sciences qui ont paru jusqu'ici impenetrables.") Leibniz ist froh, dass sich die Angelegenheiten der Europäer in China gut entwickeln, "ist doch dabei der Fortschritt des Christentums betroffen. (Je suis ravi d'apprendre que V.R. se porte bien, et que les affaires des Europeens vont bien à la Chine, puisque le progres de la Religion Chrestienne y est interessé.") [65] Auch in theosophischen und alchemistischen Fragen kannte Leibniz sich aus, auch wenn er einige Ansichten als "reine Erfindung einfallsreicher Leute" bezeichnet". Franciscus Mercurius van Helmont (1618-1699), Sohn des Arztes Johann Baptist van Helmont, Alchemist und Theosoph, war befreundet mit der von Leibniz sehr geschätzten Anne Conway (1631-1679), die für die Entwicklung des Leibnizschen Monadenbegriffs eine erhebliche Bedeutung besitzt. Zudem kannte Leibniz van Helmont persönlich, da dieser 1696 als Gast der Kurfürstin Sophie längere Zeit in Herrenhausen verbracht hatte. Fest steht auch, dass Leibniz während seiner Promotion an der Universität Altdorf (Nürnberg) 1667 Mitglied eines rosenkreuzerischen Kreises war, dem auch der ehemalige Präsident des Geheimen Staatsrates des Kurfürsten von Mainz, Freiherr Johann Christian von Boyneburg, angehörte. Durch die Vermittlung Boyneburgs wurde Leibniz in doplomatische und juristische Dienste des Kurfürsten von Mainz berufen. Nicht anders als die großen christlichen Orden, allen voran die Jesuiten, die ganz Asien zum Christentum bekehrten, erblickte auch Leibniz in der weltweiten Errichtung von Akademien das beste Mittel zur Sammlung und Ausbreitung jenes Wissens, das im Rahmen einer christlichen Philosophie den Wahrheiten der Bibel nicht widersprechen würde - im Gegensatz zu den korrumpierten Universitäten heute. Er zeigte, dass "die Kraft das Wesen der körperlichen Substanz ist und dass es sich um die Entelechie der Alten handelt (la force est de l'essence de la substance corporelle, et que c'est l'entelechie des anciens)" und rechtfertigte so "die Alten gegen die zu materialistische Philosophie der Neueren (par le consideration de la force je justifie les anciens contre la philosophie trop materielle des modernes") die von Bouvet gesehene Identität zwischen den binären Zahlen und den Hexagrammen der Fuxi-Figur verschaffte seiner Erfindung die notwendige "utilité" für die Veröffentlichung in der Histoire de l'académie Royale des Sciences. Carlo Maurizia Vota, der im Auftrag des Papstes eine Liga gegen die Türken mit Kaiser Leopold und dem polnischen König verhandelte, bewertete die ganze Angelegenheit sogar höher als die Entdeckung Amerikas. Der Hauptzweck der Missionare sei zwar die Arbeit für die Ausbreitung der christlichen Religion, aber nach Leibniz werden gerade in Hinblick darauf sich die Forschungen zur Sprache und den Hieroglyphen, die kritische Sichtung der alten Bücher und der alten Geschichte Chinas und sogar die Untersuchungen zu den chinesischen Wissenschaften und ihrem Ursprung als sehr wichtig erweisen. "Sie bestätigen die Geschichte der Heiligen Schrift, sie machen die Chinesen empfänglicher für unsere Theologie und leiten sie zurück zur geistigen Verfassung ihrer Ahnen, die derjenigen der alten Hebräer und anderer, noch nicht vom Götzendienst korrumpierter Völker nähergestanden haben dürfte als jener der modernen Chinesen, wie uns das Beispiel des Hiob zeigt, ganz gleich, was einige Gelehrte der Sorbonne dagegen sagen mögen. ( Il est vrai que le principal employ des missionnaires est de travailler à la propagation de la Religion: mais c'est en cela que la recherche de la langue, des hieroglyphes, de la critique des anciens livres et de l'ancienne Histoire de la Chine et même des sciences chinoises et leur origine, se trouvera tres importante, en confirmant l'Histoire de la Sainte Ecriture, en rendant nostre Theologie plus recevable auc Chinois, et en les faisant rentrer dans l'esprit de leur ancestres, que je crois plus approchant de celuy des anciens Hebreux et autres non encor corrompus par l'idolatrie, comme l'exemple de Jop nous fait connoistre, qoyque quelque docteurs de Sorbonne puissent dire à l'encontre.") Mit der Gestalt des Hiob ist das Problem des Heils der Heiden angesprochen, das im 17. Jahrhundert in engem Bezug zur Chinamission stand. Hatten die alten Chinesen den wahren Gottesglauben erhalten und konnten sie deshalb wie Hiob das ewige Seelenheil erlangen? Die Jesuitenmissionare hatten sich für diese Ansicht auf Augustinus berufen. Nach Augustinus war Hiob ein Idumäer, d.h. ein Nachkomme Esaus, des älteren Zwillingsbruders Jakobs, und gehörte damit nicht zum gesegneten Volk Gottes. Leibniz glaubte, dass auch Rom das verstehen würde und die Chinesen könne man empfänglicher machen "für einen der großen Glaubensartikel unserer Religion und Methaphysik (Je croy qu'à Rome meme la connoissance de cette decouverte pourra faire un bon effect, pour donner une mailleure opinion de l'antiquité reculée de ces peuples eloignés. Et aupres des Chinois mêmes alle peut servir à leur rendre plus recevable un grands articles, et non pas plus aisés de nostre religion, et nostre Metaphysique.") [66] "Es wird nützlich sein, in den klassischen Büchern der Chinesen etwas zu finden, das einen Bezug zu unserer christlichen Religion aufweist, so wie es eine Platonstelle gibt, die der Menschheit einen Messias in Aussicht zu stellen scheint. Vor allem aber wird es aber erforderlich sein, diese Bücher so auszulegen, dass sie mit der natürlichen Theologie zumindest nicht in Widerspruch stehen, ja diese vielmehr bestätigen. (Il sera tres utile de trouver dans les livres classiques des Chinois quelque chose qui ait du rapport à nostre religion, comme il y a un passage de Platon, qui semble faire esperer un Messie au genre humain. Mais il sera sur tout necessaire d'expliquer ces livres en sorte qu'ils ne choquent point au moins la Theologie naturelle, et qu'ils la confirment plustost.") [67] - Gottfried Wilhelm LeibnizLeibniz interessierte sich für die Reisebeschreibungen der Mönche, die Reisen nach Asien unternommen hatten und die Sprachen in Asien, ob die Sprache von Barantola (der mongolische Name für Lhasa) dieselbe sei wie die der Mongolen und ob die Schriftzeichen der Leute von Barantola übereinstimmen mit denen der östlichen Tataren (Manjuren). Ihm wurde berichtet, dass es in der ganzen Tatarei nur zwei Sprachen gebe, das Manjurische, das ist die Sprache der östlichen Tataren, die China erobert haben und sich selbst Manjuren nenenn, und das Mongolische, die Sprache der westlichen Tataren, deren Siedlungsgebiete nördlich von Peking beginnt und sich dann nach Westen erstreckt und nach Süden bis zum Land des großen Lama ("pays du grand Lamas", Tibet) herabreicht. Diese beiden Sprachen seien vollkommen voneinander verschieden. Die östlichen Tataren ("Tartares oeientaux", Manjuren) wären dermaßen ungeschliffen gewesen, dass sie vor ihrer Eroberung Chinas überhaupt keine Schriftzeichen gekannt hätten. Das Mongolische sei die Sprache der Tibeter, da die in der ganzen westlichen Tatarei verbreiteten Lamas fortwährend den großen Lama in Barantula aufsuchen und auch fortwährend Lamas von dort kommen. Die westlichen Tataren pflegen ebenfalls dorthin zu pilgern. ("Les Tartares occidentaux y vont aussi en pelerinage"). Wie in anderen Ländern, breitete sich auch hier der Islam zu weit aus; so gehörte Yarkand, das damals zum Fürstentum Kasgar gehörte, auch zum islamischen Clan der Chodscha. Auch Usbekistan war islamisch. Deswegen war der Landweg von China bis nach Persien schwierig. Der Kaiser von China hatte Bedenken, die Patres über den Landweg zu schicken. "Ich glaube aber, dass ihm dabei Bedenken kamen, und zwar, dass die Bedenken von den Usbeken herrührten, die der Kaiser nicht kennt und die fortwährend untereinander Krieg führen, so dass man nicht von einem ihrer Staaten in einen anderen überwechseln kann. (je croy qu'il y trouva de la difficulté depuis, et que cette difficulté venoit des Usbeks, qu'il ne connoit pas, et qui sont continuellement en guerre entre eux, de sorte qu'on ne peut pas y passer d'un estat dans un autre.") Auch alte Reisebeschreibungen waren interessant. So machte sich im Auftrag Ludwigs IX. (reg. 1226-1270) der Flame Wilhelm von Rubruk mit mehreren Begleitern im Frühjahr 1253 vom noch christlichen Konstantinopel auf den Weg zu dem Mongolen-Khan Sartaq (reg. 1256-1257). Das eigentliche Ziel bestand darin, Bundesgenossen im Kampf gegen die Mohammedaner und zur Befreiung des Heiligen Landes zu finden. Der Brief des Königs, den Rubruk bei sich trug betonte als Hauptzweck der Reise die Mission, die Christianisierung Asiens und, da scheinbar der Khan selbst Christ geworden, die Bitte, zu diesem Zweck im Lande verweilen zu dürfen. Der Reiseweg führte über das Schwarze Meer, durch die Krim, Südrussland und weiter ostwärts durch Zentralasien bis nach Qaraqorum, zur Residenz des Großkhans Möngke (reg. 1251-1259), der ihm zwei Audienzen gewähren sollte.Dort hielt er sich mehrere Monate auf, bvor er 1255 über Syrien nach Tripolis zurückkehrte. Den Bericht dieses Mönches, den "der Heilige Ludwig zum Khan der Mongolen oder westlichen Tataren geschickt hatte", studierte Leibniz in Bezug auf die Geographie der Tatarei, schließlich waren sie damals Herren von ganz Skythien und eroberten wenig später China. ("que S. Luis avoit envoyé au chan des Mogalles ou Tartares occidentaux qui estoient alors les maistres de toute la Scythie et se rendirent un peut apres maistres de la Chine.") In der Reihe der chinesischen Dynastien beginnt die mongolische Yuan-Dynastie (1272-1368), nachdem Khubilai Khan (reg. 1260-1294) den Regierungssitz von Qaraqorum nach Khanbaliq (Peking) verlegt hatte. Nachdem also der Mönch die Wolga überquert hatte, kam er nach zwölf Tagesreisen zum Jayk-Fluß, der ins kaspische Meer mündende Ural-Fluß. Er kam durch das Land der Cangle (Qangli), eines türkischen Stammes nördlich des Aral-Sees, "das sehr arm an Wald wäre. Am 31. Oktober ließ ihn sein Führer ein wenig nach Süden schwenken, und am 8. November kamen sie zu einer Stadt namens Kenkat, die von Mohammedanern bewohnt wurde. (... ils vinrent à une ville nommée Kenkat habitée par des Mahometans.") - Mohammedaner oder Moslems, also Anhänger des Muhammad, fassten teils im 7. Jahrhindert in der chinesischen Provinz Fujian erstmals Fuß und entwickelten sich in der Song-Zeit zu einer großen Gemeinde arabischer, persischer und türkischer Herkunft, teils gelangten sie im 13. Jahrhundert durch die Westerweiterung Chinas unter den Mongolen aus Zentralasien nach China und entwickelten zum Leidwesen der Chinesen ein auf dem Koran basierendes Bildungssystem (Koranschulen). - Doch nun weiter zur Reisebeschreibung: Sie überquerten Flüsse und Gebirge wie das Kirgizskü-Gebirge und erreichten schließlich eine Stadt namens Equius, dem heutigen Yining, "wo Mohammedaner lebten, die Persisch sprachen, obwohl sie weit entfernt waren von Persien (ils trouverent une ville nommée Equius oú estoient des Mahumetans qui parloient Persian quoyqu'ils fussent loin de la Perse.") Sie kamen durch die Ebene nördlich der Stadt Alma-Ata, durch Qayaliq in der Region Kopal, östlich des Baikal-Sees und nördlich des Ili-Flusses. Diese Länder waren von den Cantomanen oder Turkomanen (heute Turkmenen) besetzt. An dieses Land stieß das Land der Juguren, heute Uiguren, deren Siedlungsgebiete durch die Wüste Gobi getrennt südlich von Qaraqorum in Turkestan und im heutigen China (Xinjiang) liegen. Qaraqorum ist die alte Hauptstadt der Mongolen, die von Ögödei (reg. 1229-1241) am Orkhon-Fluss errichtet wurde. Der Autor des Berichtes fügt hinzu, dass Quelle und Ursprung der türkischen und der kumanischen Sprache bei den Juguren (Uiguren) kiegt. "Vielleicht meint er damit, dass die türkische Sprache dort in aller Reinheit und in ihrem vollen Glanz gesprochen wurde und dass dort die Gelehrten und Gebildeten saßen." Hinter den Uiguren in östlicher Richtung war das Land der mit den Tibetern verwandten Tanguten und noch weiter östlich daneben Tibet. Dann durchquerten sie ein Land, ehemals Untertanen des Priesters Johannes. Dieser sagenhafte Priesterkönig erscheint in europäischen Quellen als Verbündeter gegen den Islam oder die Mustlemanen, wie die Anhänger des Islams dort auch genannt werden, seit Mitte des 12. Jahrhunderts. Ein wohl um 1160 entstandener, dem Presbyter Johannes zugeschriebener Text bewirkte, dass man ihn im 13. Jahrhundert im Mongolenreich vermutete. Das zeigen neben anderen Reiseberichten Wilhelm von Rubruk und Marco Polo. [68] Zur Newton'schen Optik, die auf Drängen Leibniz' 1704 veröffentlicht wurde, schreibt Leibniz: "Es ist eines der hervorragendsten Werke unserer Zeit und stößt vollständig die Vorstellungen um, die Descartes uns über die Beschaffenheit der Lichtstrahlen vermittelt hat... Man muss allerdings zugeben, dass Newton es nicht unternimmt, die Ursachen dieser Erscheinungen anzugeben. Das muss der Nachwelt überlassen bleiben. (C'est un ouvrage des plus excellense de nostre temps, et qui renverse entirement les ideés, que Des Cartes nous a données sur la nature des ryons de lumiere... Il faut avouer cependant, qu'il n'entreprend point de donner les raisons de ces choses, qu'il faut laisser à la posterité.") Später hatte Goethe die Newton'sche Farbenlehre berichtigt und die Gründe angegeben. [69] Da der Kaiser in China den Christen erlaubt, in Frieden zu leben und sogar das Evangelium zu verkündigen, kann man die Dinge sagen wie sie sind. (puisque l'Empereur permit aux Chretiens de vivre en paix et même d'annoncer l'Evangile à ses propres sujets tant Tartares que Chinois.... Dire les choses commes elles sont). Auch über Buddha, also Fo-chin, die Konfuzianer, also die Ju-chia oder den Sufismus. Der Sufismus, ein islamischer Mystizismus, entwickelte auf der Grundlage des Korans im 7. und 8. Jahrhundert eine pantheistische Mystik. Höchstes Ziel des Menschen ist das Aufgehen in Gott, vergleichbar mit einem Tropfen Wasser, der ins Meer fällt; die Unsterblichkeit der Einzelseele wird wie bei Averroes geleugnet. Gegen den Suffismus, den Averroismus und den Spinozismus wendet sich auch Leibniz. Spinoza habe aus Kabbala und Kartesianismus seine widernatürliche Lehre gebildet. Man werde - so Leibniz - "jene gottlosen oder hohlen Lehren geringschätzen, die Gott und Schöpfer miteinander vermengen." Nach Spinoza existiert notwendig nur eine einzige, in ihren Attributen uneingeschränkte Substanz, nämlich Gott. Pierre Bayle kritisierte Spinozas Gottesbegriff als Pantheismus, der einem systematischen Atheismus gleichkomme, und bezeichnete Spinozas Auffassung, nach welcher der Mensch nur eine Modifikation Gottes sei, als unmoralisch - der Mensch wäre dann für sein eigenen Handeln nicht verantwortlich. [70] "Den richtigen Weg beschreiten, die Philosophie für den Schulgebrauch zu verbessern und darzustellen, so dass ein Jugendlicher nicht an verdrießlichen Prinzipien herangebildet wird." - Gottfried Wilhelm LeibnizÄhnlich wie Augustinus und Thomas von Aquin, meint Leibniz, dass Dämonen "ihnen untertane Körper besitzen", wie man dies bei manchen Personen erkennen kann, nicht zuletzt bei falschen Propheten wie Marx und Mohammed oder Muhammad. Von denen sind die eigentlichen "himmlischen Wesen" (ourániai ousíai) zu unterscheiden; Dionysios Areopagita hat sie in drei Triaden gegliedert: Erstens "die, die immer um Gott steht und... ohne Vermittlung mit ihm eins geworden ist", nämlich die Throne, die Cherubim und Seraphim. Die zweite sei die von den "Mächten (exousiai) und Herrschaften (kyriótetai) und Kräften (dynámeis) ausgefüllte, und die dritte im Bereich der letzten himmlischen Hierarchien sei der Engel und Erzengel und Prinzipien (archai)." Leibniz sagt nicht, dass jede Entelechie ein Geist sei und er würde diese Bezeichnung lieber den vernunftbegabten Entelechien vorbehalten. "Das nicht jede Entelechie tatsächlich der Vernunft fähig ist, habe ich schon längst gesagt, da nicht jede ihrer selbst bewusst oder mit einer reflexiven Handlung ausgestattet ist. Dies haben, wenn ich mich nicht irre, die Peripatetiker, vor allem die Thomisten, die sogar unteilbare Seelen der Tiere kennen, bereits bemerkt. Daher besitzen die Seelen der Tiere keine Person, und ebenso besitzt unter den uns bekannten Lebewesen allein der Mensch die Unsterblichkeit der Person." (Leibniz) [71] "Die Entelechie ändert ihren organischen Körper oder ihre zweite Materie, doch ihre eigene erste Materie ändert sie nicht. Herr Bayle scheint meine Ansicht darüber nicht ganz erfasst zu haben." - Gottfried Wilhelm Leibniz 10. Francesco Conte Terzi de Lana (1631-1687) und Silvestro Mauro (1619-1687)Leibniz setzte sich dafür ein, dass den Gelehrten die "Freiheit des Philosophierens" eingeräumt werde; dies erzeuge Wetteifer und stachele die Talente an. "Im Gegensatz dazu werden die Geister durch Knechtschaft niedergeworfen, und man kann nichts Hervorragendes von denen erwarten, denen man nichts erlaubt." Rechtschaffene müssten dem entgegentreten. Es sei zwar gestattet, Ehren und Annehmlichkeiten denen zu verweigern, die zu Ansichten neigen, die uns unpassend scheinen, "die eigene zu erpressen und mit immer mehr Proskriptionen, Fesseln, Galeerenstrafen und noch schwereren Übeln zu wüten, halte ich nicht für erlaubt." Man solle sich lieber auf wichtigere Dinge konzentrieren und die Muße haben, die angeseheneren Scholastiker durchzumustern; so könne vieles gesammelt werden, was zur neueren Philosophie passe. "Allein schon der hl. Thomas von Aquino würde ein gewaltiges Material dieser Art ergeben." Auch an Aristoteles könne man sich halten, allerdings sollte man, wie der Jesuit und Pionier der Luftfahrt Francesco Conte Terzi de Lana (1631-1687), keinem der mittelalterlichen Aristotelesinterpreten vor Thomas von Aquino den Vorzug geben, also vor allem nicht Averroes. Heidnische Schriften, vor allem die der Moslems müssen aufgrund des "Grades der Bosheit" und der "Überwindbarkeit des Irrtum oder der Unwissenheit" beurteilt werden; inwiefern sie dann eine Strafe verdient haben, sei dem göttlichen Urteil zu überlassen. Die Paraphrasen zu sämtlichen Werken des Aristoteles von Silvestro Mauro (1619-1687), italienischer Jesuit, der nach strengem Thomismus Philosophie und Theologie Macerata und Rom lehrte, hatte auch Leibniz gelesen. "Diese Paraphrase wird nicht bloß von Francesco Lana, sondern von allen italienischen Schriftstellern, die dieses Werk erwähnen, nachdrücklich empfohlen", so als ob sie Aristoteles aus dem Dunkel, in das er durch Übersetzungen des Averroes gehüllt war, ans offene Licht befördert hätte. Silvester Mauro sei erstaunlich scharfsinnig gewesen in der "Untersuchung und angemessenen Erklärung des Denkens zweier Fürsten der Schule, Aristoteles', wie gesagt, und des hl. Thomas, sodass man bedauern muss, dass ein so nützliches Werk in dieser Gegend fast unbekannt ist." [72]"Verfolgungen wegen Ansichten, die keine Verbrechen lehren, halte ich aber für das Schlimmste... Es ist sehr schädlich, wenn die Meinungsfreiheit Tag für Tag durch unnötige Definitionen eingeschränkt wird" - Gottfried Wilhelm LeibnizFrancois Véron (1575-1649) trat in Paris gegen den Calvinismus auf und predigte zeitweise vor Tausenden Zuhörern. Wichtige Persönlichkeiten konvertierten unter seinem Einfluss. Besonders scharf griff Véron die Jansenisten an. Zu den wichtigsten seiner 80 Publikationen zählen "La méthode nouvelle, acile et solide de convainere de nullité la religion prétendue reformeé", 1615; "Méthode de traiter des Controverses de la religion par la seule Ècriture Sainte", 1615; "Régle de la foi catholique", 1649. Auch Leibniz hat seine Bücher rezipiert, schließlich ging es ihm wie den Jesuiten um die Feststellung, dass "alle Schwieringkeiten, die der christlichen Religion widerstreiten, allein mit Hilfe der aristotelischen Logik weitestgehend behoben werden können." Leibniz meint daher auch, es bleibe in der Ansicht aller Protestanten, die versichern, dass zugleich mit dem Empfang des Brotes der Körper Christi perzipiert würde, genauso wie bei den Katholiken noch erklärungsbedürftig, auf welche Weise dieser unverletzlich heilige Körper zugleich mit den Dimensionen des Brotes durchdrungen werden könne. "Diese Durchdringung fordern nämlich all jene, die mit uns gegen die Reformierten an der realen Gegenwart Christi festhalten." Warum aber der Vatikan heute industriell erzeugte Hostien erlaubt, ist nicht nachvollziehbar. Der Vatikan hat zwar dazu ermahnt, Hostien und Wein für die Kommunion nicht ungeprüft im Internet oder in Supermärkten zu kaufen. Angesichts "eines geringer werdenden Respekts vor dem Heiligen" müssten die Bischöfe sicherstellen, dass nur "geeignete Produkte" verwendet würden, heißt es in einem Rundschreiben der für die Sakramente zuständigen Kongrgation an die Bischöfe der Weltkirche - trotzdem sollen Hostien und Wein aus gentechnisch veränderten Zutaten weiterhin erlaubt sein. Dabei könnte man stattdessen nur natürlich gebackenes Brot erlauben wie beispielsweise in der griechisch-orthodoxen Kirche. Auch bezüglich der geistigen Wesen hat Leibniz ähnliche Auffassungen wie die Jesuiten: "Die Engel mögen ohne weiteres einen Körper durch eine Relation, ja durch eine Union haben, wie sie von den alten Peripatetikern zwischen den Intelligenzen und Himmelskörpern behauptet wurde, aber nicht so, wie sie zwischen Seele und Körper des Menschen besteht." [73] Später schreibt Leibniz allerdings, die véronsche Methode verdiene nicht, dass man ihr Beachtung schenke, da sie nur ein Missbrauch der Logik sei. Nicole habe sie ein wenig abgewandelt, indessen komme auch in seinem Werk über die Kirche nichts von Bedeutung vor. Wenn derlei Argumente auf aristotelische Art in eine logische Form gebracht würden, brächen sie sofort zusammen. "Und darum lobe ich die aristotelische Logik mit Recht." Pierre Nicole (1625-1695), der an der Sorbonne studierte und lehrte und eng mit Arnauld zusammenarbeitete, auch an Blaise Pascals "Pensées" und dessen projansenistischen "Lettres Provinciales" mitwirkt, war ein Gegner von Leibniz. Bertold Nihus (1590-1657), der Philosophie und Medizin studierte, zum Katholizismus konvertierte und später am Weimarer Hof Prinzenerzieher wurde, sah das ähnlch wie Leibniz: "Nihus hatte sich vorgenommen zu zeigen, dass von den Protestanten keine Beweise gegen uns gebracht werden, was Bayle im Artikel Nihus nicht leugnet." Georg Calixt (1586-1656), lutherischer Geistlicher und Theologieprofessor in Helmstedt strebte eine Versöhnung der christlichen Kirchen an. Das zu diesem Zweck 1645 vom polnischen König mit abendländischer Dimension veranstaltete Religionsgespräch in Thorn scheiterte an einigen bornierten Reformierten. [74] Darin bestehe also
das metaphysische Band zwischen Seele und Körper, die eine grundlegende
Einheit - unum suppositum - ausmachen, und diesem analog sei "die Vereinigung
der Naturen in Christus. Und das ist es, was das unum per se oder das eine
Zugrundeliegende ausmacht... Die einfachen Substanzen oder Monaden sind
entweder intelligent oder vernunftlos. Die intelligenten werden Geister
genannt und sind entweder ungeschaffen oder geschaffen. Der geschaffene
ist entweder angelisch oder menschlich, welcher auch Seele genannt wird."
(Leibniz) Unter den Menschen sind meist vernünftige, aber auch vernunftlose
Seelen bekannt. Die vernunftlosen Monaden sind entweder empfindsam oder
bloß vergetierend.
11. Francisco de Suarez (1548-1619) war als "Doctor eximius" führender Philosoph der spanischen ScholastikDionysios Areopagita spricht in seinem Werk "Göttliche Namen" von der symphia (Zusammenwuchs, Verwandschaft) alles Seienden; daran anknüpfend ist seit Thomas von Aquin mit "connaturalitas" die ursprüngliche Gleichnatürlichkeit von Erkennendem und Erkanntem angesprochen. Insbesondere kommt dies im Sinne einer unmittelbar-intuitiven Erkenntnis (F. Suarez) zum Tragen. Der Term blieb auch außerscholastisch bis heute in Verwendung, vor allem mit Bezug auf Moral, Ästhetik und Mystik. Francisco de Suarez (1548-1619) war als "Doctor eximius" führender Philosoph der spanischen Scholastik. Er lehrte Philosophie in Avila und Segovia, später in Valladolid, Rom, Alcalá, Salamanca und Coimbra. Er kommentierte die Summa Theologiae von Thomas von Aquin. Auch wenn mehrere Anzeigen gegen ihn bei der Inquisition liefen, wurde der Suarezianismus als umfassende christliche Durchdringung der Philosophie und Wissenschaft von den Jesuitenoberen Acquaviva und M. Vitelleschi sowie Papst Paul V. unterstützt. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts galt er auch an protestantischen Universitäten als "Papst und Oberhaupt aller Metaphysiker". Er schrieb eines der ersten und einflussreichsten Metaphysik-Handbücher überhaupt. Auch Leibniz rezipierte seine Werke und kann als ein über Suarez hinausgehender Suarezianer betrachtet werden, wodurch Leibniz' Affinität zu den Jesuiten auch philosophisch begründet ist. [75]Auch wenn sich in manchen Städten Chinas der Islam und damit eine unheilbringende Sekte zu weit ausgebreitet hat wie in Xian zum Beispiel, so haben die Jesuiten die Grundlage geschaffen, dass sich das Christentum in China und anderen asiatischen Ländern entwickeln konnte. Die zwischen 1699 (Grundsteinlegung) und 1703 errichtete Jesuitenkirche in der Kaiserstadt, die vom Kangxi-Kaiser auch materiell massiv unterstützt wurde, war die vierte Kirche in Peking. Dazu schreibt Des Bosses an Leibniz: die prächtige christliche Kirche in Peking, zu der die Unsrigen den Grundstein gelegt haben, "wurde schließlich durch freizügige und mildtätige Finanzierung des chinesischen Kaisers fortgeführt und vollendet; dieser setzte höchstselbst eine an den Toren anzubringende Inschrift auf und schrieb sie mit eigener Hand und befahl, dass sie in goldenen Schriftzeichen auf einer erhabenen Tafel in balkenförmigen Lettern eingemeisselt" und in einer Art Triumpfzug zur Kirche befördert und schließlich an der Vorderseite der Kirche angebracht werde. Die Inschrift lautet: "Am Anfang aller Dinge: Hier ist der wahre Herr, Schöpfer von allem und Lenker: Er hat keinen Anfang und er wird kein Ende haben. Der unendlich Gerechte prüft, bewahrt, stärkt alles mit höchster Güte und Gleichmaß." [76] Während eines
Essens beim Grafen Schlick, dem künftigen Kanzler von Böhmen,
am 16 Februar 1713 verteidigte Leibniz im Streit mit Schlick und Prinz
Eugen die jesuitische Toleranz der chinesischen Riten. Einen Brief von
Des Bosses "habe ich großen Männern gezeigt", die seinen Ansichten
über China wenig gewogen waren "und durch meine Gründe etwas
zu wanken schienen." Sie wunderten sich zwar, dass Leibniz sich für
die Jesuiten einsetzte, "aber ich bin immer für die Wahrheit eingetreten,
sobald ich sie erkannt habe." Leibniz meint, es gebe kein Volk, das zeremonienfreundlicher
sei als die Chinesen, und ihre Sitten könnten nicht auf unsere übertragen
werden. Der Kult bestehe nicht so sehr in den Riten als in der Gesinnung.
Daher werde man darauf achten müssen, mit welcher Gesinnung die Chinesen
Vorfahren oder besonders Verdienste verehren. "Was die alten Mysten und
Philosophen der Chinesen gemeint haben, ist Sache keiner leichten Untersuchung.
Wir wissen, wie viel bei uns im kräftigen Licht der Geschichte, der
Kritik und der Philosophie über das Denken bei Platon, Aristoteles
und sogar des göttlichen Augustinus gestritten wird. Bei den Chinesen
ist, glaube ich, weder die Geschichte noch die Kritik noch die Philosophie
hinreichend ausgebildet. Noch ist niemand aufgetreten, der eine Literaturgeschichte
der Chinesen verfasst und jedem Autor dessen echte Werke, dessen Meinungen
und Gedanken zugewiesen hätte. Auch befürchte ich, dass Altes
sehr verfälscht worden ist." [77]
12. Leibniz über George Berkeley (1685-1753), spiritualistische Mystik, HobbesLeibniz zu George Berkeley (1685-1753), der Philosophie lehrte in Dublin, London, Italien und Newport/Rhode Island /Amerika: "Der in Irland die Realität der Körper bekämpft, scheint keine brauchbaren Gründe anzuführen und seinen Gedanken nicht ausreichend zu entfalten. Vermutlich gehört er zu jener Art von Menschen, die durch Paradoxe bekannt werden wollen." [78]"Die Wahrhaftigkeit der Sinne besteht ja darin, dass die Phänomene untereinander zusammenstimmen und wir durch die Vorgänge nicht betrogen werden, wenn wir den durch Erfahrungen gestützten Gründen ehrlich folgen." - Gottfried Wilhelm LeibnizVor allem in England entwickelt sich eine spiritualistische Mystik, wie sie sich im 17. Jahrhundert in Cudworth und More ausprägt, die in verschiedenen Denkweisen, wie den "hylarchischen Prinzipien", den letzten Halt gegen das siegreiche Vordringen der modernen, Cartesischen Denkart sucht. Leibniz weist diese Lehre zurück. Auch Descates, der das Wesen des Naturkörpers in die Ausdehnung setzt und damit die Herrschaft des reinen mathematischen Denkens über die konkrete Wirklichkeit proklamiert, kann Leibniz' Zustimmung nicht finden. Denn die Konsequenz dieser Anschauung ist, wie oben dargestellt, dass den Tieren nicht nur eine immaterielle, unteilbare Seele, sondern dass ihnen auch die Empfindung abgesprochen wird. [79] Seit Thomas von Aquin und später der Renaissance tritt der Widerstand gegen den Averroismus energisch hervor. Nach Thomas von Aquin ist es vor allem Pietro Pomponazzis Werk über die Unsterblichkeit der Seele, das diese neue Wendung vertritt. Leibniz hält am Gedanken der Unsterblichkeit fest und wendet sich auch gegen die Ansicht des Hobbes, nach dem alle Wahrheiten willkürlich sein sollen. Hobbes meinte, alle Wahrheiten könnten aus Definitionen hergeleitet werden, die nach seiner Annahme willkürlich und bloße Worterklärungen seien, da es ja in unserem Belieben stehe, die Dinge zu benennen, und so hielt er auch die Wahrheiten für bloße Namen und für völlig willkürlich. In der Erkenntnistheorie blieb er so weit hinter Leibniz und Goethe zurück. Augustinus und später Goethe setzen wie Leibniz auf den Nutzen und die "Übereinstimmung der Phänomene". Sei nun einmal die Glaubwürdigkeit der Sinne und der anderen Zeugnisse festgestellt, so lasse sich eine "Geschichte der Phänomene" und, wenn man abstrakte, aus der Erfahrung gewonnene Wahrheiten damit verknüpfe, schließlich "Wissenschaften gemischten Charakters" begründen. Es bedürfe aber einer ganz besonderen Kunst, um die Erfahrungen so anzustellen, anzuordnen und zu verbinden, dass sich daraus nützlich Induktionen ergeben, die Ursachen aufgedeckt und richtige allgemeine Beobachtungen und Begriffe festgesetzt werden. Leibniz unterscheidet zwischen wahren und falschen Ideen. [80] "Hieraus lässt sich schließlich erkennen, dass die Berufung auf Ideen nicht immer einwandfrei ist, und dass viele diesen blendenden Namen missbrauchen, um ihren Einbildungen Geltung zu verschaffen." - Gottfried Wilhelm Leibniz 13. "wahre Physik", "wahre Philosophie", "Prinzip aller Wissenschaft" - Cartesianer, Neucartesianer, Isaak Newton, John LockeMan dürfe deshalb keine notwendige Prämisse auslassen, und alle Pämissen müssen schon vorher entweder bewiesen sein oder doch als Hypothese angenommen werden, "in welch letzterem Falle dann auch der Schluss nur von hypothetischer Geltung ist. Beachtet man dies sorgsam, so wird man sich leicht vor trügerischen Ideen zu schützen wissen." Habe man die richtigen Ideen ersteinmal erfasst, könne nur "das Eindringen einer neuen Barbarei die Wissenschaften selbst im Menschengeschlecht untergehen." Wer also von der Wahrheit dieser Ideen, von der christlichen Religion und ihren Folgerungen fest überzeugt ist und zugleich "in seiner Liebe zum Menschengeschlechte dessen Bekehrung ersehnt", der werde sicherlich, sobald er die wahre Philosophie begriffen, gestehen müssen, dass ausser den Wundern und den Taten der Heiligen oder den Siegen der christlichen Herrscher, zur Ausbreitung der christlichen Religion kein wirksameres Mittel gedacht werden könne, als diese Philosophie und Wissenschaft. - Die heutige materialistische Philosophie und Wissenschaft, wie sie an den meisten Universitäten gelehrt wird, ist von dieser Idee allerdings noch weit entfernt. [81]"Denn wenn einmal die Missionare diese Sprache werden einführen können, dann wird auch die wahre Religion, die mit der Vernunft in genauer Übereinstimmung steht, festgestellt sein und einen Abfall von ihr wird man in Zukunft ebensowenig zu fürchten haben, als man eine Abkehr der Menschen von der Arithmetik und Geometrie, die sie einmal gelernt haben, befürchtet." - Gottfried Wilhelm LeibnizMan müsse verstehen, dass die "wahre Physik" aus den Quellen der göttlichen Vollkommenheit abzuleiten sei. Der christliche Gott, der auch in den Urreligionen zu finden ist, sei der letzte Grund, die Erkenntnis von ihm daher ebenso das "Prinzip aller Wissenschaft", wie seine Wesenheit und sein Wille die Prinzipien aller Dinge seien. Je mehr man in die Tiefen der Philosophie eindringe, um so mehr gelange man zu dieser Einsicht. Die Philosophie erhalte durch Zuflüsse aus dem heiligen Quell der natürlichen Theologie ihre Weihe. Keineswegs dürfe die Wissenschaft die Zweckursachen und den Gedanken an einen Geist von vollkommener Weisheit, dessen Tätigkeit auf das höchste Gut gerichtet sei, zurückweisen: "Güte und Schönheit sind nichts willkürliches, wie von Descartes, oder etwas nur für uns Gültiges, Gott dagegen Fremdes, wie von Spinoza angenommen wird. Vielmehr leiten sich gerade die Hauptsätze der Physik aus dem Begriff einer geistigen Ursache ab. Vortrefflich hat dies schon Sokrates in Platons Phaidon bemerkt, indem er gegen Anaxagoras und die übrigen, allzu materialistischen Philosophen zu Felde zieht, die zwar ein der Materie übergeordnetes Verstandesprinzip anerkennen, sich seiner aber bei der philosophischen Erklärung des Universums nicht bedienen. Wo zu zeigen wäre, dass der Geist alles aufs beste ordnet, und dass er der Grund aller Dinge ist, deren Hervorbringung er seinem Plane gemäß beschließt, greifen sie lieber zur Bewegung und zum Stoß der rohen Körper, indem sie die bloßen Bedingungen und Werkzeuge mit der wahren Ursache verwechseln." Im Gegensatz zu der Annahme Kants, könne hierin eine echte Versöhnung zwischen Glaube und Vernunft liegen. [82] Zur wahren Physik zählt natürlich, dass man nicht eine "recht sonderbare Meinung von dem Wirken Gottes" habe, wie Newton und seine Anhänger. Auf Grund der Erwägung, dass alle Körper zuletzt aus absolut unelastischen Partikeln bestehen, bei jedem unelastischen Stoß aber mechanische Energie verloren geht, hatte Newton das Prinzip der Erhaltung der lebendigen Kraft verworfen und den Satz aufgestellt, dass die Gesamtsumme der Bewegung in beständiger Abnahme begriffen ist, dass daher das Universum zu seinem Fortbestand eines von Zeit zu Zeit erneuerten "Anstoßes" von Außen bedürfe. Nach Newton habe Gott nicht genügend Einsicht besessen, um der Welt eine immerwährende Bewegung zu verleihen, ähnlich wie eine Uhr immer wieder aufgezogen werden müsse - was aber hieße eine "recht niedrige Vorstellung von Gottes Macht und Weisheit haben". Leibniz meint, die Prinzipien der Materialisten trügen zwar viel dazu bei, den Unglauben zu unterstützen, die Meinung aber, dass mathematische Prinzipien der Philosophie denen der Materialisten entgegengesetzt seien, halte er für grundlos. Im Gegenteil, es seien diesselben, "nur dass Materialisten wie Demokrit, Epikur und Hobbes sich auf die mathematischen Prinzipien beschränken und einzig Körper, die christlichen Mathematiker dagegen außerdem noch immaterielle Aubstanzen gelten lassen. Somit sind es nicht die mathematischen Prinzipien - im gewöhnlichen Sinne des Wortes - sondern die metaphysischen Prinzipien, die man den Materialisten entgegenstellen muß. [83] Leibniz unterscheidet zwischen einem mohammedanischen, einem stoischen und einem christlichen Fatum. Dem mohammedanischen gemäß sollen die Wirkungen, die absolut notwendig sind, auch dann eintreffen, wenn man die Ursachen vermeidet - was natürlich nichts anderes ist als ein "unvernünftiger Starrsinn". Das stoische Geschick verlangt Gelassenheit: man soll sich gewaltsam in Geduld fassen, da jede Auflehnung gegen des Lauf der Dinge nutzlos ist. Neben beiden gibt es aber auch ein christliches Fatum. Wer sich dieser Bestimmung in der "Erkenntnis der göttlichen Vollkommenheiten, somit in der Liebe zu Gott, unterwirft - denn diese besteht in der Freude, die aus jener Erkenntnis erwächst - der fasst sich nicht nur, wie die heidnischen Philosophen, in Geduld, sondern ist selbst mit allen Anordnungen Gottes zufrieden, da er weiß, dass Gott alles zum Besten wendet und nicht nur zum allgemeinen Besten, sondern auch zum größten Wohl aller, die ihn lieben." [84] "Die oberflächliche Philosophie, wie die der Anhänger der Atome und des Leeren, schmiedet sich Dinge zurecht, die vor höheren Gründen nicht standhalten." - Gottfried Wilhelm LeibnizEntgegen der neueren Physik und Astrophysik, meint Leibniz. er habe bewiesen, dass der Raum nichts anderes als eine Ordnung der Existenz der Dinge sei, sofern sie in ihrer Gleichzeitigkeit aufgefasst werden. "Die Fiktion eines materiellen begrenzten Universums, das in seiner Gesamtheit in einem unbegrenzten leeren Raume umherwandert, ist daher unzulässig. Sie ist gänzlich unvernünftig und unbrauchbar." Es sind das Phantasiegebilde von Philosophen, die bei unvollständigen Begriffen stehen bleiben. Die einfachen Mathematiker, die sich nur mit dem Spiele der Einbildung genügen, mögen sich wohl derartige Begriffe schmieden, die jedoch durch höhere Gründe zunichte werden. Das Prinzip des zureichenden Grundes allein bringe alle diese phantastischen Trugbilder zum Verschwinden. Besonders die heutigen Astrophysiker erdichten sich leicht Fiktionen, wenn man dieses "gewaltige Prinzip nicht richtig anwendet." Ebenfalls stelle man die Dinge auf den Kopf, wenn man den Geistern Ausdehnung gebe, wie dies im Spiritualismus eines Henry More der Fall ist. Nach der Lehre Henry Mores rührt die Bewegung und das Leben der Materie von einem eigenen "spirituellen" Prinzip her, das zu ihr hinzutritt. Dieses geistige oder "hylarchische" Prinzip nimmt an der Ausdehnung der Körper zwar teil, unterscheidet sich aber von ihnen dadurch, dass bei ihm das Merkmal der Undurchdringlichkeit wegfällt. Jedem Körper kommt neben seinem sinnlich-räumlichen Volumen eine qualitative "Wesensdichtigkeit" ("spissitudo essentialis") zu. Auch John Locke hat sich mit dieser Lehre auseinandergesetzt. Leibniz halte es darin mit den Alten und mit der Vernunft, "dass ich sowohl die Engel oder Intelligenzen, wie die vom gröberen Stoffe losgelösten Seelen, stets in Verbundung mit feineren Körpern denke, wenngleich sie selbst unkörperlich sind. Die gemeine Philosophie läßt leicht alle Art von Fiktionen zu, die meine ist hierin strenger." Da es in der Natur einer jeden einfachen Substanz, Seele oder wahrhaften Monade liege, dass jeder folgende Zustand eine Konsequenz des vorhergehenden ist, so sei damit die Ursache für die Harmonie schon vollständig gefunden. Der Schöpfergott brauche nunmehr nur zu bewirken, dass die einfache Substanz, einmal und im Anfang, nichts anderes als eine Vorstellung des Universums aus einem bestimmten Gesichtspunkt heraus ist. Daraus folge schon von selbst, dass sie es immerwährend sein wird, und dass "alle einfachen Substanzen stets in Harmonie untereinander stehen werden, weil sie stets ein und dasselbe Universum vorstellen." Das in dieser Beziehung die Gentechnik und das Klonen problematisch sind, wurde an anderer Stelle erörtert. [85] Im Gegensatz zu den Neucartesianern, den Okkasionalisten, und den Scholastikern, glaubt Leibniz, die wahre Lösung "dieses Rätsels" der Erkenntnistheorie gegeben zu haben. Der Okkasionalismus leugnet jede unmittelbare Wechselwirkung zwischen der denkenden und der ausgedehnten Substanz; er war, bevor er durch Malebranche und Geulincx seine systematische Ausbildung und Formung erhielt, innerhalb der cartesischen Schule bereits wiederholt hervorgetreten, zum Beispiel bei de la Forge. Die scholastische Theorie der Wahrnehmung dagegen geht von der Forderung aus, dass zwischen dem bestimmten sinnlichen Eindruck und dem Objekt, das er darstellt und wiedergibt, eine Ähnlichkeit bestehen müsse, die sich nach der aristotelischen Unterscheidung, nur auf die Form, nicht auf die Materie bezieht. "Die Wahrnehmung nimmt die wahrnehmbaren Formen ohne die Materie auf, wie das Wachs das Zeichen des Siegelrings ohne das Eisen und das Gold empfängt." (Aristoteles) Die Bilder, die sich von den Dingen ablösen und in den Geist hinüberwandern, sind also selbst nicht stofflicher Natur sondern "species immateriatae". [86] In Newtons Metaphysik und Gotteslehre sieht Leibniz eine Fortentwicklung der Philosophie Henry Mores, auch die "anziehenden Kräfte" gelten ihm nur als Erneuerung von dessen spiritualistischem Kraftbegriff. Durch Robert Boyle (1626-91), den auch Goethe kritisiert, und dessen Hauptwerk "The sceptical chymist" im Jahr 1661 erschien, gelangt die moderne mechanistische Naturauffassung zum erstenmal in den konkreten Wissenschaften selbst, insbesondere in der Chemie, zu allgemeiner Geltung und Bedeutung für die Erklärung der Einzelerscheinungen. Leibniz bestritt, dass alle Naturerscheinungen sich aus der Erfahrung allein begründen lasse; die Naturgesetze seien ein reines Prinzip der Vernunft, keine Tatsache, die sich aus einer noch so großen Summe von Experimenten jemals gewinnen lasse. Die Spontaneität des Geistes bildet den Grund- und Leitgedanken der Leibnizschen Lehre. In den materiellen Dingen ist etwas enthalten, was zu der bloßen Ausdehnung hinzukommt, "ja ihr vorangeht: nämlich eine natürliche Kraft, die vom Schöpfer den Dingen allerorts eingepflanzt worden ist." Sie besteht nicht in jener einfachen Fähigkeit, mit der die Schulphilosophie sich begnügte und immer noch begnügt, sondern wird außerdem durch ein Streben oder eine Tendenz bezeichnet, die sich hie und da direkt den Sinnen darstellt, und "wo sie für die Empfindung nicht zutage tritt, läßt sich überall, wie ich glaube, ihr Dasein in der Materie aus Vernunftgründen einsehen." Sie ist im Körper, so dass sie "deren innerste Natur ausmacht." Diese Erkenntnis kann indes die wahre Philosophie nicht entbehren. Natürlich hatten schon damals scharfsinnige Männer in der Wissenschaft der Bewegung achtenswerte Leistungen aufzuweisen (siehe Anm.), aber sie alle haben jedoch fundamentale Irrtümer nicht vermieden - diese Liste ließe sich bis auf den heutigen Tag fortführen. Damals wie heute sind die wahren Quellen der Wissenschaft bisher noch nicht erschlossen. [87] "Auch darf niemand glauben, die Natur des Körpers völlig begriffen zu haben, wenn er nicht hierauf geachtet und eingesehen hat, dass der gewöhnliche grobe Begriff der körperlichen Substanz unvollkommen, ja falsch ist." - Gottfried Wilhelm Leibniz 14. Leibniz als Gegensatz zu Descartes und SpinozaIm Gegensatz zu Descartes und Spinoza ist für Leibniz die Substanz niemals eine absolute, isolierte Setzung, sondern schließt Beziehungen zu anderen Substanzen und zur Gesamtheit der Dinge ein. Es reicht nicht, einen abstrakten Gott "nur als eine Art Zierde oder Prunkstück" heranzuziehen. Man müsse erkennen, wie hier wegen der Vollkommenheit des höchsten Urhebers die "Spitzen der Ethik und Metaphysik in einem Punkt auslaufen und nichts ohne die höchste Vernunft geschieht." Gott sei sowohl mit dem höchsten Formprinzip und der obersten wirkenden Ursache als auch mit dem Endzweck und dem letzten Grund der Dinge identisch. Uns komme es zu, "seine Spuren in allen Dingen zu verehren" und nicht nur seine Werkzeuge der materiellen Wirkungen zu betrachten, sondern auch den "erhabenen Zielen seines herrlichen Kunstwerkes nachzusinnen. Dann werden wir in ihm nicht bloß den Architekten der Körperwelt, sondern vor allem den König der Geister erkennen, dessen Weisheit das All aufs beste verwaltet." Auch bei den einzelnen Naturerscheinungen werde die Verbindung dieser beiden Betrachtungsweisen den praktischen Bedürfnissen wie der "geistigen Vervollkommnung der Wissenschaft" wie der christlichen Religion am besten dienen. Leibniz steht damit natürlich, wie schon erwähnt, im Gegensatz zu den Averroisten, die die Fortdauer der Einzelseelen leugnen, weil sie den tätigen Intellekt, dem sie Unsterblichkeit zuschrieben, als überindividuellen Allgemeingeist dachten. "Verschiedene scharfsinnige Leute glaubten und glauben noch heute, daß es nur einen einzigen Geist gibt, der allgemein ist und das Universum nebst allen seinen Teilen, jeden seinem Bau und den Organen gemäß, die er findet, in der Weise belebt, wie ein und derselbe Luftstrom verschiedene Orgelpfeifen zu verschiedenen Tönen bringt, so daß er also, wenn ein Geschöpf seine wohleingerichteten Organe besitzt, darin die Wirkung einer besondern Seele hervorbringt, während dagegen, wenn die Organe verderben, diese besondere Seele in Nichts zerfällt oder vielmehr sozusagen in den Ozean des allgemeinen Geistes zurückkehrt. " Auch Spinoza, der nur eine einzige Substanz anerkennt, weiche nicht viel von dieser Lehre von einem einzigen Weltgeiste ab, und auch die neuern Cartesianer, denen zufolge nur Gott allein handelt, stellen sie auf, sozusagen ohne daran zu denken. Ebenso habe es den Anschein, daß Molinos (Guida spirituale, Rom 1675) und einige andere neue Quietisten, darunter ein gewisser Johannes Angelus Silesius, der vor Molinos geschrieben habe und von dem einige Schriften neuerdings wieder aufgelegt worden seien und vor diesen sogar Weigel dieser Ansicht vom Sabbat oder der Ruhe der Seelen in Gott gehuldigt haben. Deshalb meinten sie, daß das Aufhören aller besondernTätigkeit der höchste Grad der Vollkommenheit wäre. An sich sei die Lehre von einem allgemeinen Geiste gut, denn alle, welche sich zu ihr bekennen, nehmen in der Tat das Dasein der Gottheit an, mögen sie nun diesen Geist für das Höchste halten – denn dann nehmen sie ihn für Gott selbst – oder mögen sie mit den Kabbalisten glauben, daß Gott ihn geschaffen habe, welcher Ansicht auch der Engländer Henricus Morus und einige andere Philosophen und besonders gewisse Chymisten waren, welche glaubten, daß es einen allgemeinen Archäus oder eine Weltseele gäbe. Die Lehre vom Archäus als die Lehre von den lebendigen, schaffenden Kräften, die in allen lebendigen Naturvorgängen wirksam sind, war vor allem von Paracelsus (1473-1541) begründet und durch Joh. Bapt. van Helmont (1577-1644) und später Rudolf Steiner weiter ausgebildet worden, die sich vom Averroismus aber klar distanzierten. [88] Zu dieser Lehre von
einer unsterblichen allgemeinen Seele für alle Menschen waren die
Averroisten durch eine falsche Schlußfolgerung gekommen. Sie nahmen
nämlich an, daß eine tatsächliche unendliche Menge unmöglich
sei und daß es demnach auch keine unendliche Anzahl von Seelen geben
könne, was indessen statthaben müsse, wenn die besonderen Seelen
fortbeständen, denn da die Welt und ebenso das Menschengeschlecht
ihrer Ansicht zufolge ewig ist und immer neue Seelen geboren werden, so
würde es jetzt eine wirkliche Unendlichkeit geben, wenn alle diese
Seelen fortbeständen. Diese Argumentation galt bei ihnen für
einen Beweis, war aber voll falscher Voraussetzungen, denn man räumt
ihnen weder die Unmöglichkeit einer wirklichen Unendlichkeit ein,
noch gibt man zu, daß das Menschengeschlecht ewig bestanden habe,
noch läßt man die Erzeugung neuer Seelen gelten, da die Platoniker
die Präexistenz der Seelen und die Pythagoräer die Seelenwanderung
lehren und behaupten, daß immer ein und dieselbe bestimmte Anzahl
Seelen bleibe und ihren Kreislauf vollziehe. "Wenn man sich jedoch zu der
Behauptung versteigt, dieser allgemeine Geist sei der einzige und es gebe
keine Seelen oder besondern Geister oder zum wenigsten sei die Dauer dieser
Seelen eine endliche, so überschreitet man meines Erachtens die Grenzen
der Vernunft und stellt ohne Grund eine Lehre auf, von der man nicht einmal
einen deutlichen Begriff hat. Prüfen wir ein wenig die Scheingründe,
auf die sich diese Lehre stützt, die die Unsterblichkeit der Seelen
verneint und die Menschheit oder vielmehr alle lebenden Geschöpfe
des Rangs entkleidet,
Leibniz' Ansicht über die Lebensprinzipien weicht in gewissen Punkten von dem ab, was bisher darüber gelehrt worden ist. "Einer dieser Punkte ist der, daß man bisher geglaubt hat, die Lebensprinzipien veränderten den Lauf der Bewegung der Körper oder gäben wenigstens Gott Gelegenheit, ihn zu ändern, während meinem Systeme nach dieser Lauf in der Ordnung der Natur durchaus nicht geändert wird, da Gott ihn gehörigermaßen vorherbestimmt hat. Die Peripatetiker meinten, die Seelen hätten auf die Körper Einfluß und übten je nach ihrem Willen oder Begehren eine Einwirkung auf dieselben aus, und die berühmten Autoren, die durch ihre Lebensprinzipien und ihre plastischen Naturen zu dem gegenwärtigen Streite Anlaß gegeben haben, waren derselben Meinung, obschon sie keine Peripatetiker sind. Dagegen darf man nicht das nämliche von denen behaupten, welche Archäen, hylarchische Prinzipien oder andere unstoffliche Prinzipien unter verschiedenen Namen benutzt haben. Da Descartes sehr richtig erkannt hatte, daß ein Naturgesetz bestehe, demzufolge sich die nämliche Menge der Kraft erhält (obschon er sich in der Anwendung irrte, indem er die Menge der Kraft mit der Menge der Bewegung verwechselte), so meinte er, man dürfe der Seele nicht das Vermögen zugestehen, die Kraft der Körper zu vermehren oder zu vermindern, sondern nur die Macht, die Richtung der Kraft durch Veränderung des Laufs der Lebensgeister zu ändern. Diejenigen Cartesianer aber, welche das System der Gelegenheitsursachen in Aufnahme gebracht haben, waren der Ansicht, daß, da die Seele keinen Einfluß auf den Körper haben kann, Gott den Lauf und die Richtung der Lebensgeister nach dem Willen der Seele verändere. Hätte man jedoch zu Herrn Descartes' Zeiten jenes neue, von mir dargelegte Naturgesetz gekannt, wonach nicht bloß die nämliche Menge der Gesamtkraft der miteinander in Verkehr stehenden Körper, sondern auch deren Gesamtrichtung sich erhält, so würde er offenbar auf mein System der vorherbestimmten Harmonie gekommen sein, denn er würde eingesehen haben, daß es ebenso vernünftig ist, zu sagen, die Seele ändere die Summe der Richtung der Körper nicht, wie es vernünftig ist, ihr das Vermögen zur Veränderung der Menge der Kraft der Körper abzusprechen, da beides der Ordnung der Dinge und den Gesetzen der Natur gleich sehr zuwider ist, wie beides auch gleich unerklärlich ist. Daher verändern die Seelen oder Lebensprinzipien meinem Systeme zufolge nichts am gewöhnlichen Laufe der Dinge und geben nicht einmal Gott Gelegenheit, dies zu tun. Vielmehr folgen die Seelen ihren Gesetzen, die in einer gewissen Entwicklung der Vorstellungen den Gütern und den Übeln gemäß bestehen, und ebenso folgen die Körper den ihren, die in den Regeln der Bewegung bestehen: und gleichwohl begegnen sich diese beiden Wesen von durchaus verschiedener Art und stimmen miteinander überein wie zwei nach ein und demselben Maßstabe geregelte Uhren von vielleicht völlig verschiedener Konstruktion. Eben dies aber nenne ich eine vorherbestimmte Harmonie, die jede Art von Wunder bei den rein natürlichen Handlungen ausschließt und die Dinge in begreiflicher Weise ihren geregelten Gang gehen läßt, während das gewöhnliche System zu durchaus unerklärlichen Einwirkungen seine Zuflucht nimmt und nach dem Systeme der Gelegenheitsursachen Gott vermöge einer Art von allgemeinem Gesetz und gleichsam durch einen Vertrag die Verpflichtung übernommen hat, in jedem Augenblicke den natürlichen Gang der Gedanken der Seele zu verändern, um sie den dem Körper widerfahrenen Eindrücken anzupassen, und ebenso gemäß den Willensakten der Seele den natürlichen Lauf der Bewegungen des Körpers zu stören, was nur durch ein beständiges Wunder erklärlich ist, während ich das Ganze auf faßliche Weise aus den Naturen erkläre, die Gott in den Dingen festgesetzt hat." [90] "Man wird an diejenigen, die meiner Ansicht sind, die Frage richten, was die Tierseelen nach dem Tode des Tieres beginnen, und uns der Lehre des Pythagoras zeihen, der an die Seelenwanderung glaubte, die nicht bloß der verstorbene jüngere van Helmont, sondern auch der Verfasser gewisser, zu Paris erschienener Metaphysischer Betrachtungen wieder ins Leben zu rufen versucht hat. Man muß jedoch wissen, daß ich weit von dieser Ansicht entfernt bin, weil ich glaube, daß nicht bloß die Seele, sondern auch das Tier selbst fortbesteht. Sehr sorgfältige Beobachter der Natur haben schon jetzt bemerkt, daß man bezweifeln darf, ob je ein völlig neues Tier hervorgebracht wird und ob die lebenden Tiere wie auch die Pflanzen nicht schon im Kleinen vor der Empfängnis im Samen bestehen. Nimmt man diese Lehre an, so muß vernünftigerweise gefolgert werden, daß das, was nicht zu leben anfängt, auch nicht zu leben aufhört und daß der Tod wie die Erzeugung nur Umgestaltungen ein und desselben Tieres sind, das bald vergrößert, bald verkleinert wird." - Gottfried Wilhelm LeibnizLeibniz sieht sich also genötigt, gleichzeitig sowohl die Präexistenz der menschlichen Seele wie die des Tieres (sog. Gruppenseele) anzunehmen. "Ohne dessen innezuwerden, bin ich zu einer Darlegung meiner Ansicht über die Bildung der Pflanzen und Tiere gekommen, da ja aus dem Gesagten erhellt, daß sie niemals ganz von neuem gebildet werden. Ich bin also ganz der Meinung des Herrn Cudworth (dessen vortreffliches Werk mir zum größten Teile im höchsten Grade zusagt), daß die mechanischen Gesetze allein da nicht zur Bildung eines Geschöpfes zureichen, wo es noch nichts Organisches gibt, und finde, daß er mit Recht das bekämpft, was einige Alte über diesen Gegenstand ausgesonnen haben und sogar Herr Descartes in seinem Menschen vorgetragen hat, dessen Bildung ihm so wenig kostet, aber auch dem wirklichen Menschen herzlich wenig nahekommt. Ich kräftige diese Auffassung des Herrn Cudworth noch, indem ich zu bedenken gebe, daß der von einer göttlichen Weisheit zugerichtete Stoff allenthalben in hohem Grade organisiert sein muß" Leibniz habe nicht nötig, mit Herrn Cudworth zu gewissen unstofflichen plastischen Naturen zu greifen, obschon er wisse, daß Julius Scaliger und andere Peripatetiker wie auch einige Anhänger der Helmontschen Lehre von den Archäen der Ansicht waren, daß die Seele sich ihren Körper selbst bilde. [91] "Denn da die Tiere auf natürlichem Wege nie aus einer unorganischen Masse gebildet werden, so vermag der Mechanismus, obgleich er jene unendlich mannigfaltigen Organe nicht neu hervorbringen kann, sie doch recht wohl durch Entschachtelung und Umbildung aus einem schon vorher bestehenden organischen Wesen zu entwickeln. Indessen schwächen die, welche, seien es nun unstoffliche oder stoffliche, plastische Naturen annehmen, auf keine Weise den Beweis für das Dasein Gottes, der sich auf die Wunder der Natur stützt, die besonders im Bau der Tiere zutage treten." - Gottfried Wilhelm Leibniz 15. Der politische Leibniz, Die Osmanen vor Wien, Luther und die Türken, großer Türkenkrieg 1683-1699, venezianische, österreichische und russische TürkenkriegeAls die osmanischen Vorstöße nach Europa mit der ersten Belagerung Wiens im Herbst 1522 mit weit über 100000 Mann einen Höhepunkt erreichten, änderte sich Luthers Meinung: Er sprach sich nun ausdrücklich für einen vom Kaiser geführten Abwehrkrieg aus, sah die Belagerung aber zugleich als Hinweis auf die unmittelbar bevorstehende Apokalypse. Dass mit den Türken das Ende der Zeiten nahte, fand er in der Bibel bestätigt. Im Unterschied zu den vielen anderen von ihm verteufelten Feinden nötigten die Muslime die Christenheit seines Erachtens zu Buße und Umkehr. [92]In den 1540er Jahren förderte der Wittenberger Reformator die Drucklegung einer lateinischen Übersetzung des Korans, allerdings nur, weil er darin ein geeignetes Kampfmittel gegen den Islam sah. "Die Türken beteten mehr als die Christen und liebten es, sich mit dem Schein besonderer Heiligkeit zu umgeben. Das entspreche der Strategie des Teufels, sich in einen Engel des Lichts zu verwandeln. Die im Koran enthaltenen Urteile über Christus und das Christentum waren für Luther der entscheidende Maßstab für die Bewertung als teuflisches Machwerk." Wie standen Luther und der ältere Protestantismus zu den Türken? Die osmanischen Eroberungen werden als Strafe Gottes für das Versagen der Christenheit gesehen. Dabei kann Luther sogar so weit gehen, dass er die Türken gerade für eine göttliche Bestrafung der Papstkirche hält, die nach Meinung Luthers nicht nur moralisch verfallen sei, sondern auch durch das Papsttum das Erlösungswerk Christi verdunkle. So kann er sagen, die Türken seien wie der Papst „Gottes Fasnachtsspiel“; Gott schlage einen Buben durch den anderen (WA 19, 644,1). Er erkennt, dass im Islam Christus nur ein – von Mohammed überholter – Prophet ist und nicht die von der Bibel verkündete Zentralstellung als wahrer Sohn Gottes und Heiland der Welt besitzt. Mögen Frömmigkeit und Disziplin der Muslime noch so beeindruckend sein, für Luther offenbaren sie eine noch viel entscheidendere Werkgerechtigkeit, den frevelhaften Versuch also, sich durch fromme Werke (Fasten etc.) das Heil selbst zu verdienen. So nennt er die Muslime „des Teufels Heilige“, die durch „eigene große Werke fromm und selig“ werden wollten (WA, 30/2, 187,12-14). Damit hat Luther, der im Lauf der Jahre immer mehr die Überzeugung gewann, dass die Endzeit angebrochen und der Antichrist bereits in der Welt erschienen sei, dem Islam eine apokalyptische Rolle zugewiesen als Werkzeug des Antichristen. Es spricht vieles dafür, dass diese apokalyptische Deutung des Islam, die ihre Vorläufer bereits im Früh- und Hochmittelalter hat (z.B. bei Joachim von Fiore und Alvarus von Cordoba), ja sogar bis ins Frühmittelalter zurückreicht (Johannes Damascenus, der nicht nur den Islam als christliche Häresie versteht, sondern in den Muslimen auch die Vorläufer des Antichristen erkennt), wesentlich gefördert wurde durch die nach Europa gemeldeten Berichte über türkische Gräueltaten und damit getragen war von einem starken Motiv der Angst. Auch bei Luther stellt man fest, dass die apokalyptische Sichtweise gerade nach Mohács und dem erstmaligen Erscheinen der Türken vor Wien die Oberhand gewinnt. Darin trifft er sich mit Melanchthon, der durch seine intensiven Beziehungen zu Ungarn mit der Türkennot dort vertraut war. [93] Daneben gibt es aber auch sehr nüchterne Aussagen, die fast modern anmuten: "Luther beklagt die große Bereitschaft zur Gewalt, also die im Islam so wichtige Funktion des Schwertes, das zum Instrument der muslimischen Glaubensverbreitung geworden sei; ebenso auch die Vielweiberei und die Ehescheidung. Wie seine Zeitgenossen erregt sich Luther über die Ermordung und Versklavung von Christen, die sogar Kinder nicht verschont. Er hält die Rede von der Toleranz der Türken für falsch, da es den Christen im türkischen Herrschaftsbereich nicht möglich sei, öffentlich zusammen zu kommen, Christus zu bekennen oder gar an Mohammed Kritik zu üben. Diese im Gegensatz zu seinen apokalyptischen Aussagen sehr nüchterne Sicht fasst Luther in dem Gedanken zusammen, dass der Islam die Grundordnungen menschlichen Zusammenlebens zerstöre. Es gibt bei Luther also neben der religiösen Beurteilung des Islam auch eine grundsätzlich säkulare (wobei hier außer Acht bleiben kann, dass diese inhaltlich auch von religiösen Motiven und Überzeugungen geprägt ist). Der Türke als Vollzugsorgan des Antichristen und als Störer der Weltordnung – diese Dichotomie verlangt nach Luther auch eine doppelte Strategie von Seiten der Christen. Auf der religiösen Ebene sah Luther keine Notwendigkeit, direkt gegen den Islam zu kämpfen. Eine Verführungskraft sprach er ihm nicht zu, ja er war sogar überzeugt, dass man die Lektüre des Koran sogar fördern müsse, um die inneren Widersprüche des Islam zu demonstrieren und ihn ad absurdum zu führen. Luther selbst befürwortete daher Koranübersetzungen und wollte sie den Pfarrern an die Hand gegeben wissen, damit diese die Gefahren, die vom Islam ausgingen, fortan nicht mehr unterschätzten. " [94] Säkular ist deshalb auch die Begründung der Türkenkriege bei dem Reichsritter und Humanisten Ulrich von Hutten, allerdings hier eingefärbt durch ein eminent politisches Motiv: Hutten stellt den Fürsten vor Augen, welche furchtbaren Auswirkungen das „türkische Joch“ auf das Reich haben würde, und fordert sie zur Einigkeit auf. An der Spitze des Kampfes gegen die Osmanen möchte er aber den Kaiser sehen, dessen Aufgabe es sei, die Welt in ihrer Ordnung zu halten. Papst und Klerus, die Hutten verachtet, sollten sich indes heraushalten. Luthers „moderne“, ethische Konzeption einer Erhaltung der Weltordnung und der menschlichen Gemeinschaft, erst recht Huttens politische Aufrufe zum Türkenkrieg und selbst die apokalyptischen Interpretationen, die im Verlauf der Geschichte eine sehr unterschiedliche Konjunktur hatten, konnten freilich nie eine solche Bindewirkung entfalten wie der alte Kreuzzugsgedanke. [95] "Türkenzeitungen" und "Türkenkalender" wurden gedruckt und hatten "vor allem auch den Zweck, die Greueltaten der Türken an den Christen bekannt zu machen." Soganennte "Türkenglocken" wurden aus dem Erz erbeuteter türkischer Kanonen gegossen. Sie wurden zum Dank für einen Sieg gegen die Türken geläutet, oder generell wurden zur Mittagszeit eine oder mehrere Glocken "gegen die Türken" geläutet. Man nannte dies das sogenannte "Mittagsläuten", das zum Vaterunser und Avemaria beten aufrief. Die Türkenglocke auf dem Grazer Schloßberg zum Beispiel soll aus 101 erbeuteten Türkenkanonen gefertigt sein. "Nach 1636, also nach der für die Christen siegreichen Schlacht am Kahlenberg, läuteten si morgens, mittags und abends mit jeweils 101 Schlägen zum Dank an die Gottesmutter und als Bitte für weiteren Schutz in zukünftigen Gefahren. Zum Dank erklangen auch die beiden Türkenglocken von 1686 in dem nahe Wien gelegenen Perchtoldsdorf, das noch 1683 von den Türken erobert und dessen Bevölkerung etwa zur Hälfte von den Osmanen niedergemezelt worden war." Auf der Glocke findet sich die Inschrift: "rueffe ich die Christen alle zusam zu loben Gott in hoechstem Thron der uns erloest aus der Tyrgken noth." Die Kreuzfahrer hatten bereits ein "Maria hilf" auf den Lippen. Doch vor allem nach der Schlacht von Lepanto und dem Sieg der Christen vor Wien (1683) hatte die Maria-Hilf-Verehrung einen ungeahnten Aufschwung genommen. Dieser spiegelt sich wider in der Geschichte des Gnadenbildes der "Auxiliatrix Christianorum", das in vielen Kirchen vor allem des süddeutschen und österreichischen Raumes zu finden ist. "Nach dem Seesieg von Lepanto musste es doch beeindrucken und ermutigen, dass den Türken auch zu Lande der große Sieg versagt blieb. Die unbändige offensive Kraft des Osmanischen Reiches schien gebrochen." Das resultierte aus der verbesserten Bewaffnung der christlichen Heere, deren Feuerkraft jenen der Türken überlegen war; zudem hatte man Fortschritte in der militärischen Taktik (Prinz Eugen von Savoyen) erzielt. [96] Die Türken fanden sich plötzlich nicht mehr im Zentrum der Welt, sondern an den Rand gedrängt. Auch in der zivilen wie in der militärischen Technik war die Entwicklung weitgehend an ihnen vorbei gelaufen. Zu erwähnen sind seemännisch hervorragend ausgebildete venezianische Kapitäne, die in den folgenden Jahren durch kluge und wagemutige Unternehmungen nahe den Dardanellen den Nachschub der türkischen Invasionsflotte erheblich störten. Sie gipfelten in der Dardanellenschlacht von 1656, als der venezianische Admiral Lorenzo Marcello, unterstützt von Schiffen aus Malta, einen Flottenverband der Osmanen nahzu aufrieb. "Diese für die Venezianer meist siegreichen Seeschlachten, die von 1649 bis 1656 geführt wurden, basierten auf der klaren nautischen wie waffentechnischen Überlegenheit der Venezianer wie des christlichen Westens überhaupt." Dennoch gab es immer noch osmanische Aggressionen auf dem Balkan. 1663 eroberten die Türken nach mehreren vergeblichen Belagerungen die Festung Neuhäusel und unternahmen von der Festung aus weit ausholende Beutezüge, die mit großen Verwüstungen vor allem in der Steiermark und in Mähren einhergingen. 1672 überschritt Ahmed Köprülü mit etwa 100000 Mann den Dnjestr, der die Grenze bildete zwischen dem Osmanischen Reich und dem als Podolien bezeichneten Südostpolen. Es war nach 1620-1621 und 1633-1634 der dritte große Waffengang zwischen Osmanen und Polen. Dem Einsatz von Jan Sobieski war es zu verdanken, dass die "Tatarenhorden, die mordend und sengend Podolien durchstreiften", zurückgeschlagen werden konnten. Wenn es um die Befreiung seines Landes ging, so war er ohne inneren Widerspruch: Die Türken galten ihm als der Feind schlechthin. Für Sobieski "war der Türke nicht nur der gefährliche Aggressor, sondern auch der "Heide", der nach Überwindung aller Widerstände zur Ausrottung der Christenheit ansetzen werde. Daher kommt bei Jan Sobieski zur nationalen Komponente auch eine überregionale, abendländisch-christliche hinzu. So wurde Polens König nicht nur zu einem Verteidiger polnischer Freiheit, sondern der Freiheit Europas und des Christentums." Es war ein glücklicher Augenblick in der Geschichte des Abendlandes, dass der polnische König mehrere herausragende Persönlichkeiten fand, die auf dem Feld der Politik, der Diplomatie oder auf dem Schlachtfeld seine Mitstreiter wurden. Zu nennen wären neben Jan Sobieski selbst, Kaiser Leopold I., der mit Leibniz befreundete Prinz Eugen, Karl von Lothringen, Herzog von Marlborough - und auf der Gegenseite Ludwig XIV.. Die perfide Türkenpolitik Ludwigs XIV.bot den Reichsständen keine Sicherheit gegenüber den Türken. So wurde Leopold I. zur Schutzmacht der deutschen Länder. Karl V. von Lothringen wurde vom Kaiser zum Generalissimus seiner Armee ernannt. In dieser Eigenschaft finden wir ihn wieder als tatsächlichen Oberbefehlshaber der alliierten Truppen beim Entsatz von Wien, wo sein strategisches wie taktisches Genie den Sieg errang. "Noch erstaunlicher stellt sich allerdings die von Leopold eröffnete militärische Laufbahn jenes Mannes dar, der zum Inbegriff des Feldherrn-Genies wurde, wenngleich seine große Zeit als eigenverantwortlich agierender Kommandeur erst nach der Schlacht am Kahlenberg anbrach: Prinz Eugen von Savoyen. [97] Eine entscheidende Rolle spielte auch Papst Innozenz XI. (1676-1689). "Es fügte sich gut, dass er in seiner Jugend eigentlich die Absicht hatte, in den Kriegsdienst zu treten, um gegen die Türken zu kämpfen. Schon als Kardinal hatte er aus eigenem Vermögen die Polen mit hohen finanziellen Mitteln gegen die Türken unterstützt. Als Papst verfolgte er das Ziel einer Befreiung Europas von der türkischen Gefahr mit äußerster Konzentration." Damit überhaupt Aussicht auf die Verwirklichung dieses Planes bestand, musste der Papst zuerst als Friedensstifter unter den europäischen Nationen wirken. Mit viel Mühe konnte er 1678 endlich einen Friedensschluss erreichen, der allerdings teuer bezahlt werden musste. Frankreich erhielt bedeutende Territorialgewinne auf Kosten des Reiches und Spaniens. "Dabei blieb der eigentliche Skandal dem Papst noch verborgen: Dem Friedensschluss entsprach auch nicht im Ansatz eine Friedensgesinnung Ludwigs XIV., der sich nunmehr auf dem Höhepunkt seiner Macht befand. Der König dachte nur an eine Fortsetzung seiner gegen das Reich und die Habsburger gerichtete Politik mit anderen Mitteln; und dazu wollte er sich fortan der Hohen Pforte bedienen." Ludwig sabotierte die Liga von Anfang an. Für die große Liga suchte der Papst auch Russland zu gewinnen, "das ebenfalls ein vitales Interesse daran hatte, die Türken zurückzudrängen. Doch dieser Plan scheiterte an den Differenzen zwischen Polen und Russland." Jan Sobieski, Kaiser Leopold I., Karl von Lothringen, Max Emanuel - sie alle fanden ihren Gegenspieler in dem Großwesir Kara Mustafa, der für Sultan Mehmed IV. regierte. "Die Christen in seinem weiten Reich hat Kara Mustafa gehasst und ihnen Steuern und Abgaben auferlegt, die weit über die Last hinausgingen, die sie unter seinen Vorgängern zu tragen hatten. Jedenfalls war Kara Mustafa ein tiefgläubiger, bis zum Fanatismus gehender Muslim, dessen politische Absichten immer auch mit der Ausbreitung des Islams verbunden waren." [98] Im Gegensatz zu Leibniz und allen großen Dichtern und Denkern, herrscht unter Historikern und neuerdings den sogenannten Islamwissenschaftlern, die sich an Universitäten breit machen, eine beschwichtigende Sichtweise vor, "deren Illusionismus noch immer die westliche Haltung gegenüber dem Islam bestimmt." Was wäre wohl geschehen, wenn Wien nicht gerettet worden wäre? Die Türken setzten auf die Masse an Menschen, um die inzwischen überlegene Feuerkraft des Westens auszugleichen. Am 14. Mai 1683 stand Kara Mustafa mit etwa 250000 Mann vor Belgrad, bereits am 14. Juli war Wien von allen Seiten eingeschlossen. "Das Stift Heiligenkreuz bei Wien hatten die Türken am selben Tag niedergebrannt. Belagert und zerstört wurden auch die Städte und Ortschaften Hainburg, Baden, Schwechat, Percholfsdorf und Inzerdorf, deren Bevölkerung größtenteils getötet oder in die Sklaverei geführt wurde. In Mödling hatte sich die Bevölkerung in die Othmarskirche geflüchtet. Das hinderte die Türken nicht, dort auch die Frauen und Kinder niederzumetzeln. Die Wiener wussten also, was sie erwartete." Besonders wichtig erwies sich das Durchhaltevermögen des Mannes, der die Verteidigung leitete: des Wiener Stadtkommandanten Graf Rüdiger von Starhemberg. Nur knapp über 10000 Mann standen ihm zur Verfügung, darüberhinaus einige Tausend Freiwillige aus der Bevölkerung. Dennoch lehnte er eine Kapitulation Wiens selbst dann noch ab, als die türkischen Mineure die Stadtmauern an sensiblen Stellen schon gefährlich untergraben hatten, die Stadtverteidiger dezimiert und alle Bewohner der Stadt durch Hunger und Kanonenschlag aufs äußerste geschwächt waren. Unbeirrt vertraute er auf das Heranrücken des Entsatzheeres. Doch erst in den ersten Septembertagen, als die Verteidigung Wiens schon fast am Zusammenbrechen war, stand dieses Heer aus österreichischen, ponischen und bayrischen Truppen, verstärkt durch schwäbische, fränkische, badische, sächsische und sogar venezianische Einheiten, geschlossen bereit. Das Koalitionsheer setzte alles auf eine Karte: Es marschierte ohne Tross, also ohne Verpflegung, und ohne schweres Kriegsgerät zwei Tage durch den Wienerwald und stürzte sich dann am 12. September 1683 vom Kahlengebirge herab auf die türkischen Belagerer ("Schlacht am Kahlenberg") Als Starhember und die Seinen den Entsatz erkannten, nahmen sie nochmals alle Kräfte zusammen, wagten den Ausbruch und zwangen dadurch die Türken zu einem Zweifrontenkampf, auf den diese gänzlich unvorbereitet waren und völlig kopflos reagierten. "Die Verwirrung unter den Türken war vollkommen: Unter großen Verlusten und Zurücklassung von vielen Geschützen - aus ihnen wurde später die 'Pummerin', die größte Glocke des Stephandomes gegossen - , Munition, Vorräten und Gerätschaften ergriffen sie planlos die Flucht." Anders als in den früheren Türkenkriegen wollte man sich diesmal nicht mit einem grandiosen Erfolg zufrieden geben. Und so sollten die Folgejahre die Ernte einfahren, die man am 12. September 1683 ausgesät hatte. Überall wurden Mariensäulen aufgestellt, die dem ganzen bayrisch-österreichischen Raum gleichsam den Stempel eines Marienlandes aufdrückten. [99] Der Sieg am Kahlenberg löste ein wahres Feuerwerk von Schlachten und Siegen der Allianz aus. Es galt Ungarn zu befreien. 1684 konnten Maximilian Lorenz Graf von Starhemberg, der Bruder des Verteidigers von Wien, und Ludwig Wilhelm Markgraf von Baden-Baden ("Türkenlouis") Visegrád erobern, dessen Burg seit römischer Zeit eine hohe strategische Bedeutung hatte. 1687 hatten die kaiserlichen Truppen einen glänzenden Sieg bei Mohács zu verzeichnen. In Ungarn hatten die Siege dem Haus Habsburg einen Sturm an Popularität und Ansehen gebracht. Die Habsburger sollten fortan auch die Könige Ungarns stellen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ganz Ungarn - wozu auch große Teile des heutigen Rumänien gehörten - befreit waren: Klausenburg, Peterwardein, das ungarische Eger (Erlau), aber auch das serbische Karlowitz. Mit der Belagerung Belgrads im August 1688 kam die Stunde des Prinz Eugens von Savoyen. Es gab auch Rückschläge, weil die französische Politik den Osmanen zu Hilfe kam: Ludwig XIV. fiel, um Erbansprüche seiner Schwägerin, der berühmten Liselotte von der Pfalz, geltend zu machen, 1688 in Süddeutschland ein und zwang damit den Reichstruppen eine zweite Front auf. Nachdem durch intensive Bemühungen des Hl. Stuhls der Pfälzer Erbfolgekrieg beendet werden konnte, ernannte der Kaiser Prinz Eugen zum Oberkommandierenden in Ungarn. "Die Kampagne gegen die Osmanen sollte wieder aufgenommen werden, nicht nur um einen sehr instabilen und damit langfristig gefährlichen Zustand zu beseitigen, sondern auch, weil aus dem Osten die Kunde kam, dass Sultan Mustafa II., der seit 1695 an der Spitze des Osmanischen Reiches stand, mit einer großen Heeresmacht aufgebrochen sei, um die Schande von Wien zu tilgen und die als 'Goldener Apfel' verklärte Stadt in einem dritten Anlauf endlich zu gewinnen. Prinz Eugen, der die fortwährende Finanzknappheit des Kaisers realistisch einschätzte und wusste, das aus dem schwerfälligen kaiserlichen Regierungsapparat nicht mehr zu gewinnen war, sammelte alle verfügbaren Truppen des ungarischen Raumes und nahm sie unter eine strenge Disziplin, die aber auch der Fürsorge für die Soldaten nicht entbehrte. Nie waren für ihn die Truppen nur Menschenmaterial, die man beliebig in der Schlacht opfern konnte. Der Prinz dachte und handelte stets als überzeugter Christ, der sich vor Gott für das Leben und das Wohl seiner Soldaten verantwortlich fühlte. Krieg war für ihn weder Selbstzweck noch Mittel für die eigene Macht, sondern ein Widerfahrnis, das einem auferlegt wurde. Als äußeres Zeichen seiner Haltung trug der Prinz eine Abbildung der Marienzeller Madonna über dem Herzen auf seinem Brustpanzer." Es schien ein Siegesmarsch zu werden für die Türken: Etwa 100000 Mann zogen von Belgrad aus nach Norden, (Prinz Eugen von Savoyen hatte weniger als die Hälfte zur Verfügung) und waren gerade dabei, nahe Zenta die Theiss zu überqueren (11. September 1697). Die Kavallerie zuerst, dann auf einer Behelfsbrücke der Sultan mit der Artillerie und dem Tross - sie alle hatten schon das gegenüberliegende Ufer erreicht. Danach sollten die Fußtruppen folgen. Diesen Augenblick nutzte der Prinz zum Angriff. Die Osmanen waren darauf völlig unvorbereitet, und so wurde ihre Infanterie ein leichtes Opfer der Österreicher. Mit Recht nannte man die Schlacht von Zenta eine Entscheidungsschlacht. Prinz Eugen von Savoyen entschloss sich angesichts der bereits vorgerückten Jahreszeit, mit einer stark verkleinerten Truppe den Fliehenden nachzusetzen und drang dabei tief nach Bosnien vor. Dabei eroberte er auch Sarajewo, das er plündern und niederbrennen ließ, nachdem es von der türkischen Bevölkerung verlassen worden war. Als er in sein Winterquartier aufbrach, führte er eine große Schar von Christen mit, die unter der osmanischen Herrschaft hatten leben müssen und nun die Chance nutzten, in sichere Gebiete umzusiedeln. Die Erfolge Habsburgs im Großen Türkenkrieg konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die leeren Kriegskassen eine Fortführung des Befreiungskampfes auf dem Balkan und, dem früheren griechischen Gebieten inkl. Konstantinopel und Kleinasien als Ziel nicht zuließen. Dennoch bedeutete der Große Türkenkrieg eine schwere Niederlage für das Osmanische Reich: es musste Gebietsverluste in einem Vertrag anerkennen und die Offensivkraft, um in das Herz Europas vorzudringen, hatte es für immer verloren. Der Niedergang der Osmanen war zwar eingeleitet, aber noch lange nicht vollendet. [100] Die Türken waren
zwar zurückgeschlagen worden, aber wie gefährlich die türkische
Armee noch immer war, bekamen die Russen zu spüren, die 1710 im Kontext
des großen Nordischen Krieges gegen Schweden in einem vierten russisch-türkischen
Krieg gerieten, als sich Schwedens König Karl XII. nach einer verlorenen
Schlacht auf osmanisches Gebiet geflüchtet hatte. Nach der Kriegserklärung
des Osmanischen Reiches an Venedig 1714, war es langsam wieder soweit für
das "größte militärische Genie seiner Zeit", den Prinzen
Eugen von Savoyen, den Kampf gegen die Osmanen nicht zuletzt mit finanzieller
Unterstützung durch den Hl. Stuhl noch einmal aufzunehmen. Es bestand
wieder eine deutliche türkische Überlegenheit, als sich die gegnerischen
Heere erstmals beim heute serbischen Peterwardein an der Donau gegenüberstanden.
Am 5. August 1716 konnte der Prinz diese Schlacht für sich entscheiden.
Es folgten die Einnahme Temesvar und am 16. August die Eroberung Belgrads.
Was sagt uns die Geschichte über das Wesen des Islams? Was sagen Leibniz,
Thomas von Aquin, Nikolaus von Kues? Von Anfang an ist die Ausbreitung
des Islam verbunden mit Gewalt. Mohammed war ein Mann des Schwertes. Zwang
und Gewalt lassen sich von Christus her nicht begründen. "Islam indes
bedeutet Unterwerfung, ja Sklaverei, wie auch die Berührung des Bodens
mit der Stirn im Orient die Haltung eines Sklaven ist. Es war Mohammed
selbst, der durch seine eigenen kriegerischen Unternehmungen gezeigt hat,
wie der Djihad, der dem Westen gerne verharlosend nur als Glaubensanstrengung
vorgestellt wird, in Wirklichkeit zu interpretieren sei: als Krieg, der
die Völker dem Gesetz des Islam unterwirft." Auch wenn heute noch
Muslime, insbesondere Fanatiker, in den Glaubenskrieg ziehen, handelt es
sich "nicht um eine religiöse Verirrung, sondern um eine letzte Konsequenz
aus dem Koran in der gelebten Interpretation Mohammeds... Wo der Islam
in der Minderheit ist, verhält er sich tolerant und duldsam; als Mehrheitsreligion
aber spielt er seine Dominanz unverhohlen aus, beschneidet andere Religionen
in ihrer Freiheit und in ihren grundlegenden Rechten...Der Islam ist nicht
zu einem tieferen Verständnis der menschlichen Person vorgedrungen."
[101]
16. Neuer Arabismus in Europa, Sarazenen der Wissenschaft, Wiederverkörperung der Ideen, MaterialismusDie Türken waren nicht die Einzigen, die den starren Monotheismus, die allmächtige Einheitsgottheit, die für das religiöse Leben etwas von fatalistischem Element in schließt, vertraten und meinten, das Schicksal der Menschen sei von vorherein bestimmt. Aber mehr noch als die Araber haben die Türken ganze Kulturen und Zivilisationen ausgelöscht. In der Geschichte kann man nachlesen, dass über Spanien herüber die Bekenner des Arabismus kommen, "dass sie zurückgeschlagen werden von den Vertretern des europäischen Christentums, von Karl Martell, von Karl dem Großen selber. Man erfährt dann später, dass sich gewissermaßen auslöschend über die Größe des Mohammedanismus ergießt das Türkentum, das die religiöse Form aufnimmt, aber eben auslöscht alles das, was an solcher Hochkultur vorhanden ist wie diejenige, die Harun al Raschid impulsiert hat." Die Ausbreitung des Arabismus ist vorerst gestoppt, "bleiben allerdings noch die Türkengefahren in Europa übrig." [102]Äußerlich ist der Arabismus zwar aus Europa verdrängt, was jedoch Wissenschaft und Philosophie betrifft, ist er weiterhin auch in Europa aktiv. Man kann quasi sagen, der Geist Harun al Raschids ist nun in Francis Bacon von Verulam (1561-1616) wieder aktiv. Und wenn man sich seine Schriften ansieht, "dann findet man den Grund, warum diese eigentlich so wenig christlich und so stark arabisch klingen." Wie tief der Einfluss der arabischen Kultur ist, kann man auch an Spinoza sehen. "Man kann Spinoza nicht verstehen, wenn man nicht seinen Ursprung eben im Arabismus sieht." [103] 711 ist ein wichtiges Ereignis in der Auseinandersetzung zwischen Europa und dem über Spanien heranstürmenden Mohammedanismus. Tarik, Feldherr der Araber, setzt von Afrika herüber und besiegt in siebentägiger Schlacht bei Jerez de la Frontera die Westgoten unter Roderich. Der Arabismus wurde zurückgeschlagen aber im 19. Jahrhundert taucht er wieder auf, "den Arabismus in moderner Form ausprägend, als Charles Darwin." Wie der Arabismus auf geistige Art weiterlebt, zeigt sich auch an dem modernen Astronomen Pierre Simon Laplace (1749-1827). "Aber gerade weil an einen strengen Determinismus durch das Arabertum geglaubt worden ist, stellte sich, als die Möglichkeit geboten wurde, auf geistige Art fortzusetzen, was zunächst auf kriegerische Art impulsiert werden sollte, eben auch die Möglichkeit ein, diese geistigen Strömungen insbesondere nach Frankreich, nach England herauf zu tragen. Laplace, Darwin, Bacon, viele ähnliche Geister könnten in dieser Richtung vorgeführt werden." Viele Wissenschaftler und Politiker in Europa und Amerika sind mit dem Monotheismus des Arabismus verwachsen, dem Determinismus, der dann immer mehr zum Fatalismus geworden ist. [104] Die Tragik des Materialismus
ist es, dass er von der Materie nichts wissen kann, weil er das geistige
Wirken in der Materie nicht erkennt. "Man sollte gerade bei der Menschenbetrachtung
erst recht auf die Materie sehen, denn in der Materie drückt sich
gerade bei der Menschengestalt, beim ganzen menschlichen Wesen das Wirken
des Geistigen aus. Die Materie ist die äußere Offenbarung des
Geistigen." So gibt es zum Beispiel eine Verbindung zwischen einer oberflächlichen
Betrachtung der Dinge, einem hohen Schlafbedürfnis und Hautkrankheiten.
Viele Sarazenen der Wissenschaft heute, quasi ehemalige Mohammedaner, leugnen
den Geist in der Materie ab und erkennen damit auch die Materie nicht an,
sondern ein "Götzenbild von der Materie". Der Götzendienst, der
auf diese Weise entsteht, ist ein viel greulicher als der Götzendienst
zum Beispiel der Araber. Man muss sich nur ansehen, "was dadurch entsteht,
dass gewissermaßen soziale Weltenordnungen unter dem Einfluss materialistisch-phantastischer
Vorstellungen geschaffen werden, die ganz und gar aus der verirrten Menschennatur
herausgeboren sind, die nichts mit irgendeiner Realität zu tun haben,
die nirgends urständen als im Menschen selber." [105]
17. War Lessing Spinozist oder Leibnizianer?Auch wenn dies vielleicht nicht abschließend geklärt werden kann, rückt Lessing mit seinen Spätwerken wie "die Erziehung des Menschengeschlechts" doch eher in die Nähe der Leibnizschen Ideen. Denn aus diesem Werk geht hervor, dass Lessing weder pantheistisch noch monistisch ist wie Spinoza. Er zeigt wie die verschiedenen Religionen abgeirrt sind von ihrer ursprünglichen Gestalt, wie sie alle nicht echt sind, und man die echte, die verloren ist, suchen müsse. Dazu die Wurfkraft, mit der er seine Sätze hinschleudert, um den Gegner zu treffen, die einzigartig ist in der mitteleuropäischen Zivilisation. Lessing schreibt am Ende seines Lebens: Sollte die Idee der Reinkarnation deshalb so absurd sein, weil sie in der ersten Zeit, als die Menschen noch nicht durch die Schulweisheit verdorben waren, bei den Menschen auftrat? Er sagt: "Ist nicht die ganze Ewigkeit mein?" So hat niemand ein Recht, Lessing anzuerkennen, der nicht diese Schrift, die von ihm als reifer Geist verfasst worden ist, mit anerkennt. "Und bei Lessing gibt es keine rechte Möglichkeit, wenn ein solch Lapidares hingestellt wird wie diese Idee der wiederholten Erdenleben, das nicht anzuerkennen." [106]18. Celsus, Julian Apostata, Kopernikus, Laplace und Tycho de BraheJulian Apostata hätte eigentlich, wenn die Zeit günstig gewesen wäre, wenn die Verhältnisse dazu gewesen wären, aus den alten Mysterien heraus eine geradlinige Fortsetzung bewirken können vom vorchristlichen Christus, von dem wirklichen makrokosmischen Logos, zu dem Christus, der fortwirken sollte in der Menschheit nach dem Mysterium von Golgatha. "Es ist Schale bei ihm gewesen dieses Apostata-Wesen, und auf dem Grunde seiner Seele findet man eigentlich einen Trieb, das Christentum zu erfassen, den er aber nicht heraufkommen ließ, den er unterdrückte, wegen der Albernheiten des Celsus, der über den Jesus geschrieben hatte. Es kommt eben vor, dass auch eine geniale Persönlichkeit bisweilen auf Albernheiten von Leuten hereinfällt. Und so hat man das Gefühl, Julian wäre eigentlich die geeignete Seele gewesen, dem Christentum die Bahnen zu ebnen, das Christentum in die Bahn zu bringen, in die es gehört." Celsus, ein griechischer Philosoph, schrieb um 180 n.Chr. die Schrift über "den wahren Logos". Diese erste Polemik gegen das Christentum wurde später von Origenes in "Contra Celsum" widerlegt. Die Seele des Julian Apostata, bei der man glauben möchte, dass sie eigentlich wie berufen gewesen wäre, dem Christentum die rechte Bahn zu weisen, hat Ähnlichkeit mit der mittelalterlichen Herzeloyde, der Mutter des Parsifal. Nur dass Herzeloyde nicht von der sogenannten Michael-Strömung abgebracht wird, sondern Parsifal aussendet, "um dem Christentum die esoterischen Wege zu suchen und zu weisen." [107]Das Austreiben aller
Spiritualität aus dem Kosmos wird von den Gegnern der Michael-Strömung
vorangetrieben. So führt zum Beispiel auch das kopernikanische Weltbild
zuletzt zu einer "völlig mechanisch-maschinellen Auffassung des Weltalls
im Raume." Pierre Simon Laplace (1749-1827), ein berühmter Astronom,
soll zu Napoleon gesagt haben, er fände keinen Gott innerhalb dieses
Weltalls, er hätte alles durchforscht. Tycho de Brahe (1546-1601),
ein dänischer Astronom, nimmt zwar von Kopernikus an, was brauchbar
ist, lehnt aber sein materialistisches Weltbild ab. Er zeichnete einen
Sternenkarte, auf dessen Grundlage Kepler zu seinen Keplerschen Gesetzen
kam. Auf der einen Seite haben wir das Heraustreiben der Spiritualität
zum Beispiel durch Lord Bacon und auf der anderen Seite die Michael-Strömung,
die diese "Dämonen-Idole" des Lord Bacon bekämpft. Und Tycho
des Brahe hatte einen bedeutenden Einfluss darauf, dass die Seelen der
Michael-Strömung nun am Ende des neunzehnten Jahrhunderts, vorbereitet
auf die Erde herunterkamen, "um den Christus nicht nur so zu schauen oder
zu fühlen, wie ihn die verschiedenen Bekenntnisse fühlen, sondern
wiederum in seiner ganzen grandiosen Weltherrlichkeit als den kosmischen
Christus." Zu nennen wären vor allem Fichte und Schelling. [108]
19. Der Orient und die AufklärerWie war die Wahrnehmung des Orients am Hofe Friedrichs des Großen. Der ergötzte sich als Thronfolger zwar an seinem intellektuellen Austausch mit Voltaire, "war auch begeistert von dessen islamfeindlichem Theaterstück „Mahomet“, aber nach den Schlesischen Kriegen sah er das Osmanische Reich als potentiellen Verbündeten gegen Österreich und Russland und förderte daraufhin eine islamfreundliche Publizistik." Sogar Voltaire mäßigte nun seinen Spott und gestand dem Religionsstifter Mohammed zu, „fast ganz Asien aus der Abgötterey“ herausgerissen zu haben. Am stärksten aber tat sich Gotthold Ephraim Lessing als Islamversteher hervor. Schon weit vor seinem Spätwerk „Nathan der Weise“ befasste sich der Verfechter der religiösen Toleranz ausführlich mit dem Islam. In Dramenentwürfen bemühte er sich um ein positives Bild des Irrglaubens, aber auch in Rezensionen und Übersetzungen, wobei er Kritik an den Muslimen in den Originalen häufig ignorierte. Heute würde man wohl von Framing sprechen. Gleichermaßen bedienten sich auch islamkritische Autoren des achtzehnten Jahrhunderts der Technik des selektiven Lesens. Ganz ähnlich wird heute Surensucherei betrieben, um zu insinuieren, dass der Islam eine Religion des Friedens sei. Für Lessing war die Darstellung des Islams als vernunftgeleitete Religion gleich doppelt ein Mittel zum Zweck: Sie diente ihm einerseits als Kritik an Ausprägungen des Christentums, die seinen aufklärerischen Ideen widersprachen, "andererseits war der islamfreundliche Ton in Zeiten der preußisch-osmanischen Annäherung schlicht opportun. In seiner Zeit als Dramaturg am Hamburger Nationaltheater stand Lessing islamkritischen Werken dann allerdings deutlich offener gegenüber. Der Grund war recht profan: Das Theater benötigte dringend Geld, und Islamkritik war schon damals ein Garant für einen Publikumserfolg." Einige Autoren legen auf beeindruckende Weise bloß, "wie politische Konjunkturen, die Zensur und die Sorgen um das eigene berufliche Fortkommen treibende Kräfte für das Wirken der Denker der Aufklärung waren." Dichtergrößen wie Voltaire, Lessing, der junge Goethe, auch der „Leipziger Literaturpapst“ Johann Christoph Gottsched, der frühe Arabist Johann Jacob Reiske, der Dichter Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Der hatte 1774 sein weithin rezipiertes Lehrgedicht „Halladat“ veröffentlicht. Dies hielt ihn jedoch nicht ab, "Muslime in anderen Gedichten des Aberglaubens zu bezichtigen, die Osmanen als „Hunde“ zu bezeichnen und den österreichischen Kaiser Joseph II. zum Krieg gegen die Türken aufzurufen. Die Islam- und Türkenkritik, mit dem Gleim bei weitem nicht allein war, wurde gespeist vom aufkeimenden Philhellenismus – Griechenland müsse vom Joch der Osmanenherrschaft befreit werden, um den Traum der Wiedergeburt des antiken Hellas zu verwirklichen." Im Rahmen der Bemühungen um eine preußisch-osmanische Allianz waren 1763 und 1791 jeweils große Delegationen aus Konstantinopel nach Berlin und Potsdam gekommen. Die Gesandten und ihre Begleiter wurden fasziniert beobachtet, bewirtet, in die Oper eingeladen und von vielen in der Bevölkerung sogar nachgeahmt. Friedrich der Große kommentierte beißend, ihn würde es nicht wundern, „wenn der Reiz des Neuen nicht irgendeinen meiner dummen Landsleute dazu treiben würde, sich beschneiden zu lassen“. Als sich die Aufenthalte in die Länge zogen und immer teurer wurden, lästerten dann immer mehr Diplomaten darüber, wie habgierig und ungesittet die Türken seien. [109]Anmerkungen [1] Vgl. Abschnitt
und Anm. 29 sowie Kurse Nr.
567 Gottfried Wilhelm Leibniz, Nr.
682 Wissenschaftslehre IV,
Nr. 679 Laurence
Sterne, Nr. 678 François Rabelais,
Nr.
677 Jean Paul, Nr.
326 Kunst und Architektur der Renaissance, Nr.
320 Romanische Kunst und Architektur, Nr.
350 Byzantinische Kunst und Architektur, Nr.
325 Kunst und Architektur der Gotik, Nr.
552 William Shakespeare,
Nr.
554 Friedrich Hölderlin. Akademie der Kunst und Philosophie
Gedenktag unserer lieben Frau vom Rosenkranz. Das Fest wurde von Papst Pius V. zum Dank für den Sieg über die Türken in der Seeschlacht bei Lepanto (7. Oktober 1571) eingeführt und nach dem Sieg über die Türken durch Prinz Eugen von Savoyen bei Peterwalden in Ungarn am 5. August 1716 für die ganze Kirche vorgeschrieben. 1697 wird Prinz Eugen
von Savoyen (1663-1736) Oberbefehlshaber des kaiserlichen Heeres. Der Großneffe
Mazarins ist seit 1683 in österr. Dienst, nachdem er von Ludwig XIV.
seiner kleinen Gestalt wegen abgewiesen worden war. 1697 schlägt Prinz
Eugen von Savoyen die Türken vernichtend bei Zenta und erobert Sarajewo.
1716-18: Im 3. Türkenkrieg siegt Prinz Eugen bei Peterwalden, Temesvar
und Belgrad. 1700-40 Feldherr und führender Staatsmann der neuen Großmacht
ist Prinz Eugen. Wien wird politischer, wirtschaftlicher und kultureller
Mittelpunkt des Reiches. Die Grundlagen für den wissenschaftlichen
Aufschwung legt Leibniz. "Das sogenannte Einrichtungswerk (1689) schafft
die Voraussetzung zur Kolonisation der durch die Türkenherrschaft
entvölkerten Donau-Gebiete." Leibniz schlägt ein Dreierbündnis
vor zwischen Deutschland, dem Kaiser und dem Zaren. Der Kaiser könne
die Truppen und der Zar die Flotte stellen. "Das wäre eine Unternehmung
ganz im Stile der alten Ritter der Tafelrunde, die für die Damen kämpfen."
Der Kaiser ernennt Prinz Eugen zum Oberkommandierenden in Ungarn. "Die
Kampagne gegen die Osmanen sollte wieder aufgenommen werden, nicht nur
um einen sehr instabilen und damit langfristig gefährlichen Zustand
zu beseitigen, sondern auch, weil aus dem Osten die Kunde kam, dass Sultan
Mustafa II., der seit 1695 an der Spitze des Osmanischen Reiches stand,
mit einer großen Heeresmacht aufgebrochen sei, um die Schande von
Wien zu tilgen und die als 'Goldener Apfel' verklärte Stadt in einem
dritten Anlauf endlich zu gewinnen. Prinz Eugen, der die fortwährende
Finanzknappheit des Kaisers realistisch einschätzte und wusste, das
aus dem schwerfälligen kaiserlichen Regierungsapparat nicht mehr zu
gewinnen war, sammelte alle verfügbaren Truppen des ungarischen Raumes
und nahm sie unter eine strenge Disziplin, die aber auch der Fürsorge
für die Soldaten nicht entbehrte. Nie waren für ihn die Truppen
nur Menschenmaterial, die man beliebig in der Schlacht opfern konnte. Der
Prinz dachte und handelte stets als überzeugter Christ, der sich vor
Gott für das Leben und das Wohl seiner Soldaten verantwortlich fühlte.
Krieg war für ihn weder Selbstzweck noch Mittel für die eigene
Macht, sondern ein Widerfahrnis, das einem auferlegt wurde. Als äußeres
Zeichen seiner Haltung trug der Prinz eine Abbildung der Marienzeller Madonna
über dem Herzen auf seinem Brustpanzer." Es schien ein Siegesmarsch
zu werden für die Türken: Etwa 100000 Mann zogen von Belgrad
aus nach Norden, (Prinz Eugen von Savoyen hatte weniger als die Hälfte
zur Verfügung) und waren gerade dabei, nahe Zenta die Theiss zu überqueren
(11. September 1697). Die Kavallerie zuerst, dann auf einer Behelfsbrücke
der Sultan mit der Artillerie und dem Tross - sie alle hatten schon das
gegenüberliegende Ufer erreicht. Danach sollten die Fußtruppen
folgen. Diesen Augenblick nutzte der Prinz zum Angriff. Die Osmanen waren
darauf völlig unvorbereitet, und so wurde ihre Infanterie ein leichtes
Opfer der Österreicher. Mit Recht nannte man die Schlacht von Zenta
eine Entscheidungsschlacht. Prinz Eugen von Savoyen entschloss sich angesichts
der bereits vorgerückten Jahreszeit, mit einer stark verkleinerten
Truppe den Fliehenden nachzusetzen und drang dabei tief nach Bosnien vor.
Dabei eroberte er auch Sarajewo, das er plündern und niederbrennen
ließ, nachdem es von der türkischen Bevölkerung verlassen
worden war. Als er in sein Winterquartier aufbrach, führte er eine
große Schar von Christen mit, die unter der osmanischen Herrschaft
hatten leben müssen und nun die Chance nutzten, in sichere Gebiete
umzusiedeln. Die Erfolge Habsburgs im Großen Türkenkrieg konnten
nicht darüber hinwegtäuschen, dass die leeren Kriegskassen eine
Fortführung des Befreiungskampfes auf dem Balkan und, dem früheren
griechischen Gebieten inkl. Konstantinopel und Kleinasien als Ziel nicht
zuließen. Dennoch bedeutete der Große Türkenkrieg eine
schwere Niederlage für das Osmanische Reich: es musste Gebietsverluste
in einem Vertrag anerkennen und die Offensivkraft, um in das Herz Europas
vorzudringen, hatte es für immer verloren. Der Niedergang der Osmanen
war zwar eingeleitet, aber noch lange nicht vollendet, Südosteuropa
war noch nicht befreit, also z.B. Griechenland, Konstantinopel, die kleinasiatische
Küste. Als Geschichtsforscher und politischer Schriftsteller nimmt
Leibniz auch Stellung zu den Türkenkriegen seiner Zeit. Viele Granden
des Militärs spornt es an, große Feldherrn zu werden. Dazu Leibniz
1688: "Man beginnt ernsthaft an Konstantinopel zu denken. ... Der Kaiser
will nach Möglichkeit den Beschluss umsetzen, die Türken in die
Enge zu treiben." Er denkt sogar als Militärstratege und meint, es
käme darauf an, "den Übergang über die Save zu sichern und
die Festung Ilok zu nehmen, welche die Donauschiffart bedroht und die Unseren
gezwungen hat, Peterwalden aufzugeben. Den letzten Berichten zufolge hält
man es für gewiss, dass die Türken in Belgrad und Umgebung noch
nicht stärker sind als 10 000 Mann." Leibniz beschreibt eine türkische
Gesandtschaft - sie könnte auch aus der heutigen Türkei stammen:
"Vorgestern ist die türkische Gesandtschaft in Pottendorf, fünf
Meilen von hier, eingetroffen, es heißt, sie gäben sich recht
hochmütig." Die Raizen, griechisch-orthodoxe Serben, galten als gute
Soldaten: "Man fängt an, allerlei Truppen auszuheben, darunter viele
Ungarn, Raizen und Kroaten." Es geht um eine europäische Reconquista:
"Gebe Gott, dass die Dinge immer gut zugunsten der Christenheit" ausgehen."
Vgl. Kurse Nr. 589 Albrecht Dürer,
Nr.
567 Gottfried Wilhelm Leibniz, Ib.
Tizians, Sisyphos entstand 1548-49 im Auftrag der Königin Maria von Ungarn für ein Schloss in der Nähe von Brüssel. Tizian hatte durchaus eine Ahnung von der Aktualität des verlorenen, vom Geist und Kosmos abgeschnürten Menschen, der sich heute zum Beispiel in die mechanistische Biotech-Medizin oder Biotech-Landwirtschaft verirrt hat. Nicht eine Kirche, die selbst zum Problem geworden ist, kann ihn retten, sondern nur der Christus kann zum Erlöser werden, weshalb auch Richard Wagner in seinem Parsifal den Chor singen lässt: "Erlösung dem Erlöser". In Tizians Bild trägt Sisyphos den Stein an der Stelle, wo eigentlich der Kopf sein sollte. Der schwere Stein kann somit als Bild für einen Menschen mit mit einem überproportional großen Verstand aufgefasst werden. Dass Sisyphos es nie schafft den Stein auf den Gipfel zu tragen, liegt daran, dass dieser Verstand dauernd versucht mechanistisch, quantifizierend, reduzierend, rationalisierend vorzugehen ohne Seele und Geist zu berücksichtigen; es kommt zu Konstruckten, Gedankengebäuden oder Biotech-Produkten, die immer wieder in sich zusammenfallen, weil sie nicht Lebensfähig sind. Schon Tizian erlebte, wie das Universum entseelt und entgeistet wurde. Die Erde schrumpfte zusammen zu einem unbedeutenden Staubkorn in der entgeisteten und entseelten Welt. Der Blick zwischen dem Menschen und dem Kosmos wurde verstellt. So wie die moderne Naturwissenschaft von den Biotech-Strategen genutzt wird, um biotechnologisch optimierte Menschen, Tiere und Pflanzen zu erzeugen, könnte sie in Verruf geraten und letztlich so dastehen wie Sisyphos mit seinem mühsamen und sinnlosen Unterfangen. Wissenschaftler könnten sich zu Pseudo-Wissenschaftlern entwickeln, die mit Genen und mRNA experimentieren und Wirkungen hervorrufen, die sie nicht durchschauen und die hergestellten Produkte und Medikamente als gut verkaufen; Zu den Aussagen unserer heutigen Politiker und den von ihnen alimentierten Wissenschaftlern und Journalisten, meint ein Komiker, es könne leicht passieren, dass man die Lüge für die Wahrheit, und die Wahrheit für eine Lüge halte: "passar con facilidad / la mentira por verdad, / y la verdad por mentira". Biotech-Wissenschaftler sind dann keine "Amante de las ciencias" (Liebhaber der Wissenschaft) sondern "monstro en ciencias" (Monster in der Wissenschaft). Sisyphos ist heute
vielfach ein sogenannter "Bio-Hacker", der die DNA oder mRNA der Lebewesen
verändert. Es handelt sich wie oben gezeigt, eigentlich schon um kriminelle
Biotechnologie bzw. Biotech-Medizin oder Biotech-Landwirtschaft. Denn die
künstliche mRNA ist eine biologische Software, mit der körpereigene
Zellfunktionen "gehackt" und die Zellen in effiziente Arzneimittelfabriken
umgewandelt werden. Der Mensch wird, wie oben beschrieben, von den Biotechfirmen
(z.B. Biontech/Phizer und Moderna) als Maschine bzw. Computer betrachtet,
der nur von Zeit zu Zeit ein "Software-Update" benötigt. Seit einigen
Jahren sind unterschiedliche neue gen- bzw. biotechnische Verfahren in
der Entwicklung, die sowohl in der Pflanzen- und Tierzüchtung als
auch im humanmedizinischen Bereich und der Grundlagenforschung eingesetzt
werden. Es geht um Genom-Editierung. Im Gegensatz zur "alten" Gentechnik
soll es mit diesem Verfahren, allen voran mit CRISPR/Cas, möglich
sein, sehr präzise in der Erbgut von Lebewesen einzugreifen. "Auch
wenn mit den neuen gentechnischen Verfahren in bestimmten Fällen nur
einzelne Basen des Erbguts eingefügt oder entfernt, also sogenannte
Punktmutationen erzeugt werden, kann dies Organismen stark verändern.
Solche Eingriffe können zum Beispiel dazu führen, dass Proteine
fehlerhaft oder gar nicht mehr erzeugt werden." Es kann also niemand abschätzen,
was wirklich passiert, wenn beispielsweise mit dem CRISPR/Cas System gearbeitet
wird, das aus einem synthetisch hergestellten Erkennungs- und einer Schneidekomponente
besteht und nach Hacker-Art in die Zelle eingeschleust wird. "Bei der Erkennungskomponente
handelt es sich um ein kleines Molekül, "guide RNA" genannt. Sie erkennt
den Zielbereich auf der DNA und bindet die Schneidekomponente, also das
Cas-Protein, und bringt es in Position." Das Cas-Protein spaltet die DNA
im Zielbereich auf. Der "Bio-Hacker" kann nun falsche Basen einbauen, oder
kleinere Bereiche der DNA herausnehmen.. "Auf diese Weise können wenige
Basenpaare der DNA verändert und Gene ausgeschaltet bzw. manipuliert
werden. In über 90 % der Anwendungen an Pflanzen haben Forschende
CRISPR und andere Verfahren dazu genutzt, um Gene auszuschalten oder zu
entfernen, und damit sogenannte Knockout-Pflanzen geschaffen, bei denen
ein Gen nicht mehr aktiv ist." CRISPR/Cas ist ein einträgliches Geschäftsmodell
für die Agrarindustrie und Biotech-Medizin sowie Betätigungsfeld
für eine neue Art von Wissenschaftlern, den - noch nicht kriminalisierten
- Bio-Hackern. Vgl. Kurse Nr. 586 Tizian,
Nr.
533 Aristoteles,
Nr. 652 Juan
Ruiz de Alarcón,
Nr.
659 Wissenschaftslehre I, Nr.
666 Wissenschaftslehre II, Akademie der Kunst und Philosophie
Weit weg von jeder christlichen Philosophie, von Aristoteles, Leibniz, und allen großen Philosophen schwören die Tech- und Biotechkonzerne im Silicon Valley auf ihn; eine der wichtigsten Fähigkeiten des Menschen sucht man bei seinen Anhängern vergeblich: Das Denken. "Von Yuval Noah Harari erwartet das Publikum Antworten auf die großen Fragen: Wird uns die Technik befreien oder versklaven? Gibt es eine humane Zukunft auf diesem Planeten? Mit seinen Büchern und Auftritten hat Harari diese Erwartung selbst genährt. Harari ist ein Historiker und eine Marke. Die Yahav-Harari-Group, aufgebaut von seinem Lebenspartner Itzik Yahaf, ist ein boomender Produktkosmos, der unter Hararis Namen Comics und Kinderbücher und bald auch Filme und Dokus vertreibt. Hararis Bücher haben Verkaufszahlen von mehr als zwanzig Millionen. Er spricht auf dem Wirtschaftsforum in Davos oder vor der Tech-Elite des Silicon Valley. Präsidenten wie Macron und Wirtschaftsführer wie Mark Zuckerberg suchen seinen Rat. Bill Gates ist von seinen Büchern regelrecht berauscht. Bei seinen Auftritten wird er wie ein Popstar gefeiert, obwohl er seinen Zuhörern nur die traurige Botschaft überbringt, dass sie schlechte Algorithmen seien, die bald niemand mehr brauche, weil die Maschinen es besser könnten. Für solche Thesen liebt ihn das Silicon Valley, denn es bedient das Menschenbild, auf dem es sein Geschäftsmodell aufbaut." Nimmt man seine Bücher genauer unter die Lupe, wird schnell klar, dass die Thesen des an der Hebrew University Jerusalem lehrenden Historikers nicht hieb- und stichfest sind. Harari beackert ein Feld, das eigentlich keine Wissenschaft ist: die Big History, die auf eine Biotechnisch weiterentwickelte Version des Menschen hinausläuft "Kulturelle Leistungen sind für ihn flüchtige Fiktionen, ausgenommen ihr „harter“ Kern: die Rechenprozesse oder Algorithmen, denen er geradezu göttliche Potenz zuspricht." Er ist der Prophet bzw. Pseudo-Philosoph der Tech- und Biotechkonzerne, die mit CrisprCas manipulierten Pflanzen, Tieren und Menschen die Welt überschwemmen wollen. Er könnte ebenso gut als Ajatollah im Iran auftreten, denn als Pseudo-Wissenschaftsjournalist ist er ein gefährlicher Mann; so nennt ihn zumindest Darshana Narayanan in der amerikanischen Zeitschrift „Current affairs“. Er bringt den simpelsten Positivismus und Determinismus unter die Leute. "Der Mensch ist für ihn eine obsolete Datenverarbeitungsmaschine und gegenüber den Algorithmen nur ein kleines Huhn. Das Huhn, hält Narayan dem entgegen, sei aber ein dem Menschen weit überlegener Datenverarbeiter, was den Sehsinn betreffe. Schlimmer noch als einzelne Faktenfehler, die im Rahmen der Big History verzeihlich wären, sei, dass Harari weltanschauliche Schlüsse aus Wissenschaften zieht, die er nicht richtig verstehe, besonders aus Biotech-Medizin und-Landwirtschaft sowie Künstlicher Intelligenz. Das ist auch der Eindruck einer Gruppe von Wissenschaftlern an der Universität Wien, die Hararis Schriften unter dem Titel „The Harari Project“ kritisch unter die Lupe nimmt::"Harari zimmert aus längst überholten Sichten aus Genetik und KI ein deterministisches Geschichtsbild, das den Menschen einredet, ihre Zeit sei unwiderruflich abgelaufen. Durch seine Schriften wehe ein eisiger positivistischer Hauch." Ausser Technik, insbesondere
Biotech, ist alles um den Menschen herum Fiktion oder Einbildung; nur mit
Biotech könne der Mensch dauerhaft bestehen. Drei idiotische Bücher
hat er geschrieben. „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ beschreibt die
Entwicklung des Menschen seit dessen Anfängen. „Homo Deus“ (2017)
wirft den Blick in die Zukunft und beschreibt, wie der Mensch von den Maschinen
aufs Abstellgleis geschoben wird. Sein jüngstes Buch „21 Lektionen
für das 21. Jahrhundert“ (2019) ist eine Essaysammlung mit Lebenstipps.
"Harari wirft sich in die Pose des Weisheitslehrer des Menschengeschlechts.
Das erste Buch, das aus einer Reihe von Vorlesungen entstand, erzählt
die Geschichte der Menschheit seit der neolithischen Revolution. Was den
Menschen nach Harari vom Tier unterscheidet, ist seine Fähigkeit zur
Fiktion und zum Storytelling. Menschen erzählen Geschichten. Sie können
Abwesendes sprachlich repräsentieren und deshalb arbeitsteilig in
großen Gruppen zusammenarbeiten. Das ist keine Neuheit und knüpft
an das an, was der Kulturphilosoph Ernst Cassirer „animal symbolicum“ nannte.
Anders als Cassirer wirft Harari allerdings alle möglichen kulturellen
und geistigen Artefakte in den großen Kessel der Fiktion. Fiktionen
sind für ihn Märchen, Formeln, Theorien, Gesetze, Normen, Konventionen
oder politische Ordnungen, also Dinge ganz unterschiedlichen Realitätsgehalts
und ganz unterschiedlicher sozialer Geltung. Das Geld ist etwa eine solche
Fiktion oder der Staat. Es gibt bei Harari aber keine staatlichen Gewaltmittel
und keine Realwirtschaft, die diesen Fiktionen Substanz verleihen. Weil
für Harari alles nur Einbildung ist, kann es auch im Handstreich weggefegt
werden, Staaten, Kulturen, Traditionen, außer, wie gesagt, die Technik.
Eine Art Fiktion ist bei Harari auch der Mensch selbst. Er reduziert ihn
auf einen Strom messbarer Datenflüsse, die von ihm unzureichend verarbeitet
werden. Die menschlichen Daten können von Algorithmen aufgegriffen
werden, die bald besser über seinen Emittenten Bescheid wissen als
dieser selbst. Das ist nicht weiter bedauerlich, wenn der Mensch selbst
nichts anders als eine schlechte Software ist. Gefühle, Geist, Innenleben,
alles, was sich nicht in Daten messen lässt, erklärt Harari zum
historischen Irrtum. Das Gehirn ist bei ihm eine Software,
Seine Pseudo-Philosophie passt zu den Tech- und Biotech-Giganten und islamischen Despotien wie in Iran, Qatar usw.; denn überall dort ist Freiheit praktisch nicht existent. "Wenn der Mensch eine Maschine ist, dann ist auch der freie Wille eine Illusion, ebenso wie die liberalen Staatsordnungen, die auf ihm aufbauen. Wir würden bei Wahlen nicht denken, schreibt Harari an einer Stelle, sondern nur fühlen (sogar ohne Innenleben). Das Silicon Valley hört so etwas gern – ein freier Wille würde ja auch nur stören in den Affektuniversen des Überwachungskapitalismus. Es verwundert dann nicht mehr, dass die politischen Ordnungen, ohnehin nur Fiktionen, in Hararis Zukunftsbuch von einem Maschinenuniversum weggespült werden. An die Stelle der zukunftsoffenen Geschichtsschreibung tritt die Untergangsprophetie: Hier wird ein Gesellschaftsmodell zur alternativlosen Zukunft, ja zur notwendigen nächsten Evolutionsstufe erklärt, das sich aus einem verkürzten Menschenbild und bestimmten Geschäftsinteressen speist. Der zweite Pfeiler dieser Evolutionsgeschichte ist die Genetik, von der Harari ein ebenso einfältiges Bild hat. So predigt er den Glauben, man könnte Menschen am Reißbrett designen, indem man an ihren Genen herumdoktere. Dahinter steht die überholte Ansicht, für jede menschliche Eigenschaft sei ein einziges Gen verantwortlich, das in keinerlei Wechselwirkung mit seiner Umwelt stehe. Alles nur Mathematik. Sein Publikum tröstet Harari mit der religiösen Botschaft: Nicht so schlimm, wenn es euch nicht mehr gibt, ihr werdet in einer höheren technischen Evolutionsstufe aufgehoben, die euch von der sterblichen Hardware befreit." Gentechnik bzw. Biotech
Landwirtschaft und Medizin mit Klonen und CrisprCas Manipulationen an Mensch,
Tier und Pflanze, wie es Biotech-Wissenschaftler und ihre Wissenschaftsjournalisten
in Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen propagieren, ist gegen jede Vernunft
und wird von echten Wissenschaftlern und Philosophen abgelehnt. Die falschen
Wissenschaftler haben schon fast alle Universitäten, Forschungseinrichtungen
und Medien gekapert und geben ihre verkehrte Wissenschaft als echte aus.
In den Worten des 17. , 18. Jahrhunderts könnte man es auch so ausdrücken
wie Telemann in seinem Oratorium "Der Tag des Gerichts" getan hat. Warum
nehmen diese Leute keine Vernunft an? "Der Böse schmäht Vernunft"
und will von Christus nichts wissen. In einer Arie spricht Christus zu
diesen Vernunft- und Gottlosen: "Hinweg von meinem Angesichte! / Ihr Feinde
Gottes, seid verdammt! / Euch martre ewig eu'r Gewissen / und Satan, der
euch leiten müssen, / und jene Hölle, die dort flammt." Der Chor
der Seligen preist Christus, gottes Sohn; die Chöre der Himmlischen
singen in einem gewaltigen Finale: "Er warf der Höllen Ungeheuer /
und seine frevelnden Mächte / ... ins Feuer." Vgl. Kurse
Nr.
589 Albrecht Dürer, Nr.
533 Aristoteles, Nr. 567
Gottfried Wilhelm Leibniz, Nr.
666 Wissenschaftslehre II, Akademie der Kunst und Philosophie
Schon die architektonische Anordnung beider Räume gibt einen Hinweis darauf, dass sich hinter dem Werk noch etwas verbirgt: die Legende über das Schicksal der Arachne. Ein Schlüssel dazu ist der Wandteppich, auf dem der Raub der Europa dargestellt ist. Diese Szene war das Thema, das die junge Weberin Arachne gewählt hatte, als sie in einem Wettstreit mit der olympischen Göttin Pallas Athene, Erfinderin der Webkunst, diese in ihrer Kunst übertreffen wollte. Velázquez, ein großer Bewunderer Tizians, zeigt hier das von Arachne zum Teppich umgearbeitete Bild Tizians: Der Raub der Europa, das sich zu Velázquez’ Zeit im Königlichen Palast in Madrid befand und das dieser gekannt haben wird. Hierin zeigt Tizian Zeus, der als Stier verwandelt Europa umwirbt, die er begehrte. Als diese Zutrauen zu dem zahmen Stier fasste, entführte er sie, was seiner Gattin Hera missfallen musste. Es geht hier also um die Bedeutung der Mythologie und Philosophie/Wissenschaft sowie der Schönen Künste. Velázquez lässt die Göttin Athene zwar im Bild triumphieren und im Wettstreit siegen, doch befindet er sich auf Seiten Arachnes. Diese steht stellvertretend für die Bildkünste (hier anhand der Bildwirkerei gezeigt), die zu Lebzeiten Velázquez’ nicht zu den Freien Künsten, den Artes liberales, zählten. Sein Rühmen der Bildteppiche Arachnes ist ein Eintreten des Künstlers für die Wirkungsmacht der Bilder und für eine gesellschaftliche Anerkennung der Bildenden Künste, die er den Freien Künsten dazugesellen möchte. Wie Velázquez’ Bild Las Meninas gehört auch dieses Bild in die Reihe berühmter Bilder der Kunstgeschichte, die sich bisher einer vollständigen und schlüssigen Deutung entzogen haben. Erster Besitzer des Bildes war der Hof-Oberjäger des Königs, Pedro de Arce, in dessen Inventar von 1664 das Bild unter dem Namen Fabel der Arachne genannt wird. 1711 gelangte es in die Sammlung des Königs, wurde bei dem Palastbrand von 1734 beschädigt, und verlor dabei neben einiger Bildsubstanz offenbar auch seinen alten Titel. Im Inventar von 1772 des Palacio Real wurde es unter dem Titel Teppichfabrik mit mehreren spinnenden und webenden Frauen geführt. Den heute üblichen Titel Las Hilanderas erhielt das Bild erst von dem spanischen Hofmaler Mengs, gesehen wurde es weiterhin als ein Beispiel der Genremalerei. 1872 richtete sich zum ersten Mal das Interesse eines Kunsthistorikers auf die mythologische Szene im Hintergrund des Bildes. Pedro de Madrazo beschrieb das Bild als Darstellung der königlichen Teppichmanufaktur in der Calle de Santa Isabel mit einer mythologischen Szene im Hintergrund. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts befasste sich die Wissenschaft vermehrt mit der Entschlüsselung weiterer Deutungsebenen des Gemäldes. 1927 beschrieb Aby Warburg das Bild als Allegorie der Webkunst und identifizierte zwei Personen des Bildes als Pallas Athene. Warburg fand den zu Grunde liegenden Textbezug in den Metamorphosen des Ovid, aus der sich auch die Deutung des Teppichbildes mit dem Raub der Europa erschließen lässt, denn dies war nach Ovid Thema des ersten von Arachne gewebten Teppichs. Charles de Tolnay interpretierte 1949 das Bild als Allegorie der Künste und deutete vier Figuren vor dem Teppich als Allegorien der Bildhauerei, der Malerei, der Architektur und der Musik und ordnete das Gemälde in den Kontext der Artes-liberales-Debatte des 17. Jahrhunderts ein. Der effektive Altruismus, wie er in den USA Biotech-Firmen unterstützt, hat ähnlich wie die Pseudo-Philosophie des Hauspropheten der Biotech- und KI-Branche und des Silicon Valley, mit Philosophie, wie sie Aristoteles, die Idealisten Fichte, Schelling, Hegel und Thomas von Aquin verstanden, nicht viel zu tun, denn es handelt sich um reinen Utilitarismus, als Nützlichkeits-Fanatismus, der die Bedeutung der Mythologie und Philosophie/Wissenschaft sowie der schönen Künste kleinredet, die der Maler Diego Velázquez aber in den Mittelpunkt gerückt wissen wollte. Ein Begründer des effektiven Altruismus, der Kryptohändler Sam Bankman-Fried, der im Dezember 2022 nach dem Bankrott seiner Firma FTX wegen des "Verdachts auf Betrug und Geldwäsche verhaftet wurde und derzeit vor Gericht steht, fiel nicht allein durch seine demonstrative Verweigerung einer gepflegten Erscheinung auf; dadurch aber auch. Sein ungekämmtes Haar, seine schlabbrigen T-Shirts und die kurzen Hosen drückten die Ungezwungenheit eines Genies aus, das es nicht nötig hat, die Etikette zu beachten. Aber sie waren auch die Arbeitskleidung des hemmungslosen Wohltäters, als der sich Bankman-Fried ausgab. Er war der Held der Bewegung des Effektiven Altruismus, eine Art moderner Robin Hood. 99 Prozent seines Einkommens wolle er spenden, kündigte er Anfang vergangenen Jahres an, auf dem Höhepunkt seiner Karriere soll er ein Vermögen von 26,5 Milliarden Dollar besessen haben." 160 Millionen steckte er tatsächlich in über 100 Hilfsprojekte, vor allem aber in Biotech-Start-ups und Stipendien für Schüler, die später in der Biotech-Branche arbeiten wollen. Bankman-Fried ist der wohl prominenteste EA, wie sich die Anhänger des Effektiven Altruismus selbst nennen. "Aber auch unabhängig von seiner Blitzkarriere hat die Idee in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung gemacht. Als ihr Begründer gilt der junge schottische Moralphilosoph William MacAskill (heute 32 Jahre alt), der in Oxford lehrt und dort, mit seinem Kommilitonen Toby Ord und ein paar Gleichgesinnten, 2011 seine Theorie auf den Begriff gebracht hat. Er hätte sie auch „Rationales Mitgefühl“, „Optimale Philanthropie“ oder „Evidenzbasierte Wohltätigkeit“ nennen können, aber die Wortkombination „Effektiver Altruismus“ ging 2011 in einer Abstimmung als Sieger hervor – und erwies sich seitdem als erstaunlich eingängige Formel. Im Kern besagt ihr utilitaristisches Prinzip, dass die Bewohner der westlichen Welt, in der selbst Menschen unterhalb der Armutsgrenze noch reicher sind als 85 Prozent der Menschen auf der Erde, moralisch nicht nur dazu verpflichtet sind, Gutes zu tun, sondern dies auch mit maximal möglicher Wirksamkeit. Vorreiter der Idee ist der australische Utilitarist Peter Singer, MacAskill und seine Anhänger haben dessen Ansatz konsequent weitergetrieben, vernetzt und vermarktet. Vor allem in der kalifornischen Tech-Szene trafen sie damit einen Nerv, in jenem Milieu also, dessen Mitglieder sich durch überdurchschnittlich gutes Einkommen, schlechtes Gewissen und Faible für pragmatische Lösungen auszeichnen." Effektiver Altruismus passt perfekt zum Pseudo-Idealismus des Silicon Valley, der mit viel Eifer und Eitelkeit die Symptome sozialer Probleme beheben will, ohne jemals an deren strukturellen Ursachen zu rütteln, zu fragen ob Biotech, Gentechnik, CrisprCas überhaupt sinnvoll sind, auf denen schließlich der eigene Wohlstand beruht. "Heute hat sich der Effektive Altruismus vom moralphilosophischen Konzept zur erfolgreichen Lifestyle-Marke entwickelt. Inzwischen haben sich mehr als 7000 Mitglieder der Bewegung dazu verpflichtet, mindestens zehn Prozent ihres Einkommens zu spenden, MacAskill selbst gibt die Hälfte seiner Einnahmen. Der Journalist Ezra Klein gehört genauso zu den Anhängern wie der Philosoph und Podcaster Sam Harris. Weltweit gibt es mehr als 200 EA-Gruppen, jede Woche finden irgendwo auf der Welt „Retreats“ und „Unconferences“ statt, wie dieses Wochenende in Berlin-Wannsee, wo die Teilnehmer bei veganem Essen zwischen Parkour-Workshops und Waldspaziergängen nicht nur lernen, wie man Gutes tut, ohne Geld für überteuerte Hilfsmaßnahmen zu verplempern. Sondern auch, wie sie ihre eigenen Talente gewinnbringend einsetzen." Wichtig sei nicht, dass man im Einklang mit seiner Philosophie z.B. in ökologischen Projekten arbeite, sondern möglichst früh viel Geld verdiene, an Elite-Unis studiere und z.B. in der Biotech-Branche oder in der gentechnisch optimierten Massentierhaltung arbeite wie sie in den USA üblich ist mit Antibiotika-Einsatz und "Biotech-Impfung" bei Bienen Gentechnik, CrisprCas und Klonen bei anderen Nutztieren. Denn auch für die „ethische Lebensoptimierung“ seiner Anhänger hat MacAskill eine Organisation gegründet, benannt nach der durchschnittlichen Lebensarbeitszeit. „80 000 Hours“ hat sich die Karriereberatung für den Weltverbesserungsnachwuchs zur Aufgabe gemacht. "Vor allem Absolventen renommierter Unis empfiehlt man, lieber einen gut bezahlten Job an der Wall Street anzunehmen und das damit verdiente Geld zu spenden, statt sich persönlich in Wohltätigkeitsorganisationen zu engagieren. „Earning to give“ heißt diese Devise, mit der MacAskill anfangs im Zweifelsfall sogar eine Karriere in der Ölindustrie rechtfertigte, schließlich würde den Job sonst jemand anderes machen. Auch Bankman-Fried legte MacAskill persönlich eine Karriere in der Finanzbranche nahe, als der als Erstsemester am MIT auf der Suche nach einer Berufung war." Zu welch grotesken Auswüchsen so ein ungebremster Utilitarismus führen kann, zeigt sich an den Projekten, die in den vergangenen Jahren immer mehr die direkte Hilfe für Notleidende verdrängen. So führt der Maximierungswahn des vermeintlich taxierbaren Lebensglücks fast zwangsläufig zu einem besonderen Faible für Tierschutz, vor allem von Nutztieren - allerdings werden darunter biotechnisch optimierte Nutztiere verstanden oder die Abschaffung der landwirtschaftlichen Nutztiere, da die Produkte wie Fleisch und Käse von Biotech-Firmen wie "Formo Bio" im Labor erzeugt werden; abgesehen davon, dass niemand diese Produkte haben will, wird dazu allerdings viel Strom benötigt, weshalb diese Firmen am liebsten auf Atomenergie setzen. "Ähnlich fragwürdig ist das Kalkül, wenn es um Gelder für die vielen Organisationen der Bewegung geht. Wenn er nach besonders effektiven Investment-Tipps gefragt wird, empfiehlt MacAskill ungeniert Spenden für seine eigenen Stiftungen und begründet das gerne mit der angeblich beachtlichen Hebelwirkung. Wer etwa in die Arbeit seiner Stiftung „Giving What We Can“ investiere, behauptet er, ermögliche es den erfahrenen Fundraisern, ein Vielfaches davon an Spenden zu mobilisieren. Laut „80 000 Hours“ steht der „Aufbau des Effektiven Altruismus“ sogar schon auf Platz 3 der „Liste der dringendsten Weltprobleme“, hinter den Risiken der Künstlichen Intelligenz und denen katastrophaler Pandemien. Der Wasserkopf von Verwaltung und Organisation, den man anderswo als ineffiziente Bürokratie kritisiert, wird bei EA als Wundermittel der Spendenvermehrung verklärt, als „Meta Charity“ mit nachweisbarem Multiplikatoreffekt. So zahlt die Bewegung, wie bei einem modernen Ablasshandel, beseelt auf die Konten der eigenen Organisationen ein. Dass die vermeintliche Effektivität des Altruismus inzwischen zur reinen Behauptung geworden ist, liegt aber vor allem an einer Prioritätenverschiebung in MacAskills Denken, die spätestens in seinem im September erschienenen Buch „What We Owe The Future“ offensichtlich wurde. Darin propagiert er die komplette Wende zur Theorie (und Praxis) des „Longtermism“, einer Idee, die im Dunstkreis der kalifornischen Philanthropen schon lange genauso vor sich hin gärt wie in den Zirkeln der Oxforder Philosophen rund um Toby Ord, Nick Bostrom und das „Future of Humanity Institute“. Longtermism basiert auf der These, dass die Menschen der Zukunft moralisch nicht weniger zählen als die gegenwärtige Generation; und weil ihre Menge aber theoretisch unendlich größer ist, hat ihre Rettung Priorität. „Die stillen Milliarden“ nennt MacAskill unsere Nachkommen und vergleicht sie mit den rechtlosen Gruppen, die in der Vergangenheit lange um ihre Interessen kämpfen mussten. Natürlich ist es durchaus zeitgemäß, die Perspektive auf die Zukunft auszuweiten. In gewisser Weise ist Longtermism mittlerweile Common Sense, schließlich hat sogar das Bundesverfassungsgericht unlängst das „Grundrecht auf menschenwürdige Zukunft“ konstatiert. Aber MacAskill, seine reichen Freunde und immer mehr der von ihnen finanzierten Stiftungen und Lobbyisten ziehen den Horizont so weit in die Zukunft, dass ihr Utilitarismus endgültig spekulativ wird – was die an der Börse konditionierte Klientel womöglich als ganz reizvoll begreift." Die Milliarden der
EA-Spender gehen inzwischen kaum noch in die weltweite Armuts- und Krankheitsbekämpfung.
Sondern in die Biotech-Industrie oder in Initiativen zur Entwicklung menschenfreundlicher
KI (welche, wie man am Beispiel der Stiftung Open-AI sieht, die Zukunft,
vor der sie warnen, am entschlossensten vorantreiben). Und in unzählige
Institute, die gut bezahlt darüber nachdenken, welche heute noch unbekannten
Gefahren jenseits des Roboteraufstands in der Zukunft lauern könnten.
"Moralisch unvergleichlich fatal, so lautet eine jener bizarren Pointen
des Ethikfuturisten Bostrom, sei beispielsweise die Trödelei, die
die Menschheit bei der Kolonisierung des Weltraums an den Tag legt: Denn
während wir Netflix gucken oder gegen den Krebs kämpfen, heizen
Milliarden von Sonnen im Universum leere Räume, in denen empfindungsfähige
Wesen ein lebenswertes Leben führen könnten. Allein in unserem
Supergalaxienhaufen, so schrieb Bostrom schon 2003 in seinem Aufsatz „Astronomical
Waste“, gingen in jedem Jahrhundert der versäumten Weltallbesiedlung
10^38 Leben verloren, das sind selbst pro Sekunde noch Hunderte Quadrilliarden.
Mit derartigen Verweisen auf potentielle Glücksrenditen in einer unbestimmten
Zukunft lässt sich die moralische Effektivität für jedes
noch so abwegige Langzeitprojekt behaupten. Notfalls subventioniert man
irgendein Institut, das die Gefahr einer hypothetischen Apokalypse untersucht
und beziffert. Wer sich dagegen immer noch mit den profanen Problemen der
Gegenwart beschäftigt, beweist damit nur seinen beschränkten
Horizont. Kein Wunder, dass auch der berühmte Eskapist Elon Musk MacAskills
Buch als „nah an seiner Philosophie“ gelobt hat." Am Ende ist der Effektive
Altruismus heute nichts anderes als ein moralisch aufgeladener Investmentfonds
für die Biotech-Industrie. Vgl. Kurse Nr.
586 Tizian, Nr.
533 Aristoteles, Nr.
666 Wissenschaftslehre II, Nr.
664 Philosophie der Kunst, Akademie der Kunst und Philosophie
Gottfried
Wilhelm Leibniz
Allgemeine
Infos zur Akademie der Kunst und Philosophie und den Kursen
Zur Philosophie und Kulturgeschichte von Byzanz, des Mittelalters, der Schule von Chartres, der Renaissance, des Barock, der Aufklärung, des Idealismus, der Romantik vgl. Kurse:Nr. 551 G.W.F. Hegel I, Nr. 660 G.W.F. Hegel II, Nr. 511 Johann Gottlieb Fichte I, Nr. 658 Johann Gottlieb Fichte II, Nr. 509 F.W.J. Schelling I, Nr. 510 F.W.J. Schelling II, Nr. 513 F.W.J. Schelling III, Nr. 505 Arthur Schopenhauer I-II, Nr. 663 Arthur Schopenhauer III, Nr. 531 Platon, Nr. 533 Aristoteles, Nr. 623 Johann Ludwig Wilhelm Müller, Nr. 020 Johann Wolfgang von Goethe I-II, Nr. 673 Johann Wolfgang von Goethe III, Nr. 553 Friedrich Schiller I-II, Nr. 675 Friedrich Schiller III, Nr. 554 Friedrich Hölderlin I-II, Nr. 512 Novalis I, Nr. 671 Novalis II, Nr. 677 Jean Paul, Nr. 667 Romantische Kunst und Philosophie I, Nr. 669 Romantische Kunst und Philosophie II, Nr. 630 Johann Ludwig Tieck, Nr. 631 Adelbert von Chamisso, Nr. 567 Gottfried Wilhelm Leibniz, Nr. 665 Molière, Nr. 622 Victor Hugo I, Nr. 674 Victor Hugo II, Nr. 629 Voltaire I-II, Nr. 679 Laurence Sterne, Nr. 621 Lord Byron I, Nr. 676 Lord Byron II, Nr. 628 Percy Bysshe Shelly, Nr. 561 Sir Walter Scott, Nr. 555 Angelus Silesius, Nr. 634 Hans Sachs, Nr. 619 Franz Werfel, Nr. 680 Nikos Kazantzakis, Nr. 588 Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Nr. 550 Fjodor M. Dostojewskij I-II, Nr. 506 Wladimir Sergejewitsch Solowjow, Nr. 664 Philosophie der Kunst, Nr. 661 Philosophie der Geschichte I, Nr. 686 Philosophie der Geschichte II, Nr. 687 Philosophie der Geschichte III, Nr. 687 Philosophie der Geschichte IV, Nr. 687 Philosophie der Geschichte V, Nr. 659 Wissenschaftslehre I, Nr. 666 Wissenschaftslehre II, Nr. 681 Wissenschaftslehre III, Nr. 682 Wissenschaftslehre IV, Nr. 683 Wissenschaftslehre V, Nr. 684 Wissenschaftslehre VI, Nr. 685 Wissenschaftslehre VII, Nr. 545 Sittenlehre I-II, Nr. 614 Sittenlehre III, Nr. 544 Staats- und Rechtslehre I-II, Nr. 641 Staats- und Rechtslehre III, Nr. 644 Staats- und Rechtslehre IV, Nr. 655 Staats- und Rechtslehre V, Nr. 618 St. Ephraim der Syrer, Nr. 617 St. Cyrill von Alexandrien, Nr. 616 St. Gregor von Nazianz, Nr. 613 St. Gregor von Nyssa, Nr. 612 St. Johannes Chrysostomos, Nr. 611 St. Johannes Cassianus, Nr. 627 St. Basilius der Große, Nr. 625 Theodorus Abucara, Nr. 624 Byzantinische Wissenschaft / Philosophie, Nr. 653 St. Cyprianus, Nr. 609 St. Athanasius der Große, Nr. 605 St. Irenaeus von Lyon, Nr. 604 St. Hildegard von Bingen, Nr. 600 St. Johannes von Damaskus, Nr. 599 St. Petrus Venerabilis, Nr. 581 Bernhard von Chartres, Nr. 580 Wilhelm von Conches, Nr. 578 Pierre Abaelard, Nr. 574 Johannes von Salisbury, Nr. 577 Petrus Lombardus, Nr. 576 Gilbert de la Porrée / Gilbert von Poitiers, Nr. 565 Johannes Scotus Eriugena, Nr. 575 Thierry de Chartres, Nr. 571 Alanus ab Insulis, Nr. 572 Anselm von Canterbury, Nr. 570 St. Hilarius von Poitiers, Nr. 568 Nicolaus Cusanus I, Nr. 568 Nicolaus Cusanus II, Nr. 568 Nicolaus Cusanus III, Nr. 564 St. Ambrosius, Nr. 564 St. Augustinus I, Nr. 601 St. Augustinus II, Nr. 654 St. Augustinus III, Nr. 579 St. Albertus Magnus, Nr. 500 St. Thomas von Aquin I, ScG, Nr. 501 St.Thomas von Aquin II, Sth I., Nr. 502 St.Thomas von Aquin III, Sth. I-II, Nr. 582 St.Thomas von Aquin IV, Sth II-II, Nr. 583 St.Thomas von Aquin V, Sth. III, Nr. 566 Meister Eckhart, Nr. 562 Dante Alighieri I-II, Nr. 672 Dante Alighieri III, Nr. 558 Calderón de la Barca, Nr. 648 Calderón de la Barca II, Nr. 650 Calderón de la Barca III, Nr. 651 Calderón de la Barca IV, Nr. 563 Miguel de Cervantes I, Nr. 645 Miguel de Cervantes II, Nr. 637 Lope de Vega I, Nr. 638 Lope de Vega II, Nr. 642 Lope de Vega III, Nr. 643 Lope de Vega IV, Nr. 652 Juan Ruiz de Alarcón, Nr. 632 Ginés Pérez de Hita, Nr. 633 Luis Vaz de Camões, Nr. 678 François Rabelais, Nr. 557 Ludovico Ariosto I-II, Nr. 668 Ludovico Ariosto III, Nr. 556 Torquato Tasso, Nr. 552 William Shakespeare I-II, Nr. 559 Wolfram von Eschenbach, Nr. 560 Walter von der Vogelweide, Nr. 662 Gottfried von Strassburg, Akademie der Kunst und Philosophie / Académie des sciences Nr. 320 Romanische Kunst und Architektur, Nr. 350 Byzantinische Kunst und Architektur, Nr. 325 Kunst und Architektur der Gothik, Nr. 326 Kunst und Architektur der Renaissance, Nr. 586 Tizian, Nr. 591 Paolo Veronese, Nr. 597 Correggio, Nr. 670 Annibale Carracci, Nr. 598 El Greco, Nr. 620 Giovanni Battista Tiepolo, Nr. 590 Giovanni Bellini, Nr. 656 Andrea Solari, Nr. 657 Bernadino Luini, Nr. 587 Andrea Mantegna, Nr. 595 Jan van Eyck, Nr. 635 Rogier van der Weyden, Nr. 640 Stefan Lochner, Nr. 646 Michael Pacher, Nr. 647 Peter Paul Rubens, Nr. 649 Giotto di Bondone, Nr. 626 Luca Signorelli, Nr. 610 Piero della Francesca, Nr. 596 Perugino, Nr. 522 Raffael (Raffaello Sanzio), Nr. 523 Sandro Botticelli, Nr. 602 Benozzo Gozzoli, Nr. 606 Fra Angelico, Nr. 607 Pinturicchio, Nr. 608 Domenico Ghirlandaio, Nr. 593 Filippo Lippi, Nr. 594 Filippino Lippi, Nr. 589 Albrecht Dürer, Nr. 603 Bernard van Orley, Nr. 615 Ambrogio da Fossano detto il Bergognone, Nr. 636 Eugène Delacroix, Nr. 639 Bartolomé Esteban Murillo, Akademie der Kunst und Philosophie
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